Vormärz (1830 – 1850)

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Vormärz (1830 – 1850)
Vormärz (1830 – 1850)
Begriff
Der Vormärz ist eine Bezeichnung für die zur Revolution im März 1848 hinführende
literarische Epoche. Während ihr Ende mit der Revolution eindeutig datiert ist, gibt es für
ihren Beginn unterschiedliche Auffassungen. Drei Möglichkeiten werden diskutiert (vgl.
Microsoft Encarta 2005, "Vormärz"):
1. In Analogie zur Geschichtsschreibung umfasst Vormärz als literaturgeschichtlicher
Epochenbegriff die Periode von 1815 (Gründung des Deutschen Bundes) bis 1848. Damit
richtet sich der Begriff Vormärz zugleich gegen die konkurrierenden Epochenbezeichnungen
Biedermeier bzw. Restaurationszeit und die ihnen innewohnende Gewichtung: Betonen diese
Begriffe den restaurativen Charakter der fürstlichen Politik im Deutschen Bund und die
konservativ-beharrenden kulturellen und literarischen Tendenzen als prägende Momente der
Epoche, so legt der Begriff Vormärz den Akzent auf die soziale und politische Dynamik und
die kritisch-oppositionellen bzw. revolutionären Literaturströmungen.
2. Verbreiteter ist die Datierung der Epoche von der französischen Julirevolution des Jahres
1830 bis zur Märzrevolution von 1848. Sie lässt sich auch dadurch stützen, dass die politische
Zäsur mit dem durch Goethes Tod symbolisierten Ende der klassisch-romantischen
Kunstperiode eine Bestätigung auf literarischem Gebiet erhält. Als gemeinsamer Nenner der
literarischen Entwicklung in dieser Epoche gilt die zunehmende Politisierung und
Radikalisierung, die von der liberalen Publizistik der Jungdeutschen zur revolutionären
demokratischen Literatur (ab 1840) führt.
3. Der Begriff Vormärz wird auf die Periode von 1840 bis 1848 eingegrenzt, also auf die
unmittelbar in die Revolution mündenden Jahre. Nach dem Zerfall der jungdeutschen
Bewegung und der literarischen und politischen Stagnation nach 1835/36, setzten um 1840/41
neue Entwicklungen ein: Die so genannte Rheinkrise von 1840 löste eine nationale
Begeisterungswelle aus, die Thronbesteigung von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen weckte
politische Hoffnungen (1840 Amnestie für politische Vergehen, 1841 Lockerung der Zensur),
mit dem Auftreten der Jung- und Linkshegelianer, die den „illusionären Liberalismus” des
Jungen Deutschlands verwarfen, erhielt die Politisierung eine radikale, systemkritische
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Dimension. Allerdings war die Lockerung der politischen Repressionsmaßnahmen nur von
kurzer Dauer; die meisten Autoren des Vormärz wurden für kürzere oder längere Zeit ins Exil
getrieben (Zürich, Brüssel, Paris, London).
Literatur und Vertreter
Prinzipiell war diese Epoche von Frieden gekennzeichnet, was ausschließlich durch die
Unterdrückung der Fürsten ermöglicht wurde. Das Bürgertum gewann immer mehr an Macht.
Ihr politisches Engagement steigerte sich und ihre liberalen Ideen wurden in der Presse
publiziert. In dieser Zeit veränderte sich die Presse vom berichterstattenden zum
meinungsbildenden Medium. Die Auffassung des Vormärzes steht im Kontrast zu der
Romantik. Für die Vertreter des Vormärzes sollte die Poesie nicht die Welt retten, sondern die
Welt musste etwas von der Poesie erwarten. Heinrich Heine beschrieb die neue Aufgabe des
Dichters mit folgenden Worten.
„Jetzt gilt es die höchsten Interessen des Lebens selbst, die Revolution tritt in die Literatur.“
Die Literaten des Vormärzes spiegelten in ihren Schriften die schwierige politische Situation
sowie soziale Lage der Bevölkerung wider. Sie kämpften für soziale Gerechtigkeit und
demokratische Freiheiten. In der Literatur stehen die politischen Interessen absolut im
Vordergrund, die Ästhetik hingegen ist sekundär. Ein Gedicht sollte zur Bewusstseinbildung
dienen und nicht schön sein.
Ein Beispiel dafür stellt Georg Weerths Gedicht ‚Das Hungerlied’ dar.
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Weerth Georg ‚Das Hungerlied’
Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.
Und am Mittwoch mussten wird darben,
Und am Donnerstag litten wir Not
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod
Drum lass am Samstag backen
Das Brot fein säuberlich
Sonst werden wir sonntags packen
Und fressen , o König, dich!
Der Literat Heinrich Heine gehörte zu der Gruppe des Vormärzes, die unter dem Namen
‚Junges Deutschland’ bekannt war. Diese oppositionelle literarische Gruppe kämpfte
permanent mit Zensur und Verfolgung. Zahlreiche kritische Geister wurden ins Exil
getrieben. Auch das ‚Junge Deutschland’ distanzierte sich sehr stark von der Romantik.
Heinrich Heines Gedicht ‚Wahrhaftig’ offenbart diese Ablehnung.
Heinrich Heine ‚Wahrhaftig’
Wenn der Frühling kommt mit dem Sonnenschein,
dann knospen und blühen die Blümlein auf;
Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf,
Dann schwimmen die Sternlein hintendrein;
Wenn der Sänger zwei süße Äuglein sieht,
Dann quellen ihm Lieder aus tiefem Gemüt; Doch Lieder und Sterne und Blümelein,
Und Äuglein und Mondglanz und Sonnenschein,
Wie sehr das Zeug auch gefällt,
So machts doch noch lang keine Welt.
Die Motive und Chiffren wie Frühling, Blümlein, Mond, Sternlein etc. sind typisch
romantisch. Allerdings wechselt das Metrum von Anapäst zu daktylischen Versen, was sehr
aufreibend und keineswegs harmonisch und ruhig wirkt. Ab der siebten Zeile bricht Heine mit
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dieser Welt, die er zuvor als so harmonisch und lieblich beschrieben hat. Die Bezeichnung
„das Zeug“ (Z 9) zeigt die ablehnende Haltung des Autors über die Brüchigkeit der Welt und
Täuschung der romantischen Gegenwelt auf. Wie andere Dichter der Romantik auch,
kritisierte Heine die Wirklichkeit. Im Gegensatz zu den Romantikern bezweifelte Heine
jedoch, dass die Lyrik den Ursprung aller Dinge auf Erden darstelle. Diese Zerrissenheit
versuchte er aufzuzeigen und nicht wie andere, zu leugnen. Spricht Heine also in
ironisierender Weise davon, dass die romantischen Motive und Chiffren „noch lang keine
Welt ausmachen“, so möchte er damit auf Folgendes hinweisen: Er streitet durchaus nicht ab,
dass eine romantische Lebenswelt gegenwärtig ist und auch „gefallen“ kann. Es wäre jedoch
falsch, die Welt aus diesem Grund als rein und vollkommen anzusehen, da sie seiner Meinung
nach gezeichnet ist durch den Riss zwischen ‚Wunschvorstellung’ der Romantiker und der
Wirklichkeit.
Verwendete Gattungen
Neben den traditionellen literarischen Gattungen verwendeten die bürgerlichen Schriftsteller
auch die vielfältigen Formen der Pressepublizistik wie zum Beispiel die satirischen
Feuilletons, die Flugschriften und Kampflieder. Georg Büchner stellte ebenfalls einen
literarischen Rebell seiner Zeit dar. Er verfasste das erste Revolutionsdrama ‚Dantons Tod’,
das erste sozialkritische Stück ‚Woyzeck’ und die Flugschrift ‚Der Hessische Landbote’.
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