journalist unternehmer freiheitskämpfer

Transcrição

journalist unternehmer freiheitskämpfer
AXEL SPRINGER
JOURNALIST
UNTERNEHMER
FREIHEITSKÄMPFER
Eine Verlags-Sonderausgabe der Axel Springer AG
Großer Journalismus
ist immer in Mode.
100 Jahre Axel Springer. 101 Jahre C&A Deutschland.
C&A war gerade ein Jahr alt, als Axel Springer am 2. Mai 1912 geboren
wurde. 1946 gründete er sein gleichnamiges Unternehmen, das heute
mit mehr als 240 Zeitungen und Zeitschriften Deutschlands größtes
Medienunternehmen ist. Wir denken gerne an den streitbaren
Journalisten und erfolgreichen Unternehmer zurück und wünschen
der gesamten Axel Springer AG weiterhin viel Erfolg.
100 JAHRE AXEL SPRINGER
„
3
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Wenn ich mich als Zeitungsmann auf die
Journale verlasse, dann war der 2. Mai 1912
ein schöner Frühlings-Donnerstag. Um zehn Uhr kam
ich zur Welt. Als Preuße, denn Altona war preußisch, und sein König war deutscher Kaiser
in Berlin. Mein Vater war Besitzer einer bescheidenen Druckerei und eines Verlages, in
dem eine Lokalzeitung, die „Altonaer Nachrichten“, herausgegeben wurde und in dem
früher die Werke des deutschen Patrioten jüdischen Glaubens Gabriel Riesser, Vorkämpfer
der Juden-Emanzipation und erster jüdischer Richter in Deutschland, erschienen waren.
Bei meiner Geburt wurden keine Glocken geläutet, und ich erhielt auch keinen
Wappenspruch.
Als ein Mann, der sich den Künstlern der Sprache, den Dichtern, verbunden fühlt, ist mir
natürlich bedeutsam, daß meine Mutter, eine begeisterte Goethe-Leserin und ein
engagiertes Mitglied im Altonaer Goethe-Verein, nach glaubhafter Überlieferung im
Wochenbett die „Wahlverwandtschaften“ gelesen hat. Auf alle Fälle hat sie, viele Jahre
später, bei Beginn des „Tausendjährigen Reiches“, gern die Stelle daraus vorgelesen, die sich
als so treffend erweisen sollte:
„Diesem düsteren Geschlecht ist nicht zu helfen. Man muss nur meistenteils verstummen,
um nicht, wie Kassandra, für wahnsinnig gehalten zu werden, wenn man das weissagt, was
schon vor der Tür ist.“ Und dann fügte sie seit Januar 1933 immer ihre eigene Weissagung
an: „Hitler, der Mann bedeutet Krieg, verlaßt euch drauf.“ (...)
Übrigens hatte meine Mutter 1933 der „Berliner Illustrirten“ eine Aufnahme des damaligen
Reichskabinetts entnommen, die sie aufbewahrte und im Laufe der kommenden Zeit der
Familie unter die Augen hielt, wenn Hitlers Macht ins Unermeßliche zu wachsen schien.
„Sehen so die Herren der Welt aus?“, fragte sie immer wieder. „Wartet noch ein bißchen.“
Und als 1945 englische Panzer über unser Grundstück in der Heide fuhren, trat sie in die
Mitte der Familie, zerriß das Bild und meinte: „Was ich euch immer gesagt habe!“
Ich schaute sie an: „Du hast recht, Mutter.“
“
Axel Springer, Auszüge aus dem Privatdruck
„An meine Kinder und Kindeskinder“ 1981
VERLAGS-SONDERAUSGABE
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Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
www.meilensteine.axelspringer.de
Inhalt
100. Geburtstag
von Axel Springer
Zum Jubiläum
wurde diese
Briefmarke
herausgegeben
Vorwort
Beitrag des Vorstandsvorsitzenden
Mathias Döpfner .................................................... Seiten 4-5
Prolog
Der Traum vom
Mauerfall ................................................................. Seiten 6-9
Stilfragen
Grenzenlos guter
Geschmack ........................................................... Seiten 10-14
Erste Schritte
Jagd nach der Lizenz
Axel Springer kauft
„Die Welt“ ............................................................. Seiten 16-19
„Bild“
Sprachrohr der Massen
Seid nett zueinander .......................................... Seiten 20-25
Mauerjahre
Der politische Verleger ...................................... Seiten 26-33
Versöhnung
Axel Springer und Israel .................................... Seiten 34-37
Privatmann
Urlaub von sich selbst
Der Sinnsucher .................................................... Seiten 38-41
Vermächtnis
Die Frau an seiner Seite
Wertekompass..................................................... Seiten 42-47
LITERATURVERZEICHNIS: Wenn nicht anders vermerkt, wurde aus folgender
Referenzliteratur zitiert: Hans-Peter Schwarz: „Axel Springer.
Die Biographie“; „Axel Springer. Neue Blicke auf den Verleger“; „Axel Springer.
Von Berlin aus gesehen. Zeugnisse eines engagierten Deutschen“;
„Axel Springer. An meine Kinder und Kindeskinder“;
„Axel Springer. Aus Sorge um Deutschland. Zeugnisse eines engagierten Berliners“;
Leeor A. Engländer: „Der Ehrbare Kaufmann Axel Springer“.
IMPRESSUM
Eine Verlags-Sonderausgabe der Axel Springer AG
für Berlin und Hamburg
Eine Produktion der Redaktion Sonderthemen, Berlin
Leitung: Astrid Gmeinski-Walter (V.i.S.d.P.), Klaus Ries (stellv.)
Redaktion: Björn Engel, Matthias Billand, Jochen Clemens, Uwe Sauerwein;
Gestaltung und Produktion: Sylvio Murer
Fotoredaktion: Iris Hesse
Unternehmensarchiv der Axel Springer AG: Rainer Laabs
Titelfoto: Liselotte Strelow/VG Bild-Kunst, Bonn 2012
Anzeigen: Stephan Madel („Die Welt“, „Welt am Sonntag“, „Berliner Morgenpost“);
Konstantin Rodeck („B.Z.“); Heiko Rudat („Bild“); Dirk Seidel („Hamburger Abendblatt“)
Anzeigenkoordination: Stefan Buchholz, Alexander Kühl (Berlin);
Carolin Karstens-Oliveira, Annette Wiese (Hamburg)
Verlag und Druck: Axel Springer AG, www.axelspringer.de
Redaktionsschluss: 22. April 2012; Veröffentlichung: 2. Mai 2012
Die Verlags-Sonderausgabe finden Sie im Internet unter
www.axelspringer.de/100Jahre1
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Vorwort
Journalist,
Unternehmer,
Freiheitskämpfer
Wofür Axel Springer gestanden hat und
warum seine Werte auch heute noch als
Leitbild für das Unternehmen dienen /
Ein Beitrag von Mathias Döpfner,
Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG
Axel Springer sagte in einer Rede aus Anlass des 30. Geburtstages des „Hamburger Abendblatts“ 1978: „Ich bekenne zwar,
dass ich Erfolg für eine Errungenschaft – nicht für Zufall oder
Würfelfall glücklicher Umstände – halte, aber ich weiß auch,
dass dazu der Mitwirkende, Mitdenkende, Mitfühlende nötig
ist, dem ich nie aufhöre zu danken.“
Das Unternehmen Axel Springer heute: fünf Jahre Rekordgewinne, zweistellige Umsatzsteigerung im letzten Jahr, mehr
als ein Drittel des Gesamtumsatzes kommt schon aus dem
digitalen Geschäft, das zudem hochprofitabel ist. Woran liegt
das? Auch und ganz wesentlich an der Gründerpersönlichkeit
Axel Springers. Denn seine Werte haben eine Unternehmenskultur geprägt, die den Rahmen für unsere Arbeit bildet. Axel
Springer stand – als Journalist, Unternehmer und Freiheitskämpfer – für gesellschaftspolitische Prinzipientreue und Innovationsgeist.
Das erste Farbfoto in einer europäischen Zeitung
Nicht versuchen herauszufinden, was gut ankommt, sondern
herauszufinden und zu tun, was man für richtig hält, war Axel
Springers Leitbild: „Die ganz großen Erfolge sind eigentlich
immer nur dann zu finden, wenn man etwas erkannt hat, was
man noch nicht gesehen hat.“ Ein halbes Jahrhundert später
hat Steve Jobs das dann so formuliert: „Es ist nicht der Job der
Konsumenten zu wissen, was sie wollen. Es ist mein Job.“
Aus diesem Geist entstanden die neuen Medienangebote und
technologischen Innovationen, die unser Haus stark gemacht
haben. Zwei Beispiele: Die Erfindung der „Bild“ im Jahr 1952
als „gedruckte Antwort aufs Fernsehen“, wie Axel Springer es
formulierte. Er ahnte, dass das im Herbst 1951 auf einer Industrie-Messe in Berlin vorgestellte Fernsehen mit seinen bewegten Bildern ein starker Konkurrent der Printmedien werden
könnte. Auf Pioniergeist geht auch das erste aktuelle Farbfoto
in einer europäischen Zeitung zurück, gedruckt im „Hamburger Abendblatt“ 1961: eine Spielszene vom Europa-Cup-Sieg des
Hamburger SV über den FC Barcelona. Schon einige Jahre
zuvor hatte Axel Springer bei einem USA-Besuch erkannt, dass
„Farbe“ künftig ein Schlüssel zum Erfolg sein würde und die
Wood-Rotationsmaschine, einen für Europa völlig neuen
Maschinentyp, prüfen lassen. Seither sind Innovationsgeist
und die Fähigkeit zur zügigen Nutzung neuer Technologien in
die DNA unseres Unternehmens übergegangen.
Und eines spürt man eben auch heute: Unser Verlagsgründer
hat diesem Unternehmen eine Kultur gegeben, die auf Innovation, unternehmerischem Mut und Prinzipientreue beruht.
Diese Tradition verpflichtet. „Welt Online“ startete 1995 das
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
DANIEL BISKUP
100 JAHRE AXEL SPRINGER
erste Internet-Angebot einer überregionalen deutschen Zeitung. Mit der „Welt kompakt“ entstand 2004 die erste nationale Tageszeitung im Kompaktformat. Axel Springer war ab
2006 auch Vorreiter bei der Schaffung integrierter Newsrooms.
Schließlich war Axel Springer mit dem iKiosk und einer „WeltApp“ als erstes deutsches Medienhaus auf dem iPad vertreten,
schon am Tag des US-Starts im April 2010.
Die Innovations- und Technologiebegeisterung Axel Springers hat uns auch zur frühen und entschlossenen Digitalisierung unseres Geschäfts ermuntert – gegen Trägheit, Skepsis
und Widerstände. Axel Springer sagte im Jahr 1978: „Ich werde
nicht aufhören, den Anspruch der Verleger auf Teilhabe an den
bisherigen elektronischen Medien und noch mehr an allen
neuen, auf uns zukommenden Informationssystemen zu vertreten.“
Ebenso wichtig wie Innovationen und Axel Springers enorme unternehmerische Leistung ist aber sein inhaltliches Vermächtnis: Axel Springer verkörperte in den 60er- und 70erJahren den Anti-Zeitgeist schlechthin. Freiheit, Antikommunismus, Wiedervereinigung, Marktwirtschaft, die Unterstützung Israels und Amerikas – er hielt diesen Kurs, obwohl er ein
so harmoniebedürftiger Mensch war. Er redete niemandem
nach dem Mund. Dass er diese Kraft, diese ständige Selbstüberwindung gegen die eigene Natur aufbrachte, nur weil er
von einer Sache überzeugt war, dass er große, auch wirtschaftliche Opfer brachte, um weiter für diese, seine Sache zu kämpfen, das bleibt seine größte Lebensleistung.
Die Geschichte hat Axel Springer recht gegeben
Die Verwirklichung seiner Vorstellungen und Ziele müssen
heute auch seine schärfsten Kritiker zur Kenntnis nehmen:
Springer wollte die Wiedervereinigung. Springer wollte Berlin
als deutsche Hauptstadt. Und Springer wollte den Sowjetkommunismus loswerden. Heute ist Berlin Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands, der Kalte Krieg ist vorbei, und vom
Kommunismus sind nur noch ein paar bittere Reste in Kuba
und Nordkorea übrig.
Eine beachtliche Erfolgsbilanz. Denn welcher Politiker hat
schon so oft recht gehabt und dann auch tatsächlich von der
Geschichte recht bekommen. Selbst in seinen Sorgen hat
Springer heute noch recht. Er sorgte sich um Israels Existenz,
die heute so gefährdet ist wie seit vielen Jahrzehnten nicht
mehr. Er sorgte sich um die soziale Marktwirtschaft, deren
Glaubwürdigkeit und Stabilität durch die Finanzkrise so angeschlagen ist wie seit 1929 nicht mehr. Und er sorgte sich um
die Freiheit.
Ein Held der menschlichen Schwäche
Was war das für ein Mann, der all das sah, gegen massivste
Widerstände kämpfte und sich zumeist auch noch durchsetzte?
Ich weiß es nicht. Ich bin der Falsche, um darüber Auskunft zu
geben. Denn ich bin Axel Springer nie begegnet.
Ich weiß nicht, wer er war und wie er war. Aber ich weiß, was
ich in ihm sehe: nicht den Helden der übermenschlichen Stärke, sondern den Helden der menschlichen Schwäche, der – und
das ist entscheidend – diese Schwächen, diese Zweifel, diese
Ängste hatte, zugab, aber eben immer dann überwand, wenn es
wirklich darauf ankam.
Die Frage bleibt: Woher hatte Axel Springer die Kraft?
Wie hat er all das geschafft? Ich glaube: Durch die Gabe, etwas
nicht zu trennen, was viele Menschen zu trennen versuchen:
Intuition und Intellekt. Vor allem aber: durch den sich immer
wieder abgerungenen Mut, seine Gefühle zu leben. Gefühle
sind nichts, was man unterdrücken muss. Sie sind oft richtiger
als die scheinbar unfehlbare Ratio. Ehrliche Gefühle sind
authentisch.
Das spüren die Menschen. Das motiviert uns bis heute. Und
mehr denn je. Lassen wir uns von dem Innovationsgeist, der
Prinzipientreue und dem unternehmerischen Mut, die dieses
Haus seit seiner Gründung geprägt und erfolgreich gemacht
haben, auch weiterhin leiten und anspornen. Solange diese
Werte für unsere Mitarbeiter, Leser und Werbekunden spürbar
bleiben, ist Axel Springer – ein Vierteljahrhundert nach seinem
Tod – in diesem Unternehmen lebendig.
Mathias Döpfner neben
einzelnen Teilen der
Berliner Mauer vor dem
Verlagsgebäude in Berlin
VERLAGS-SONDERAUSGABE
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
www.meilensteine.axelspringer.de
Prolog
Der Traum vom Mauerfall
Axel Springer und Mstislaw Rostropowitsch, einer der
besten Cellisten der Welt, waren Freunde und kämpften für
die Überwindung von Grenzen. Als die Mauer fiel, eilte der
Musiker nach Berlin und gab dort ein Konzert.
ULLSTEIN BILD
Seiten 6–9
Gegner der kommunistischen Diktatur: Axel Springer
und Klassikstar Mstislaw Rostropowitsch (l.) verband
eine enge Freundschaft
GRUSSWORT
KLAUS SCHÜTZ
Klaus Schütz war Regierender Bürgermeister
von Berlin 1967–1977
ULLSTEIN BILD
MARTIN LENGEMANN
Axel Springer war für mich eine der
bedeutendsten Persönlichkeiten, die
unser Land auf ihre eigene Art geprägt
haben. Über Jahrzehnte hinweg und
mit dauerhafter Wirkung. Er war fürwahr ein großer Verleger mit einer
politisch beeindruckenden Energie. Ein
unablässiger Vorkämpfer für die Einheit unseres Landes und für die
Freiheit und die Sicherheit von Berlin. Es war für mich eine große
Freude, mit diesem einzigartigen Mann verbunden zu sein. Diese
Freude gründete sich auch darauf, dass wir beide uns in Freundschaft gefunden haben im Einsatz für den Staat Israel. Für die Freiheit und die Unversehrtheit dieses Staates der Juden. Er war da so
unverbogen geradlinig wie auch sonst. Ich bin stolz darauf, mit Axel
Springer über Jahre hinweg verbunden gewesen zu sein. Er bleibt
mir Vorbild und Freund. Über den Tag hinaus.
100 JAHRE AXEL SPRINGER
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
Mstislaw Rostropowitschs spontaner Soloauftritt
Musikalisches Gebet
am Checkpoint Charlie
Mit dem Fall der Mauer im November 1989 erfüllte sich vier
Jahre nach seinem Tod Axel Springers Lebenstraum
Opposition (APO) geworden. Anders als ihm seine Gegner oft
unterstellten, ging es ihm nicht darum, das alte Deutsche
Reich wiederherzustellen. Springer hat mehrfach erklärt, er
könne auch mit zwei deutschen Staaten leben, wenn nur die
Deutschen im Ostteil genauso frei sein würden wie die im
Westen. „Der Kampf gegen die Mauer kann demnach nur ein
Kampf um die Freiheit sein, die Freiheit all derer, die inmitten
Deutschlands (...) eingesperrt sind“, schrieb er.
Am 17. August 1962 versuchte der 18-jährige Maurergeselle
Peter Fechter, an der Zimmerstraße – in unmittelbarer Nähe
des Axel-Springer-Verlagshauses – über die Mauer zu klettern.
Von den Schüssen der Grenzsoldaten schwer verletzt, blieb er
auf Ostberliner Gebiet liegen. Er schrie um Hilfe. Doch die
Menschen, die sich auf Ost- und Westseite versammelten,
mussten zusehen, wie der Flüchtling langsam verblutete. An
der Zimmerstraße erinnert heute eine Stele an das Schicksal
Peter Fechters.
Axel Springer war erschüttert – und blieb es sein Leben lang.
Vor allem sein Humanismus, die Eigenschaft des Mitleidens
mit anderen Menschen, machte aus dem erfolgreichen Verleger einen politischen Kämpfer. Das erklärt die Beharrlichkeit, mit der er an der einmal bezogenen politischen Grundlinie unbeirrt festhielt – unbeachtet der Anfeindungen, die
sein „Mammutverlag“ von allen Seiten bezog. Erschien Springers Glaubensbekenntnis zur Hauptstadt Berlin vielen Zeitgenossen wie ein Märchen aus alter Zeit, so war er selbst überzeugt, die deutsche Einheit selber noch erleben zu dürfen.
Auch bei den Widersachern von einst, auch aus der 68erGeneration, hat sich mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung die Meinung verfestigt, dass Springer mit seiner Beharrlichkeit recht hatte.
Zu Lebzeiten des Verlegers war das anders. Hier genoss der
Kämpfer für die Freiheit Wertschätzung vor allem bei denen,
Fortsetzung auf Seite 8
JO WIECZOREK
Eine rührend winzige,
aber doch unsagbare
große Geste, deren
Bilder um die Welt
gingen: Der aus
Russland stammende
Weltstar Mstislaw
Rostropowitsch gibt
am 11. November 1989,
zwei Tage nach der
Öffnung der Grenze,
ein halbstündiges
Solokonzert an der
Berliner Mauer.
Der Cellist war
spontan aus Paris
nach Deutschland
gekommen, nachdem
er im Fernsehen die
Jubelszenen gesehen
hatte. In Berlin spielte
er für die Menschen,
die an der Grenze
gestorben waren
„Es gibt viele Geschichten zu erzählen von jenem deutschen
Herbst, der Geschichte machte. Es gibt die Geschichten von
überschäumender Freude und überschäumendem Sekt. Eine
Geschichte habe ich miterlebt, und ich habe sie aufgeschrieben, denn sie ist so lustig und traurig und verrückt wie viele
aus jenen Tagen, als das Wort ,Waaahnsinn!‘ mit einem langen
,aaa‘ zum gesamtdeutschen Begrüßungswort wurde.“ So beginnt eine mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnete Reportage, die 1990 in der „Berliner Morgenpost“ veröffentlicht
wurde. In „Ein waaahnsinniges Bachkonzert“ berichtet Dieter
Strunz, damals Feuilleton-Chef der Zeitung, über Mstislaw
Rostropowitschs legendäres Solokonzert am 11. November 1989
am Checkpoint Charlie, dem Grenzübergang in Berlin.
Den Auftritt des russischen Cellisten, nur wenige Hundert
Meter vom Verlagshaus entfernt, hat Axel Springer nicht mehr
miterlebt. Und doch soll er hier gewissermaßen als eine Art
Ouvertüre dienen beim Blick auf Leben und Schaffen des Verlegers. Nicht nur wegen der persönlichen Freundschaft zwischen Axel Springer und Rostropowitsch (1927–2007). Sondern
natürlich vor allem deshalb, weil mit dem Fall der Mauer der
lebenslange Wunschtraum des Verlegers, vier Jahre nach dessen Tod, seine Erfüllung fand.
„Es war Sonnabend, der 11. November 1989, gegen zwölf Uhr
mittags“, schreibt Dieter Strunz in seiner Reportage. „In unserem Verlagshaus wird in den Etagen 5 bis 7 die Sonntagsausgabe vorbereitet. Sie wird besonders dick und besonders prall
ausfallen an diesem Wochenende. Im Feuilleton-Großraum
klingelt das Telefon. Die Chefredaktion. Eine Sekretärin: ,Gut,
dass ich Sie gleich dran habe. Da unten in der Halle soll ein
Herr Rostropowitsch sein, und der Chef bittet Sie, sich mal um
ihn zu kümmern.‘ Rostropowitsch? Das kann ja wohl nicht
wahr sein. Runter in die Halle. Gleich hinter den Drehtüren,
am Pförtner-Tresen, steht ein kleiner Mann mit hoher Stirn
und hellen Augen und randloser Brille. Kein Mantel, kein
nichts, nur sein Cello im Arm. Kein Zweifel: Rostropowitsch.
Von vielen Fotos bekannt. Mstislaw, der ebenso schwer zu
sprechende wie schwer zu schreibende Vorname, einer der
berühmtesten Musikvirtuosen der Welt.“ … „Rostropowitsch
ist ein Russe, voll Gefühl und Überschwang. Er hasst den Stalinismus, denn er hat mit Frau Galina lang und hart unter ihm
gelitten. Der Stalinismus hat ihm die Heimat genommen und
ihn in die Fremde getrieben. Und Rostropowitsch ist Künstler,
und die Kunst ist seine einzige Form, sich mitzuteilen. ,Ich
werde ein Konzert an der Mauer geben‘, sagt der kleine Mann.
Wann? ,Jetzt!‘ Wo? ,Gleich hier!‘“
1976, in einem Artikel zum 15. Jahrestag des Mauerbaus,
hatte Axel Springer in der „Welt“ geschrieben: „Die Mauer
wirkt nur, solange wir sie fürchten und respektieren. Wenn wir
sie verachten, wenn wir sie täglich als Beleidigung und Herausforderung empfinden, helfen alle Kalaschnikows und Todesautomaten nichts.“ Seit Frühjahr 1958, noch bevor das
Chruschtschow-Ultimatum den West-Teil Berlins bedrohte,
hatten die Springer-Zeitungen das SED-Unrechtsregime angeprangert. Der Mauerbau im August 1961 belastete den Verleger sehr. Bis an sein Lebensende kämpfte er dagegen, dass
ein Teil des deutschen Volkes hinter Beton und Stacheldraht
gehalten wurde. Für diesen Einsatz wurde er belächelt und
angefeindet. Die Errichtung des Verlagsgebäudes direkt am
Todesstreifen in Berlin-Kreuzberg war ein politisches Ausrufezeichen. Hätte er sich weiterhin auf Hamburg als alleinigem Sitz des Unternehmens beschränkt, wäre Springer wohl
auch nie das große Feindbild der Außerparlamentarischen
Am Bau der Berliner Mauer litt Axel Springer – oben am
Mahnmal für Peter Fechter – sein Leben lang. Heute erinnert
an Fechter dort eine vom Verlag gestiftete Stele
VERLAGS-SONDERAUSGABE
GÜNTER KAMBACH
8
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Mstislaw Rostropowitsch
war mehrfach privater Gast
bei Axel und Friede Springer.
Etwa 1981 auf Schwanenwerder (Foto), wo „Slawa“,
wie er von seinen Freunden
genannt wurde, mit einem
Hauskonzert seine Gastgeber
und die übrigen Gäste
faszinierte
Fortsetzung von Seite 7
die unter der kommunistischen Herrschaft litten oder vor ihr
geflohen waren. So wie der Cellist und Dirigent Mstislaw Rostropowitsch und seine Frau, die Primadonna Galina Wischnewskaja. Sie waren aus Russland in den Westen übergesiedelt. Bei den von Axel Springer ins Leben gerufenen Hauskonzerten auf Gut Schierensee oder in seiner Villa auf der
Berliner Insel Schwanenwerder gehörte das Künstlerpaar
mehrfach zu den Gästen. „Galina und ich lieben Dich enthusiastisch“, schrieb Rostropowitsch, den Springer mit „Slawa“
anredete, an seinen „Bruder Axel“. Weiter heißt es in dem
Brief: „Wir lieben Dich, nicht nur, weil Du ein treuer und unersetzlicher Freund bist, sondern auch, weil Du ein Ritter der
Wahrheit und des Gewissens bist! Du suchst nicht die leichtfüßige Popularität bei der gedanken- und sorglosen Jugend,
gedankenlos und sorglos auf Abruf! Bis zu der Zeit, wenn sie
von den Machthabern hinter der Mauer angegriffen werden.“
Dann würden sie anfangen, nachzudenken, so Rostropowitsch
weiter, und ihre pazifistischen Demonstrationen einstellen. Als
„Geschoss der Musik“ gegen die Berliner Mauer bezeichnete
Rostropowitsch dann auch das Konzert, das er 1981 im Hause
Springer gab. Und der Gastgeber dankte ihm in einem Brief:
„Dein musikalisches Gebet wurde von allen als Gebet für die
Freiheit aller Menschen empfunden.“
Als acht Jahre später der Maestro in seinem Pariser Heim
die Fernsehaufnahmen von den Berliner Ereignissen des
9. und 10. November 1989 sah, habe er geweint. „Da habe ich an
die vielen Menschen gedacht, die hier gestorben sind. Für sie
will ich spielen. Ich spiele Bach.“
Dieter Strunz schildert in „Ein waaahnsinniges Bach-Konzert“, wie der Blitzbesuch per Flugzeug mit dem Wunsch, an
der Mauer zu spielen, zum Problem zu werden drohte: „Aber
in diesen Tagen ist alles lösbar, was unlösbar scheint. Hat man
doch in die Mauer Schneisen geschlagen und der Menschlichkeit einen Weg geebnet, wie könnte da nicht dieser Herzenswunsch eines musikalischen Weltstars Wirklichkeit werden?“
Nur drei Stunden Zeit hat der kleine Tross des Cellisten für
seinen Stopp in der Stadt. „Unsere Truppe drückt sich durch
die Menge. Wir passieren die lange Halle der Rotation, gehen
vorbei am Denkmal des Flüchtlings Peter Fechter. Das Kreuz
scheint jetzt im hellen Mittagslicht und unter den silberblauen
Wölkchen unedler Trabbi-Rückstände, inmitten des ungewohnten Gewirrs der Stimmen etwas von seiner Traurigkeit
verloren zu haben. Noch ein Stück Weg über Holperstein und
Matsch, entlang der grellbunten Mauer, die Künstler und Spinner, Kinder und Weltverbesserer mit ihren Klecksen, Gemälden und Sprüchen verziert haben. Hier? ,Ja, hier ist es gut.‘
Der Zufall will es, dass die Gruppe direkt unter einer prophe-
.
Firmengründung
Okt. 1936
in Regensburg
.
.
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
„Ich habe für mein
Herz gespielt“
GRUSSWORT
ANGELA MERKEL
DAPD/AXEL SCHMIDT
tischen Aufschrift zu stehen kommt: ,No wall is made forever‘
– keine Mauer wurde für die Ewigkeit gebaut. Rostropowitsch
nickt, rückt den Stuhl zurecht. Klappt den Cellokasten auf auf
einem Trampelpfad, der bis vor 48 Stunden noch Niemandsland war und Unterbaugebiet der Grenzsicherungsanlagen der
Deutschen Demokratischen Republik oder so ähnlich im Amtsdeutsch hieß. Und dann spielt Mstislaw Rostropowitsch. Der
Mann, der auf der
Bühne des Bolschoitheaters in Moskau
und in der Grand
Opéra von Paris umjubelt wurde, der in
der Philharmonie oft zu Gast war und in Tokio, London, Rio
oder New York. Er spielt drei Stücke von Bach, mit klammen
Fingern und heißem Herzen, er erinnert in einigen Worten an
die Menschen, die hier ihr Leben ließen. Zwei Mädchen malen
mit Lippenstift ihre Namen auf die Mauer. Ein Volkspolizist
steht lächelnd dabei.“ Die wenigsten hätten gewusst, wer da
auf einem Stuhl aus der Abstellkammer der Botenmeisterei des
Verlagshauses Cello gespielt habe, so Strunz. Doch dem Weltstar sei es in diesem Moment weder um Geld und Ruhm gegangen. „Ich habe für mein Herz gespielt.“
Dieter Strunz schildert, wie es nach dem Bach-Konzert weiterging. „Die kleine Expedition kehrt entlang der Mauer zurück. Ich darf, oh Schreck, den Cellokasten tragen. Jeder
Schritt auf dem holprigen Boden eine Sorge. Hoffentlich hat
der Maestro eine gute Versicherung. Leute aus Köpenick und
vom Prenzlauer Berg kommen uns entgegen. Das Kind im
Kinderwagen, die Mütter mit Kaffeebecher und Zeitung in der
Hand und dem grenzenlosen Nichtbegreifen im Blick. Trabbis
stinken, Taxis hupen, da fällt diese absurde kleine Kolonne
nicht auf, die wie ein Kometenschweif dem Weltstar der klassischen Töne folgt.“ Der Rest, so Strunz, sei schnell erzählt. „In
allen Berichten, in allen Bilderblättern zwischen Mailand und
9
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Wohl nur sehr wenige haben die Presselandschaft der Bundesrepublik
Deutschland in den ersten Jahrzehnten so geprägt wie Axel Springer,
der in dieser Zeit eines der größten Medienunternehmen Europas
aufbaute. Mit sicherem Gespür für Themen und journalistischer Zuspitzung traf er den Geschmack seiner Leser. In Axel Springer hatten die
Grundwerte der jungen Demokratie – freiheitlicher Rechtsstaat, Ablehnung jeder Form des Totalitarismus und soziale Marktwirtschaft –
einen entschiedenen Verteidiger. Er glaubte an Deutschlands Wiedervereinigung in Freiheit, auch als
andere sie schon aufgegeben hatten. Axel Springer hat außerordentlich viel dafür getan, die Zukunft
unseres Landes auf der Grundlage der immerwährenden Verantwortung Deutschlands für den
Zivilisationsbruch der Shoa zu gestalten. Auch um die besonderen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel hat er sich verdient gemacht. Diese Anliegen sind dem Konzern,
der seinen Namen trägt, bis heute Grundsatz und Verpflichtung. Wir ehren Axel Springer zu seinem
100. Geburtstag am besten, indem wir wie er weiter für Freiheit und Demokratie eintreten.
Angela Merkel ist Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende
Washington findet man eines der Fotos, die in jener schnellen
halben Stunde am Checkpoint Charlie entstanden und das
Geschehen dieser Tage bündeln wie in einem Brennglas. Ein
Mann allein vor der schrillen, plötzlich nicht mehr so schrecklichen Wand aus Stahl und Stein, Mstislaw Rostropowitsch
spielt, und dahinter rauscht der Strom erster Besucher. Berlin,
am 11. November 1989. Ein Tag deutscher Geschichte, und ein
Künstler in seiner so absurden wie rührenden, winzig kleinen
und unsagbar großen Geste des Dankes, der Freude, der Trauer, der Besinnung. Berlin, am 11. November 1989. Ich habe das
Uwe Sauerwein
Cello tragen dürfen.“
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
Freiheitskämpfer
Journalist
Zwei, die sich mochten: „Ich habe Sie lieb
gewonnen“, gestand der österreichische
Expressionist Oskar Kokoschka (l.) in einem
Brief an Axel Springer. Der berühmte Künstler
hatte zuvor sein Bild „Berlin – 13. August 1966“
in zwölf Tagen auf dem Dach des neuen
Verlagshauses in der Kochstraße gemalt –
in einem provisorischen Freiluftatelier
Unternehmer
www.meilensteine.axelspringer.de
Stilfragen
Grenzenlos guter Geschmack
Schon in jungen Jahren begeisterte sich Axel Springer für
stilvolle Kleidung ebenso wie für die schönen Künste.
Letztere förderte er zeitlebens: „Nicht für mich, sondern
für die Nachfolgenden“ – diesen Satz, der sich am Eingang seines Herrenhauses auf Gut Schierensee findet,
machte er zu einer Art Lebensentwurf.
Seiten 10–14
UNTERNEHMENSARCHIV
Von Kokoschka bis Krøyer
Axel Springer war ein Ästhet und liebte schon früh
gute Kleidung ebenso wie schicke Autos
SCA wünscht zum 100.
Jahrestag vom Verlagsgründer alles Gute
Weil wir uns leidenschaftlich für Lebensqualität
einsetzen. Weil wir Ihnen näher sein und uns
laufend verbessern möchten. Weil Nachhaltigkeit unser
Leitmotiv ist. Und weil wir engagiert sind.
publicationpapers.sca.com
SCA GRAPHIC PAPER DEUTSCHLAND GmbH
Sammeln um
der Schönheit
willen
Kunst war für Axel Springer keine Geldanlage,
sondern eine Herzensangelegenheit
Provisorisch. So wird das Atelier bezeichnet, das Axel Springer
dem großen Maler Oskar Kokoschka auf dem Dach seines neuen Verlagshauses in der Berliner Kochstraße zur Verfügung
gestellt hatte. Provisorisch, das heißt in diesem Fall: Das Jackett des österreichischen Expressionisten hing an einem Haken, der wiederum in seinem Rücken an der Öse einer Plane
befestigt war. Provisorisch waren die gewellten Dachplatten,
die über verschraubten Stahlrohren Kokoschka vor Regen
schützten. Alles war provisorisch. Und sieht man nur die Fotos,
auf denen Springer und Kokoschka das Werk „Berlin – 13. August 1966“ betrachten, dürfte man sich wundern angesichts des
emphatischen Briefes, den Axel Springer kurz nach Beendigung
des Werkes von Kokoschka erhielt: „Für alle Ihre großzügige
Gastfreundschaft während meines Aufenthalts in Berlin (…)
danke ich Ihnen von Herzen.“
Kokoschka, damals bereits 80 Jahre alt und längst jenseits
der Pflicht, einem Auftraggeber schmeicheln zu müssen, fügte
dem Brief vom 31. August 1966 noch hinzu: „Ich habe Sie lieb
gewonnen.“ Doch warum nur? Hätte der Verleger ihm nicht ein
angenehmeres Atelier 19 Stockwerke über den Berliner Straßen
erstellen lassen können als dieses Provisorium? Der Grund
liegt wohl woanders. Der Grund liegt in der tiefen Sympathie
100 JAHRE AXEL SPRINGER
11
VERLAGS-SONDERAUSGABE
GRUSSWORT
FOUNDATION OSKAR KOKOSCHKA/ VG BILD-KUNST, BONN 2012/ ULLSTEIN BILD
RETO KLAR
PETER RAUE
und offenen Bewunderung, die Axel Springer Künstlern entgegenbrachte. Er liebte das Schöne in jeglicher Hinsicht. Elegante Automobile etwa. Oder Maßanzüge, die er zum Teil direkt aus London bezog. Selbst seine Immunität gegen jeden
Militarismus und gegen jedwede Begeisterung für die Nazis
mag auch seinem ästhetischen Verständnis geschuldet sein. Er
selbst bezeichnete es in seiner autobiografischen Schrift „An
meine Kinder und Kindeskinder“ (1981) als Glück, dass er „gar
keinen Zug zum Militanten, ja, nicht einmal zum Bündischen
hatte. Mein erster Anzugstraum war nicht eine Uniform oder
eine Kluft, sondern ein Frack.“
Gesinnung war für den Ästheten Springer auch eine Stilfrage.
Über dem Portal des Haupthauses auf dem holsteinischen Gut
Schierensee, das Springer 1968 erworben hatte, stand die Inschrift „Non mihi, sed posteris“ – nicht für mich, sondern für
die Nachfolgenden. „Immer wieder machte er Besucher auf
diesen Spruch aufmerksam“, erinnerte sich sein einstiger Weggefährte Ernst Cramer in einem Aufsatz zur „Fayence des Ostseeraumes – Sammlung Axel Springer“. Mehr als 700 dieser
kostbaren Gefäße hatte der Verleger gesammelt und in die
Wohnräume auf Gut Schierensee integriert. Mittlerweile ist die
Sammlung fester Bestandteil des Landesmuseums für Kunst
und Kulturgeschichte in Schleswig.
Das Zustandekommen dieser einzigartigen Sammlung erfolgte in typisch springerscher Manier. „Für ihn war die historische
Relevanz des Objektes, seine Einfügung in das Ensemble wichtig, nicht eine Anhäufung der Vollständigkeit halber“, so Henrik
Lungagnini, Betreuer der Kunstsammlungen des Verlegers. „Er
sammelte“, so der Kunsthistoriker, „sammelte aber nicht an.“
Ausgerechnet im Bereich der Künste
spielten für den geschäftstüchtigen Verleger monetäre Aspekte nur eine untergeordnete Rolle.
„Auch spielte Kunst
als Kapitalanlage
nicht die geringste Rolle“, erinnert sich Lungagnini. „Durch
seine sammlerische Initiative fand manches in der Kunst und
im Kunstgewerbe erst gebührende Beachtung. Es seien hier nur
Lesser Ury und schleswig-holsteinische Fayencen genannt,
wofür vordem nur mäßiges Interesse bestanden hatte.“
Die Ausführungen Lungagninis sind einem Katalog zur „Antiqua 85 Berlin“, einer Verkaufsausstellung von Kunst und Antiquitäten vom 23. bis 27. November 1985, entnommen. Erst
zwei Monate zuvor war der Verleger gestorben. Die Erinnerungen Lungagninis waren damit der erste einschätzende Text
nach dem Tod Axel Springers zu seiner Sammelleidenschaft.
Der damalige Verantwortliche für die Kunstsammlungen des
„Nicht für mich,
sondern für die
Nachfolgenden“
Axel Springer bin ich nie begegnet. Und doch ist er meinem Kopf
näher und in meinen Erinnerungen präsenter als mancher Bundeskanzler. Woran mag das liegen? Ich war kein „68er“, fand aber
natürlich auch vieles schrecklich und verfehlt, was die geschmähte
„Bild“-Zeitung an Überschriften und Inhalten produziert hat. Aber
das wussten doch (wir) alle, dass Axel Springer nicht die „Bild“Zeitung in ihren täglichen Erscheinungsformen gestaltet hat. Mir
war wichtiger das diesen Menschen Prägende, sein Mut, seine Maximen. Meine Empathie für
Axel Springer ist gespeist von seinem Widerstand gegen die mir stets verdächtigen Antisemitismus-Parolen der 68er-Bewegung. Während der mich zutiefst bewegenden AuschwitzProzesse (sie und nicht die Studenten und ihre oft gewalttätigen Demonstrationen sind meine
bleibende Erinnerung an die berühmten 68er) habe ich täglich in der „Welt“ die ausführlichsten
und klügsten Analysen gelesen. Beeindruckt und begeistert haben mich von jeher Axel Springers Eintreten für die Existenz und das Gedeihen des Staates Israel ebenso wie die strikte
Ablehnung der Anerkennung der DDR als „zweiten deutschen Staat“: Diese konsequente, bis zu
Boykottaufrufen geschmähte Haltung hat mein Bild von Axel Springer und seinem Verlag
geprägt. Dass nur vier Jahre nach dem frühen Tod des Verlegers Deutschland wiedervereinigt
war, erfüllt posthum einen Lebenstraum, an dessen Zustandekommen er historischen Verdienst
hat. Dass das von ihm erbaute Verlagsgebäude heute in der Mitte des wiedervereinten Berlins
steht, ist die schönste Frucht seines Lebens, vor dem ich mich auch heute noch verneige.
Peter Raue ist Rechtsanwalt und war von 1977 bis 2008 Vorsitzender des Vereins der
Freunde der Nationalgalerie. Seit 2005 ist er Honorarprofessor an der FU Berlin
Verlegers erinnerte sich dennoch besonders des Humors und
der spöttischen Spitzen, mit denen Axel Springers gleichsam
begeistertes wie entspanntes Verhältnis zur Kunst vielleicht am
besten beschrieben werden kann. „Er war ein Grandseigneur
und hat vom legitimen Recht des Kunstsammlers, an dem
Kaufpreis zu rütteln, niemals Gebrauch gemacht. Wenn sein
Fortsetzung auf Seite 12
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
12
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Fortsetzung von Seite 11
Springer liebte es, Kunst
in Lebensräume zu integrieren
– wie auf Gut Schierensee in
Schleswig-Holstein. Gemälde,
Möbel, wertvolle Fayencen
waren dort aufeinander
abgestimmt. Springer hatte
das heruntergekommene Gut
im Oktober 1968 erworben
und restauriert. In den 70ern
wurde es für ihn zu seinem
wichtigsten Rückzugsort in
Deutschland
Kunsthistoriker das manchmal tat“, so Lungagnini über seine
eigene Rolle, „hat er es eigentlich missbilligt, wenn es ihn auch
amüsierte. Mit dem ihm eigenen Humor erzählte er gern Geschichten von seinem Kurator und den Argumenten, mit denen
dieser manchmal die Preise zu drücken versuchte.“ Springer
sammelte dabei nicht nur für sein eigenes Wohlgefallen – zu
sehr fühlte er sich dem „Non mihi, sed posteris“ verbunden.
Vieles, besonders aus dem norddeutschen Raum, sammelte
er nur deshalb, um es für die Nachwelt zu erhalten. Dabei sei
Springer ein „autodidaktischer, eben deshalb leidenschaftlicher
Sammler“ gewesen, schreibt der Zeithistoriker und Politikwissenschaftler Hans-Peter Schwarz in seiner Biografie über den
Verleger. „Springer verstand sich als ein Sammler, der zugleich
daran dachte, seine Schätze irgendwann und irgendwie einer
breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sein Kunstgeschmack war stark auf die Jahrzehnte des Rokoko und des
Klassizismus fixiert, mit einigen Lieblingen aus den Jahren des
Impressionismus und der klassischen Moderne.“ Springer woll-
te weniger Museen Konkurrenz machen, als sich vielmehr an
der Ästhetisierung seiner Umgebung versuchen. Wo immer sich
der Verleger aufhielt, sollten die Künste ihm und anderen den
Aufenthalt verschönern. Deutlich wird diese Haltung etwa in
einem Brief aus dem Jahr 1978, in dem sich Springer über die
Ausstaffierung seiner Villa auf der abgeschiedenen Berliner
Prominenten-Insel Schwanenwerder äußerte: „Zu neuen Ufern:
an die Havel, 8 km von Potsdam! Dort entsteht ein Haus, von
dem ich hoffe, dass es schön sein wird. Möbel des 18. Jahrhunderts aus Berlin, Potsdam, Dresden. Bilder von Malern der
großen Könige, der Klassizismus, des Impressionismus, des
Expressionismus bis hin zur Moderne. Leistikows, viele Lesser
Urys, Pechsteins.“
Für jenen im Stil der 1960er-Jahre allseits verglasten, im
Grünen erbauten Bungalow wolle er Silber, Fayencen, Porzellane um 1750 und früher. „Alles, was ich an Sammlungen
zerstreut in Deutschland habe, wird hier zusammengeführt.
Eine Nationalsammlung im kleinsten, weil es ja doch keine
WOHLTUN
PA/DPA
Stiften und schenken
ERLEBEN SIE
DEN MIELE MOMENT IN
DER MIELE GALLERY
Er gab großzügig, er gab häufig, er gab ohne die Erwartung einer Gegenleistung. Aufhebens darum machte er
nie, weshalb der Mäzen in der Öffentlichkeit fast unbekannt ist. Von seinen Schenkungen profitieren auch
heute noch Stiftungen, Museen, kommunale Einrichtungen und somit die Öffentlichkeit allgemein. „Als Mäzen
war Axel Springer (…) nicht bloßer Geldgeber, sondern
er hat diese Unternehmungen mit Überzeugung mitgetragen“, schrieb sein Kurator Henrik Lungagnini. In
Berlin beteiligte er sich am Erhalt der Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche. Zuvor hatte Springer in der geteilten
Stadt u. a. dem Charlottenburger Schloss mehrfach
wertvolle Stücke gestiftet, den Bau der Schatzkammer
der antiken Sammlung der Staatlichen Museen finanziert, die Nationalgalerie, das Stadtgeschichtliche Museum und die Akademie der Künste bedacht. Eine der bedeutendsten Stiftungen im Ausland war der Bau der
Bibliothek und des Auditoriums des Israel-Museums in
Jerusalem. Aber auch seine schleswig-holsteinische
Heimat wurde immer großzügig bedacht. „Das Altonaer
Museum konnte durch ihn 24 Galionsfiguren (…) erwerben. Das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum
erhielt 16 Porträts“, so Lungagnini. „Zwei Schenkungen,
die Axel Springer noch zugesagt hatte, konnten erst
posthum gemacht werden“, notierte Ernst Cramer. „Eine
war eine komfortable, hotelartige Unterkunft für Angehörige von Patienten im Berliner Herzzentrum, die
heute den Namen ‚Axel-Springer-Gästehaus‘ trägt. Die
andere (…) war ein Teilchenbeschleuniger für eines der
größten Krebskrankenhäuser Israels.“ Die Dankesbekundungen habe der schon Schwerkranke mit folgenden Worten abgewehrt: „Wozu ist denn der Wohlstand
cle
da, wenn er nicht dem Wohltun dient?“
GRUSSWORT
ROLAND HETZER
PA/MUELLER-STAUFFENBERG
Axel Springer hat schon in der Planungsphase die
Errichtung des Deutschen Herzzentrums Berlin
befürwortet und unterstützt. Es war in den frühen
80er-Jahren ein enormes Wagnis, in der „Insel
Westberlin“ die damals größte Herzchirurgie
Europas einzurichten, zu einer Zeit, da die spätere
Wiedervereinigung der Stadt noch keinem möglich
schien. Es entspricht ganz Axel Springers Weitsicht
und Engagement für diese Stadt, dass er dann auch das Herzzentrum mit einer
großartigen Spende versah, welche die Einrichtung eines klinikeigenen Hotels,
bis heute das „Gästehaus Axel Springer“, möglich machte, gedacht für die Angehörigen der vielen Patienten, die aus allen Teilen Deutschlands und darüber
hinaus nach Berlin gebracht werden mussten. Axel Springer hat die Eröffnung
des Herzzentrums 1986 nicht mehr erlebt, er starb wenige Monate vorher. Die
Verbindung mit ihm und seinem Haus wurde von seiner Frau Friede Springer
weitergetragen, die bis heute im Stiftungsrat und auf vielerlei Wegen an unserer
Seite steht. Der Geist Axel Springers hat mit Weltoffenheit, Toleranz und Zuversicht auch das Deutsche Herzzentrum Berlin geprägt. Wir danken ihm.
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des Deutschen Herzzentrums in Berlin
100 JAHRE AXEL SPRINGER
GRUSSWORT
FRIEDER BURDA
PA/DPA
geben wird.“ Nicht immer ging das Sammeln der Kunst dabei
reibungslos vonstatten, wie sich Ernst Cramer (1913–2010) erinnerte. „Manchmal gab es beim Ersteigern von Preziosen Konflikte mit anderen“, so der langjährige Freund und Chef der
Axel Springer Stiftung. Sie seien aber stets auf freundschaftliche Art beigelegt worden. In einem Fall hatte Springer etwa
den Zuschlag für das Gemälde „Sommernachmittag am Strand“
des dänischen Impressionisten Peter Severin Krøyer (1851–
1909) erhalten. Darauf, so Cramer, „meldete sich das Museum
der Stadt Skagen. Der Direktor gratulierte zwar, hätte das Bild
aber gerne für sein Museum gehabt. Springer schrieb zurück, er
wolle sich zeit seines Lebens daran erfreuen, aber nach seinem
Tode solle das Gemälde als Geschenk ans Skagener Museum
gehen; so geschah es auch.“
Dieser sehr entspannte Umgang des Verlegers mit künstlerischem Privatbesitz zeigt sich auch in einer anderen Anekdote, die Henrik Lungagnini aufschrieb. „Menschlichen Fehlern“,
schickte der Kustos der springerschen Sammlung voraus, „begegnete er verständnisvoll und großherzig.“ Einmal sei jedoch
eine schlimme Panne passiert. „Ein kleines wichtiges Kunstwerk von außerordentlichem materiellen Wert war versehentlich in der schon geöffneten Verpackung geblieben und vom
Personal in den Müllcontainer geworfen worden. In mir brach
eine Welt zusammen, fühlte ich mich doch für das Geschehen
verantwortlich. Ich war niedergeschlagen wie noch niemals in
meinem beruflichen Leben. Abends rief mich Axel Springer an.
Mit freundlich heiterer Stimme sagte er: ‚Wissen Sie, das Stück
hat mir eigentlich gar nicht gefallen. So etwas kann auch im
Louvre passieren. Trinken Sie ein Gläschen, und die Sache ist
vergessen.“ Die Sache nahm übrigens noch ein glückliches Ende. „Es gelang mir“, so Lungagnini, „mit sechs Arbeitern und
mit einem Bagger den von Müll aus 18 Lastwagen bedeckten
Karton mit dem Stück wiederzufinden. Bei der Suche gingen
wir mit archäologischen Methoden vor.“
Björn Engel
13
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Zu Axel Springer hatten meine Brüder Franz, Hubert und ich
ein sehr persönliches Verhältnis. Dies hing sicherlich damit
zusammen, dass er unseren Vater sehr schätzte. Und mein
Vater bewunderte die Leistungen seines Verlegerkollegen. Axel
Springer war für mich rückblickend sehr wichtig. Ich habe viel
von ihm gelernt, und er hat mein Leben in vielerlei Hinsicht
verändert. Ich bin auf Anraten von Axel Springer 1982 zusammen mit Hubert zum ersten Mal nach Israel gereist. Ich erinnere mich noch sehr gut an
unsere Ankunft damals in Tel Aviv: Axel Springer hatte uns einen einheimischen Fahrer
vermittelt. Dan Turk, so sein Name, war in der damaligen Tschechei geboren und hatte sich
als Jude nach dem deutschen Einmarsch vor den Nazis gerettet, indem er eine katholische
Identität annahm. Turk hat Hubert und mich in diesen vier Tagen nach Jerusalem und nach
Massada gefahren, zum Toten Meer und zum See Genezareth. Und er hat uns von den
Menschen und ihrem Traum von einem friedlichen Zusammenleben nach dem Schrecken
des Holocaust erzählt. Mich hat das alles sehr tief beeindruckt. In den folgenden Jahren bin
ich oft in Israel gewesen. Ich habe dort viele Freunde gewonnen. Mehrfach bin ich die
fünfzehn Kilometer von Jerusalem nach Jericho gewandert auf jenem wunderschönen alten
Weg, den auch Axel Springer oft gegangen ist. Und ich wusste, dass ich irgendwie auch
beitragen wollte zur Großartigkeit dieses kleinen Landes. Die zahlreichen Aufenthalte im
Land der Bibel machten aus mir als getauften Katholiken keinen gläubigeren Menschen.
Aber etwas hat sich bei mir dort trotzdem verändert. In Israel, und vor allem in Jerusalem,
habe ich begriffen, was mir meine Religion bedeutet. Ich war in der Grabeskirche, in der
Geburtskirche, auf dem Ölberg und im Garten Gethsemane. Dort ging Axel Springer immer
in ein kleines Kloster von katholischen Mönchen, um zu meditieren. Das habe ich auch
getan, und es hat mir eine ungeheure Ruhe und Zuversicht gegeben.
Frieder Burda ist einer der bedeutendsten Kunstsammler
Deutschlands und Sohn des Verlegers Franz Burda
VERLAGS-SONDERAUSGABE
14
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Schwarze Musik gegen braunen Mob
Aus Swing
wurde
Protest
Axel Springer und Teddy Stauffer:
Über eine musikalische
Freundschaft in der Nazizeit
Ob der Kopf dröhnt? In jedem Fall trägt der König des Swing
einen weißen Verband um die Stirn. Sein Freund Axel Springer
steht hingegen mit weit aufgeknöpftem Sporttrikot neben ihm
auf dem Fußballplatz und lächelt so herausfordernd wie siegesgewiss. Die Umstände des Fotos von 1937, das auf Sylt geschossen wurde, lassen sich nicht mehr klären. Nur eines ist unbestreitbar: In der Beziehung zwischen Bandleader Teddy Stauffer und Springer war jede Menge Musik drin. Durchaus in doppeltem Sinn. Denn die Freundschaft des Journalisten mit dem
Musiker war in der NS-Zeit eine Provokation. Stauffer spielte
das, was die Nazis „Entartete Musik“ nannten.
Ein Widerstandskämpfer sei er zwar nicht gewesen, sagte
Stauffer Anfang 1982 in einem Interview mit dem Journalisten
Wolfgang Stock. Er habe nur das braune Pack mit seiner bornierten und freudlosen Auffassung vom Leben nicht ausstehen
können. Eine Haltung, die er mit Springer teilte. Ganz Kesse
hätten als Kontrast zu Braunhemd und Marschstiefeln Bowlerhut und Schirm getragen, erinnerte sich der Verleger in „An
meine Kinder und Kindeskinder“. „Ich ließ es mit englischen
Songs in Teddy Stauffers berühmter Band genug sein. Noch
heute (1981, d. Red.) erinnere ich mich der Texte und Lieder, die
ich in Hamburg und auf Sylt vortrug; und nicht nur dort. Zugegeben, eine sehr zarte Form des Widerstandes, aber Berlin
drohte dennoch mit drakonischen Strafen.“
Ständig wurde dem Schweizer Stauffer – mit mehr als 300
Platten in den 30er-Jahren eine der Größen des europäischen
Swing – in Deutschland nachgestellt. „Wir spielten 1936 in
Leipzig, im Felsenkeller, wo auf der Bühne und vor der Tanzfläche große Plakate hingen: ‚Swing tanzen und Swingmusik
verboten – Reichskulturkammer“, erzählte der Saxofonist
später. „Zwischen zwei Musikstücken kam plötzlich die Gestapo auf die Bühne und stoppte das Konzert. Der Gestapoleiter
sagte ganz formell: ‚Man hat reklamiert, dass Sie Swingmusik
spielen.‘ Da meinte ich: ‚Ja, was ist denn das, Swingmusik?‘ Er
konnte es natürlich nicht erklären.“
Doch die Zeiten wurden rauer. Hatten sich Stauffer und
Springer noch 1934 gemeinsam nur in Badehose und mit spöttischem Grinsen am Strand von Sylt fotografieren lassen, sollte
ihnen die gute Laune bald vergehen. „1939 hatte ich alle Kraft
zusammengenommen und Altona Richtung Stettin verlassen“,
schreibt Springer. Wie in seiner Jugendzeit nahm er erneut
Gesangsunterricht, zog sich zurück. „In einer bescheidenen
Pension hatte ich damals ein Hinterzimmer mit Klavier.“ Es sei
einer der vielen Ausbrüche aus der Zeitungsarbeit gewesen.
„Ich war meinem zweiten Gesangslehrer (…) gefolgt. Wir
sangen, so gut es ging, bis zum Tage des Kriegsausbruchs am
1. September 1939.“
Die „Original Teddies“ von Stauffer befanden sich da gerade
in der Schweiz, ihre deutschen Bandmitglieder mussten zurückkehren, die Combo zerfiel. Stauffer schiffte sich wenig
später nach Amerika ein, und Springer war um einen Freund
ärmer. Einmal trafen sich die beiden noch. Von einem Empfang
1968 in Berlin gibt es davon ein Foto: Ergraut sind beide, in der
Hand ein Glas Sekt. Das spöttische Lächeln, das sie am Strand
Björn Engel
von Sylt gezeigt hatten, ist hingegen geblieben.
Teddy Stauffer war
Bandleader der
„Original Teddys“,
die in den 30erJahren Swingmusik
spielten. Springer
liebte die Musik,
sang sie nach und
spielte mit Stauffer
(Foto links, weißer
Turban, Springer
rechts daneben) gern
Fußball. 1968 sahen
sie sich bei einem
Empfang wieder
ULLSTEIN BILD; UNTERNEHMENSARCHIV; JO WIECZOREK
„Die Welt wird verändert durch Träume.“
Axel Springer, 1970
Danke Axel Springer für Weitsicht, Innovationen und Unternehmergeist.
Von Immonet zum 100. Geburtstag von Axel Springer.
VERLAGS-SONDERAUSGABE
16
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
www.meilensteine.axelspringer.de
Erste Schritte
Auf der Jagd nach der Lizenz
Direkt nach dem Krieg wollte Axel Springer mit einer
Tageszeitung loslegen. Doch dafür gab es noch keine
Lizenz. So druckte er erst einmal Bücher und Zeitschriften,
bevor „Hamburger Abendblatt“ und „Bild“ erschienen.
UNTERNEHMENSARCHIV
Seiten 16–18
Ein Maskottchen, das dem Verleger viel Glück gebracht
hat: Axel Springer schüttelt 1955 „Mecki“, der Werbefigur
der Programmzeitschrift „Hörzu“, die Hand
Axel Springer kauft „Die Welt“
Ursprünglich war „Die Welt“ eine Zeitung, die von
den Briten zur „Reeducation“, zur Umerziehung der
Deutschen, gedacht war. Nachdem Axel Springer sie
erworben hatte, wurde sie zum Flaggschiff des Verlags.
Seite 19
GRUSSWORT
OLAF SCHOLZ
DAPD/TIMUR EMEK
Als Hafenstadt ist Hamburg immer
schon ein Informationsknotenpunkt
gewesen. Das ist eine Grundlage für
Hamburgs Aufstieg zu der Medienstadt
der jungen Bundesrepublik. An ihm hat
Axel Springer prägend mitgewirkt.
Unermüdlich hat er auf Popularität und
Eingängigkeit gesetzt, um seine Medien profitabel zu verbreiten.
Diese Strategien können nicht nur dem Geschäft, sondern auch der
Demokratie dienen, wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Angefangen hat Axel Springer mit dem Nachdruck von HörfunkBeiträgen. Seine Nachfolger verlegen schon längst nicht mehr nur
„Hamburger Abendblatt“, „Hörzu“, „Bild“ und „Die Welt“, sondern
sie bewegen sich auch erfolgreich im Netz. Auch ihnen geht es aber
darum, unserer Gesellschaft durch Journalismus das Gespräch über
sich selbst zu ermöglichen – konstruktiv und streitig. Hamburg und
die Axel Springer AG sollten daher auch in Zukunft viel Freude
aneinander haben.
Olaf Scholz ist Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg
Der erste Arbeitsplatz des
„Mammutverlegers“,
wie sich Axel Springer
selbstironisch nannte:
Nach dem Krieg musste die
Redaktion mit Räumen im
Bunker an der Hamburger
Feldstraße vorliebnehmen
100 JAHRE AXEL SPRINGER
17
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Wie Axel Springer das „Hamburger Abendblatt“ erfand
„Mensch, ich hab’
so viele Ideen“
Gemeinsam mit Max Schmeling wollte der Jungverleger
die Medienlandschaft der Hansestadt erobern
An einem Junitag 1945, wenige Wochen nach Kriegsende, steuerte ein DKW Meisterklasse mit einem Opel P 4 im Schlepp von
Süden kommend über die Elbbrücken. Drei Männer passierten
mit diesem Gespann und ihren Erlaubnisscheinen den Checkpoint der britischen Besatzer: Max Schmeling, dem der DKW
gehörte, John Jahr und dahinter Axel Springer in seinem klapprigen Opel, der partout nicht anspringen wollte. Das Trio, das da
„komödienreif“ – wie Historiker Hans-Peter Schwarz anmerkt –
in Hamburg Einzug hielt, hatte große Pläne: Es wollte auf den
Trümmern der Hansestadt einen Verlag aufbauen.
Die drei kannten sich seit den 30er-Jahren. John Jahr war
damals schon als Verleger erfolgreich gewesen und besaß immerhin noch eine Schreibmaschine. Boxidol Schmeling brachte
als Kapital vor allem das Ansehen ein, das er sich als Sportsmann erworben hatte. Und Axel Springer, der damals 33-jährige
Verleger-Sohn aus Altona, hatte nicht nur Erfahrungen als gelernter Drucker und Journalist zu bieten, sondern auch unbändigen Optimismus: „Bald wird das freie Wort in Deutschland
wieder gelten. Und dann werde ich das größte Zeitungshaus
Europas bauen.“
Aber die britische
Militärregierung
machte den dreien
einen Strich durch die
Rechnung. Sie hielt
nämlich Max Schmeling – zu Unrecht –
für einen NS-Sympathisanten, und John
Jahr kam wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft für eine Lizenz
ohnehin noch nicht infrage. Allein Axel Springer, den eine
Krankheit vor dem Kriegsdienst bewahrt hatte, konnte den
Briten glaubhaft machen, dass er während der Nazi-Diktatur
„clean“ geblieben war. Einer seiner wichtigsten Zeugen dafür –
der Hamburger Buchhändler Felix Jud, der das KZ überlebt
hatte – gab zu Protokoll: „Ich kenne sowohl Herrn Springer als
auch seine Familie seit vielen Jahren und weiß, dass es kaum
überzeugtere Gegner des Nationalsozialismus geben konnte.“
Springer durfte loslegen. Aber nicht etwa mit einer Zeitung,
wie es ihm seit Langem vorschwebte. Allenfalls Bücher und
ähnliche Verlagserzeugnisse – mehr erlaubten die Besatzer
vorerst nicht. Axel und Vater Hinrich Springer reaktivierten
ihren von den Nazis geschlossenen Verlag Hammerich & Lesser,
in dem sie einst die „Altonaer Nachrichten“ herausgebracht
hatten. Verlagshaus und Druckerei an der Königsstraße in Altona lagen seit April 1945 in Schutt und Asche. Aber Axel Springer hatte noch Anfang der 40er-Jahre Zehntausende Bände mit
belletristischer Literatur an verschiedenen Orten eingelagert,
ebenso Tonnen Druckpapier. Die konnte er nun endlich zu Geld
machen. Und pünktlich zu Weihnachten 1945 erschien als erstes
neues Produkt ein Abreißkalender „Besinnung. Ewige Worte der
Menschlichkeit“ (den Kalender gibt es übrigens bis heute).
Es war ein Anfang, aber eben nur ein kleiner Schritt. „Gewiss
wollte er sich sofort nach dem Regimewechsel in Hamburg
einen großen Namen machen, reich werden, schwerreich, er
wollte den Eltern und Freunden imponieren, vor allem auch
demonstrieren, wie man eine gute Zeitung machte, die von den
Massen gekauft wurde und nicht mit lächerlichen Auflagen
herumkrebste nach Art der ,Altonaer Nachrichten‘“, notiert
Schwarz in der Biografie „Axel Springer“. „Jedenfalls war der
Wille, die schöne Frau Hamburg zu erobern, allem Anschein
nach eine seiner stärksten Antriebskräfte.“
UNTERNEHMENSARCHIV (3)
„Der Erfolgsweg
kann nur heißen:
den Lesern
wohltun“
Erobern musste der tatendurstige junge Mann aber zunächst
einmal die Gunst der britischen Machthaber in Hamburg. Was
ihm offenbar nicht allzu schwerfiel, wie sich Max Schmeling
erinnerte: „Auf (den zuständigen Presseoffizier) Major Barnetson machte er durch seine guten Manieren, seine Verhaltensweise, seine Ausstrahlung, sein korrektes Auftreten – ganz
English style – einen nachhaltigen Eindruck.“ Neben diesen
Vorzügen verfügte Springer über einen guten „Riecher“ dafür,
wie man die Massen erreicht. Noch war das Medium der Stunde
der Rundfunk. Die Sendungen des NWDR wurden in Hunderttausenden Haushalten des Nordens gehört. Aber warum sollten
die Leute sie nicht auch lesen können? Sie sollten. Schon im
März 1946 erschien die erste Nummer der „Nordwestdeutschen
Hefte“ mit Beiträgen aus dem NWDR-Programm. Bald setzte
der Verlag Monat für Monat 100.000 Hefte zu je einer Reichsmark in der gesamten britischen Zone ab.
Und das nächste Projekt war längst in Arbeit, es sollte sich als
weitaus ertragreicher erweisen: eine Programmzeitschrift, die
Axel Springer in der Druckerei
mit einem frischen Andruck
des „Hamburger Abendblattes“, seiner ersten Tageszeitung überhaupt. Die Lizenz
dafür hatte er unter anderem
deshalb bekommen, weil
ehemalige Verfolgte des
NS-Regimes seine Abneigung
gegen den Nationalsozialismus bezeugten
Fortsetzung auf Seite 18
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18
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Fortsetzung von Seite 17
nicht nur wöchentlich die Sendefolge des NWDR bekannt gab,
sondern auch die anderer deutscher und ausländischer Sender.
Das erste Heft mit dem Titel „Hörzu“ erschien am 11. Dezember
1946 zum Preis von 30 Reichspfennigen. Die Auflage von
250.000 Stück war nach wenigen Stunden vergriffen.
Auf zwölf Seiten präsentierte der geniale Publizist Eduard
Rhein, den Springer als Chefredakteur hatte gewinnen können,
eine unterhaltsame Mischung aus Künstlerreportagen, Informationen zu bedeutenden Sendungen, Hörerzuschriften, ja sogar
Reparaturhinweisen für Radioempfänger. Die Zeitschrift traf
genau die Gemütslage der Bevölkerung: „Die entnervte Menschheit ist so sehr müde des Streits, ja sogar des manchmal sinnvollen Streits um echte Werte, dass der Erfolgsweg nur heißen
kann: den Lesern wohltun.“
Der finanzielle Grundstein für den Erfolg des Konzerns war
gelegt, und mit der Gründung einer Axel Springer Verlag GmbH
Anfang 1947 durch Vater und Sohn Springer schließlich auch
der organisatorische. Doch gab es auch besorgte Stimmen. So
äußerte Bürgermeister Max Brauer, Sozialdemokrat und Freund
der Springer-Familie, die Befürchtung, „der junge Herausgeber
und Verleger könnte sich übernehmen“. Springer selbst sagte
später von sich: „Ich bin ein Poet und Träumer.“ Gegenüber
Felix Jud soll er überdies bekannt haben: „Mensch, ich brauch’
einen, der auf mich aufpasst, ich hab’ so viele Ideen, ich mach
im Handumdrehen pleite, wenn keiner auf mich aufpasst!“
Der wurde alsbald gefunden: Karl Andreas Voss ordnete
nüchtern und fachkundig die inzwischen vielfältigen Aktivitäten
Springers, die 1947 um eine Lizenz zur Herausgabe der Frauenzeitschrift „Constanze“ zusammen mit John Jahr erweitert
wurden. „Aber Springer erkannte genau, dass er vorerst nur
einen Gemischtwarenladen sein Eigen nannte“, schreibt
Schwarz. „Er würde erst über den Berg sein, wenn es gelänge,
den Plan einer eigenen Tageszeitung zu verwirklichen.“
Der Start des „Hamburger
Abendblattes“ war auch
der Anlass für ein Radiointerview Axel Springers
1948 im NWDR-Studio
der Hansestadt
Im Herbst 1947 mehrten sich die Signale, dass die britischen
Besatzer womöglich doch die Lizenz für eine überparteiliche
Zeitung in Hamburg vergeben würden. Springer formulierte
einen Antrag für ein Blatt, in dem der lokale Teil das Zentrum
bilde, eine Zeitung, „die in die Familie Eingang findet“, die
niveauvolle Allgemeinverständlichkeit garantiere und auf jede
Schulmeisterei verzichte. Seine Ideen zielten auf einen in
Deutschland völlig neuen Zeitungstyp nach angelsächsischem
Vorbild. Nicht die Information sollte im Mittelpunkt stehen,
sondern das Bedürfnis des Lesers nach einem harmonischen
Zusammenleben. Springer schwor seine Redakteure darauf ein:
„Behandelt mir diesen Leser schonend…, fragt Euch, was diesem
Leser wohltut, was er braucht, um seinen Alltag zu verstehen.“
Am 12. Juli 1948 hielt er die Lizenz Nr. 1 für das „Hamburger
Abendblatt“ in den Händen. Es erschien mit einer Auflage von
60.000 Exemplaren zu je 20 Pfennigen erstmals am 14. Oktober
– nicht, wie geplant, am 13., denn Springer war abergläubisch.
Die „Abendblatt“-Zeit sei, wie Springer später bekundete, „die
Zeit meiner eigentlichen Liebe zum Beruf“. Diese Zeitung, die
in nur wenigen Jahren zum größten Regionalblatt der Republik
mit einer Auflage von 330.000 Exemplaren aufsteigen sollte,
war seine Leidenschaft. Christian Kracht, damals schon einer
der engsten Vertrauten Springers, rühmte dessen „unheimliches
Gefühl für den Wunsch der kleinen Menschen. Er wusste, was
der kleine Mann auf der Straße lesen wollte.“
Was Springer jetzt noch fehlte, waren ein eigenes Verlagshaus
und eine Druckerei. Die über die Stadt verteilten Büros mussten
endlich unter ein Dach, und er wollte auch nicht länger von
anderen Druckereien abhängig sein. Im Herbst 1949 schrieb er
an einen Freund: „Überall brutzeln Pläne.“ Einer davon betraf
ein von Kriegstrümmern geräumtes Areal am Straßendreieck
Kaiser-Wilhelm-Straße, Fuhlentwiete und Neustädter Straße.
Oktober 1950 rollten die Bagger an, Anfang 1952 konnte Springer das 13-stöckige Verlagshaus beziehen, kurz darauf ging nebenan die eigene Tiefdruckerei in Betrieb. Hans-Joachim Nöh
100 Jahre Axel Springer. Danke.
Axel Springer wird am 02. Mai 1912 als Sohn eines Verlegers in Altona geboren. Als Lehrling im Betrieb seines Vaters lernt er sein späteres
Geschäft von der Pike auf und steigt im Verlauf einer für die Branche einzigartigen Erfolgsgeschichte zielstrebig und kompetent vom Setzer,
Drucker und Journalisten zum größten deutschen Verleger auf.
Wie kaum ein anderer trägt Axel Springer mit seinem persönlichen und politischen Engagement zur Polarisierung der Standpunkte und zur
Bildung der öffentlichen Meinung bei. Für seinen investigativen Enthüllungsjournalismus, den er geradlinig und konsequent betreibt,
erntet er Lob und Tadel.
Auf der Suche nach der Wahrheit packt der Axel Springer Verlag bis heute besonders heiße Eisen an und scheut
dabei auch nicht die Auseinandersetzung mit den Mächtigen dieser Welt. Wir sind stolz darauf, dass wir dem Verlag
den Stoff liefern dürfen, auf dem die Worte gedruckt werden, die die Republik bewegen.
Axel Springer wäre am 2. Mai 2012 100 Jahre alt geworden. Mit dieser Anzeige ehren wir einen scharfsinnigen
Journalisten und politisch engagierten Visionär, einen feinsinnigen Ästheten und Kunstmäzen, genauso wie das
sozial engagierte Vorbild Axel Springer und einen der erfolgreichsten deutschen Unternehmer der Nachkriegszeit.
storaenso.com
100 JAHRE AXEL SPRINGER
19
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Überregionale Qualitätspresse
Das neue
Flaggschiff
Mit dem Kauf von „Welt“ und
„Welt am Sonntag“ füllte Axel Springer
eine Lücke in seinem Portfolio
SVEN SIMON; ULLSTEIN BILD/DPA
nach der Währungsreform noch längst kein Überangebot an den
Kiosken gab, behinderten Zweifel wie die des Presserats den
Erfolg der „Welt“ vorerst nicht. Auch die „Welt am Sonntag“
entwickelte sich prächtig. Doch mit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai 1949 fiel der Lizenzzwang für Zeitungen – nun
durfte jeder eigene Blätter verlegen, der die technischen Mittel
und das Kapital dazu mitbrachte. Eine Flut von Neuerscheinungen war die Folge – und der Absturz der „Welt“.
Am Anfang stand der Notverkauf. Im Mai 1952 leitete die NordBis April 1953 hatte die Norddeutsche Bank 15 Kaufinteresdeutsche Bank den Verkauf der Verlagsgesellschaft „Die Welt“ in senten für einen Anteil von 70 bis 75 Prozent der Verlagsgeselldie Wege. Den Auftrag dazu hatte der Bank der Gesellschafter
schaft „Die Welt“ gefunden. Zu den Interessenten zählte der
des Verlages erteilt – die Regierung Ihrer Majestät Queen Eliza- Berliner Ullstein-Verlag, der den von den Nazis enteigneten
beth II. Die Alternative zum Verkauf wäre die Einstellung der
jüdischen Eigentümern rückerstattet worden war und in Westerst 1946 gegründeten Zeitung mit dem stolzen Titel gewesen.
Berlin die „Berliner Morgenpost“ sowie die „B.Z.“ herausbrachte.
Nur drei Jahre zuvor hatte die dreimal pro Woche erscheinende In ihrem Angebot fehlte den Ullsteins eine überregionale Quali„Welt“ ihren absoluten Auflagenrekord erreicht: Ende Februar
tätszeitung. Schon vier Jahrzehnte zuvor hatte ihr Verlag mit der
1949 waren 1,05 Millionen Exemplare gedruckt und verkauft
„Vossischen Zeitung“ ein darbendes Aboblatt übernommen.
worden. Doch seither sank die Auflage stetig. Zum Jahresende
Unter anderem deshalb galt Ullstein als Favorit der Briten. Nicht
1951 betrug das Reinvermögen des Verlages der „Welt“ und „Welt beworben hatte sich Axel Springer, der mit seinen erfolgreichen
am Sonntag“ gerade einmal 4192 Mark. Die Gesellschafter entNeugründungen über genügend Kapital verfügte. In seinem
schieden sich, die Gesellschaft in deutsche Hände zu übergeben. Verlagsportfolio fehlte ihm noch eine repräsentative überregioIn den ersten Jahren nach der Kapitulation 1945 gab es in
nale Qualitätszeitung. Am 14. April 1953 kam es zu einem ersten
Westdeutschland zunächst zwei Arten von Zeitungen: deutdokumentierten Gespräch Springers über die Zukunft der
sche Lizenzblätter, die von alliierten Presseoffizieren
„Welt“. Zusammen mit seinem Partner Karl Andreas Voss erüberwacht wurden, und alliierte Zeitungen in deutscher schien der Verleger beim Direktor der Norddeutschen Bank und
Sprache. „Die Welt“ war Anfang 1946 als neue Form
signalisierte ein „sehr ernsthaftes“ Kaufinteresse. Acht Tage
konzipiert worden: als Qualitätszeitung in britischem
darauf traf sich die Verlagsgeschäftsführung der „Welt“ mit
Besitz für die britische Besatzungszone, die vollstänSpringer und Voss. Der Hamburger Verleger erwies sich als wedig von deutschen Redakteuren geschrieben wurde, sentlich einfacherer Verhandlungspartner als die Emissäre des
aber dennoch natürlich der Überwachung unterUllstein-Verlages: Er machte Zugeständnisse, um die mit dem
lag. Schon im Sommer 1948 war diese Konstrukti- Favoriten hart gerungen worden war. Steel McRitchie, Beiratson zum ersten Mal zum Problem geworden: Der vorsitzender des „Welt“-Verlages, räumte in einem AktenverPresserat für die britische Zone, in dem sich
merk ein, dass Springers Angebot wirtschaftlich die beste Lökonkurrierende Verleger zusammengeschlossen sung sei. Dennoch warnte er vor einer Entscheidung zugunsten
hatten, forderte „Die Welt“ auf, zu „erklären, ob Springers. Er sorgte sich, der politische Einfluss des Verlegers
sie ein Organ der britischen Militärregierung sei könnte zu groß werden. Doch Springer konterte diese Bedenken
oder eine deutsche Zeitung“. Weil es aber kurz
mit hochkarätiger Unterstützung: Er gewann Kanzler Konrad
Adenauer für seine Idee. Mit dessen Unterstützung reichte er
ein großzügiges Angebot ein. Insgesamt belief sich der Kaufpreis
1953 übernahm Axel Springer (Foto von 1975) die
auf rund 2,7 Millionen Mark. Hinzu kam eine BeschäftigungsTageszeitung „Die Welt“. Dieses gelang dank der
garantie für die knapp tausend Mitarbeiter. Am 12. Mai 1953 fiel
Unterstützung durch Bundeskanzler Konrad Adenauer,
die Entscheidung zugunsten Axel Springers, vollzogen wurde der
der selbst gern „Die Welt“ las (Foto oben, von 1961)
Sven Felix Kellerhoff
Verkauf dann zum September.
VERLAGS-SONDERAUSGABE
20
Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
www.meilensteine.axelspringer.de
„Bild“
Sprachrohr für die Massen
Die „Bild“-Zeitung entwickelte sich nach ihrer Gründung
1952 schnell zum Sprachrohr derjenigen, die sonst kaum
Gehör finden. Der verlegerische Erfolg blieb zunächst aber
aus, das Blatt schrieb Verluste. Doch Axel Springer gab
nicht auf, er stellte um auf mehr Text und weniger Fotos –
und die Auflage explodierte.
Seiten 20–22
Seid nett zueinander
Mitmenschlichkeit war für Axel Springer Lebensmaxime.
Alle Zeitungs- und Zeitschriftentitel machten sich diese zu
eigen. Axel Springer sah in seinen Mitarbeitern sein wichtigstes Kapital und die Garanten für den Markterfolg.
Entsprechend großzügig fielen Gratifikationen für die
Belegschaft aus. Eine herzliche Bande entwickelte der
Verleger insbesondere zu Berlins Taxifahrern.
Seiten 23–25
GRUSSWORT
DAPD/PHILIPP GUELLAND
HEIDI MAHLER
Axel Springer war ja eine ausgesprochen prominente Persönlichkeit in
Hamburg; den als junges Mädchen
auch nur aus der Ferne zu sehen, das
war ja schon sensationell. Ins OhnsorgTheater gegangen ist er nicht, aber
meine Eltern Heidi Kabel und Hans
Mahler waren sehr befreundet mit dem damaligen Kritiker des
„Hamburger Abendblattes“, Walther Hansemann. Und zu dessen
Beerdigung kam natürlich auch der Herr Springer. Einmal bin ich
ihm übrigens sehr nah gekommen – auch wenn er das vermutlich
gar nicht registriert hat. Mein Mann – mein erster Mann in meinem
ersten Leben – war Pilot und hat Axel Springer damals mit seinem
Sohn nach Sylt geflogen. Ich saß, mehr oder weniger heimlich,
hinten im Flieger. Das hat er sicher gar nicht so bemerkt. Ich ihn
aber schon. Axel Springer sah ja auch so gut aus!
Heidi Mahler ist Hamburger Schauspielerin und
Mitglied des Ohnsorg-Theaters
100 JAHRE AXEL SPRINGER
VOM KLEBESATZ BIS BILD.DE
Erfolg durch
steten Wandel:
60 Jahre „Bild“
Die Zeitung hatte sich Axel Springer in
England abgeschaut. Sie sollte die
gedruckte Antwort aufs Fernsehen sein
Die Manager lachen schallend: Wie solle die neue Zeitung heißen, die ihr Chef Axel Springer da plant? Wirklich „Bild“? Unmöglich, so ein Bilderblatt werde niemand kaufen! Doch der
Verleger bleibt hartnäckig. Auf einer Reise nach London hat er
die britischen Tabloids kennengelernt, ist fasziniert von ihrer
klaren Sprache, ihrer nachrichtlichen Ausrichtung, der lesernahen Themenmischung. Noch im Hotel stellt er aus Ausrissen
seine Vision einer deutschen Boulevard-Zeitung zusammen, für
ihn die „gedruckte Antwort auf das (aufkommende) Fernsehen“.
Nun sitzt er, umstanden von seinen Managern, im Frühjahr
1952 auf dem Fußboden seiner Villa in Hamburg-Falkenstein
und entwirft mit Schere und Leim einen völlig neuen ZeitungsTyp: vier Seiten, auf der ersten und letzten nur Bilder mit kurzen Unterschriften, auf den Seiten 2 und 3 kurze Texte – etwas
für Frauen, ein bisschen Wirtschaft, ein gehaltvolles Zitat, dazu
Horoskop, Kurzmeldungen, ein Leitartikel. „Human Interest“
statt Politik – oder in den Worten des Verlegers: „Geschmack
einer Vanilleschnitte am frühen Morgen“!
Auch das Logo soll ein Signal sein: Achtung, hier kommt eine
völlig neue Zeitung! Ein knallrotes Rechteck, darauf weiße, 6,5
Zentimeter große Blockbuchstaben! Laut, kantig, eindeutig.
Darunter die beiden Wörter „unabhängig, überparteilich“ – ein
stolzer Hinweis, dass „Bild“ keiner Partei gehört, wie so viele
Zeitungen damals. Und groß muss das Blatt sein, so will es der
Verleger! Denn der Leser solle den Eindruck haben, für seinen
Groschen viel zu bekommen.
Wenige Monate später, am 24. Juni 1952, ist es so weit: „Bild“
startet im Hamburger Raum. Zwölf Mitarbeiter bilden die Redaktion, ihr Sitz sind zwei Dachzimmer im Hinterhof der Versicherung Volksfürsorge – eine fast symbolische Verbindung:
Denn von Anfang an soll „Bild“ Sprachrohr der kleinen Leute
sein, gleichzeitig Verteidiger und Seelsorger, Ratgeber und
Lebenslotse.
Doch der Erfolg bleibt aus, die Auflage harrt bei 200.000
Exemplaren, „Bild“ schreibt täglich Verluste. „Dabei wirst du
arm“, warnt ein Freund Axel Springer. Doch der gibt nicht auf.
Im Januar 1953 wird „Bild“ umgestellt, auf mehr Text und weniger Fotos – und die Auflage explodiert: Zwei Monate später
ist die Marke von 450.000 erreicht, im September 1,3 Millionen,
dann beginnt die Ausdehnung ins Bundesgebiet – und der nationale Durchbruch.
Chefredakteur ist Rudolf Michael, damals 62 Jahre. Zuvor
beim „Hamburger Abendblatt“, erfüllt er bei „Bild“ perfekt die
Vorgabe des Verlegers, „die Herzen der Menschen“ zu erreichen. Barmherzigkeit und Toleranz, Mutterglück und die Liebe
zum Vaterland sind die großen Themen. „Bild“ ist sanft und
gemütvoll, bringt Erhebendes statt harter Nachrichten. In der
Nachkriegszeit kommt das bei den Lesern an: Als Michael 1959
die Leitung niederlegt, ist die Auflage bei drei Millionen, mit
steigender Tendenz.
Man könnte also so weitermachen. Aber Springer macht
nicht so weiter. Er hat sich verändert, ist vom hanseatisch-
21
VERLAGS-SONDERAUSGABE
UNTERNEHMENSARCHIV; ANNETTE LEDERER
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Axel Springer mit der Erstausgabe der „Bild“ am 24. Juni 1952.
Zunächst setzte das neue Format noch mehr auf Bilder als auf
Text. Als das Ganze kein Erfolg wurde und bei einer Auflage
von 200.000 stecken blieb, wurde „Bild“ Im Januar 1953 auf
mehr Textanteile umgestellt – und die Auflage explodierte:
Im September waren 1,3 Millionen erreicht
unpolitischen Lokalverleger zum Kämpfer geworden für Wiedervereinigung, deutsch-jüdische Aussöhnung und gegen jede
Form von Totalitarismus. So ändert sich auch „Bild“. Der neue
Chefredakteur heißt Karl-Heinz Hagen, ein blitzgescheiter,
politischer Kopf – und die Zeiten sind danach. Kalter Krieg,
beginnende Kuba-Krise, und in der Mitte Europas flüchten
Tausende aus der DDR in den Westen. Brutal lässt SED-Generalsekretär Ulbricht diese Abstimmung mit den Füßen am
13. August 1961 unterbinden: Die Mauer wird gebaut, und „Bild“
schreibt mit Titelzeile und Titelgestaltung Zeitungsgeschichte:
„Der Westen tut NICHTS!“, lautet die Anklage, umrahmt von Stacheldraht!
Das Wagnis der Politisierung gelingt, die
Auflage steigt weiter. Aber schon nach einem
Jahr zieht sich Hagen zurück. Mit stakkatohaften Zeilen hat er „Bild“ das Vanilleschnittenhafte ausgetrieben, jetzt empfiehlt er für
die inzwischen größte Zeitung Europas einen
deutlich Jüngeren: Peter Boenisch, 34 Jahre,
Chefredakteur von „Bravo“.
Auch das ist ein Wagnis. Aber Springer
verlässt sich auf seinen Instinkt. Boenisch
verbindet, was die ersten Chefredakteure
trennte: Gespür für harte wie weiche Themen,
für Weltpolitik wie kleine Sehnsüchte. Königshäuser und Hollywood finden ins Blatt,
der Sportteil wird massiv ausgebaut. Und
Boenisch, Schöpfer genialer Schlagzeilen wie
„Der Mond ist jetzt ein Ami“, erfindet noch
etwas, was „Bild“ prägen wird: Kampagnen.
Gegen den Starfighter-Kauf, gegen Telefonund TV-Gebühren, und fast immer gegen
Fortsetzung auf Seite 22
„Hut ab,
Möbel Hübner!“
Désirée Nick, Schauspielerin und Autorin
50%
15% 0 %
1
AUF ALLE FREI
GEPLANTEN KÜCHEN
2
3
AUF FAST
ALLES ANDERE
FINANZIERUNG
1 Ausgenommen sind Team 7, Miele, Musterring und Elektrogeräte. Nicht kombinierbar mit anderen Aktions- und Einkaufsvorteilen. Gilt nur für Neukäufe bis 19.05.2012.
2 Ausgenommen sind aktuelle Prospektware und bereits reduzierte Angebote, der Abteilungsbereich Roland sowie wenige Marken. Mehr Informationen im Möbelhaus. Nicht kombinierbar mit
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
Axel Springer mit „Bild“Chefredakteur Peter
Boenisch im Sommer 1970
beim Golfen auf Sylt.
Boenisch hatte ein Gespür
für harte wie weiche
Themen, für Weltpolitik
wie kleine Sehnsüchte,
war der Schöpfer so genialer
Schlagzeilen wie „Der Mond
ist jetzt ein Ami“. Doch
auch an ihm sind die Jahre
heftiger Anfeindungen
gegen die „Bild“ nicht spurlos vorbeigegangen. 1971 bat
er Springer, ihn aus der
Verantwortung zu entlassen
22
100 JAHRE AXEL SPRINGER
von Harald Juhnkes Millionenerbe nachträglich als Ente erweist, titelt „Bild“ am nächsten Tag: „17-Mio-Juhnke wieder
arm“! Aber das Verhältnis von Wahrheit und knalliger Story
bleibt problematisch, Günter Wallraffs Recherchen decken dies
auf. Optisch wird „Bild“ dichter, auf dem Titel drängen sich die
Themen, und die Schlagzeilen sind Ikonen der Verknappung:
„Honka, Hitze, HSV“.
In dieser Zeit entsteht auf Anregung Springers „Ein Herz für
Kinder“, fast gleichzeitig erfindet Prinz „Bild kämpft für Sie“,
beides außergewöhnlich erfolgreiche Hilfsaktionen. „Bild“ wird
regional, überall im Land entstehen Stadt- oder Regionalausgaben. Und die Auflage liegt wieder stabil über vier Millionen.
Bis 1981 bleibt Prinz Chefredakteur, danach wechseln in wenigen Jahren Horst Fust, Werner Rudi, Peter Bartels und HansHermann Tiedje in die Chefredaktion. Die großen Debatten
heißen Nachrüstung, Brokdorf, Waldsterben. Weiterhin polarisiert „Bild“, doch trotz aller Anfeindungen ist das Vertrauen in
die Marke ungebrochen: Alle Neugründungen werden sofort
Marktführer in ihrem Segment, unabhängig ob „Bild der Frau“
(1982), „Bild Woche“ (1983), „Auto Bild“ (1986) oder „Sport
Bild“ (1988).
1992 übernimmt Claus Larass den Chefposten bei „Bild“.
„Bild“ wird farbig, auf Titel und letzter Seite, aber auch im
übertragenen Sinn: Larass öffnet die Zeitung für neue Stoffe,
schafft ein Kulturressort, setzt verstärkt auf medizinische Themen. Die Wiedervereinigung ist vollzogen, die politischen
Schlachten sind geschlagen, und immer mehr Leser kommen
aus der Generation Golf. „Bild“ wird zunehmend unterhaltender, sanfter, weiblicher und die Auflage steigt auf 4,6 Millionen,
und „Computer Bild“ (1996) wird Platzhirsch bei den PC-Zeitschriften.
Auf Larass folgt 1998 Udo Röbel, auf ihn 2001 Kai Diekmann,
der die thematische Breite von Larass aufnimmt, aber neue
Schwerpunkte in der politischen Berichterstattung setzt. „Bild“
ist Agendasetter, bestimmt die großen nationalen Themen, ob
Bankenrettung, Griechenhilfe oder Sarrazin-Debatte. So wird
sie meistzitierte Zeitung – und unverzichtbare Lektüre für
Politiker, Manager, Unternehmer.
„Bild“ erfindet den Leserreporter und Leserbeirat, gründet
die „Bild“-Bibliothek, initiiert Ausstellungen und Kunstaktionen und treibt, 2008 in die Bundeshauptstadt Berlin umgezogen, die Digitalisierung voran: Nach der Lösung aus einem
Joint Venture wird „Bild.de“ in kürzester Zeit Marktführer
unter den Online-Nachrichtenportalen, und per App ist „Bild“
eine der ersten Zeitungen auf iPad und Smartphones.
Noch etwas ändert sich: Nicht mehr Auflage allein entscheidet, sondern Wirtschaftlichkeit! Jahrelang waren Preiserhöhungen als Gift für die Auflage gefürchtet; „Bild“ erhöht die
Preise und erreicht immer neue Rekordergebnisse – bei höchster Reichweite! Denn fast zwölf Millionen Deutsche lesen täglich „Bild“!
Und „Bild“ wird investigativ: Bonusmeilen, Steiner-Affäre,
Kundus oder der Euro-Beitritt Griechenlands, schließlich die
Causa Wulff, die mit dem Rücktritt des Bundespräsidenten
endet. Nicht der einzige Rücktritt: Auch das „Bild“-Girl von
Seite 1, über 28 Jahre fast ein Markenzeichen, tritt zurück,
wenn auch nur auf die Innenseiten. Umstritten war es schon
lange nicht mehr, Nacktheit ist Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Und in deren Mitte ist auch „Bild“ längst
Nicolaus Fest
angekommen.
Fortsetzung von Seite 21
Minister der Union! Wie für seinen Verleger ist auch für Boenisch der antitotalitäre und antirassistische Konsens unverhandelbar. Als im Zuge des Vietnamkrieges ein Teil der Studentenschaft den „bewaffneten Aufstand“ gegen „das BRD-System“
fordert und ihr Protest auch dezidiert antisemitische Züge
annimmt, ist „Bild“ um klare Worte nicht verlegen: „kriminelle
Anarchisten“, „Jungrote“, „politische Spinner“. Mit den Schüssen auf den charismatischen Studentenführer Dutschke eskaliert der Konflikt. Unter dem Slogan „‚Bild‘ hat mitgeschossen“ kommt es zu Demonstrationen, die Redaktion München
wird verwüstet, die Druckerei Hamburg belagert.
Gut tut der Konflikt keinem. Das gesellschaftliche Klima ist
vergiftet, die Auflage sinkt um eine Million, und auch journalistisch verkämpft sich „Bild“ in blinder Parteinahme für die
Staatsgewalt – so, wie man heute weiß, im Fall Benno Ohnesorg. 1971 bittet Boenisch Springer, ihn aus der Verantwortung
zu nehmen, sein Nachfolger wird Günter Prinz, der zuvor bei
„Quick“, „Jasmin“ und „Eltern“ große Erfolge feierte.
Und wieder ändert sich „Bild“. Weniger Politik, mehr Nachrichten, Sex and Crime. Schneller, höher, weiter ist der Maßstab, je sensationeller, desto besser, und wenn etwas nicht
stimmt, bügelt Prinz es mit Chuzpe aus: Als sich die Schlagzeile
Beuth-Höfe, Berlin-Mitte
Belles Etages, Berlin-Mitte
JUBILARE UNTER SICH
GRUSSWORT
UWE SEELER
Die Rolle des großen Visionärs und
Kommunikators Axel Springer in Berlins Geschichte war wegweisend und
inspirierend.
Auch wir konnten in der jüngeren Vergangenheit einen Beitrag zur Gestaltung
Berlins leisten: seit 30 Jahren setzen wir
alles daran, unsere Stadt immer schöner
und lebenswerter zu machen. Beste
Beispiele sind unsere Stadtquartiere
„Tiergarten Dreieck“, „Köbis Dreieck“ und
„Diplomatenpark“ sowie Wohnensemble
wie das Stadtpalais „Belles Etages“ in der
Jägerstraße, die „Beuth-Höfe“ am Spittelmarkt oder „Wohnen an der Wallstraße“
unweit vom Märkischen Museum.
Wir stehen in der Tradition aller, denen
unsere Stadt am Herzen lag.
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Wenn wir uns getroffen haben, dann haben wir
uns natürlich auch über den Fußball und den
HSV unterhalten. Axel Springer war auch im
Sport immer auf Ballhöhe, er kannte sich aus
und zeigte sich immer interessiert. Wenn wir im
Hamburger Verlagshaus waren, dann empfing er
uns stets in seinem Dienstzimmer hoch unter
dem Dach. Ich hatte den Eindruck, dass er für seine Angestellten ein großartiger Chef war. Ich verneige mich vor seinem Lebenswerk. Was er geschaffen hat, ist einmalig – der Axel Springer Verlag ist dank seines Gründers ein
Imperium geworden und genießt weltweit höchste Anerkennung. Axel Springers Meisterstück war, dass er es trotz aller Widerstände und Anfeindungen
geschafft hat, das Berliner Verlagshaus genau an die Grenze zur DDR zu bauen. Ich habe ihn für seinen enormen Mut bewundert und denke voller Hochachtung an ihn zurück.
Uwe Seeler traf in seiner aktiven Fußball-Karriere beim Hamburger SV
(1953 bis 1972) als Mittelstürmer in 476 Spielen 404-mal ins Netz
100 JAHRE AXEL SPRINGER
23
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Seid nett zueinander.
Im Mittelpunkt der
Arbeit Axel Springers stand der
Mensch,
so auch bei der Aktion „Ein Herz für
Kinder“, die der Verleger 1978
ins Leben rief
UNTERNEHMENSARCHIV; ULLSTEIN BILD (3)
Soziale Verantwortung
Seid nett
zueinander!
Das Motto des „Hamburger
Abendblattes“ ist ein Gleichnis
für die christliche Forderung
„Liebe deinen Nächsten“
Was sich immer lohnt: Nett zueinander sein …Vernünftig miteinander reden …Verständigung suchen …“ Dieses Werbeplakat
für das „Hamburger Abendblatt“ brachte 1949 die bis heute
typische Leitfarbe Grün ins Nachkriegsgrau der Hansestadt.
Über der Botschaft umschnurrte eine Katze einen Hund als
Symbol dafür, dass sich Sympathieschranken wie bei diesen
Antipoden der Tierwelt überwinden lassen. Schon in seinem
Antrag für die Lizenzerteilung für das Regionalblatt durch die
alliierten Behörden formulierte Axel Springer: „Die Erfahrung
lehrt, dass man zur Demokratie nicht nur unmittelbar auf rein
politischem Wege gelangt, sondern mittelbar auch dadurch,
dass man die Menschen menschlich anspricht und in ihrer
privaten Sphäre zu verstehen versucht.“
Das „Hamburger Abendblatt“ kam erstmals im August 1948
an die Kioske, kurz darauf skizzierte der Verleger die Ausrichtung seiner ersten Tageszeitung: „Verständigung suchen …
objektive Unterrichtung … Kompromisse … Orientierung an
den Umständen … das Gute im Menschen ansprechen“. Alle
seine Verlagsobjekte hatten als Maxime die „Wiederentdeckung des Menschen und des Menschlichen, durch die allein
ich mir eine politische Wandlung verspreche“. Bald fand der
damalige Werbeleiter Hans-Heinrich Schreckenbach für diese
Philosophie, mit der Axel Springer in den 1950er-Jahren sein
Imperium aufbaute, den griffigen Werbespruch „Seid nett
zueinander!“.
Diese Grundeinstellung, die seiner privaten Lebenshaltung
entsprach, war Springers Antwort auf die Lebensumstände in
einer schweren Zeit, der „Ellenbogenexistenz“ – wie er es
nannte –, „wo einer glaubte des anderen Feind zu sein“. Das
„Hamburger Abendblatt“ startete viele Initiativen, immer mit
dem Ziel, dem Leser zu dienen, ihm auch mal ein Lächeln zu
schenken. Es war Springers Ausweg aus der Krise. „In einer
solchen Zeit“, sagte er, „war unser Aufruf ,Seid nett zueinander‘ beinahe eine Sensation.“ Der Slogan war die Übersetzung
der christlichen Forderung „Liebe deinen Nächsten“ in die
Alltagssprache. Nach Jahren des Hasses, der Auseinandersetzung und der Denunziation sprach es die Sehnsucht der
Menschen nach einem friedlichen Miteinander an.
Axel Springer verstand sich darauf, diesem Leitmotiv vielerlei Gestalt zu geben. Eine davon war das „Menschlich gesehen“, das seit der ersten Ausgabe auf jedem Titel des „Hamburger Abendblattes“ eine Person des Tages in Wort und
Zeichnung porträtiert. Es ist mehr als nur eine Rubrik: Es ist
Für manche ist es nur ein Baum.
Für uns ist es ein großes Vorbild
in Sachen Recycling.
Bäume sind nachwachsende Rohstoffe, die Kohlenstoff binden, Sauerstoff erzeugen und die gespeicherte
Energie bei Bedarf wieder abgeben. Bei diesem Prozess wird nichts wirklich verbraucht, keine Energie
geht verloren, ein endloser natürlicher Kreislauf. Diesen Prozess des Recyclings intelligent zu unterstützen
und die positiven Effekte nutzbar zu machen, ist die Aufgabe der ALBA Group: Mit rund 200 Unternehmen
weltweit sind wir die Recycling Company.
www.albagroup.de
Fortsetzung auf Seite 24
VERLAGS-SONDERAUSGABE
24
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Fortsetzung von Seite 23
Unter die Menschen gehen,
mit ihnen darüber sprechen,
was sie bewegt. Axel Springer
bedankt sich bei einer
Kioskverkäuferin in Hamburg
ein Bekenntnis von ungebrochener Gültigkeit. „Seid nett zueinander“, jener griffige Slogan aus der frühen Zeit des „Hamburger Abendblatts“, war nicht nur als Aufforderung an die
Menschen in der Stadt zu verstehen, sondern auch als Werbemittel, um vom „Abendblatt“ reden zu machen. Eine Lokalzeitung, so forderte Axel Springer, müsse unablässig im Gespräch bleiben.
Er selbst steuerte viele Ideen zu Aktionen bei, die diesem
Zweck dienten. Da ging zum Beispiel ein Redakteur als „Herr
Lombard“ durch die Stadt, und wer ihn zuerst entdeckte, bekam 100 Mark oder seine Rechnung im Restaurant bezahlt. Im
Frühling verschenkte das „Abendblatt“ Blumensträuße, und
der Verleger überreichte viele davon persönlich. Axel Springer
ging oft zu den Menschen auf die Straße, um mehr über deren
Freuden und Nöte zu erfahren. Treue Leser durften mit einer
„Abendblatt“-Kutsche zur Trauung fahren.
Viele dieser Aktionen leben im Springer-Jubiläumsjahr
wieder auf. Im März zum Beispiel wurden in Hamburg wieder
Narzissensträuße verteilt. Seit April rollt wieder eine – neu
gebaute – Hochzeitskutsche, die bis in den Spätsommer hinein
zehn Paare zur Trauung oder auch zur goldenen Hochzeit
bringen wird. Und im Juni kehrt „Herr Lombard“ mit Euro
und neuen Ideen zurück. Auf dem Weg zur multimedialen
Bürgerzeitung 2020 will das „Abendblatt“ noch stärker im
Sinne ihres Gründers tätig werden. Mit den Initiativen „Von
Mensch zu Mensch“ und „Kinder helfen Kindern“ ist das Blatt
im sozialen Bereich bereits engagiert.
Mit der Aktion „Abendblatt macht Schule“ setzt die Zeitung
ein Ausrufezeichen in Sachen
Bildung. Hinzugekommen sind
Engagements für die Umwelt
und das Miteinander der Kulturen. Die Aktionen sind aber
nicht nur Selbstverpflichtung
zur guten Tat. Der Slogan „Seid
nett zueinander“ betont immer
wieder den Nukleus Bürgergesellschaft. Und das Verhältnis
dieser Bürger untereinander
liegt im Prinzip der Freundschaft. Das Menschliche im Auge behalten, das ist eine bis heute gelebte Philosophie des
„Hamburger Abendblattes“.
Axel Springer erinnerte sich
an Geburtstage und verschickte
Präsentkörbe mit Lebensmitteln
an Mitarbeiter als Dank für
herausragende Leistungen. Zu
Weihnachten gab es bereits
besondere Gratifikationen oder
Prämienzahlungen, als das in
anderen Betrieben noch völlig
unbekannt war. Der Schriftsteller Sten Nadolny („Die Entdeckung der Langsamkeit“)
erinnert sich daran, dass er als Student kurzzeitig sein Salär
als Austräger der „Berliner Morgenpost“ aufbesserte: „Aber
dann, im Dezember 1969, erhielt ich unverhofft einen Bankauszug: Springer zahlte mir Weihnachtsgeld … einfach so. Ich
glaubte an einen Buchungsfehler, schwieg gegenüber jedermann … Es war kein Buchungsfehler, Springer bezahlte die
Leute, die für ihn arbeiteten, großzügig.“ Sein Konzern war
nicht irgendein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, sondern hatte für Axel Springer den Charakter einer Gemeinschaft, ja
einer Familie. Zum
30-jährigen Gründungsjubiläum des
„Abendblattes“ erklärte er es so: „Ich
habe von diesem
Haus als einer Familie gesprochen. Und
wahrlich, so wie in
einer intakten Familie alle an einem Strang ziehen, so muss es
auch in einem guten Betrieb, besonders in einem Verlagshaus
sein. Das Endprodukt … lebt von diesem Hand-in-Hand-Greifen aller. … Heute nennt man so etwas ein Team; ich nenne es
Familie.“ Im Umgang mit Mitarbeitern waren Mildtätigkeit,
Mitgefühl, Großzügigkeit und Toleranz Springers Leitprinzipien. Arroganten Managern gegenüber konnte Axel Springer
cholerisch sein. Galt ein Wutausbruch aber einem kleineren
Bediensteten, so vergaß er nie, sich später zu entschuldigen.
„Er schämte sich danach sogar richtig dafür“, erinnert sich
Friede Springer.
Um soziale Kompetenz, Vertrauen und Mitmenschlichkeit
geht es auch bei Axel Springers herzlicher Verbundenheit zu
Berlins Taxifahrern. „Vielleicht waren es die Berliner Taxifahrer, jene liebenswerten, hellwachen und schlagfertigen Bürger
unserer Stadt, die das Zeitungsviertel schon entdeckt hatten,
als wir noch in großer Einsamkeit hier bauten. Ich war jedenfalls amüsiert dankbar, wenn ich manchmal über den Autofunk die Frage nach dem Wohin von dem Fahrer derart beantwortet hörte: ‚Ick jeh’ bei Axel‘ oder auch ‚Ick bin uff Achse zu
Axel‘“, sagte einst Axel Springer.
Einer, der diese enge Bande erlebt und mitgestaltet hat, ist
Heinz Peter, Chef der Taxi-Innung zwischen 1969 und 1995.
„Axel Springer hat ein Denkmal verdient dafür, was er für
Berlin, was er für das ganze Land geleistet hat“, sagt Peter.
„Wie ein Rufer in der Wüste hat Axel Springer immer an die
Einheit in Freiheit geglaubt. Ehrlich gesagt, ich habe seine
Vision damals nicht geteilt. Umso schöner für mich als Urberliner, dass er recht behalten hat.“
Peter erinnert sich an die Anfänge des Verlagshochhauses:
„Während in den bedrohlichen Zeiten des Kalten Krieges andere Firmen zuhauf und beinahe panikartig das damalige
West-Berlin verließen, baute Springer unbeirrt zwischen Zimmer-, Koch- und Jerusalemer Straße weiter. ‚Donnerwetter,
was passiert denn da? Was geht hier eigentlich inmitten der
Trümmerwüste vor?‘“, hätten er und seine Kollegen sich gefragt. Und als man später mit Bewunderung festgestellt habe,
dass hier jemand auf die Zukunft setze und baue, da sei, wer
Kunden nach Kreuzberg in die Kochstraße chauffiert habe,
„uff Achse zu Axel“ gewesen. Auch wenn die Funkzentrale bat
„Heute nennt man
so etwas Team, ich
nenne es Familie“
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
„Ein’ Axel, bitte“, war klar, wohin es gehen sollte. Nicht nur
sorgten die Verlagsangestellten für Umsatz, Axel Springer
schätzte die Zunft auch als Multiplikator. Die Fahrer wussten
oft als Erste über Entwicklungen und Stimmungen Bescheid,
waren Insider und damit insbesondere für die Lokaljournalisten wertvolle Tippgeber und Quelle der Information und
Inspiration.
Die Entscheidung Axel Springers, an der Nahtstelle zum
Osten Berlins mit dem Bau des Verlagsgebäudes das alte Zeitungsviertel wiedererstehen zu lassen, betraf das Taxigewerbe
in besonderer Weise. „Wir beobachteten und bewunderten
zugleich diesen leidenschaftlichen und engagierten Wahlberliner mit großem Respekt. Sein Eintreten für Recht und
Freiheit sowie sein bekennendes politisches Handeln beeindruckten uns damals besonders“, ergänzt Heinz Peter. Und
tatsächlich eröffnete Axel Springer auch dem Taxigewerbe
neue Perspektiven. Die Droschkenkutscher im Westteil der
Stadt nahmen damals als lukrativen Anlaufpunkt das neue
Springer-Hochhaus in der Kochstraße unmittelbar an der
Berliner Mauer dankbar an.
Zur Eröffnung des Komplexes mit der messinggoldenen
Fassade im Oktober 1966 „erhielt jeder von uns einen persönlichen Brief und eine wertvolle Armbanduhr von Axel
Springer“, erzählt Heinz Peter. Axel Springer hatte damals an
die Taxifahrer geschrieben: „Wir leben noch. Wir lassen uns
nicht einschüchtern. Wir bleiben, arbeiten und bauen in Berlin furchtlos ohne Wenn und Aber weiter.“ Berlins Taxifahrer
bedankten sich auf ihre Weise bei Axel Springer, etwa durch
von Heinz Peter organisierte Sternfahrten zum Hochhaus an
der Kochstraße, wenn es darum ging, Jubiläen der Einweihung
des Verlagsgebäudes zu begehen. Am 10. Jahrestag bekannte
sich Axel Springer erneut zu dem „schönsten Entschluss“ seines Lebens, dieses Haus an der Mauer errichtet zu haben. Das
Engagement für diese Stadt und seine Menschen sei mehr als
eine Liebe, „denn ich weiß, wenn diese Stadt nicht überlebt,
25
VERLAGS-SONDERAUSGABE
überlebt überhaupt nichts mehr in Europa“. Springer, sonst
eher zurückhaltend beim Besuch von Galas, ließ es sich nicht
nehmen, an den Bällen der Taxi-Innung teilzunehmen. „Großzügig, wie Axel Springer war, schenkte er uns jedes Mal eine
Limousine“, sagt Heinz Peter. Die enge Verbindung der Taxifahrer zu Axel Springer hielt bis zu dessen Ableben. Vom gemeinsamen Engagement des Taxigewerbes mit der schreibenden Zunft zeugt auch die Eiche vor dem Verlagsgebäude mit
der Inschrift vom 6. Oktober 1981: „15 Jahre Axel-SpringerHaus, Berliner Taxifahrer pflanzten Dir, zum Geburtstag diese
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Taxi-Korso vor dem
neuen Verlagshaus
in Berlin während
der Einweihung am
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Taxifahrer freuen sich
über Uhren, die sie von
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bekommen haben
VERLAGS-SONDERAUSGABE
26
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Mauerjahre
Der politische Verleger
Die zunehmende Politisierung Axel Springers wird
befeuert von einer persönlichen Auseinandersetzung:
Er reiste Ende der 50er-Jahre nach Moskau, um in einer
privaten Aussprache Nikita Chruschtschow davon zu überzeugen, die Teilung Deutschlands rückgängig zu machen.
Der Kreml-Chef empfing ihn kühl, zeigte wenig Begeisterung für seine Pläne. Springers Bilanz lautete später:
„Es war das zentrale politische Ereignis meines Lebens.“
Er baute sein Engagement beim Ullstein-Verlag weiter aus
und zementierte Berlin als Standort, indem er das neue
Verlagshaus in der Kochstraße direkt an der Sektorengrenze errichten ließ. Dann kamen die Mauer und die 68er.
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Mission Wiedervereinigung
Moskau zeigt
kein Interesse
1958 reiste Axel Springer mit einem Plan zur
Aufhebung der deutschen Teilung in die UdSSR.
Empfangen wurde er dort äußerst kühl
Eine politisch weiße Weste ermöglichte Axel Springer nach dem
Krieg die Gründung seines Verlags. Gegenüber den britischen
Lizenzgebern präsentierte er sich 1946 als unpolitischer deutscher Gentleman. In seinen Redaktionen saßen Kollegen, die vor
1945 verfolgt worden waren, neben Redakteuren mit brauner
Vergangenheit. Für den Jung-Verleger war das offenbar kein Widerspruch. Erste verlegerische Erfolge schaffte er durch kluge
„Familienpolitik“. Gemäß dem Motto seines „Hamburger Abendblattes“: Seid nett zueinander! Lokales hatte Vorrang vor Weltpolitik. Politisch stand er den Sozialdemokraten näher als jeder
anderen Partei, bekannte sich zum Pazifismus, gegen Atomwaffen.
Andererseits beeinflusste ihn der damalige „Welt“-Chefredakteur Hans Zehrer. Ein Nationalkonservativer, Jahrgang 1899. Der
einstige Trommler gegen die Weimarer Republik war seit 1941
sein Freund und Mentor. Mit Zehrer verbindet sich auch das
Schlüsselerlebnis, das Springers politischen Horizont im Januar
1958 neu justierte. Eine Reise nach Moskau markiert seine Wende
zum politischen Verleger. Es war „das zentrale politische Ereignis
meines Lebens“, fasste er später zusammen.
Axel Springer war Ende 1957 vom Erfolg verwöhnt, sein Unternehmen wuchs, noch stand er laut dem Historiker Hans-Peter
Schwarz „ziemlich weit links“. Mit Axel Springers Engagement in
und für Berlin entwickelte sich zudem eine enge Vertrautheit mit
dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Zwei Charismatiker einer Generation, die sich zunächst politisch und persönlich
sehr schätzten und förderten, was den Verleger in dieser Zeit
beflügelte. Er war voller Tatendrang, die politischen Systeme in
Ost und West waren festgefroren.
Eiszeit zwischen Washington und Moskau, Schöneberg und
Pankow. Anders als viele Politiker glaubte Springer an die Wiedervereinigung Deutschlands („innerhalb von fünf Jahren“) und
an einen Dialog mit den Sowjets. Der damals 45-Jährige entschied
sich zu einer Privat-Mission. Im persönlichen Gespräch wollte er
Seiten 26–29
GRUSSWORT
KLAUS WOWEREIT
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Hundert Jahre alt wäre Axel Springer
am 2. Mai 2012 geworden. Der Verleger
und Wahl-Berliner aus Überzeugung
hat die Verwirklichung seiner Vision
der „friedlichen Wiederherstellung der
deutschen Einheit in Freiheit“ nicht
mehr erlebt. Vier Jahre nach seinem
Tod fiel die Berliner Mauer. Er hätte
gutgeheißen, was seine Nachfolger, allen voran Friede Springer,
taten: Wesentliche Verlags-Aktivitäten sind heute in Berlin konzentriert. Ein wichtiger Beitrag, dass Berlin wieder Medienstadt von
Rang ist. Es ist legendär, wie Axel Springer die erste „Bild“ selber
zusammenklebte – seine innovative Antwort auf das neue Medium
Fernsehen. Heute ist sein Haus in der digitalen Welt der Zukunft
angekommen – ganz im Sinne seines Vermächtnisses. Axel Springers
öffentliche Rolle und auch das öffentliche Bild von ihm hat sich mit
den Jahren gewandelt. Aus heutiger Sicht gilt: Er ist eine bedeutende Figur der Zeitgeschichte, und er war ein großer Berliner.
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UNTERNEHMENSARCHIV
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Nikita Chruschtschow das unmöglich Scheinende abtrotzen: die
Wiedervereinigung Deutschlands.
Am 14. Januar 1958 flogen Axel Springer, seine damalige Ehefrau Rosemarie und sein Vertrauter Christian Kracht von Hamburg via Kopenhagen nach Moskau. Hans Zehrer litt an Flugangst. Er kam mit dem Zug. Der Verleger hatte weder eine diplomatische Empfehlung noch eine Botschaft der Bundesregierung
in der Tasche. Er reiste als Privatmann und Patriot.
Moskau empfing ihn eisig. Keine Delegation, keine Vorzugsbehandlung. Dafür scharfe Sicherheitskontrollen, Befragungen
durch den KGB, Einzug der Reisepässe. Erste Zweifel bereits am
Flughafen. Springer: „Wir sollten wieder zurückkehren, wir werden nicht erwartet.“ Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft
chauffierte die Ankömmlinge ins Hotel „National“.
Von einem Termin im Kreml wollten Behörden plötzlich nichts
wissen. 15 Tage schmorte Springer in Moskau, in völliger Ungewissheit, abgeschnitten von Nachrichten. Zeitvertreib: Tagsüber
Stadtbesichtigungen, abends Hotel-Koller. Eine unerwartete Begegnung: Auf dem Flur des „National“ traf Springer den damali-
en…n
i
h
c
e
h
c
Ts ders entdecke
an
gen ARD-Korrespondenten Gerd Ruge. Der heute 84-Jährige
erinnert sich: „Ich war total überrascht, den Hamburger Verleger
hier zu sehen.“ Springer wirkte angespannt, erinnert sich Ruge.
Rosemarie Springer bat Ruge um seine Schreibmaschine. Auf ihr
diktierte Axel Springer aus handschriftlichen Notizen einen
„Fünf-Phasen-Plan“ zur Wiedervereinigung. Dieser lautete im
Kern:
1. Wiederherstellung der Einheit Berlins. 2. Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer gesamtdeutschen Basis. 3.
Freie Wahlen nach anderthalb Jahren für eine Regierung mit
Berlin als Hauptstadt. 4. Friedensvertrag. 5. Anerkennung durch
die vier Großmächte.
Dann endlich. Am 29. Januar 1958 hält eine dunkle Limousine
vor dem Hotel. Springer und Zehrer steigen ein. In Chruschtschows Vorzimmer drückt man ihnen Antworten auf 15 zuvor
eingereichte Fragen in die Hand. Aber der Verleger will ein Gespräch auf Augenhöhe, kein Interview. Er hört: „Njet!“ Springer:
Ein einmaliger Besuch,
auf dessen Wiederholung
er künftig gern verzichten
sollte: Axel Springer
mit seiner dritten Frau
Rosemarie 1958 in Moskau
Fortsetzung auf Seite 28
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
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Fortsetzung von Seite 27
„Dann fahren wir nach Hause.“ Der Mitarbeiter überlegt kurz.
Dann geht er zu seinem Chef, kommt zurück, zerreißt das Interview und erklärt: „Herr Chruschtschow lässt bitten.“ Zwei Stunden dauert das Gespräch, über das Axel Springer anschließend
sagen wird: „Ich habe in die Fratze des Unrechts gesehen.“
Springer thematisiert seine Wiedervereinigungspläne, die Massenflucht aus der DDR, wird dabei entsprechend deutlich.
Chruschtschow ebenso, nennt die Vorschläge „interessant“ – und
lehnt sie ab. Springers Resümee: „Es war das aufschlussreichste,
niederschmetterndste und lauteste Gespräch, das ich je geführt
habe.“ Ins Hotel zurück, gebrochen. Seine Mission war kläglich
gescheitert. Sein Charter-Jet konnte auf dem Rückflug wegen
Nebel nicht in Kopenhagen landen. Springer zum Piloten: „Fliegen Sie von mir aus nach Afrika, aber nicht nach Moskau zurück.
Da will ich nicht mehr hin.“
Da zementiert er lieber mit dem neuen Verlagshochhaus in
Kreuzberg Berlin als zweiten Standort seines Verlags. Mit dem
Regierenden Bürgermeister Willy Brandt wusste er immerhin bis
zur feierlichen Eröffnung des 19-stöckigen Hochhauses im Ok-
tober 1966 einen Mitstreiter an seiner Seite, was die Wiedervereinigung anging. Mit Brandts Wechsel ins Kanzleramt kam jedoch
der Bruch. Springer lehnte dessen Ostpolitik ab, geißelte sie als
Anbiederung an Diktaturen.
Dieses Zerwürfnis lässt sich ohne die Moskau-Reise des Verlegers nur schwer nachvollziehen. Springer begriff sein persönliches Scheitern als Auftrag. Sein Debakel bei Chruschtschow zerstörte naive Hoffnungen, festigte jedoch den Glauben an die Sache. Die Freiheit, die Einheit, die Sorge um Deutschland. Ein
Träumer wurde zum hellwachen Kämpfer. Sein politisches Credo
lautete fortan: „Ich bin ein Radikaler der Mitte.“
Man halte sich das Bild des Verlegers vor Augen, wie er zwei
Wochen lang im Moskauer Hotelzimmer schmorte. Chruschtschow garte ihn auf kleiner Flamme. Nur um alle seine Visionen
für 73 Millionen Deutsche, davon 16 Millionen hinter Stacheldraht
eingesperrt, in Rauch aufgehen zu lassen. Mit den Worten „Bitte
nehmen Sie Platz. Die Früchte hier können Sie leider nicht essen,
sie sind nämlich aus Stein“ hatte ihn der Kreml-Chef empfangen.
Springer konterte geistreich: „So geht es mit vielen Dingen im
Leben. Man kann sich an ihnen begeistern, aber man kann keinen
Oliver Ohmann
Gebrauch von ihnen machen.“
Berlin, Grundstein der Freiheit
Mit der Übernahme von Ullstein und dem Bau des Verlagshauses
trifft Springer mutige, kostspielige und visionäre Entscheidungen
Wer Mitte der 50er-Jahre in West-Berlin investierte, der
bewies Mut. Wie lange würde der Westen die „Frontstadt“
halten? Gäbe es bei einer erneuten Blockade wieder eine
Luftbrücke? Riskierte die USA für die Freiheit einer halben
Stadt den dritten Weltkrieg? Eine gültige Antwort gab es
erst zwei Jahre nach dem Mauerbau. John F. Kennedy
sprach am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg ein
Berlin-Bekenntnis aus: „Alle freien Menschen, wo immer
sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich
als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein
Berliner!“ Das war keine Liebeserklärung, sondern eine politische
Garantie. Lebensversicherung für
zwei Millionen Menschen.
Die Grundsteinlegung für Axel
Springers Berliner Verlagshaus an der
Kochstraße erfolgte bereits vier Jahre vor dem Besuch des
US-Präsidenten. Dieses Hochhaus war das Bekenntnis des
Verlegers zu Berlin. Er baute auf die Freiheit. Zur Grundsteinlegung am 25. Mai 1959 (zwei Tage vor Ablauf von
Chruschtschows Berlin-Ultimatum) sagte der Verleger:
„Dass wir heute diesen Stein unmittelbar am Rande der
Sektorengrenze legen, ohne ängstlich auf das Ergebnis der
weltpolitischen Verhandlungen zu warten, ist der Ausdruck
unseres festen Glaubens an die geschichtliche Einheit dieser Stadt und an die geschichtliche Einheit Deutschlands.“
Hamburg markierte den Aufstieg des Verlegers, die er-
ULLSTEIN BILD
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Mit Willy Brandt diskutierte
Springer gern das Thema
Wiedervereinigung.
Die Ostverträge brachten
das einst gute Verhältnis
zum Kippen
folgreichen Gründerjahre. Jetzt wollte Axel Springer Berlin erobern. Um jeden Preis? Ja, so scheint es. Springer glaubte an die
Wiedervereinigung. Darum musste er in die alte Hauptstadt. Sie
sollte Ausgangspunkt künftiger Investitionen sein. In Leipzig,
Breslau, Königsberg. Der Schlüssel dazu: Ullstein.
Zunächst musste jedoch das Vertriebsproblem gelöst werden.
1953 wurden in Berlin von „Bild“ täglich 150.000 Exemplare verkauft. Doch Springer konnte nicht vor Ort drucken. Seine Zeitungen wurden jeden Tag, quer durch die „Ostzone“ nach West-Berlin transportiert. Nachts, im verplombten Bahnwaggon, von
Helmstedt nach Lichterfelde. Ab 1954 setzte Springer sogar Flugzeuge ein. Enorme Kosten und schließlich 1955 die Entscheidung:
Der Verlag brauchte ein Druck- und Verlagshaus in Berlin.
Ab 1956 wurden Grundstücke im alten Zeitungsviertel angekauft. Gleichzeitig stieg Springer bei Ullstein ein. Der Verlag gehörte seit 1952 wieder der von den Nazis um ihren Besitz geprellten jüdischen Familie Ullstein. Doch das Unternehmen war
unrentabel und verschuldet. 26 Prozent der Ullstein-Aktien waren Springer 1956 zwei Millionen Mark wert.
Ab Herbst 1957 wurden „Bild“, „Die Welt“
und „Welt am Sonntag“ in Tempelhof gedruckt. Tatsächlich spekulierte Springer von
Beginn an auf die Mehrheitsbeteiligung.
Doch er wollte eine „freundliche Übernahme“, dazu den Segen der Familie Ullstein. Nicht nur Tradition
kaufen, sondern den Ullstein-Geist erben. Am Abend des 29.
Dezember 1959 erschienen die Ullsteins bei einem Notar. Die
Dynastie überschrieb ihr ganzes Imperium. Für 13,9 Millionen
Mark.
Über Nacht war aus dem Hamburger Verleger Axel Springer
„ein Berliner“ geworden. Sein unternehmerischer Mut und die
Investitionen sollten sich auszahlen. Er hatte auf die richtige
Stadt gesetzt und bezeichnete den Umzug der Verlagszentrale als
glücklichsten Entschluss seines Lebens. Berlin war die Herzensohm
heimat des Freiheitskämpfers Axel Springer.
UNTERNEHMENSARCHIV
Neubau im alten
Zeitungsviertel
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Sektorengrenze entfernt: Das 1966
fertiggestellte Verlagshochhaus an
der Kochstraße reichte bis fast an
die Mauer
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OPFER DER NAZIS
Acht Minuten von der Nachricht bis zur Auslieferung
Die Ullstein-Brüder
Motoren der
Metropole
Gründervater Leopold Ullstein prägte bis zu seinem
Tod 1899 die Geschicke des Verlags. Sein Erbe
führten seine fünf Söhne weiter, die, so will es die
Anekdote, in friedlicher Einheit nur ein einziges Mal
an einem Tisch versammelt waren – als sie von
WillyJaeckel gemalt wurden. Hans war Jurist und
nach dem Tod seines Vaters Seniorchef, Louis
gelernter Kaufmann, Franz übernahm die verlegerische Leitung, Rudolf die technische und Hermann
war Werbefachmann und zuständig für Zeitschriften. Nachdem die Nazis den Verlag in ihren Besitz
gebracht hatten, zerstreute sich die Familie in alle
Welt. Die „Abfindung“ für ihren Verlag ließen sie
ohm
als „Reichsfluchtsteuer“ an der Grenze.
Mit der „B.Z.“ und der „Berliner Morgenpost“
übernahm Axel Springer 1959 zwei Zeitungen
aus dem Hause Ullstein
kurrenz überflügelt. Denn als „Neues Berliner Lokalblatt“, wie es im
Untertitel hieß, war die „Morgenpost“ gegen den erfolgreichen „Berliner Lokalanzeiger“ aus dem Verlagshaus Scherl angetreten. Das
Erfolgsrezept: spannende Nachrichtengeschichten statt der sonst
üblichen ellenlangen telegrafischen
Berichte. Lokalberichterstattung
steckte damals noch in den Kinderschuhen. Jetzt wurden Reporter
angeheuert, die vor Ort recherchierten, wo sonst Briefe und Mitteilungen trocken übernommen wurden. Dazu vertrat man eine klare
politische Meinung: demokratisch,
eher links. Im ersten Leitartikel
hieß es: „Wer in den schweren politischen Kämpfen unserer Zeit nicht
Partei nimmt, ist ein Schwachkopf,
ein Faulpelz oder ein Feigling.“
Die Ullsteins gaben zudem ein
Vermögen für „Morgenpost“-Werbung auf Litfaßsäulen und Häuserwänden aus. Für beide Zeitungen gilt bis heute, was Axel
Springer 1977 zum Ullstein-Jubiläum zum Thema Tradition bekannte: „Wo sie bewahrt wurde, blieb ihr Wesen erhalten. Wo sie
aber ohne Veränderung blieb, verfehlte sie die Tugend des Konservativen und erstarrte im Konservierten.“ In diesem Sinne
haben sich beide Zeitungen auf die Tugend des Ullstein-Erben
Axel Springer besonnen. Sie hüten und pflegen ihre lange Tradition – ohne dabei die Herausforderungen und notwendigen Schritte ins digitale Zeitalter der Massenmedien, also die Zukunft,
verschlafen zu haben.
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Im Dezember 1959 übernahm Axel Springer nicht nur die Mehrheit des Ullstein-Verlags. Er verstand sich als Erbe eines Traditionshauses, das er schon als junger Mann bewundert hatte. „Wer
bin ich eigentlich, dass ich das gewaltige Bild von Anfang, Höhepunkt, Niedergang und Neubeginn dieses weltbekannten Verlagshauses schildern und rühmen dürfte“, fragte Springer 1977, in
seiner Rede zum hundertjährigen Bestehen des Ullstein-Verlags.
Mit der „B.Z.“ und „Berliner Morgenpost“ führte Axel Springer
zwei Ullstein-Zeitungen weiter auf Erfolgskurs, die seit dem Kaiserreich auf dem Berliner Zeitungsmarkt für Furore sorgten. Es
waren Motoren der Metropole.
Die „B.Z.“ startete 1877 als „Berliner Zeitung“. Leopold Ullstein
übernahm das Blatt im Jahr darauf von seinem Gründer. Um die
Druckereien voll auszulasten, gab es ab 1904 auch eine Mittagsausgabe, die ab 13 Uhr nur auf der Straße verkauft wurde. Der
Erfolg der „B.Z. am Mittag“ war gigantisch.
Das Markenzeichen der ersten deutschen Boulevardzeitung
war ihre Schnelligkeit. Von der Nachricht (Börsenmeldung um
12.10 Uhr) bis zur Auslieferung (12.18 Uhr) vergingen im Idealfall
genau acht Minuten – Weltrekord! Als am 17. Oktober 1913 in
Johannisthal um elf Uhr ein Zeppelin verunglückte, war die „B.Z.“
eine Stunde später mit einem ausführlichen Bericht auf der Straße. Politik und Börse, ein angesehenes Feuilleton, Berichte über
ferne Länder, technische Fortschritte und jede Menge Sport:
Damit hatte die „B.Z.“ die Metropole erobert. Der Vertrieb war
innovativ, man lieferte im Sommer per Flugzeug an die Ostsee.
„B.Z.“-Wettfahrten und „B.Z.“-Wettflüge rund um die Welt machten die „BeeZett“ – wie sie von Zeitungsjungen auf den Boulevards ausgerufen wurde – zum Ereignis. Bis heute ist die „B.Z.“
(die beiden geschwungenen Buchstaben schuf Ullstein-Pressezeichner Carl Schnebel) die größte Zeitung Berlins.
Die „Berliner Morgenpost“ gründete Leopold Ullstein 1898. Am
20. September erschien die erste Ausgabe, bereits zur Jahrhundertwende hatte sie eine Viertelmillion Abonnenten und die Kon-
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Als Strafverteidiger lud Otto Schily (rechts) Axel Springer als Zeuge. Im März 1970 ging es um die gewalttätigen Demonstrationen gegen seinen Verlag
Der Verleger als Feindbild der 68er-Bewegung
Brandherde an
zu vielen Fronten
Der Hass der Studentenbewegung machte Axel Springer persönlich schwer zu
schaffen. Aber auch von konservativen Politikern zeigte er sich oft enttäuscht
In den frühen 60er-Jahren formiert sich an bundesdeutschen
Universitäten Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse. „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“ lautet einer
der Slogans. Mit dem Tod von Benno Ohnesorg erreichen die
Studentenunruhen 1967 einen ersten gewalttätigen Höhepunkt, und Axel Springer sieht sich unvermittelt im Zentrum
der Anfeindungen. Die Jahre 1967/68 bringen die vielleicht
nachhaltigste Zäsur in seinem Leben. Erstmals erwägt er ernsthaft, den Verlag zu veräußern. Bis dahin war die Person Axel
Springer in der Öffentlichkeit kaum bekannt. „Das änderte sich
nun schlagartig. 1967 und 1968 wurde aus Springer innerhalb
kürzester Frist die umstrittenste Persönlichkeit in der damaligen Bundesrepublik“, schreibt Biograf Hans-Peter Schwarz.
„Was erstaunt, ist die Plötzlichkeit, mit der er jetzt von einer
lautstarken Minderheit zur öffentlichen Gefahr erklärt wurde.“
Kerninhalte der Studentenbewegung waren der Protest gegen Verwicklungen hoher politischer, wirtschaftlicher und
juristischer Entscheidungsträger in die Verbrechen der NSDiktatur, gegen Autoritäten und verkrustete gesellschaftliche
Nachkriegsstrukturen im Allgemeinen, gegen den US-geführten Vietnamkrieg sowie gegen die Ausbeutung der Dritten
Welt. Zunehmend ging es im Laufe der Auseinandersetzungen
zwischen Staat und APO-Bewegung auch um Polizeigewalt, auf
die die Demonstranten ihrerseits mit Gewalt reagierten.
„In diesem Feindbild spielte der Springer-Verlag eine Schlüsselrolle. Die Springer-Gegner waren überzeugt, in ziviler Notwehr zu handeln.“ Schwarz weiter: „Und stets begriffen sich die
Zeitungen Springers – ‚B.Z.‘, ‚Berliner Morgenpost‘ und ‚Bild‘ –
als Lautsprecher der weit überwiegenden, empörten Mehrheit
der Bevölkerung sowie vom Abgeordnetenhaus und Senat.
Grobianismus war auf allen Seiten an der Tagesordnung: bei
den protestierenden Studenten, bei der Polizei, bei der politischen Führung Berlins und auch bei den Boulevardzeitungen.“
„Enteignet Springer!“ manifestierte sich schnell als ein Leitmotiv der Bewegung, dessen Ursprung Springer selbst in der
DDR verortete. Wie richtig er damit lag, sollte sich erst viele
Jahre später bestätigen. Die systematische Aufarbeitung zahlreicher MfS-Unterlagen, die im Strudel der Wende und deutschen Wiedervereinigung der Vernichtung entgangen waren,
sowie anderer Quellen belegt heute, welch ein erschreckendes
Ausmaß das Spitzelsystem der Staatssicherheit angenommen
hatte. So wurde 2009 anhand verschiedener Studien unter
anderem deutlich, dass die Stasi mit der Instrumentalisierung
der APO und der systematischen Unterwanderung von Politik,
100 JAHRE AXEL SPRINGER
31
VERLAGS-SONDERAUSGABE
ZWEI STRASSEN
Gemeinsame Kreuzung
Im Leben begegneten sich Axel Springer und Rudi
Dutschke nie, dennoch betrachteten sie sich gegenseitig als Personifizierung all dessen, was sie ablehnten. Heute dagegen, im Tod, kreuzen sich ihre Wege im
wörtlichen Sinn 24 Stunden am Tag. Genauer gesagt:
seit dem 30. April 2008. An diesem Tag wurde die 2004
von der „taz“ gestartete Initiative Realität, den Teil der
Kochstraße zwischen Linden- und Friedrichstraße in
Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen, an dem auch
das Berliner Verlagshaus Springers liegt. Nun bilden
Rudi-Dutschke-Straße und die 1996 durch die Umbenennung des nördlichen Teils der Lindenstraße entstandene Axel-Springer-Straße eine gemeinsame belebte Kreuzung – zusammen mit der Lindenstraße und
dem östlichen Ende der Oranienstraße. Eine geschichtsträchtige Kombination an einem ohnehin hiscle
torischen Ort – so auch nur in Berlin vorstellbar.
Ausgeprägtes
Harmoniestreben
deutscher Nachkriegsgeschichte ergänzt, wenn nicht gar neu
geschrieben werden. Denn mit einem Stasi-Agenten als Verantwortlichen für Ohnesorgs Tod – jahrzehntelang war dieses
Ereignis mit historischen Auswirkungen für die Bundesrepublik als eine Folge der Berichterstattung der Springer-Zeitungen gewertet worden – brechen die alten ideologischen Fronten und Feindbilder zusammen.
Für die Stasi war Axel Springer der personifizierte Feind des
Sozialismus. Die Auskundschaftung seiner Person und seines
Verlages stand auf der Prioritätenliste weit oben, Stasi-Chef
Erich Mielke überwachte die operativen Aktionen gegen Springer persönlich. Es war sogar gelungen, und auch das beweist
eine Studie, sich in der Schaltzentrale einzunisten: Jahrelang
erfuhr das MfS über eine Sekretärin im Vorzimmer Springers
so ziemlich alles – Verlagsinterna ebenso wie Privates. Vor der
Stasi war der Verleger sozusagen nackt.
Die vielfältigen Aktivitäten der Stasi sieht Schwarz jedoch
nicht als alleinige Existenzgrundlage der Parole „Enteignet
Springer!“. Sie erklärten „nur einen Teil der Kampagne. Man
kann nicht nachdrücklich genug unterstreichen, dass die geschickt eingespeiste Propaganda nur deshalb Gehör fand, weil
erst die Berliner Protestbewegung, dann die Studentenschaft
bundesweit über die in der Form sehr grobe Agitation von
Springers Zeitungen empört war. Je revolutionärer sich der
harte Kern der Bewegung gerierte, umso schriller fiel die gespielte oder echte Empörung über die ,Pogrom-Hetze‘ aus.“
Gängig war die Parole spätestens seit dem 10. Juli 1967, dem
Tag, an dem der „Spiegel“ unter der Schlagzeile „Wir fordern
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Behörden und Polizei durch Spitzel nicht unerheblich den
Taktstock bei den Studentenunruhen geschwungen hatte. Am
2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg vom Berliner
Polizisten Karl-Heinz Kurras mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Beweise verschwanden, Zeugenaussagen wurde
nicht nachgegangen oder sie wurden ignoriert. Die von Anfang
an deutlichen Kungeleien zwischen Politik, Polizei und Justiz
sorgten dafür, dass Kurras nie belangt wurde.
Im Mai 2009 kam es zu einer erneuten Aufnahme der Ermittlungen, weil neue Aktenfunde belegten, dass Kurras aus
kurzer Distanz gezielt geschossen hatte und dabei von umstehenden Kollegen beobachtet worden war. Juristisch war die
Beweislage jedoch zu dünn, um ein Verfahren anzustrengen,
und so wurden die Ermittlungen 2011 schließlich wieder eingestellt. Fakt ist aber
nun, dass Kurras von
1955 bis 1967 als „Geheimer Mitarbeiter“
(GM) „Otto Bohl“ für
die Stasi tätig war und
als eine derer Topquellen in West-Berlin zahlreiche sicherheitsrelevante Interna des Landeskriminalamtes verraten sowie über Personalien bei der Kripo und Maßnahmen an der
Berliner Mauer informiert hatte. Dass derartige Dokumente
erst fast drei Jahrzehnte nach dem Ende des Ministeriums für
Staatssicherheit auftauchten, ist ein Skandal für sich – auch
wenn (bislang) keine Beweise für die Theorie erbracht werden
konnten, Kurras habe den Todesschuss auf Benno Ohnesorg
(oder irgendeinen anderen Demonstranten) im Auftrag der
Stasi abgegeben. In jedem Fall muss ein wichtiges Kapitel
Die sogenannten Osterunruhen
von 1968 brachen nach dem
Attentat auf Rudi Dutschke
aus. In der Folge wurden auch
Lieferfahrzeuge der „Bild“
angezündet (Foto Mitte).
Die Studenten waren unter
anderem mit dem Slogan
„Enteignet Springer!“ auf
die Straße gegangen
VERLAGS-SONDERAUSGABE
32
100 JAHRE AXEL SPRINGER
die Enteignung Axel Springers!“ ein Interview mit Rudi
Dutschke, der Symbolfigur der Bewegung, veröffentlicht hatte.
Es war die unmittelbare Reaktion auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen beim Berlin-Besuch des Schahs einen Monat
zuvor (2. Juni 1967), die im Tod Ohnesorgs gegipfelt hatten.
Doch es waren nicht allein die unruhigen Zeiten im Inland,
die Springer beschäftigten, es war „vor allem die Kriegsgefahr
im Nahen Osten“, schreibt Schwarz. „Sein Kopf war so voll mit
den dramatischen Ereignissen in Israel, dass er die psychologische Tragweite der Vorgänge am 2. Juni nicht wahrnahm“,
zitiert der Biograf Springers Weggefährten Ernst Cramer.
Ein Jahr später sah das anders aus. Nach dem DutschkeAttentat am 11. April 1968 gab es gewalttätige Demonstrationen
vor dem Berliner Verlagshaus, brennende „Bild“-Lieferwagen
und hasserfüllte Parolen – Springer verstand die Welt nicht
mehr. Schwarz: „Sein Harmoniestreben war stark ausgeprägt.
(…) Doch auf einmal wurde Prinz Charming zum Buhmann
erklärt. (…) Der öffentliche Liebesentzug hat auf ihn wie ein
Schock gewirkt und ihn im tiefsten Innern dauerhaft verunsichert. (…) Er wurde nicht mutlos, aber sehr, sehr vorsichtig und
spielte andauernd mit dem Gedanken, den umstrittenen Konzern zu verkaufen.“
Nach den sogenannten Osterunruhen 1968 ebbte der APOProtest ab. Springer selbst zog sich aber immer öfter ins Privatleben zurück. Trotz konkreter Verkaufspläne besetzt er aber
Anfang 1969 sein
Flaggschiff „Die Welt“
mit einer neuen Führungsmannschaft und
„genau in dem Moment (…) begann die
heftige Auseinandersetzung mit der sozialliberalen Regierung Brandt um die neue
Ostpolitik“, schreibt Schwarz. „Von einem Kurs der politischen
Mitte war nicht mehr die Rede.“ Politisch galt die ganze Konzentration dem Kampf gegen die neue Entspannungspolitik,
mit der das Ende der deutschen Teilung auf die ganz lange
Bank geschoben wurde. Dazu Schwarz: „1970, 1971 und 1972,
während des Ringens um die Ostverträge, suchte Springer mit
dem geballten Einsatz seiner Zeitungen Willy Brandt in die
Knie zu zwingen. Nie zuvor und danach spielte Springer eine
derartige politische Schlüsselrolle wie in den Jahren der Kanz-
Bombenanschläge
auf den Verlag
Er hat an die Zukunft unserer Stadt geglaubt,
als viele zweifelten.
Er hat sich mit Deutschlands Hauptstadt
verbunden, als wenige es wagten.
Er hat an Berlin festgehalten, als manche
gingen.
Er hat den Respekt seiner Mitbürger verdient!
ULLSTEIN BILD
Fortsetzung von Seite 31
lerschaft Willy Brandts von 1969 bis 1972 (…). Erst der Rücktritt Brandts führte zu einer gewissen Beruhigung.“
Warum Springer diese Politik so vehement ablehnte, verbildlicht Schwarz: „Wenn ausländische Besucher bei ihm auftauchten, brauchte er sie nur ans Fenster zu führen, um seine tiefsten Beweggründe zu veranschaulichen. (…) Für Springer (…) ist
die Mauer eine ständige Ermahnung, seinen langen Kreuzzug
gegen die Teilung Deutschlands immer wieder neu aufzunehmen. In diesen Jahren (…) nahm Springers außenpolitisches
Weltbild jene Züge an, die sich dann bis zu seinem Tod nicht
mehr verändert haben.“ Dazu gehörte, die DDR als zweite Diktatur zu betrachten, die sich auf deutschem Boden etabliert
hatte. In diesen Jahren durchläuft Axel Springers Einsatz für
die Wiedervereinigung Deutschlands einen argumentativen
Wandel. „Es ging ihm nicht mehr primär um die abstrakte
Einheit des deutschen Volkes, sondern um die Befreiung der
Ostdeutschen“, bilanziert der Biograf.
Mit seiner politischen Haltung geriet der Verlag wieder in
den Fokus der linken Opposition, ins Blickfeld derer, die sich
nach den Studentenunruhen radikalisiert und den Weg der
Gewalt beschritten hatten: der RAF. Am 19. Mai 1972 wurde ein
Bombenanschlag auf die Hamburger Verlagszentrale in der
Kaiser-Wilhelm-Straße verübt. Zwei Sprengsätze detonierten
in den Toiletten. 23 Arbeiter und Angestellte wurden verletzt.
Tags darauf wurden noch drei Blindgänger gefunden. Die Bekennerschreiben, die wenige Tage später bei „Bild“ und der
„Süddeutschen Zeitung“ eingingen, trugen das „Kommando
Der SDS-Chefideologe Rudi
Dutschke (Foto links Mitte, mit
erhobener Faust) marschiert am
18. Februar 1968 in Berlin an der
Spitze eines Demonstrationszuges gegen den Vietnamkrieg
DIE ERSTE
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Der Sprung
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4
Schlaglichter auf das Leben
von Axel Springer
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
GRUSSWORT
OTTO SCHILY
DAPD
2. Juni“ als Absender, die Terrorzelle um Ulrike Meinhof. Nach
der Festnahme der ersten Terroristen-Garde mit Baader, Meinhof, Raspe, Meins und Ensslin im Juni des Jahres schien das
Ärgste vorbei, und Springer konzentrierte sich wieder auf die
Ostverträge und deren Ratifizierung. Aber auch das Schicksal
Einzelner beschäftigte ihn dauerhaft. So engagierte er sich bei
dem seinerzeit äußerst heiklen Thema des Freikaufs von politischen Gefangenen aus DDR-Haft. Ebenso konsequent sein
Einsatz für die Kritiker des sowjetischen Systems. Der Atomphysiker Andrej Sacharow und der Schriftsteller Alexander
Solschenizyn gehörten zu den prominentesten Dissidenten. In
der Sowjetunion wurde ihnen der Prozess gemacht, in der
westlichen Welt avancierten sie zu einer Art Superstar.
Allen voran Solschenizyn, der ausgewiesen wurde. Sein Buch
„Archipel Gulag“ (1973) über das stalinistische Justiz- und
Lagerwesen wurde ein Weltbestseller. Schwarz: „Springer verfolgte die Vorgänge mit starker Erregung. In erster Linie bekümmerte Springer das individuelle Schicksal der Dissidenten“, für die er ein Forum schuf, als er 1974 die Zeitschrift
„Kontinent“ gründete. „Er war“, so Schwarz, „überhaupt eine
Art Genie des Mitleids. Wer seine Korrespondenz durchgeht,
ist erstaunt über Hunderte von Briefen, in denen er nahestehenden oder auch entfernteren Kranken, Hinterbliebenen oder
sonst wie vom Unglück Verfolgten Mut zusprach. Dasselbe galt
für die Opfer kollektiver Tragödien. (…) Genauso war für ihn
jetzt der Gedanke an die Quälerei russischer oder tschechischer Dissidenten in Willkürprozessen, Straflagern, Gefängniszellen, psychiatrischen Kliniken oder auch im verwirrenden
Exil ein Albtraum.“ Erst 1980 traf Springer bei seiner AmerikaReise Solschenizyn in Vermont, wo der Schriftsteller lebte. „So
brachte er vieles zur Sprache, was ihn damals umtrieb: seine
Endzeiterwartungen, sein Leiden an der Kapitulationsbereitschaft des Westens und seine Kritik an der fehlenden ‚Führungsfähigkeit‘ der westdeutschen Eliten.“
Am 2. Mai 1977 feierte Axel Springer seinen 65. Geburtstag.
Doch statt der Erfüllung aller guten Wünsche sollte ein Jahr
folgen, das als „Deutscher Herbst“ in Erinnerung bleiben sollte. „Emotional war Springer damals vor allem auf die Anschläge der RAF fixiert“, so Schwarz. Die Ermordung Jürgen Pontos
(30. Juli 1977) und Hanns Martin Schleyers (18. Oktober 1977)
hätten ihn stark aufgewühlt, „dies nicht nur deshalb, weil er
selbst ganz oben auf der Abschussliste der Terroristen stand“,
schreibt Schwarz über eine Zeit, in der sich Springer zunehmend „krank, ausgelaugt und ständig ruhebedürftig“ fühlte.
33
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Axel Springer bin ich nur ein einziges Mal begegnet, und das
in einer für ihn ziemlich unbequemen Situation, als Zeuge in
einem Moabiter Gerichtssaal. Es mag ihn überrascht haben,
dass ich ihn kühl, aber in einer Form befragt habe, die meine
bürgerliche Erziehung nicht verleugnete. Jedenfalls soll er
sich danach sehr positiv über mich geäußert haben, was mir
unter den damaligen Umständen eher peinlich war. Es ist
hinlänglich bekannt, dass Axel Springer in den ominösen 68er-Jahren zu einem gigantischen Feindbild aufgepumpt wurde. Seine wachsende Medienmacht wurde als Bedrohung
gesehen und viele seiner Zeitungen galten als Ausgeburt eines rüden und demagogischen
Journalismus. Inzwischen ist die durchaus in vielen Fällen berechtigte Kritik verraucht, die
an manchen Hervorbringungen aus dem Haus Springer geübt wurde und die leider zeitweise in blinden Hass umschlug. Heute sehen wir vieles sehr viel gelassener. Wer nicht in
seinen Vorurteilen eingesperrt bleibt, muss jedenfalls die herausragende publizistischpolitische Leistung von Axel Springer in zweierlei Hinsicht anerkennen: sein unbeirrbares
Festhalten an dem Ziel der deutschen Einheit und sein vorbildliches Engagement für die
deutsch-israelische Freundschaft. Beides hat historischen Rang.
Otto Schily ist Anwalt und war von 1998 bis 2005 Bundesminister des Innern
Den Frieden zwischen Ost und West halte er aufgrund des
atomaren Abschreckungspotenzials für relativ sicher, sagte er
im selben Jahr in einem „Stern“-Interview. Sorgen bereiteten
ihm vor allem die kleinen Unruhestifter und die damals schon
tätigen internationalen Terrororganisationen. In einem seiner
zahlreichen Briefe aus dieser Zeit (Mai 1983) brachte es Springer auf den Punkt: „Die größte Gefahr unserer Zeit ist nicht die
atomare Rüstung, sondern der internationale Terrorismus. Das
Ende der Welt wird eingeläutet, wenn Männer wie Gaddafi (…)
in den Besitz der Bombe gelangen.“ Ein Satz, der 30 Jahre
später so bedrückend aktuell ist wie damals. Auch ein anderer
Ausspruch hatte prophetischen Charakter, diesmal in einem
erfreulichen Kontext. Bereits stark von Krankheit gezeichnet,
fokussierte Springer seine Hoffnungen bezüglich einer positiven Klärung der deutschen Frage auf den amerikanischen
Präsidenten Ronald Reagan, den er persönlich kennengelernt
hatte. In kleiner Runde, so Schwarz, habe er voller Überzeugung gesagt: „Die Wiedervereinigung kommt.“ Jochen Clemens
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
34
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Spaziergang am 10. Juni 1967
in Jerusalems Altstadt:
Bürgermeister Teddy Kollek (M.)
begleitete Axel Springer (l.) durch
das Viertel, das Israel kurz zuvor
von Jordanien erobert hatte
Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
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Versöhnung
Axel Springer und die Juden
Sein Eintreten gegen Antisemitismus und für den Staat
Israel wurde für den Verleger zur tragenden Säule seiner
politischen und persönlichen Identität. Noch heute ist
dieses Engagement Richtlinie für das Unternehmen.
SVEN SIMON
Seiten 34-36
Blick vom Ölberg: Jerusalem wurde für Axel Springer
neben Berlin zur persönlichen Schicksalsstadt
GRUSSWORT
SCHIMON PERES
DAPD
Es ist mir eine Ehre und ausdrückliche
Freude, Axel Springer meinen Respekt
anlässlich seines 100. Geburtstags zu
erweisen. Er war ein großartiger Mann,
der ein großartiges Vermächtnis hinterlassen hat. Er kämpfte unnachgiebig
für die Prinzipien, an die er glaubte –
allen Widerständen zum Trotz. Er glaubte an die Freiheit, wehrte
sich gegen jede Form der Diskriminierung, Unterdrückung und des
Rassismus und er war ein wichtiger Anwalt der Wiedervereinigung
Europas. Er glaubte tatsächlich an Einheit und Versöhnung und wäre
hocherfreut gewesen angesichts des Falls der Berliner Mauer und
der Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands. Wir in Israel
sehen in ihm einen Freund und Champion, dessen Engagement für
den Staat Israel eine persönliche und einzigartige Form annahm, als
er der erste Deutsche wurde, der persönlich nach Israel kam, um
seine Sympathie zu zeigen, und gleichzeitig Möglichkeiten entwickelte, wie er einen Beitrag für den jungen und aufstrebenden
Staat leisten konnte. Später nahm er Anteil an unserem moralischen
Dilemma in Bezug auf Deutschland und spielte eine entscheidende
Rolle im Versöhnungsprozess zwischen Juden und Deutschen. Er
hatte großen Anteil an der Entwicklung des besonderen Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel unserer Tage. Seine Bemühungen um das Wohlergehen des Staates Israel fanden zudem
Fortsetzung in seiner Stiftung, die bis heute einen entscheidenden
Beitrag zu israelischen Einrichtungen leistet. Und letztendlich drückte er seine Gefühle zu unserem Land auch dadurch aus, dass er sich
in Israel einen Wohnsitz mit dem Ziel gekauft hatte, dort zeitweise
zu leben. Wir sind Axel Springer zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir
sind dankbar für sein Vermächtnis. Wir bewundern seine Werte und
werden die Erinnerung an ihn weiter in unseren Herzen tragen.
Schimon Peres ist Präsident des Staates Israel
Israel als
zweites
Vaterland
PA/SVEN SIMON
Axel Springer und die
deutsch-jüdische Verständigung
Aus der deutschen Schuld am Holocaust
erwuchs für Axel Springer die Verpflichtung,
das Existenzrecht des jüdischen Staates
uneingeschränkt zu unterstützen. Bis heute
hält sich der Verlag daran
„Während ich dies schreibe, schweift mein Blick hinüber auf
die Mauern der Altstadt mit ihren Kirchen und Moscheen und
auf den Ölberg mit den vielen, vielen jüdischen Gräbern. Und
vor meinen Augen liegen auch die judäischen Berge, liegt die
Straße, die hinunterführt nach Jericho und ans Tote Meer.
Kurz, ich sehe hinaus auf die Wiege der westlichen Kultur, auf
den zentralen Ort der christlichen und der jüdischen Religion.“ Wie in diesem Schreiben vom März 1984 hat Axel Springer immer wieder in Briefen, Artikeln und Reden seine Begeisterung für Jerusalem geäußert. Israels Hauptstadt, in der
er ein Appartement besaß, war für den Verleger „die zweite
Vaterstadt jedes Christen“.
Doch der Glaube allein war nicht der Grund, warum dieser
Ort mit den heiligen Städten dreier Weltreligionen so eine
große Anziehungskraft auf ihn ausübte. Neben Berlin wurde
Jerusalem Springers Schicksalsstadt. Und immer wieder zog er
Parallelen zwischen Berlin und Jerusalem, wenn es um das
Schicksal der geteilten Städte ging.
Vor allem Jerusalems Bürgermeister Teddy Kollek bestärkte
Springer in dieser Haltung, nachdem Israels Truppen im
Sechstagekrieg 1967 die Altstadt, die 1948 im Unabhängigkeitskrieg an Jordanien gefallen war, erobert hatten. Nicht
nur mit Kollek, der aus Wien stammte, verband Springer
eine langjährige Freundschaft. Zu den meisten Politikern,
die das Schicksal des jüdischen Staates bestimmten, von
David Ben Gurion bis zu Moshe Dayan, hegte der Deutsche ein herzliches Verhältnis.
In Israel hatte man früh erkannt, dass Axel Springer ein
verlässlicher Freund und Partner war. Springer-Biograf
Hans-Peter Schwarz schreibt: „Im Juni 1966 reiste Springer erstmals nach Israel. Rund dreißig weitere Reisen
100 JAHRE AXEL SPRINGER
sollten folgen. Man übertreibt nicht, wenn man feststellt, dass
er dort von nun an so etwas wie ein zweites Vaterland fand.“
Eine Affinität zum Judentum hatte er seit seinen Jugendjahren. Springer beschreibt seine Beweggründe unter anderem
in dem Band „An meine Kinder und Kindeskinder“, der 1981
erschien. „Einmal fragte mich eine deutsche Jüdin, was mich
bei meiner Politik gegenüber den Juden und Israel antreiben
würde. Ich erzählte ihr davon, dass das Problem des Judentums sich uns Kindern in Hamburg, der Stadt Ballins und
Warburgs, und in Altona, z. B. der Zufluchtsort der portugiesischen Juden, nicht gestellt habe. Wir fragten unsere vielen
jüdischen Freunde wirklich ebenso wenig nach ihrer Religion
wie die katholischen. Aber später brach eine neue quälende
Phase an mit dem Schuld- und Wiedergutmachungsgefühl
gegenüber dem, was in Deutschland geschehen war.“
Die darauf folgenden Sätze schildern vielleicht am eindringlichsten Springers Motivation für seine bedingungslos proisraelische Haltung: „Als die ganze Tragödie und der Umfang
der deutschen Schuld in unser Bewusstsein drang, war mir
klar, dass die Juden und der Staat Israel für einen Deutschen
in seinem Kopf, seinem Herzen und seinem Gewissen von
Stund an eine außergewöhnliche Stellung haben müssen.
Nichts darf wie gegenüber anderen Staaten sein. Es war meine
entscheidende persönliche Erkenntnis der Nachkriegszeit,
dass unsere deutsche Haltung gegenüber Israel unser Jahrhundertproblem ist. Denn: Wem das, was Menschen deutscher
Zunge den Juden angetan haben, nicht auf die Seele geschlagen ist, wen das nicht uneingeschränkt Partei ergreifen lässt,
der versteht nicht, was wir den Überlebenden schulden: eine
Solidarität, die jedweder Versuchung zu unparteiischer Distanz zu widerstehen hat. Es ist deshalb die Aufgabe unserer
ZITATE
Generation, fest an der Seite Israels zu stehen, selbst wenn das
unserer Politik anderswo Schwierigkeiten bringt.“
Was er hier für alle Deutschen seiner Generation forderte,
hat Springer mit seinem Verlag bis zum heutigen Tag fortgesetzt. Hatten 1967 auch die meisten Konkurrenzblätter den
Sieg der Israelis im Sechstagekrieg begrüßt, so wurde Springer
später mehr und mehr für seine kompromisslose Haltung im
Fortsetzung auf Seite 36
Standhaft, solide,
verlässlich.
Damit sprechen wir ausnahmsweise nicht über die Häuser,
die wir für Berliner und Brandenburger bauen, sondern
über einen Verleger, der die Berliner und die deutsche
Geschichte wie kein zweiter begleitet und auch geprägt hat.
Axel C. Springer hat gezeigt, dass kein Traum zu groß ist,
wenn man ihn wirklich erfüllen will.
DES VERLEGERS
„Ich bete zum Herrn, dass das Volk der Bibel,
das auch das Volk des Friedens ist, endlich
Frieden im Land der Bibel findet“
35
VERLAGS-SONDERAUSGABE
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36
100 JAHRE AXEL SPRINGER
ULLSTEIN BILD (2); PA/DPA
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Ein enger Freund Israels: Axel Springer im Gespräch 1967
mit Ex-Premierminister David Ben Gurion. Mit fast allen
führenden Politikern des jüdischen Staates pflegte der Verleger gute Kontakte. 1974 erhielt Springer die Ehren-doktorwürde der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan
Fortsetzung von Seite 35
Nahost-Konflikt angegriffen. Umgekehrt löste gerade der militante „Antizionismus“ der 68er Springers erbitterte Gegnerschaft zu dieser Bewegung aus.
Vor allem von jenen Widersachern, die den in Fragen zur
deutschen Einheit so resoluten Verleger gerne in die Nähe des
„Faschismus“ rückten, kam mitunter der Vorwurf, Springers
Einsatz für die deutsch-jüdische Verständigung sei seinem
schlechten Gewissen entsprungen. Seine erste Ehefrau Martha
Meyer, die aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammte
und die er 1933 geheiratet hatte, galt nach den Nürnberger
Rassegesetzen als „Halbjüdin“. Weil er sich 1938, in dem Jahr
zunehmender Juden-Verfolgung und der Novemberpogrome,
von Martha trennte, wurde Springer unterstellt, er habe seine
Karriere durch die Verbindung zu einer „Nichtarierin“ nicht
gefährden wollen. Springer selbst hat sich dazu nie geäußert.
Es war wohl eher die mangelnde Treue des Ehemannes, die
zur Scheidung führte. Martha erhob in dieser Hinsicht auch
später keine Vorwürfe. Dass Marthas Mutter, die deportiert
wurde, aus Theresienstadt freikam, sei, so Hans-Peter Schwarz
in seiner Biografie, in erster Linie Springers Einsatz zu verdanken.
Weiter schreibt Schwarz: „In Hamburg gehörte er dann
zusammen mit Freunden wie Erik Blumenfeld und Erich Lüth
schon in der Frühzeit der Bundesrepublik zu denen, die in
besonderer Weise dazu aufriefen, die deutsche Schuld und die
Wiedergutmachung nie zu vergessen. Seine Faszination für
den Ullstein Verlag war immer auch ein starkes Element der
Bewunderung für die kulturelle Bedeutung jüdischer Verlagshäuser beigemischt. In den 50er-Jahren zeigte er sich zudem
nachhaltig bemüht,
jüdische Emigranten
an sich zu ziehen,
beispielsweise Bernhard Menne, Ernst
Cramer, Hans Wallenberg, Georg Hollos,
Georg Clare und
manch andere.“
Die Schuld Deutschlands an der JudenVernichtung wurde eines seiner zentralen Themen, lange bevor die große Öffentlichkeit sich mit dem Holocaust befasste.
So berichteten etwa die Springer-Blätter „Bild“ und „Welt“
über den Eichmann-Prozess 1960 in Jerusalem oder 1963 über
die Frankfurter Auschwitz-Prozesse weit ausführlicher als die
Konkurrenz.
Nicht nur, aber vor allem im Zusammenhang mit der
deutsch-jüdischen Thematik muss Ernst Cramer (1913–2010)
erwähnt werden. Der gebürtige Augsburger, der vor seiner
Flucht nach Amerika 1938 sechs Wochen im Konzentrationslager Buchenwald interniert gewesen war, der Bruder und
Eltern durch die Nationalsozialisten verloren hatte, kehrte als
US-Staatsbürger 1945 nach Deutschland zurück. In verschiedenen Positionen, unter anderem als Stellvertretender Chefredakteur der „Welt“ und als Herausgeber der „Welt am Sonntag“, wurde Cramer engster politischer und publizistischer
Mitarbeiter und Ratgeber Springers. Wann immer möglich,
begleitete er den Verleger nach Israel. Hier spendete Springer
viel für kulturelle und soziale Zwecke. Dass gerade die eigenen
Ernst Cramer
begleitete Axel
Springer bei den
Israel-Reisen
100 JAHRE AXEL SPRINGER
37
GRUSSWORT
HENRY KISSINGER
PA/DPA
Blätter darüber recht knapp berichteten, zeigt, dass Springer
der Zweck wichtiger erschien als die publizistische Wirkung.
So wollte er, aus Furcht vor antideutschen Ressentiments,
seine erste große Spende – 3,6 Millionen Mark für das IsraelMuseum in Jerusalem – anonym zur Verfügung stellen. „Es
war nur zu verständlich, dass manche in diesem Land den
Gedanken unerträglich fanden, einen wesentlichen Teil einer
großen Kulturinstitution ganz offen mit der Nennung seines
Namens von einem Deutschen errichten zu lassen“, so Springer. Doch dann wurde der Bibliotheks-Neubau des IsraelMuseums nach dem Verleger benannt.
Bei der Einweihungsfeier am 24. März 1969 überreichte
Teddy Kollek Springer eine Schriftrolle. Dort war über den
Mäzen aus Deutschland unter anderem zu lesen: „Er ist einer
der Großen in seinem Fach, ausgestattet mit Vision, Mut, Gewissen und einem Gefühl für historische Gerechtigkeit. Zwar
liegt die tragische, grausame Vergangenheit noch schwer auf
unserer Generation, aber Axel Springer wirkt dem entgegen
durch seine Hilfsbereitschaft und durch seine Freundschaft.“
Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Springer in Israel
zum beliebtesten Deutschen wurde. Hier erhielt er zahlreiche
Auszeichnungen, unter anderem als erster Deutscher 1983 den
Ehrentitel „Bewahrer Jerusalems“.
Mit zunehmendem Alter und der religiösen Sinnsuche spielten bei der Beschäftigung mit Israel auch christlich-heilsgeschichtliche Motive eine wichtige Rolle. „Auch die Versöhnung mit den Juden und die daraus erwachsene Hilfestellung
für Israel sind Teil meines Glaubens“, erklärte Springer im
Oktober 1978. „Wenn ein Volk 2000 Jahre schrecklichste Verfolgung übersteht und dann die ihm gegebene Verheißung
erfüllen kann, wieder in seinem Land zu leben, so ist das ein
Vorgang, der göttliche, nicht menschliche Dimensionen hat.“
Doch nach wie vor waren Axel Springer die Menschen am
wichtigsten. Die Probleme der Gegenwart waren maßgeblicher
als die historische Aufarbeitung. Es sei leichter, die Mordopfer
von gestern zu beklagen, als sich zu den Mordopfern von heute
zu bekennen: Dieser Ausspruch Springers hat leider immer
noch Geltung, angesichts der Furcht vor der Entwicklung iranischer Nuklearwaffen.
Bis heute zählt der Einsatz für die deutsch-israelischen
Beziehungen zu den wichtigsten Aspekten in der Arbeit des
Verlages. Als Beispiel sei hier die Ernst Cramer & Teddy Kollek Fellowship genannt. Dieses Stipendium ermöglicht nun
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Getroffen habe ich Axel Springer in den Jahrzehnten nach dem
Zweiten Weltkrieg bei mehreren Gelegenheiten und immer in der
geteilten Stadt. Ich bewunderte seine unerschrockene Hingabe und
seinen Einsatz. Am lebendigsten ist mir ein Treffen in Erinnerung
geblieben, das über den Dächern Berlins, ganz oben im Verlagshaus
Springer, stattfand. Vor mir und einer Gruppe anderer beschwor er
die Einheit Deutschlands. Für ihn war das eine moralische Pflicht,
die dann zur Wirklichkeit wurde, dank seines Glaubens und seiner Hingabe.
Henry Kissinger war von 1973 bis 1977 US-Außenminister. Er wurde 1923 im mittelfränkischen Fürth geboren, seine Familie emigrierte 1938 aus Nazideutschland in die USA
schon zum neunten Mal deutschen Journalisten einen zweimonatigen Aufenthalt in Israel. Umgekehrt können sich Journalisten in Israel für einen zweimonatigen Deutschland-Aufenthalt bewerben. Nach wie vor zählt die „Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden“ mit der „Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ zu den UnternehmensUwe Sauerwein
grundsätzen der Axel Springer AG.
Im Zeichen der Versöhnung: Axel Springer
bei der Kranzniederlegung in der
Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in
Jerusalem. Der Mord an den europäischen
Juden wurde in seinen Zeitungen früh ein
zentrales Thema
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Schlaglichter auf das Leben
von Axel Springer
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
38
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Eine fragile Idylle
Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
Hier muss ich
frei sein!
www.meilensteine.axelspringer.de
Privatmann
Urlaub von sich selbst
Axel Springer liebte Sylt, das Licht, die Luft, die
Unbeschwertheit. Nach einem Brandanschlag
auf den Klenderhof fand er dort aber nicht
mehr zur Ruhe und verkaufte schließlich alles
Sommer auf Sylt an der See: Axel Springer liebte sein
Refugium, liebte die einfachen Dinge. Scholle essen in
Munkmarsch, ein Glas Wein – zu jeder Jahreszeit gern vor
Kaminfeuer. Doch das Glück war von kurzer Dauer.
ANNETTE LEDERER
Seiten 38–39
Neben Springers Hubschrauberlandeplatz: In den Korbsesseln im Garten des Klenderhofs wurde Politik gemacht
Der Sinnsucher
Axel Springer war alles andere als ein nüchterner Verleger
und Kaufmann. Ihn interessierte das, was hinter allen
Phänomenen liegt. Dazu diente ihm die Astrologie ebenso
wie die Bibel, das Gebet genauso wie die Meditation.
Seiten 40–41
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Der DGSP Jubiläumskongress
dazu findet vom
04.–06.10.2012 im Estrel
Convention Center Berlin statt.
Am 4. Oktober 2012 wird es
einen Festakt geben, zu dem
u. a. der Bundesminister des
Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich,
bereits zugesagt hat.
Vom 5.–6. Oktober werden ein
internationales Symposium,
Fortbildungen und Workshops
stattfinden.
Weitere Informationen können
über die Kongresshomepage
www.dgsp.de/kongress/
oder telefonisch über die
Geschäftsstelle in Frankfurt
unter 069/ 40 71-412
eingeholt werden.
100 JAHRE AXEL SPRINGER
kriegsverhältnissen aussehen müssten. Vieles von dem, was
damals thematisiert wurde, fand sich später in Springers Publikationen wieder: das Politische, das Unterhaltende, die Nähe
zum Leser.
Axel Springer liebte Sylt. Die frühere Wildheit, Unberührtheit, immer die Luft, die Dünen, das Meer, den frischen Fisch,
die Atmosphäre. Im Sommer wie im Winter. Vor dem Kamin
saß er zu jeder Jahreszeit. Ein Glas Wein und ins knisternde
Holz gucken, das war Erholung. Spazieren gehen, übers Watt
laufen. Oder Scholle essen in Munkmarsch, nur bloß nichts
Überkandideltes. Und nach kurzer Zeit war er meist schon
braun gebrannt, der Teint ließ seine blauen Augen noch mehr
strahlen. Was er natürlich einzusetzen wusste, wenn er ganz
langsam die Sonnenbrille abnahm ...
Er kaufte ein Haus in Morsum, dem ländlichen Sylt, oben auf
der Warft, mit Blick bis nach Föhr. Dass er sich dort mit der
hübschen Tochter vom Gärtnereibetrieb Riewerts am Glockenturm in Wyk und für immer verabreden würde, davon
ahnte der smarte Unternehmer da noch nichts. Erst einmal
gründete er mit Freunden einen Golfplatz in Laufweite. Den
Morsumer Golfclub, neun Löcher. Seit Kurzem sind es 18, aber
der Verein blieb klein, fein und vor allem sportlich. Springer
war ein guter Spieler, an manchen Tagen besser als der deutsche Meister Alfred Peemöller, der den Platz baute. Ha!
Und er leistete sich auch ein Haus in Kampen, die Preise
waren noch nicht so irrwitzig wie heute. Es lag fantastisch,
erhaben am Ende des Hobookenwegs, heutzutage die Straße
mit den höchsten Quadratmeterpreisen Deutschlands, mit
weitem Blick über das
Wattenmeer. Er kaufte
die Heidegrundstücke
drum herum gleich mit.
Auf dem einen, auf der
anderen Seite des Weges,
ließ er das „Kinderhaus“
errichten, das auch als Küche genutzt wurde. Denn Essengeruch konnte der Ästhet nicht leiden.
Das Haus lag nicht nur großartig, es erzählte auch genau die
richtige Geschichte: Wohnte da doch der Verleger Peter Suhrkamp, der dort gern auch schreibblockierte Schriftsteller sich
erholen ließ („Lassen Sie sich fallen!“). Wie man sich erzählt,
verkaufte Suhrkamp das reetgedeckte Haus, das seine Frau
Annemarie Seidl mit in die Ehe gebracht hatte, an Springer, um
die deutsche Gesamtausgabe von Marcel Proust zu finanzieren.
Es war allerdings nicht der Klenderhof, wie so oft falsch beschrieben. Den imposanten Turmbau, nahe dem Privathaus,
den sich „Bimba“, die Tochter des Berliner Warenhausbesitzers
Lindemann und ihr Mann, der Cellist Max Baldner, 1933 gebaut
hatten, kaufte Springer auch. Aber nicht für sich, sondern als
Gästehaus und „Außenposition“ des Verlages. In den Sommerwochen verlegte er sein Büro dorthin, im Anbau verschickte
seine Sekretärin die Telexe an der großen Maschine. Gewohnt
haben im Klenderhof nur Gäste. Und auf der Terrasse mit Blick
übers Watt, neben dem Helikopterlandeplatz, wurde in Korbsesseln die Welt bewegt.
Dann begann die Hatz. Die 68er-Revolte mit ihrem Feindbild
Springer. Am 2. August 1973 meldete der „Stern“, dass sich der
ehemalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller im Klenderhof einquartiert habe. Drei Tage später brannte das Anwesen.
Wohl in der irrigen Annahme, dass es sich um das Privathaus
des Verlegers handele, war es angezündet worden, Schiller
hechtete aus einem Fenster in Sicherheit, nach zweieinhalb
Stunden war das Feuer unter Kontrolle, ein Millionenschaden.
Ein offensichtlich politisch motivierter Anschlag – die Brandstifter wurden nie gefasst, doch Axel Springer ließ das Anwesen
selbstverständlich wieder aufbauen.
Aber die Saat des Hasses ging auf. Nirgends konnte der Verleger mehr ohne Bewachung sein. Nicht einmal im friedvollen
Kampen, wo einst auch Ulrike Meinhof gern an Buhne 16 gedöst hatte. Gerade dort schmerzte es ihn besonders. Plötzlich
war weiter Horizont verboten. Er durfte, aus Sicherheitsgründen, nicht mehr am Fenster sitzen.
Er hatte gelernt, mit der Bedrohung umzugehen. Aber nicht
auf Sylt. „Hier muss ich frei sein, ohne Bewachung!“, rief er mit
Schmerz. Und verließ die Insel. Für immer. Verkaufte allen
Privatbesitz. Zum Schnäppchenpreis. Auch die riesigen Heideflächen. Alles an den inzwischen verstorbenen Berliner Architekten Karl Hermann Karbig, der damit den Kampener Immobilienmarkt vergoldete. Nur Friede Springer behielt die kleine
Wohnung, sein erstes Geschenk an die Seelenverwandte, direkt
am Strand von Sylt, in der sie seit Langem wieder ihre Sommerferien verbringt. Das sichere Gut Schierensee in SchleswigHolstein, das Springers 1968 gekauft und vier Jahre bis zum
Originalzustand saniert hatten, wurde fortan sein Sylt-Ersatz,
sein Norden. Dort durfte er am Fenster sein. Dort galt für ihn
Inga Griese
noch: Rüm Haart, klaar Kiming.
ANNETTE LEDERER (4)
Im Sommer das
Büro auf Sylt
Rüm Hart. Klaar Kiming. Weites Herz und klarer Horizont. Das
ist der alte Wahlspruch der Friesen, er flattert auf vielen Flaggen im Wind der nordischen Inseln. Er hätte auch von Axel
Springer stammen können. Auf Sylt erlebte er schon als junger
Mann in den 30er-Jahren unbeschwerte, inspirierende Freiheit,
lange bevor dem Eiland das Etikett der Schönen und Reichen
angepappt wurde. Nicht, dass es dort oben keine Nazis gab,
aber sie verdarben der „Swing-Jugend“ nicht den Spaß. Jenen
jungen Leuten aus gutbürgerlichen Hamburger Verhältnissen,
die ein Faible für die „entartete“ Musik hatten, die sich auch
optisch mit ihrem britischen Look und Habitus absetzten von
großdeutscher Miefigkeit. Und eben im Sommer auf Sylt bestens „in the Mood“ waren. Sie machten im Westerländer Trocadero die Nächte zu Tagen. Ihr Star war Teddy Stauffer (s. S. 14),
Musiker und ein Kumpel von Axel, zusammen fuhren sie auf
die Insel der Dichter, Denker und damals schon: Nackten. In
Kampen trafen lange schon sich Künstler aller Genres, um
elementare Natur und ausgelassene Geselligkeit zu erleben.
Gleich nach dem Krieg fuhr Springer wieder hoch, traf auf
den Publizisten und späteren ersten „Welt“-Chefredakteur
Hans Zehrer. Das jodhaltige Klima war nicht gerade ideal für
dessen Frau, die an einer Überfunktion der Schilddrüse litt,
aber nach dem Schreibverbot durch die Nazis hatte sich der
Journalist auf Sylt in „innerer Emigration“ als Reitlehrer und
Buchautor eine Existenz sichern können. 1947 lernten sich der
alte Zeitungshase und der junge, ambitionierte Verleger kennen, in langen Gesprächen berieten die beiden Männer, wie
Zeitungen in den nun grundlegend anderen deutschen Nach-
39
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Bilder aus unbeschwerten
Tagen: 1970 begleitete die
Fotografin Annette Lederer
Axel Springer auf seinen
Wattwanderungen und Strandspaziergängen auf Sylt.
Dort erholte er sich vom Alltag,
trug legere Polohemden und
ließ sich bräunen
VERLAGS-SONDERAUSGABE
40
100 JAHRE AXEL SPRINGER
ANNETTE LEDERER; PONTIFICIA FOTOGRAFIA FELICI
Der Blick geht nach
innen: Springer in
Kampen auf Sylt.
Müde sieht er aus und
nachdenklich. In den
letzten Jahren seines
Lebens wird die Frage
nach dem, was zählt,
immer wichtiger
Klöster, Klausen und andere Rückzugsorte
Suche nach
dem Sinn
Anfangs faszinierte Axel Springer die Astrologie,
später begeisterte ihn das Johannes-Evangelium
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Das Jahr, in dessen Verlauf Axel Springer sterben sollte, hätte
nicht schlechter beginnen können. Anfang 1985 wurde sein Enkel aus dem Lyceum Alpinum im schweizerischen Zuoz entführt. Das Ganze ging unblutig aus, die Täter wurden gefasst.
Doch der Verleger erfuhr noch einmal, wie verletzlich er war.
Und wenn man ihn nicht treffen konnte, traf man seine Familie.
Oder seinen Besitz – wie beim Brandanschlag auf den Klenderhof 1973 auf Sylt. Nach der Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer soll er zeitweilig eine Kapsel
mit Zyankali um den Hals getragen haben – „weil ich Schmerzen
schlecht ertrage“, zitiert der Biograf Hans-Peter Schwarz. Angesichts solcher Bedrohungen drängte sich eine Frage geradezu
auf: Wozu das alles also noch?
Studiert man allerdings die Dokumente zu Springers Leben,
fällt auf: Die Krisen, die Zweifel, der stets wiederkehrende
Wunsch nach Rückzug – das alles waren ständige Begleiter. Die
Suche nach dem Sinn des Lebens begann nicht erst mit beruflichen Rückschlägen und auch nicht mit der Selbsttötung seines
Sohnes Axel Springer jr. 1980, bekannter unter seinem Pseudo-
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
Patmos als
Zufluchtsort
hatte. „Mein weltlicher Beruf“, schrieb er Anfang 1981 erneut an
Jungclaussen, „zieht mich immer wieder vom intensiven Gebetsleben ab.“
Fand der Mensch Axel Springer dennoch am Ende zu seinem
Frieden? Fast scheint es so. Seine Frau Friede Springer sei bis zu
seinem letzten Atemzug an seiner Seite geblieben, schreibt
Hans-Peter Schwarz in seiner Biografie über den Verleger.
„Springers letzte, von ihr überlieferte Worte auf die Frage, wie
es ihm gehe, waren: ‚Es könnte nicht besser sein.‘“ Björn Engel
Papst Paul VI. gewährte dem
Verleger im April 1977 eine
Privataudienz im Vatikan
GRUSSWORT
JOBST SCHÖNE
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Ich hatte ein sehr negatives Bild von Axel Springer, ehe ich ihn kennenlernte.
Dann kam er zu mir, bat um Aufnahme in meine Gemeinde, in die lutherische Kirche, die er in Berlin bei den sogenannten Altlutheranern wiederfand.
Ich schaltete innerlich auf Abwehr. Aber als er vor mir stand, war alles anders. Anders der Mensch, der vor mir stand: offen, strahlend, warmherzig,
wissbegierig, von einer unbeschreiblichen Ausstrahlung. Und er suchte Hilfe.
Das war ein anderer Springer, als ich erwartet hatte. Alle meine Vorbehalte
und Vorurteile waren dahin. Er tickte eben ganz anders. Reich war er, ja, aber gab davon mit
vollen Händen ab. Er las die Bibel und kannte erstaunlich viel von Luther. Er redete offen von
seinem Glauben. Was ich am meisten an ihm bewunderte: Er konnte die (sicher vielen) Fehler,
die er in seinem Leben gemacht hatte, einsehen, sich ändern, Gott um Vergebung bitten. Er
wurde und blieb ein bewusster Christ. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt
gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Mit diesem Wort aus dem Evangelium
war er konfirmiert worden. Er hat es nie vergessen. „Man spricht von ihm als einem großen
Mann“, sagte ich in meiner Predigt im Trauergottesdienst. „Am größten, denke ich, war er,
wenn er als Christ vor seinen Gott trat, vor ihm die Knie beugte, Vergebung zu erbitten und zu
empfangen am Altar seiner Kirche im Sakrament, das uns Christus gestiftet hat.“
Jobst Schöne ist emeritierter Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
und hatte seine Pfarrstelle von 1962 bis 1985 an der St. Mariengemeinde Zehlendorf
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Wir gratulieren zum
100. Geburtstag
von Axel Springer
[ [ [ F F Q H I W M K R H I
nym Sven Simon. Die Entschlüsselung der Mysterien des Daseins haben Springer seit seiner Jugend beschäftigt. Anfangs war
es die Astrologie, später die Bibel, die der Verleger gegen die
Unwägbarkeiten des Lebens zu Hilfe rief. Besuchte er in der Zeit
des Aufstiegs häufiger die Hamburger Astrologin Ina Hetzel,
wurde der Evangelist Johannes zum Fixstern seiner späten Jahre. Die beliebten Horoskope in vielen heutigen Magazinen sind
ohne das mediale Zutun Axel Springers, der sie von Beginn an in
viele seiner Publikationen einstreute, kaum denkbar. Die Hinwendung zur Bibel dagegen sollte für den Lutheraner, der Sympathie für gewisse Aspekte des Katholizismus empfand, rein
privater Natur sein: „Heute eine ernsthafte Anfrage: Was muss
ich anstellen, um vom Papst empfangen zu werden?“, schrieb er
1955 an seinen Freund Kaye Sely. „Dieser Wunsch hängt natürlich überhaupt nicht mit meiner Zeitungsarbeit zusammen.“
Seit 1946 kannte Springer den einstigen Major Kaye Sely, der
in der Berliner Zentrale für die politische Überprüfung der Lizenzbewerber und Journalisten zuständig war. Man darf sich
von dessen barschem Ton gegenüber Springer nicht täuschen
lassen, wenn er zehn Jahre später, nachdem er die jüngsten
Krankheitsgeschichten des Verlegers in einem Brief aufgezählt
hat, diesen fragt: „Beherrschen Sie das Geschäft oder dominiert
der Laden Sie?“ Von den Berliner Verlagsplänen des Hamburger
Verlegers wollte der Freund damals nichts wissen: „Sie sollten
sich vielmehr angelegen sein lassen, wie Sie Ihr Leben geruhsam
genießen können, statt wie Ihr Geschäft weiter auszubauen
wäre.“
Aber Springer war ein Getriebener, Ruhe war seine Sache
nicht. Sein Haus auf der Berliner Prominenten-Insel Schwanenwerder sollte er später zwar „Tranquillitati“ („der Ruhe gewidmet“) nennen, auch auf seinem Gut Schloss Schierensee hatte es
einstmals einen gleichnamigen Pavillon gegeben – aber all das
war eher ein Ausdruck dessen, wonach er sich sehnte, nicht,
wonach er lebte. Entsprechend burschikos antwortete er auf die
freundschaftlichen Vorhaltungen Selys: „Ich selten dämliches
Wirtschaftswunder habe ein gesundes Herz.“ Was nicht gesund
sei, sei das Gefäßsystem. „Auf Ihre alberne Frage, ob ich das
Geschäft beherrsche oder das Geschäft mich, habe ich mir heute
Reitstiefel angezogen. So flaniere ich durch alle Abteilungen und
herrsche offensichtlich. So stellen Sie Ahnungsloser sich doch
wohl einen echten Wirtschaftswunderling von 1955 vor?“
Springer wusste aber durchaus, was ihn der Aufstieg gekostet
hatte. An Wolfgang Köhler, damals Korrespondent für das
„Hamburger Abendblatt“ in New York, schrieb er: „Wir alle,
lieber Herr Köhler, sind ein wenig am Rande unserer Kräfte (…)
Die Nachkriegsjahre haben alle, die ganz aus sich herausgegangen sind, gefährlich geschwächt.“
Nimmt man zu den Phasen großer Erschöpfung die erst 1969
entdeckte Schilddrüsen-Unterfunktion hinzu, ließe sich manche
Stimmungsschwankung, mancher depressive Schub, mancher
Überdruss und die daraus folgende Hinwendung zu den Sinnfragen wenigstens zum Teil psychosomatisch erklären. Aber
eben nur teilweise. Es bleibt eine große Offenheit des Verlegers
bezüglich spiritueller Quellen, die keine Hormon- oder Stoffwechselstörung hinreichend erklären kann. Ein entscheidender
Antrieb seines Lebens war die Frage: Warum bin ich hier?
Im Verlag hingegen war er im zunehmenden Alter immer
seltener. Ein kleines Häuschen auf der griechischen Insel Patmos, auf der der Evangelist Johannes seine „Apokalypse“ geschrieben hatte, wurde sein Refugium. Einem seiner Seelsorger,
Emmanuel Jungclaussen, teilte er im
Juli 1984 mit: „Nach 11
Wochen Aufenthalt
auf Patmos habe ich
offensichtlich meinen
quälenden Virus verloren. Ich sitze jetzt in Klosters zur Nachkur und vertraulich:
Ich weiß gar nicht, ob ich jemals wieder meine Arbeit aufnehmen will. (…) Ich hoffe sehr, im Herbst dieses Jahres noch einmal auf die Insel des Johannes gehen zu können. Manchmal
denke ich, dass das der einzige Platz auf der Welt ist, wo ich
wirklich Ruhe finde.“
In Decken gehüllt habe der nunmehr stets Fröstelnde in der
Sonne gesessen, schrieb Friede Springer in „Letzte Heimkehr
nach Berlin“ über ihren Mann auf Patmos. Er „trug zwei Pullover und las, meist religiöse Bücher“. Aber er las nicht nur. Er
betete auch viel in seinen letzten Jahren. 1979, ein Jahr bevor
sich sein Sohn umbrachte, schrieb er nach einem mehrtägigen
Aufenthalt im Benediktinerkloster im bayerischen Niederaltaich
an den Abt Jungclaussen: Er habe die Bedeutung der Benediktinerregel „ora et labora“ („bete und arbeite“) für sich entdeckt.
„Immer mehr sehe ich in diesem Anruf meine Lebensregel.“ Er
erkannte, dass „Arbeiten allein in die Verzweiflung führt“. Ein
Jahr später war sein ältester Sohn tot und Springer fragte sich,
ob er sich der inneren Einkehr tatsächlich genug zugewendet
41
VERLAGS-SONDERAUSGABE
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
42
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Freiheitskämpfer
Journalist
Unternehmer
www.meilensteine.axelspringer.de
Vermächtnis
Die Frau an seiner Seite
Ab 1968 begleitete Friede Riewerts den Verleger durch
das Leben. Im Januar 1978 wurde sie Axel Springers
fünfte Ehefrau. Heute ist sie Mehrheitsaktionärin
des Medienkonzerns. Neben ihrer Funktion als
stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats leitet
Friede Springer verschiedene Stiftungen.
Seiten 42-43
Einheit in Freiheit
Vier Präambeln hat Axel Springer für den Wertekompass
seines Hauses formuliert. Das Streben nach der deutschen
Einheit in Frieden und Freiheit, an die der Verleger unbeirrbar glaubte, wurde nach dem Vollzug am 3. Oktober
1990 um den Gedanken des unbedingten Eintretens
für den freiheitlichen Rechtsstaat Bundesrepublik
Deutschland und des Wirkens für den europäischen
Einigungsprozess erweitert.
Seiten 44–47
GRUSSWORT
RICHARD VON
WEIZSÄCKER
PA/SVEN SIMON
Axel Springer war ein großer Journalist, ein großer Unternehmer, ein großer Patriot. Mit Dankbarkeit und hoher
Achtung denke ich an die gemeinsame
Zeit mit ihm in Berlin, ihm, dem selbstständig denkenden, freiheitlich orientierten Mann aus Hamburg. Dort hatte er die freiheitliche Presse
unter anderem mit dem „Hamburger Abendblatt“ geschaffen. Es
folgte seine kluge Reaktion auf das optische Zeitalter mit „Bild“ –
Seite 1 das Bild, Seite 2 der Text. Und dann das große deutsche Blatt
„Die Welt“. In den Blättern ging es ihm einerseits um klare politische
Leitlinien, zugleich um den moralisch-seelischen Charakter der
Leser. Dank seiner historischen Kenntnisse lag ihm entscheidend an
der uneingeschränkten Einsicht über Gründe, Grausamkeit und
Konsequenzen des Holocaust. Stets bekannte sich Axel Springer zu
einer ganz engen Bindung an Jerusalem. Er war ein Vorkämpfer für
den Weg zu einer deutschen Einheit. Als in Berlin die Mauer gebaut
wurde, antwortete Springer mit seinem „Aussichtsturm“ in der
Mitte der Stadt und dadurch mit dem Überblick über das Ganze.
Auch wenn Springer selbst es nicht mehr erleben durfte, war er
doch mit seinem Wirken zentral dafür, dass Berlin nach dem Fall der
Mauer wieder zur Hauptstadt des vereinigten Deutschlands werden
konnte. Stets trat Springer für die Freiheit seiner Journalisten ein. Es
gab mehr als einen Versuch, ihn zu einer Beeinflussung einiger
Gedanken und Texte seiner Mitarbeiter zu bewegen. Das war jedoch
immer vergeblich. Axel Springer war ein Vorkämpfer, wo immer es
um Beseitigung der Zensur der Medien ging. Ohne Pressefreiheit ist
die Demokratie bankrott, so dachte er und so entsprach es seinem
Handeln. Unsere Demokratie ist das zentrale politische System. Es
gilt, lernfähig zu werden und zu bleiben. Unsere Schwächen bleiben
der öffentlichen Kontrolle ausgesetzt. Nur so gelingen Reformen.
Nur so bleiben wir zum friedlichen Wechsel fähig, zu dem System, in
dem wir unsere Freiheit finden. Um diese Freiheit hat Axel Springer
sein Leben lang gekämpft. Dafür danken wir ihm und bleiben ihm
mit ehrendem Gedenken verbunden.
Richard von Weizsäcker war von 1981 bis 1984
Regierender Bürgermeister von Berlin und von
1984 bis 1994 Bundespräsident
Jüngst sah man bei Joachim Gaucks Wahl zum Bundespräsidenten Friede Springer und Alice Schwarzer zusammenstehen. Beides Wahlfrauen für die CDU. Die mächtige Verlegerin und die
wortgewaltige Feministin. Ein deutscher Moment, denn beide
sind sie emanzipiert und erfolgreich, sind ihren Weg gegangen
und haben sich nicht beirren lassen, haben Mut, Willen und
Durchsetzungsvermögen gezeigt, waren „beseelt“. Dabei hatte es
Friede Springer sicher schwerer als Alice Schwarzer, die auf den
Wogen des linken Zeitgeistes schwamm, während Friede Springer sich für das Leben mit einem Mann entschied, der diesem
Zeitgeist aufs Energischste Paroli bieten wollte und darin seine
Erfüllung fand.
Natürlich kann sich niemand vorstellen, in welche Bahnen das
eigene Leben geraten wird, doch als Friede Riewerts sich 1965
im Hamburger Hause des Verlegers Axel Springer als Kindermädchen vorstellte, muss sie gespürt haben, dass von nun an
alles anders würde. „Ich stand in der apfelgrünen Halle des Hauses und er kam die Treppe herunter.“ Lange musterte der Verleger sie, sehr lange. Sie vergaß diesen ersten Blick nicht. Axel
Springer hatte sich, wie sich später herausstellen sollte, sofort in
die anmutige junge Frau von der Nordseeinsel Föhr verguckt, er
hatte ein Auge auf sie geworfen. Sie war hübsch, mit langen
blonden Haaren, sie liebte Miniröcke, die Beatles (besonders
„Yesterday“), Partys. Und war somit ein Kind der unbeschwerten und fröhlichen 60er-Jahre, bevor dann der große Kehraus
der 68er begann. Friede Springer war eine Gestalt des klaren
Nordens mit einem zauberhaften friesischen Akzent, eine aparte
Schönheit. Aber sie hatte noch nicht viel gesehen von der Welt
außer ihrer Insel und dem liebevollen Elternhaus. Alles dort
hatte sich um den
Gärtnereibetrieb,
bestehend aus Baumschule und Rosenzucht, gedreht. Wohl
wollte sie lernen,
wachsen, belegte Steno- und Englischkurse und hatte schon als
Kindermädchen beim Kieler Bürgermeister Hans Müthling
Einblicke in die urbane bürgerliche Welt jener Zeit gehabt. Doch
noch war sie anscheinend „schüchtern, still, zurückhaltend“, wie
sie jüngst sagte.
Manchmal steht sie am Fenster ihres Büros im Berliner Verlagshaus, das auch das Büro ihres Mannes war, und schaut nicht
nur auf eine lebendige, boomende Stadt, sondern auch auf ihr
ereignisreiches Leben zurück. Friede Springer lernte ihren
Mann mit 23 Jahren kennen. Da war er in vierter Ehe verheiratet und steuerte schon auf eine neue Scheidung zu. Ihre Ehe,
die fünfte, sollte am längsten halten. 20 Jahre war sie „Die Frau
an seiner Seite“ und findet auch heute noch nichts verwerflich
an dieser Formulierung. Sie war 30 Jahre jünger, man kann
sagen, sie ging bei Axel Springer in die Schule. Sein Leben war in
der Tat damals größer, dominanter, von Erfahrung und Erfolg
gesättigter als ihres. Mitte der Sechziger war er mehr als nur ein
gemachter Mann, er war ein Gigant, als Verleger ein „König
Midas“, wie die Ullstein-Familie einmal sagte. Was er anfasste,
wurde zu Gold. Friede Springers Demut war wohlbegründet.
Lange gleichwohl hatte Axel Springer um sie geworben wie ein
junger Mann, geduldig, vorsichtig, galant. Bevor sie 1978 heirateten, lebten sie elf „wilde“ Jahre zusammen. Sie bekannten
sich zueinander, ohne verheiratet zu sein. Nie gab er ihr das
Gefühl, nur eine Affäre oder seine Geliebte zu sein.
So kann man sagen, sie hat sich auf dieses Abenteuer mit dem
bedeutend älteren Mann eingelassen, ohne sich zu unterwerfen,
wie Feministinnen immer gleich unterstellen. Nein, diese beiden
hatten sich gefunden, zwei, die sich selbst genügten, die gemeinsam auf Reisen gingen, gemeinsam Bücher lasen, von morgens
bis abends über den Verlag sprachen. „Das kannte er nicht, dass
sich jemand derartig mit ihm auseinandersetzte und beschäftigte.“ Für ein Kind war in dieser Welt kein Platz. Ihr Mann bestand auf ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit. Der Verzicht fiel
ihr sehr schwer, doch sie genoss das Leben mit ihm. „Er hatte
diesen feinen, besonderen englischen Humor. Er konnte unglaublich gut erzählen. Und er konnte verdammt gut tanzen. Mit
so einem Mann zusammenzuleben, das war für mich ein einziges Geschenk.“ Ihrer Zuneigung zu Kindern frönt sie heute so,
nennt elf Patenkinder ihr Eigen.
Schon der Kampf mit den Studenten („Enteignet Springer“)
hatte an den Kräften des Verlegers gezehrt. Er musste geschäftliche Einbußen hinnehmen, wurde zum Feindbild nicht nur der
Still und
zurückhaltend
Porträt
Fra
100 JAHRE AXEL SPRINGER
43
VERLAGS-SONDERAUSGABE
Friede Springer, hier im Journalisten-Club des Berliner
Verlagshauses vor dem Porträt ihres verstorbenen
Mannes, hat sehr lange um Axel Springer getrauert.
Ihre Lebensfreude verlor sie jedoch nicht
Linken, sondern auch von Kollegen wie Augstein („Spiegel“) und
Bucerius („Zeit“) bekämpft. Dann kamen die Siebziger mit ihren
Bedrohungsszenarien durch den Terrorismus der RAF. Auch die
Springers standen unter Polizeischutz, mussten ihr Anwesen
Tranquillitati auf Schwanenwerder aus Sicherheitsgründen verlassen, den Mord am Freund Jürgen Ponto erleben. In dieser
Zeit tröstete sie ihren Mann viel. Seine Gesundheit war da schon
geschwächt. „Friede soll alles wissen“, meinte Axel Springer zu
seinen Geschäftspartnern. Ob er damals schon ahnte, wie alles
kommen würde nach seinem Tod? Vollends aus der Bahn warf
ihn der Selbstmord seines ältesten Sohnes Sven-Simon (Pseudonym von Axel Springer jr.), einem erfolgreichen Fotografen, der
sich 1980 mit nur 38 Jahren das Leben nahm. Von da an zog er
sich noch mehr aus dem Verlag zurück, las religiöse Bücher und
kränkelte. Friede Springer kümmerte sich, am Ende pflegte sie
ihn auch, bis es nicht mehr ging. „Ich wollte meinem Mann
Gutes tun. Ich weiß, das ist sehr schwer zu erklären, aber ich
habe mich deswegen doch nicht aufgegeben!“
Als Axel Springer starb, war er gerade 73 Jahre alt. Sie war
allein. Niemand traute der jungen Verleger-Witwe zu, sein Erbe
anzutreten. „Du machst das schon, Friede“, hatte ihr Mann zu
ihr gesagt. Und sie machte. Musste Erbstreitigkeiten mit der
weitverzweigten Familie klären und erkennen, dass es keinen
Familienzusammenhalt gab. Sie war einsam auf weiter Flur,
denn auch im Verlag kochte so mancher sein Süppchen. Auch
ihre externen Gegner waren nicht ohne, denkt man an Leo
Kirch oder Rupert Murdoch. Friede Springer rettete und hütete
das Lebenswerk ihres Mannes in diesen Jahren, sie erwarb die
Mehrheit am Aktienpaket zurück. Sie sagt selbst, sie wollte es
wissen. Mutig sei sie nicht, aber es habe sie gereizt, diesen
Kampf aufzunehmen. Der Gedanke an ihren Mann hat ihr Kraft
gegeben. Bei Verhandlungen schaute sie auf seine Fotografie und
er sprach: „Mach weiter.“
Die Jahre bis in die Neunziger lesen sich wie ein Wirtschaftskrimi. Friede Springer ist immer von den Männern unterschätzt
worden und man kann sagen, dass das nicht von Nachteil war.
Irgendwann hat sie darüber lachen können, es stört sie jedenfalls nicht mehr. Ihr stilles Durchsetzungsvermögen, ihre strategische Klarheit erwiesen sich als erfolgreicher als alles Lavieren
und Intrigieren, das in manchen Kreisen üblich ist. Doch ihr
Erfolg rührt von mehr. Sie ist aufrichtig, authentisch und willensstark. Nichts würde sie um des Scheines willen schönreden
wollen. Immer will sie zum Wahrheitskern vorstoßen. Sie ist
trotz allen Erfolges bescheiden geblieben, ohne das Wort spießig
zu finden. Denn natürlich mag sie die Vorteile, die ihr das Leben
als Wohlhabende bietet. Aber in Maßen, mit Disziplin. Das ist
die alte Schule, auch ein Erbe des so liebevollen wie strengen
Elternhauses auf Föhr. Gärtner bleiben bodenständig. Eine Friede Springer fährt keinen Porsche. Der VW tut es auch. Lieber
unauffällig leben, dafür aber frei.
Sie mag das Wort „Fortüne“. Wie ihr Mann habe sie auch
Fortüne gehabt. Er hat alles erfunden, sie versucht, alles zusammenzuhalten. So sind sie auch heute noch im Geiste ein
Paar und es wundert nicht, dass der vor so langer Zeit Verstorbene seiner Frau immer noch gewärtig ist,
ohne dass es seltsam
anmutet. Wohl stehen
auf seinem Grab die
Blumen und es ist gut,
dass es diesen Ort
gibt, den sie manchmal besucht. Und im Verlag, in den Friede
Springer jeden Tag morgens mit Freuden kommt und den ihr
Mann direkt an der Sektorengrenze bauen ließ, womit er die
„DDR“ provoziert hat, ist Axel Springer lebendig. Oben im Journalisten-Club stehen stets frische Blumen vor seinem Porträt.
Sie hat lange getrauert, sehr lange. Aber eine ewige Witwe ist sie
nicht. Friede Springer genießt ihr Leben, geht gerne auf Reisen,
pflegt diverse Freundeskreise, simst mit der Kanzlerin, die sie in
ihrer Ausdauer und Gelassenheit bewundert, engagiert sich in
ihren Stiftungen, ist brennend interessiert an Medizin und Naturwissenschaften, liest ungeheuer viele Bücher.
Im Jahr, in dem man den 100. Geburtstag Axel Springers feiert, wird Friede Springer 70. Wie sie da steht, grazil, die gleiche
Figur wie eh und je, ein waches, ja kesses Lächeln auf den Lippen, weiß man: Diese Frau ist mit ihrem Leben zufrieden. Sie ist
ihren Weg gegangen. Und manchmal tänzelt sie ihn auch.
Andrea Seibel
Axel Springer
bleibt gegenwärtig
Mit stillem Durchsetzungsvermögen
hütet Friede Springer das
Lebenswerk ihres Gatten
RETO KLAR
au mit Fortüne
VERLAGS-SONDERAUSGABE
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
Wertekompass
Leitlinien für
Journalisten
Vier Präambeln hat Axel Springer für die journalistische Arbeit in seinem Haus definiert, eine
weitere ist nach dem 11. September 2001 hinzugekommen. Wie werden die Präambeln in den
Redaktionen gelebt? Bieten sie Orientierung? Motiviert die Transparenz zu einer klaren, liberalen Haltung? Sind sie eine Selbstverständlichkeit? Schränken sie die Meinungsfreiheit ein?
Als einziges unabhängiges Medienunternehmen besitzt die Axel Springer AG eine Unternehmensverfassung. Der Gründer wusste um die besondere Verantwortung seiner Medien: Axel
Springer formulierte vier Grundsätze für die publizistische Arbeit seines Hauses und stellte sie
am 26. Oktober 1967 im Hamburger Übersee-Club vor. Nach der deutschen Einheit 1990 wurde
die Ursprungsfassung angepasst (Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas)
und nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 als sichtbares Zeichen der
Solidarität ergänzt (Unterstützung des transatlantischen Bündnisses).
Der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner erläutert Axel Springers Werteorientierung: „Medien haben eine große Verantwortung gegenüber Einzelnen – und gegenüber der Gesellschaft
insgesamt. Die Geschichte lässt Zweifel daran aufkommen, ob die Medien unseres Landes dieser besonderen Verantwortung immer in ausreichendem Maße gerecht geworden sind.“ Überlegungen in diese Richtung hätten Axel Springer veranlasst, die vier Essentials für die publizistische Arbeit seines Hauses zu formulieren. Der Verleger bezeichnete sie als „Pflöcke, die gesteckt sind, zwischen denen sich die journalistische Individualität und das fachliche Können
unserer Redakteure, Reporter, Leitartikler und Korrespondenten entfalten kann“.
PA/WOLFRAM STEIN
Die Unternehmensverfassung
der Axel Springer AG
Wichtige Grundsätze für
verantwortungsvollen Journalismus
F
reiheit gibt es nur dann, wenn sie in Anspruch genommen wird. Der Wunsch nach Freiheit hat etwas Unbedingtes, auch etwas Unbändiges. Schlüge er nicht manchmal über die Stränge, dann stünde es schlecht um ihn. Und was
für die Freiheit gilt, gilt ebenso für einen Teil von ihr, für die
Freiheit der Meinung. Sie verträgt keine Gängelung, keine obrigkeitlichen Einschränkungen, keine Fesseln.
Ist es ein Verstoß gegen diese Grundregel der offenen Gesellschaft, wenn sich der Axel Springer Verlag Leitlinien gegeben
hat, gegen die kein Journalist des Hauses ungestraft verstoßen
darf? Ist es unfreiheitlich, wenn wir etwa angehalten sind, für
den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland einzutreten oder
die Lebensrechte des israelischen Volkes und das transatlantische Bündnis zu unterstützen? Verlassen wir damit den Pfad
eines ergebnisoffenen Journalismus? Oder: Warum eigentlich
soll es untersagt sein, die Einigungsbemühungen der Völker
Europas nicht zu unterstützen?
Journalismus ist nicht Kunst. Diese kann von der Provokation
leben, Journalismus nicht. Journalisten tun gut daran, wider
den Strom zu schwimmen, Dogmen zu hinterfragen und dem
Mainstream nicht zu folgen. Es könnte alles auch anders sein:
Es ist eine journalistische Tugend, das nie zu vergessen.
Doch es ist ebenso eine journalistische Tugend, verantwortlich
zu handeln. Wenn es auch nur annähernd stimmt, dass die
Presse die vierte Macht im Staate ist, dann heißt das auch: Sie
ist keine Privatveranstaltung, sie ist sowohl gegenüber ihren
Kunden, den Lesern, wie auch gegenüber dem Gemeinwesen
insgesamt und seiner Geschichte in der Pflicht. Es steht nicht
im Widerspruch zur Freiheit, sich auf Werte zu verständigen
und sie zu achten.
Es macht das große Glück der Deutschen aus, dass es ihnen
nach der selbst verschuldeten Nazi-Barbarei gelungen ist, und
zwar keineswegs aus eigener Kraft allein, das beste Gemeinwesen zu schaffen, das es je auf deutschem Boden gegeben hat.
Dass Recht und nicht Willkür herrscht; dass Europa dauerhaft
kein Kriegsschauplatz mehr ist; dass es einen jüdischen Staat
gibt und – trotz des Holocaust – wieder ein jüdisches Leben in
Deutschland; dass uns Amerika, das entlaufene bessere Europa,
nach dem Zweiten Weltkrieg geholfen und die Bundesrepublik
unversehrt über den Kalten Krieg gerettet hat; dass der Totalitarismus, der immer mit der süßen Versuchung der einfachen
Lösung aufwartet, in jeglicher Ausformung ein Übel ist; und
dass nur eine Wirtschaft, die nicht gegängelt, wohl aber verantwortungsbewusst ist, gutes Leben ermöglicht: Das alles sind
Einsichten und Gewissheiten, die Lehren aus dem unseligen
Teil unserer Geschichte enthalten und so etwas wie die Quintessenz unserer glücklichen Nachkriegsgeschichte darstellen.
Nichts ist ewig auf der Welt, das aber sollte schon so haltbar
wie irgend möglich bleiben. Sich darauf zu einigen, sich darauf
zu verpflichten – das hat nun wirklich nichts mit Gängelung zu
Thomas Schmid, Herausgeber der „Welt“-Gruppe
tun.
100 JAHRE AXEL SPRINGER
Unternehmensgrundsätze bei Axel Springer
Werteorientierung
Fünf gesellschaftliche Richtlinien, die jeder
Redakteur unterschreiben muss, stehen für
ein freiheitliches Weltbild
Die fünf gesellschaftspolitischen Unternehmensgrundsätze, vier davon 1967 von Axel Springer formuliert, nach der Wiedervereinigung 1990 geändert und 2001 – nach dem Terror des 11. September – ergänzt, sind Bestandteil der Unternehmenssatzung. Diese Richtlinien sind für jeden Redakteur bei Axel
Springer verbindlich und stehen in jedem Arbeitsvertrag. Sie beschreiben ein freiheitliches Weltbild:
Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat
Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und
die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas
Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und
Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der
Lebensrechte des israelischen Volkes
Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die
Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den
Vereinigten Staaten von Amerika
Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus
Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft
In „An meine Kinder und Kindeskinder“ schrieb der Verleger 1981, er sehe in den Grundsätzen „eine Art
Magna Charta, eine Wertorientierung für die publizistische Arbeit meines Hauses und seiner Mitarbeiter. Diese politisch-moralische Wertorientierung hat mir die volle Hingabe an den Journalismus und
den Beruf des Verlegers wieder ermöglicht. Sie machte aus Beruf Berufung, aus Zeitungslust Zeitungsnutz; und gibt Sinn und Rechtfertigung dafür, in einer verwirrten, von Krisen geschüttelten, wert- und
leistungsabgewandten Welt für diese Prinzipien mit dem freien Wort zu kämpfen.“ Die Risiken und
Probleme zu bewältigen, die ein weitverzweigtes Verlagshaus mit mehreren Tausend Mitarbeitern darstellt, sei nur gelungen, „weil ich nicht einen Augenblick den Glauben an meine Sache verlor und weil
ich mich bei der Auswahl meiner Mitarbeiter unbeirrt von meinen Prinzipien und meinem Gespür für
das Wesentliche leiten ließ“.
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
ONLINE-ANGEBOT
37 Meilensteine eines
bewegten Lebens
Als leidenschaftlicher Journalist, mutiger Unternehmer und visionärer Freiheitskämpfer
begleitete Axel Springer die Entstehung unserer Demokratie. Am 24. Januar, also exakt hundert Tage vor dem 100. Geburtstag des Verlegers am 2. Mai, startete unter www.meilensteine.axelspringer.de eine digitale Rückschau
auf wesentliche Meilensteine seines bewegten
Lebens. Bis zum 2. Oktober 2012, dem Vortag
des Jahrestages der Deutschen Einheit, präsentiert die Website wöchentlich jeweils dienstags einen neuen multimedialen Meilenstein.
Wie entstand Europas größtes Zeitungshaus? Warum wollte Axel Springer Berlin als
deutsche Hauptstadt und die deutsche Einheit
in Freiheit? Warum engagierte er sich für Israel? Wie erfand er die „Bild“-Zeitung? Warum
wurden das „Hamburger Abendblatt“ oder die
„Hörzu“ so schnell große Erfolge? Warum wurde er von seinen Gegnern kritisiert? Warum
prägt sein inhaltliches Erbe bis heute das nach
ihm benannte Medienunternehmen und die
deutsche Medienlandschaft? Diese und viele
andere Fragen beantwortet Woche für Woche
jeweils ein weiterer neuer Meilenstein aus dem
Leben Axel Springers. Die Serie bietet Wissenswertes, Kurioses und Überraschendes
über den Journalisten. Insgesamt 37 Meilensteine bilden eine bunte Auswahl, die weder
chronologisch noch vollständig sein will und in
der die kurzweilige Episode so wesentlich ist
wie das historische Ereignis. In Folge 16,
die am 8. Mai veröffentlicht wird, geht es um
die „Bild“-Familie.
Denn nicht nur die „Mutter“, die „Bild“-Zeitung,
schrieb Mediengeschichte, auch ihre Sprösslinge wie „Bild der Frau“, „Auto Bild“,
„Sport Bild“ oder „Computer Bild“ wurden
schnell Marktführer in ihrem jeweiligen Segment.
Natürlich sind weiterhin auch die früheren
Kapitel 1 bis 15 online, von der Verlagsgründung über die Geburtsstunde der „Hörzu“,
dem Mauerbau über Axel Springers Leidenschaft für die Musik bis zur Entscheidung,
nach Berlin zu gehen.
www.meilensteine.axelspringer.de
AXEL SPRINGER UND KAISERʼS –
TRADITION VERBINDET
100 Jahre Axel Springer und 115 Jahre Kaiser’s in Berlin:
Das bedeutet eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit
seit vielen Jahren! Springer und Kaiser’s stehen für zentrale
Werte wie TRADITION, QUALITÄT und INNOVATION –
Werte aus denen zahlreiche Synergien entstanden sind.
Bis heute sind die Prinzipien Axel Springers ebenso
grundlegende Prinzipien von Kaiser’s:
MENSCHEN ERREICHEN UND NÄHE SCHAFFEN!
VERLAGS-SONDERAUSGABE
„
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100 JAHRE AXEL SPRINGER
Ich glaube, wir sollten uns angewöhnen, in
längeren Fristen zu denken. Ja, ich sehe dieses Berlin
eines Tages wieder als die Stadt in Deutschland, die Hauptstadt in
Deutschland. Wenn Sie nun fragen, wann, dann würde ich sagen, ich fühle mich
gesund, dass ich wahrscheinlich noch sehr lange lebe, dass es durchaus zu meinen
Lebzeiten geschehen kann. Aber ich räume ein, dass Propheten den Nachteil haben,
sich zeitlich gelegentlich zu irren.
“
Axel Springer in einem Interview mit der Journalistin Renate Harpprecht
für den ARD-Film „Einige Tage im Leben Axel Springers“,
der am 22. Juni 1970 ausgestrahlt wurde
100 JAHRE AXEL SPRINGER
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VERLAGS-SONDERAUSGABE
Der „Balanceakt“ auf der Mauer
RETO KLAR
„Balanceakt“ heißt die Skulptur des deutschen Künstlers
Stephan Balkenhol vor dem Verlagsgebäude in BerlinKreuzberg. Mit ihr würdigte der Verlag 2009 den
50. Jahrestag der Grundsteinlegung und den 20. Jahrestag
des Mauerfalls. Im Herzen der Hauptstadt des vereinten
Deutschlands soll das Kunstwerk die Kraft von Freiheit
und Selbstbestimmung symbolisieren.
Media Markt feiert:
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