Literaturgeschichte im Überblick

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Literaturgeschichte im Überblick
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Basiswissen Literaturgeschichte
Literaturgeschichte im Überblick
Was ist Literaturgeschichte?
Angesichts der Vielfalt literarisch-historischer Erscheinungen – angefangen von Daten
zur Geschichte bis hin zu philosophischen Strömungen und Einflüssen oder bedeutenden Autorinnen und Autoren – kann hier nur jeweils eine Übersicht dargeboten
werden. Wiederholungs- oder Nacharbeitsbedarf besteht dann, wenn Begriffe nicht
inhaltlich gefüllt werden können, Fakten unbekannt erscheinen oder Zusammenhänge
zwischen Elementen der Übersichten nicht hergestellt werden können.
Literarische Werke, ihre gegenseitigen Einflüsse und Vernetzungen, sind in ihrer Gesamtheit unüberschaubar. Um dieser Unübersichtlichkeit zu begegnen, wird mithilfe
der Epochenbegriffe versucht, literarische Werke, aus der jeweiligen Gegenwart begriffen, ein- und zuzuordnen. Mit dieser zeitlichen Unterteilung verbunden ist ein
Verstehen in historischen sowie geistesgeschichtlichen Zusammenhängen; ein Verständnis, das den jeweiligen Text in seinen Kontext einbettet, soll dadurch erleichtert
werden. Das Verfahren der Epochengliederung hat sich als das wirkungsmächtigste
Konzept erwiesen, die Literatur chronologisch zu ordnen, ihre Geschichte bis in die
Gegenwart hinein als überschaubar zu erfassen.
Der Epochenbegriff bezeichnet den Raum zwischen zwei Einschnitten, die häufig an
historischen Daten orientiert gewählt sind. So wird die Literatur von 1830 – 1848 „Vormärz“ genannt – mit der Julirevolution in Frankreich 1830 als einer Art Startschuss,
mit der Märzrevolution 1848 in Deutschland als Abschluss.
Solche Epochenbegriffe können zwar der realen Fülle und Vielschichtigkeit der Literatur im entsprechenden Zeitraum nicht gerecht werden, sind aber als Beschreibungen
üblich und in gewisser Weise notwendig. Über den Charakter als Konstruktion, also
über die Notwendigkeit, Epochenbegriffe auf ihr Herkommen, ihren Gebrauch und
ihre Leistung bzw. ihre Grenzen zu befragen, sollte sich der Nutzer dieser Begriffe klar
sein. Auch die mit jedem Epochenbegriff verbundene Schwierigkeit einer Zuordnung,
ohne dass das literarische Werk „in eine Schublade“ gerät, muss sich derjenige, der
einen Epochenbegriff benutzt, bewusst machen.
In der Literaturwissenschaft ist in den beiden letzten Jahrzehnten von Epochenumbrüchen die Rede. Mit dem Begriff Epochenumbruch ist der literarische Wandel stärker im
Blick, auch das Gleichzeitige unterschiedlicher Bewegungen und Strömungen – man
spricht auch von der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“, besonders auffällig um
1900 – mit dem Akzent auf den daraus resultierenden bzw. darin ablesbaren kulturellen Veränderungen. Als Epochenumbrüche werden in der deutschen Literaturgeschichte vor allem die Zeit um 1800 und die Zeit um 1900 gesehen.
Grenzziehungen und Benennungen sind zwar durchaus unterschiedlich, gelegentlich
kontrovers. Aber aus den üblichen Einteilungen lässt sich die folgende Epochenübersicht entnehmen:
Basiswissen Literaturgeschichte
Epochenübersicht
Zeit
Epoche
Ergänzende kulturgeschichtliche Begriffe
Literatur vor 1700
um 750 – 1600
Alt-, Mittel-, Frühneuhochdeutsche Literatur
um 1600 – 1720
Barock
Renaissance, Humanismus
Epochenumbruch 18./19. Jahrhundert
um 1720 – 1800
Aufklärung
um 1740 – ca. 1785 Sturm und Drang /
Empfindsamkeit
um 1786 – 1805
Klassik
Weimarer Klassik
um 1795 – 1840
Romantik
um 1830 – 1848
Vormärz /
Junges Deutschland
Biedermeier
Epochenumbruch 19./20. Jahrhundert
um 1850 – 1890
Realismus
um 1880 – 1900
Naturalismus
um 1905 – 1925
Expressionismus
um 1920 – 1933
Neue Sachlichkeit –
Literatur der Weimarer
Republik
1933 – 1945
Exilliteratur
Symbolismus,
Impressionismus,
Décadence-Literatur,
Jugendstil,
Fin-de-Siècle-Literatur
Literatur nach 1945
1945 – 1960
Literatur der Nachkriegszeit
(bis ca. 1960)
ab 1960
Gegenwartsliteratur
Kahlschlagliteratur,
Literatur der Stunde null,
Trümmerliteratur
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