Literaturgeschichte im Überblick
Transcrição
Literaturgeschichte im Überblick
116 Basiswissen Literaturgeschichte Literaturgeschichte im Überblick Was ist Literaturgeschichte? Angesichts der Vielfalt literarisch-historischer Erscheinungen – angefangen von Daten zur Geschichte bis hin zu philosophischen Strömungen und Einflüssen oder bedeutenden Autorinnen und Autoren – kann hier nur jeweils eine Übersicht dargeboten werden. Wiederholungs- oder Nacharbeitsbedarf besteht dann, wenn Begriffe nicht inhaltlich gefüllt werden können, Fakten unbekannt erscheinen oder Zusammenhänge zwischen Elementen der Übersichten nicht hergestellt werden können. Literarische Werke, ihre gegenseitigen Einflüsse und Vernetzungen, sind in ihrer Gesamtheit unüberschaubar. Um dieser Unübersichtlichkeit zu begegnen, wird mithilfe der Epochenbegriffe versucht, literarische Werke, aus der jeweiligen Gegenwart begriffen, ein- und zuzuordnen. Mit dieser zeitlichen Unterteilung verbunden ist ein Verstehen in historischen sowie geistesgeschichtlichen Zusammenhängen; ein Verständnis, das den jeweiligen Text in seinen Kontext einbettet, soll dadurch erleichtert werden. Das Verfahren der Epochengliederung hat sich als das wirkungsmächtigste Konzept erwiesen, die Literatur chronologisch zu ordnen, ihre Geschichte bis in die Gegenwart hinein als überschaubar zu erfassen. Der Epochenbegriff bezeichnet den Raum zwischen zwei Einschnitten, die häufig an historischen Daten orientiert gewählt sind. So wird die Literatur von 1830 – 1848 „Vormärz“ genannt – mit der Julirevolution in Frankreich 1830 als einer Art Startschuss, mit der Märzrevolution 1848 in Deutschland als Abschluss. Solche Epochenbegriffe können zwar der realen Fülle und Vielschichtigkeit der Literatur im entsprechenden Zeitraum nicht gerecht werden, sind aber als Beschreibungen üblich und in gewisser Weise notwendig. Über den Charakter als Konstruktion, also über die Notwendigkeit, Epochenbegriffe auf ihr Herkommen, ihren Gebrauch und ihre Leistung bzw. ihre Grenzen zu befragen, sollte sich der Nutzer dieser Begriffe klar sein. Auch die mit jedem Epochenbegriff verbundene Schwierigkeit einer Zuordnung, ohne dass das literarische Werk „in eine Schublade“ gerät, muss sich derjenige, der einen Epochenbegriff benutzt, bewusst machen. In der Literaturwissenschaft ist in den beiden letzten Jahrzehnten von Epochenumbrüchen die Rede. Mit dem Begriff Epochenumbruch ist der literarische Wandel stärker im Blick, auch das Gleichzeitige unterschiedlicher Bewegungen und Strömungen – man spricht auch von der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“, besonders auffällig um 1900 – mit dem Akzent auf den daraus resultierenden bzw. darin ablesbaren kulturellen Veränderungen. Als Epochenumbrüche werden in der deutschen Literaturgeschichte vor allem die Zeit um 1800 und die Zeit um 1900 gesehen. Grenzziehungen und Benennungen sind zwar durchaus unterschiedlich, gelegentlich kontrovers. Aber aus den üblichen Einteilungen lässt sich die folgende Epochenübersicht entnehmen: Basiswissen Literaturgeschichte Epochenübersicht Zeit Epoche Ergänzende kulturgeschichtliche Begriffe Literatur vor 1700 um 750 – 1600 Alt-, Mittel-, Frühneuhochdeutsche Literatur um 1600 – 1720 Barock Renaissance, Humanismus Epochenumbruch 18./19. Jahrhundert um 1720 – 1800 Aufklärung um 1740 – ca. 1785 Sturm und Drang / Empfindsamkeit um 1786 – 1805 Klassik Weimarer Klassik um 1795 – 1840 Romantik um 1830 – 1848 Vormärz / Junges Deutschland Biedermeier Epochenumbruch 19./20. Jahrhundert um 1850 – 1890 Realismus um 1880 – 1900 Naturalismus um 1905 – 1925 Expressionismus um 1920 – 1933 Neue Sachlichkeit – Literatur der Weimarer Republik 1933 – 1945 Exilliteratur Symbolismus, Impressionismus, Décadence-Literatur, Jugendstil, Fin-de-Siècle-Literatur Literatur nach 1945 1945 – 1960 Literatur der Nachkriegszeit (bis ca. 1960) ab 1960 Gegenwartsliteratur Kahlschlagliteratur, Literatur der Stunde null, Trümmerliteratur 117