Mitarbeiter- befragungen in der Praxis

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Mitarbeiter- befragungen in der Praxis
Ingwer Borg
Mitarbeiterbefragungen
in der Praxis
Mitarbeiterbefragungen in der Praxis
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.
Aus I. Borg: Mitarbeiterbefragungen in der Praxis (ISBN 9783840925573) © 2015 Hogrefe Verlag, Göttingen.
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Aus I. Borg: Mitarbeiterbefragungen in der Praxis (ISBN 9783840925573) © 2015 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Mitarbeiterbefragungen
in der Praxis
von
Ingwer Borg
GÖTTINGEN · BERN · WIEN · PARIS · OXFORD · PRAG
TORONTO · BOSTON · AMSTERDAM · KOPENHAGEN
STOCKHOLM · FLORENZ · HELSINKI
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Prof. Dr. Ingwer Borg, geb. 1945. Studium der Psychologie und Betriebswirtschaftslehre in
New Orleans, München und Ann Arbor. 1975 Promotion an der LMU München. 1981 Habilitation an der RWTH Aachen. 1983–1990 und 1997–1999 Professor für Psychologie an der
Universität Gießen. 1982–1983 Gastprofessor an der Purdue University (USA), 1983 an der
University of Chicago (USA) und 1991 an der Hebrew University (Israel). 1988–2005 Director Research & Development, Human Resources Consulting (HRC), München (jetzt Kenexa/
IBM). 1990 –2011 Wissenschaftlicher Leiter am GESIS in Mannheim. 1999–2012 Inhaber der
Stiftungsprofessur für angewandte psychologische Methodik an der Universität Gießen. Seit
2012 Consultant bei OrgVitality und seit 2014 Gastprofessor an der Universität Münster.
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Format: PDF
ISBN 978-3-8409-2557-3
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Aus I. Borg: Mitarbeiterbefragungen in der Praxis (ISBN 9783840925573) © 2015 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Vorwort
Mitarbeiterbefragungen (MAB’en) sind ein mittlerweile bewährtes Führungsinstrument. Sie messen Meinungen und Einstellungen, liefern wichtige Benchmark-Werte und zuverlässige Vorhersagen für das Verhalten der Mitarbeiter. Sie
eignen sich gut dazu, Veränderungen in Organisationen zu koordinieren und zu
beschleunigen. Dieses Buch, das auf jahrzehntelanger praktischer Erfahrung mit
MAB’en und vielfältiger Grundlagenforschung des Autors basiert, zeigt dem
Praktiker, was zu beachten ist, damit ein MAB-Projekt ressourcenschonend
durchgeführt werden kann und seine Ziele erreicht. Besonderer Wert wird auf
die Themen gelegt, die der Projektleiter entscheidend beeinflussen kann und soll.
Dazu gehören insbesondere das Gesamt-Design der MAB und ihre Vorlauf-, Begleit- und Folgeprozesse. Relativ ausführlich erörtert wird auch das Thema, was
man in einer MAB fragen sollte und was man lieber nicht fragen sollte. Themen
wie die Datenerhebung, die in der Praxis immer von einem externen „Provider“
(Institut, Dienstleister) durchgeführt wird, werden dagegen nur in einer Tiefe beschrieben, die dem Projektleiter eine intelligente Interaktion mit dem Provider
ermöglicht. Deutlich mehr Aufmerksamkeit wird dagegen der Analyse und der
Interpretation von MAB-Daten gewidmet, weil hier in der Praxis oft nicht mehr
als simple Routineauswertungen geliefert werden, die das Potenzial der MABDaten für wirksame Aktionen nicht ausschöpfen oder sogar irreführen können.
Schließlich werden zahlreiche typische Fehler eines MAB-Projekts aufgeführt,
die leicht zu vermeiden sind, wenn man sie im Auge behält.
Münster, im Juni 2014
Ingwer Borg
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Inhaltsverzeichnis
1
Mitarbeiterbefragungen heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2
Merkmale von Mitarbeiterbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . .
15
2.1
2.2
Sechs kurze Fallbeispiele aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Allgemeine Merkmale von Mitarbeiterbefragungen . . . . . . . . . . .
15
16
3
Varianten von Mitarbeiterbefragungen . . . . . . . . . . . . . . . .
18
4
Nutzen und Kosten einer MAB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
4.1
4.2
4.3
Nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
23
25
26
5
MAB-Projektteam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
Aufgaben des Koordinationsteams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Architektur des Koordinationsteams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
MAB-Koordinatoren in den Organisationseinheiten . . . . . . . . . . .
Auswahl der Koordinatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Koordinatoren, Berater und Provider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zeitverbrauch des Koordinators im MAB-Projekt . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
28
30
31
33
34
34
6
Positionierungen eines MAB-Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
Ziele und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zeitplan der MAB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Regeln zum Schutz des einzelnen Mitarbeiters . . . . . . . . . . . . . . .
Regeln zum Schutz der einzelnen Führungskraft . . . . . . . . . . . . . .
Regeln für Berichte: Wer sieht was?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rollen besonderer Gruppen und Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Design der Folgeprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
37
37
40
41
43
46
48
7
Stichproben und Vollbefragungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
7.1
7.2
7.3
Statistische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kostenüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Psychologische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
50
51
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8
Inhaltsverzeichnis
7.4
7.5
Nützlichkeit für Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Non-Response und Ausschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
53
54
8
Informationskampagne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
8.1
8.2
8.3
8.4
8.5
Koordination und Stil der Info-Kampagne . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abschnitte der Info-Kampagne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Info-Kampagne vor der Befragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Info-Kampagne nach der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fragen und Antworten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
56
57
60
61
65
9
Fragen, Items und Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
9.6
9.7
9.8
Abschnitte eines MAB-Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Grundbegriffe der Item-Konstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Funktionen inhaltlicher MAB-Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Generische und strategische Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Allgemeine Themen inhaltlicher Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spezielle Themen inhaltlicher Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heikle und unzulässige Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Formulierung und Formatierung von MAB-Items . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
66
73
75
76
83
85
86
87
10
Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
10.1
10.2
10.3
10.4
10.5
Elemente der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Formen der Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Beteiligungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erhöhung der Beteiligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Teilnahmequoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
88
90
90
91
92
11
Analyse von MAB-Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
11.1
11.2
11.3
11.4
11.5
11.6
11.7
11.8
11.9
11.10
Ergebnisberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auswertung einzelner Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Item-Blöcke und ihre Darstellung im Ergebnisbericht. . . . . . . . . . .
Berichtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Items und Indices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Auswertung offener Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Benchmarking. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Historische Vergleiche und Zeitreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Varianz der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heat Maps. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
93
96
98
99
101
102
104
105
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Inhaltsverzeichnis
9
11.11
11.12
11.13
11.14
11.15
Faktoren, die den Items zugrunde liegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Treiber-Analysen und Kausal-Analysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Multidimensionale Skalierung und Bubble Plots . . . . . . . . . . . . . .
Linkage-Analysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Interpretation, Story-Konstruktion und Empfehlungen . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107
109
111
112
114
119
12
Folgeprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
12.1
12.2
12.3
12.4
Ergebnispräsentationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
MAB-Berichte lesen und verwenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
MAB-Workshops . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Folgemaßnahmen (Aktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Typische Fehler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
123
125
131
134
13
Interessante Fälle aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
13.1
13.2
13.3
13.4
13.5
13.6
13.7
13.8
13.9
13.10
13.11
13.12
Datenerhebung im Wahllokal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Datenerhebung am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Datenerhebung als Event . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Datenanalyse: Delta vs. Delta. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Handlungsempfehlungen aus der MDS ableiten . . . . . . . . . . . . . .
Items in falscher Nachbarschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Theorie als Interpretationsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schichten der Ergebnisse nach Führungsebenen . . . . . . . . . . . . . .
MAB-Ergebnisse und Scorecards. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Bottom-up-Folgeprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Aktionsworkshops für mittlere Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mehr Akzeptanz durch Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
136
137
139
140
141
143
144
146
148
149
151
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Mitarbeiterbefragungen heute
Eine MAB soll zeigen, was die Mitarbeiter einer Organisation – meist: eines Unternehmens – über wichtige arbeitsbezogene Themen denken, wo sie der Schuh
drückt, welche Einstellungen und Werte sie haben, was sie für die Zukunft erwarten (und ob dies dem entspricht, was das Unternehmen erwartet oder plant),
wie sie sich darauf bereits heute einstellen und wo sie Handlungsbedarf und Verbesserungspotenziale sehen. Die Befragungsdaten sollen zudem Unterschiede
und Ähnlichkeiten zwischen Teilen der Organisation (z. B. Männern und Frauen,
verschiedenen Niederlassungen, Führungskräften und Nicht-Führungskräften)
deutlich machen. Sie sollen Vergleichswerte liefern, mit denen sich das Unternehmen benchmarken kann in Bezug auf wichtige Messwerte zu den Mitarbeitern: Wie hoch ist das Engagement unserer Mitarbeiter im Vergleich zu anderen
Unternehmen? Gehören wir zu den „besten“ Arbeitgebern? (Normwerte hierzu
liefert z. B. jedes Jahr das Gallup-Institut mit seinem „Engagement-Index“ aus
Repräsentativbefragungen in verschiedenen Ländern. Ähnlich werden vom
„Great Place to Work“-Institut die aus Sicht der Mitarbeiter besten Arbeitgeber
ermittelt.)
MAB’en gehören zu den Standard-Instrumenten der Organisationsentwicklung
und Unternehmensführung. Im deutschsprachigen Raum geben gut 80 % der umsatzstärksten Unternehmen an, mindestens schon einmal eine MAB durchgeführt
zu haben (Hossiep & Frieg, 2013). In Nordamerika sind MAB’en noch populärer (Wiley, 2010). Hier sind sie zudem Routine-Maßnahmen, während sie in
Deutschland immer noch besondere Projekte sind, die einigen Aufwand erfordern.
Eine MAB ist ein großes und komplexes Projekt, das als Gesamtpaket konzipiert
werden sollte, um sein Kosten-Nutzen-Verhältnis zu optimieren. Hierfür muss
man die richtige Balance finden zwischen einem unterentwickelten Design, das
später an allen Ecken und Enden nachgebessert werden muss, und einem bis in
das kleinste Detail durchgeplantem Monster-Projekt, das die ganze Organisation
mit Bürokratie überfrachtet. In Deutschland lässt sich jedenfalls beobachten, dass
sich die Kritik häuft, eine MAB sei ein aufwendiges Projekt, das viele Ressourcen bindet und wenig Handfestes bringt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn
in der allerersten MAB zu viel oder sogar Widersprüchliches versucht wird (siehe
dazu ein Beispiel aus der Praxis, S. 56).
Es ist besser, anfangs eine relativ einfache MAB durchzuführen, bei der alle Beteiligten und Betroffenen lernen, mit einer MAB umzugehen. Diese MAB kann
dann in späteren Befragungen zu einem vollen Programm hochgefahren und mit
anderen Verfahren (z. B. 360-Grad-Feedback, Trainingsprogrammen) verknüpft
werden.
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12
Kapitel 1
Im MAB-Bereich gab es in den letzten Jahren kaum Innovationen und Weiterentwicklungen, außer natürlich bei allem, was man online schneller, besser und
billiger umsetzen kann. Ansonsten haben sich die Provider eingerichtet mit ihren
Routine-Anwendungen: Sie haben Benchmarks, sie haben die Erhebungs- und
Auswertungsprogramme, sie haben Unterlagen zur Prozessorganisation, geeignete Trainingsverfahren, Standardfragebögen usw. Bei den Firmen ist es ähnlich:
Die haben jetzt Experten, die sich mit MAB’en auskennen, die sie operativ abspulen können. Zudem haben sie Manager, die in der MAB-Thematik trainiert
sind. Neue Führungskräfte fragen jedoch, ob man die MAB stets wie gehabt wiederholen sollte. MAB’en haben nicht selten schon rituelle Züge. Zudem kommt
scheinbar immer das Gleiche heraus (Typisches Praxisbeispiel: „Die Auswertung zeigt viel Positives, es wird aber auch Kritik geäußert und Handlungsbedarf
aufgezeigt.“). Insbesondere sind irgendwie immer die Führungskräfte Schuld:
Sie sollten vor allem „besser informieren und kommunizieren“, „Ideen besser
aufgreifen“, „die Mitarbeiter mehr einbinden“, „die Ergebnisse mit ihren Mitarbeitern aufarbeiten und nachvollziehbare Maßnahmen einleiten.“ (Alles Zitate
aus der Praxis.)
Die Informationen des Top-Managements zum Ergebnis der MAB sind ebenfalls
weitgehend austauschbar: Sie verkünden vor allem, dass jetzt alle hart arbeiten
müssen, dass sie aber optimistisch sind in Bezug auf die Zukunft (Zitat: „Das Ergebnis liegt nicht im kritischen Bereich, ist aber noch lange nicht gut genug. Deshalb ist für uns klar, den eingeschlagenen Weg konsequent fortzusetzen.“). Kein
Wunder also, dass seitens vieler Führungskräfte der Widerstand gegen weitere
MAB’en wächst und dass die Teilnahmebereitschaft der Mitarbeiter stetig absinkt.
Speckt man ein MAB-Projekt ganz ab und führt die MAB nur noch als Umfrage
durch, die mit der Verteilung von Ergebnisberichten abgeschlossen ist, dann gibt
es weniger Widerstände. Aber bringt die MAB dann noch einen echten Nutzen?
Die Führungskräfte haben genug Berichte in ihren Regalen. Einen weiteren brauchen sie nur dann, wenn er für wichtige Weichenstellungen und Entscheidungen
nützlich ist. Das ist wenig wahrscheinlich, wenn die MAB-Berichte wie folgt kommentiert werden: „Nicht das, sondern dies hätten wir fragen sollen! Das glaube ich
so nicht: Wer hat das denn gesagt? Das ist interessant: Ich werde das mal dem X
zeigen; mal sehen, was der sagt. Das ist viel Information: Das werde ich mir bei
Gelegenheit mal in Ruhe ansehen.“ Hier kann man sich leicht ausrechnen, dass der
MAB-Bericht vermutlich im Regal verstaubt. Man wird also vor der MAB fragen
müssen, welche Informationen den Führungskräften wirklich dienen und wie man
dies aufzeigen kann. „Interessant“ ist jedenfalls nicht genug.
Eine moderne MAB erfordert ein zeitgemäßes Grundverständnis ihrer Rolle.
Wiley, Brooks und Lundby (2006) schreiben hierzu: „Traditionelle MAB-Ansätze … begreifen die Mitarbeiter als Gegenstände, die zu untersuchen und zu
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Aus I. Borg: Mitarbeiterbefragungen in der Praxis (ISBN 9783840925573) © 2015 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Mitarbeiterbefragungen heute
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verstehen sind wie Prüfkörper unter dem Mikroskop. Untersucht man genau
genug und erreicht ein gutes Verstehen, dann kann mehr Kontrolle und eine Minderung von Risiken (z. B. Kündigungen und geringe Leistungsbereitschaft) möglich werden. Was wäre aber, wenn man bereit ist, dieses Bild einmal umzukehren, und jedem Mitarbeiter ein Fernglas gibt und sie fragt, was sie sehen? Welche
Erkenntnisse können sie beitragen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhöhen? Und könnte sich dieser Befragungsansatz möglicherweise sogar
positiv auswirken auf ihre Loyalität zum Unternehmen?“
Traditionelle MAB’en konzentrieren sich vor allem auf die Messung der Zufriedenheit der Mitarbeiter. Genauer gesagt: Die Zufriedenheit wird gemessen, aber
man hofft doch insgeheim, dass sich „gute“ Werte ergeben. Etwas moderner von
der Akzentuierung her sind MAB’en, deren Fokus nicht auf Zufriedenheit, sondern auf dem Engagement der Mitarbeiter liegt. Auch hier hofft aber man wieder auf „gute“ Werte. Diese Grundhaltung ist ganz falsch. Die Ausgangsfrage
sollte eher lauten: Die MAB soll herausfinden, wo und was verbessert und verändert werden sollte. Der Fokus liegt damit eher auf Problemhinweisen, auf UnZufriedenheit und ihren Ursachen. Wenn alle mit allem zufrieden sind, ist das
schön zu wissen, bringt aber keine weiteren Anregungen für Aktionen, die die
Lage und die Aussichten des Unternehmens verbessern.
Bei der Auswertung der Ergebnisse einer MAB hat die Online-Methodik in den
letzten Jahren riesige Fortschritte gebracht. Heute können in kürzester Zeit Tausende Berichte erstellt und den Führungskräften bzw. Organisationseinheiten
gezielt zugänglich gemacht werden. Inhaltlich unterscheiden sich diese Berichte
allerdings kaum von denen der Vor-Online-Zeit. Berichtet wird vor allem, wie
stark die Befragten den einzelnen Fragen des Fragebogens zugestimmt haben,
meist im Vergleich zu den Ergebnissen übergeordneter Organisationseinheiten
und, falls vorhanden, im Vergleich zu den Werten der letzten MAB. Die Deutung
dieser Statistiken wird dem Leser überlassen, oft ohne weitere Leseanweisungen
oder Trainings. Erfahrungsgemäß haben viele Führungskräfte damit Schwierigkeiten, insbesondere wenn sie die MAB besonders ernst nehmen, weil sie dann
leicht in den vielen Zahlen untergehen. Sie neigen zudem zu überzogenen GutSchlecht-Bewertungen (statt zu fragen: Welche Potenziale zeigen sich hier für
relevante Entscheidungen?), vergleichen die Ergebnisse beliebiger Fragen über
verschiedenste Inhalte untereinander (auf der Suche nach den „besten“ und den
„schlechtesten“ Werten) und unterstellen, dass „mehr“ (z. B. Zufriedenheit, Commitment, Engagement) immer besser ist als „weniger“.
Um der Organisation dabei zu helfen, klar zu identifizieren, was getan werden
könnte und sollte, werden oft noch „Treiber-Analysen“ gerechnet. Die gängige
Vorgehensweise dabei ist, Themen wie Arbeitszufriedenheit oder Engagement
(oder als „Schwächen“ ermittelte Variablen) als Ziel-Variablen zu nehmen und
dann zu ermitteln, welche Fragen am höchsten mit diesen Variablen korrelieren.
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