Entscheidungsgründe

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Entscheidungsgründe
VG München, Urteil v. 23.11.2010 – M 6a K 10.2739
Titel:
Normenketten:
§ 29 Abs. 6 Satz 4 StVG
§ 4 Abs. 5 StVG
§§ 68 ff. VwGO
§ 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO
Orientierungsatz:
Entfall des Widerspruchsverfahrens; Rechtsbehelfsbelehrung; Punktesystem; EU-Fahrerlaubnis;
Erwerb einer EU-Fahrerlaubnis bei 18 Punkten; weitere Eintragung im Verkehrszentralregister
Schlagworte:
Entfall des Widerspruchsverfahrens, Rechtsbehelfsbelehrung, Punktesystem, EU-Fahrerlaubnis, Erwerb
einer EU-Fahrerlaubnis bei 18 Punkten, Weitere Eintragung im Verkehrszentralregister
Entscheidungsgründe
M 6a K 10.2739
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
********* ******
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- Kläger bevollmächtigt:
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gegen
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- Beklagter wegen
Entziehung der Fahrerlaubnis
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 6a. Kammer,
durch den Richter am Verwaltungsgericht ****** als Einzelrichter
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2010
am 23. November 2010
folgendes
Urteil:
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Mit Schreiben vom *** September 2004 war der 1967 geborene Kläger vom Beklagten verwarnt worden,
weil im Verkehrszentralregister folgende Daten über ihn gespeichert waren:
Tattag
**.07.2003
**.11.2003
**.01.2004
Tat
Geschwindigkeitsüberschreitung außerh.
geschl. Ortsch. um 27 km/h
Trunkenheitsfahrt AAK 0,30 mg/l
Trunkenheitsfahrt AAK 0,44 mg/l
Punkte
3
Ahndung / Rechtskraft
Bußgeldbescheid / **.09.2003
4
4
Bußgeldbescheid / **.01.2004
Bußgeldbescheid / **.08.2004
Nach einem weiteren Bußgeldbescheid vom ** Februar 2005, rechtskräftig seit *** Mai 2005 wegen einer
erneuten Trunkenheitsfahrt vom ** Januar 2005, die wiederum mit 4 Punkten zu bewerten ist, hat der
Beklagte am *** Juli 2005 ein besonderes Aufbauseminar für alkoholauffällige Kraftfahrer angeordnet, das
der Kläger absolvierte.
Weiterhin wurde aufgrund der wiederholten Verkehrszuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss ein
Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung über die Eignung des Klägers zu
Führen von Kraftfahrzeugen angeordnet, das zu dem Ergebnis kam, es sei zu erwarten, dass der Kläger
auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss fahren werde. Daraufhin verzichtete der Kläger am
*** April 2006 auf seine Fahrerlaubnis der Klasse 3.
Dennoch nahm er am ** Mai 2007 mit einem Kfz am Straßenverkehr teil. Deshalb wurde vom Amtsgericht
******** mit Strafbefehl vom *** Juli 2007 eine Geldstrafe wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
gegen ihn verhängt.
Am *** Dezember 2008 erwarb der Kläger eine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B.
Am ** Mai 2009 benutzte der Kläger als Führer eines Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder
Autotelefon, indem er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahm oder hielt. Deshalb
wurde am ** Juni 2009 ein Bußgeldbescheid erlassen, der seit *** Juni 2009 rechtskräftig ist.
Nach vorheriger Anhörung erkannte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 die
Berechtigung, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
Gebrauch zu machen, ab und forderte ihn auf, seinen Führerschein innerhalb von 3 Tagen nach Zustellung
des Bescheids zur Eintragung eines entsprechenden Vermerks vorzulegen.
Gegen diesen Bescheid wurde gem. der Rechtsbehelfsbelehrung am 23. Dezember 2009 Widerspruch
eingelegt, der von der Regierung *** ********** mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2010 als unstatthaft
zurückgewiesen wurde.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2010 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Beklagten und
beantragte,
den Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2009 aufzuheben.
Unter Berücksichtigung von § 4 Abs. 5 StVG habe der Kläger die für die Aberkennung der Berechtigung
erforderlichen 18 Punkte nicht erreicht.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2010 beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 27. Juli 2010 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Am 23. November 2010 fand die mündliche Verhandlung statt, in der der Klägerbevollmächtigte den Antrag
auf Aufhebung des Bescheids vom 17. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.
März 2010 stellte. Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 20. Juli 2010.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte
verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Zwar hat der Kläger mit dem Widerspruch einen unstatthaften Rechtsbehelf gegen
den Bescheid vom 17. Dezember 2009 eingelegt, da es sich bei einer auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG
gestützten Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. der Aberkennung der Berechtigung, von der tschechischen
Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, nicht um eine personenbezogene
Prüfungsentscheidung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AGVwGO handelt, so dass die
Durchführung eines Vorverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO gemäß Art. 15 Abs. 2 AGVwGO ausgeschlossen
ist (vgl. BayVGH vom 4.2.2010, Az. 11 CS 09.2935; vom 2.3.2010, Az. 11 CS 09.2446). Da die dem
Bescheid vom 17. Dezember 2009 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung, die von einem Wahlrecht des
Klägers zwischen der Einlegung eines Widerspruchs und der unmittelbaren Klageerhebung ausging, aber wie ausgeführt - unzutreffend war, konnte die Klage gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO innerhalb eines
Jahres seit Zustellung des Bescheids erhoben werden.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2009 und der
Widerspruchsbescheid der Regierung *** ********** vom 29. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen den
Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - und § 46 Abs. 1 Satz 1 der
Fahrerlaubnisverordnung - FeV - hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich
deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG und §
46 Abs. 5 Satz 2 FeV hat die Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis die Wirkung einer
Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Fahrungeeignetheit ist
insbesondere dann anzunehmen, wenn erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften
verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs.
1 Satz 2 FeV). Diese Vorschriften werden durch das sog. Punktesystem (§ 4 StVG, § 40 FeV i.V. mit Anlage
13 zur FeV) ergänzt, das bestimmte Maßnahmen der Verkehrsbehörde je nach Anzahl und Schwere der im
Verkehrszentralregister erfassten Verkehrsverstöße des Fahrerlaubnisinhabers vorsieht.
Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen,
wenn sich 18 oder mehr Punkte im Verkehrszentralregister ergeben; die Fahrerlaubnisbehörde hat dann die
Fahrerlaubnis, ohne dass ihr insoweit ein Ermessen zusteht, zu entziehen bzw. im Fall einer ausländischen
Fahrerlaubnis das Recht abzuerkennen, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.
Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Zum einen sind die den Kläger betreffenden Eintragungen
im Verkehrszentralregister gemäß Anlage 13 zu § 40 FeV mit mindestens 18 Punkten zu bewerten. Zum
anderen hat der Beklagte vorher die erforderlichen Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG
stufenweise ergriffen.
Die ordnungsgemäße Anwendung der ersten Stufe der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG vorgeschriebenen
Anordnungs- und Hinweispflichten ergibt sich dabei unter Zugrundelegung der oben aufgelisteten, zum
Zeitpunkt der ersten Stufe noch nicht tilgungsreifen Eintragungen. Diese Eintragungen rechtfertigen die mit
Schreiben vom *** September 2004 ausgesprochene Verwarnung des Klägers wegen wiederholter
Verkehrszuwiderhandlungen bei einem Punktestand von 11 Punkten.
Danach beging der Kläger am ** Januar 2005 eine weitere mit 4 Punkten zu bewertende Trunkenheitsfahrt,
die am ** Februar 2005 zum Erlass eines seit *** Mai 2005 rechtskräftigen Bußgeldbescheids führte.
Deshalb wurde auch die Maßnahme des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG mit der Anordnung der Teilnahme an
einem besonderen Aufbauseminar für alkoholauffällige Kraftfahrer und den weiteren darin enthaltenen
Hinweisen und Belehrungen bei einem Punktestand von 15 Punkten ordnungsgemäß zur Anwendung
gebracht.
Die erste und die zweite Stufe der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG vorgeschriebenen Anordnungs- und
Hinweispflichten wurde somit eingehalten.
Dieser Punktestand blieb bis 2007 unverändert bestehen, weil gem. § 29 Abs. 6 StVG eine Tilgung früherer
Ordnungswidrigkeiten ausgeschlossen war und auch der Verzicht auf die Fahrerlaubnis vom *** April 2006
keine Auswirkungen auf den Punktestand hat.
Mit der vorsätzlichen Fahrt ohne Fahrerlaubnis vom ** Mai 2007, die am *** Juli 2007 zum Erlass eines
Strafbefehls führte, erhöhte sich der Punktestand auf 21 Punkte, weil diese mit 6 Punkten zu bewertende
Straftat am ** Mai 2007 und damit vor Ablauf der grundsätzlich zweijährigen Tilgungsfrist für die mit am ***
Mai 2005 rechtskräftig gewordenem Bußgeldbescheid geahndete Trunkenheitsfahrt vom ** Januar 2005
begangen wurde (vgl. § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG) und innerhalb der einjährigen Überliegefrist des § 29 Abs. 7
StVG am *** Juli 2007 zum Erlass eines Strafbefehls geführt hat.
Dieser Punktestand reduzierte sich am *** September 2008 infolge Tilgung der Ordnungswidrigkeit vom ***
Juli 2003 um 3 Punkte auf 18 Punkte (§ 29 Abs. 6 Satz 4 StVG).
Weitere Tilgungen konnten infolge der Hemmungswirkung des Strafbefehls vom *** Juli 2007 bislang nicht
erfolgen (vgl. § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG), weil Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG gem. § 29 Abs. 6 Satz
4 StVG nicht spätestens nach Ablauf von fünf Jahren getilgt werden.
Der Kläger hatte somit auf seinem Punktekonto unmittelbar vor Erwerb der tschechischen Fahrerlaubnis
(**.12.2008) 18 Punkte verzeichnet. An diesem Punktestand konnte der Erwerb der tschechischen
Fahrerlaubnis nichts ändern, da nach dem Sinn und Zweck des Punktesystems zur Verhinderung taktisch
geschickter Manipulationen in der StVG nur die Entziehung der Fahrerlaubnis oder die Anordnung einer
Sperre nach § 69 a Abs. 1 Satz 3 StVG gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG zu einer Löschung der Punkte für die
vor dieser Entscheidung begangenen Zuwiderhandlungen führt, nicht aber ein Verzicht auf die
Fahrerlaubnis (auch nicht ein Verzicht angesichts einer drohenden Entziehung der Fahrerlaubnis) und auch
nicht der Erwerb einer neuen deutschen Fahrerlaubnis.
Eine bei 18 Punkten erworbene deutsche Fahrerlaubnis wäre deshalb rechtswidrig und müsste mangels
Fahreignung sofort wieder zurückgenommen oder entzogen werden.
Es spricht daher vieles dafür, dass die unwiderlegbare Vermutung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG der
Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auch für die Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis gilt,
die die ausländische Fahrerlaubnis erst nach Erreichen von 18 Punkten erwerben bzw. erworben haben.
Diese Frage bedarf allerdings im vorliegenden Fall keiner Vertiefung, weil der Kläger bei einem Punktestand
von 18 Punkten am ** Mai 2009 eine weitere mit einem Punkt zu bewertende Ordnungswidrigkeit im
Bundesgebiet begangen hat, die am ** Juni 2009 zu einem am *** Juni 2009 rechtskräftig gewordenen
Bußgeldbescheid geführt hat. Jedenfalls mit diesem Verstoß hatte der Beklagte die auf § 3 Abs. 1 Satz 1
bzw. 2 StVG gestützte Aberkennung des Rechts, von der tschechischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch
zu machen, wegen der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG geltenden Ungeeignetheit des Klägers zum
Führen von Kraftfahrzeugen zu verfügen.
Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten
ausgestellten Führerscheine kann an der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung keine Zweifel begründen.
Zwar sieht Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 91/439/EWG die gegenseitige Anerkennung der von den
Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor und erlegt den Mitgliedstaaten damit
eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen
einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen (vgl. Urteil vom 29.4.2004 in der
Rechtssache C-476/01, Kapper, Slg. 2004, I-5205, Randnr. 45; Urteil vom 6.4.2006 in der Rechtssache C227/05, Halbritter, Randnr. 25; Urteil vom 28. September 2006 in der Rechtssache C-340/05, Kremer,
Randnr. 27). Aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Füh?rerscheine folgt, dass sich die
Mitgliedstaaten nicht auf die ihnen mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG eingeräumte Befugnis, auf
Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ihre innerstaatlichen
Vorschriften über Ein?schränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden,
sowie die Befugnis nach Absatz 4 desselben Artikels, die Anerkennung der Gültigkeit eines solchen
Führerscheins einer Person zu verweigern, auf die in ihrem Hoheits?gebiet eine der in Absatz 2 dieses
Artikels genannten Maßnahmen angewandt wurde, berufen können, um die Gültigkeit eines in einem
anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist erworbenen Führerscheins nicht anzuerkennen. Die
Mitglied?staaten können vom Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Füh?rerscheins
nicht verlangen, dass er die Bedingungen erfüllt, die ihr nationales Recht für die Neuerteilung einer
Fahrerlaubnis nach ihrem Entzug aufstellt (vgl. EuGH vom 6.4.2006 a.a.O. Rdnr. 29, EuGH vom 28.9.2006
a.a.O. Rdnrn. 31 und 32). Allerdings darf der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes nach Ablauf der
Sperrfrist seine Befugnis nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG, seine innerstaatlichen Vorschriften
über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis auf den Inhaber eines von
einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins anzuwenden, (nur) im Hin?blick auf ein Verhalten
des Betroffenen nach dem Erwerb des Führerscheins aus?üben (vgl. EuGH vom 6.4.2006 a.a.O. Rdnr. 38,
EuGH vom 28.9.2006 a.a.O. Rdnrn. 34 und 35).
Aus dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich, dass die Mit?gliedstaaten durch Art.
8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG jedenfalls ermächtigt werden, ihre nationalen Eignungsüberprüfungsund Entzugsvorschriften auf diejeni?gen Fahrzeugführer anzuwenden, die nach Erteilung einer EUFahrerlaubnis erneut im Inland mit einem Verkehrsverstoß auffällig werden bzw. Bedenken im Hinblick auf
ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen (vgl. auch OVG Saarland vom 27.3.2006 1 W
12/06; OVG Rheinland-Pfalz vom 14.6.2006 ZfS 2006, 593 ff.; VGH Kassel vom 3.8.2006 NZV 2006, 668
ff.; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht vom 15.8.2006 12 ME 123/06).
Einen solchen Verkehrsverstoß stellt die mit einem Punkt bewertete Ordnungswidrigkeit vom ** Mai 2009
dar.
Die Fahrerlaubnisbehörde war daher berechtigt, das Verhalten des Klägers nach Erteilung der
tschechischen Fahrerlaubnis für eine Beurteilung der Eignung des Klägers zu berücksichtigen. Da es sich
um Verhalten des Klägers nach dem Erwerb des tschechischen Führerscheins han?delt, steht dem nicht
entgegen, dass die tschechische Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger die Eignung zum Führen von
Kraftfahrzeugen durch Erteilung einer tschechischen Fahrerlaubnis zugesprochen hatte. Mit der Erteilung
einer neuen Fahrerlaubnis - auch einer ausländischen Fahrerlaubnis - sind nämlich - wie oben ausgeführt bisher im Inland erworbene Punkte nicht als ungeschehen zu betrachten.
Ein Verbot, bei der Beurteilung der Fahreignung neben den nach Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis
erworbenen Punkten auch die früher erworbenen Punkte zu berücksichtigen, kann auch nicht aus den oben
dargestellten europarechtlichen Entscheidun?gen hergeleitet werden. Danach ist es dem Mitgliedstaat nur
untersagt, dieselben Gründe, die zum Entzug der Fahrerlaubnis oder zur Berechtigung eines
Überprü?fungsverfahrens geführt haben, nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis nochmals zum
Anlass für eine Überprüfung der Fahreignung zu machen. Gibt jedoch ein neues Verhalten des
Führerscheininhabers Anlass für eine Überprüfung, ist der Mit?gliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes
berechtigt, seine innerstaatlichen Vorschrif?ten über Einschränkung oder Entzug der Fahrerlaubnis
anzuwenden. Art. 1 Absatz 2 der Richtlinie 91/439/EWG verpflichtet die Mitgliedstaaten zwar zur
gegenseitigen Aner?kennung der ausgestellten Führerscheine; eine Besserstellung der Inhaber
auslän?di?scher Fahrerlaubnisse gegenüber Inhabern inländischer Fahrerlaubnisse bei nach?folgenden
Verkehrsverstößen ist damit aber nicht verbunden (so auch BayVGH vom 31.1.2007 11 CS 06.1923 - zu
allem vgl. BayVGH v. 26.3.2008 11 CS 08.246).
Der Kläger gilt damit jedenfalls nach der Ordnungswidrigkeit vom ** Mai 2009 gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
StVG im Inland unwiderleglich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Deshalb hatte die
Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
StVG das Recht abzuerkennen, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu
machen, ohne dass ihr insoweit ein Ermessen zustand.
Die Verpflichtung, den tschechischen Führerschein zur Eintragung der Entscheidung vorzulegen, ergibt sich
aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 FeV. Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil
innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier
Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die
Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungs?gerichts?hof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
ein?zu?reichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichts?hof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im
Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für
Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird.
Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen
Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4
Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
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Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt(§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen
wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Ent?scheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich ander?weitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht
München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzu?legen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde
auch noch inner?halb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des
Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Be?teilig?ten beigefügt werden.
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