62 Seiten starke Booklet - Gartenkulturpfad Neukölln
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62 Seiten starke Booklet - Gartenkulturpfad Neukölln
Ga rtenkulturpfad Neukölln Grußwort der Präsidentin der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V., Gräfin Sonja Bernadotte Liebe Freunde des Gartenkulturpfades, 3 als Präsidentin der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft halte ich es für sehr wichtig, neben der kompetenten Wissensvermittlung die gartenkulturelle Dimension zu vermitteln. Als Kulturformen durch den Menschen entwickelt, stehen insbesondere öffentliche Gärten und Parks immer wieder im Focus von kommunalen Sparzwängen. Neben dem Angebot für Besucher und Gäste werden dabei die Funktions- und Entwicklungszusammenhänge der Menschen ignoriert. Gärten und Parks als Orte der Begegnung von Menschen sind für ein gedeihliches Miteinander deshalb unverzichtbar. Mit dem Projekt Gartenkulturpfad Neukölln ist es dem Förderverein der August-Heyn-Gartenarbeitsschule e.V. zusammen mit dem Kulturnetzwerk Neukölln e.V. und dem Natur- und Grünflächenamt in vorbildlicher Weise gelungen, Perlen der Gartenkultur sichtbar und systematisch erlebbar zu machen. Gewissermaßen nebenher leisten Sie damit eine besondere Form von Sozialarbeit für über 300.000 Einwohner aus mehr als 160 Nationalitäten. Stellvertretend für viele Beteiligte möchte ich Frau Kuschnerow für die gute Zusammenarbeit meinen herzlichen Dank sagen und wünsche allen Nutzern weiterhin viel Freude an der Gartenkultur. Ihre Gräfin Sonja Bernadotte Präsidentin der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. Grußwort Inhaltsverzeichnis Gartenkulturpfad Neukölln Städtisches Grün gewinnt unter ökonomischen, gesundheitlichen und sozialen Aspekten immer mehr an Bedeutung. In einem grünen Umfeld zu wohnen ist Ausdruck von Lebensqualität und wird damit ein wichtiger Standortfaktor. Pflanzen regulieren das Kleinklima und verbessern die Luftqualität, sie machen Städte attraktiv für Investoren, Bürger und Touristen. Auch bieten Grünflächen Freiraum und Spielmöglichkeiten für Kinder und Erholungsraum für Erwachsene. Häufig sind öffentliche Grünanlagen für die Menschen die einzige Möglichkeit Natur zu erleben und sich in Natur zu bewegen. Dass Berlin-Neukölln eine lebendige Kunst- und Kulturszene sein Eigen nennt, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Jetzt bietet Ihnen der Gartenkulturpfad Erkundungsrouten durch das „Grüne Neukölln“. Und davon gibt es viel; kulturhistorisch, städte- und gartenbaulich interessantes Grün (1.997ha). Angefangen im Neuköllner Norden mit dem Volkspark Hasenheide, der im Stil eines englischen Landschaftsparks angelegt wurde, über die neobarocke Anlage des Körnerparks, den naturphilosophischen Comeniusgarten, der seinen Besuchern das Wirken des Johann Amos Comenius Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6 näherbringt, bis hin zu eiszeitlichen Pfuhlen im Süden Neuköllns gibt eine unglaubliche Fülle gärtnerischer Kleinode zu entdecken. Wir wünschen dem Gartenkulturpfad Neukölln viel Erfolg, Liebe zum Neuköllner Grün zu wecken. Und den Besucherinnen und Besuchern viel Entspannung und Freude bei den Erkundungsrouten. Route 1 „Rixdorf“ . . . . . . . . . . . . . . . . .7 Hermannplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .7 Volkspark Hasenheide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8 Neuer Garnisonsfriedhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .10 Türkischer Friedhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 Schillerpromenade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 Lessing- & Thomashöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15 Körnerpark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16 Richardplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18 Comeniusgarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 Landwehr- & Neuköllner Schiffahrtskanal . . . . . . . .22 Heinz Buschkowsy Bezirksbürgermeister von Berlin Neukölln Route 2 „Köllnische Heide“ . . . . . . . . . .24 Thomas Blesing Bezirksstadtrat für Bauwesen Köllnische Heide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24 Heidekampgraben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25 Herbert-Krause-Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Kleingartenanlage „Volksgarten“ . . . . . . . . . . . . . .28 Von der Schulenburg Park . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29 Wolfgang Schimmang Bezirksstadtrat für Schule, Bildung, Kultur und Sport Neuköllner Naturdenkmale . . . . . . . . . . .31 Route 3 „Britz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .32 4 5 August-Heyn-Gartenarbeitsschule . . . . . . . . . . . . .32 Hufeisensiedlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34 Britzer Pfuhle und Findlinge . . . . . . . . . . . . . . . . .36 Das Gut Britz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38 Kolonie „Am Marienfelder Weg” . . . . . . . . . . . . . . .42 Britzer Mühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .43 Route 4 „Der Britzer Garten“ . . . . . . . . .44 Route 5 „Rudow“ . . . . . . . . . . . . . . . . .48 Rudower Fließ & Meskengraben . . . . . . . . . . . . . . .48 Dörferblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 Frauenviertel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51 Pfuhle in Rudow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53 Friedhöfe in Rudow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 Rudower Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .54 Alt-Rudow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .55 Schlaglichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57 Neuköllner Museum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58 Teltowkanal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59 Britz-Buckow-Rudow-Grünzug . . . . . . . . . . . . . . . .60 Rudower Wäldchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .60 Alt-Buckow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61 Einführung Die Idee Am Anfang stand die Idee der Deutschen GartenbauGesellschaft 1822 e.V., „Garten, Mensch, Natur und Umwelt miteinander in Einklang zu bringen und deutlich zu machen, wie wichtig Gärten und Parks für die Lebensqualität der Menschen sind [...]. Zu dessen Umsetzung braucht es die Beteiligung aller am Garten und Gärtnern Interessierten, deren EinzelEngagements miteinander zu vernetzen und im Verbund öffentlich zu machen. Damit weitere Aktivitäten zu initiieren, ist das Ziel des 'Gartenkulturpfades'. Gleichzeitig aber soll diese Verknüpfung privater und öffentlicher grüner Oasen in Städten und Gemeinden zu einem 'Gartenkulturpfad' auch ganz neue Dimensionen gärtnerischen Informationsaustausches schaffen. In einer Kommune (kleine oder größere Stadt, ländliche Gemeinde) bereits vorhandene gartenbauliche Angebote und Initiativen werden zu einem Gartenkulturpfad vor Ort miteinander verknüpft. Damit werden sie einem breiten Publikum (lokale und regionale Bevölkerung, Gäste und Touristen aus dem Inund Ausland etc.) im Verbund bekannt und zugänglich.“ (Auszüge aus dem Internet-Auftritt der Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V.) Die Realisierung in Berlin Neukölln Route 1 „Rixdorf“ Bei der Recherche nach geeigneten Stationen für den Gartenkulturpfad Neukölln wurde schnell klar, dass Neukölln viel zu groß ist und zu viele Facetten bietet, um sich auf ausschließlich eine Route zu beschränken. So wurden fünf Rundgänge durch das grüne Neukölln entwickelt, aufgeteilt nach den Neuköllner Stadtgebieten. Herzlichen Dank an das Rechercheteam, das jede Route auf Begehbarkeit und Bewältigbarkeit erwandert hat. Route 1 führt 10 km durch das lebendige innerstädtische, interkulturelle Neukölln mit seinen Künstlerkiezen und Parks. Route 2 führt 5 km durch Wohn-, Park- und Kleingartenanlagen aus der Zeit der Weimarer Republik. Diese Route bietet zudem die Gelegenheit, die gärtnerische Ausbildungsstätte des Bezirks zu besichtigen. Route 3 führt 7 km durch den Ortsteil Britz, der architektonische Highlights wie das Schloss Britz und die Gartenstadt Hufeisensiedlung zu bieten hat. Außerdem lohnt sich ein Abstecher in die August–Heyn-Gartenarbeitsschule Neukölln. Route 4 stellt den Britzer Garten (das BUGA-Gelände von 1985) mit dem Freilandlabor Britz vor. Route 5 zeigt ca. 12 km des fast ländlichen Rudows. Waldstücke, Wiesen und Pfuhle sind hier ebenso zu entdecken, wie der historische Dorfkern Rudow mit der Alten Dorfschule Rudow, die heute ein Kulturzentrum ist. Länge: ca. 10 km 1 Hermannplatz Er ist gleichsam Eingangstor nach Neukölln, dessen Grenzmark genau entlang der westlichen Gebäudekante des Kaufhauses „Karstadt“ verläuft. Keimzelle dieses Platzes war eine Pferdewechselstation am Fuß der Rollberge (heute Hermann-/Ecke Karl-MarxStraße), wo zwei Verkehrsachsen sich kreuzen. 1737 baute man an eben diese Stelle das neue Wirtshaus „Rollkrug“, das diesem Verkehrsknotenpunkt seinen ersten Namen gab: „Platz am Rollkrug“. Es brauchte noch ein Jahrhundert, ehe sich hier urbanes Ambiente entwickelte. Voraussetzung dafür war der Ausbau der Nahverkehrs: 1854 fuhr hier die erste Pferdebuslinie, 1899 die erste elektrische Straßenbahn und 1926 die erste Untergrundbahn. Für Letztere wurde ein Etagenbahnhof gebaut, der heute unter Denkmalschutz steht. In den 1980ern erhielt der „Hermannplatz“ (wie er seit 1885 heißt) sein heutiges Gesicht: statt Straßenbahngleisen sieht man auf der Mittelinsel die Bronzeplastik von Joachim Schmettau „Tanzendes Paar“ – eine Hommage an das einstige Vergnügungsviertel Rixdorf und seine Hymne „In Rixdorf is Musike“. 6 7 2 Volkspark Hasenheide Ein paar Schritte südlich des Hermannplatzes liegt die „Hasenheide“ – Neuköllns größte Grünanlage, die teils gleichzeitig, teils sukzessive als Weideland, Jagdgehege, militärischer Übungsplatz, Vergnügungsmeile und Turnplatz diente. Überdies ist sie ein Ort für Erholung in freier Natur mit eigener Geschichte auch als Landschaftsgarten. „Hasenhaide“ hieß das 105 ha große, ehemalige Weideland ab 1678, da der Große Kurfürst hier Hasen für seine Jagd hatte einhegen lassen. Benachbart dem „Tempelhofer Feld“, das seit 1722 als Exerzierfeld diente, wurde die Hasenheide temporär in die militärische Nutzung einbezogen. Ab 1764 allerdings, nachdem erste Parzellen der Hasenheide in Erbpacht vergeben waren, zog hier anderes Leben ein: Zunächst eröffnete man bloß „Tabagien" (so hießen Wirtshäuser, in denen geraucht werden durfte, da sie vor den Toren der Stadt lagen); später jedoch, als der Nahverkehr ausgebaut und die „Hasenheide“ mit dem Pferdebus erreichbar war, entwickelte sie sich zum Vergnügungspark. Jetzt kamen Ausflügler in Scharen, fliegende Händler, Gaukler, Musiker folgten und bald gab es auch Tanzplätze unter Bäumen, Schießbuden und Pferdekarussells. Östlich der „Hasenheide“ siedelten sich Brauereien an, die in improvisierten Biergärten ausschenkten. Überregionale Bedeutung indes erlangte die „Hasenheide“ nicht allein 8 9 dank sinnlichen Vergnügens und lockerer Sitten, sondern auch aufgrund nationalpolitisch motivierter Körperertüchtigung. 1811 ließ Friedrich Ludwig Jahn (17781852) hier den ersten Turnplatz Deutschlands eröffnen. An den Ästen einer Eiche soll der „Turnvater" die Jugend Reckübungen gelehrt haben. So heißt es. Der „Turnerbewegung“ folgte die „Turnfehde" und ihr das Turnverbot im März 1819. Wer jetzt noch turnte, turnte illegal. Die Turngeräte wurden abgerissen, und es entstand wieder ein Schießplatz. Jahn selbst, der als Demagoge angeklagt und mit Festungshaft belegt worden war, wurde 1840 rehabilitiert und nach seinem Tod sogar öffentlich geehrt: Zum 50. Geburtstag seines Turnplatzes legte man den Grundstein für das JahnDenkmal. Das bronzene Standbild von Erdmann Encke wurde 1872 eingeweiht und steht am nördlichen Eingang des Parks. Jene legendäre Eiche an der Fontanestraße/Ecke Karlsgartenstraße, die anfangs als Reck-Ersatz hatte herhalten müssen, taufte man „JahnEiche". Heute ist dieser ca. 500 Jahre alte Baum geschütztes Naturdenkmal. 1925 wurde die „Hasenheide“ offiziell zum „Volkspark", dessen heutige Gestalt im Prinzip auf die Anlage von Stadtgartendirektor Joseph Pertls aus den 1930ern zurückgeht, später (1948-53) jedoch durch den Gartenamtsleiter Kurt Pöthig noch einmal verändert wurde: Im westlichen Teil entstand ein aus Trümmern aufgeschütteter Berg – die „Rixdorfer Höhe“. Hier stand ab 1955 die „Trümmerfrau“, das Sandstein-Denkmal der Bildhauerin Katharina Singer (1986 an den Eingang Graefestraße versetzt). Ungefähr gleich alt ist das Naturtheater mit seinen 1100 Sitzplätzen, das abends zum Freilicht-Kino wird. Direkt daneben finden kleine Besucher den nach Motiven von „1001 Nacht“ gestalteten Spielplatz. Gespielt wird allemal im Volkspark, auch von den Großen: Fußball, Volleyball, Musik. Und wem das alles zuviel wird, der geht in den Rosengarten oder Rhododendronhain oder an den Teich, der zu Beginn der 1990er angelegt wurde. Übrigens ein Tiergehege gibt es auch wieder, jedoch mit Dammwild, Schafen und Pfauen drin statt Hasen, und die werden gehegt, nicht gejagt. 3 Heute führen zwei Eingänge vom Columbiadamm aus auf den Friedhof. Durch den rechts des Schwimmbades liegenden Zugang gelangt man auf den parkähnlichen Teil, dessen zahlreiche Kriegerdenkmäler und Gräberfelder preußisch-deutsche Militärgeschichte widerspiegeln von den antinapoleonischen Befreiungskriegen, über die Kolonialkriege bis zum Ende des II. Weltkrieges. Rechts des Weges, an der Grenzmauer zum Schwimmbad, liegt der „Afrikastein“ – zu Ehren der sieben Freiwilligen, die bei der Niederschlagung des Aufstandes gegen die deutsche Kolonialherrschaft 1904-07 in Namibia (DeutschSüdwestafrika) den Tod fanden. Die Errichtung eines Mahnmals für den Genozid an 60.000 Nama und Herero ist geplant. Auf den südlichen Feldern sind die Gefallenen der Feldzüge 1864 gegen Österreich, 1866 gegen Dänemark und 1870/71 gegen Frankreich bestattet. Vor der Feierhalle steht das „Lucknerkreuz“ aus rotem Sandstein aus dem Jahre 1874, das vermutlich an das alte Kreuz des Dennewitz-Friedhofs erinnern soll. Lässt man Feierhalle und Gräberfelder hinter sich, so betritt man den Alleequartiersfriedhof, auf dem Zivilisten begraben sind und der weiterhin belegt wird. Außer einigen gut erhaltenen Erbbegräbnisstellen ist das Ehrengrab des Schriftstellers und Zeichners Bruno Fuchs erwähnenswert, dessen Lust am Spiel auch auf dem Grabstein zum Ausdruck kommt. Neuer Garnisonsfriedhof Am Columbiadamm, südlich der Hasenheide zwischen Freibad und Flughafen Tempelhof, liegen der „Friedhof Columbiadamm“ (ehedem „Neuer Garnisonsfriedhof“) und der „Islamische Friedhof“ (früher „Türkischer Friedhof“). Der „Neue Garnisionsfriedhof“ wurde dem „DennewitzFriedhof“ angegliedert und 1861 eröffnet. Letzterer trägt seinen Namen wegen der Opfer der Schlachten bei Großbeeren und Dennewitz gegen zurückweichende napoleonische Truppen. 1836 wurde der sog. DennewitzFriedhof mit einem Tor und einem Weg versehen, 1839 legte man die ersten Reihengräber an und 1843 eine Friedhofsmauer, die zum Teil auf der Südostseite noch im Original erhalten ist, sowie eine kleine Gedenkhalle aus rotem Backstein (entworfen von Karl Friedrich Schinkel unter Mitwirkung Friedrich Wilhelms IV.). In den „Neuen Garnisonsfriedhof“ gelangte man ehedem von Westen aus: Ein rötlich-gelber Backsteinbau mit Arkadenbögen bildete den Eingang, an welchen sich die 1861 gebaute Feierhalle im Süden und ein Verwalterhaus im Norden anschlossen. Die Gesamtfläche wurde mehrmals stark erweitert (v.a. 1918 für den „Heldenfriedhof“ für deutsche und gegnerische Gefallene des I. Weltkrieges), verlor jedoch wegen des Ausbaus des Flughafens Tempelhof 1938 wiederum an Fläche, weswegen die Hälfte der Toten umgebettet werden musste. 10 11 3 Türkischer Friedhof Gewissermaßen eingebettet in den „Neuen Garnisonsfriedhof“ liegt der „Islamische Friedhof“, dessen prächtige, im maurischen Stil errichtete Pforte einst auf einer Achse mit der Gedenkstätte für die Gefallenen der Befreiungskriege gelegen hatte. Diese Pforte war – wie auch das Gelände – ein Geschenk König Willhelms I. und Zeichen preußisch-türkischer Freundschaft. Sie musste 1938 der Erweiterung des Flughafens Tempelhof weichen. Der neue Zugang, Columbiadamm 128, zwischen den beiden Eingängen zum Garnisonsfriedhof, ist nurmehr mit einem schlichten schmiedeeisernen Tor versehen. Dieser Friedhof war die erste islamische Begräbnisstätte Mitteleuropas, und ihre Anfänge reichen ins Jahr 1798 zurück, in dem der osmanische Gesandte in Preußen, Ali Aziz Efendi, auf der „Tempelhofer Feldmark“ (heute Kreuzberg) nach islamischem Ritus beerdigt wurde. Als dieser Begräbnisort einer Kaserne weichen musste, schenkte Wilhelm I. dem osmanischen Staat Gelände, um die Gebeine der (inzwischen) fünf toten Muslime auf diesem, nunmehr osmanischen Hoheitsgebiet zu begraben. Im folgenden Jahr, 1867, entwarf der Kgl. Baumeister Gustav Voigtel für sie eine ornamentierte Grabsäule, deren Spitze eine goldene Mondsichel ziert. Ehemals in der Mitte des Friedhofs und allein wegen der Höhe herausragend, wurde sie 1888 umgesetzt und steht jetzt, eher unauffällig, neben der 2005 fertiggestellten 12 13 „Türk Sehitlik Camii“ (Türkische Märtyrer-Moschee). Seinen Namen erhielt dieses islamische Gebetshaus nach dem Friedhof: „Türk Sehitlik“ bzw. „Türkische Kriegsgräberstätte zu Berlin“. So hieß er nach 1918, da türkische Soldaten, die während des I. Weltkriegs an der Seite der sog. Mittelmächte (Deutschland, Österreich) gekämpft hatten, hier bestattet wurden. „Sehit“ (arab: Shahid) heißt „Märtyrer“ oder „Zeuge des Islam“, womit üblicherweise die im Kampf für den Islam Gefallenen gemeint sind; in der Türkei jedoch tragen diesen Titel auch Tote, die im Krieg fürs Vaterland, also für irdische Belange ihr Leben ließen. Von der kleinen Moschee aus den 1920er Jahren – vordem das Wachhaus des Geistlichen und Friedhofspflegers Hafiz Schükri Bey, das 1983-85 zum Gebetshaus mit Kuppel und Minarett umgebaut worden war – ist heute nichts mehr zu finden. Der Baustil der jetzigen, der Sehitlik-Moschee ist an die klassisch osmanische Architektur angelehnt. Ihre Kuppel ist ungefähr 17 m hoch und ihre beiden Minarette messen 33 m Höhe. Für das Interieur wurden – abweichend von der Klassik – Keramik und Marmor kombiniert. Sie ist die größte Moschee in Berlin (1500 Menschen finden Platz) und gilt als die schönste Deutschlands. Muslime aller Nationalitäten halten hier Andachtszeremonien für ihre Verstorbenen; die Toten allerdings müssen wegen Auslastung dieses Friedhofs auf andere Begräbnisstätten überführt werden. 4 Schillerpromenade Den Columbiadamm entlang nach Osten, über die Fontanestraße, die in die „Schillerpromenade“ mündet, erreicht man ein als Nobelviertel konzipiertes Ensemble, das sich gegenüber dem Arbeiterquartier „Rollberg“ nicht nur optisch abheben, sondern vor allem Bewohner anderen Zuschnitts anziehen sollte. Projektinitiative und -realisierung gehen auf Hermann Boddin zurück, Rixdorfs Gemeindevorsteher von 1874-1907 (ab 1899 Bürgermeister). Um 1900 wurde das Straßenraster mit der 50 m breiten Schillerpromenade und dem runden Herrfurthplatz in seiner jetzigen Form festgelegt. 5 Erste Musterhäuser hatte eine der Terraingesellschaften vor der Jahrhundertwende noch (an der Hermann-/Ecke Herrfurthstraße) errichten lassen. Der Straßen- und Mietshausbau im großen Stil setzte dann ab 1905 ein. Die prächtigen Häuserfassaden zur Straße hin, platanengesäumte Bürgersteige, die Schillerpromenade mit breitem Gehweg, Parkbänken, Blumenrondells und englischem Rasen auf dem Mittelstreifen verliehen dem Viertel einen präsentablen Charakter und großbürgerliches Flair. Die 1914 in der Leinestraße fertiggestellte Baugewerkschule bildet einen Abschluss in zweierlei Hinsicht: Zum einen war damit die Bebauung weitgehend beendet, zum anderen hatte die Genezarethkirche auf dem Herrfurthplatz damit einen südlichen Gegenpart, mithin die Schillerpromenade eine architektonische Schlussnote. Da dieses Wohngebiet sowohl die Bombardements im Krieg als auch die „Kahlschlagsanierung“ der 1960er Jahre nahezu unbeschadet überstanden hat und seit 1996 qua „Erhaltungsverordnung“ geschützt ist, bietet sich dem Betrachter heute das fast gleiche Bild wie zu Kaisers Zeiten – bis auf den Turm der Genezarethkirche, dessen Spitze zweimal gekappt wurde: 1939/1940 kürzte man den ursprünglich 62 m hohen Turm wegen des Flugverkehrs zunächst auf 38 m, dann während und wegen der Berlin-Blockade auf 21,7 m. Lessinghöhe & Thomashöhe Das sind zwei grüne Hügel auf Neuköllns Rollbergen. Letztere, die Rollberge, sind Ablagerungen, die die letzte Eiszeit zurückgelassen hat. Bis Mitte des 18. Jhs. waren die wenig ergiebigen Böden dieser kleinen Berge von Rixdorfer Bauern landwirtschaftlich genutzt worden. Im Zuge der Industrialisierung jedoch konnten die Grundbesitzer sie an Bergbaubetriebe verkaufen, die hier Kies und Sand abbauten. So wurden die Rollberge innerhalb von nur zwei Jahrzehnten merklich abgetragen und später bebaut, z.B. mit der sog. Rollbergsiedlung für Arbeiterfamilien, deren Bewohner südöstlich davon Schrebergärten anlegten. Als nach dem Krieg Raum für die Trümmer bombardierter Häuser gebraucht wurde, nutzte man diese Kleingartenkolonien und häufte hier den Schutt zu zwei Hügeln auf. In den 1950er Jahren legten „Notstandskräfte“ auf einem dieser Hügel den Park „Thomashöhe“ an. Der Park „Lessinghöhe“ folgte. Beides sind heute grüne Oasen im Kiez mit Spazierwegen zwischen Bäumen sowie Liegeund Spielwiesen. Gemeinsam mit den dicht beieinander liegenden Friedhöfen, die sich westlich anschließen, bilden sie einen breiten Grüngürtel rechts und links der Hermannstraße. Und südlich der grünen Hügel schließt sich der in einer ehemaligen Kiesgrube liegende neobarock gestaltete Körnerpark an. 14 15 6 Körnerpark Diese Parkanlage liegt in einer stillgelegten Kiesgrube und daher 5 bis 7 m tiefer als das umliegende Gelände. Ihr Besitzer, Franz Körner (1838-1911), der hier einen Garten angelegt und Sonnenblumen gezüchtet hatte, vermachte das Gelände der Stadt Rixdorf mit der Auflage, dass der künftige Park seinen Namen trage. Im Jahre des Erbfalls, 1912, wurde mit der Gestaltung des Parks begonnen. Am Rande bemerkt: Im selben Jahr entdeckte man bei Erdarbeiten an der Grenze ebendieses Gartens (Jonas-/ Ecke Selckestraße) das „Reitergrab von Neukölln“ aus dem 5. oder 6. Jh. – ein archäologisch seltenes und wertvolles Zeugnis aus der Zeit der Völkerwanderung, das sich im „Museum für Vor- und Frühgeschichte“ in Charlottenburg befindet. Zwischen 1912 und 1914 wurde aus Körners Garten ein schlossähnlicher Park im Stil des Neubarock geschaffen: Die Aufteilung streng axial, an der Stirnseite der Hauptachse Balustraden und eine in die Stützmauer eingelassene Orangerie mit vorgelagerter Terrasse, ihr gegenüber eine Kaskadenanlage mit Fontänenbecken und mittig, zwischen diesen beiden Polen, ein von schmalen Wasserkanälen eingefasstes Rasenmedaillon. Die Stützmauern der Längsseiten sind mit hohen Arkadenwänden und monumentalen Steintreppen geschmückt. Schaut man von der Terrasse aus in den Park, so mag der Blick auf 16 17 die vier Plastiken des Bildhauers Kube fallen: „Die vier Jahreszeiten“. Linker Hand bzw. zwischen der nördlichen Arkadenmauer und Bäumen versteckt liegt ein Blumengarten. Während die Parkanlage die Kriegszeit weitgehend unbeschadet überstanden hatte, zeigte sie in den 1960er Jahren zusehends Verfallserscheinungen. Nach und nach mussten aus Sicherheitsgründen Teile des Parks gesperrt werden. Der Gedanke sogar, das Gelände aufzufüllen, war im Spiel, wurde jedoch wegen der Qualität der Anlage und des hervorragenden Baumbestandes wieder verworfen. So begannen 1977 Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten, die 2003 erst zum Abschluss kamen. Die Anlage, deren Entwurf vermutlich auf die Gartenarchitekten Küllenberg und Halbritter zurückgeht, wurde nach historischem Vorbild rekonstruiert und im Jahre 2004 mit der offiziellen Denkmalschutz-Plakette des Landes Berlin ausgezeichnet. Blickfang des Parks bildet heute während der Sommermonate wieder das zentrale Wasserbecken mit seiner hochsprudelnden Fontäne und die in fünf Stufen aufsteigende Kaskade, deren Becken wiederum mit jeweils einem kleinen Springbrunnen ausgestattet sind. Links und rechts dieses mehrteiligen Brunnens finden die Gäste Liegewiesen. Entlang der Spazierwege stehen Bänke und auf der großen Terrasse vor der Orangerie Strandstühle. Sie, die Terrasse, ist auch Bühne für die alljährliche, kostenlose Konzertreihe: „Sommer im Park“, in deren Verlauf Klassik, Jazz u.a. geboten werden und auch außergewöhnliche Musikgruppen auftreten. Überdies betreibt das Neuköllner Kulturamt in der Orangerie eine engagierte Galerie, die Arbeiten von Künstlern aus dem In- und Ausland im Wechsel präsentiert. Der großzügige, langgestreckte Ausstellungsraum mit hoher Fensterfront und Ausblick auf den Park bildet den geeigneten Rahmen für Skulpturen und Installationen. Die Ausstellung renommierter Künstler indes ist nicht alleiniger Schwerpunkt der Galerie, sondern auch Workshops und Kunstprojekte für Kinder und Jugendliche. 7 Rixdorf – Richardplatz Der historische Kern Neuköllns liegt in dem Stadtteil, der heute (noch) „Rixdorf“ heißt. Die Besiedlung dieser Gegend reicht – wie archäologische Funde zeigen – bis in die Steinzeit zurück. Der erste urkundliche Beleg indes findet sich erst im Mittelalter als der Johanniterorden „Richardsdorp“ gegründet hat (1360). Das silberne Kreuz der Johanniter ist im Wappen von Rixdorf geblieben, das Dorf selbst wurde 1435 an die Doppelstadt Berlin-Cölln verkauft. Am Richardplatz ist die Struktur dieses Dorfes noch heute sichtbar: Kirche (15. Jh.), Schmiede (1624), Krug (1685) und einige Gehöfte. Von der spätmittelalterlichen, einschiffigen Feldsteinkirche hatte die Verheerung des 30jährigen Krieges nurmehr die spätgotische Sockelzone des Kirchenschiffes und den dreiseitigen Chorabschluss übrig gelassen. Sie wurde wieder aufgebaut, danach mehrmals verändert, zuletzt 1939-41 als man auch die Sakristei aus Fachwerk hinzufügte. Das Gotteshaus ist seit 1884 Eigentum der böhmisch-lutherischen Gemeinde und bekam 1912 ihren heutigen Namen „Bethlehemskirche“. „Ein Wohnhaus [...] unter Ziegeldach neben der bereits vorhandenen kleinen Schmiede von 20 Fuß [6,28m] Breite, 15 Fuß [4,71m] Tiefe mitten im Dorfe” – so eine Beschreibung der Dorfschmiede im Jahre 1802. Die eigentliche, die „kleine Schmiede“ steht heute nicht mehr, aber das zugehörige Wohnhaus ist noch da, bekannt als „Frauentreffpunkt Schmiede“, und auch den Dorfkrug gibt es noch. Die genannten Gebäude sind denkmalgeschützt und ebenso das „Böhmische Dorf“, das wenige Schritte vom Richardplatz entfernt zu finden ist: Nach mehreren Verfolgungswellen hatten „Böhmische Brüder“ Zuflucht auch in der Mark Brandenburg gesucht; und Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, gewährte 18 Familien nicht nur Asyl, er ließ für die Glaubensflüchtlinge sogar ein eigenes Dorf errichten. 1737 wurden neun Doppelhäuser inklusive Inventar schlüsselfertig übergeben. 1748-51 bauten die böhmischen Kolonisten 20 Büdner- häuser dazu, 1751 erhielten sie einen eigenen Friedhof, den „Böhmischen Gottesacker“, und bald folgten Schulhaus (1753) und Betsaal (1761). Seit 1849 allerdings hat das Dorf ein anderes Gesicht: Die wegen einer Feuersbrunst zerstörten Häuser und Scheunen, ehedem mit dem Giebel zur Straße gebaut, wurden nun traufständig errichtet. Ein Haus lediglich, Richardstraße 80/81, zeigt die ursprüngliche Bauweise mit dem Giebel zur Straße. Aus dem alten Richardsdorf war zwischenzeitlich „Rieksdorf“ (Lageplan 1738) und 1797 „Deutsch-Rixdorf“ geworden, aus der Kolonistensiedlung ebenfalls 1797 „Böhmisch-Rixdorf“. Beide Gemeinden hatten eine je eigene Verwaltung, und im „Böhmischen Dorf“ sprach man bis ca. 1830 tschechisch. 1874 erst wurden die beiden Dörfer zusammengelegt. 1899 erhielt „Rixdorf“ Stadtrecht und 1903 ein eigenes Wappen, in dem auch den böhmischen Glaubensflüchtlingen Rechnung getragen wurde, symbolisiert durch den Abendmahlskelch. 18 19 8 Comeniusgarten „Nun, wie kann es gelingen, ein neues Paradies zu pflanzen?” fragte Johann Amos Comenius (1592-1670), der Universalgelehrte, der die Welt als Garten und das Leben als Schule verstand. Die Antwort liefert er in seinem Werk, das hier gestalterisch interpretiert ist: Ein Teich mit schilfbewachsenem Ufersaum, eine ungemähte Wiese, Büsche, Wildkräuter symbolisieren die von Gott geschaffene „erste Natur”; kontrastierend dazu sind geometrisch beschnittene Hecken, im Rasen ein rundes Wasserbecken aus Stein, ein gepfropfter Obstbaum und gemauerte Hochbeete zu sehen: Die „zweite Natur”, von Menschenhand kultiviert. Wie die Landschaft, so wird der Mensch geformt, beginnend in der „Schule des vorgeburtlichen Werdens”, endend in der „Schule des Todes”. Für die erste Schule (der nonverbale Dialog zwischen der Schwangeren und ihrem ungeborenen Kind) steht ein Walnussbaum am Karl-Marx-Platz, für die letzte der „Böhmische Gottesacker” in der Kirchhofstraße. Beide Schulen sind außerhalb des Comeniusgartens angesiedelt wie auch die „Mutterschul” (Spielplatz), die „Schule des Berufs” (Böhmisches Dorf) und die „Greisenschul” (Seniorentagesstätte). Innerhalb des 7000 qm großen Gartengeländes sind „Gemeine Schul” bis „Akademie” zu finden, beginnend mit dem „Veilchenbeet“, der ersten Grundschulklasse. „Alles fließe aus eigenem Antrieb, Gewalt sei fern den Dingen”, ein Prinzip, das Comenius' Philosophie durchzieht und auch für die Menschenbildung gilt. Kinder sollen nicht gezwungen, sondern angezogen werden wie vom Duft der Veilchen. „Rosenhain”, „Wiesenteppich”, „Irrgarten”, „Arzneigärtlein” und „Seelenparadies” folgen. Jeder Bereich ist Sinnbild einer Klasse und symbolisiert zugleich mehr: So ist der „Irrgarten” sowohl Name für die 4. Klasse der Grundschule als auch Sinnbild für die Irrungen und Wirrungen gewisser Lebensphasen, und nicht zuletzt steht er für den philosophischen Zweifel. Im „Seelenparadies” genannten Pavillon wiederum, der letzten Grundschulklasse, findet der Verwirrte innere Ruhe und seine eigene Mitte, zugleich ist er Erinnerung 20 21 an den Mystiker Comenius, der Gewissheit in der Zwiesprache mit Jesus fand. Zwischen Pavillon und „Lateinschule” steht Comenius mit leeren Händen im zerrissenen Gewand eines Flüchtlings. Die Bronzestatue hat der tschechische Bildhauer, Josef Vajce, geschaffen, gestiftet wurde sie von der „Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik“ zum 400. Geburtstag des gelehrten Friedensmannes aus Böhmen und aufgestellt zur Eröffnung des Gartens im Jahre 1995. Die „Lateinschule” verweist auf Comenius' Schriften „Welt in Bildern” und „Schule als Spiel”, umgesetzt durch eine Galerie an der Begrenzungsmauer mit Bildern von Kindern gemalt, und eine Theaterbühne. Ihr folgt die „Akademie”, dargestellt durch ein dreieckiges Podest, auf dem Teleskop, Mikroskop, Spiegel stehen – Instrumente, die sowohl als technische Geräte wie als Mittel im übertragenen Sinne aufzufassen sind: Der Geist, in dem sich die Dinge spiegeln und der erkennt; die Zunge, die interpretiert und Erkanntes vermittelt; die Hand, die bildet und Erkanntes verwirklicht. Das Dreieck, das diese Instrumente trägt, ist Symbol für das Auge Gottes – Anfang und Ende auch dieses Gartens, dessen Eingang hier an der Richardstr. 35 ist, wo der erste Blick des Besuchers auf diese letzte Station fällt. 9 Unser Weg führt weiter an der Sportstätte „Lohmühlenplatz“ vorbei, folgt dann dem unteren Bogen des Landwehrkanals nach links ans Maybachufer. Dienstags und freitags erlebt man hier am Nachmittag sehr lebendige Wochenmärkte, auf denen eine Vielfalt an Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Gewürzen angeboten wird. Wer indes Ruhe und Beschaulichkeit sucht, mag seinen Spaziergang auf einen anderen Tag legen. An der Friedelstraße jedenfalls verlässt der Flaneur die Uferpromenade, um ins Künstlerviertel einzubiegen. Berlin – einst die Stadt mit der zweithöchsten Zahl an Binnenhäfen Deutschlands – baute Wasserstraßen und Hafenkapazitäten bis zum II. Weltkrieg kontinuierlich aus. 1850 bereits war der Landwehrkanal (nach Plänen von Peter Joseph Lenné) zur Entlastung der Spree gebaut worden. 1902-05 wurde der „Rixdorfer Stichkanal“ ausgehoben, der den Landwehrkanal mit der damaligen Rixdorfer Gasanstalt verband. 1912-14 erfolgte der Durchstich zum (1906 eröffneten) Teltowkanal: Das eben ist unser „Neuköllner Schiffahrtskanal“. Nachdem der Lastverkehr weitgehend auf Straße und Schiene verlagert war, verloren die Kanäle allmählich ihre Bedeutung als Transportwege und wurden zu historischen Zeugen dieser einst gewerblichen Nutzung. Heute schätzen wir sie als bauliche Denkmale, deren Ufer dem nördlichen Neukölln dieses von Grün geprägte Bild verleihen. Landwehrkanal & Neuköllner Schiffahrtskanal Folgt man dem empfohlenen Pfad, so gelangt man ans Weigandufer und spaziert nordwärts den grünen, beschaulichen Uferweg am „Neuköllner Schiffahrtskanal“ entlang bis zu dessen Mündung in den Landwehrkanal. Unterwegs – und zwar unter der Wildenbruchbrücke – ist eine touristisch eher ungewöhnliche Sehenswürdigkeit zu bestaunen: Eine stillgelegte Toilettenanlage, die einst die schönste Neuköllns gewesen sein soll. Heutzutage ist sie Ausstellungsraum und nur während der „48 Stunden Neukölln“ für Publikum geöffnet, wenn Künstler hier ihre Werke präsentieren. Weiter nördlich trifft man auf eine ornamentierte Bogenbrücke aus dem Jahr 1920 – die Lohmühlenbrükke, die Wim Wenders im „Himmel über Berlin“ zu einer Szene inspirierte: Engel vor dem Betonwall. Kurz nach der Brücke mündet der „Neuköllner Schiffahrtskanal“ in den Landwehrkanal. Hier liegt nicht nur der Grenzpunkt dreier Bezirke: Kreuzberg, Neukölln, Treptow, auch die Wasserfläche bildet ein Dreieck. Manchmal lassen sich Schwäne blicken. Ansonsten sieht man auf dieser Wasserstraße hauptsächlich Ausflugsschiffe, Sport- und Ruderboote und manchmal sogar Flöße. Übrigens bietet der Schifffahrtskanal auch Anglerplätze, die ergiebigsten allerdings sollen am Britzer Hafensteg sein, also südlich dieses Pfades. 22 23 Route 2 „Köllnische Heide“ Länge: ca. 5 km Start: S-Bhf Köllnische Heide 1 2 Köllnische Heide Die erste Station dieser Route trägt einen Flurnamen, der auf die um 1200 gegründete Stadt Cölln zurückweist, die sich 1307 mit Berlin zur Doppelstadt vereinigt und später, im Jahre 1920, mit anderen Einzelstädten zu Groß-Berlin zusammengeschlossen hat. Dieses ehemalige Wald- und Wiesengebiet links bzw. südlich der Spree wurde im Laufe der Industrialisierung zunehmend bebaut. Ab 1896 bereits war die Görlitzer Bahn durch Vorort und Heideland gefahren, 1920 dann wurde der Bahnhof „Köllnische Heide“ eröffnet – eine Haltestelle mit Empfangsgebäude in reduziertem „Jugendstil“, entworfen von Architekt Carl Cornelius. Nachdem Strecke und Station in Folge des Streiks der Reichsbahnarbeiter 1980 stillgelegt worden waren, hatten Vandalen freien Zugang und das Bahnhofsgebäude verwahrloste entsprechend. Neun Jahre lang war der Betrieb bereits stillgelegt, als mit dem Wiederaufbau einer Teilstrecke begonnen wurde, wobei die „Köllnische Heide“ als Endbahnhof geplant war. Von den politischen Ereignissen im November 1989 eingeholt, musste das Projekt neu koordiniert werden. Das verfallene Bahnhofsgebäude wurde von Grund auf saniert und der Betrieb modernisiert. Seit 1993 ist der nunmehr denkmalgeschützte Bahnhof „Köllnische Heide“ wieder geöffnet. Heidekampgraben Nicht weit vom S-Bahnhof entfernt verläuft der Heidekampgraben, auch „Hedekampsche“ oder „Kuhgraben“ genannt. Das Gewässer im Graben, das die Bezirke Treptow und Neukölln trennt, wurde nach dem Krieg zum Grenzfluss zwischen Ost und West. Nach dem Bau der Mauer entfaltete sich hier üppige Spontanvegetation, die den Graben zur „grünen Wand“ werden ließ. Anfang der 1980er Jahre wurde entlang des westlichen Ufers ein Spazierweg angelegt und nach der Wiedervereinigung dieser Grenzstreifen vegetativ rekultiviert: Gehölzflächen sind ausgelichtet, so dass der Wasserlauf des Grabens wieder sichtbar ist, an dessen Ufern man Bäume, Sträucher, wilde Kräuter und Blumen findet. Ruhezonen sowie Spielbereiche sind angelegt worden und die beiden Bezirke durch zahlreiche Holzbrücken wieder miteinander verbunden. Eine besondere Attraktion ist der vom Freilandlabor Britz entwickelte Naturerkundungspfad. Zehn Infostationen bieten kleinen und großen Forschern Einblick in Naturphänomene, in ökologische Zusammenhänge und den Lebensraum von Pflanzen und Tieren am Heidekampgraben. Kinderworkshops offerieren zudem die Möglichkeit, bei Naturschutzarbeiten mitzuhelfen. Wer gern läuft oder radelt, kann sich auf den Mauerweg freuen, von dem seit 2006 weitere Abschnitte fertiggestellt worden sind. Das gesamte ehemalige Westberlin werden Rad24 25 fahrer oder Wanderer umrunden können. (Innerhalb Neuköllns entlang des Britzer Verbindungskanals, des Heidekampgrabens bis zum Rudower Wäldchen.) Und wer den insgesamt 160 km langen Weg nicht am Stück zurücklegen will, mag zunächst die Strecke am Heidekampgraben wählen, die als eine der schönsten gilt, und bei der Gelegenheit am „Grenzübergang Sonnenallee“ anhalten, an den eine doppelte Pflastersteinreihe mit einer Tafel der Geschichtsmeile „Berliner Mauer“ erinnert. 3 Taufe des Platzes an der Karl-Marx-Straße auf den Namen „Platz der Stadt Hof“. An der Grenze zum Ausbildungszentrum liegen zwei ökologisch wertvolle Langgraswiesen. Zu den Raritäten im Ausbildungszentrum selber gehören u.a. mehrere Maulbeerbäume, ein ungefähr 6 m hoher Pagodenhartriegel und ein Kuchenbaum, dessen Laub an feuchten Herbsttagen nach frisch gebackenem Lebkuchen duftet. Die im Laufe der Jahre geschaffenen Pflanzungen haben durch ihre Gliederung in Pflanzengesellschaften den Charakter eines Arboretums. Hier können Auszubildende und Besucher die jahreszeitlichen Veränderungen beobachten und dokumentieren. Besonders hervorzuheben ist der von vielfältigen japanischen Bäumen und Sträuchern umgebene kleine Teich. Des Weiteren findet man ein Staudenbeet, einen Heidegarten, einen kleinen Rhododendronhain, diverse Steingärten und Trockenbeete sowie ein Koniferenwäldchen. Durch den Verzicht auf Pestizide und den Erhalt von Wildkrautbeständen sind der Herbert-Krause-Park und das Ausbildungszentrum Rückzugsgebiete seltener Vögel, Schmetterlinge und anderer Tiere. Besucher aus Schulen, Kindertagesstätten oder interessierte Privatpersonen kommen gern hierher, um sich zu informieren und an der Pflanzenpracht zu erfreuen. Herbert-Krause-Park & Ausbildungszentrum des NGA Neukölln Das Ausbildungszentrum des Naturschutz und Grünflächenamtes Neukölln (NGA) wurde 1985 auf dem Gelände der ehemaligen Bezirksgärtnerei gegründet, zu dem auch das angrenzende Areal gehörte, auf dem Auszubildende des NGA im Laufe eines mehrjährigen Projektes einen Park planten und verwirklichten. Im Jahr 2002 wurde er eröffnet – der „Herbert-Krause-Park“, benannt nach dem ehemaligen Leiter des Naturschutz und Grünflächenamtes. Man erreicht die Parkanlage auf der Nordseite von der Jupiterstraße aus und südlich über die HeinrichSchlusnus-Straße. Die Treppen, Gehwege und Beeteinfassungen bestehen aus diversen Natursteinen. Gesäumt wird sie von einer Vielzahl attraktiver Gehölze. Im Frühling blühen Spiersträucher, Zieräpfel, Flieder und Forsythien. Doch auch während der drei übrigen Jahreszeiten bietet die Anlage mit ihren Rotbuchen, Hainbuchen, Blumeneschen, Ahornen und Gleditschien ein malerisches Bild. Die große Rasenfläche und zwei Parkbänke laden bei schönem Wetter zum Verweilen ein. Und in der Mitte des Parks findet man einen 40 t schweren Naturstein – den „Saale-Stein“, auf dessen Oberseite der Verlauf dieses Flusses eingemeißelt ist. Er ist ein Geschenk von Neuköllns Partnerstadt Hof anlässlich der 26 27 4 Kleingartenanlage „Volksgarten“ Volksgarten ist nicht gleich Volksgarten, weder hinsichtlich des Ursprungs noch der Gestaltung und Funktion. Handelt es sich im einen Fall um eine Einrichtung für die Bedürfnisse eines Feudal- oder Landesherrn – wie beispielsweise der Hasenheide, die später dem Publikum geöffnet und zum Volksgarten oder -park wird, so im anderen um eine soziale Maßnahme zur Milderung der Armut. Bereits 1904 wurden in Berlin die ersten dieser Armengärten auf dem Dienstacker einer Försterei gegründet. So eigentlich in Schwung kam die Kleingartenbewegung jedoch erst durch die forcierte Industrialisierung. Nach der Devise „Gärten statt Geld“ sollte Eigenversor- 5 gung ermöglicht und Müßiggang vermieden werden. Nachdem die Bodenspekulation der Gründerzeit diese Bewegung kurzzeitig zum Erliegen gebracht hatte, erfuhren die Laubenkolonien dank der Wohnungsnot neuen Aufschwung insbesondere in Berlin, wo das „Rote Kreuz“ und die „Arbeiterbewegung“ in diesem Sinne aktiv waren. Hier, in diesen „Rotkreuzgärten“ und „Arbeitergärten“ wurde nicht bloß gegärtnert, sondern mitunter auch gewohnt, und es soll so toll zugegangen sein, dass sie braven Bürgern und Polizei zum Ärgernis wurden. Man reagierte mit Verordnungen, um Regelmaß und Sauberkeit in diese Oasen zu bringen. Mit Erfolg: dafür standen „Gartenzwergidylle“ und „Laubenpieper“ über lange Zeit als Inbegriff deutscher Spießigkeit. Mittlerweile hat der Kleingarten wieder an Reputation gewonnen: Entspannung auf eigener Parzelle zu genießen ist nicht mehr Indiz für Engstirnigkeit. Überdies bieten sie die Möglichkeit für ökologischen Anbau im Kleinen. Spaziergänger dürfen partizipieren, indem sie durch die Anlagen wandeln und Blicke über Gartenzäune werfen. Von der Schulenburg Park Diese Grünanlage, benannt nach Rudolf Wilhelm Graf von der Schulenburg (1860-1930), war ehedem sumpfiges, für eine Bebauung ungeeignetes Gelände. Bereits zur Zeit der Weimarer Republik hatte Gartenbaudirektor Ottokar Wagler die architektonische Struktur entworfen, die heute noch sichtbar ist. Das Zentrum des Parks indes wurde erst später gestaltet und mehrmals erneuert. Im Blickfeld stehen hier Wasserbecken und Jugendstilbrunnen. Letzterer – ein Denkmal von und für Ernst Moritz Geyger (1861-1941) – war kurz vor dem I. Weltkrieg von der Stadt Neukölln in Auftrag gegeben worden, wobei der künftige Standort noch unbestimmt geblieben war. 28 29 1918 hatte der Bildhauer das Gipsmodell fertiggestellt. „Symbol des Waldesdomes“ nannte er sein Werk. Die turbulenten politischen Ereignisse jedoch sowie die wirtschaftlichen Probleme verhinderten die Vollendung des Geplanten. Gipsmodell und Formteile Geygers fanden keine Beachtung und landeten vorderhand in einem Straßenreinigungsdepot. 1934 erst wurde dem Künstler wieder Beachtung geschenkt und für sein Kunstwerk ein Standort gewählt – der Schulenburgpark, in dessen Zentrum nun ein Wasserbecken gebaut wurde mit Lunette (Möndchen) für Geygers Werk: Ein Kalksteinbrunnen mit 16 wasserspendenden Putten und einem Ensemble aus Hirsch, Reh und Kitz aus Bronze. 1935 wurde er eingeweiht, inszeniert in einer Märchenkulisse – daher sein Name „Märchenbrunnen“. Während des II. Weltkrieges kamen die Bronzefiguren abhanden und auch der Brunnen selbst hat die Bombardements nicht unbeschadet überlebt. In den 1950er Jahren wurde die Anlage zwar restauriert, jedoch ohne die Putten. 1970 entschloss man sich zu einer Erneuerung mit verändertem Wasserbild: Stehende Fontänen, angebracht am oberen Brunnenboden, statt Putten und Schale; und das ehemalige bronzene Ensemble aus Tieren ersetzte man durch Kalksteinplastiken der Bildhauerin Szelinsky-Singer mit Märchenmotiven aus „Brüderchen und Schwesterchen“ und „Aschenputtel“. Das Brunnen-Sanierungsprogramm im Jahre 2001 erlaubte, das historische Erscheinungsbild wieder herzustellen. Fehlende Elemente wie die Natursteinschalen wurden rekonstruiert; an Stelle der einstigen Bronzeputten sind nun die der Künstlerin Anna Bogouchevskaia zu sehen mit Motiven aus frei erfundenen Szenen; und die Wassertechnik des seit 1980 „trockenen Brunnens“ wurde erneuert. Jetzt ist er wieder Blickfang, der „Märchenbrunnen“ an der südlichen Schmalseite des rechteckigen Bassins, in dessen Wasser sich die alten Platanen spiegeln. Neuköllner Naturdenkmale Um charakteristische Landschaftselemente oder Einzelschöpfungen der Natur der Nachwelt zu erhalten, genießen sie den Schutzstatus eines Naturdenkmals. Im südlichen Moränengebiet Neuköllns sind darunter häufig Relikte der Eiszeit: „Findlinge“ und „Toteis-Löcher“ mit Umgebung. „Findlinge“ oder „erratische Blöcke“ (erratica: umherirrend, unstet) sind Gesteinsblöcke, die von Gletschern mitgeschleppt wurden und daher in einem Gebiet zu finden sind, aus dem sie geologisch nicht stammen. Pfuhle wiederum entstehen aus konserviertem „Toteis“: Weicht ein Gletscher zurück, kann dessen Ausläufer zerfallen und einzelne Eisblöcke im Gletschervorfeld zurücklassen. Diese isolierten Eisbrocken werden von Sedimenten, die das Schmelzwasser des aktiven Gletschers mit sich führt, umlagert, überdeckt und schmelzen dadurch zunächst nicht. Taut das „Toteis“, kann das Wasser nicht mehr abfließen und bildet so eine wassergefüllte Hohlform in der Landschaft – sog. Toteislöcher. Diese Gewässer ohne Zu- und Abfluss nennt man Kolke, Sölle (pl. auch: Sollen) oder Pfuhle. Sofern sie nicht mit Grund- oder Oberflächenwasser (Regen) versorgt werden, trocknen sie aus. Ihre Verlandung indes wurde nicht selten durch agrokulturelle Einflüsse verhindert. Ackerbau setzte bereits in der Jungsteinzeit ein, wurde in der Bronzezeit intensiviert 30 31 und spielt seitdem bis ins Hochmittelalter für die Entwicklung von Feldpfuhlen eine bedeutende Rolle: Durch mechanische Bodenlockerung werden Gänge der Regenwürmer zerstört und ihre Population beeinträchtigt, mithin die Kontinuität großer Bodenporen eingeschränkt, folglich sickert weniger Regenwasser in den Boden, sondern fließt ab in die Senke und verbessert die Wasserversorgung eines Pfuhls. Beispiel eines solchen Entwicklungstyps ist der „Lolopfuhl“ in Rudow, der im Spätsommer meist austrocknet. Andere Gründe, aber dieselben Folgen lassen sich bei Dorfpfuhlen ausmachen: sei es, dass man sie als Wasserreservoir brauchte oder gewerblich nutzte (Flachsverarbeitung, Tuchfärberei), man verhinderte ihre Verlandung durch aktiven Eingriff. Eindrucksvolles Beispiel ist der anthropogen überformte „Hufeisenteich“ in Britz, der bereits im 1. Jh. Zentrum einer germanischen Siedlung war. Hatten Landwirtschaft und handwerkliche Industrie über Jahrhunderte zur Erhaltung der Pfuhle beigetragen, so sorgten sie im 20. Jh. wesentlich für ihre Beseitigung: Diese „Löcher in der Landschaft“ wurden wegen neuer Agrartechnik oder Bebauungsplänen zunehmend störender Bestandteil des Ackerlandes bzw. Siedlungsraumes und daher teils als Müllgrube genutzt, teils mit Erde verfüllt. So existieren von ursprünglich 200 Neuköllner Pfuhlen heute noch 30. Um sie zu erhalten, werden sie geschützt und Maßnahmen getroffen, um ihre Verlandung oder Trockenlegung zu verhindern. Route 3 „Britz“ Länge: ca. 7 km Start: U-Bhf Parchimer Allee 2 1 August-Heyn-Gartenarbeitsschule „Wir aber [...] suchen, wohl bedenkend, daß der Mensch sein ganzes Leben lang lernen soll, den Schulgarten“ schreibt der Feuilletonist Friedrich Tietz in seinen 1854 publizierten „Bunten Erinnerungen“. Das ist kein Hinweis auf die versteckt in einem Park liegende „August- Heyn-Gartenarbeitsschule“ an der Fritz-Reuter-Allee, weist aber darauf hin, dass solche Einrichtungen – seien es Schulgärten, Gartenschulen oder Gartenarbeitsschulen – in Berlin auf eine lange Tradition zurückblicken und auf ein wechselhaftes Schicksal: Den ersten Berliner Schulgarten hat Johann Julius Hecker (1707-68) gegründet. Ein Prediger und Schulinspektor, der u.a. Comenius‘ ganzheitliche Pädagogik studiert hatte und in der Folge nicht nur einen neuen Schultyp – die Realschule – ins Leben rief, sondern auch neue Methoden anwandte. Dazu gehörte das Projekt „Schulgarten“. Die Unterstützung Friedrichs des Großen für dieses Vorhaben hatte Hecker nicht zuletzt mit dem Versprechen erreicht, den Schülern auch die Anlage und Pflege von Maulbeerplantagen für den Seidenbau beizubringen. Dieser erste Schulgarten war ein Kind der Aufklärung und des Merkantilismus. Beides war Ende des 18. Jhs. nicht mehr angesagt. Heckers Schulgarten verkam, genauer: Er entwickelte sich zu einer Art „Epikuräischer Gartenschule“ oder in Tietz‘ Worten: „Der Schulgarten war das Amüsements-Alpha und Omega der Berliner Mittelklasse“. Und das war nicht seine letzte Bestimmung: 1827 soll sich gar eine „curiose Colonie“ hier angesiedelt und ein „Reich des Uebermuths“ gegründet haben. Es existierte einen Sommer lang. Danach scheint dieser besondere Schulgarten endgültig verschwunden zu sein, nicht aber die Idee im Allgemeinen. Um die Jahrhundertwende setzte eine politische Bewegung ein, die Lebensreform, Naturverbundenheit, Gemeinschaft, soziales Engagement und vor allem eine Erziehung verlangte, die Lebensnähe, Selbsttätigkeit, freies Gespräch, Lernen durch Erleben und Handeln garantierte. Zu diesen Reformpädagogen zählte auch August Heyn (1879-1959), Sozialdemokrat und von 1899 bis 1924 Lehrer und Schulleiter in Neukölln. 1915, im ersten Kriegsjahr, hatte er bereits freiwillige Schulkolonien gegründet, motiviert vermutlich in erster Linie durch drohende Lebensmittelknappheit. Nachdem die erste Republik ausgerufen war und Sozialdemokraten regierten, hielten die Reformideen der Kaiserzeit Einzug in die Realpolitik. 1919 beschloss der Neuköllner Magistrat, sechs Gartenarbeitsschulen einzurichten. Die erste wurde im folgenden Jahr eröffnet – noch vor der Reichsschulkonferenz, auf der Reformpädagogen ihre Konzepte für „Arbeitsschulen“ vorstellten. August Heyn war zu diesem Zeitpunkt bereits Leiter der „Gartenarbeitsschule am Teltowkanal“, und bald folgte seine Publikation „Die Gartenarbeitsschule“ (1921), in der seine Vorstellungen über praxisnahe Erziehung dargelegt sind. Nach dem Anbruch der nationalsozialistischen Ära waren die Einrichtungen zwar materiell noch vorhanden, die Ideale jedoch verschwanden bzw. wurden ideologisch pervertiert. 32 33 Auch nach Kriegsende hatte reformpädagogisches Gedankengut kaum noch Chancen. Wissenschaft zählte und dementsprechend verwissenschaftlichter Biologieunterricht. Die Ökologie-Bewegung der 1970er erst ließ August Heyns Arbeitsschulgedanken wieder aufleben. So wurde die (1958 auf Äckern des ehemaligen Rittergutes Britz eingerichtete) Gartenarbeitsschule nicht nur nach ihm benannt, sondern ihre Pädagogik auch von ihm inspiriert. Hier sind 3,3 ha Platz für Sträucher, Bäume, Blumen, Kräuter, Gemüse und Getreide, für Wasser- und Bodentiere, für Vögel, Füchse, Kaninchen, Schafe und selbstverständlich für junge Menschen, die hier Natur erleben und praxisorientiert lernen und begreifen. 4 5 Die Hufeisensiedlung Rationalität, Wirtschaftlichkeit und Sozialrefom mit der Idee der Gartenstadt zu verschmelzen, war die Idee des „Neuen Bauens“. Sie wurde in der Großsiedlung „FritzReuter-Stadt“ verwirklicht, einem Bauprojekt, das zur Zeit der Weimarer Republik vom Architekten Bruno Taut und Stadtbaurat Martin Wagner (1885-1957) konzipiert wurde. Westlich der Allee errichtete die GEHAG mit Taut und dem Gartenarchitekten Leberecht Migge (1881-1935) eine Großsiedlung, die nach ihrem zentralen Bauwerk – einem hufeisenförmigen Wohnblock – benannt wurde und heute für die Eintragung als Weltkulturerbe der UNESCO vorgesehen ist – die „Hufeisensiedlung“. Während der nüchtern gestaltete Außenring des „Hufeisens“ dieses Gebäude eher wie eine Festung denn eine Wohnanlage aussehen lässt, verleiht ihm der mit Balkonen und reichlich Fenstern ausgestattete Innenring etwas Verspieltes und versetzt den Betrachter in eine scheinbar ländliche Gegend. Der Blick aus dem Fenster – gleich in welchem Teil dieses Rings eine Wohnung liegen mag – fällt stets auf Wiese und Teich. Letzterer ist Teil einer Pfuhlkette, deren Erhalt im Bebauungsplan für die Fritz-Reuter-Allee berücksichtigt worden war. Gegenpart dieses ovalen Gewässers am offenen Teil des Hufeisens ist eine rautenförmig verlaufende Straße, die sich an den geschlossenen Bogen des Hufeisens anschließt: „Hüsung“. So heißt die Straße. Denn wer hier wohnt, der hat eine Bleibe – „Hüsung“ eben, benannt zu Ehren des in der Weimarer Zeit populären, sozialkritischen Dichters Fritz Reuter (1810-74) und seines Versepos „Kein Hüsung“, in dem zwei 34 35 Liebende an der gutsherrlichen Verweigerung des Niederlassungsrechts tragisch scheitern. Die Straße „Hüsung“ umfließt einen Platz, der von einer Holzbank umrahmt ist; gesäumt wird sie von zweigeschossigen Wohnhäusern mit Vorgärten, in denen – formal stimmig – je ein kugeliger Ahorn steht. Unübersehbar sind die für den Baustil der „Neuen Sachlichkeit“ charakteristischen und als eigenständig betrachteten architektonischen Elemente: Farbe und Kontrast. Sind die Eingänge des Hufeisens in kräftigem Blau gehalten, so die Wohnblocks des „Hüsung“ dunkelrot gestrichen. Und besonders beeindruckend ist die „Rote Front“ – eine lange Häuserzeile mit ochsenblutroten Fassaden, die die Grenze dieser Siedlung an der FritzReuter-Allee markiert. Die „Hufeisensiedlung“ wurde zum Vorbild für andere Großsiedlungen, und zwar nicht nur in ästhetischer Hinsicht: Es galt, der enormen Wohnungsnot nach dem I. Weltkrieg wirksam zu begegnen, also massenhaft und kostengünstig zugleich zu produzieren und dennoch die Vision der idealen Stadt zu verwirklichen. Typisierendes Bauen in industrieller Großproduktion schien die Lösung zu sein. Dies zu demonstrieren, war das Anliegen des Stadtbaurats Wagner. Es ist gelungen bis auf den sozialen Aspekt: Eine Arbeitersiedlung, wie vorgesehen, ist nie daraus geworden; von Anfang an ließen sich mittelständische Bürger und Künstler hier nieder. 3 6 12 Britzer Pfuhle und Findlinge „Krugpfuhl mit Umgebung“ ist ein 2125 qm großes Naturdenkmal, das in einer öffentlichen Grünanlage östlich der Fritz-Reuter-Allee liegt. Westlich dieser Allee findet man die berühmte Hufeisensiedlung, an deren „Glücksstelle“ der siedlungsgeschichtlich eindrucksvolle Hufeisenteich liegt. Es handelt sich bei diesem kleinen Gewässer um einen geologisch jungen, erst im Subboreal entstandenen Pfuhl (3800 – 800 v. Chr.). Stratigrafische, archäologische und pollenanalytische Untersuchungen erbrachten, dass bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. (Jungsteinzeit) westlich des Teiches gesiedelt wurde, südlich und südwestlich hatte es bronzezeitliche Dörfer und im 1. bis 2. Jh n. Chr. eine Siedlung germanischer Semnonen gegeben. Der Dorfpfuhl diente als Wasserreservoir. Heute sind seine Ufer z.T. mit Pflastersteinen befestigt. Unterwasserpflanzen sind zu sehen und ein stabiler Bestand an Karauschen soll darin leben (d.i. ein karpfenähnlicher Fisch, dessen Lebensraum stehende Gewässer sind und der tagelang ohne Sauerstoff auskommen kann). Über die Onkel-Bräsig-Straße, die für ihre japanischen Zierkirschen bekannt ist, erreicht man den „Fennpfuhl“. Der Begriff „Fenn“ kommt aus dem Niederdeutschen und bezeichnet einen morastig-sumpfigen Tümpel. 1935 wurde er entschlammt. Es entstand ein Gewässer mit Steilböschung, dessen Ufer 50 Jahre später (1984) teilweise wieder abgeflacht und im Süden mit einer Beobachtungsplattform versehen wurde, um den Zugang zum Wasser zu ermöglichen. Heute ist dieser Pfuhl von einem lückenhaften, schmalen Röhrichtgürtel umgeben, an den sich ein kleiner Gehölzgürtel anschließt. Er zählt zu den Naturdenkmalen ebenso wie der Findling, der im 36 37 „Ehrenhain“ am Fennpfuhl liegt und als Gedenkstein für die Opfer beider Weltkriege dient. Wie der Fennpfuhl ist auch der „Teich Britz“, wie der ehemalige „Rungiusteich“ seit 1988 heißt, ein denkmalgeschützer Pfuhl. Von besonderem Interesse sind hier Siedlungsspuren aus dem 9. und 10. Jh., die slawischen Ursprungs sind. Beim nächsten Gewässer, dem Britzer „Roetepfuhl“, das zwischen der Mohriner Allee und dem Massiner Weg liegt, weist schon der Name auf die einst gewerbliche Nutzung hin. Als „Röthen“ bezeichnete man im Mittelalter die natürliche Teichrotte zur Flachsfasergewinnung – ein Arbeitsgang, der die Fasern der Pflanze von ihrem Holz trennt, also den verbindenden „Leim“ (Pektine) auflöst. Man legte den Flachs hierfür mindestens acht Tage in kaltes Wasser. Dieses Verfahren wurde seit der Eisenzeit angewandt und hatte eine starke Belastung solcher Gewässers zu Folge. Heute ist der Britzer Roetepfuhl mit seinen Röhricht- und Unterwasserpflanzen nicht nur für die Fischfauna, sondern auch als Amphibien-Laichgewässer von Bedeutung und genießt aus naturgeschichtlichen Gründen sowie wegen seiner Seltenheit den Schutzstatus eines Naturdenkmals. Am Rande unseres Pfades liegt der „Große Eckerpfuhl“, einer der letzten Feldpfuhle in Britz, der noch von Ackerflächen umgeben ist. Des Weiteren der ganzjährig wasserführende, kleine „Brandpfuhl" sowie „Kienpfuhl" und „Papenpfuhl“, die beide durch Baumaßnahmen ihre ursprünglich runde Form eingebüßt haben. 7 8 9 10 11 Das Gut Britz Das Gut mit Herrenhaus, Park, Wirtschaftsgebäuden und Brennerei-Schornstein steht nach umfangreicher Restauration dem Publikum seit nunmehr zirka zwei Jahrzehnten wieder offen für Besichtigungen, kulturelle Veranstaltungen und internationale Begegnungen. Erwähnt wird dieser Adelssitz erstmals 1375 (im Landbuch der Mark Brandenburg von Kaiser Karl IV.) unter dem Namen „Britzik“ – ein Name slawischen Ursprungs (breza: Birke), dessen Schreibweise öfter wechselte (Brytzk, Brietzke, Brietz etc.). Vermutlich jedoch gab es hier früher schon einen Adelshof, und zwar auf dem Hügel neben der Kirche; jedenfalls weist eine Münze aus dem 6. Jh., die bei Bauarbeiten gefunden wurde, auf frühmittelalterliche Besiedlung hin. Die romanische Dorfkirche wurde im 13. Jh. erbaut, ihre Glocke im Jahr 1268 gegossen, der barocke Kanzelaltar 1720 gestiftet. Gutsbesitzer, welche stets zugleich Patronatsherren der Dorfkirche waren, ließen sie 1766, 1841 und 1888 ausbauen. 1888 wurde sie zudem (nach Entwürfen des Baumeisters Busse) im Stil der Neogotik verändert, wozu auch ein neuer Turm mit hoher Spitze gehörte. Sie, die Spitze, und auch die alte Glocke wurden zerstört, als der Turm 1943 in Folge eines Bombenangriffs ausbrannte. Das heutige Herrenhaus, dessen Sockelgeschoss zum Teil noch erhalten ist, stammt aus dem 15. Jh. Nach einem Brand baute man das Haus 1547 als Lehmfachwerk wieder auf. Sigismund von Erlach, einer der Besitzer, die der letzten Erbin der Familie Britzke 1699 folgten, ließ das Fachwerkgebäude 1705-06 durch ein zweigeschossiges Steinhaus ersetzen und den Wassergraben, der es umgab, zuschütten. Damit war ein direkter Zugang zum Garten geschaffen, der zum barocken Park mit gradlinigen Sichtachsen umgestaltet wurde. 1719 ging das Lehen als frei verfügbares Eigentum (Allodialgut) an Staatsminister Rüdiger von Ilgen. Er setzte die erste Robinie (Pseudo-Akazie aus Amerika) – 38 39 ein Geschenk von Kurfürst Friedrich III. – in den Gutspark. Auch die Anpflanzung erster Maulbeerbäume, und zwar auf dem Kirchhof, geht auf ihn zurück. In Schwung kamen Maulbeerbaum-Anbau und Seidenproduktion indes erst, nachdem Staatsminister Graf Hertzberg 1753 die Verwaltung des Gutes übernommen hatte. Und nicht nur sie: während der Hertzberg-Ära wurde aus diesem eher bescheidenen Gut eine mustergültige Domäne. Auch das Dorf profitierte durch infrastrukturelle Verbesserungen (Straßen wurden gebaut, 1765 erhielt Britz seine erste Mühle, 1774 ein Schulhaus). Hertzberg starb 1795 und wurde im Gruftgewölbe hinter dem Chor der Kirche bestattet, das er 1766 hatte errichten lassen. Der hugenottische Seidenhändler Jouanne, 1824-62 Eigentümer des Gutes, ließ den Park um 1840 bis zur heutigen Fulhamer Allee erweitern und umgestalten: Der Stil des Barock hatte – bis auf die zentrale Lindenallee – dem des Biedermeier zu weichen. Das galt auch für das Interieur des Herrenhauses inkl. der Wandmalereien, die Chr. Bernhard Rode im Auftrag Hertzbergs ausgeführt hatte (v.a. Szenen aus der Mythologie und der Landwirtschaft: Ackerbau, Viehzucht, Seidenbau, Gärtnerei, Jagd, Fischerei). Die Entwürfe dieses Historienmalers sind großenteils im Berliner Kupferstichkabinett zu sehen, und eines seiner Gemälde ist ins Schloss Britz zurückgekehrt. Ab 1865 war der Bankier und Fabrikant Wrede Gutsherr. Unter seiner Ägide löste die Neo-Renaissance den Biedermeier ab. 1880-83 wurde das Herrenhaus nach den Plänen Carl Busses zu einem kleinen Schloss umgebaut: Die Frontseite zum Teich erhielt ein neues Mittelportal mit Balkon, parkseitig fügte man einen Treppenhausturm hinzu, der das Dach überragt. Fast sämtliche Wirtschaftsgebäude wurden in massiver Bauweise errichtet. Außerdem ließ der Spirituosenfabrikant eine Dampf-Brennerei zur Gewinnung von Kartoffelschnaps bauen, von der heute allerdings nur noch der Schornstein steht. 40 41 Was den Park anging – ab 1890 unter der Regie von Garteninspektor Nahlop –, so kam die Mode des englischen Landschaftsgartens zum Tragen. Man bevorzugte geschwungene Wege und liebte exotische Pflanzen: zum Beispiel eine Ginkgo biloba. Sie ist heute der älteste Ginkgobaum Berlins, ca. 20 m hoch mit einem Stammumfang von reichlich drei Metern. Ilgens Robinie, die zu Wredes Zeit 180 Jahre alt war, hatte es sogar auf 5 m Stammumfang gebracht, allerdings von „Eisenbändern umspannt, gestützt, sorgfältig gehütet [...], lebt[e] sie nur noch in Kümmernissen des Alters“. 1952 wurde der Baum gefällt und 1985 an seine Stelle eine neue Robinie gesetzt. 1924 übernahm die Stadt Berlin das Gut Britz und ließ es als Stadtgut bewirtschaften. Das Herrenhaus wurde vermietet und nach dem Krieg bis 1985 als Kinderheim genutzt. Unterdessen hatte das Ensemble nicht allein durch Bombenschäden gelitten, sondern auch durch Eingriffe während der 1950er und 60er Jahre. 1971 erhielt das Schloss den Status eines Baudenkmals. Anlässlich der Bundesgartenschau wurde das historische Erscheinungsbild des Guts-Ensembles von 1883 inklusive Räumlichkeiten und Mobiliar rekonstruiert und wieder hergestellt. Seit 1988 stehen der Park und mittwochs auch die historischen Gebäude Besuchern wieder offen. 13 14 Gartenkolonie „Am Marienfelder Weg“ Eines der Kriterien für die Standortwahl des BUGAGeländes war die Entwicklung der angrenzenden Siedlungsbereiche und Grünflächen. So wurde der BUGAPark zum Kernstück eines „Regionalparks“, d.h. eines Areals, das Kleingärten, Friedhöfe, Sportplätze und andere Grünflächen sowie historische Dorfkerne einbezieht und miteinander verbindet. Eine von mehreren Kleingartenkolonien, die direkt an den „Britzer Garten“ angrenzen, ist die dauerhaft gesicherte „Kolonie am Marienfelder Weg“, eine Anlage also, deren Nutzung etwa als Baugelände nicht in Frage kommt. Südlich wird sie begrenzt von der „Blütenachse“. Überquert man diesen Weg, so gelangt man in die „Kolonie zur Windmühle“, an deren südöstlichem Ausgang man die „Stechhan’sche Mühle“ findet, während südwestlich davon der „Parkfriedhof Neukölln“ liegt. Britzer Mühle Wer weiß schon, dass man auch Flügel sprechen lassen kann? Was sich damit wie signalisieren lässt und vieles mehr an spezifischem Wissen wird dem Besucher während der Führungen in der Galerie-Holländerwindmühle im Britzer Garten vermittelt. Dieser Mühlentyp, den man in Holland entwickelt hat und dort „bovenkruier“ (Obendreher) nennt, war im 16. Jh. das modernste, effizienteste und teuerste Modell auf dem Markt. In Britz leistete man sich sowas erst 1865. Mühlenmeister Dörfer baute die 20 m hohe Windmühle und verkaufte sie später an seinen Kollegen Stechan (daher auch zeitweilig der Name „Stechan'sche Mühle“). Bis 1936 trieb Windkraft ihr Mahlwerk an, danach ein Dieselmotor. Im II. Weltkrieg stark beschädigt, wurde sie 1955 unter Denkmalschutz gestellt und der Mühlenkomplex an eine Pfadfinderorganisation verpachtet. Dass sich heute ihre Flügel wieder drehen und sogar Getreide gemahlen wird, ist der Bundesgartenschau 1985 zu danken: Man ließ die Mühle nach Originalvorlagen restaurieren und zwei Jahre später nahm der holländische Müller Leeuw den Betrieb wieder auf. Und seither kann hier auch das Handwerk eines Windmüllers wieder erlernt werden. Zudem sind Back-Kurse im Angebot – und mehr noch: Hier in der „Britzer Mühle“ können Brautpaare sich „vermehlen“ lassen. 42 43 Route 4 „Der Britzer Garten“ Kultur kommt von „colere“ und heißt bebauen. Der für die Bundesgartenschau 1985 (BUGA) angelegte „Britzer Garten“ ist ein Beispiel gelungener Kultur in diesem Sinne. Landschaftsarchitekt Wolfgang Miller hat den 87 ha großen Erholungspark entworfen und auf ehedem landwirtschaftlich genutztem Land angelegt. Erdreich – hier ausgehoben, dort aufgehäuft – ließ Seen und kleine Berge entstehen; Bauten und Kunstwerke sind in die jeweils räumliche Gegebenheit eingebettet umlaufenden, geschnittenen Eibenhecken; die DahlienArena, in der die „Blume der Azteken“ in allen Farbschattierungen, Größen und Blütenformen blüht; der Karl-Foerster-Staudengarten mit seinen formal angelegten, farblich unterschiedlich bepflanzten Beeten, seinen Trocken- und Feuchtbiotopen; und schließlich – im Ambiente einer Burgruine – der Hexengarten, in dem u.a. auch Pflanzen wachsen, deren Anbau einst Karl der Große (748-812) in seiner Landgüterordnung vorgeschrieben hat, und Heilkräuter, die bereits aus den Rezeptbüchern der Hildegard von Bingen (1098-1179) bekannt sind. und die angrenzenden Areale abwechslungsreich modelliert. An den Eingängen (Mohriner Allee, Tauernallee, Buckower Damm, Sangerhauser Weg und am Massiner Weg (wo übrigens kostenlos Rollstühle ausgeliehen werden) findet der Besucher im jahreszeitlichen Wechsel bepflanzte Blumenbeete. Im Zentrum des Gartens liegt eine großzügige Seenlandschaft mit Stränden, Buchten, Brücken, drei Aussichtshügeln sowie Quellen, die Bachläufe und Wasserfälle speisen. Ringsum gruppieren sich Themengärten: Zum Beispiel der Rosengarten, geometrisch angelegt mit 44 45 Für Kinder ist außerdem hinreichend Gelegenheit zum Spielen da – nicht nur auf Spielplätzen. Eine Spiellandschaft ist eingerichtet mit Weltkugel in der Mitte, von der aus man zu nördlichen Gletschern, südwärts in die Wüste oder in den Bambushain im Osten reisen kann. Dazwischen ist eine Fels- und Wasserlandschaft; sogar einen Himmelssteg gibt’s und ein Lehmdorf: „Makunaima“, benannt nach einer lateinamerikanische Philosophie, wonach die Kinder reif und die Erwachsenen kindlich sind. Erstere, die Reifen, bauen hier in den Sommerferien kleine und große Figuren aus Lehm – Berlins größter Bär zum Beispiel ist schon fertig. Das weitläufige Gelände erlaubt ausgedehnte Spaziergänge. Wer lieber fährt, kann bei schönem Wetter die Museumsbahn für eine knapp einstündige Rundfahrt nehmen. Auch fachliche Exkursionen sind möglich, angeboten vom „Freilandlabor Britz“. Tiere sieht man in diesem Garten ebenfalls – domestizierte und wilde: Schafe (Skudden), Ziegen und Esel leben im Tiergehege, bunte Hühner und farbenprächtige Pfauen in einer Voliere am Wirtschaftshof, Füchse und Schwäne dagegen suchen sich eigenmächtig ihre Domizile. 46 47 Kulturelle Veranstaltungen werden im „Britzer Garten“ das ganze Jahr über angeboten: Zum Saisonauftakt die Eröffnung der Frühlingsstraße, dann „Tulipan" – das Fest der Tulpen, die zu Tausenden zwischen Frühblühern und Obstbäumen beim Licht des Tages oder in einem Lichtermeer bei Nacht zu bestaunen sind; des Weiteren die Walpurgisnacht, der „Tag des Chores“ und der „Klassiksommer“, der nicht nur Klassik, sondern auch Barock, Romantik und zeitgenössische Musik hören lässt; das Sommersonnenwendfest mit Höhenfeuerwerk am Seeufer und schließlich das Luft-, Flug- und Drachenfest im Herbst. Route 5 „Rudow“ Länge: ca. 11-12 km Hauptroute sowie ca. 5-7 km Alternativrouten Start: U-Bhf Rudow 1 2 10 Phosphatverbindungen mit sich. Damit das belastete Wasser schnell abfließen konnte, wurde das Flussbett mit Betonschalen versiegelt. Verändertes Umweltbewußtsein in den 1980er Jahren lenkte den Blick auch auf dieses Gewässer und man beschloss den Rückbau: Die Betonschalen wurden bis auf wenige 100 m im Unterlauf entfernt. Streckenweise schuf man durch Fließaufweitung die Voraussetzung für die Entwicklung natürlicher Ufervegetation, und die Beschattung einiger Uferabschnitte ließ Feuchtbiotope entstehen. Heute findet man entlang des Fließes Wiesen, Gebüsch und Bäume, die zur Erholung und Beobachtung der Natur einladen. Lehrbiotope sind angelegt und Vogelkundige können hier Mäusebussarde und Turmfalken entdecken. Eine weitere Attraktion ist der Mauerweg, der vom „Rudower Fließ“ nordwärts zum „Heidekampgraben“ und südwärts zum „Rudower Wäldchen“ führt. Und noch eine Kleinigkeit für Eisenbahnlieberhaber: immer am Wasser entlang gelangt man zu einer Eisenbahn-Betonbrücke, die Teil des geplanten Güteraußenrings war – eines ehrgeizigen eisenbahntechnischen Projektes während der NS-Zeit. Nach 1945 wurde die Trasse bis auf den Streckenast Grünau – Flughafen Schönefeld stillgelegt. Rudower Fließ & Meskengraben Man nennt sie auch die „Tränendrüse“ Rudows, diese ehemalige Schmelzwasserrinne, die vom Rudower Dorfkern zur Stadtgrenze am Klein Ziethener Weg fließt. Früher mündete der „Meskengraben“ in das „Rudower Fließ“. Er wurde jedoch streckenweise zugeschüttet und reicht heute nur noch von der Bartschiner bis zur Neuhofer Straße. Beide Fließgewässer sind aus Abflussrinnen der Weichsel-Eiszeit entstanden, also während des Rückgangs der letzten Vereisung Nord-Europas vor rund 18000 Jahren. Dass ihre Ufer einst dauerhafte Feuchtgebiete waren, ist heute noch aus der Straßenbezeichnung „Erlenbruchring“ zu erschließen: Erlen wachsen nur auf anhaltend feuchten Böden, also in Flussauen, Brüchen und an Bächen. Während im Falle des „Meskengrabens“ derzeit mit der Renaturierung begonnen wird, ist dieser Prozess beim „Rudower Fließ“ schon weiter gediehen. Dieser Bach war in der Nachkriegszeit und v.a. in den 1960er Jahren durch mehrere Faktoren denaturiert worden: man verbaute die Ufer und begradigte sie, wodurch der Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten reduziert wurde. Hinzu kam, dass das Gewässer als Vorfluter für das Klärwerk Waßmannsdorf und die nahen Rieselfelder fungierte. Die Schmutzwassereinleitung brachte erhebliche Konzentrationen von Stickstoff- und 48 49 3 4 Dörferblick Dieser 86 m hohe Berg ist in der Nachkriegszeit entstanden und bietet bei klarem Himmel einen hervorragenden Blick über die Felder bis nach Großziethen, Waßmannsdorf und Schönefeld. Man nennt die Anhöhe daher auch „Drei Dörfer Blick“; allerdings hieß sie auch lange „Müllberg“, und zwar nicht wegen der Trümmer, aus denen sie besteht, sondern weil dieses Areal am südöstlichen Grenzstreifen von 1958 bis 1971 als Mülldeponie für das umlandlose Westberlin genutzt wurde. Nachdem die Anlage stillgelegt war, begann in den 1970er Jahren die Umgestaltung zum Naherholungsgebiet, allerdings verzögert, da die biochemischen Prozesse noch nicht abgeschlossen waren. Auf Grund dieser Schwierigkeit wurde der „Dörferblick“ nicht durchgängig gärtnerisch gestaltet. Die wuchernde Spontanvegetation verleiht dem Hügel eigenen Charme und bietet der Tierwelt günstigen Lebensraum. Insbesondere Ornithologen kommen hier zu jeder Jahreszeit auf ihre Kosten: Karmingimpel, Schwarz– und Braunkehlchen, Haubenlerche, Schafstelze, Rohrammer, Steinschmätzer, Flussregenpfeifer, Eisvogel, Neuntöter, Wiesenpieper, Bluthänfling kann man hier entdecken und im Winter Vogelarten wie die Kornweihe, den Sperber, Raubwürger, Bergfinken, Berghänfling beobachten. Das Frauenviertel 1996 wurde auf den sog. Rudower Feldern ein Neubauviertel mit rund 1700 Wohnungen fertig gestellt, in dem alle 20 Straßen, Plätze und Wege nach bekannten Frauen aus Politik, Wissenschaft und Kultur benannt sind. Unter ihnen z.B. die Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Ottilie Baader (1847-1925); Mathilde Vaerting (18841977), die erste Professorin der Erziehungswissenschaften in Deutschland bis zu ihrer politisch begründeten Entlassung 1933; oder Helene Weber (1881-1962), die bereits an der Entwicklung der Weimarer Verfassung beteiligt gewesen war und nach dem Krieg eine der vier „Mütter“ des Grundgesetzes wurde. Aufgrund der großen, über die Grenzen Berlins hinausgehenden Beachtung dieses Projekts, folgten eine Wanderausstellung, die auf 20 Stoffbahnen die Portraits der Frauen zeigt, sowie die Broschüre „Das Frauenviertel in der Gartenstadt Rudow“, die im Rathaus Neukölln erhältlich ist. Begrenzt wird das Frauenviertel vom „Nordpark“ einerseits und einem Landschaftspark im Süden andererseits. Hauptanziehungspunkt des „Nordparks“ ist der mit Liebe fürs Detail angelegte Themenpark „Robin Hood“: Hier gibt es ein mittelalterliches Dorf, den „Sherwood Forest“ und selbstverständlich eine Burg, die es zu erobern oder zu verteidigen gilt. Für Kleinere ist der Märchenspielplatz „Hänsel und Gretel“ mit Schaukeln, einer Rutsche und einem Karussell eher geeignet. Außerdem bieten ein 50 51 5 10 11 Trampolin, ein Wasserspielplatz und verschiedene Sportplätze Möglichkeiten, dem Bewegungsdrang seinen Lauf zu lassen. Wer eher Lust auf Ruhe in freier Natur hat, mag den Weg zum „Südpark“ einschlagen und den Anblick weitläufiger Wiesen, freiwachsender Hecken, einheimischer Gehölze genießen. Hie und da sind Granitfindlinge platziert. Im Zentrum steht ein Birkenwäldchen mit einem kleinen Hexenhaus. Beidseits mit Bäumen bepflanzte Promenadenwege führen durch den Park. Aussichtstürme und Sichtachsen ermöglichen den Blick ins Brandenburger Land. Pfuhle in Rudow Die äußerst feuchte Rudower Gegend ist reich an Pfuhlsenken. Sie entwickelten sich jedoch nicht alle innerhalb derselben Zeitspanne. Beispielhaft seien hier drei Pfuhle genannt: Die limnologische Entwicklung des „Röthepfuhls“ setzte bereits um 12000 v. Chr. ein, also am Ende der Weichsel-Eiszeit. Weit jünger ist der „Klarpfuhl“, der zwischen 3800 und 800 v. Chr. zum Gewässer wurde. Und der zuletzt entstandene, nämlich im Zeitabschnitt von 800 v. Chr. bis 1150 n. Chr., ist der „Lolopfuhl“. Die beiden Röthepfuhle finden wir östlich der Waltersdorfer Chaussee und ebenso – quasi dem Südpark gegenüber – den Klarpfuhl, an dessen Ufer seit 1995 Vogelschutz- und Nährgehölze angepflanzt werden. Das frei zugängliche Landschaftsschutzgebiet „Röthepfuhl mit Findling“ liegt auf der Höhe des Nordparks. Im Mittelalter ist das Gewässer zur natürlichen Teichrotte bei der Flachsbearbeitung benutzt worden. Bis 1930 baute man westlich des Pfuhls Mergel ab (ein Gemenge aus Ton und fein verteiltem Kalk, mit dem unergiebige Böden gedüngt werden). Heute ist er von einem Gehölzgürtel umgeben, verfügt über dichte Röhricht- und Unterwasserpflanzenbestände und ist als Amphibien-Laichgewässer von Bedeutung. In seiner Nähe liegen der „Kleine Röthepfuhl“ oder „Teich Rudow“ und westlich der „Krumme Katzenpfuhl“, ein eingezäunter Feldpfuhl. 52 53 Wählt man die kürzeste Route, so kommt man an die „Siedlung an der Waßmannsdorfer Chaussee“, in welcher der birnenförmige „Lolopfuhl“ zu finden ist. Weiter nördlich liegen die beiden „Rohrpfuhle“, die beide durch Einleitungen von Oberflächenwasser vor Austrocknung geschützt werden. Biegt der Spaziergänger vor dem Rudower Friedhof in die Deutschtaler Straße oder Am Espenpfuhl ein, so trifft er auf den „Kattenpfuhl“, an dem früher der „Meskengraben“ endete. Bei all diesen Pfuhlsenken handelt es sich entweder um flächenhafte Naturdenkmale oder Landschaftsschutzgebiete. 6 8 9 Friedhöfe in Rudow Entlang der 5. Route liegen drei Friedhöfe: Erstens der große evangelische „Kirchhof Rudow“ (auch „Friedhof Rudow“ genannt) am Ostburger Weg 43, der seit 1958 belegt wird. Es handelt sich um einen Parkfriedhof – ein Typus, dem die Absicht zu Grunde liegt, durch üppige Vegetation ein Gegengewicht zur Unabänderlichkeit des Todes zu schaffen. Zweitens der landeseigene, seit 1880 belegte Alleequartiersfriedhof an der Köpenicker Str. 131, der als besonders wertvolles Biotop gilt. Drittens der kleine, historisch bedeutsame Dorffriedhof „AltRudow“ aus dem 13. Jh. an der Köpenicker Str. 187. 7 Alt-Rudow Rudow ist eine der ältesten Siedlungen der Mark Brandenburg. Der Ortsname weist auf slawischen Ursprung (ruda=Erz) und eisenzeitliche Besiedlung hin (im 8. Jh. v. Chr. setzte in Mitteleuropa der Abbau von Raseneisenstein zur Erzgewinnung ein). Grabungsfunde im Umkreis Alt-Rudows jedoch belegen, dass es hier bereits jungsteinzeitliche Besiedlung gab. Die Straßendorfanlage Rudows – die heute noch sichtbare H-Form, wobei die Prierosser und Neuköllner Straße die Senkrechten bilden, und die Köpenicker Straße die Waagerechte ist – entstand in jener Zeitperiode, als Slaven im Havel-Spree-Raum siedelten. Schriftliche Zeugnisse über das Dorf allerdings finden sich erst 1373 und 1375 (unter dem Namen „Rudawe“). Seine Feldsteinkirche, die vermutlich das Zisterzienserkloster Lehnin bauen ließ, könnte Anfang des 13. Jhs. errichtet worden sein. Ihre heutige Form erhielt die Kirche 1954. An historischer Substanz sind nach der Kriegszerstörung nur noch Feldsteinwände unterhalb des Turmes, die Spitzbogenpforte, eine Seite des Kirchenschiffs und eine Grabplatte von 1736 erhalten. Im Schriftstück des Markgrafen Otto erfahren wir, dass 1373 Beteke Dyreken mit dem Gut Rudow belehnt war. Im 17. Jh. gehörte das Dorf dem Großen Kurfürsten, der um 1660 ein Bauerngut (Prierosser Str. 48) an den kurfürstlichen Kunstgärtner Michael Hanff verkaufte, der Rudower Höhe Dieser in den 1950er Jahren aufgeschüttete, 70 m hohe Trümmerberg ist ein beliebtes Ausflugsziel seit er zum Naherholungsgebiet gestaltet wurde: Rodelbahn, Skihang, Spielplatz, Aussichtsplattform und Wege zum Radfahren und Spazierengehen. Am nördlichen Rand der „Rudower Höhe" liegt das Naturdenkmal „Priesterpfuhl“, an dessen Ufern Schilf, Böschung und Grauerlen wachsen. Östlich verlief die Hinterlandmauer, wovon noch rund 450 m im Original zu sehen sind. Diese mit großflächigen Graffiti verschönerten, lückenhafte Reste stehen seit 2001 unter Denkmalschutz. 54 55 U hier einen Lustgarten anlegte. 1702 kaufte Kurfürst Friedrich III. das gesamte Dorf mit Gutshof. Laut einer Urkunde aus demselben Jahr stand das Herrenhaus in der Dorfstraße (heute Prierosser Straße 59-63); schräg gegenüber lag der Lustgarten und an der heutigen Neuköllner Straße 328/334 ein Gemüsegarten (Ackerwöhrde). Während vom Herrenhaus nichts mehr vorhanden ist (das 1770 erbaute wurde 1972 abgerissen), ist das ehemalige Jagdschloss heute das älteste Wohnhaus Rudows. Sein präzises Baujahr ist nicht bekannt. Die Bezeichnung „Jagdschloss“ taucht erstmals 1669 auf. Der „Berliner Adreßkalender“ von 1704 beschreibt es als eines der vornehmsten königlichen Lusthäuser. Davon allerdings ist dem zweigeschossigen Ziegelbau mit trister Fassade und grauem Walmdach nichts mehr anzusehen. Ein „Krug“ ist bereits 1375 (Landbuch Kaiser Karls IV.) erwähnt, jedoch ohne Standort. Der heutige Dorfkrug (Alt Rudow 59) wurde 1802 gebaut, nachdem das vorige Gebäude wie auch die Küsterei, Amtsschäferei, Schmiede und mehrere Bauern- und Kossätenhöfe 1799 einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen war. Der „Bleichteich“ (heute Dorfteich) übrigens war seinerzeit zirka 20 mal größer als heute und reichte bis fast zum „Rudower Fließ“. Die 15 Rudower Pfuhle waren möglicherweise mit der "Rudower Talrinne" verbunden, jedenfalls eigneten sich einige dieser Gewässer als Lebensraum für Fische. An historischen Gebäuden seien noch das Wohnhaus für Deputatsarbeiter aus dem 18. Jh. in der Prierosser Str. 50 (Deputat: Lohn in Naturalien), ein um 1820 erbautes Büdnerhaus mit Hirtenhaus (Alt Rudow 32) sowie zwei Bauernhäuser aus dem 19. Jh. in der Krokusstraße genannt. Sein erstes Schulhaus bekam Rudow 1858, in dem auch die Poststation untergebracht wurde. Dieser Backsteinbau in der Köpenicker Str. 187 diente später als Gemeindehaus. 1945 wurde es durch eine Bombe beschädigt, die Originalsubstanz ist jedoch noch weitgehend erhalten. Die zweite Schule, um 1890 im Stil der Neugotik gebaut, steht in Alt Rudow 60. Schlaglichter U U Hermannplatz Hasenheide U Rathaus Neukölln U Boddinstr. U Leinestr. SU Hermannstr. 1 U Karl-Marx-Str. Sonnenallee S S Köllnische Heide S U Neukölln 1 Museum Neukölln 2 Teltowkanal 3 Britz-Buckow-Rudow-Grünzug 4 Rudower Wäldchen 5 Buckower Dorfkirche U Grenzallee 2 Blaschkoallee U U Parchimer Allee 3 U Britz Süd U Johannisthaler Str. Britzer Garten 5 Wutzkyallee U Lipschitzallee U U Zwickauer Damm 4 U Alt-Rudow 56 57 1 Museum Neukölln Allein schon der Standort dieses Museums in der Ganghoferstraße ist von historischem Interesse, bildet das Gebäude doch gemeinsam mit dem noch zu Kaisers Zeiten erbauten „Stadtbad Neukölln“ und dem Sonnenhof (Atrium), der beide verbindet, ein denkmalgeschütztes Gesamtensemble. „Naturhistorisches Schulmuseum der Gemeinde Rixdorf“ hatte dieses, 1897 vom Volksschullehrer Emil Fischer gegründete Museum ursprünglich geheißen. Später nannte man es „Heimatmuseum“; entsprechend bescheiden war das Anliegen und fielen die Exponate aus. Mitte der 1980er Jahre modernisierte die Einrichtung ihre Konzeption und 2004 ihren Namen in „Museum Neukölln“. Dieses zweitälteste Regionalmuseum Berlins versteht sich heute als innovatives, soziales Gedächtnis der Region, das Stadtteil- und Alltagsgeschichte bearbeitet, wobei sowohl die soziokulturelle Vielfalt Neuköllns als auch die Bedeutung Europas als Vision und politische Realität einfließen. Sammlungen und Archivbestände bieten Informationen von der Prähistorie über Mittelalter und Neuzeit bis zur jüngsten Vergangenheit dieses Bezirks. Themenschwerpunkte wie „Schulgeschichte und Reformpädagogik“, „Film- und Kinogeschichte“, „Jüdisches Leben in Neukölln“, „Migranten, Flüchtlinge, Asylbewerber“, „Geburt und Gebären“, „Kirchengeschichte“, „Widerstand im Dritten Reich“ etc. wurden zusammengestellt. Wechselnde Jahresausstellungen machen die Besucher mit den neuesten Forschungsergebnissen bekannt, behandeln Zeitgeistthemen, verbinden Geschichte mit Gegenwart und werfen zukunftsorientierte Fragen auf. In Zusammenarbeit mit Künstlern, Mediendesignern und Theaterpädagogen probiert man neue Formen der Interaktion mit dem Publikum. Für jüngere Besucher und Schulklassen werden altersgerechte Führungen angeboten. Spezielle Veranstaltungsreihen, Workshops, Fotoausstellungen, Lesungen, Radtouren und Fußwanderungen zu historischen Stätten runden das Programm ab. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass diese engagierte Arbeit mit dem Museumspreis des Europarates 1987 belohnt wurde. 2 Teltowkanal „Endlich wird niemand leugnen können, daß der Kanal auch in Britz zur Verschönerung des Landschaftsbildes und zur allgemeinen Belebung der Gegend wesentlich beträgt. Noch mehr wird seine Bedeutung für den Ortsund Durchgangsverkehr steigen, wenn erst die von den zuständigen Behörden genehmigte und bereits angefangene Verlängerung des Rixdorfer Stichkanals bis zum Britzer Osthafen fertiggestellt sein wird." (Britzer Wochenschau, 25.6.1911). Jetzt ist er 100 Jahre alt. Beim ersten Spatenstich im Jahre 1900 war Kronprinz Wilhelm dabei, eröffnet wurde der Kanal 1906 von seinem Vater Kaiser Wilhelm II. mit einer Fahrt auf seiner Yacht „Alexandria“. Der Teltowkanal verbindet Havel und Spree, bildet strekkenweise die Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg und durchfließt auch Neukölln. Gemessen wird gegen die Fließrichtung von West nach Ost: "Tek km 00,00" liegt bei Potsdam, "Tek km 37,83" bei Grünau, wo der Teltowkanal in die Dahme mündet. Eine 3,5 km lange Zweiglinie führt vom Britzer Osthafen zur Spree. Der Kanal, der zum einen als „Vorfluter“, zum anderen als Transportweg und zeitsparender Entlastungskanal fungierte, schaffte die Voraussetzungen für die Bebauung und Industrialisierung der südlichen Vororte Berlins. Überdies war er der erste vollständig elektrifizierte Kanal der Welt, der sogar für den Bau des Panama-Kanals 58 59 als Vorbild gedient haben soll. Die Treidelloks (spezielle Elektrolokomotiven, die beidseits des Ufers fuhren) zogen die Schiffe durch den Kanal. Die Kriegszerstörungen sowie die folgende Teilung der Stadt und der Mauerbau brachten die Schifffahrt auf dem Teltowkanal fast zum Erliegen. Nunmehr markierte er die deutschdeutsche Grenze, die schwer durchschaubar teils auf dem Wasser, teils entlang des rechten oder linken Ufers verlief. Heute ist das Gewässer wieder befahrbar und seine Ufer streckenweise mit Fuß- und Radwegen ausgestattet: z.B. zwischen Tempelhofer Weg und Späthstraße sowie vom Britzer Zweigkanal bis zur Rudower Chaussee. 3 Britz-Buckow-Rudow-Grünzug Am 24. April 1840 legte der Gartendirektor Peter Joseph Lenné den Plan für „die projektierten Schmuck- und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung“ vor. Damit sollten stadtweit Erholungs- und Grünflächen für die expandierende Bevölkerung geschaffen werden. Von Berlin-Mitte ausgehend wurden daher sternförmig verlaufend Landschaftsparks angelegt. Seine und die Anlagen seiner Nachfolger Gustav Meyer (Lenné-Schüler, der ab 1843 für Lenné arbeitete) und Erwin Barth (18901933, bekannt für die Gestaltung von Plätzen zur Erholung für Arbeiter) prägen bis heute das Erscheinungsbild Berlins. Dieses Programm wurde von nachfolgenden Gartendirektoren weitergeführt und durch die Gartenstadt-Visionäre des „neuen Bauens“ erweitert. Diese Bewegung setzte bereits in der Kaiserzeit ein, erreichte während der Weimarer Republik ihren Höhenpunkt und beeinflusste auch in den Wiederaufbaujahren nach dem II. Weltkrieg die Konzepte der Stadtplaner. 1926-29 war die Hufeisensiedlung Britz entstanden. Daran knüpfte sich in den 1950er Jahren die Überlegung, weiter südlich die Großsiedlung Britz-BuckowRudow (BBR) zu bauen. Die Konzeption sah als Reminiszenz an die Hufeisensiedlung u.a. große Grünflächen innerhalb dieser Trabantenstadt (der späteren Gropiusstadt) vor sowie als entscheidendes 5 Strukturelement einen breiten, über der U-Bahn-Trasse verlaufenden Grünzug. Parallel zum Siedlungsbau begann man ab 1965 die Linie 7 von Britz-Süd nach Rudow zu verlängern. Oberirdisch entstand entlang der Strecke der sog. BBR-Grünzug, der sich gleichsam als Rückgrat durch die Gropiusstadt zieht, die Ortsteile Britz, Buckow und Rudow verbindet und am Rudower Wäldchen endet. 4 Buckower Dorfkirche Sie wirkt wie eine Wehrkirche, die romanische Dorfkirche in Buckow. Im 13. Jh. wurde sie als Hallenbau errichtet mit Holzbalkendecke in Kirchenschiff und Turm. Anlässlich von Renovierungsarbeiten 1908 und 1950 zeigten sich im Kirchenschiff mittelalterliche Fresken, die noch in blassen Fragmenten zu erkennen sind – am deutlichsten die Abendmahlsszene im vorderen Teil der Kirche. Zwei der Turmglocken stammen ebenfalls aus dem Mittelalter: Die kleine Glocke, die um 1250 gegossen wurde, und die größere, die genau auf das Jahr 1322 datiert ist. Weitere Glocken sind 1943 einem Luftangriff zum Opfer gefallen. Im 16. Jh. hatte man das Erscheinungsbild der Kirche zu Gunsten des gotischen Stils verändert: Ins flachgedeckte Kirchenschiff resp. Langhaus wurde ein bemaltes Rippengewölbe eingezogen, gestützt mittels dreier Säulen. Man verbreiterte die schlitzartigen Fensteröffnungen und öffnete die Südwand, um ein Spitzbogenportal aus Backstein anzubringen. Dafür musste die klassische OstWest-Orientierung von Altar und Haupteingang aufgegeben werden: Statt durch den Turm im Westen betrat man die Kirche jetzt durch das Portal im Süden und blickte auf den Altar an der Nordseite. Heute findet man Eingang und Altar wieder an korrekter Stelle, da im Zuge der Restaurierung der Kirche nach dem Krieg einige der Umbauten wieder beseitigt wurden. Rudower Wäldchen Dieses 600 m lange und streckenweise bis zu 100 m breite Wäldchen in Buckow wurde 1872 von Wildmeister Hugo Luther im Auftrag Kaiser Wilhelms I. angepflanzt. Seit 1959 ist es als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Sein offizieller Name lautete „Vogelschutzgebiet am Wildmeisterdamm in Rudow“, inoffiziell nannte man dieses Waldstück an der Zonengrenze „Niemandsland“. Eigentlich eine eher günstige Bedingung für ein Landschaftsschutzgebiet. Dennoch ging in den 1960er und 70er Jahren der Wildbestand ganz, der Vogelbestand stark zurück. 1986 wurden Maßnahmen zur Rettung dieses Laubwaldes beschlossen und mit Erfolg durchgeführt. Seit 2006 ist auch die Etappe des „Berliner Mauerwegs“ vom „Rudower Fließ“ bis zum „Rudower Wäldchen“ eröffnet, dieses Landschaftsschutzgebiet also entlang des ehemaligen Grenzverlaufs zu erreichen. 60 61 Impressum: Werden Sie Patin/Pate! www.gartenkulturpfad-neukoelln.de Text: Dr. Anne Ego Kulturnetzwerk Neukölln e.V. Karl-Marx-Str. 131 12043 Berlin www.kulturnetzwerk.de Grafik: Marc Reginbogin Förderverein der August-Heyn-Gartenarbeitsschule Neukölln e.V. Fritz-Reuter-Allee 121 12359 Berlin www.ahgasn.de Der Gartenkulturpfad Neukölln ist ein Projekt des Kulturnetzwerk Neukölln e.V., dem Förderverein der August-Heyn-Gartenarbeitsschule Neukölln e.V. und der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft 1822 e.V. Projektleitung/Redaktion: Auguste Kuschnerow, Anke Widenhorn Recherche: Jessica Amann, Dr. Anne Ego, Markus Kobin, Marc Reginbogin, Andreas Rülcker, Marc Vorwerk Foto: Jessica Amann, Bruno-Otto Braun, Dr. Anne Ego, Jörg Kantel, Marc Reginbogin, Andreas Rülcker Sie können uns mit einer Schilderpatenschaft unterstützen. Alle Stationen des Gartenkulturpfads sollen mit Schildern gekennzeichnet werden. Für 20,00 € wählen Sie Ihre Station oder überlassen die Auswahl uns. Wir danken allen Beteiligten für die engagierte Zusammenarbeit. Wir veröffentlichen Ihren Namen und die ausgewählte Station auf unserer Internetseite: Das Projekt wurde realisiert in enger Kooperation mit dem Bezirksamt Neukölln, Abteilung Naturschutz- und Grünflächenamt, Herrn Bernd Kanert; dem Jobcenter Neukölln, dem Freilandlabor Britz e.V. und dem Bezirksverband Berlin Süden der Kleingärtner e.V. sowie in Abstimmung mit der Lokalen Agenda 21 in Berlin Neukölln und dem Kulturamt Neukölln. www.gartenkulturpfad-neukoelln.de Förderverein der August-Heyn-Gartenarbeitsschule Neukölln e.V. Konto 626415103 BLZ: 10010010 Besonderer Dank gilt dem Bezirksamt Neukölln, dem Bürgermeister Heinz Buschkowsky, dem Stadtrat für Bauwesen Herrn Thomas Blesing und dem Stadtrat für Bildung, Schule, Kultur und Sport Herrn Wolfgang Schimmang sowie dem Leiter des Amtes für Naturschutz und Grünflächen Herrn Bernd Kanert. Postbank Berlin Verwendungszweck: Schilderpatenschaft Station: „Ihre Wunschstation“ Auf Wunsch erhalten Sie eine Spendenbescheinigung. Bitte wenden Sie sich an Tel. 030 / 60 25 88 74 Schutzgebühr: 1,- € 62