journalist unternehmer freiheitskämpfer
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AXEL SPRINGER JOURNALIST UNTERNEHMER FREIHEITSKÄMPFER Eine Verlags-Sonderausgabe der Axel Springer AG Großer Journalismus ist immer in Mode. 100 Jahre Axel Springer. 101 Jahre C&A Deutschland. C&A war gerade ein Jahr alt, als Axel Springer am 2. Mai 1912 geboren wurde. 1946 gründete er sein gleichnamiges Unternehmen, das heute mit mehr als 240 Zeitungen und Zeitschriften Deutschlands größtes Medienunternehmen ist. Wir denken gerne an den streitbaren Journalisten und erfolgreichen Unternehmer zurück und wünschen der gesamten Axel Springer AG weiterhin viel Erfolg. 100 JAHRE AXEL SPRINGER „ 3 VERLAGS-SONDERAUSGABE Wenn ich mich als Zeitungsmann auf die Journale verlasse, dann war der 2. Mai 1912 ein schöner Frühlings-Donnerstag. Um zehn Uhr kam ich zur Welt. Als Preuße, denn Altona war preußisch, und sein König war deutscher Kaiser in Berlin. Mein Vater war Besitzer einer bescheidenen Druckerei und eines Verlages, in dem eine Lokalzeitung, die „Altonaer Nachrichten“, herausgegeben wurde und in dem früher die Werke des deutschen Patrioten jüdischen Glaubens Gabriel Riesser, Vorkämpfer der Juden-Emanzipation und erster jüdischer Richter in Deutschland, erschienen waren. Bei meiner Geburt wurden keine Glocken geläutet, und ich erhielt auch keinen Wappenspruch. Als ein Mann, der sich den Künstlern der Sprache, den Dichtern, verbunden fühlt, ist mir natürlich bedeutsam, daß meine Mutter, eine begeisterte Goethe-Leserin und ein engagiertes Mitglied im Altonaer Goethe-Verein, nach glaubhafter Überlieferung im Wochenbett die „Wahlverwandtschaften“ gelesen hat. Auf alle Fälle hat sie, viele Jahre später, bei Beginn des „Tausendjährigen Reiches“, gern die Stelle daraus vorgelesen, die sich als so treffend erweisen sollte: „Diesem düsteren Geschlecht ist nicht zu helfen. Man muss nur meistenteils verstummen, um nicht, wie Kassandra, für wahnsinnig gehalten zu werden, wenn man das weissagt, was schon vor der Tür ist.“ Und dann fügte sie seit Januar 1933 immer ihre eigene Weissagung an: „Hitler, der Mann bedeutet Krieg, verlaßt euch drauf.“ (...) Übrigens hatte meine Mutter 1933 der „Berliner Illustrirten“ eine Aufnahme des damaligen Reichskabinetts entnommen, die sie aufbewahrte und im Laufe der kommenden Zeit der Familie unter die Augen hielt, wenn Hitlers Macht ins Unermeßliche zu wachsen schien. „Sehen so die Herren der Welt aus?“, fragte sie immer wieder. „Wartet noch ein bißchen.“ Und als 1945 englische Panzer über unser Grundstück in der Heide fuhren, trat sie in die Mitte der Familie, zerriß das Bild und meinte: „Was ich euch immer gesagt habe!“ Ich schaute sie an: „Du hast recht, Mutter.“ “ Axel Springer, Auszüge aus dem Privatdruck „An meine Kinder und Kindeskinder“ 1981 VERLAGS-SONDERAUSGABE 4 Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Inhalt 100. Geburtstag von Axel Springer Zum Jubiläum wurde diese Briefmarke herausgegeben Vorwort Beitrag des Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner .................................................... Seiten 4-5 Prolog Der Traum vom Mauerfall ................................................................. Seiten 6-9 Stilfragen Grenzenlos guter Geschmack ........................................................... Seiten 10-14 Erste Schritte Jagd nach der Lizenz Axel Springer kauft „Die Welt“ ............................................................. Seiten 16-19 „Bild“ Sprachrohr der Massen Seid nett zueinander .......................................... Seiten 20-25 Mauerjahre Der politische Verleger ...................................... Seiten 26-33 Versöhnung Axel Springer und Israel .................................... Seiten 34-37 Privatmann Urlaub von sich selbst Der Sinnsucher .................................................... Seiten 38-41 Vermächtnis Die Frau an seiner Seite Wertekompass..................................................... Seiten 42-47 LITERATURVERZEICHNIS: Wenn nicht anders vermerkt, wurde aus folgender Referenzliteratur zitiert: Hans-Peter Schwarz: „Axel Springer. Die Biographie“; „Axel Springer. Neue Blicke auf den Verleger“; „Axel Springer. Von Berlin aus gesehen. Zeugnisse eines engagierten Deutschen“; „Axel Springer. An meine Kinder und Kindeskinder“; „Axel Springer. Aus Sorge um Deutschland. Zeugnisse eines engagierten Berliners“; Leeor A. Engländer: „Der Ehrbare Kaufmann Axel Springer“. IMPRESSUM Eine Verlags-Sonderausgabe der Axel Springer AG für Berlin und Hamburg Eine Produktion der Redaktion Sonderthemen, Berlin Leitung: Astrid Gmeinski-Walter (V.i.S.d.P.), Klaus Ries (stellv.) Redaktion: Björn Engel, Matthias Billand, Jochen Clemens, Uwe Sauerwein; Gestaltung und Produktion: Sylvio Murer Fotoredaktion: Iris Hesse Unternehmensarchiv der Axel Springer AG: Rainer Laabs Titelfoto: Liselotte Strelow/VG Bild-Kunst, Bonn 2012 Anzeigen: Stephan Madel („Die Welt“, „Welt am Sonntag“, „Berliner Morgenpost“); Konstantin Rodeck („B.Z.“); Heiko Rudat („Bild“); Dirk Seidel („Hamburger Abendblatt“) Anzeigenkoordination: Stefan Buchholz, Alexander Kühl (Berlin); Carolin Karstens-Oliveira, Annette Wiese (Hamburg) Verlag und Druck: Axel Springer AG, www.axelspringer.de Redaktionsschluss: 22. April 2012; Veröffentlichung: 2. Mai 2012 Die Verlags-Sonderausgabe finden Sie im Internet unter www.axelspringer.de/100Jahre1 100 JAHRE AXEL SPRINGER Vorwort Journalist, Unternehmer, Freiheitskämpfer Wofür Axel Springer gestanden hat und warum seine Werte auch heute noch als Leitbild für das Unternehmen dienen / Ein Beitrag von Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG Axel Springer sagte in einer Rede aus Anlass des 30. Geburtstages des „Hamburger Abendblatts“ 1978: „Ich bekenne zwar, dass ich Erfolg für eine Errungenschaft – nicht für Zufall oder Würfelfall glücklicher Umstände – halte, aber ich weiß auch, dass dazu der Mitwirkende, Mitdenkende, Mitfühlende nötig ist, dem ich nie aufhöre zu danken.“ Das Unternehmen Axel Springer heute: fünf Jahre Rekordgewinne, zweistellige Umsatzsteigerung im letzten Jahr, mehr als ein Drittel des Gesamtumsatzes kommt schon aus dem digitalen Geschäft, das zudem hochprofitabel ist. Woran liegt das? Auch und ganz wesentlich an der Gründerpersönlichkeit Axel Springers. Denn seine Werte haben eine Unternehmenskultur geprägt, die den Rahmen für unsere Arbeit bildet. Axel Springer stand – als Journalist, Unternehmer und Freiheitskämpfer – für gesellschaftspolitische Prinzipientreue und Innovationsgeist. Das erste Farbfoto in einer europäischen Zeitung Nicht versuchen herauszufinden, was gut ankommt, sondern herauszufinden und zu tun, was man für richtig hält, war Axel Springers Leitbild: „Die ganz großen Erfolge sind eigentlich immer nur dann zu finden, wenn man etwas erkannt hat, was man noch nicht gesehen hat.“ Ein halbes Jahrhundert später hat Steve Jobs das dann so formuliert: „Es ist nicht der Job der Konsumenten zu wissen, was sie wollen. Es ist mein Job.“ Aus diesem Geist entstanden die neuen Medienangebote und technologischen Innovationen, die unser Haus stark gemacht haben. Zwei Beispiele: Die Erfindung der „Bild“ im Jahr 1952 als „gedruckte Antwort aufs Fernsehen“, wie Axel Springer es formulierte. Er ahnte, dass das im Herbst 1951 auf einer Industrie-Messe in Berlin vorgestellte Fernsehen mit seinen bewegten Bildern ein starker Konkurrent der Printmedien werden könnte. Auf Pioniergeist geht auch das erste aktuelle Farbfoto in einer europäischen Zeitung zurück, gedruckt im „Hamburger Abendblatt“ 1961: eine Spielszene vom Europa-Cup-Sieg des Hamburger SV über den FC Barcelona. Schon einige Jahre zuvor hatte Axel Springer bei einem USA-Besuch erkannt, dass „Farbe“ künftig ein Schlüssel zum Erfolg sein würde und die Wood-Rotationsmaschine, einen für Europa völlig neuen Maschinentyp, prüfen lassen. Seither sind Innovationsgeist und die Fähigkeit zur zügigen Nutzung neuer Technologien in die DNA unseres Unternehmens übergegangen. Und eines spürt man eben auch heute: Unser Verlagsgründer hat diesem Unternehmen eine Kultur gegeben, die auf Innovation, unternehmerischem Mut und Prinzipientreue beruht. Diese Tradition verpflichtet. „Welt Online“ startete 1995 das 5 VERLAGS-SONDERAUSGABE DANIEL BISKUP 100 JAHRE AXEL SPRINGER erste Internet-Angebot einer überregionalen deutschen Zeitung. Mit der „Welt kompakt“ entstand 2004 die erste nationale Tageszeitung im Kompaktformat. Axel Springer war ab 2006 auch Vorreiter bei der Schaffung integrierter Newsrooms. Schließlich war Axel Springer mit dem iKiosk und einer „WeltApp“ als erstes deutsches Medienhaus auf dem iPad vertreten, schon am Tag des US-Starts im April 2010. Die Innovations- und Technologiebegeisterung Axel Springers hat uns auch zur frühen und entschlossenen Digitalisierung unseres Geschäfts ermuntert – gegen Trägheit, Skepsis und Widerstände. Axel Springer sagte im Jahr 1978: „Ich werde nicht aufhören, den Anspruch der Verleger auf Teilhabe an den bisherigen elektronischen Medien und noch mehr an allen neuen, auf uns zukommenden Informationssystemen zu vertreten.“ Ebenso wichtig wie Innovationen und Axel Springers enorme unternehmerische Leistung ist aber sein inhaltliches Vermächtnis: Axel Springer verkörperte in den 60er- und 70erJahren den Anti-Zeitgeist schlechthin. Freiheit, Antikommunismus, Wiedervereinigung, Marktwirtschaft, die Unterstützung Israels und Amerikas – er hielt diesen Kurs, obwohl er ein so harmoniebedürftiger Mensch war. Er redete niemandem nach dem Mund. Dass er diese Kraft, diese ständige Selbstüberwindung gegen die eigene Natur aufbrachte, nur weil er von einer Sache überzeugt war, dass er große, auch wirtschaftliche Opfer brachte, um weiter für diese, seine Sache zu kämpfen, das bleibt seine größte Lebensleistung. Die Geschichte hat Axel Springer recht gegeben Die Verwirklichung seiner Vorstellungen und Ziele müssen heute auch seine schärfsten Kritiker zur Kenntnis nehmen: Springer wollte die Wiedervereinigung. Springer wollte Berlin als deutsche Hauptstadt. Und Springer wollte den Sowjetkommunismus loswerden. Heute ist Berlin Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands, der Kalte Krieg ist vorbei, und vom Kommunismus sind nur noch ein paar bittere Reste in Kuba und Nordkorea übrig. Eine beachtliche Erfolgsbilanz. Denn welcher Politiker hat schon so oft recht gehabt und dann auch tatsächlich von der Geschichte recht bekommen. Selbst in seinen Sorgen hat Springer heute noch recht. Er sorgte sich um Israels Existenz, die heute so gefährdet ist wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Er sorgte sich um die soziale Marktwirtschaft, deren Glaubwürdigkeit und Stabilität durch die Finanzkrise so angeschlagen ist wie seit 1929 nicht mehr. Und er sorgte sich um die Freiheit. Ein Held der menschlichen Schwäche Was war das für ein Mann, der all das sah, gegen massivste Widerstände kämpfte und sich zumeist auch noch durchsetzte? Ich weiß es nicht. Ich bin der Falsche, um darüber Auskunft zu geben. Denn ich bin Axel Springer nie begegnet. Ich weiß nicht, wer er war und wie er war. Aber ich weiß, was ich in ihm sehe: nicht den Helden der übermenschlichen Stärke, sondern den Helden der menschlichen Schwäche, der – und das ist entscheidend – diese Schwächen, diese Zweifel, diese Ängste hatte, zugab, aber eben immer dann überwand, wenn es wirklich darauf ankam. Die Frage bleibt: Woher hatte Axel Springer die Kraft? Wie hat er all das geschafft? Ich glaube: Durch die Gabe, etwas nicht zu trennen, was viele Menschen zu trennen versuchen: Intuition und Intellekt. Vor allem aber: durch den sich immer wieder abgerungenen Mut, seine Gefühle zu leben. Gefühle sind nichts, was man unterdrücken muss. Sie sind oft richtiger als die scheinbar unfehlbare Ratio. Ehrliche Gefühle sind authentisch. Das spüren die Menschen. Das motiviert uns bis heute. Und mehr denn je. Lassen wir uns von dem Innovationsgeist, der Prinzipientreue und dem unternehmerischen Mut, die dieses Haus seit seiner Gründung geprägt und erfolgreich gemacht haben, auch weiterhin leiten und anspornen. Solange diese Werte für unsere Mitarbeiter, Leser und Werbekunden spürbar bleiben, ist Axel Springer – ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod – in diesem Unternehmen lebendig. Mathias Döpfner neben einzelnen Teilen der Berliner Mauer vor dem Verlagsgebäude in Berlin VERLAGS-SONDERAUSGABE 6 100 JAHRE AXEL SPRINGER Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Prolog Der Traum vom Mauerfall Axel Springer und Mstislaw Rostropowitsch, einer der besten Cellisten der Welt, waren Freunde und kämpften für die Überwindung von Grenzen. Als die Mauer fiel, eilte der Musiker nach Berlin und gab dort ein Konzert. ULLSTEIN BILD Seiten 6–9 Gegner der kommunistischen Diktatur: Axel Springer und Klassikstar Mstislaw Rostropowitsch (l.) verband eine enge Freundschaft GRUSSWORT KLAUS SCHÜTZ Klaus Schütz war Regierender Bürgermeister von Berlin 1967–1977 ULLSTEIN BILD MARTIN LENGEMANN Axel Springer war für mich eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die unser Land auf ihre eigene Art geprägt haben. Über Jahrzehnte hinweg und mit dauerhafter Wirkung. Er war fürwahr ein großer Verleger mit einer politisch beeindruckenden Energie. Ein unablässiger Vorkämpfer für die Einheit unseres Landes und für die Freiheit und die Sicherheit von Berlin. Es war für mich eine große Freude, mit diesem einzigartigen Mann verbunden zu sein. Diese Freude gründete sich auch darauf, dass wir beide uns in Freundschaft gefunden haben im Einsatz für den Staat Israel. Für die Freiheit und die Unversehrtheit dieses Staates der Juden. Er war da so unverbogen geradlinig wie auch sonst. Ich bin stolz darauf, mit Axel Springer über Jahre hinweg verbunden gewesen zu sein. Er bleibt mir Vorbild und Freund. Über den Tag hinaus. 100 JAHRE AXEL SPRINGER 7 VERLAGS-SONDERAUSGABE Mstislaw Rostropowitschs spontaner Soloauftritt Musikalisches Gebet am Checkpoint Charlie Mit dem Fall der Mauer im November 1989 erfüllte sich vier Jahre nach seinem Tod Axel Springers Lebenstraum Opposition (APO) geworden. Anders als ihm seine Gegner oft unterstellten, ging es ihm nicht darum, das alte Deutsche Reich wiederherzustellen. Springer hat mehrfach erklärt, er könne auch mit zwei deutschen Staaten leben, wenn nur die Deutschen im Ostteil genauso frei sein würden wie die im Westen. „Der Kampf gegen die Mauer kann demnach nur ein Kampf um die Freiheit sein, die Freiheit all derer, die inmitten Deutschlands (...) eingesperrt sind“, schrieb er. Am 17. August 1962 versuchte der 18-jährige Maurergeselle Peter Fechter, an der Zimmerstraße – in unmittelbarer Nähe des Axel-Springer-Verlagshauses – über die Mauer zu klettern. Von den Schüssen der Grenzsoldaten schwer verletzt, blieb er auf Ostberliner Gebiet liegen. Er schrie um Hilfe. Doch die Menschen, die sich auf Ost- und Westseite versammelten, mussten zusehen, wie der Flüchtling langsam verblutete. An der Zimmerstraße erinnert heute eine Stele an das Schicksal Peter Fechters. Axel Springer war erschüttert – und blieb es sein Leben lang. Vor allem sein Humanismus, die Eigenschaft des Mitleidens mit anderen Menschen, machte aus dem erfolgreichen Verleger einen politischen Kämpfer. Das erklärt die Beharrlichkeit, mit der er an der einmal bezogenen politischen Grundlinie unbeirrt festhielt – unbeachtet der Anfeindungen, die sein „Mammutverlag“ von allen Seiten bezog. Erschien Springers Glaubensbekenntnis zur Hauptstadt Berlin vielen Zeitgenossen wie ein Märchen aus alter Zeit, so war er selbst überzeugt, die deutsche Einheit selber noch erleben zu dürfen. Auch bei den Widersachern von einst, auch aus der 68erGeneration, hat sich mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung die Meinung verfestigt, dass Springer mit seiner Beharrlichkeit recht hatte. Zu Lebzeiten des Verlegers war das anders. Hier genoss der Kämpfer für die Freiheit Wertschätzung vor allem bei denen, Fortsetzung auf Seite 8 JO WIECZOREK Eine rührend winzige, aber doch unsagbare große Geste, deren Bilder um die Welt gingen: Der aus Russland stammende Weltstar Mstislaw Rostropowitsch gibt am 11. November 1989, zwei Tage nach der Öffnung der Grenze, ein halbstündiges Solokonzert an der Berliner Mauer. Der Cellist war spontan aus Paris nach Deutschland gekommen, nachdem er im Fernsehen die Jubelszenen gesehen hatte. In Berlin spielte er für die Menschen, die an der Grenze gestorben waren „Es gibt viele Geschichten zu erzählen von jenem deutschen Herbst, der Geschichte machte. Es gibt die Geschichten von überschäumender Freude und überschäumendem Sekt. Eine Geschichte habe ich miterlebt, und ich habe sie aufgeschrieben, denn sie ist so lustig und traurig und verrückt wie viele aus jenen Tagen, als das Wort ,Waaahnsinn!‘ mit einem langen ,aaa‘ zum gesamtdeutschen Begrüßungswort wurde.“ So beginnt eine mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnete Reportage, die 1990 in der „Berliner Morgenpost“ veröffentlicht wurde. In „Ein waaahnsinniges Bachkonzert“ berichtet Dieter Strunz, damals Feuilleton-Chef der Zeitung, über Mstislaw Rostropowitschs legendäres Solokonzert am 11. November 1989 am Checkpoint Charlie, dem Grenzübergang in Berlin. Den Auftritt des russischen Cellisten, nur wenige Hundert Meter vom Verlagshaus entfernt, hat Axel Springer nicht mehr miterlebt. Und doch soll er hier gewissermaßen als eine Art Ouvertüre dienen beim Blick auf Leben und Schaffen des Verlegers. Nicht nur wegen der persönlichen Freundschaft zwischen Axel Springer und Rostropowitsch (1927–2007). Sondern natürlich vor allem deshalb, weil mit dem Fall der Mauer der lebenslange Wunschtraum des Verlegers, vier Jahre nach dessen Tod, seine Erfüllung fand. „Es war Sonnabend, der 11. November 1989, gegen zwölf Uhr mittags“, schreibt Dieter Strunz in seiner Reportage. „In unserem Verlagshaus wird in den Etagen 5 bis 7 die Sonntagsausgabe vorbereitet. Sie wird besonders dick und besonders prall ausfallen an diesem Wochenende. Im Feuilleton-Großraum klingelt das Telefon. Die Chefredaktion. Eine Sekretärin: ,Gut, dass ich Sie gleich dran habe. Da unten in der Halle soll ein Herr Rostropowitsch sein, und der Chef bittet Sie, sich mal um ihn zu kümmern.‘ Rostropowitsch? Das kann ja wohl nicht wahr sein. Runter in die Halle. Gleich hinter den Drehtüren, am Pförtner-Tresen, steht ein kleiner Mann mit hoher Stirn und hellen Augen und randloser Brille. Kein Mantel, kein nichts, nur sein Cello im Arm. Kein Zweifel: Rostropowitsch. Von vielen Fotos bekannt. Mstislaw, der ebenso schwer zu sprechende wie schwer zu schreibende Vorname, einer der berühmtesten Musikvirtuosen der Welt.“ … „Rostropowitsch ist ein Russe, voll Gefühl und Überschwang. Er hasst den Stalinismus, denn er hat mit Frau Galina lang und hart unter ihm gelitten. Der Stalinismus hat ihm die Heimat genommen und ihn in die Fremde getrieben. Und Rostropowitsch ist Künstler, und die Kunst ist seine einzige Form, sich mitzuteilen. ,Ich werde ein Konzert an der Mauer geben‘, sagt der kleine Mann. Wann? ,Jetzt!‘ Wo? ,Gleich hier!‘“ 1976, in einem Artikel zum 15. Jahrestag des Mauerbaus, hatte Axel Springer in der „Welt“ geschrieben: „Die Mauer wirkt nur, solange wir sie fürchten und respektieren. Wenn wir sie verachten, wenn wir sie täglich als Beleidigung und Herausforderung empfinden, helfen alle Kalaschnikows und Todesautomaten nichts.“ Seit Frühjahr 1958, noch bevor das Chruschtschow-Ultimatum den West-Teil Berlins bedrohte, hatten die Springer-Zeitungen das SED-Unrechtsregime angeprangert. Der Mauerbau im August 1961 belastete den Verleger sehr. Bis an sein Lebensende kämpfte er dagegen, dass ein Teil des deutschen Volkes hinter Beton und Stacheldraht gehalten wurde. Für diesen Einsatz wurde er belächelt und angefeindet. Die Errichtung des Verlagsgebäudes direkt am Todesstreifen in Berlin-Kreuzberg war ein politisches Ausrufezeichen. Hätte er sich weiterhin auf Hamburg als alleinigem Sitz des Unternehmens beschränkt, wäre Springer wohl auch nie das große Feindbild der Außerparlamentarischen Am Bau der Berliner Mauer litt Axel Springer – oben am Mahnmal für Peter Fechter – sein Leben lang. Heute erinnert an Fechter dort eine vom Verlag gestiftete Stele VERLAGS-SONDERAUSGABE GÜNTER KAMBACH 8 100 JAHRE AXEL SPRINGER Mstislaw Rostropowitsch war mehrfach privater Gast bei Axel und Friede Springer. Etwa 1981 auf Schwanenwerder (Foto), wo „Slawa“, wie er von seinen Freunden genannt wurde, mit einem Hauskonzert seine Gastgeber und die übrigen Gäste faszinierte Fortsetzung von Seite 7 die unter der kommunistischen Herrschaft litten oder vor ihr geflohen waren. So wie der Cellist und Dirigent Mstislaw Rostropowitsch und seine Frau, die Primadonna Galina Wischnewskaja. Sie waren aus Russland in den Westen übergesiedelt. Bei den von Axel Springer ins Leben gerufenen Hauskonzerten auf Gut Schierensee oder in seiner Villa auf der Berliner Insel Schwanenwerder gehörte das Künstlerpaar mehrfach zu den Gästen. „Galina und ich lieben Dich enthusiastisch“, schrieb Rostropowitsch, den Springer mit „Slawa“ anredete, an seinen „Bruder Axel“. Weiter heißt es in dem Brief: „Wir lieben Dich, nicht nur, weil Du ein treuer und unersetzlicher Freund bist, sondern auch, weil Du ein Ritter der Wahrheit und des Gewissens bist! Du suchst nicht die leichtfüßige Popularität bei der gedanken- und sorglosen Jugend, gedankenlos und sorglos auf Abruf! Bis zu der Zeit, wenn sie von den Machthabern hinter der Mauer angegriffen werden.“ Dann würden sie anfangen, nachzudenken, so Rostropowitsch weiter, und ihre pazifistischen Demonstrationen einstellen. Als „Geschoss der Musik“ gegen die Berliner Mauer bezeichnete Rostropowitsch dann auch das Konzert, das er 1981 im Hause Springer gab. Und der Gastgeber dankte ihm in einem Brief: „Dein musikalisches Gebet wurde von allen als Gebet für die Freiheit aller Menschen empfunden.“ Als acht Jahre später der Maestro in seinem Pariser Heim die Fernsehaufnahmen von den Berliner Ereignissen des 9. und 10. November 1989 sah, habe er geweint. „Da habe ich an die vielen Menschen gedacht, die hier gestorben sind. Für sie will ich spielen. Ich spiele Bach.“ Dieter Strunz schildert in „Ein waaahnsinniges Bach-Konzert“, wie der Blitzbesuch per Flugzeug mit dem Wunsch, an der Mauer zu spielen, zum Problem zu werden drohte: „Aber in diesen Tagen ist alles lösbar, was unlösbar scheint. Hat man doch in die Mauer Schneisen geschlagen und der Menschlichkeit einen Weg geebnet, wie könnte da nicht dieser Herzenswunsch eines musikalischen Weltstars Wirklichkeit werden?“ Nur drei Stunden Zeit hat der kleine Tross des Cellisten für seinen Stopp in der Stadt. „Unsere Truppe drückt sich durch die Menge. Wir passieren die lange Halle der Rotation, gehen vorbei am Denkmal des Flüchtlings Peter Fechter. Das Kreuz scheint jetzt im hellen Mittagslicht und unter den silberblauen Wölkchen unedler Trabbi-Rückstände, inmitten des ungewohnten Gewirrs der Stimmen etwas von seiner Traurigkeit verloren zu haben. Noch ein Stück Weg über Holperstein und Matsch, entlang der grellbunten Mauer, die Künstler und Spinner, Kinder und Weltverbesserer mit ihren Klecksen, Gemälden und Sprüchen verziert haben. Hier? ,Ja, hier ist es gut.‘ Der Zufall will es, dass die Gruppe direkt unter einer prophe- . Firmengründung Okt. 1936 in Regensburg . . Jubiläums-Preise Exklusiv Nur jetzt Nur bei Stadler 49.95 * 29.99 – Preis-Leistungs-Sieger – Fahrradhelm Jubiläumsmodell limited Edition Radhelm mit Inmould-Technologie. Leicht einstellbar durch DrehverschlussSystem. 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Er spielt drei Stücke von Bach, mit klammen Fingern und heißem Herzen, er erinnert in einigen Worten an die Menschen, die hier ihr Leben ließen. Zwei Mädchen malen mit Lippenstift ihre Namen auf die Mauer. Ein Volkspolizist steht lächelnd dabei.“ Die wenigsten hätten gewusst, wer da auf einem Stuhl aus der Abstellkammer der Botenmeisterei des Verlagshauses Cello gespielt habe, so Strunz. Doch dem Weltstar sei es in diesem Moment weder um Geld und Ruhm gegangen. „Ich habe für mein Herz gespielt.“ Dieter Strunz schildert, wie es nach dem Bach-Konzert weiterging. „Die kleine Expedition kehrt entlang der Mauer zurück. Ich darf, oh Schreck, den Cellokasten tragen. Jeder Schritt auf dem holprigen Boden eine Sorge. Hoffentlich hat der Maestro eine gute Versicherung. Leute aus Köpenick und vom Prenzlauer Berg kommen uns entgegen. Das Kind im Kinderwagen, die Mütter mit Kaffeebecher und Zeitung in der Hand und dem grenzenlosen Nichtbegreifen im Blick. Trabbis stinken, Taxis hupen, da fällt diese absurde kleine Kolonne nicht auf, die wie ein Kometenschweif dem Weltstar der klassischen Töne folgt.“ Der Rest, so Strunz, sei schnell erzählt. „In allen Berichten, in allen Bilderblättern zwischen Mailand und 9 VERLAGS-SONDERAUSGABE Wohl nur sehr wenige haben die Presselandschaft der Bundesrepublik Deutschland in den ersten Jahrzehnten so geprägt wie Axel Springer, der in dieser Zeit eines der größten Medienunternehmen Europas aufbaute. Mit sicherem Gespür für Themen und journalistischer Zuspitzung traf er den Geschmack seiner Leser. In Axel Springer hatten die Grundwerte der jungen Demokratie – freiheitlicher Rechtsstaat, Ablehnung jeder Form des Totalitarismus und soziale Marktwirtschaft – einen entschiedenen Verteidiger. Er glaubte an Deutschlands Wiedervereinigung in Freiheit, auch als andere sie schon aufgegeben hatten. Axel Springer hat außerordentlich viel dafür getan, die Zukunft unseres Landes auf der Grundlage der immerwährenden Verantwortung Deutschlands für den Zivilisationsbruch der Shoa zu gestalten. Auch um die besonderen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Israel hat er sich verdient gemacht. Diese Anliegen sind dem Konzern, der seinen Namen trägt, bis heute Grundsatz und Verpflichtung. Wir ehren Axel Springer zu seinem 100. Geburtstag am besten, indem wir wie er weiter für Freiheit und Demokratie eintreten. Angela Merkel ist Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Washington findet man eines der Fotos, die in jener schnellen halben Stunde am Checkpoint Charlie entstanden und das Geschehen dieser Tage bündeln wie in einem Brennglas. Ein Mann allein vor der schrillen, plötzlich nicht mehr so schrecklichen Wand aus Stahl und Stein, Mstislaw Rostropowitsch spielt, und dahinter rauscht der Strom erster Besucher. Berlin, am 11. November 1989. Ein Tag deutscher Geschichte, und ein Künstler in seiner so absurden wie rührenden, winzig kleinen und unsagbar großen Geste des Dankes, der Freude, der Trauer, der Besinnung. Berlin, am 11. November 1989. Ich habe das Uwe Sauerwein Cello tragen dürfen.“ WIR WOLLEN SIE SO, WIE SIE SIND nlernen! e n n e k t z t je AOK tzt.de - j e ordost w w wce.bAooOk.cKom /AOKn 5 55 www.fa e: 0800 2655 in tl o H ie e fr n Koste VERLAGS-SONDERAUSGABE 10 100 JAHRE AXEL SPRINGER Freiheitskämpfer Journalist Zwei, die sich mochten: „Ich habe Sie lieb gewonnen“, gestand der österreichische Expressionist Oskar Kokoschka (l.) in einem Brief an Axel Springer. Der berühmte Künstler hatte zuvor sein Bild „Berlin – 13. August 1966“ in zwölf Tagen auf dem Dach des neuen Verlagshauses in der Kochstraße gemalt – in einem provisorischen Freiluftatelier Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Stilfragen Grenzenlos guter Geschmack Schon in jungen Jahren begeisterte sich Axel Springer für stilvolle Kleidung ebenso wie für die schönen Künste. Letztere förderte er zeitlebens: „Nicht für mich, sondern für die Nachfolgenden“ – diesen Satz, der sich am Eingang seines Herrenhauses auf Gut Schierensee findet, machte er zu einer Art Lebensentwurf. Seiten 10–14 UNTERNEHMENSARCHIV Von Kokoschka bis Krøyer Axel Springer war ein Ästhet und liebte schon früh gute Kleidung ebenso wie schicke Autos SCA wünscht zum 100. Jahrestag vom Verlagsgründer alles Gute Weil wir uns leidenschaftlich für Lebensqualität einsetzen. Weil wir Ihnen näher sein und uns laufend verbessern möchten. Weil Nachhaltigkeit unser Leitmotiv ist. Und weil wir engagiert sind. publicationpapers.sca.com SCA GRAPHIC PAPER DEUTSCHLAND GmbH Sammeln um der Schönheit willen Kunst war für Axel Springer keine Geldanlage, sondern eine Herzensangelegenheit Provisorisch. So wird das Atelier bezeichnet, das Axel Springer dem großen Maler Oskar Kokoschka auf dem Dach seines neuen Verlagshauses in der Berliner Kochstraße zur Verfügung gestellt hatte. Provisorisch, das heißt in diesem Fall: Das Jackett des österreichischen Expressionisten hing an einem Haken, der wiederum in seinem Rücken an der Öse einer Plane befestigt war. Provisorisch waren die gewellten Dachplatten, die über verschraubten Stahlrohren Kokoschka vor Regen schützten. Alles war provisorisch. Und sieht man nur die Fotos, auf denen Springer und Kokoschka das Werk „Berlin – 13. August 1966“ betrachten, dürfte man sich wundern angesichts des emphatischen Briefes, den Axel Springer kurz nach Beendigung des Werkes von Kokoschka erhielt: „Für alle Ihre großzügige Gastfreundschaft während meines Aufenthalts in Berlin (…) danke ich Ihnen von Herzen.“ Kokoschka, damals bereits 80 Jahre alt und längst jenseits der Pflicht, einem Auftraggeber schmeicheln zu müssen, fügte dem Brief vom 31. August 1966 noch hinzu: „Ich habe Sie lieb gewonnen.“ Doch warum nur? Hätte der Verleger ihm nicht ein angenehmeres Atelier 19 Stockwerke über den Berliner Straßen erstellen lassen können als dieses Provisorium? Der Grund liegt wohl woanders. Der Grund liegt in der tiefen Sympathie 100 JAHRE AXEL SPRINGER 11 VERLAGS-SONDERAUSGABE GRUSSWORT FOUNDATION OSKAR KOKOSCHKA/ VG BILD-KUNST, BONN 2012/ ULLSTEIN BILD RETO KLAR PETER RAUE und offenen Bewunderung, die Axel Springer Künstlern entgegenbrachte. Er liebte das Schöne in jeglicher Hinsicht. Elegante Automobile etwa. Oder Maßanzüge, die er zum Teil direkt aus London bezog. Selbst seine Immunität gegen jeden Militarismus und gegen jedwede Begeisterung für die Nazis mag auch seinem ästhetischen Verständnis geschuldet sein. Er selbst bezeichnete es in seiner autobiografischen Schrift „An meine Kinder und Kindeskinder“ (1981) als Glück, dass er „gar keinen Zug zum Militanten, ja, nicht einmal zum Bündischen hatte. Mein erster Anzugstraum war nicht eine Uniform oder eine Kluft, sondern ein Frack.“ Gesinnung war für den Ästheten Springer auch eine Stilfrage. Über dem Portal des Haupthauses auf dem holsteinischen Gut Schierensee, das Springer 1968 erworben hatte, stand die Inschrift „Non mihi, sed posteris“ – nicht für mich, sondern für die Nachfolgenden. „Immer wieder machte er Besucher auf diesen Spruch aufmerksam“, erinnerte sich sein einstiger Weggefährte Ernst Cramer in einem Aufsatz zur „Fayence des Ostseeraumes – Sammlung Axel Springer“. Mehr als 700 dieser kostbaren Gefäße hatte der Verleger gesammelt und in die Wohnräume auf Gut Schierensee integriert. Mittlerweile ist die Sammlung fester Bestandteil des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte in Schleswig. Das Zustandekommen dieser einzigartigen Sammlung erfolgte in typisch springerscher Manier. „Für ihn war die historische Relevanz des Objektes, seine Einfügung in das Ensemble wichtig, nicht eine Anhäufung der Vollständigkeit halber“, so Henrik Lungagnini, Betreuer der Kunstsammlungen des Verlegers. „Er sammelte“, so der Kunsthistoriker, „sammelte aber nicht an.“ Ausgerechnet im Bereich der Künste spielten für den geschäftstüchtigen Verleger monetäre Aspekte nur eine untergeordnete Rolle. „Auch spielte Kunst als Kapitalanlage nicht die geringste Rolle“, erinnert sich Lungagnini. „Durch seine sammlerische Initiative fand manches in der Kunst und im Kunstgewerbe erst gebührende Beachtung. Es seien hier nur Lesser Ury und schleswig-holsteinische Fayencen genannt, wofür vordem nur mäßiges Interesse bestanden hatte.“ Die Ausführungen Lungagninis sind einem Katalog zur „Antiqua 85 Berlin“, einer Verkaufsausstellung von Kunst und Antiquitäten vom 23. bis 27. November 1985, entnommen. Erst zwei Monate zuvor war der Verleger gestorben. Die Erinnerungen Lungagninis waren damit der erste einschätzende Text nach dem Tod Axel Springers zu seiner Sammelleidenschaft. Der damalige Verantwortliche für die Kunstsammlungen des „Nicht für mich, sondern für die Nachfolgenden“ Axel Springer bin ich nie begegnet. Und doch ist er meinem Kopf näher und in meinen Erinnerungen präsenter als mancher Bundeskanzler. Woran mag das liegen? Ich war kein „68er“, fand aber natürlich auch vieles schrecklich und verfehlt, was die geschmähte „Bild“-Zeitung an Überschriften und Inhalten produziert hat. Aber das wussten doch (wir) alle, dass Axel Springer nicht die „Bild“Zeitung in ihren täglichen Erscheinungsformen gestaltet hat. Mir war wichtiger das diesen Menschen Prägende, sein Mut, seine Maximen. Meine Empathie für Axel Springer ist gespeist von seinem Widerstand gegen die mir stets verdächtigen Antisemitismus-Parolen der 68er-Bewegung. Während der mich zutiefst bewegenden AuschwitzProzesse (sie und nicht die Studenten und ihre oft gewalttätigen Demonstrationen sind meine bleibende Erinnerung an die berühmten 68er) habe ich täglich in der „Welt“ die ausführlichsten und klügsten Analysen gelesen. Beeindruckt und begeistert haben mich von jeher Axel Springers Eintreten für die Existenz und das Gedeihen des Staates Israel ebenso wie die strikte Ablehnung der Anerkennung der DDR als „zweiten deutschen Staat“: Diese konsequente, bis zu Boykottaufrufen geschmähte Haltung hat mein Bild von Axel Springer und seinem Verlag geprägt. Dass nur vier Jahre nach dem frühen Tod des Verlegers Deutschland wiedervereinigt war, erfüllt posthum einen Lebenstraum, an dessen Zustandekommen er historischen Verdienst hat. Dass das von ihm erbaute Verlagsgebäude heute in der Mitte des wiedervereinten Berlins steht, ist die schönste Frucht seines Lebens, vor dem ich mich auch heute noch verneige. Peter Raue ist Rechtsanwalt und war von 1977 bis 2008 Vorsitzender des Vereins der Freunde der Nationalgalerie. Seit 2005 ist er Honorarprofessor an der FU Berlin Verlegers erinnerte sich dennoch besonders des Humors und der spöttischen Spitzen, mit denen Axel Springers gleichsam begeistertes wie entspanntes Verhältnis zur Kunst vielleicht am besten beschrieben werden kann. „Er war ein Grandseigneur und hat vom legitimen Recht des Kunstsammlers, an dem Kaufpreis zu rütteln, niemals Gebrauch gemacht. Wenn sein Fortsetzung auf Seite 12 A\]LYSpZZPNLY7HY[ULY (\MKLY)HZPZSHUNQpOYPNLY ,YMHOY\UNPUKLY 7HWPLYSVNPZ[PRVMMLYPLYLU ^PY\UZLYLU2\UKLULPULU VW[PTHSLU;YHUZWVY[POYLY OVJO^LY[PNLU7YVK\R[LLPU LMMLR[P]LZALP[THUHNLTLU[ \UKWYVQLR[ILaVNLUL PUKP]PK\LSSL3Z\UNLU 7VOS*VHTLTILYVM ULZRHNYV\W ^^^WVOSNY\WWLKL ULZRHHTLTILYVM0TWLYPHS 3VNPZ[PJZ0U[LYUH[PVUHS ^^^ULZRHJVT 7HWPLYSVNPZ[PRM YHSSL+Y\JRZ[HUKVY[L KLZ(_LS:WYPUNLY=LYSHNLZ VERLAGS-SONDERAUSGABE 12 100 JAHRE AXEL SPRINGER Fortsetzung von Seite 11 Springer liebte es, Kunst in Lebensräume zu integrieren – wie auf Gut Schierensee in Schleswig-Holstein. Gemälde, Möbel, wertvolle Fayencen waren dort aufeinander abgestimmt. Springer hatte das heruntergekommene Gut im Oktober 1968 erworben und restauriert. In den 70ern wurde es für ihn zu seinem wichtigsten Rückzugsort in Deutschland Kunsthistoriker das manchmal tat“, so Lungagnini über seine eigene Rolle, „hat er es eigentlich missbilligt, wenn es ihn auch amüsierte. Mit dem ihm eigenen Humor erzählte er gern Geschichten von seinem Kurator und den Argumenten, mit denen dieser manchmal die Preise zu drücken versuchte.“ Springer sammelte dabei nicht nur für sein eigenes Wohlgefallen – zu sehr fühlte er sich dem „Non mihi, sed posteris“ verbunden. Vieles, besonders aus dem norddeutschen Raum, sammelte er nur deshalb, um es für die Nachwelt zu erhalten. Dabei sei Springer ein „autodidaktischer, eben deshalb leidenschaftlicher Sammler“ gewesen, schreibt der Zeithistoriker und Politikwissenschaftler Hans-Peter Schwarz in seiner Biografie über den Verleger. „Springer verstand sich als ein Sammler, der zugleich daran dachte, seine Schätze irgendwann und irgendwie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sein Kunstgeschmack war stark auf die Jahrzehnte des Rokoko und des Klassizismus fixiert, mit einigen Lieblingen aus den Jahren des Impressionismus und der klassischen Moderne.“ Springer woll- te weniger Museen Konkurrenz machen, als sich vielmehr an der Ästhetisierung seiner Umgebung versuchen. Wo immer sich der Verleger aufhielt, sollten die Künste ihm und anderen den Aufenthalt verschönern. Deutlich wird diese Haltung etwa in einem Brief aus dem Jahr 1978, in dem sich Springer über die Ausstaffierung seiner Villa auf der abgeschiedenen Berliner Prominenten-Insel Schwanenwerder äußerte: „Zu neuen Ufern: an die Havel, 8 km von Potsdam! Dort entsteht ein Haus, von dem ich hoffe, dass es schön sein wird. Möbel des 18. Jahrhunderts aus Berlin, Potsdam, Dresden. Bilder von Malern der großen Könige, der Klassizismus, des Impressionismus, des Expressionismus bis hin zur Moderne. Leistikows, viele Lesser Urys, Pechsteins.“ Für jenen im Stil der 1960er-Jahre allseits verglasten, im Grünen erbauten Bungalow wolle er Silber, Fayencen, Porzellane um 1750 und früher. „Alles, was ich an Sammlungen zerstreut in Deutschland habe, wird hier zusammengeführt. Eine Nationalsammlung im kleinsten, weil es ja doch keine WOHLTUN PA/DPA Stiften und schenken ERLEBEN SIE DEN MIELE MOMENT IN DER MIELE GALLERY Er gab großzügig, er gab häufig, er gab ohne die Erwartung einer Gegenleistung. Aufhebens darum machte er nie, weshalb der Mäzen in der Öffentlichkeit fast unbekannt ist. Von seinen Schenkungen profitieren auch heute noch Stiftungen, Museen, kommunale Einrichtungen und somit die Öffentlichkeit allgemein. „Als Mäzen war Axel Springer (…) nicht bloßer Geldgeber, sondern er hat diese Unternehmungen mit Überzeugung mitgetragen“, schrieb sein Kurator Henrik Lungagnini. In Berlin beteiligte er sich am Erhalt der Kaiser-WilhelmGedächtnis-Kirche. Zuvor hatte Springer in der geteilten Stadt u. a. dem Charlottenburger Schloss mehrfach wertvolle Stücke gestiftet, den Bau der Schatzkammer der antiken Sammlung der Staatlichen Museen finanziert, die Nationalgalerie, das Stadtgeschichtliche Museum und die Akademie der Künste bedacht. Eine der bedeutendsten Stiftungen im Ausland war der Bau der Bibliothek und des Auditoriums des Israel-Museums in Jerusalem. Aber auch seine schleswig-holsteinische Heimat wurde immer großzügig bedacht. „Das Altonaer Museum konnte durch ihn 24 Galionsfiguren (…) erwerben. Das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum erhielt 16 Porträts“, so Lungagnini. „Zwei Schenkungen, die Axel Springer noch zugesagt hatte, konnten erst posthum gemacht werden“, notierte Ernst Cramer. „Eine war eine komfortable, hotelartige Unterkunft für Angehörige von Patienten im Berliner Herzzentrum, die heute den Namen ‚Axel-Springer-Gästehaus‘ trägt. Die andere (…) war ein Teilchenbeschleuniger für eines der größten Krebskrankenhäuser Israels.“ Die Dankesbekundungen habe der schon Schwerkranke mit folgenden Worten abgewehrt: „Wozu ist denn der Wohlstand cle da, wenn er nicht dem Wohltun dient?“ GRUSSWORT ROLAND HETZER PA/MUELLER-STAUFFENBERG Axel Springer hat schon in der Planungsphase die Errichtung des Deutschen Herzzentrums Berlin befürwortet und unterstützt. Es war in den frühen 80er-Jahren ein enormes Wagnis, in der „Insel Westberlin“ die damals größte Herzchirurgie Europas einzurichten, zu einer Zeit, da die spätere Wiedervereinigung der Stadt noch keinem möglich schien. Es entspricht ganz Axel Springers Weitsicht und Engagement für diese Stadt, dass er dann auch das Herzzentrum mit einer großartigen Spende versah, welche die Einrichtung eines klinikeigenen Hotels, bis heute das „Gästehaus Axel Springer“, möglich machte, gedacht für die Angehörigen der vielen Patienten, die aus allen Teilen Deutschlands und darüber hinaus nach Berlin gebracht werden mussten. Axel Springer hat die Eröffnung des Herzzentrums 1986 nicht mehr erlebt, er starb wenige Monate vorher. Die Verbindung mit ihm und seinem Haus wurde von seiner Frau Friede Springer weitergetragen, die bis heute im Stiftungsrat und auf vielerlei Wegen an unserer Seite steht. Der Geist Axel Springers hat mit Weltoffenheit, Toleranz und Zuversicht auch das Deutsche Herzzentrum Berlin geprägt. Wir danken ihm. Kochen & Genießen Sie bei einem Kochkurs in der Miele Gallery. Jetzt anmelden unter 030 88711510 oder www.miele-gallery.de Unter den Linden 26, Berlin-Mitte Professor Dr. Roland Hetzer ist Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums in Berlin 100 JAHRE AXEL SPRINGER GRUSSWORT FRIEDER BURDA PA/DPA geben wird.“ Nicht immer ging das Sammeln der Kunst dabei reibungslos vonstatten, wie sich Ernst Cramer (1913–2010) erinnerte. „Manchmal gab es beim Ersteigern von Preziosen Konflikte mit anderen“, so der langjährige Freund und Chef der Axel Springer Stiftung. Sie seien aber stets auf freundschaftliche Art beigelegt worden. In einem Fall hatte Springer etwa den Zuschlag für das Gemälde „Sommernachmittag am Strand“ des dänischen Impressionisten Peter Severin Krøyer (1851– 1909) erhalten. Darauf, so Cramer, „meldete sich das Museum der Stadt Skagen. Der Direktor gratulierte zwar, hätte das Bild aber gerne für sein Museum gehabt. Springer schrieb zurück, er wolle sich zeit seines Lebens daran erfreuen, aber nach seinem Tode solle das Gemälde als Geschenk ans Skagener Museum gehen; so geschah es auch.“ Dieser sehr entspannte Umgang des Verlegers mit künstlerischem Privatbesitz zeigt sich auch in einer anderen Anekdote, die Henrik Lungagnini aufschrieb. „Menschlichen Fehlern“, schickte der Kustos der springerschen Sammlung voraus, „begegnete er verständnisvoll und großherzig.“ Einmal sei jedoch eine schlimme Panne passiert. „Ein kleines wichtiges Kunstwerk von außerordentlichem materiellen Wert war versehentlich in der schon geöffneten Verpackung geblieben und vom Personal in den Müllcontainer geworfen worden. In mir brach eine Welt zusammen, fühlte ich mich doch für das Geschehen verantwortlich. Ich war niedergeschlagen wie noch niemals in meinem beruflichen Leben. Abends rief mich Axel Springer an. Mit freundlich heiterer Stimme sagte er: ‚Wissen Sie, das Stück hat mir eigentlich gar nicht gefallen. So etwas kann auch im Louvre passieren. Trinken Sie ein Gläschen, und die Sache ist vergessen.“ Die Sache nahm übrigens noch ein glückliches Ende. „Es gelang mir“, so Lungagnini, „mit sechs Arbeitern und mit einem Bagger den von Müll aus 18 Lastwagen bedeckten Karton mit dem Stück wiederzufinden. Bei der Suche gingen wir mit archäologischen Methoden vor.“ Björn Engel 13 VERLAGS-SONDERAUSGABE Zu Axel Springer hatten meine Brüder Franz, Hubert und ich ein sehr persönliches Verhältnis. Dies hing sicherlich damit zusammen, dass er unseren Vater sehr schätzte. Und mein Vater bewunderte die Leistungen seines Verlegerkollegen. Axel Springer war für mich rückblickend sehr wichtig. Ich habe viel von ihm gelernt, und er hat mein Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Ich bin auf Anraten von Axel Springer 1982 zusammen mit Hubert zum ersten Mal nach Israel gereist. Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere Ankunft damals in Tel Aviv: Axel Springer hatte uns einen einheimischen Fahrer vermittelt. Dan Turk, so sein Name, war in der damaligen Tschechei geboren und hatte sich als Jude nach dem deutschen Einmarsch vor den Nazis gerettet, indem er eine katholische Identität annahm. Turk hat Hubert und mich in diesen vier Tagen nach Jerusalem und nach Massada gefahren, zum Toten Meer und zum See Genezareth. Und er hat uns von den Menschen und ihrem Traum von einem friedlichen Zusammenleben nach dem Schrecken des Holocaust erzählt. Mich hat das alles sehr tief beeindruckt. In den folgenden Jahren bin ich oft in Israel gewesen. Ich habe dort viele Freunde gewonnen. Mehrfach bin ich die fünfzehn Kilometer von Jerusalem nach Jericho gewandert auf jenem wunderschönen alten Weg, den auch Axel Springer oft gegangen ist. Und ich wusste, dass ich irgendwie auch beitragen wollte zur Großartigkeit dieses kleinen Landes. Die zahlreichen Aufenthalte im Land der Bibel machten aus mir als getauften Katholiken keinen gläubigeren Menschen. Aber etwas hat sich bei mir dort trotzdem verändert. In Israel, und vor allem in Jerusalem, habe ich begriffen, was mir meine Religion bedeutet. Ich war in der Grabeskirche, in der Geburtskirche, auf dem Ölberg und im Garten Gethsemane. Dort ging Axel Springer immer in ein kleines Kloster von katholischen Mönchen, um zu meditieren. Das habe ich auch getan, und es hat mir eine ungeheure Ruhe und Zuversicht gegeben. Frieder Burda ist einer der bedeutendsten Kunstsammler Deutschlands und Sohn des Verlegers Franz Burda VERLAGS-SONDERAUSGABE 14 100 JAHRE AXEL SPRINGER Schwarze Musik gegen braunen Mob Aus Swing wurde Protest Axel Springer und Teddy Stauffer: Über eine musikalische Freundschaft in der Nazizeit Ob der Kopf dröhnt? In jedem Fall trägt der König des Swing einen weißen Verband um die Stirn. Sein Freund Axel Springer steht hingegen mit weit aufgeknöpftem Sporttrikot neben ihm auf dem Fußballplatz und lächelt so herausfordernd wie siegesgewiss. Die Umstände des Fotos von 1937, das auf Sylt geschossen wurde, lassen sich nicht mehr klären. Nur eines ist unbestreitbar: In der Beziehung zwischen Bandleader Teddy Stauffer und Springer war jede Menge Musik drin. Durchaus in doppeltem Sinn. Denn die Freundschaft des Journalisten mit dem Musiker war in der NS-Zeit eine Provokation. Stauffer spielte das, was die Nazis „Entartete Musik“ nannten. Ein Widerstandskämpfer sei er zwar nicht gewesen, sagte Stauffer Anfang 1982 in einem Interview mit dem Journalisten Wolfgang Stock. Er habe nur das braune Pack mit seiner bornierten und freudlosen Auffassung vom Leben nicht ausstehen können. Eine Haltung, die er mit Springer teilte. Ganz Kesse hätten als Kontrast zu Braunhemd und Marschstiefeln Bowlerhut und Schirm getragen, erinnerte sich der Verleger in „An meine Kinder und Kindeskinder“. „Ich ließ es mit englischen Songs in Teddy Stauffers berühmter Band genug sein. Noch heute (1981, d. Red.) erinnere ich mich der Texte und Lieder, die ich in Hamburg und auf Sylt vortrug; und nicht nur dort. Zugegeben, eine sehr zarte Form des Widerstandes, aber Berlin drohte dennoch mit drakonischen Strafen.“ Ständig wurde dem Schweizer Stauffer – mit mehr als 300 Platten in den 30er-Jahren eine der Größen des europäischen Swing – in Deutschland nachgestellt. „Wir spielten 1936 in Leipzig, im Felsenkeller, wo auf der Bühne und vor der Tanzfläche große Plakate hingen: ‚Swing tanzen und Swingmusik verboten – Reichskulturkammer“, erzählte der Saxofonist später. „Zwischen zwei Musikstücken kam plötzlich die Gestapo auf die Bühne und stoppte das Konzert. Der Gestapoleiter sagte ganz formell: ‚Man hat reklamiert, dass Sie Swingmusik spielen.‘ Da meinte ich: ‚Ja, was ist denn das, Swingmusik?‘ Er konnte es natürlich nicht erklären.“ Doch die Zeiten wurden rauer. Hatten sich Stauffer und Springer noch 1934 gemeinsam nur in Badehose und mit spöttischem Grinsen am Strand von Sylt fotografieren lassen, sollte ihnen die gute Laune bald vergehen. „1939 hatte ich alle Kraft zusammengenommen und Altona Richtung Stettin verlassen“, schreibt Springer. Wie in seiner Jugendzeit nahm er erneut Gesangsunterricht, zog sich zurück. „In einer bescheidenen Pension hatte ich damals ein Hinterzimmer mit Klavier.“ Es sei einer der vielen Ausbrüche aus der Zeitungsarbeit gewesen. „Ich war meinem zweiten Gesangslehrer (…) gefolgt. Wir sangen, so gut es ging, bis zum Tage des Kriegsausbruchs am 1. September 1939.“ Die „Original Teddies“ von Stauffer befanden sich da gerade in der Schweiz, ihre deutschen Bandmitglieder mussten zurückkehren, die Combo zerfiel. Stauffer schiffte sich wenig später nach Amerika ein, und Springer war um einen Freund ärmer. Einmal trafen sich die beiden noch. Von einem Empfang 1968 in Berlin gibt es davon ein Foto: Ergraut sind beide, in der Hand ein Glas Sekt. Das spöttische Lächeln, das sie am Strand Björn Engel von Sylt gezeigt hatten, ist hingegen geblieben. Teddy Stauffer war Bandleader der „Original Teddys“, die in den 30erJahren Swingmusik spielten. Springer liebte die Musik, sang sie nach und spielte mit Stauffer (Foto links, weißer Turban, Springer rechts daneben) gern Fußball. 1968 sahen sie sich bei einem Empfang wieder ULLSTEIN BILD; UNTERNEHMENSARCHIV; JO WIECZOREK „Die Welt wird verändert durch Träume.“ Axel Springer, 1970 Danke Axel Springer für Weitsicht, Innovationen und Unternehmergeist. Von Immonet zum 100. Geburtstag von Axel Springer. VERLAGS-SONDERAUSGABE 16 100 JAHRE AXEL SPRINGER Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Erste Schritte Auf der Jagd nach der Lizenz Direkt nach dem Krieg wollte Axel Springer mit einer Tageszeitung loslegen. Doch dafür gab es noch keine Lizenz. So druckte er erst einmal Bücher und Zeitschriften, bevor „Hamburger Abendblatt“ und „Bild“ erschienen. UNTERNEHMENSARCHIV Seiten 16–18 Ein Maskottchen, das dem Verleger viel Glück gebracht hat: Axel Springer schüttelt 1955 „Mecki“, der Werbefigur der Programmzeitschrift „Hörzu“, die Hand Axel Springer kauft „Die Welt“ Ursprünglich war „Die Welt“ eine Zeitung, die von den Briten zur „Reeducation“, zur Umerziehung der Deutschen, gedacht war. Nachdem Axel Springer sie erworben hatte, wurde sie zum Flaggschiff des Verlags. Seite 19 GRUSSWORT OLAF SCHOLZ DAPD/TIMUR EMEK Als Hafenstadt ist Hamburg immer schon ein Informationsknotenpunkt gewesen. Das ist eine Grundlage für Hamburgs Aufstieg zu der Medienstadt der jungen Bundesrepublik. An ihm hat Axel Springer prägend mitgewirkt. Unermüdlich hat er auf Popularität und Eingängigkeit gesetzt, um seine Medien profitabel zu verbreiten. Diese Strategien können nicht nur dem Geschäft, sondern auch der Demokratie dienen, wenn sie verantwortungsvoll eingesetzt werden. Angefangen hat Axel Springer mit dem Nachdruck von HörfunkBeiträgen. Seine Nachfolger verlegen schon längst nicht mehr nur „Hamburger Abendblatt“, „Hörzu“, „Bild“ und „Die Welt“, sondern sie bewegen sich auch erfolgreich im Netz. Auch ihnen geht es aber darum, unserer Gesellschaft durch Journalismus das Gespräch über sich selbst zu ermöglichen – konstruktiv und streitig. Hamburg und die Axel Springer AG sollten daher auch in Zukunft viel Freude aneinander haben. Olaf Scholz ist Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg Der erste Arbeitsplatz des „Mammutverlegers“, wie sich Axel Springer selbstironisch nannte: Nach dem Krieg musste die Redaktion mit Räumen im Bunker an der Hamburger Feldstraße vorliebnehmen 100 JAHRE AXEL SPRINGER 17 VERLAGS-SONDERAUSGABE Wie Axel Springer das „Hamburger Abendblatt“ erfand „Mensch, ich hab’ so viele Ideen“ Gemeinsam mit Max Schmeling wollte der Jungverleger die Medienlandschaft der Hansestadt erobern An einem Junitag 1945, wenige Wochen nach Kriegsende, steuerte ein DKW Meisterklasse mit einem Opel P 4 im Schlepp von Süden kommend über die Elbbrücken. Drei Männer passierten mit diesem Gespann und ihren Erlaubnisscheinen den Checkpoint der britischen Besatzer: Max Schmeling, dem der DKW gehörte, John Jahr und dahinter Axel Springer in seinem klapprigen Opel, der partout nicht anspringen wollte. Das Trio, das da „komödienreif“ – wie Historiker Hans-Peter Schwarz anmerkt – in Hamburg Einzug hielt, hatte große Pläne: Es wollte auf den Trümmern der Hansestadt einen Verlag aufbauen. Die drei kannten sich seit den 30er-Jahren. John Jahr war damals schon als Verleger erfolgreich gewesen und besaß immerhin noch eine Schreibmaschine. Boxidol Schmeling brachte als Kapital vor allem das Ansehen ein, das er sich als Sportsmann erworben hatte. Und Axel Springer, der damals 33-jährige Verleger-Sohn aus Altona, hatte nicht nur Erfahrungen als gelernter Drucker und Journalist zu bieten, sondern auch unbändigen Optimismus: „Bald wird das freie Wort in Deutschland wieder gelten. Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen.“ Aber die britische Militärregierung machte den dreien einen Strich durch die Rechnung. Sie hielt nämlich Max Schmeling – zu Unrecht – für einen NS-Sympathisanten, und John Jahr kam wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft für eine Lizenz ohnehin noch nicht infrage. Allein Axel Springer, den eine Krankheit vor dem Kriegsdienst bewahrt hatte, konnte den Briten glaubhaft machen, dass er während der Nazi-Diktatur „clean“ geblieben war. Einer seiner wichtigsten Zeugen dafür – der Hamburger Buchhändler Felix Jud, der das KZ überlebt hatte – gab zu Protokoll: „Ich kenne sowohl Herrn Springer als auch seine Familie seit vielen Jahren und weiß, dass es kaum überzeugtere Gegner des Nationalsozialismus geben konnte.“ Springer durfte loslegen. Aber nicht etwa mit einer Zeitung, wie es ihm seit Langem vorschwebte. Allenfalls Bücher und ähnliche Verlagserzeugnisse – mehr erlaubten die Besatzer vorerst nicht. Axel und Vater Hinrich Springer reaktivierten ihren von den Nazis geschlossenen Verlag Hammerich & Lesser, in dem sie einst die „Altonaer Nachrichten“ herausgebracht hatten. Verlagshaus und Druckerei an der Königsstraße in Altona lagen seit April 1945 in Schutt und Asche. Aber Axel Springer hatte noch Anfang der 40er-Jahre Zehntausende Bände mit belletristischer Literatur an verschiedenen Orten eingelagert, ebenso Tonnen Druckpapier. Die konnte er nun endlich zu Geld machen. Und pünktlich zu Weihnachten 1945 erschien als erstes neues Produkt ein Abreißkalender „Besinnung. Ewige Worte der Menschlichkeit“ (den Kalender gibt es übrigens bis heute). Es war ein Anfang, aber eben nur ein kleiner Schritt. „Gewiss wollte er sich sofort nach dem Regimewechsel in Hamburg einen großen Namen machen, reich werden, schwerreich, er wollte den Eltern und Freunden imponieren, vor allem auch demonstrieren, wie man eine gute Zeitung machte, die von den Massen gekauft wurde und nicht mit lächerlichen Auflagen herumkrebste nach Art der ,Altonaer Nachrichten‘“, notiert Schwarz in der Biografie „Axel Springer“. „Jedenfalls war der Wille, die schöne Frau Hamburg zu erobern, allem Anschein nach eine seiner stärksten Antriebskräfte.“ UNTERNEHMENSARCHIV (3) „Der Erfolgsweg kann nur heißen: den Lesern wohltun“ Erobern musste der tatendurstige junge Mann aber zunächst einmal die Gunst der britischen Machthaber in Hamburg. Was ihm offenbar nicht allzu schwerfiel, wie sich Max Schmeling erinnerte: „Auf (den zuständigen Presseoffizier) Major Barnetson machte er durch seine guten Manieren, seine Verhaltensweise, seine Ausstrahlung, sein korrektes Auftreten – ganz English style – einen nachhaltigen Eindruck.“ Neben diesen Vorzügen verfügte Springer über einen guten „Riecher“ dafür, wie man die Massen erreicht. Noch war das Medium der Stunde der Rundfunk. Die Sendungen des NWDR wurden in Hunderttausenden Haushalten des Nordens gehört. Aber warum sollten die Leute sie nicht auch lesen können? Sie sollten. Schon im März 1946 erschien die erste Nummer der „Nordwestdeutschen Hefte“ mit Beiträgen aus dem NWDR-Programm. Bald setzte der Verlag Monat für Monat 100.000 Hefte zu je einer Reichsmark in der gesamten britischen Zone ab. Und das nächste Projekt war längst in Arbeit, es sollte sich als weitaus ertragreicher erweisen: eine Programmzeitschrift, die Axel Springer in der Druckerei mit einem frischen Andruck des „Hamburger Abendblattes“, seiner ersten Tageszeitung überhaupt. Die Lizenz dafür hatte er unter anderem deshalb bekommen, weil ehemalige Verfolgte des NS-Regimes seine Abneigung gegen den Nationalsozialismus bezeugten Fortsetzung auf Seite 18 IST DIE PERFEKTE GERADE EINE KURVE INFINITI FX30D S PREMIUM 3,0-LITER-V6-DIESELMOTOR MIT 238 PS / 550 NM DIE GELUNGENE VERBINDUNG VON ANMUT UND LEISTUNG JETZT ERHÄLTLICH AB EUR 399 PRO MONAT * *Leasingbeispiel auf Basis der unverbindlichen Preisempfehlung von 65.650,EUR; monatliche Leasingrate: 399,- EUR, Laufleistung 15.000 km p.a. / 36 Monate, Leasingsonderzahlung 14.250,- EUR. Zzgl. Überführung und Zulassung; ein Angebot der Santander Leasing GmbH, gültig für Zulassungen bis 30.06.2012, solange der Vorrat reicht, bei allen teilnehmenden Händlern. Druckfehler, Änderungen und Irrtümer vorbehalten. 238 PS (175 kW), 3,0 l V6-Dieselmotor mit einem Drehmoment von bis zu 550 Nm. Offizielle Kraftstoffverbrauchswerte des Infiniti FX 30d in l /100 km: innerorts 11,2, außerorts, 7,8, kombiniert 9,0; CO2-Emissionen: 238 g /km (Messverfahren gem. EU-Norm), Effizienzklasse E. Infiniti Zentrum Berlin Autohaus Günther GmbH www.infiniti-berlin.de Salzufer 8 10587 Berlin Tel.: 030-77907907-0 VERLAGS-SONDERAUSGABE 18 100 JAHRE AXEL SPRINGER Fortsetzung von Seite 17 nicht nur wöchentlich die Sendefolge des NWDR bekannt gab, sondern auch die anderer deutscher und ausländischer Sender. Das erste Heft mit dem Titel „Hörzu“ erschien am 11. Dezember 1946 zum Preis von 30 Reichspfennigen. Die Auflage von 250.000 Stück war nach wenigen Stunden vergriffen. Auf zwölf Seiten präsentierte der geniale Publizist Eduard Rhein, den Springer als Chefredakteur hatte gewinnen können, eine unterhaltsame Mischung aus Künstlerreportagen, Informationen zu bedeutenden Sendungen, Hörerzuschriften, ja sogar Reparaturhinweisen für Radioempfänger. Die Zeitschrift traf genau die Gemütslage der Bevölkerung: „Die entnervte Menschheit ist so sehr müde des Streits, ja sogar des manchmal sinnvollen Streits um echte Werte, dass der Erfolgsweg nur heißen kann: den Lesern wohltun.“ Der finanzielle Grundstein für den Erfolg des Konzerns war gelegt, und mit der Gründung einer Axel Springer Verlag GmbH Anfang 1947 durch Vater und Sohn Springer schließlich auch der organisatorische. Doch gab es auch besorgte Stimmen. So äußerte Bürgermeister Max Brauer, Sozialdemokrat und Freund der Springer-Familie, die Befürchtung, „der junge Herausgeber und Verleger könnte sich übernehmen“. Springer selbst sagte später von sich: „Ich bin ein Poet und Träumer.“ Gegenüber Felix Jud soll er überdies bekannt haben: „Mensch, ich brauch’ einen, der auf mich aufpasst, ich hab’ so viele Ideen, ich mach im Handumdrehen pleite, wenn keiner auf mich aufpasst!“ Der wurde alsbald gefunden: Karl Andreas Voss ordnete nüchtern und fachkundig die inzwischen vielfältigen Aktivitäten Springers, die 1947 um eine Lizenz zur Herausgabe der Frauenzeitschrift „Constanze“ zusammen mit John Jahr erweitert wurden. „Aber Springer erkannte genau, dass er vorerst nur einen Gemischtwarenladen sein Eigen nannte“, schreibt Schwarz. „Er würde erst über den Berg sein, wenn es gelänge, den Plan einer eigenen Tageszeitung zu verwirklichen.“ Der Start des „Hamburger Abendblattes“ war auch der Anlass für ein Radiointerview Axel Springers 1948 im NWDR-Studio der Hansestadt Im Herbst 1947 mehrten sich die Signale, dass die britischen Besatzer womöglich doch die Lizenz für eine überparteiliche Zeitung in Hamburg vergeben würden. Springer formulierte einen Antrag für ein Blatt, in dem der lokale Teil das Zentrum bilde, eine Zeitung, „die in die Familie Eingang findet“, die niveauvolle Allgemeinverständlichkeit garantiere und auf jede Schulmeisterei verzichte. Seine Ideen zielten auf einen in Deutschland völlig neuen Zeitungstyp nach angelsächsischem Vorbild. Nicht die Information sollte im Mittelpunkt stehen, sondern das Bedürfnis des Lesers nach einem harmonischen Zusammenleben. Springer schwor seine Redakteure darauf ein: „Behandelt mir diesen Leser schonend…, fragt Euch, was diesem Leser wohltut, was er braucht, um seinen Alltag zu verstehen.“ Am 12. Juli 1948 hielt er die Lizenz Nr. 1 für das „Hamburger Abendblatt“ in den Händen. Es erschien mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren zu je 20 Pfennigen erstmals am 14. Oktober – nicht, wie geplant, am 13., denn Springer war abergläubisch. Die „Abendblatt“-Zeit sei, wie Springer später bekundete, „die Zeit meiner eigentlichen Liebe zum Beruf“. Diese Zeitung, die in nur wenigen Jahren zum größten Regionalblatt der Republik mit einer Auflage von 330.000 Exemplaren aufsteigen sollte, war seine Leidenschaft. Christian Kracht, damals schon einer der engsten Vertrauten Springers, rühmte dessen „unheimliches Gefühl für den Wunsch der kleinen Menschen. Er wusste, was der kleine Mann auf der Straße lesen wollte.“ Was Springer jetzt noch fehlte, waren ein eigenes Verlagshaus und eine Druckerei. Die über die Stadt verteilten Büros mussten endlich unter ein Dach, und er wollte auch nicht länger von anderen Druckereien abhängig sein. Im Herbst 1949 schrieb er an einen Freund: „Überall brutzeln Pläne.“ Einer davon betraf ein von Kriegstrümmern geräumtes Areal am Straßendreieck Kaiser-Wilhelm-Straße, Fuhlentwiete und Neustädter Straße. Oktober 1950 rollten die Bagger an, Anfang 1952 konnte Springer das 13-stöckige Verlagshaus beziehen, kurz darauf ging nebenan die eigene Tiefdruckerei in Betrieb. Hans-Joachim Nöh 100 Jahre Axel Springer. Danke. Axel Springer wird am 02. Mai 1912 als Sohn eines Verlegers in Altona geboren. Als Lehrling im Betrieb seines Vaters lernt er sein späteres Geschäft von der Pike auf und steigt im Verlauf einer für die Branche einzigartigen Erfolgsgeschichte zielstrebig und kompetent vom Setzer, Drucker und Journalisten zum größten deutschen Verleger auf. Wie kaum ein anderer trägt Axel Springer mit seinem persönlichen und politischen Engagement zur Polarisierung der Standpunkte und zur Bildung der öffentlichen Meinung bei. Für seinen investigativen Enthüllungsjournalismus, den er geradlinig und konsequent betreibt, erntet er Lob und Tadel. Auf der Suche nach der Wahrheit packt der Axel Springer Verlag bis heute besonders heiße Eisen an und scheut dabei auch nicht die Auseinandersetzung mit den Mächtigen dieser Welt. Wir sind stolz darauf, dass wir dem Verlag den Stoff liefern dürfen, auf dem die Worte gedruckt werden, die die Republik bewegen. Axel Springer wäre am 2. Mai 2012 100 Jahre alt geworden. Mit dieser Anzeige ehren wir einen scharfsinnigen Journalisten und politisch engagierten Visionär, einen feinsinnigen Ästheten und Kunstmäzen, genauso wie das sozial engagierte Vorbild Axel Springer und einen der erfolgreichsten deutschen Unternehmer der Nachkriegszeit. storaenso.com 100 JAHRE AXEL SPRINGER 19 VERLAGS-SONDERAUSGABE Überregionale Qualitätspresse Das neue Flaggschiff Mit dem Kauf von „Welt“ und „Welt am Sonntag“ füllte Axel Springer eine Lücke in seinem Portfolio SVEN SIMON; ULLSTEIN BILD/DPA nach der Währungsreform noch längst kein Überangebot an den Kiosken gab, behinderten Zweifel wie die des Presserats den Erfolg der „Welt“ vorerst nicht. Auch die „Welt am Sonntag“ entwickelte sich prächtig. Doch mit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai 1949 fiel der Lizenzzwang für Zeitungen – nun durfte jeder eigene Blätter verlegen, der die technischen Mittel und das Kapital dazu mitbrachte. Eine Flut von Neuerscheinungen war die Folge – und der Absturz der „Welt“. Am Anfang stand der Notverkauf. Im Mai 1952 leitete die NordBis April 1953 hatte die Norddeutsche Bank 15 Kaufinteresdeutsche Bank den Verkauf der Verlagsgesellschaft „Die Welt“ in senten für einen Anteil von 70 bis 75 Prozent der Verlagsgeselldie Wege. Den Auftrag dazu hatte der Bank der Gesellschafter schaft „Die Welt“ gefunden. Zu den Interessenten zählte der des Verlages erteilt – die Regierung Ihrer Majestät Queen Eliza- Berliner Ullstein-Verlag, der den von den Nazis enteigneten beth II. Die Alternative zum Verkauf wäre die Einstellung der jüdischen Eigentümern rückerstattet worden war und in Westerst 1946 gegründeten Zeitung mit dem stolzen Titel gewesen. Berlin die „Berliner Morgenpost“ sowie die „B.Z.“ herausbrachte. Nur drei Jahre zuvor hatte die dreimal pro Woche erscheinende In ihrem Angebot fehlte den Ullsteins eine überregionale Quali„Welt“ ihren absoluten Auflagenrekord erreicht: Ende Februar tätszeitung. Schon vier Jahrzehnte zuvor hatte ihr Verlag mit der 1949 waren 1,05 Millionen Exemplare gedruckt und verkauft „Vossischen Zeitung“ ein darbendes Aboblatt übernommen. worden. Doch seither sank die Auflage stetig. Zum Jahresende Unter anderem deshalb galt Ullstein als Favorit der Briten. Nicht 1951 betrug das Reinvermögen des Verlages der „Welt“ und „Welt beworben hatte sich Axel Springer, der mit seinen erfolgreichen am Sonntag“ gerade einmal 4192 Mark. Die Gesellschafter entNeugründungen über genügend Kapital verfügte. In seinem schieden sich, die Gesellschaft in deutsche Hände zu übergeben. Verlagsportfolio fehlte ihm noch eine repräsentative überregioIn den ersten Jahren nach der Kapitulation 1945 gab es in nale Qualitätszeitung. Am 14. April 1953 kam es zu einem ersten Westdeutschland zunächst zwei Arten von Zeitungen: deutdokumentierten Gespräch Springers über die Zukunft der sche Lizenzblätter, die von alliierten Presseoffizieren „Welt“. Zusammen mit seinem Partner Karl Andreas Voss erüberwacht wurden, und alliierte Zeitungen in deutscher schien der Verleger beim Direktor der Norddeutschen Bank und Sprache. „Die Welt“ war Anfang 1946 als neue Form signalisierte ein „sehr ernsthaftes“ Kaufinteresse. Acht Tage konzipiert worden: als Qualitätszeitung in britischem darauf traf sich die Verlagsgeschäftsführung der „Welt“ mit Besitz für die britische Besatzungszone, die vollstänSpringer und Voss. Der Hamburger Verleger erwies sich als wedig von deutschen Redakteuren geschrieben wurde, sentlich einfacherer Verhandlungspartner als die Emissäre des aber dennoch natürlich der Überwachung unterUllstein-Verlages: Er machte Zugeständnisse, um die mit dem lag. Schon im Sommer 1948 war diese Konstrukti- Favoriten hart gerungen worden war. Steel McRitchie, Beiratson zum ersten Mal zum Problem geworden: Der vorsitzender des „Welt“-Verlages, räumte in einem AktenverPresserat für die britische Zone, in dem sich merk ein, dass Springers Angebot wirtschaftlich die beste Lökonkurrierende Verleger zusammengeschlossen sung sei. Dennoch warnte er vor einer Entscheidung zugunsten hatten, forderte „Die Welt“ auf, zu „erklären, ob Springers. Er sorgte sich, der politische Einfluss des Verlegers sie ein Organ der britischen Militärregierung sei könnte zu groß werden. Doch Springer konterte diese Bedenken oder eine deutsche Zeitung“. Weil es aber kurz mit hochkarätiger Unterstützung: Er gewann Kanzler Konrad Adenauer für seine Idee. Mit dessen Unterstützung reichte er ein großzügiges Angebot ein. Insgesamt belief sich der Kaufpreis 1953 übernahm Axel Springer (Foto von 1975) die auf rund 2,7 Millionen Mark. Hinzu kam eine BeschäftigungsTageszeitung „Die Welt“. Dieses gelang dank der garantie für die knapp tausend Mitarbeiter. Am 12. Mai 1953 fiel Unterstützung durch Bundeskanzler Konrad Adenauer, die Entscheidung zugunsten Axel Springers, vollzogen wurde der der selbst gern „Die Welt“ las (Foto oben, von 1961) Sven Felix Kellerhoff Verkauf dann zum September. VERLAGS-SONDERAUSGABE 20 Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de „Bild“ Sprachrohr für die Massen Die „Bild“-Zeitung entwickelte sich nach ihrer Gründung 1952 schnell zum Sprachrohr derjenigen, die sonst kaum Gehör finden. Der verlegerische Erfolg blieb zunächst aber aus, das Blatt schrieb Verluste. Doch Axel Springer gab nicht auf, er stellte um auf mehr Text und weniger Fotos – und die Auflage explodierte. Seiten 20–22 Seid nett zueinander Mitmenschlichkeit war für Axel Springer Lebensmaxime. Alle Zeitungs- und Zeitschriftentitel machten sich diese zu eigen. Axel Springer sah in seinen Mitarbeitern sein wichtigstes Kapital und die Garanten für den Markterfolg. Entsprechend großzügig fielen Gratifikationen für die Belegschaft aus. Eine herzliche Bande entwickelte der Verleger insbesondere zu Berlins Taxifahrern. Seiten 23–25 GRUSSWORT DAPD/PHILIPP GUELLAND HEIDI MAHLER Axel Springer war ja eine ausgesprochen prominente Persönlichkeit in Hamburg; den als junges Mädchen auch nur aus der Ferne zu sehen, das war ja schon sensationell. Ins OhnsorgTheater gegangen ist er nicht, aber meine Eltern Heidi Kabel und Hans Mahler waren sehr befreundet mit dem damaligen Kritiker des „Hamburger Abendblattes“, Walther Hansemann. Und zu dessen Beerdigung kam natürlich auch der Herr Springer. Einmal bin ich ihm übrigens sehr nah gekommen – auch wenn er das vermutlich gar nicht registriert hat. Mein Mann – mein erster Mann in meinem ersten Leben – war Pilot und hat Axel Springer damals mit seinem Sohn nach Sylt geflogen. Ich saß, mehr oder weniger heimlich, hinten im Flieger. Das hat er sicher gar nicht so bemerkt. Ich ihn aber schon. Axel Springer sah ja auch so gut aus! Heidi Mahler ist Hamburger Schauspielerin und Mitglied des Ohnsorg-Theaters 100 JAHRE AXEL SPRINGER VOM KLEBESATZ BIS BILD.DE Erfolg durch steten Wandel: 60 Jahre „Bild“ Die Zeitung hatte sich Axel Springer in England abgeschaut. Sie sollte die gedruckte Antwort aufs Fernsehen sein Die Manager lachen schallend: Wie solle die neue Zeitung heißen, die ihr Chef Axel Springer da plant? Wirklich „Bild“? Unmöglich, so ein Bilderblatt werde niemand kaufen! Doch der Verleger bleibt hartnäckig. Auf einer Reise nach London hat er die britischen Tabloids kennengelernt, ist fasziniert von ihrer klaren Sprache, ihrer nachrichtlichen Ausrichtung, der lesernahen Themenmischung. Noch im Hotel stellt er aus Ausrissen seine Vision einer deutschen Boulevard-Zeitung zusammen, für ihn die „gedruckte Antwort auf das (aufkommende) Fernsehen“. Nun sitzt er, umstanden von seinen Managern, im Frühjahr 1952 auf dem Fußboden seiner Villa in Hamburg-Falkenstein und entwirft mit Schere und Leim einen völlig neuen ZeitungsTyp: vier Seiten, auf der ersten und letzten nur Bilder mit kurzen Unterschriften, auf den Seiten 2 und 3 kurze Texte – etwas für Frauen, ein bisschen Wirtschaft, ein gehaltvolles Zitat, dazu Horoskop, Kurzmeldungen, ein Leitartikel. „Human Interest“ statt Politik – oder in den Worten des Verlegers: „Geschmack einer Vanilleschnitte am frühen Morgen“! Auch das Logo soll ein Signal sein: Achtung, hier kommt eine völlig neue Zeitung! Ein knallrotes Rechteck, darauf weiße, 6,5 Zentimeter große Blockbuchstaben! Laut, kantig, eindeutig. Darunter die beiden Wörter „unabhängig, überparteilich“ – ein stolzer Hinweis, dass „Bild“ keiner Partei gehört, wie so viele Zeitungen damals. Und groß muss das Blatt sein, so will es der Verleger! Denn der Leser solle den Eindruck haben, für seinen Groschen viel zu bekommen. Wenige Monate später, am 24. Juni 1952, ist es so weit: „Bild“ startet im Hamburger Raum. Zwölf Mitarbeiter bilden die Redaktion, ihr Sitz sind zwei Dachzimmer im Hinterhof der Versicherung Volksfürsorge – eine fast symbolische Verbindung: Denn von Anfang an soll „Bild“ Sprachrohr der kleinen Leute sein, gleichzeitig Verteidiger und Seelsorger, Ratgeber und Lebenslotse. Doch der Erfolg bleibt aus, die Auflage harrt bei 200.000 Exemplaren, „Bild“ schreibt täglich Verluste. „Dabei wirst du arm“, warnt ein Freund Axel Springer. Doch der gibt nicht auf. Im Januar 1953 wird „Bild“ umgestellt, auf mehr Text und weniger Fotos – und die Auflage explodiert: Zwei Monate später ist die Marke von 450.000 erreicht, im September 1,3 Millionen, dann beginnt die Ausdehnung ins Bundesgebiet – und der nationale Durchbruch. Chefredakteur ist Rudolf Michael, damals 62 Jahre. Zuvor beim „Hamburger Abendblatt“, erfüllt er bei „Bild“ perfekt die Vorgabe des Verlegers, „die Herzen der Menschen“ zu erreichen. Barmherzigkeit und Toleranz, Mutterglück und die Liebe zum Vaterland sind die großen Themen. „Bild“ ist sanft und gemütvoll, bringt Erhebendes statt harter Nachrichten. In der Nachkriegszeit kommt das bei den Lesern an: Als Michael 1959 die Leitung niederlegt, ist die Auflage bei drei Millionen, mit steigender Tendenz. Man könnte also so weitermachen. Aber Springer macht nicht so weiter. Er hat sich verändert, ist vom hanseatisch- 21 VERLAGS-SONDERAUSGABE UNTERNEHMENSARCHIV; ANNETTE LEDERER 100 JAHRE AXEL SPRINGER Axel Springer mit der Erstausgabe der „Bild“ am 24. Juni 1952. Zunächst setzte das neue Format noch mehr auf Bilder als auf Text. Als das Ganze kein Erfolg wurde und bei einer Auflage von 200.000 stecken blieb, wurde „Bild“ Im Januar 1953 auf mehr Textanteile umgestellt – und die Auflage explodierte: Im September waren 1,3 Millionen erreicht unpolitischen Lokalverleger zum Kämpfer geworden für Wiedervereinigung, deutsch-jüdische Aussöhnung und gegen jede Form von Totalitarismus. So ändert sich auch „Bild“. Der neue Chefredakteur heißt Karl-Heinz Hagen, ein blitzgescheiter, politischer Kopf – und die Zeiten sind danach. Kalter Krieg, beginnende Kuba-Krise, und in der Mitte Europas flüchten Tausende aus der DDR in den Westen. Brutal lässt SED-Generalsekretär Ulbricht diese Abstimmung mit den Füßen am 13. August 1961 unterbinden: Die Mauer wird gebaut, und „Bild“ schreibt mit Titelzeile und Titelgestaltung Zeitungsgeschichte: „Der Westen tut NICHTS!“, lautet die Anklage, umrahmt von Stacheldraht! Das Wagnis der Politisierung gelingt, die Auflage steigt weiter. Aber schon nach einem Jahr zieht sich Hagen zurück. Mit stakkatohaften Zeilen hat er „Bild“ das Vanilleschnittenhafte ausgetrieben, jetzt empfiehlt er für die inzwischen größte Zeitung Europas einen deutlich Jüngeren: Peter Boenisch, 34 Jahre, Chefredakteur von „Bravo“. Auch das ist ein Wagnis. Aber Springer verlässt sich auf seinen Instinkt. Boenisch verbindet, was die ersten Chefredakteure trennte: Gespür für harte wie weiche Themen, für Weltpolitik wie kleine Sehnsüchte. Königshäuser und Hollywood finden ins Blatt, der Sportteil wird massiv ausgebaut. Und Boenisch, Schöpfer genialer Schlagzeilen wie „Der Mond ist jetzt ein Ami“, erfindet noch etwas, was „Bild“ prägen wird: Kampagnen. Gegen den Starfighter-Kauf, gegen Telefonund TV-Gebühren, und fast immer gegen Fortsetzung auf Seite 22 „Hut ab, Möbel Hübner!“ Désirée Nick, Schauspielerin und Autorin 50% 15% 0 % 1 AUF ALLE FREI GEPLANTEN KÜCHEN 2 3 AUF FAST ALLES ANDERE FINANZIERUNG 1 Ausgenommen sind Team 7, Miele, Musterring und Elektrogeräte. Nicht kombinierbar mit anderen Aktions- und Einkaufsvorteilen. Gilt nur für Neukäufe bis 19.05.2012. 2 Ausgenommen sind aktuelle Prospektware und bereits reduzierte Angebote, der Abteilungsbereich Roland sowie wenige Marken. Mehr Informationen im Möbelhaus. Nicht kombinierbar mit anderen Aktions- und Einkaufsvorteilen. Gilt nur für Neukäufe bis 19.05.2012. 3 Finanzierung durch die Santander Bank AG. Laufzeit 0–36 Monate. Gültig nur für Neuaufträge ab einem Auftragswert von 500 Euro. Gültig bis 19.05.2012. Möbel Hübner Einrichtungshaus GmbH Genthiner Straße 41, nahe Potsdamer Platz | 10785 Berlin Öffnungszeiten: Mo – Fr 10 –19 Uhr | Sa 10 –18 Uhr Tel. 030 /254 05-0 | www.moebel-huebner.de VERLAGS-SONDERAUSGABE Axel Springer mit „Bild“Chefredakteur Peter Boenisch im Sommer 1970 beim Golfen auf Sylt. Boenisch hatte ein Gespür für harte wie weiche Themen, für Weltpolitik wie kleine Sehnsüchte, war der Schöpfer so genialer Schlagzeilen wie „Der Mond ist jetzt ein Ami“. Doch auch an ihm sind die Jahre heftiger Anfeindungen gegen die „Bild“ nicht spurlos vorbeigegangen. 1971 bat er Springer, ihn aus der Verantwortung zu entlassen 22 100 JAHRE AXEL SPRINGER von Harald Juhnkes Millionenerbe nachträglich als Ente erweist, titelt „Bild“ am nächsten Tag: „17-Mio-Juhnke wieder arm“! Aber das Verhältnis von Wahrheit und knalliger Story bleibt problematisch, Günter Wallraffs Recherchen decken dies auf. Optisch wird „Bild“ dichter, auf dem Titel drängen sich die Themen, und die Schlagzeilen sind Ikonen der Verknappung: „Honka, Hitze, HSV“. In dieser Zeit entsteht auf Anregung Springers „Ein Herz für Kinder“, fast gleichzeitig erfindet Prinz „Bild kämpft für Sie“, beides außergewöhnlich erfolgreiche Hilfsaktionen. „Bild“ wird regional, überall im Land entstehen Stadt- oder Regionalausgaben. Und die Auflage liegt wieder stabil über vier Millionen. Bis 1981 bleibt Prinz Chefredakteur, danach wechseln in wenigen Jahren Horst Fust, Werner Rudi, Peter Bartels und HansHermann Tiedje in die Chefredaktion. Die großen Debatten heißen Nachrüstung, Brokdorf, Waldsterben. Weiterhin polarisiert „Bild“, doch trotz aller Anfeindungen ist das Vertrauen in die Marke ungebrochen: Alle Neugründungen werden sofort Marktführer in ihrem Segment, unabhängig ob „Bild der Frau“ (1982), „Bild Woche“ (1983), „Auto Bild“ (1986) oder „Sport Bild“ (1988). 1992 übernimmt Claus Larass den Chefposten bei „Bild“. „Bild“ wird farbig, auf Titel und letzter Seite, aber auch im übertragenen Sinn: Larass öffnet die Zeitung für neue Stoffe, schafft ein Kulturressort, setzt verstärkt auf medizinische Themen. Die Wiedervereinigung ist vollzogen, die politischen Schlachten sind geschlagen, und immer mehr Leser kommen aus der Generation Golf. „Bild“ wird zunehmend unterhaltender, sanfter, weiblicher und die Auflage steigt auf 4,6 Millionen, und „Computer Bild“ (1996) wird Platzhirsch bei den PC-Zeitschriften. Auf Larass folgt 1998 Udo Röbel, auf ihn 2001 Kai Diekmann, der die thematische Breite von Larass aufnimmt, aber neue Schwerpunkte in der politischen Berichterstattung setzt. „Bild“ ist Agendasetter, bestimmt die großen nationalen Themen, ob Bankenrettung, Griechenhilfe oder Sarrazin-Debatte. So wird sie meistzitierte Zeitung – und unverzichtbare Lektüre für Politiker, Manager, Unternehmer. „Bild“ erfindet den Leserreporter und Leserbeirat, gründet die „Bild“-Bibliothek, initiiert Ausstellungen und Kunstaktionen und treibt, 2008 in die Bundeshauptstadt Berlin umgezogen, die Digitalisierung voran: Nach der Lösung aus einem Joint Venture wird „Bild.de“ in kürzester Zeit Marktführer unter den Online-Nachrichtenportalen, und per App ist „Bild“ eine der ersten Zeitungen auf iPad und Smartphones. Noch etwas ändert sich: Nicht mehr Auflage allein entscheidet, sondern Wirtschaftlichkeit! Jahrelang waren Preiserhöhungen als Gift für die Auflage gefürchtet; „Bild“ erhöht die Preise und erreicht immer neue Rekordergebnisse – bei höchster Reichweite! Denn fast zwölf Millionen Deutsche lesen täglich „Bild“! Und „Bild“ wird investigativ: Bonusmeilen, Steiner-Affäre, Kundus oder der Euro-Beitritt Griechenlands, schließlich die Causa Wulff, die mit dem Rücktritt des Bundespräsidenten endet. Nicht der einzige Rücktritt: Auch das „Bild“-Girl von Seite 1, über 28 Jahre fast ein Markenzeichen, tritt zurück, wenn auch nur auf die Innenseiten. Umstritten war es schon lange nicht mehr, Nacktheit ist Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Und in deren Mitte ist auch „Bild“ längst Nicolaus Fest angekommen. Fortsetzung von Seite 21 Minister der Union! Wie für seinen Verleger ist auch für Boenisch der antitotalitäre und antirassistische Konsens unverhandelbar. Als im Zuge des Vietnamkrieges ein Teil der Studentenschaft den „bewaffneten Aufstand“ gegen „das BRD-System“ fordert und ihr Protest auch dezidiert antisemitische Züge annimmt, ist „Bild“ um klare Worte nicht verlegen: „kriminelle Anarchisten“, „Jungrote“, „politische Spinner“. Mit den Schüssen auf den charismatischen Studentenführer Dutschke eskaliert der Konflikt. Unter dem Slogan „‚Bild‘ hat mitgeschossen“ kommt es zu Demonstrationen, die Redaktion München wird verwüstet, die Druckerei Hamburg belagert. Gut tut der Konflikt keinem. Das gesellschaftliche Klima ist vergiftet, die Auflage sinkt um eine Million, und auch journalistisch verkämpft sich „Bild“ in blinder Parteinahme für die Staatsgewalt – so, wie man heute weiß, im Fall Benno Ohnesorg. 1971 bittet Boenisch Springer, ihn aus der Verantwortung zu nehmen, sein Nachfolger wird Günter Prinz, der zuvor bei „Quick“, „Jasmin“ und „Eltern“ große Erfolge feierte. Und wieder ändert sich „Bild“. Weniger Politik, mehr Nachrichten, Sex and Crime. Schneller, höher, weiter ist der Maßstab, je sensationeller, desto besser, und wenn etwas nicht stimmt, bügelt Prinz es mit Chuzpe aus: Als sich die Schlagzeile Beuth-Höfe, Berlin-Mitte Belles Etages, Berlin-Mitte JUBILARE UNTER SICH GRUSSWORT UWE SEELER Die Rolle des großen Visionärs und Kommunikators Axel Springer in Berlins Geschichte war wegweisend und inspirierend. Auch wir konnten in der jüngeren Vergangenheit einen Beitrag zur Gestaltung Berlins leisten: seit 30 Jahren setzen wir alles daran, unsere Stadt immer schöner und lebenswerter zu machen. Beste Beispiele sind unsere Stadtquartiere „Tiergarten Dreieck“, „Köbis Dreieck“ und „Diplomatenpark“ sowie Wohnensemble wie das Stadtpalais „Belles Etages“ in der Jägerstraße, die „Beuth-Höfe“ am Spittelmarkt oder „Wohnen an der Wallstraße“ unweit vom Märkischen Museum. Wir stehen in der Tradition aller, denen unsere Stadt am Herzen lag. Groth Gruppe Kurfürstendamm 50 · 10707 Berlin · Tel.: (030) 880 94-0 www.grothgruppe.de DAPD 775 JAHRE BERLIN · 100 JAHRE AXEL SPRINGER · 30 JAHRE GROTH GRUPPE Wenn wir uns getroffen haben, dann haben wir uns natürlich auch über den Fußball und den HSV unterhalten. Axel Springer war auch im Sport immer auf Ballhöhe, er kannte sich aus und zeigte sich immer interessiert. Wenn wir im Hamburger Verlagshaus waren, dann empfing er uns stets in seinem Dienstzimmer hoch unter dem Dach. Ich hatte den Eindruck, dass er für seine Angestellten ein großartiger Chef war. Ich verneige mich vor seinem Lebenswerk. Was er geschaffen hat, ist einmalig – der Axel Springer Verlag ist dank seines Gründers ein Imperium geworden und genießt weltweit höchste Anerkennung. Axel Springers Meisterstück war, dass er es trotz aller Widerstände und Anfeindungen geschafft hat, das Berliner Verlagshaus genau an die Grenze zur DDR zu bauen. Ich habe ihn für seinen enormen Mut bewundert und denke voller Hochachtung an ihn zurück. Uwe Seeler traf in seiner aktiven Fußball-Karriere beim Hamburger SV (1953 bis 1972) als Mittelstürmer in 476 Spielen 404-mal ins Netz 100 JAHRE AXEL SPRINGER 23 VERLAGS-SONDERAUSGABE Seid nett zueinander. Im Mittelpunkt der Arbeit Axel Springers stand der Mensch, so auch bei der Aktion „Ein Herz für Kinder“, die der Verleger 1978 ins Leben rief UNTERNEHMENSARCHIV; ULLSTEIN BILD (3) Soziale Verantwortung Seid nett zueinander! Das Motto des „Hamburger Abendblattes“ ist ein Gleichnis für die christliche Forderung „Liebe deinen Nächsten“ Was sich immer lohnt: Nett zueinander sein …Vernünftig miteinander reden …Verständigung suchen …“ Dieses Werbeplakat für das „Hamburger Abendblatt“ brachte 1949 die bis heute typische Leitfarbe Grün ins Nachkriegsgrau der Hansestadt. Über der Botschaft umschnurrte eine Katze einen Hund als Symbol dafür, dass sich Sympathieschranken wie bei diesen Antipoden der Tierwelt überwinden lassen. Schon in seinem Antrag für die Lizenzerteilung für das Regionalblatt durch die alliierten Behörden formulierte Axel Springer: „Die Erfahrung lehrt, dass man zur Demokratie nicht nur unmittelbar auf rein politischem Wege gelangt, sondern mittelbar auch dadurch, dass man die Menschen menschlich anspricht und in ihrer privaten Sphäre zu verstehen versucht.“ Das „Hamburger Abendblatt“ kam erstmals im August 1948 an die Kioske, kurz darauf skizzierte der Verleger die Ausrichtung seiner ersten Tageszeitung: „Verständigung suchen … objektive Unterrichtung … Kompromisse … Orientierung an den Umständen … das Gute im Menschen ansprechen“. Alle seine Verlagsobjekte hatten als Maxime die „Wiederentdeckung des Menschen und des Menschlichen, durch die allein ich mir eine politische Wandlung verspreche“. Bald fand der damalige Werbeleiter Hans-Heinrich Schreckenbach für diese Philosophie, mit der Axel Springer in den 1950er-Jahren sein Imperium aufbaute, den griffigen Werbespruch „Seid nett zueinander!“. Diese Grundeinstellung, die seiner privaten Lebenshaltung entsprach, war Springers Antwort auf die Lebensumstände in einer schweren Zeit, der „Ellenbogenexistenz“ – wie er es nannte –, „wo einer glaubte des anderen Feind zu sein“. Das „Hamburger Abendblatt“ startete viele Initiativen, immer mit dem Ziel, dem Leser zu dienen, ihm auch mal ein Lächeln zu schenken. Es war Springers Ausweg aus der Krise. „In einer solchen Zeit“, sagte er, „war unser Aufruf ,Seid nett zueinander‘ beinahe eine Sensation.“ Der Slogan war die Übersetzung der christlichen Forderung „Liebe deinen Nächsten“ in die Alltagssprache. Nach Jahren des Hasses, der Auseinandersetzung und der Denunziation sprach es die Sehnsucht der Menschen nach einem friedlichen Miteinander an. Axel Springer verstand sich darauf, diesem Leitmotiv vielerlei Gestalt zu geben. Eine davon war das „Menschlich gesehen“, das seit der ersten Ausgabe auf jedem Titel des „Hamburger Abendblattes“ eine Person des Tages in Wort und Zeichnung porträtiert. Es ist mehr als nur eine Rubrik: Es ist Für manche ist es nur ein Baum. Für uns ist es ein großes Vorbild in Sachen Recycling. Bäume sind nachwachsende Rohstoffe, die Kohlenstoff binden, Sauerstoff erzeugen und die gespeicherte Energie bei Bedarf wieder abgeben. Bei diesem Prozess wird nichts wirklich verbraucht, keine Energie geht verloren, ein endloser natürlicher Kreislauf. Diesen Prozess des Recyclings intelligent zu unterstützen und die positiven Effekte nutzbar zu machen, ist die Aufgabe der ALBA Group: Mit rund 200 Unternehmen weltweit sind wir die Recycling Company. www.albagroup.de Fortsetzung auf Seite 24 VERLAGS-SONDERAUSGABE 24 100 JAHRE AXEL SPRINGER Fortsetzung von Seite 23 Unter die Menschen gehen, mit ihnen darüber sprechen, was sie bewegt. Axel Springer bedankt sich bei einer Kioskverkäuferin in Hamburg ein Bekenntnis von ungebrochener Gültigkeit. „Seid nett zueinander“, jener griffige Slogan aus der frühen Zeit des „Hamburger Abendblatts“, war nicht nur als Aufforderung an die Menschen in der Stadt zu verstehen, sondern auch als Werbemittel, um vom „Abendblatt“ reden zu machen. Eine Lokalzeitung, so forderte Axel Springer, müsse unablässig im Gespräch bleiben. Er selbst steuerte viele Ideen zu Aktionen bei, die diesem Zweck dienten. Da ging zum Beispiel ein Redakteur als „Herr Lombard“ durch die Stadt, und wer ihn zuerst entdeckte, bekam 100 Mark oder seine Rechnung im Restaurant bezahlt. Im Frühling verschenkte das „Abendblatt“ Blumensträuße, und der Verleger überreichte viele davon persönlich. Axel Springer ging oft zu den Menschen auf die Straße, um mehr über deren Freuden und Nöte zu erfahren. Treue Leser durften mit einer „Abendblatt“-Kutsche zur Trauung fahren. Viele dieser Aktionen leben im Springer-Jubiläumsjahr wieder auf. Im März zum Beispiel wurden in Hamburg wieder Narzissensträuße verteilt. Seit April rollt wieder eine – neu gebaute – Hochzeitskutsche, die bis in den Spätsommer hinein zehn Paare zur Trauung oder auch zur goldenen Hochzeit bringen wird. Und im Juni kehrt „Herr Lombard“ mit Euro und neuen Ideen zurück. Auf dem Weg zur multimedialen Bürgerzeitung 2020 will das „Abendblatt“ noch stärker im Sinne ihres Gründers tätig werden. Mit den Initiativen „Von Mensch zu Mensch“ und „Kinder helfen Kindern“ ist das Blatt im sozialen Bereich bereits engagiert. Mit der Aktion „Abendblatt macht Schule“ setzt die Zeitung ein Ausrufezeichen in Sachen Bildung. Hinzugekommen sind Engagements für die Umwelt und das Miteinander der Kulturen. Die Aktionen sind aber nicht nur Selbstverpflichtung zur guten Tat. Der Slogan „Seid nett zueinander“ betont immer wieder den Nukleus Bürgergesellschaft. Und das Verhältnis dieser Bürger untereinander liegt im Prinzip der Freundschaft. Das Menschliche im Auge behalten, das ist eine bis heute gelebte Philosophie des „Hamburger Abendblattes“. Axel Springer erinnerte sich an Geburtstage und verschickte Präsentkörbe mit Lebensmitteln an Mitarbeiter als Dank für herausragende Leistungen. Zu Weihnachten gab es bereits besondere Gratifikationen oder Prämienzahlungen, als das in anderen Betrieben noch völlig unbekannt war. Der Schriftsteller Sten Nadolny („Die Entdeckung der Langsamkeit“) erinnert sich daran, dass er als Student kurzzeitig sein Salär als Austräger der „Berliner Morgenpost“ aufbesserte: „Aber dann, im Dezember 1969, erhielt ich unverhofft einen Bankauszug: Springer zahlte mir Weihnachtsgeld … einfach so. Ich glaubte an einen Buchungsfehler, schwieg gegenüber jedermann … Es war kein Buchungsfehler, Springer bezahlte die Leute, die für ihn arbeiteten, großzügig.“ Sein Konzern war nicht irgendein Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, sondern hatte für Axel Springer den Charakter einer Gemeinschaft, ja einer Familie. Zum 30-jährigen Gründungsjubiläum des „Abendblattes“ erklärte er es so: „Ich habe von diesem Haus als einer Familie gesprochen. Und wahrlich, so wie in einer intakten Familie alle an einem Strang ziehen, so muss es auch in einem guten Betrieb, besonders in einem Verlagshaus sein. Das Endprodukt … lebt von diesem Hand-in-Hand-Greifen aller. … Heute nennt man so etwas ein Team; ich nenne es Familie.“ Im Umgang mit Mitarbeitern waren Mildtätigkeit, Mitgefühl, Großzügigkeit und Toleranz Springers Leitprinzipien. Arroganten Managern gegenüber konnte Axel Springer cholerisch sein. Galt ein Wutausbruch aber einem kleineren Bediensteten, so vergaß er nie, sich später zu entschuldigen. „Er schämte sich danach sogar richtig dafür“, erinnert sich Friede Springer. Um soziale Kompetenz, Vertrauen und Mitmenschlichkeit geht es auch bei Axel Springers herzlicher Verbundenheit zu Berlins Taxifahrern. „Vielleicht waren es die Berliner Taxifahrer, jene liebenswerten, hellwachen und schlagfertigen Bürger unserer Stadt, die das Zeitungsviertel schon entdeckt hatten, als wir noch in großer Einsamkeit hier bauten. Ich war jedenfalls amüsiert dankbar, wenn ich manchmal über den Autofunk die Frage nach dem Wohin von dem Fahrer derart beantwortet hörte: ‚Ick jeh’ bei Axel‘ oder auch ‚Ick bin uff Achse zu Axel‘“, sagte einst Axel Springer. Einer, der diese enge Bande erlebt und mitgestaltet hat, ist Heinz Peter, Chef der Taxi-Innung zwischen 1969 und 1995. „Axel Springer hat ein Denkmal verdient dafür, was er für Berlin, was er für das ganze Land geleistet hat“, sagt Peter. „Wie ein Rufer in der Wüste hat Axel Springer immer an die Einheit in Freiheit geglaubt. Ehrlich gesagt, ich habe seine Vision damals nicht geteilt. Umso schöner für mich als Urberliner, dass er recht behalten hat.“ Peter erinnert sich an die Anfänge des Verlagshochhauses: „Während in den bedrohlichen Zeiten des Kalten Krieges andere Firmen zuhauf und beinahe panikartig das damalige West-Berlin verließen, baute Springer unbeirrt zwischen Zimmer-, Koch- und Jerusalemer Straße weiter. ‚Donnerwetter, was passiert denn da? Was geht hier eigentlich inmitten der Trümmerwüste vor?‘“, hätten er und seine Kollegen sich gefragt. Und als man später mit Bewunderung festgestellt habe, dass hier jemand auf die Zukunft setze und baue, da sei, wer Kunden nach Kreuzberg in die Kochstraße chauffiert habe, „uff Achse zu Axel“ gewesen. Auch wenn die Funkzentrale bat „Heute nennt man so etwas Team, ich nenne es Familie“ VERLAGSGRÜNDUNG Ottilie, der Junge ist verrückt geworden! Guter Journalismus ist investigativ. Immer wieder spannend. Überraschend. Gute Medienforschung auch. Berlin München Zürich Paris Mumbai www.htp-concept.com 1 GARANTIERT! Fairer Ankauf von Gold und Schmuck zu börsenorientierten Höchstpreisen. Schlaglichter auf das Leben von Axel Springer meilensteine.axelspringer.de 100 JAHRE AXEL SPRINGER „Ein’ Axel, bitte“, war klar, wohin es gehen sollte. Nicht nur sorgten die Verlagsangestellten für Umsatz, Axel Springer schätzte die Zunft auch als Multiplikator. Die Fahrer wussten oft als Erste über Entwicklungen und Stimmungen Bescheid, waren Insider und damit insbesondere für die Lokaljournalisten wertvolle Tippgeber und Quelle der Information und Inspiration. Die Entscheidung Axel Springers, an der Nahtstelle zum Osten Berlins mit dem Bau des Verlagsgebäudes das alte Zeitungsviertel wiedererstehen zu lassen, betraf das Taxigewerbe in besonderer Weise. „Wir beobachteten und bewunderten zugleich diesen leidenschaftlichen und engagierten Wahlberliner mit großem Respekt. Sein Eintreten für Recht und Freiheit sowie sein bekennendes politisches Handeln beeindruckten uns damals besonders“, ergänzt Heinz Peter. Und tatsächlich eröffnete Axel Springer auch dem Taxigewerbe neue Perspektiven. Die Droschkenkutscher im Westteil der Stadt nahmen damals als lukrativen Anlaufpunkt das neue Springer-Hochhaus in der Kochstraße unmittelbar an der Berliner Mauer dankbar an. Zur Eröffnung des Komplexes mit der messinggoldenen Fassade im Oktober 1966 „erhielt jeder von uns einen persönlichen Brief und eine wertvolle Armbanduhr von Axel Springer“, erzählt Heinz Peter. Axel Springer hatte damals an die Taxifahrer geschrieben: „Wir leben noch. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir bleiben, arbeiten und bauen in Berlin furchtlos ohne Wenn und Aber weiter.“ Berlins Taxifahrer bedankten sich auf ihre Weise bei Axel Springer, etwa durch von Heinz Peter organisierte Sternfahrten zum Hochhaus an der Kochstraße, wenn es darum ging, Jubiläen der Einweihung des Verlagsgebäudes zu begehen. Am 10. Jahrestag bekannte sich Axel Springer erneut zu dem „schönsten Entschluss“ seines Lebens, dieses Haus an der Mauer errichtet zu haben. Das Engagement für diese Stadt und seine Menschen sei mehr als eine Liebe, „denn ich weiß, wenn diese Stadt nicht überlebt, 25 VERLAGS-SONDERAUSGABE überlebt überhaupt nichts mehr in Europa“. Springer, sonst eher zurückhaltend beim Besuch von Galas, ließ es sich nicht nehmen, an den Bällen der Taxi-Innung teilzunehmen. „Großzügig, wie Axel Springer war, schenkte er uns jedes Mal eine Limousine“, sagt Heinz Peter. Die enge Verbindung der Taxifahrer zu Axel Springer hielt bis zu dessen Ableben. Vom gemeinsamen Engagement des Taxigewerbes mit der schreibenden Zunft zeugt auch die Eiche vor dem Verlagsgebäude mit der Inschrift vom 6. Oktober 1981: „15 Jahre Axel-SpringerHaus, Berliner Taxifahrer pflanzten Dir, zum Geburtstag diese Matthias Billand Eiche hier“. ve Thank you for sharing the passion Vieles hat sich verändert seit Holmen vor 400 Jahren begann. Was einst eine manuelle Fertigkeit war, ist heute High-Tech. Aber eines blieb: unsere Leidenschaft für Papier. Dieses ist uns Motivation und Anspruch zur kontinuierlichen Weiterentwicklung, unsere Produkte auf die Kundenbedürfnisse und auf die rasanten Veränderungen der modernen Welt auszurichten. www.holmen.com Als langjähriger Partner und stolzer Lieferant des Axel Springer Verlags feiern wir, dass wir die gleiche Leidenschaft teilen - wir sind People committed to paper. Holmen VIEW ist unsere neueste Entwicklung. Holmen VIEW gibt das Gefühl von Seide, schönem Glanz und hohem Volumen. Diese Eigenschaften und eine ausgezeichnete Bild- und Farbwiedergabe sind die absoluten Stärken von Holmen VIEW. Taxi-Korso vor dem neuen Verlagshaus in Berlin während der Einweihung am 6. Oktober 1966. Taxifahrer freuen sich über Uhren, die sie von Axel Springer geschenkt bekommen haben VERLAGS-SONDERAUSGABE 26 Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Mauerjahre Der politische Verleger Die zunehmende Politisierung Axel Springers wird befeuert von einer persönlichen Auseinandersetzung: Er reiste Ende der 50er-Jahre nach Moskau, um in einer privaten Aussprache Nikita Chruschtschow davon zu überzeugen, die Teilung Deutschlands rückgängig zu machen. Der Kreml-Chef empfing ihn kühl, zeigte wenig Begeisterung für seine Pläne. Springers Bilanz lautete später: „Es war das zentrale politische Ereignis meines Lebens.“ Er baute sein Engagement beim Ullstein-Verlag weiter aus und zementierte Berlin als Standort, indem er das neue Verlagshaus in der Kochstraße direkt an der Sektorengrenze errichten ließ. Dann kamen die Mauer und die 68er. 100 JAHRE AXEL SPRINGER Mission Wiedervereinigung Moskau zeigt kein Interesse 1958 reiste Axel Springer mit einem Plan zur Aufhebung der deutschen Teilung in die UdSSR. Empfangen wurde er dort äußerst kühl Eine politisch weiße Weste ermöglichte Axel Springer nach dem Krieg die Gründung seines Verlags. Gegenüber den britischen Lizenzgebern präsentierte er sich 1946 als unpolitischer deutscher Gentleman. In seinen Redaktionen saßen Kollegen, die vor 1945 verfolgt worden waren, neben Redakteuren mit brauner Vergangenheit. Für den Jung-Verleger war das offenbar kein Widerspruch. Erste verlegerische Erfolge schaffte er durch kluge „Familienpolitik“. Gemäß dem Motto seines „Hamburger Abendblattes“: Seid nett zueinander! Lokales hatte Vorrang vor Weltpolitik. Politisch stand er den Sozialdemokraten näher als jeder anderen Partei, bekannte sich zum Pazifismus, gegen Atomwaffen. Andererseits beeinflusste ihn der damalige „Welt“-Chefredakteur Hans Zehrer. Ein Nationalkonservativer, Jahrgang 1899. Der einstige Trommler gegen die Weimarer Republik war seit 1941 sein Freund und Mentor. Mit Zehrer verbindet sich auch das Schlüsselerlebnis, das Springers politischen Horizont im Januar 1958 neu justierte. Eine Reise nach Moskau markiert seine Wende zum politischen Verleger. Es war „das zentrale politische Ereignis meines Lebens“, fasste er später zusammen. Axel Springer war Ende 1957 vom Erfolg verwöhnt, sein Unternehmen wuchs, noch stand er laut dem Historiker Hans-Peter Schwarz „ziemlich weit links“. Mit Axel Springers Engagement in und für Berlin entwickelte sich zudem eine enge Vertrautheit mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Zwei Charismatiker einer Generation, die sich zunächst politisch und persönlich sehr schätzten und förderten, was den Verleger in dieser Zeit beflügelte. Er war voller Tatendrang, die politischen Systeme in Ost und West waren festgefroren. Eiszeit zwischen Washington und Moskau, Schöneberg und Pankow. Anders als viele Politiker glaubte Springer an die Wiedervereinigung Deutschlands („innerhalb von fünf Jahren“) und an einen Dialog mit den Sowjets. Der damals 45-Jährige entschied sich zu einer Privat-Mission. Im persönlichen Gespräch wollte er Seiten 26–29 GRUSSWORT KLAUS WOWEREIT PA/DPA Hundert Jahre alt wäre Axel Springer am 2. Mai 2012 geworden. Der Verleger und Wahl-Berliner aus Überzeugung hat die Verwirklichung seiner Vision der „friedlichen Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit“ nicht mehr erlebt. Vier Jahre nach seinem Tod fiel die Berliner Mauer. Er hätte gutgeheißen, was seine Nachfolger, allen voran Friede Springer, taten: Wesentliche Verlags-Aktivitäten sind heute in Berlin konzentriert. Ein wichtiger Beitrag, dass Berlin wieder Medienstadt von Rang ist. Es ist legendär, wie Axel Springer die erste „Bild“ selber zusammenklebte – seine innovative Antwort auf das neue Medium Fernsehen. Heute ist sein Haus in der digitalen Welt der Zukunft angekommen – ganz im Sinne seines Vermächtnisses. Axel Springers öffentliche Rolle und auch das öffentliche Bild von ihm hat sich mit den Jahren gewandelt. Aus heutiger Sicht gilt: Er ist eine bedeutende Figur der Zeitgeschichte, und er war ein großer Berliner. Klaus Wowereit ist Regierender Bürgermeister von Berlin Urlaub unter Palmen Verbringen Sie mit der Familie einen Urlaub in den Tropen – direkt vor Ihrer Haustür. Europas größte tropische Urlaubswelt liegt direkt am Rande des Spreewaldes. Badespaß pur im glasklaren Tropenwasser: Für Familien mit Kindern, die am Strand buddeln und im Wasser sicheren Badespaß erleben möchten, ist Tropical Islands ein ideales Reiseziel. Freuen Sie sich auf Deutschlands höchste Wasserrutsche und viele weitere Attraktionen. Zahlreiche traumhafte Übernachtungsmöglichkeiten in komfortablen Lodges, Designer-Zimmern oder Zelten machen den Aufenthalt zu einem unvergesslichen Erlebnis. 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Keine Delegation, keine Vorzugsbehandlung. Dafür scharfe Sicherheitskontrollen, Befragungen durch den KGB, Einzug der Reisepässe. Erste Zweifel bereits am Flughafen. Springer: „Wir sollten wieder zurückkehren, wir werden nicht erwartet.“ Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft chauffierte die Ankömmlinge ins Hotel „National“. Von einem Termin im Kreml wollten Behörden plötzlich nichts wissen. 15 Tage schmorte Springer in Moskau, in völliger Ungewissheit, abgeschnitten von Nachrichten. Zeitvertreib: Tagsüber Stadtbesichtigungen, abends Hotel-Koller. Eine unerwartete Begegnung: Auf dem Flur des „National“ traf Springer den damali- en…n i h c e h c Ts ders entdecke an gen ARD-Korrespondenten Gerd Ruge. Der heute 84-Jährige erinnert sich: „Ich war total überrascht, den Hamburger Verleger hier zu sehen.“ Springer wirkte angespannt, erinnert sich Ruge. Rosemarie Springer bat Ruge um seine Schreibmaschine. Auf ihr diktierte Axel Springer aus handschriftlichen Notizen einen „Fünf-Phasen-Plan“ zur Wiedervereinigung. Dieser lautete im Kern: 1. Wiederherstellung der Einheit Berlins. 2. Sachverständigenkommission zur Vorbereitung einer gesamtdeutschen Basis. 3. Freie Wahlen nach anderthalb Jahren für eine Regierung mit Berlin als Hauptstadt. 4. Friedensvertrag. 5. Anerkennung durch die vier Großmächte. Dann endlich. Am 29. Januar 1958 hält eine dunkle Limousine vor dem Hotel. Springer und Zehrer steigen ein. In Chruschtschows Vorzimmer drückt man ihnen Antworten auf 15 zuvor eingereichte Fragen in die Hand. Aber der Verleger will ein Gespräch auf Augenhöhe, kein Interview. Er hört: „Njet!“ Springer: Ein einmaliger Besuch, auf dessen Wiederholung er künftig gern verzichten sollte: Axel Springer mit seiner dritten Frau Rosemarie 1958 in Moskau Fortsetzung auf Seite 28 EuroMed und die Tschechische Zentrale für Tourismus laden zu den „Tschechischen Gesundheitstagen“ ein. 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Dann geht er zu seinem Chef, kommt zurück, zerreißt das Interview und erklärt: „Herr Chruschtschow lässt bitten.“ Zwei Stunden dauert das Gespräch, über das Axel Springer anschließend sagen wird: „Ich habe in die Fratze des Unrechts gesehen.“ Springer thematisiert seine Wiedervereinigungspläne, die Massenflucht aus der DDR, wird dabei entsprechend deutlich. Chruschtschow ebenso, nennt die Vorschläge „interessant“ – und lehnt sie ab. Springers Resümee: „Es war das aufschlussreichste, niederschmetterndste und lauteste Gespräch, das ich je geführt habe.“ Ins Hotel zurück, gebrochen. Seine Mission war kläglich gescheitert. Sein Charter-Jet konnte auf dem Rückflug wegen Nebel nicht in Kopenhagen landen. Springer zum Piloten: „Fliegen Sie von mir aus nach Afrika, aber nicht nach Moskau zurück. Da will ich nicht mehr hin.“ Da zementiert er lieber mit dem neuen Verlagshochhaus in Kreuzberg Berlin als zweiten Standort seines Verlags. Mit dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt wusste er immerhin bis zur feierlichen Eröffnung des 19-stöckigen Hochhauses im Ok- tober 1966 einen Mitstreiter an seiner Seite, was die Wiedervereinigung anging. Mit Brandts Wechsel ins Kanzleramt kam jedoch der Bruch. Springer lehnte dessen Ostpolitik ab, geißelte sie als Anbiederung an Diktaturen. Dieses Zerwürfnis lässt sich ohne die Moskau-Reise des Verlegers nur schwer nachvollziehen. Springer begriff sein persönliches Scheitern als Auftrag. Sein Debakel bei Chruschtschow zerstörte naive Hoffnungen, festigte jedoch den Glauben an die Sache. Die Freiheit, die Einheit, die Sorge um Deutschland. Ein Träumer wurde zum hellwachen Kämpfer. Sein politisches Credo lautete fortan: „Ich bin ein Radikaler der Mitte.“ Man halte sich das Bild des Verlegers vor Augen, wie er zwei Wochen lang im Moskauer Hotelzimmer schmorte. Chruschtschow garte ihn auf kleiner Flamme. Nur um alle seine Visionen für 73 Millionen Deutsche, davon 16 Millionen hinter Stacheldraht eingesperrt, in Rauch aufgehen zu lassen. Mit den Worten „Bitte nehmen Sie Platz. Die Früchte hier können Sie leider nicht essen, sie sind nämlich aus Stein“ hatte ihn der Kreml-Chef empfangen. Springer konterte geistreich: „So geht es mit vielen Dingen im Leben. Man kann sich an ihnen begeistern, aber man kann keinen Oliver Ohmann Gebrauch von ihnen machen.“ Berlin, Grundstein der Freiheit Mit der Übernahme von Ullstein und dem Bau des Verlagshauses trifft Springer mutige, kostspielige und visionäre Entscheidungen Wer Mitte der 50er-Jahre in West-Berlin investierte, der bewies Mut. Wie lange würde der Westen die „Frontstadt“ halten? Gäbe es bei einer erneuten Blockade wieder eine Luftbrücke? Riskierte die USA für die Freiheit einer halben Stadt den dritten Weltkrieg? Eine gültige Antwort gab es erst zwei Jahre nach dem Mauerbau. John F. Kennedy sprach am 26. Juni 1963 vor dem Rathaus Schöneberg ein Berlin-Bekenntnis aus: „Alle freien Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können: Ich bin ein Berliner!“ Das war keine Liebeserklärung, sondern eine politische Garantie. Lebensversicherung für zwei Millionen Menschen. Die Grundsteinlegung für Axel Springers Berliner Verlagshaus an der Kochstraße erfolgte bereits vier Jahre vor dem Besuch des US-Präsidenten. Dieses Hochhaus war das Bekenntnis des Verlegers zu Berlin. Er baute auf die Freiheit. Zur Grundsteinlegung am 25. Mai 1959 (zwei Tage vor Ablauf von Chruschtschows Berlin-Ultimatum) sagte der Verleger: „Dass wir heute diesen Stein unmittelbar am Rande der Sektorengrenze legen, ohne ängstlich auf das Ergebnis der weltpolitischen Verhandlungen zu warten, ist der Ausdruck unseres festen Glaubens an die geschichtliche Einheit dieser Stadt und an die geschichtliche Einheit Deutschlands.“ Hamburg markierte den Aufstieg des Verlegers, die er- ULLSTEIN BILD VERLAGS-SONDERAUSGABE Mit Willy Brandt diskutierte Springer gern das Thema Wiedervereinigung. Die Ostverträge brachten das einst gute Verhältnis zum Kippen folgreichen Gründerjahre. Jetzt wollte Axel Springer Berlin erobern. Um jeden Preis? Ja, so scheint es. Springer glaubte an die Wiedervereinigung. Darum musste er in die alte Hauptstadt. Sie sollte Ausgangspunkt künftiger Investitionen sein. In Leipzig, Breslau, Königsberg. Der Schlüssel dazu: Ullstein. Zunächst musste jedoch das Vertriebsproblem gelöst werden. 1953 wurden in Berlin von „Bild“ täglich 150.000 Exemplare verkauft. Doch Springer konnte nicht vor Ort drucken. Seine Zeitungen wurden jeden Tag, quer durch die „Ostzone“ nach West-Berlin transportiert. Nachts, im verplombten Bahnwaggon, von Helmstedt nach Lichterfelde. Ab 1954 setzte Springer sogar Flugzeuge ein. Enorme Kosten und schließlich 1955 die Entscheidung: Der Verlag brauchte ein Druck- und Verlagshaus in Berlin. Ab 1956 wurden Grundstücke im alten Zeitungsviertel angekauft. Gleichzeitig stieg Springer bei Ullstein ein. Der Verlag gehörte seit 1952 wieder der von den Nazis um ihren Besitz geprellten jüdischen Familie Ullstein. Doch das Unternehmen war unrentabel und verschuldet. 26 Prozent der Ullstein-Aktien waren Springer 1956 zwei Millionen Mark wert. Ab Herbst 1957 wurden „Bild“, „Die Welt“ und „Welt am Sonntag“ in Tempelhof gedruckt. Tatsächlich spekulierte Springer von Beginn an auf die Mehrheitsbeteiligung. Doch er wollte eine „freundliche Übernahme“, dazu den Segen der Familie Ullstein. Nicht nur Tradition kaufen, sondern den Ullstein-Geist erben. Am Abend des 29. Dezember 1959 erschienen die Ullsteins bei einem Notar. Die Dynastie überschrieb ihr ganzes Imperium. Für 13,9 Millionen Mark. Über Nacht war aus dem Hamburger Verleger Axel Springer „ein Berliner“ geworden. Sein unternehmerischer Mut und die Investitionen sollten sich auszahlen. Er hatte auf die richtige Stadt gesetzt und bezeichnete den Umzug der Verlagszentrale als glücklichsten Entschluss seines Lebens. Berlin war die Herzensohm heimat des Freiheitskämpfers Axel Springer. UNTERNEHMENSARCHIV Neubau im alten Zeitungsviertel Nur einen Steinwurf weit von der Sektorengrenze entfernt: Das 1966 fertiggestellte Verlagshochhaus an der Kochstraße reichte bis fast an die Mauer Wir gratulieren Axel Springer zum 100. 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Nachdem die Nazis den Verlag in ihren Besitz gebracht hatten, zerstreute sich die Familie in alle Welt. Die „Abfindung“ für ihren Verlag ließen sie ohm als „Reichsfluchtsteuer“ an der Grenze. Mit der „B.Z.“ und der „Berliner Morgenpost“ übernahm Axel Springer 1959 zwei Zeitungen aus dem Hause Ullstein kurrenz überflügelt. Denn als „Neues Berliner Lokalblatt“, wie es im Untertitel hieß, war die „Morgenpost“ gegen den erfolgreichen „Berliner Lokalanzeiger“ aus dem Verlagshaus Scherl angetreten. Das Erfolgsrezept: spannende Nachrichtengeschichten statt der sonst üblichen ellenlangen telegrafischen Berichte. Lokalberichterstattung steckte damals noch in den Kinderschuhen. Jetzt wurden Reporter angeheuert, die vor Ort recherchierten, wo sonst Briefe und Mitteilungen trocken übernommen wurden. Dazu vertrat man eine klare politische Meinung: demokratisch, eher links. Im ersten Leitartikel hieß es: „Wer in den schweren politischen Kämpfen unserer Zeit nicht Partei nimmt, ist ein Schwachkopf, ein Faulpelz oder ein Feigling.“ Die Ullsteins gaben zudem ein Vermögen für „Morgenpost“-Werbung auf Litfaßsäulen und Häuserwänden aus. Für beide Zeitungen gilt bis heute, was Axel Springer 1977 zum Ullstein-Jubiläum zum Thema Tradition bekannte: „Wo sie bewahrt wurde, blieb ihr Wesen erhalten. Wo sie aber ohne Veränderung blieb, verfehlte sie die Tugend des Konservativen und erstarrte im Konservierten.“ In diesem Sinne haben sich beide Zeitungen auf die Tugend des Ullstein-Erben Axel Springer besonnen. Sie hüten und pflegen ihre lange Tradition – ohne dabei die Herausforderungen und notwendigen Schritte ins digitale Zeitalter der Massenmedien, also die Zukunft, verschlafen zu haben. Oliver Ohmann 2005 HEUTE DIE ERSTE FILIALE 13 FILIALEN+ 65 MITARBEITER Jede Brillenfassung 1 , egal ob Designermarke, Randlos, Titan Ausschließlich deutsche Markengläser mit garantiertem Preisvorteil Unsere Angebote sind All Inclusive, Aufpreise gibt`s woanders Robin Look gibt Sicherheit, wir garantieren bestes Sehen und Aussehen Wir fertigen selbst, in Berlin und nur durch qualifizierte Augenoptiker Die zweite Brille gibt`s zum halben Preis Impressum: Robin Look GmbH, Mahlsdorfer Str. 110, 12555 Berlin, FON: 030 / 84 31 48 15 Axel Springer richtete in der Berliner Kochstraße Anfang der 60er-Jahre eine der modernsten Druckereien überhaupt ein. Heute wird in Spandau gedruckt GEGEN VORLAGE DIESER ANZEIGE DER UNVERSCHÄ MT GÜNSTIGE OPTIKER. SVEN SIMON Im Dezember 1959 übernahm Axel Springer nicht nur die Mehrheit des Ullstein-Verlags. Er verstand sich als Erbe eines Traditionshauses, das er schon als junger Mann bewundert hatte. „Wer bin ich eigentlich, dass ich das gewaltige Bild von Anfang, Höhepunkt, Niedergang und Neubeginn dieses weltbekannten Verlagshauses schildern und rühmen dürfte“, fragte Springer 1977, in seiner Rede zum hundertjährigen Bestehen des Ullstein-Verlags. Mit der „B.Z.“ und „Berliner Morgenpost“ führte Axel Springer zwei Ullstein-Zeitungen weiter auf Erfolgskurs, die seit dem Kaiserreich auf dem Berliner Zeitungsmarkt für Furore sorgten. Es waren Motoren der Metropole. Die „B.Z.“ startete 1877 als „Berliner Zeitung“. Leopold Ullstein übernahm das Blatt im Jahr darauf von seinem Gründer. Um die Druckereien voll auszulasten, gab es ab 1904 auch eine Mittagsausgabe, die ab 13 Uhr nur auf der Straße verkauft wurde. Der Erfolg der „B.Z. am Mittag“ war gigantisch. Das Markenzeichen der ersten deutschen Boulevardzeitung war ihre Schnelligkeit. Von der Nachricht (Börsenmeldung um 12.10 Uhr) bis zur Auslieferung (12.18 Uhr) vergingen im Idealfall genau acht Minuten – Weltrekord! Als am 17. Oktober 1913 in Johannisthal um elf Uhr ein Zeppelin verunglückte, war die „B.Z.“ eine Stunde später mit einem ausführlichen Bericht auf der Straße. Politik und Börse, ein angesehenes Feuilleton, Berichte über ferne Länder, technische Fortschritte und jede Menge Sport: Damit hatte die „B.Z.“ die Metropole erobert. Der Vertrieb war innovativ, man lieferte im Sommer per Flugzeug an die Ostsee. „B.Z.“-Wettfahrten und „B.Z.“-Wettflüge rund um die Welt machten die „BeeZett“ – wie sie von Zeitungsjungen auf den Boulevards ausgerufen wurde – zum Ereignis. Bis heute ist die „B.Z.“ (die beiden geschwungenen Buchstaben schuf Ullstein-Pressezeichner Carl Schnebel) die größte Zeitung Berlins. Die „Berliner Morgenpost“ gründete Leopold Ullstein 1898. Am 20. September erschien die erste Ausgabe, bereits zur Jahrhundertwende hatte sie eine Viertelmillion Abonnenten und die Kon- VERLAGS-SONDERAUSGABE 10% 100 JAHRE AXEL SPRINGER 30 100 JAHRE AXEL SPRINGER PA/DPA; ULLSTEIN BILD (2) VERLAGS-SONDERAUSGABE Als Strafverteidiger lud Otto Schily (rechts) Axel Springer als Zeuge. Im März 1970 ging es um die gewalttätigen Demonstrationen gegen seinen Verlag Der Verleger als Feindbild der 68er-Bewegung Brandherde an zu vielen Fronten Der Hass der Studentenbewegung machte Axel Springer persönlich schwer zu schaffen. Aber auch von konservativen Politikern zeigte er sich oft enttäuscht In den frühen 60er-Jahren formiert sich an bundesdeutschen Universitäten Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse. „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“ lautet einer der Slogans. Mit dem Tod von Benno Ohnesorg erreichen die Studentenunruhen 1967 einen ersten gewalttätigen Höhepunkt, und Axel Springer sieht sich unvermittelt im Zentrum der Anfeindungen. Die Jahre 1967/68 bringen die vielleicht nachhaltigste Zäsur in seinem Leben. Erstmals erwägt er ernsthaft, den Verlag zu veräußern. Bis dahin war die Person Axel Springer in der Öffentlichkeit kaum bekannt. „Das änderte sich nun schlagartig. 1967 und 1968 wurde aus Springer innerhalb kürzester Frist die umstrittenste Persönlichkeit in der damaligen Bundesrepublik“, schreibt Biograf Hans-Peter Schwarz. „Was erstaunt, ist die Plötzlichkeit, mit der er jetzt von einer lautstarken Minderheit zur öffentlichen Gefahr erklärt wurde.“ Kerninhalte der Studentenbewegung waren der Protest gegen Verwicklungen hoher politischer, wirtschaftlicher und juristischer Entscheidungsträger in die Verbrechen der NSDiktatur, gegen Autoritäten und verkrustete gesellschaftliche Nachkriegsstrukturen im Allgemeinen, gegen den US-geführten Vietnamkrieg sowie gegen die Ausbeutung der Dritten Welt. Zunehmend ging es im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen Staat und APO-Bewegung auch um Polizeigewalt, auf die die Demonstranten ihrerseits mit Gewalt reagierten. „In diesem Feindbild spielte der Springer-Verlag eine Schlüsselrolle. Die Springer-Gegner waren überzeugt, in ziviler Notwehr zu handeln.“ Schwarz weiter: „Und stets begriffen sich die Zeitungen Springers – ‚B.Z.‘, ‚Berliner Morgenpost‘ und ‚Bild‘ – als Lautsprecher der weit überwiegenden, empörten Mehrheit der Bevölkerung sowie vom Abgeordnetenhaus und Senat. Grobianismus war auf allen Seiten an der Tagesordnung: bei den protestierenden Studenten, bei der Polizei, bei der politischen Führung Berlins und auch bei den Boulevardzeitungen.“ „Enteignet Springer!“ manifestierte sich schnell als ein Leitmotiv der Bewegung, dessen Ursprung Springer selbst in der DDR verortete. Wie richtig er damit lag, sollte sich erst viele Jahre später bestätigen. Die systematische Aufarbeitung zahlreicher MfS-Unterlagen, die im Strudel der Wende und deutschen Wiedervereinigung der Vernichtung entgangen waren, sowie anderer Quellen belegt heute, welch ein erschreckendes Ausmaß das Spitzelsystem der Staatssicherheit angenommen hatte. So wurde 2009 anhand verschiedener Studien unter anderem deutlich, dass die Stasi mit der Instrumentalisierung der APO und der systematischen Unterwanderung von Politik, 100 JAHRE AXEL SPRINGER 31 VERLAGS-SONDERAUSGABE ZWEI STRASSEN Gemeinsame Kreuzung Im Leben begegneten sich Axel Springer und Rudi Dutschke nie, dennoch betrachteten sie sich gegenseitig als Personifizierung all dessen, was sie ablehnten. Heute dagegen, im Tod, kreuzen sich ihre Wege im wörtlichen Sinn 24 Stunden am Tag. Genauer gesagt: seit dem 30. April 2008. An diesem Tag wurde die 2004 von der „taz“ gestartete Initiative Realität, den Teil der Kochstraße zwischen Linden- und Friedrichstraße in Rudi-Dutschke-Straße umzubenennen, an dem auch das Berliner Verlagshaus Springers liegt. Nun bilden Rudi-Dutschke-Straße und die 1996 durch die Umbenennung des nördlichen Teils der Lindenstraße entstandene Axel-Springer-Straße eine gemeinsame belebte Kreuzung – zusammen mit der Lindenstraße und dem östlichen Ende der Oranienstraße. Eine geschichtsträchtige Kombination an einem ohnehin hiscle torischen Ort – so auch nur in Berlin vorstellbar. Ausgeprägtes Harmoniestreben deutscher Nachkriegsgeschichte ergänzt, wenn nicht gar neu geschrieben werden. Denn mit einem Stasi-Agenten als Verantwortlichen für Ohnesorgs Tod – jahrzehntelang war dieses Ereignis mit historischen Auswirkungen für die Bundesrepublik als eine Folge der Berichterstattung der Springer-Zeitungen gewertet worden – brechen die alten ideologischen Fronten und Feindbilder zusammen. Für die Stasi war Axel Springer der personifizierte Feind des Sozialismus. Die Auskundschaftung seiner Person und seines Verlages stand auf der Prioritätenliste weit oben, Stasi-Chef Erich Mielke überwachte die operativen Aktionen gegen Springer persönlich. Es war sogar gelungen, und auch das beweist eine Studie, sich in der Schaltzentrale einzunisten: Jahrelang erfuhr das MfS über eine Sekretärin im Vorzimmer Springers so ziemlich alles – Verlagsinterna ebenso wie Privates. Vor der Stasi war der Verleger sozusagen nackt. Die vielfältigen Aktivitäten der Stasi sieht Schwarz jedoch nicht als alleinige Existenzgrundlage der Parole „Enteignet Springer!“. Sie erklärten „nur einen Teil der Kampagne. Man kann nicht nachdrücklich genug unterstreichen, dass die geschickt eingespeiste Propaganda nur deshalb Gehör fand, weil erst die Berliner Protestbewegung, dann die Studentenschaft bundesweit über die in der Form sehr grobe Agitation von Springers Zeitungen empört war. Je revolutionärer sich der harte Kern der Bewegung gerierte, umso schriller fiel die gespielte oder echte Empörung über die ,Pogrom-Hetze‘ aus.“ Gängig war die Parole spätestens seit dem 10. Juli 1967, dem Tag, an dem der „Spiegel“ unter der Schlagzeile „Wir fordern Fortsetzung auf Seite 32 DURST EXPRESS og Jetzt Katal der o anfordern en download .de ! ss durstexpre Jubiläen gelingen am besten mit dem DurstExpress – Ihrem Liefer für Getränke und mehr. Der leichteste Weg, schwere Getränke einzukaufen: Wenn Sie bis 15.00 Uhr bestellen, liefern wir zum vereinbarten Zeitpunkt alles frei Haus oder ins Büro, in Berlin und Potsdam! Kostenfreie Hotline: 0800-440 22 00 . Kostenfreie Faxline: 0800-440 33 00 . E-Mail: [email protected] DurstExpress ist der Lieferservice von Getränke Hoffmann. gen-com.de Behörden und Polizei durch Spitzel nicht unerheblich den Taktstock bei den Studentenunruhen geschwungen hatte. Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg vom Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet. Beweise verschwanden, Zeugenaussagen wurde nicht nachgegangen oder sie wurden ignoriert. Die von Anfang an deutlichen Kungeleien zwischen Politik, Polizei und Justiz sorgten dafür, dass Kurras nie belangt wurde. Im Mai 2009 kam es zu einer erneuten Aufnahme der Ermittlungen, weil neue Aktenfunde belegten, dass Kurras aus kurzer Distanz gezielt geschossen hatte und dabei von umstehenden Kollegen beobachtet worden war. Juristisch war die Beweislage jedoch zu dünn, um ein Verfahren anzustrengen, und so wurden die Ermittlungen 2011 schließlich wieder eingestellt. Fakt ist aber nun, dass Kurras von 1955 bis 1967 als „Geheimer Mitarbeiter“ (GM) „Otto Bohl“ für die Stasi tätig war und als eine derer Topquellen in West-Berlin zahlreiche sicherheitsrelevante Interna des Landeskriminalamtes verraten sowie über Personalien bei der Kripo und Maßnahmen an der Berliner Mauer informiert hatte. Dass derartige Dokumente erst fast drei Jahrzehnte nach dem Ende des Ministeriums für Staatssicherheit auftauchten, ist ein Skandal für sich – auch wenn (bislang) keine Beweise für die Theorie erbracht werden konnten, Kurras habe den Todesschuss auf Benno Ohnesorg (oder irgendeinen anderen Demonstranten) im Auftrag der Stasi abgegeben. In jedem Fall muss ein wichtiges Kapitel Die sogenannten Osterunruhen von 1968 brachen nach dem Attentat auf Rudi Dutschke aus. In der Folge wurden auch Lieferfahrzeuge der „Bild“ angezündet (Foto Mitte). Die Studenten waren unter anderem mit dem Slogan „Enteignet Springer!“ auf die Straße gegangen VERLAGS-SONDERAUSGABE 32 100 JAHRE AXEL SPRINGER die Enteignung Axel Springers!“ ein Interview mit Rudi Dutschke, der Symbolfigur der Bewegung, veröffentlicht hatte. Es war die unmittelbare Reaktion auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen beim Berlin-Besuch des Schahs einen Monat zuvor (2. Juni 1967), die im Tod Ohnesorgs gegipfelt hatten. Doch es waren nicht allein die unruhigen Zeiten im Inland, die Springer beschäftigten, es war „vor allem die Kriegsgefahr im Nahen Osten“, schreibt Schwarz. „Sein Kopf war so voll mit den dramatischen Ereignissen in Israel, dass er die psychologische Tragweite der Vorgänge am 2. Juni nicht wahrnahm“, zitiert der Biograf Springers Weggefährten Ernst Cramer. Ein Jahr später sah das anders aus. Nach dem DutschkeAttentat am 11. April 1968 gab es gewalttätige Demonstrationen vor dem Berliner Verlagshaus, brennende „Bild“-Lieferwagen und hasserfüllte Parolen – Springer verstand die Welt nicht mehr. Schwarz: „Sein Harmoniestreben war stark ausgeprägt. (…) Doch auf einmal wurde Prinz Charming zum Buhmann erklärt. (…) Der öffentliche Liebesentzug hat auf ihn wie ein Schock gewirkt und ihn im tiefsten Innern dauerhaft verunsichert. (…) Er wurde nicht mutlos, aber sehr, sehr vorsichtig und spielte andauernd mit dem Gedanken, den umstrittenen Konzern zu verkaufen.“ Nach den sogenannten Osterunruhen 1968 ebbte der APOProtest ab. Springer selbst zog sich aber immer öfter ins Privatleben zurück. Trotz konkreter Verkaufspläne besetzt er aber Anfang 1969 sein Flaggschiff „Die Welt“ mit einer neuen Führungsmannschaft und „genau in dem Moment (…) begann die heftige Auseinandersetzung mit der sozialliberalen Regierung Brandt um die neue Ostpolitik“, schreibt Schwarz. „Von einem Kurs der politischen Mitte war nicht mehr die Rede.“ Politisch galt die ganze Konzentration dem Kampf gegen die neue Entspannungspolitik, mit der das Ende der deutschen Teilung auf die ganz lange Bank geschoben wurde. Dazu Schwarz: „1970, 1971 und 1972, während des Ringens um die Ostverträge, suchte Springer mit dem geballten Einsatz seiner Zeitungen Willy Brandt in die Knie zu zwingen. Nie zuvor und danach spielte Springer eine derartige politische Schlüsselrolle wie in den Jahren der Kanz- Bombenanschläge auf den Verlag Er hat an die Zukunft unserer Stadt geglaubt, als viele zweifelten. Er hat sich mit Deutschlands Hauptstadt verbunden, als wenige es wagten. Er hat an Berlin festgehalten, als manche gingen. Er hat den Respekt seiner Mitbürger verdient! ULLSTEIN BILD Fortsetzung von Seite 31 lerschaft Willy Brandts von 1969 bis 1972 (…). Erst der Rücktritt Brandts führte zu einer gewissen Beruhigung.“ Warum Springer diese Politik so vehement ablehnte, verbildlicht Schwarz: „Wenn ausländische Besucher bei ihm auftauchten, brauchte er sie nur ans Fenster zu führen, um seine tiefsten Beweggründe zu veranschaulichen. (…) Für Springer (…) ist die Mauer eine ständige Ermahnung, seinen langen Kreuzzug gegen die Teilung Deutschlands immer wieder neu aufzunehmen. In diesen Jahren (…) nahm Springers außenpolitisches Weltbild jene Züge an, die sich dann bis zu seinem Tod nicht mehr verändert haben.“ Dazu gehörte, die DDR als zweite Diktatur zu betrachten, die sich auf deutschem Boden etabliert hatte. In diesen Jahren durchläuft Axel Springers Einsatz für die Wiedervereinigung Deutschlands einen argumentativen Wandel. „Es ging ihm nicht mehr primär um die abstrakte Einheit des deutschen Volkes, sondern um die Befreiung der Ostdeutschen“, bilanziert der Biograf. Mit seiner politischen Haltung geriet der Verlag wieder in den Fokus der linken Opposition, ins Blickfeld derer, die sich nach den Studentenunruhen radikalisiert und den Weg der Gewalt beschritten hatten: der RAF. Am 19. Mai 1972 wurde ein Bombenanschlag auf die Hamburger Verlagszentrale in der Kaiser-Wilhelm-Straße verübt. Zwei Sprengsätze detonierten in den Toiletten. 23 Arbeiter und Angestellte wurden verletzt. Tags darauf wurden noch drei Blindgänger gefunden. Die Bekennerschreiben, die wenige Tage später bei „Bild“ und der „Süddeutschen Zeitung“ eingingen, trugen das „Kommando Der SDS-Chefideologe Rudi Dutschke (Foto links Mitte, mit erhobener Faust) marschiert am 18. Februar 1968 in Berlin an der Spitze eines Demonstrationszuges gegen den Vietnamkrieg DIE ERSTE EIGENE ZEITUNG Der Sprung in die Unabhängigkeit Wir gratulieren dem Axel-Springer-Verlag zum 100. Geburtstag seines Gründers. Dieter Blümmel Bücher, Zeitschriften und Formulare für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft Potsdamer Straße 143 | 10783 Berlin | Telefon 030/41 47 69-0 | www.grundeigentum-verlag.de 4 Schlaglichter auf das Leben von Axel Springer meilensteine.axelspringer.de 100 JAHRE AXEL SPRINGER GRUSSWORT OTTO SCHILY DAPD 2. Juni“ als Absender, die Terrorzelle um Ulrike Meinhof. Nach der Festnahme der ersten Terroristen-Garde mit Baader, Meinhof, Raspe, Meins und Ensslin im Juni des Jahres schien das Ärgste vorbei, und Springer konzentrierte sich wieder auf die Ostverträge und deren Ratifizierung. Aber auch das Schicksal Einzelner beschäftigte ihn dauerhaft. So engagierte er sich bei dem seinerzeit äußerst heiklen Thema des Freikaufs von politischen Gefangenen aus DDR-Haft. Ebenso konsequent sein Einsatz für die Kritiker des sowjetischen Systems. Der Atomphysiker Andrej Sacharow und der Schriftsteller Alexander Solschenizyn gehörten zu den prominentesten Dissidenten. In der Sowjetunion wurde ihnen der Prozess gemacht, in der westlichen Welt avancierten sie zu einer Art Superstar. Allen voran Solschenizyn, der ausgewiesen wurde. Sein Buch „Archipel Gulag“ (1973) über das stalinistische Justiz- und Lagerwesen wurde ein Weltbestseller. Schwarz: „Springer verfolgte die Vorgänge mit starker Erregung. In erster Linie bekümmerte Springer das individuelle Schicksal der Dissidenten“, für die er ein Forum schuf, als er 1974 die Zeitschrift „Kontinent“ gründete. „Er war“, so Schwarz, „überhaupt eine Art Genie des Mitleids. Wer seine Korrespondenz durchgeht, ist erstaunt über Hunderte von Briefen, in denen er nahestehenden oder auch entfernteren Kranken, Hinterbliebenen oder sonst wie vom Unglück Verfolgten Mut zusprach. Dasselbe galt für die Opfer kollektiver Tragödien. (…) Genauso war für ihn jetzt der Gedanke an die Quälerei russischer oder tschechischer Dissidenten in Willkürprozessen, Straflagern, Gefängniszellen, psychiatrischen Kliniken oder auch im verwirrenden Exil ein Albtraum.“ Erst 1980 traf Springer bei seiner AmerikaReise Solschenizyn in Vermont, wo der Schriftsteller lebte. „So brachte er vieles zur Sprache, was ihn damals umtrieb: seine Endzeiterwartungen, sein Leiden an der Kapitulationsbereitschaft des Westens und seine Kritik an der fehlenden ‚Führungsfähigkeit‘ der westdeutschen Eliten.“ Am 2. Mai 1977 feierte Axel Springer seinen 65. Geburtstag. Doch statt der Erfüllung aller guten Wünsche sollte ein Jahr folgen, das als „Deutscher Herbst“ in Erinnerung bleiben sollte. „Emotional war Springer damals vor allem auf die Anschläge der RAF fixiert“, so Schwarz. Die Ermordung Jürgen Pontos (30. Juli 1977) und Hanns Martin Schleyers (18. Oktober 1977) hätten ihn stark aufgewühlt, „dies nicht nur deshalb, weil er selbst ganz oben auf der Abschussliste der Terroristen stand“, schreibt Schwarz über eine Zeit, in der sich Springer zunehmend „krank, ausgelaugt und ständig ruhebedürftig“ fühlte. 33 VERLAGS-SONDERAUSGABE Axel Springer bin ich nur ein einziges Mal begegnet, und das in einer für ihn ziemlich unbequemen Situation, als Zeuge in einem Moabiter Gerichtssaal. Es mag ihn überrascht haben, dass ich ihn kühl, aber in einer Form befragt habe, die meine bürgerliche Erziehung nicht verleugnete. Jedenfalls soll er sich danach sehr positiv über mich geäußert haben, was mir unter den damaligen Umständen eher peinlich war. Es ist hinlänglich bekannt, dass Axel Springer in den ominösen 68er-Jahren zu einem gigantischen Feindbild aufgepumpt wurde. Seine wachsende Medienmacht wurde als Bedrohung gesehen und viele seiner Zeitungen galten als Ausgeburt eines rüden und demagogischen Journalismus. Inzwischen ist die durchaus in vielen Fällen berechtigte Kritik verraucht, die an manchen Hervorbringungen aus dem Haus Springer geübt wurde und die leider zeitweise in blinden Hass umschlug. Heute sehen wir vieles sehr viel gelassener. Wer nicht in seinen Vorurteilen eingesperrt bleibt, muss jedenfalls die herausragende publizistischpolitische Leistung von Axel Springer in zweierlei Hinsicht anerkennen: sein unbeirrbares Festhalten an dem Ziel der deutschen Einheit und sein vorbildliches Engagement für die deutsch-israelische Freundschaft. Beides hat historischen Rang. Otto Schily ist Anwalt und war von 1998 bis 2005 Bundesminister des Innern Den Frieden zwischen Ost und West halte er aufgrund des atomaren Abschreckungspotenzials für relativ sicher, sagte er im selben Jahr in einem „Stern“-Interview. Sorgen bereiteten ihm vor allem die kleinen Unruhestifter und die damals schon tätigen internationalen Terrororganisationen. In einem seiner zahlreichen Briefe aus dieser Zeit (Mai 1983) brachte es Springer auf den Punkt: „Die größte Gefahr unserer Zeit ist nicht die atomare Rüstung, sondern der internationale Terrorismus. Das Ende der Welt wird eingeläutet, wenn Männer wie Gaddafi (…) in den Besitz der Bombe gelangen.“ Ein Satz, der 30 Jahre später so bedrückend aktuell ist wie damals. Auch ein anderer Ausspruch hatte prophetischen Charakter, diesmal in einem erfreulichen Kontext. Bereits stark von Krankheit gezeichnet, fokussierte Springer seine Hoffnungen bezüglich einer positiven Klärung der deutschen Frage auf den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, den er persönlich kennengelernt hatte. In kleiner Runde, so Schwarz, habe er voller Überzeugung gesagt: „Die Wiedervereinigung kommt.“ Jochen Clemens PORTFOLIOERWEITERUNG Was kostet die Welt? Beratung und Ankauf im Tempelhofer Münzenhaus Unsere Sachverständigen schätzen kostenlos Mo.–Fr. 10–13 Uhr und 14–16 Uhr MÜNZEN · BRIEFMARKEN GELDSCHEINE · POSTKARTEN 쏼 626 33 59 · Fax 625 77 30 www.tempelhofer-muenzenhaus.de Bacharacher Straße 39 · 12099 Berlin-Tempelhof Autobahnabfahrt Oberlandstraße, Autobus M 46 (Bergholzstraße) 8 MEHR ALS BILDUNG $OOHV*XWH]XP *HEXUWVWDJ Wir sind Ihr Partner für Beruf und Karriere • individuelle Beratung • persönliche Ansprechpartner • Know-how für den Job • anerkannte Abschlüsse • kostenloser Service • überdurchschnittliche Erfolgsquoten In 14 Branchen: Ausbildungen • Weiterbildungen für Berufstätige • Seminare Fernlehrgänge • Umschulungen • Fortbildungen • Kurzlehrgänge 100% staatliche Kostenübernahme möglich. 030 / 259 008 - 0 www.forum-berufsbildung.de Charlottenstr. 2 10969 Berlin ZQVFKWGLH Schlaglichter auf das Leben von Axel Springer meilensteine.axelspringer.de +RVWPDQQ6WHLQEHUJ'UXFNIDUEHPDFKW ,KUH=HLWXQJEXQWGHU$[HO6SULQJHU9HUODJ PDFKWVLHP|JOLFK+LHUIUXQVHUHQ'DQN XQGXQVHUH*OFNZQVFKH]XP-XELOlXP VERLAGS-SONDERAUSGABE 34 100 JAHRE AXEL SPRINGER Spaziergang am 10. Juni 1967 in Jerusalems Altstadt: Bürgermeister Teddy Kollek (M.) begleitete Axel Springer (l.) durch das Viertel, das Israel kurz zuvor von Jordanien erobert hatte Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Versöhnung Axel Springer und die Juden Sein Eintreten gegen Antisemitismus und für den Staat Israel wurde für den Verleger zur tragenden Säule seiner politischen und persönlichen Identität. Noch heute ist dieses Engagement Richtlinie für das Unternehmen. SVEN SIMON Seiten 34-36 Blick vom Ölberg: Jerusalem wurde für Axel Springer neben Berlin zur persönlichen Schicksalsstadt GRUSSWORT SCHIMON PERES DAPD Es ist mir eine Ehre und ausdrückliche Freude, Axel Springer meinen Respekt anlässlich seines 100. Geburtstags zu erweisen. Er war ein großartiger Mann, der ein großartiges Vermächtnis hinterlassen hat. Er kämpfte unnachgiebig für die Prinzipien, an die er glaubte – allen Widerständen zum Trotz. Er glaubte an die Freiheit, wehrte sich gegen jede Form der Diskriminierung, Unterdrückung und des Rassismus und er war ein wichtiger Anwalt der Wiedervereinigung Europas. Er glaubte tatsächlich an Einheit und Versöhnung und wäre hocherfreut gewesen angesichts des Falls der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands. Wir in Israel sehen in ihm einen Freund und Champion, dessen Engagement für den Staat Israel eine persönliche und einzigartige Form annahm, als er der erste Deutsche wurde, der persönlich nach Israel kam, um seine Sympathie zu zeigen, und gleichzeitig Möglichkeiten entwickelte, wie er einen Beitrag für den jungen und aufstrebenden Staat leisten konnte. Später nahm er Anteil an unserem moralischen Dilemma in Bezug auf Deutschland und spielte eine entscheidende Rolle im Versöhnungsprozess zwischen Juden und Deutschen. Er hatte großen Anteil an der Entwicklung des besonderen Verhältnisses zwischen Deutschland und Israel unserer Tage. Seine Bemühungen um das Wohlergehen des Staates Israel fanden zudem Fortsetzung in seiner Stiftung, die bis heute einen entscheidenden Beitrag zu israelischen Einrichtungen leistet. Und letztendlich drückte er seine Gefühle zu unserem Land auch dadurch aus, dass er sich in Israel einen Wohnsitz mit dem Ziel gekauft hatte, dort zeitweise zu leben. Wir sind Axel Springer zu tiefstem Dank verpflichtet. Wir sind dankbar für sein Vermächtnis. Wir bewundern seine Werte und werden die Erinnerung an ihn weiter in unseren Herzen tragen. Schimon Peres ist Präsident des Staates Israel Israel als zweites Vaterland PA/SVEN SIMON Axel Springer und die deutsch-jüdische Verständigung Aus der deutschen Schuld am Holocaust erwuchs für Axel Springer die Verpflichtung, das Existenzrecht des jüdischen Staates uneingeschränkt zu unterstützen. Bis heute hält sich der Verlag daran „Während ich dies schreibe, schweift mein Blick hinüber auf die Mauern der Altstadt mit ihren Kirchen und Moscheen und auf den Ölberg mit den vielen, vielen jüdischen Gräbern. Und vor meinen Augen liegen auch die judäischen Berge, liegt die Straße, die hinunterführt nach Jericho und ans Tote Meer. Kurz, ich sehe hinaus auf die Wiege der westlichen Kultur, auf den zentralen Ort der christlichen und der jüdischen Religion.“ Wie in diesem Schreiben vom März 1984 hat Axel Springer immer wieder in Briefen, Artikeln und Reden seine Begeisterung für Jerusalem geäußert. Israels Hauptstadt, in der er ein Appartement besaß, war für den Verleger „die zweite Vaterstadt jedes Christen“. Doch der Glaube allein war nicht der Grund, warum dieser Ort mit den heiligen Städten dreier Weltreligionen so eine große Anziehungskraft auf ihn ausübte. Neben Berlin wurde Jerusalem Springers Schicksalsstadt. Und immer wieder zog er Parallelen zwischen Berlin und Jerusalem, wenn es um das Schicksal der geteilten Städte ging. Vor allem Jerusalems Bürgermeister Teddy Kollek bestärkte Springer in dieser Haltung, nachdem Israels Truppen im Sechstagekrieg 1967 die Altstadt, die 1948 im Unabhängigkeitskrieg an Jordanien gefallen war, erobert hatten. Nicht nur mit Kollek, der aus Wien stammte, verband Springer eine langjährige Freundschaft. Zu den meisten Politikern, die das Schicksal des jüdischen Staates bestimmten, von David Ben Gurion bis zu Moshe Dayan, hegte der Deutsche ein herzliches Verhältnis. In Israel hatte man früh erkannt, dass Axel Springer ein verlässlicher Freund und Partner war. Springer-Biograf Hans-Peter Schwarz schreibt: „Im Juni 1966 reiste Springer erstmals nach Israel. Rund dreißig weitere Reisen 100 JAHRE AXEL SPRINGER sollten folgen. Man übertreibt nicht, wenn man feststellt, dass er dort von nun an so etwas wie ein zweites Vaterland fand.“ Eine Affinität zum Judentum hatte er seit seinen Jugendjahren. Springer beschreibt seine Beweggründe unter anderem in dem Band „An meine Kinder und Kindeskinder“, der 1981 erschien. „Einmal fragte mich eine deutsche Jüdin, was mich bei meiner Politik gegenüber den Juden und Israel antreiben würde. Ich erzählte ihr davon, dass das Problem des Judentums sich uns Kindern in Hamburg, der Stadt Ballins und Warburgs, und in Altona, z. B. der Zufluchtsort der portugiesischen Juden, nicht gestellt habe. Wir fragten unsere vielen jüdischen Freunde wirklich ebenso wenig nach ihrer Religion wie die katholischen. Aber später brach eine neue quälende Phase an mit dem Schuld- und Wiedergutmachungsgefühl gegenüber dem, was in Deutschland geschehen war.“ Die darauf folgenden Sätze schildern vielleicht am eindringlichsten Springers Motivation für seine bedingungslos proisraelische Haltung: „Als die ganze Tragödie und der Umfang der deutschen Schuld in unser Bewusstsein drang, war mir klar, dass die Juden und der Staat Israel für einen Deutschen in seinem Kopf, seinem Herzen und seinem Gewissen von Stund an eine außergewöhnliche Stellung haben müssen. Nichts darf wie gegenüber anderen Staaten sein. Es war meine entscheidende persönliche Erkenntnis der Nachkriegszeit, dass unsere deutsche Haltung gegenüber Israel unser Jahrhundertproblem ist. Denn: Wem das, was Menschen deutscher Zunge den Juden angetan haben, nicht auf die Seele geschlagen ist, wen das nicht uneingeschränkt Partei ergreifen lässt, der versteht nicht, was wir den Überlebenden schulden: eine Solidarität, die jedweder Versuchung zu unparteiischer Distanz zu widerstehen hat. Es ist deshalb die Aufgabe unserer ZITATE Generation, fest an der Seite Israels zu stehen, selbst wenn das unserer Politik anderswo Schwierigkeiten bringt.“ Was er hier für alle Deutschen seiner Generation forderte, hat Springer mit seinem Verlag bis zum heutigen Tag fortgesetzt. Hatten 1967 auch die meisten Konkurrenzblätter den Sieg der Israelis im Sechstagekrieg begrüßt, so wurde Springer später mehr und mehr für seine kompromisslose Haltung im Fortsetzung auf Seite 36 Standhaft, solide, verlässlich. Damit sprechen wir ausnahmsweise nicht über die Häuser, die wir für Berliner und Brandenburger bauen, sondern über einen Verleger, der die Berliner und die deutsche Geschichte wie kein zweiter begleitet und auch geprägt hat. Axel C. Springer hat gezeigt, dass kein Traum zu groß ist, wenn man ihn wirklich erfüllen will. DES VERLEGERS „Ich bete zum Herrn, dass das Volk der Bibel, das auch das Volk des Friedens ist, endlich Frieden im Land der Bibel findet“ 35 VERLAGS-SONDERAUSGABE www.nccd.de 36 100 JAHRE AXEL SPRINGER ULLSTEIN BILD (2); PA/DPA VERLAGS-SONDERAUSGABE Ein enger Freund Israels: Axel Springer im Gespräch 1967 mit Ex-Premierminister David Ben Gurion. Mit fast allen führenden Politikern des jüdischen Staates pflegte der Verleger gute Kontakte. 1974 erhielt Springer die Ehren-doktorwürde der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan Fortsetzung von Seite 35 Nahost-Konflikt angegriffen. Umgekehrt löste gerade der militante „Antizionismus“ der 68er Springers erbitterte Gegnerschaft zu dieser Bewegung aus. Vor allem von jenen Widersachern, die den in Fragen zur deutschen Einheit so resoluten Verleger gerne in die Nähe des „Faschismus“ rückten, kam mitunter der Vorwurf, Springers Einsatz für die deutsch-jüdische Verständigung sei seinem schlechten Gewissen entsprungen. Seine erste Ehefrau Martha Meyer, die aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie stammte und die er 1933 geheiratet hatte, galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Halbjüdin“. Weil er sich 1938, in dem Jahr zunehmender Juden-Verfolgung und der Novemberpogrome, von Martha trennte, wurde Springer unterstellt, er habe seine Karriere durch die Verbindung zu einer „Nichtarierin“ nicht gefährden wollen. Springer selbst hat sich dazu nie geäußert. Es war wohl eher die mangelnde Treue des Ehemannes, die zur Scheidung führte. Martha erhob in dieser Hinsicht auch später keine Vorwürfe. Dass Marthas Mutter, die deportiert wurde, aus Theresienstadt freikam, sei, so Hans-Peter Schwarz in seiner Biografie, in erster Linie Springers Einsatz zu verdanken. Weiter schreibt Schwarz: „In Hamburg gehörte er dann zusammen mit Freunden wie Erik Blumenfeld und Erich Lüth schon in der Frühzeit der Bundesrepublik zu denen, die in besonderer Weise dazu aufriefen, die deutsche Schuld und die Wiedergutmachung nie zu vergessen. Seine Faszination für den Ullstein Verlag war immer auch ein starkes Element der Bewunderung für die kulturelle Bedeutung jüdischer Verlagshäuser beigemischt. In den 50er-Jahren zeigte er sich zudem nachhaltig bemüht, jüdische Emigranten an sich zu ziehen, beispielsweise Bernhard Menne, Ernst Cramer, Hans Wallenberg, Georg Hollos, Georg Clare und manch andere.“ Die Schuld Deutschlands an der JudenVernichtung wurde eines seiner zentralen Themen, lange bevor die große Öffentlichkeit sich mit dem Holocaust befasste. So berichteten etwa die Springer-Blätter „Bild“ und „Welt“ über den Eichmann-Prozess 1960 in Jerusalem oder 1963 über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse weit ausführlicher als die Konkurrenz. Nicht nur, aber vor allem im Zusammenhang mit der deutsch-jüdischen Thematik muss Ernst Cramer (1913–2010) erwähnt werden. Der gebürtige Augsburger, der vor seiner Flucht nach Amerika 1938 sechs Wochen im Konzentrationslager Buchenwald interniert gewesen war, der Bruder und Eltern durch die Nationalsozialisten verloren hatte, kehrte als US-Staatsbürger 1945 nach Deutschland zurück. In verschiedenen Positionen, unter anderem als Stellvertretender Chefredakteur der „Welt“ und als Herausgeber der „Welt am Sonntag“, wurde Cramer engster politischer und publizistischer Mitarbeiter und Ratgeber Springers. Wann immer möglich, begleitete er den Verleger nach Israel. Hier spendete Springer viel für kulturelle und soziale Zwecke. Dass gerade die eigenen Ernst Cramer begleitete Axel Springer bei den Israel-Reisen 100 JAHRE AXEL SPRINGER 37 GRUSSWORT HENRY KISSINGER PA/DPA Blätter darüber recht knapp berichteten, zeigt, dass Springer der Zweck wichtiger erschien als die publizistische Wirkung. So wollte er, aus Furcht vor antideutschen Ressentiments, seine erste große Spende – 3,6 Millionen Mark für das IsraelMuseum in Jerusalem – anonym zur Verfügung stellen. „Es war nur zu verständlich, dass manche in diesem Land den Gedanken unerträglich fanden, einen wesentlichen Teil einer großen Kulturinstitution ganz offen mit der Nennung seines Namens von einem Deutschen errichten zu lassen“, so Springer. Doch dann wurde der Bibliotheks-Neubau des IsraelMuseums nach dem Verleger benannt. Bei der Einweihungsfeier am 24. März 1969 überreichte Teddy Kollek Springer eine Schriftrolle. Dort war über den Mäzen aus Deutschland unter anderem zu lesen: „Er ist einer der Großen in seinem Fach, ausgestattet mit Vision, Mut, Gewissen und einem Gefühl für historische Gerechtigkeit. Zwar liegt die tragische, grausame Vergangenheit noch schwer auf unserer Generation, aber Axel Springer wirkt dem entgegen durch seine Hilfsbereitschaft und durch seine Freundschaft.“ Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Springer in Israel zum beliebtesten Deutschen wurde. Hier erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem als erster Deutscher 1983 den Ehrentitel „Bewahrer Jerusalems“. Mit zunehmendem Alter und der religiösen Sinnsuche spielten bei der Beschäftigung mit Israel auch christlich-heilsgeschichtliche Motive eine wichtige Rolle. „Auch die Versöhnung mit den Juden und die daraus erwachsene Hilfestellung für Israel sind Teil meines Glaubens“, erklärte Springer im Oktober 1978. „Wenn ein Volk 2000 Jahre schrecklichste Verfolgung übersteht und dann die ihm gegebene Verheißung erfüllen kann, wieder in seinem Land zu leben, so ist das ein Vorgang, der göttliche, nicht menschliche Dimensionen hat.“ Doch nach wie vor waren Axel Springer die Menschen am wichtigsten. Die Probleme der Gegenwart waren maßgeblicher als die historische Aufarbeitung. Es sei leichter, die Mordopfer von gestern zu beklagen, als sich zu den Mordopfern von heute zu bekennen: Dieser Ausspruch Springers hat leider immer noch Geltung, angesichts der Furcht vor der Entwicklung iranischer Nuklearwaffen. Bis heute zählt der Einsatz für die deutsch-israelischen Beziehungen zu den wichtigsten Aspekten in der Arbeit des Verlages. Als Beispiel sei hier die Ernst Cramer & Teddy Kollek Fellowship genannt. Dieses Stipendium ermöglicht nun VERLAGS-SONDERAUSGABE Getroffen habe ich Axel Springer in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg bei mehreren Gelegenheiten und immer in der geteilten Stadt. Ich bewunderte seine unerschrockene Hingabe und seinen Einsatz. Am lebendigsten ist mir ein Treffen in Erinnerung geblieben, das über den Dächern Berlins, ganz oben im Verlagshaus Springer, stattfand. Vor mir und einer Gruppe anderer beschwor er die Einheit Deutschlands. Für ihn war das eine moralische Pflicht, die dann zur Wirklichkeit wurde, dank seines Glaubens und seiner Hingabe. Henry Kissinger war von 1973 bis 1977 US-Außenminister. Er wurde 1923 im mittelfränkischen Fürth geboren, seine Familie emigrierte 1938 aus Nazideutschland in die USA schon zum neunten Mal deutschen Journalisten einen zweimonatigen Aufenthalt in Israel. Umgekehrt können sich Journalisten in Israel für einen zweimonatigen Deutschland-Aufenthalt bewerben. Nach wie vor zählt die „Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden“ mit der „Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ zu den UnternehmensUwe Sauerwein grundsätzen der Axel Springer AG. Im Zeichen der Versöhnung: Axel Springer bei der Kranzniederlegung in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Der Mord an den europäischen Juden wurde in seinen Zeitungen früh ein zentrales Thema TOP- ANGEBOTE Große Auswahl an Tiefkühl n Fisch und Tiefkühl-Garnele zu günstigen Preisen! Wer hat’s erfunden? Springer war’s! te! Ständig wechselnde Angebo Kantstraße 101 Berlin-Charlottenburg Tel. 895 80 600 Mo.–Sa. 09–21 Uhr BILD-LILLI 12 Hauptstraße 132 Berlin-Schöneberg Tel. 700 94 195 Mo.–Sa. 09–20 Uhr Über 5.000 Produkte aus Fernost – ständig wechselnde Angebote Schlaglichter auf das Leben von Axel Springer meilensteine.axelspringer.de VERLAGS-SONDERAUSGABE 38 100 JAHRE AXEL SPRINGER Eine fragile Idylle Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer Hier muss ich frei sein! www.meilensteine.axelspringer.de Privatmann Urlaub von sich selbst Axel Springer liebte Sylt, das Licht, die Luft, die Unbeschwertheit. Nach einem Brandanschlag auf den Klenderhof fand er dort aber nicht mehr zur Ruhe und verkaufte schließlich alles Sommer auf Sylt an der See: Axel Springer liebte sein Refugium, liebte die einfachen Dinge. Scholle essen in Munkmarsch, ein Glas Wein – zu jeder Jahreszeit gern vor Kaminfeuer. Doch das Glück war von kurzer Dauer. ANNETTE LEDERER Seiten 38–39 Neben Springers Hubschrauberlandeplatz: In den Korbsesseln im Garten des Klenderhofs wurde Politik gemacht Der Sinnsucher Axel Springer war alles andere als ein nüchterner Verleger und Kaufmann. Ihn interessierte das, was hinter allen Phänomenen liegt. Dazu diente ihm die Astrologie ebenso wie die Bibel, das Gebet genauso wie die Meditation. Seiten 40–41 :LUN|QQHQDXFKWUDGLWLRQHOO ZZZIOLHVHQGH Die deutschen Sportärzte feiern 100 Jahre Deutsche Sportmedizin ! %HUOLQ:HLHQVHH%HUOLQHU$OOHH7HO %HUOLQ&LW\/LHW]HQEXUJHU6WU²7HO %HUOLQ1HXN|OOQ6DDOHVWUDH²7HO /XFNHQZDOGH*RWWRZHU6WUE 7HO [LQ XQGXP %HUOLQ Der DGSP Jubiläumskongress dazu findet vom 04.–06.10.2012 im Estrel Convention Center Berlin statt. Am 4. Oktober 2012 wird es einen Festakt geben, zu dem u. a. der Bundesminister des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, bereits zugesagt hat. Vom 5.–6. Oktober werden ein internationales Symposium, Fortbildungen und Workshops stattfinden. Weitere Informationen können über die Kongresshomepage www.dgsp.de/kongress/ oder telefonisch über die Geschäftsstelle in Frankfurt unter 069/ 40 71-412 eingeholt werden. 100 JAHRE AXEL SPRINGER kriegsverhältnissen aussehen müssten. Vieles von dem, was damals thematisiert wurde, fand sich später in Springers Publikationen wieder: das Politische, das Unterhaltende, die Nähe zum Leser. Axel Springer liebte Sylt. Die frühere Wildheit, Unberührtheit, immer die Luft, die Dünen, das Meer, den frischen Fisch, die Atmosphäre. Im Sommer wie im Winter. Vor dem Kamin saß er zu jeder Jahreszeit. Ein Glas Wein und ins knisternde Holz gucken, das war Erholung. Spazieren gehen, übers Watt laufen. Oder Scholle essen in Munkmarsch, nur bloß nichts Überkandideltes. Und nach kurzer Zeit war er meist schon braun gebrannt, der Teint ließ seine blauen Augen noch mehr strahlen. Was er natürlich einzusetzen wusste, wenn er ganz langsam die Sonnenbrille abnahm ... Er kaufte ein Haus in Morsum, dem ländlichen Sylt, oben auf der Warft, mit Blick bis nach Föhr. Dass er sich dort mit der hübschen Tochter vom Gärtnereibetrieb Riewerts am Glockenturm in Wyk und für immer verabreden würde, davon ahnte der smarte Unternehmer da noch nichts. Erst einmal gründete er mit Freunden einen Golfplatz in Laufweite. Den Morsumer Golfclub, neun Löcher. Seit Kurzem sind es 18, aber der Verein blieb klein, fein und vor allem sportlich. Springer war ein guter Spieler, an manchen Tagen besser als der deutsche Meister Alfred Peemöller, der den Platz baute. Ha! Und er leistete sich auch ein Haus in Kampen, die Preise waren noch nicht so irrwitzig wie heute. Es lag fantastisch, erhaben am Ende des Hobookenwegs, heutzutage die Straße mit den höchsten Quadratmeterpreisen Deutschlands, mit weitem Blick über das Wattenmeer. Er kaufte die Heidegrundstücke drum herum gleich mit. Auf dem einen, auf der anderen Seite des Weges, ließ er das „Kinderhaus“ errichten, das auch als Küche genutzt wurde. Denn Essengeruch konnte der Ästhet nicht leiden. Das Haus lag nicht nur großartig, es erzählte auch genau die richtige Geschichte: Wohnte da doch der Verleger Peter Suhrkamp, der dort gern auch schreibblockierte Schriftsteller sich erholen ließ („Lassen Sie sich fallen!“). Wie man sich erzählt, verkaufte Suhrkamp das reetgedeckte Haus, das seine Frau Annemarie Seidl mit in die Ehe gebracht hatte, an Springer, um die deutsche Gesamtausgabe von Marcel Proust zu finanzieren. Es war allerdings nicht der Klenderhof, wie so oft falsch beschrieben. Den imposanten Turmbau, nahe dem Privathaus, den sich „Bimba“, die Tochter des Berliner Warenhausbesitzers Lindemann und ihr Mann, der Cellist Max Baldner, 1933 gebaut hatten, kaufte Springer auch. Aber nicht für sich, sondern als Gästehaus und „Außenposition“ des Verlages. In den Sommerwochen verlegte er sein Büro dorthin, im Anbau verschickte seine Sekretärin die Telexe an der großen Maschine. Gewohnt haben im Klenderhof nur Gäste. Und auf der Terrasse mit Blick übers Watt, neben dem Helikopterlandeplatz, wurde in Korbsesseln die Welt bewegt. Dann begann die Hatz. Die 68er-Revolte mit ihrem Feindbild Springer. Am 2. August 1973 meldete der „Stern“, dass sich der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller im Klenderhof einquartiert habe. Drei Tage später brannte das Anwesen. Wohl in der irrigen Annahme, dass es sich um das Privathaus des Verlegers handele, war es angezündet worden, Schiller hechtete aus einem Fenster in Sicherheit, nach zweieinhalb Stunden war das Feuer unter Kontrolle, ein Millionenschaden. Ein offensichtlich politisch motivierter Anschlag – die Brandstifter wurden nie gefasst, doch Axel Springer ließ das Anwesen selbstverständlich wieder aufbauen. Aber die Saat des Hasses ging auf. Nirgends konnte der Verleger mehr ohne Bewachung sein. Nicht einmal im friedvollen Kampen, wo einst auch Ulrike Meinhof gern an Buhne 16 gedöst hatte. Gerade dort schmerzte es ihn besonders. Plötzlich war weiter Horizont verboten. Er durfte, aus Sicherheitsgründen, nicht mehr am Fenster sitzen. Er hatte gelernt, mit der Bedrohung umzugehen. Aber nicht auf Sylt. „Hier muss ich frei sein, ohne Bewachung!“, rief er mit Schmerz. Und verließ die Insel. Für immer. Verkaufte allen Privatbesitz. Zum Schnäppchenpreis. Auch die riesigen Heideflächen. Alles an den inzwischen verstorbenen Berliner Architekten Karl Hermann Karbig, der damit den Kampener Immobilienmarkt vergoldete. Nur Friede Springer behielt die kleine Wohnung, sein erstes Geschenk an die Seelenverwandte, direkt am Strand von Sylt, in der sie seit Langem wieder ihre Sommerferien verbringt. Das sichere Gut Schierensee in SchleswigHolstein, das Springers 1968 gekauft und vier Jahre bis zum Originalzustand saniert hatten, wurde fortan sein Sylt-Ersatz, sein Norden. Dort durfte er am Fenster sein. Dort galt für ihn Inga Griese noch: Rüm Haart, klaar Kiming. ANNETTE LEDERER (4) Im Sommer das Büro auf Sylt Rüm Hart. Klaar Kiming. Weites Herz und klarer Horizont. Das ist der alte Wahlspruch der Friesen, er flattert auf vielen Flaggen im Wind der nordischen Inseln. Er hätte auch von Axel Springer stammen können. Auf Sylt erlebte er schon als junger Mann in den 30er-Jahren unbeschwerte, inspirierende Freiheit, lange bevor dem Eiland das Etikett der Schönen und Reichen angepappt wurde. Nicht, dass es dort oben keine Nazis gab, aber sie verdarben der „Swing-Jugend“ nicht den Spaß. Jenen jungen Leuten aus gutbürgerlichen Hamburger Verhältnissen, die ein Faible für die „entartete“ Musik hatten, die sich auch optisch mit ihrem britischen Look und Habitus absetzten von großdeutscher Miefigkeit. Und eben im Sommer auf Sylt bestens „in the Mood“ waren. Sie machten im Westerländer Trocadero die Nächte zu Tagen. Ihr Star war Teddy Stauffer (s. S. 14), Musiker und ein Kumpel von Axel, zusammen fuhren sie auf die Insel der Dichter, Denker und damals schon: Nackten. In Kampen trafen lange schon sich Künstler aller Genres, um elementare Natur und ausgelassene Geselligkeit zu erleben. Gleich nach dem Krieg fuhr Springer wieder hoch, traf auf den Publizisten und späteren ersten „Welt“-Chefredakteur Hans Zehrer. Das jodhaltige Klima war nicht gerade ideal für dessen Frau, die an einer Überfunktion der Schilddrüse litt, aber nach dem Schreibverbot durch die Nazis hatte sich der Journalist auf Sylt in „innerer Emigration“ als Reitlehrer und Buchautor eine Existenz sichern können. 1947 lernten sich der alte Zeitungshase und der junge, ambitionierte Verleger kennen, in langen Gesprächen berieten die beiden Männer, wie Zeitungen in den nun grundlegend anderen deutschen Nach- 39 VERLAGS-SONDERAUSGABE Bilder aus unbeschwerten Tagen: 1970 begleitete die Fotografin Annette Lederer Axel Springer auf seinen Wattwanderungen und Strandspaziergängen auf Sylt. Dort erholte er sich vom Alltag, trug legere Polohemden und ließ sich bräunen VERLAGS-SONDERAUSGABE 40 100 JAHRE AXEL SPRINGER ANNETTE LEDERER; PONTIFICIA FOTOGRAFIA FELICI Der Blick geht nach innen: Springer in Kampen auf Sylt. Müde sieht er aus und nachdenklich. In den letzten Jahren seines Lebens wird die Frage nach dem, was zählt, immer wichtiger Klöster, Klausen und andere Rückzugsorte Suche nach dem Sinn Anfangs faszinierte Axel Springer die Astrologie, später begeisterte ihn das Johannes-Evangelium BERLINER PHILHARMONIKER DIRIGENT ANDRIS NELSONS VIOLINE DAISHIN KASHIMOTO PETER TSCHAIKOWSKY: SYMPHONIE NR. 5 E-MOLL OP. 64 SÉRÉNADE MÉLANCOLIQUE B-MOLL OP. 26 VALSE-SCHERZO C-DUR OP. 34 OUVERTURE SOLENNELLE »1812« ES-DUR OP. 49 SO. 24.06. 2012 BEGINN 20.00 UHR WALDBÜHNE BERLIN www. * - 969 000 555* Informationen unter www.deag.de .de, 01805 Das Jahr, in dessen Verlauf Axel Springer sterben sollte, hätte nicht schlechter beginnen können. Anfang 1985 wurde sein Enkel aus dem Lyceum Alpinum im schweizerischen Zuoz entführt. Das Ganze ging unblutig aus, die Täter wurden gefasst. Doch der Verleger erfuhr noch einmal, wie verletzlich er war. Und wenn man ihn nicht treffen konnte, traf man seine Familie. Oder seinen Besitz – wie beim Brandanschlag auf den Klenderhof 1973 auf Sylt. Nach der Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer soll er zeitweilig eine Kapsel mit Zyankali um den Hals getragen haben – „weil ich Schmerzen schlecht ertrage“, zitiert der Biograf Hans-Peter Schwarz. Angesichts solcher Bedrohungen drängte sich eine Frage geradezu auf: Wozu das alles also noch? Studiert man allerdings die Dokumente zu Springers Leben, fällt auf: Die Krisen, die Zweifel, der stets wiederkehrende Wunsch nach Rückzug – das alles waren ständige Begleiter. Die Suche nach dem Sinn des Lebens begann nicht erst mit beruflichen Rückschlägen und auch nicht mit der Selbsttötung seines Sohnes Axel Springer jr. 1980, bekannter unter seinem Pseudo- HÖRZU, wenn jemand das BILD der deutschen Medien geprägt und dabei DIE WELT verändert hat, dann Axel Springer. IPW wünscht allen Titeln der Axel Springer AG viele weitere erfolgreiche Jahre. www.ipwberlin.de DIE ERSTE EIGENE ZEITUNG Der Sprung in die Unabhängigkeit (0,14€/Min. aus dt. Festnetz / max. 0,42€/Min. aus dt. Mobilfunknetz) 4 Örtliche Durchführung Schlaglichter auf das Leben von Axel Springer meilensteine.axelspringer.de 100 Jahre Axel Springer Als langjähriger Partner von Axel Springer und Experte rund um Medien & IT-Integration gratulieren wir ganz herzlich! www.arvato-systems.de 100 JAHRE AXEL SPRINGER Patmos als Zufluchtsort hatte. „Mein weltlicher Beruf“, schrieb er Anfang 1981 erneut an Jungclaussen, „zieht mich immer wieder vom intensiven Gebetsleben ab.“ Fand der Mensch Axel Springer dennoch am Ende zu seinem Frieden? Fast scheint es so. Seine Frau Friede Springer sei bis zu seinem letzten Atemzug an seiner Seite geblieben, schreibt Hans-Peter Schwarz in seiner Biografie über den Verleger. „Springers letzte, von ihr überlieferte Worte auf die Frage, wie es ihm gehe, waren: ‚Es könnte nicht besser sein.‘“ Björn Engel Papst Paul VI. gewährte dem Verleger im April 1977 eine Privataudienz im Vatikan GRUSSWORT JOBST SCHÖNE SELK Ich hatte ein sehr negatives Bild von Axel Springer, ehe ich ihn kennenlernte. Dann kam er zu mir, bat um Aufnahme in meine Gemeinde, in die lutherische Kirche, die er in Berlin bei den sogenannten Altlutheranern wiederfand. Ich schaltete innerlich auf Abwehr. Aber als er vor mir stand, war alles anders. Anders der Mensch, der vor mir stand: offen, strahlend, warmherzig, wissbegierig, von einer unbeschreiblichen Ausstrahlung. Und er suchte Hilfe. Das war ein anderer Springer, als ich erwartet hatte. Alle meine Vorbehalte und Vorurteile waren dahin. Er tickte eben ganz anders. Reich war er, ja, aber gab davon mit vollen Händen ab. Er las die Bibel und kannte erstaunlich viel von Luther. Er redete offen von seinem Glauben. Was ich am meisten an ihm bewunderte: Er konnte die (sicher vielen) Fehler, die er in seinem Leben gemacht hatte, einsehen, sich ändern, Gott um Vergebung bitten. Er wurde und blieb ein bewusster Christ. „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Mit diesem Wort aus dem Evangelium war er konfirmiert worden. Er hat es nie vergessen. „Man spricht von ihm als einem großen Mann“, sagte ich in meiner Predigt im Trauergottesdienst. „Am größten, denke ich, war er, wenn er als Christ vor seinen Gott trat, vor ihm die Knie beugte, Vergebung zu erbitten und zu empfangen am Altar seiner Kirche im Sakrament, das uns Christus gestiftet hat.“ Jobst Schöne ist emeritierter Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und hatte seine Pfarrstelle von 1962 bis 1985 an der St. Mariengemeinde Zehlendorf DIENEUELINDNER FUNKYTOWNKOLLEKTION In Kooperation mit dem Wintergarten 'ENIEENô3IEôDENô3OMMERôô KULINARISCHôINSPIRIERTôVONôô INTERNATIONALENô-ETROPOLEN Wir gratulieren zum 100. Geburtstag von Axel Springer [ [ [ F F Q H I W M K R H I nym Sven Simon. Die Entschlüsselung der Mysterien des Daseins haben Springer seit seiner Jugend beschäftigt. Anfangs war es die Astrologie, später die Bibel, die der Verleger gegen die Unwägbarkeiten des Lebens zu Hilfe rief. Besuchte er in der Zeit des Aufstiegs häufiger die Hamburger Astrologin Ina Hetzel, wurde der Evangelist Johannes zum Fixstern seiner späten Jahre. Die beliebten Horoskope in vielen heutigen Magazinen sind ohne das mediale Zutun Axel Springers, der sie von Beginn an in viele seiner Publikationen einstreute, kaum denkbar. Die Hinwendung zur Bibel dagegen sollte für den Lutheraner, der Sympathie für gewisse Aspekte des Katholizismus empfand, rein privater Natur sein: „Heute eine ernsthafte Anfrage: Was muss ich anstellen, um vom Papst empfangen zu werden?“, schrieb er 1955 an seinen Freund Kaye Sely. „Dieser Wunsch hängt natürlich überhaupt nicht mit meiner Zeitungsarbeit zusammen.“ Seit 1946 kannte Springer den einstigen Major Kaye Sely, der in der Berliner Zentrale für die politische Überprüfung der Lizenzbewerber und Journalisten zuständig war. Man darf sich von dessen barschem Ton gegenüber Springer nicht täuschen lassen, wenn er zehn Jahre später, nachdem er die jüngsten Krankheitsgeschichten des Verlegers in einem Brief aufgezählt hat, diesen fragt: „Beherrschen Sie das Geschäft oder dominiert der Laden Sie?“ Von den Berliner Verlagsplänen des Hamburger Verlegers wollte der Freund damals nichts wissen: „Sie sollten sich vielmehr angelegen sein lassen, wie Sie Ihr Leben geruhsam genießen können, statt wie Ihr Geschäft weiter auszubauen wäre.“ Aber Springer war ein Getriebener, Ruhe war seine Sache nicht. Sein Haus auf der Berliner Prominenten-Insel Schwanenwerder sollte er später zwar „Tranquillitati“ („der Ruhe gewidmet“) nennen, auch auf seinem Gut Schloss Schierensee hatte es einstmals einen gleichnamigen Pavillon gegeben – aber all das war eher ein Ausdruck dessen, wonach er sich sehnte, nicht, wonach er lebte. Entsprechend burschikos antwortete er auf die freundschaftlichen Vorhaltungen Selys: „Ich selten dämliches Wirtschaftswunder habe ein gesundes Herz.“ Was nicht gesund sei, sei das Gefäßsystem. „Auf Ihre alberne Frage, ob ich das Geschäft beherrsche oder das Geschäft mich, habe ich mir heute Reitstiefel angezogen. So flaniere ich durch alle Abteilungen und herrsche offensichtlich. So stellen Sie Ahnungsloser sich doch wohl einen echten Wirtschaftswunderling von 1955 vor?“ Springer wusste aber durchaus, was ihn der Aufstieg gekostet hatte. An Wolfgang Köhler, damals Korrespondent für das „Hamburger Abendblatt“ in New York, schrieb er: „Wir alle, lieber Herr Köhler, sind ein wenig am Rande unserer Kräfte (…) Die Nachkriegsjahre haben alle, die ganz aus sich herausgegangen sind, gefährlich geschwächt.“ Nimmt man zu den Phasen großer Erschöpfung die erst 1969 entdeckte Schilddrüsen-Unterfunktion hinzu, ließe sich manche Stimmungsschwankung, mancher depressive Schub, mancher Überdruss und die daraus folgende Hinwendung zu den Sinnfragen wenigstens zum Teil psychosomatisch erklären. Aber eben nur teilweise. Es bleibt eine große Offenheit des Verlegers bezüglich spiritueller Quellen, die keine Hormon- oder Stoffwechselstörung hinreichend erklären kann. Ein entscheidender Antrieb seines Lebens war die Frage: Warum bin ich hier? Im Verlag hingegen war er im zunehmenden Alter immer seltener. Ein kleines Häuschen auf der griechischen Insel Patmos, auf der der Evangelist Johannes seine „Apokalypse“ geschrieben hatte, wurde sein Refugium. Einem seiner Seelsorger, Emmanuel Jungclaussen, teilte er im Juli 1984 mit: „Nach 11 Wochen Aufenthalt auf Patmos habe ich offensichtlich meinen quälenden Virus verloren. Ich sitze jetzt in Klosters zur Nachkur und vertraulich: Ich weiß gar nicht, ob ich jemals wieder meine Arbeit aufnehmen will. (…) Ich hoffe sehr, im Herbst dieses Jahres noch einmal auf die Insel des Johannes gehen zu können. Manchmal denke ich, dass das der einzige Platz auf der Welt ist, wo ich wirklich Ruhe finde.“ In Decken gehüllt habe der nunmehr stets Fröstelnde in der Sonne gesessen, schrieb Friede Springer in „Letzte Heimkehr nach Berlin“ über ihren Mann auf Patmos. Er „trug zwei Pullover und las, meist religiöse Bücher“. Aber er las nicht nur. Er betete auch viel in seinen letzten Jahren. 1979, ein Jahr bevor sich sein Sohn umbrachte, schrieb er nach einem mehrtägigen Aufenthalt im Benediktinerkloster im bayerischen Niederaltaich an den Abt Jungclaussen: Er habe die Bedeutung der Benediktinerregel „ora et labora“ („bete und arbeite“) für sich entdeckt. „Immer mehr sehe ich in diesem Anruf meine Lebensregel.“ Er erkannte, dass „Arbeiten allein in die Verzweiflung führt“. Ein Jahr später war sein ältester Sohn tot und Springer fragte sich, ob er sich der inneren Einkehr tatsächlich genug zugewendet 41 VERLAGS-SONDERAUSGABE WWWLINDNERESSKULTURDE VERLAGS-SONDERAUSGABE 42 100 JAHRE AXEL SPRINGER Freiheitskämpfer Journalist Unternehmer www.meilensteine.axelspringer.de Vermächtnis Die Frau an seiner Seite Ab 1968 begleitete Friede Riewerts den Verleger durch das Leben. Im Januar 1978 wurde sie Axel Springers fünfte Ehefrau. Heute ist sie Mehrheitsaktionärin des Medienkonzerns. Neben ihrer Funktion als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats leitet Friede Springer verschiedene Stiftungen. Seiten 42-43 Einheit in Freiheit Vier Präambeln hat Axel Springer für den Wertekompass seines Hauses formuliert. Das Streben nach der deutschen Einheit in Frieden und Freiheit, an die der Verleger unbeirrbar glaubte, wurde nach dem Vollzug am 3. Oktober 1990 um den Gedanken des unbedingten Eintretens für den freiheitlichen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland und des Wirkens für den europäischen Einigungsprozess erweitert. Seiten 44–47 GRUSSWORT RICHARD VON WEIZSÄCKER PA/SVEN SIMON Axel Springer war ein großer Journalist, ein großer Unternehmer, ein großer Patriot. Mit Dankbarkeit und hoher Achtung denke ich an die gemeinsame Zeit mit ihm in Berlin, ihm, dem selbstständig denkenden, freiheitlich orientierten Mann aus Hamburg. Dort hatte er die freiheitliche Presse unter anderem mit dem „Hamburger Abendblatt“ geschaffen. Es folgte seine kluge Reaktion auf das optische Zeitalter mit „Bild“ – Seite 1 das Bild, Seite 2 der Text. Und dann das große deutsche Blatt „Die Welt“. In den Blättern ging es ihm einerseits um klare politische Leitlinien, zugleich um den moralisch-seelischen Charakter der Leser. Dank seiner historischen Kenntnisse lag ihm entscheidend an der uneingeschränkten Einsicht über Gründe, Grausamkeit und Konsequenzen des Holocaust. Stets bekannte sich Axel Springer zu einer ganz engen Bindung an Jerusalem. Er war ein Vorkämpfer für den Weg zu einer deutschen Einheit. Als in Berlin die Mauer gebaut wurde, antwortete Springer mit seinem „Aussichtsturm“ in der Mitte der Stadt und dadurch mit dem Überblick über das Ganze. Auch wenn Springer selbst es nicht mehr erleben durfte, war er doch mit seinem Wirken zentral dafür, dass Berlin nach dem Fall der Mauer wieder zur Hauptstadt des vereinigten Deutschlands werden konnte. Stets trat Springer für die Freiheit seiner Journalisten ein. Es gab mehr als einen Versuch, ihn zu einer Beeinflussung einiger Gedanken und Texte seiner Mitarbeiter zu bewegen. Das war jedoch immer vergeblich. Axel Springer war ein Vorkämpfer, wo immer es um Beseitigung der Zensur der Medien ging. Ohne Pressefreiheit ist die Demokratie bankrott, so dachte er und so entsprach es seinem Handeln. Unsere Demokratie ist das zentrale politische System. Es gilt, lernfähig zu werden und zu bleiben. Unsere Schwächen bleiben der öffentlichen Kontrolle ausgesetzt. Nur so gelingen Reformen. Nur so bleiben wir zum friedlichen Wechsel fähig, zu dem System, in dem wir unsere Freiheit finden. Um diese Freiheit hat Axel Springer sein Leben lang gekämpft. Dafür danken wir ihm und bleiben ihm mit ehrendem Gedenken verbunden. Richard von Weizsäcker war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1984 bis 1994 Bundespräsident Jüngst sah man bei Joachim Gaucks Wahl zum Bundespräsidenten Friede Springer und Alice Schwarzer zusammenstehen. Beides Wahlfrauen für die CDU. Die mächtige Verlegerin und die wortgewaltige Feministin. Ein deutscher Moment, denn beide sind sie emanzipiert und erfolgreich, sind ihren Weg gegangen und haben sich nicht beirren lassen, haben Mut, Willen und Durchsetzungsvermögen gezeigt, waren „beseelt“. Dabei hatte es Friede Springer sicher schwerer als Alice Schwarzer, die auf den Wogen des linken Zeitgeistes schwamm, während Friede Springer sich für das Leben mit einem Mann entschied, der diesem Zeitgeist aufs Energischste Paroli bieten wollte und darin seine Erfüllung fand. Natürlich kann sich niemand vorstellen, in welche Bahnen das eigene Leben geraten wird, doch als Friede Riewerts sich 1965 im Hamburger Hause des Verlegers Axel Springer als Kindermädchen vorstellte, muss sie gespürt haben, dass von nun an alles anders würde. „Ich stand in der apfelgrünen Halle des Hauses und er kam die Treppe herunter.“ Lange musterte der Verleger sie, sehr lange. Sie vergaß diesen ersten Blick nicht. Axel Springer hatte sich, wie sich später herausstellen sollte, sofort in die anmutige junge Frau von der Nordseeinsel Föhr verguckt, er hatte ein Auge auf sie geworfen. Sie war hübsch, mit langen blonden Haaren, sie liebte Miniröcke, die Beatles (besonders „Yesterday“), Partys. Und war somit ein Kind der unbeschwerten und fröhlichen 60er-Jahre, bevor dann der große Kehraus der 68er begann. Friede Springer war eine Gestalt des klaren Nordens mit einem zauberhaften friesischen Akzent, eine aparte Schönheit. Aber sie hatte noch nicht viel gesehen von der Welt außer ihrer Insel und dem liebevollen Elternhaus. Alles dort hatte sich um den Gärtnereibetrieb, bestehend aus Baumschule und Rosenzucht, gedreht. Wohl wollte sie lernen, wachsen, belegte Steno- und Englischkurse und hatte schon als Kindermädchen beim Kieler Bürgermeister Hans Müthling Einblicke in die urbane bürgerliche Welt jener Zeit gehabt. Doch noch war sie anscheinend „schüchtern, still, zurückhaltend“, wie sie jüngst sagte. Manchmal steht sie am Fenster ihres Büros im Berliner Verlagshaus, das auch das Büro ihres Mannes war, und schaut nicht nur auf eine lebendige, boomende Stadt, sondern auch auf ihr ereignisreiches Leben zurück. Friede Springer lernte ihren Mann mit 23 Jahren kennen. Da war er in vierter Ehe verheiratet und steuerte schon auf eine neue Scheidung zu. Ihre Ehe, die fünfte, sollte am längsten halten. 20 Jahre war sie „Die Frau an seiner Seite“ und findet auch heute noch nichts verwerflich an dieser Formulierung. Sie war 30 Jahre jünger, man kann sagen, sie ging bei Axel Springer in die Schule. Sein Leben war in der Tat damals größer, dominanter, von Erfahrung und Erfolg gesättigter als ihres. Mitte der Sechziger war er mehr als nur ein gemachter Mann, er war ein Gigant, als Verleger ein „König Midas“, wie die Ullstein-Familie einmal sagte. Was er anfasste, wurde zu Gold. Friede Springers Demut war wohlbegründet. Lange gleichwohl hatte Axel Springer um sie geworben wie ein junger Mann, geduldig, vorsichtig, galant. Bevor sie 1978 heirateten, lebten sie elf „wilde“ Jahre zusammen. Sie bekannten sich zueinander, ohne verheiratet zu sein. Nie gab er ihr das Gefühl, nur eine Affäre oder seine Geliebte zu sein. So kann man sagen, sie hat sich auf dieses Abenteuer mit dem bedeutend älteren Mann eingelassen, ohne sich zu unterwerfen, wie Feministinnen immer gleich unterstellen. Nein, diese beiden hatten sich gefunden, zwei, die sich selbst genügten, die gemeinsam auf Reisen gingen, gemeinsam Bücher lasen, von morgens bis abends über den Verlag sprachen. „Das kannte er nicht, dass sich jemand derartig mit ihm auseinandersetzte und beschäftigte.“ Für ein Kind war in dieser Welt kein Platz. Ihr Mann bestand auf ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit. Der Verzicht fiel ihr sehr schwer, doch sie genoss das Leben mit ihm. „Er hatte diesen feinen, besonderen englischen Humor. Er konnte unglaublich gut erzählen. Und er konnte verdammt gut tanzen. Mit so einem Mann zusammenzuleben, das war für mich ein einziges Geschenk.“ Ihrer Zuneigung zu Kindern frönt sie heute so, nennt elf Patenkinder ihr Eigen. Schon der Kampf mit den Studenten („Enteignet Springer“) hatte an den Kräften des Verlegers gezehrt. Er musste geschäftliche Einbußen hinnehmen, wurde zum Feindbild nicht nur der Still und zurückhaltend Porträt Fra 100 JAHRE AXEL SPRINGER 43 VERLAGS-SONDERAUSGABE Friede Springer, hier im Journalisten-Club des Berliner Verlagshauses vor dem Porträt ihres verstorbenen Mannes, hat sehr lange um Axel Springer getrauert. Ihre Lebensfreude verlor sie jedoch nicht Linken, sondern auch von Kollegen wie Augstein („Spiegel“) und Bucerius („Zeit“) bekämpft. Dann kamen die Siebziger mit ihren Bedrohungsszenarien durch den Terrorismus der RAF. Auch die Springers standen unter Polizeischutz, mussten ihr Anwesen Tranquillitati auf Schwanenwerder aus Sicherheitsgründen verlassen, den Mord am Freund Jürgen Ponto erleben. In dieser Zeit tröstete sie ihren Mann viel. Seine Gesundheit war da schon geschwächt. „Friede soll alles wissen“, meinte Axel Springer zu seinen Geschäftspartnern. Ob er damals schon ahnte, wie alles kommen würde nach seinem Tod? Vollends aus der Bahn warf ihn der Selbstmord seines ältesten Sohnes Sven-Simon (Pseudonym von Axel Springer jr.), einem erfolgreichen Fotografen, der sich 1980 mit nur 38 Jahren das Leben nahm. Von da an zog er sich noch mehr aus dem Verlag zurück, las religiöse Bücher und kränkelte. Friede Springer kümmerte sich, am Ende pflegte sie ihn auch, bis es nicht mehr ging. „Ich wollte meinem Mann Gutes tun. Ich weiß, das ist sehr schwer zu erklären, aber ich habe mich deswegen doch nicht aufgegeben!“ Als Axel Springer starb, war er gerade 73 Jahre alt. Sie war allein. Niemand traute der jungen Verleger-Witwe zu, sein Erbe anzutreten. „Du machst das schon, Friede“, hatte ihr Mann zu ihr gesagt. Und sie machte. Musste Erbstreitigkeiten mit der weitverzweigten Familie klären und erkennen, dass es keinen Familienzusammenhalt gab. Sie war einsam auf weiter Flur, denn auch im Verlag kochte so mancher sein Süppchen. Auch ihre externen Gegner waren nicht ohne, denkt man an Leo Kirch oder Rupert Murdoch. Friede Springer rettete und hütete das Lebenswerk ihres Mannes in diesen Jahren, sie erwarb die Mehrheit am Aktienpaket zurück. Sie sagt selbst, sie wollte es wissen. Mutig sei sie nicht, aber es habe sie gereizt, diesen Kampf aufzunehmen. Der Gedanke an ihren Mann hat ihr Kraft gegeben. Bei Verhandlungen schaute sie auf seine Fotografie und er sprach: „Mach weiter.“ Die Jahre bis in die Neunziger lesen sich wie ein Wirtschaftskrimi. Friede Springer ist immer von den Männern unterschätzt worden und man kann sagen, dass das nicht von Nachteil war. Irgendwann hat sie darüber lachen können, es stört sie jedenfalls nicht mehr. Ihr stilles Durchsetzungsvermögen, ihre strategische Klarheit erwiesen sich als erfolgreicher als alles Lavieren und Intrigieren, das in manchen Kreisen üblich ist. Doch ihr Erfolg rührt von mehr. Sie ist aufrichtig, authentisch und willensstark. Nichts würde sie um des Scheines willen schönreden wollen. Immer will sie zum Wahrheitskern vorstoßen. Sie ist trotz allen Erfolges bescheiden geblieben, ohne das Wort spießig zu finden. Denn natürlich mag sie die Vorteile, die ihr das Leben als Wohlhabende bietet. Aber in Maßen, mit Disziplin. Das ist die alte Schule, auch ein Erbe des so liebevollen wie strengen Elternhauses auf Föhr. Gärtner bleiben bodenständig. Eine Friede Springer fährt keinen Porsche. Der VW tut es auch. Lieber unauffällig leben, dafür aber frei. Sie mag das Wort „Fortüne“. Wie ihr Mann habe sie auch Fortüne gehabt. Er hat alles erfunden, sie versucht, alles zusammenzuhalten. So sind sie auch heute noch im Geiste ein Paar und es wundert nicht, dass der vor so langer Zeit Verstorbene seiner Frau immer noch gewärtig ist, ohne dass es seltsam anmutet. Wohl stehen auf seinem Grab die Blumen und es ist gut, dass es diesen Ort gibt, den sie manchmal besucht. Und im Verlag, in den Friede Springer jeden Tag morgens mit Freuden kommt und den ihr Mann direkt an der Sektorengrenze bauen ließ, womit er die „DDR“ provoziert hat, ist Axel Springer lebendig. Oben im Journalisten-Club stehen stets frische Blumen vor seinem Porträt. Sie hat lange getrauert, sehr lange. Aber eine ewige Witwe ist sie nicht. Friede Springer genießt ihr Leben, geht gerne auf Reisen, pflegt diverse Freundeskreise, simst mit der Kanzlerin, die sie in ihrer Ausdauer und Gelassenheit bewundert, engagiert sich in ihren Stiftungen, ist brennend interessiert an Medizin und Naturwissenschaften, liest ungeheuer viele Bücher. Im Jahr, in dem man den 100. Geburtstag Axel Springers feiert, wird Friede Springer 70. Wie sie da steht, grazil, die gleiche Figur wie eh und je, ein waches, ja kesses Lächeln auf den Lippen, weiß man: Diese Frau ist mit ihrem Leben zufrieden. Sie ist ihren Weg gegangen. Und manchmal tänzelt sie ihn auch. Andrea Seibel Axel Springer bleibt gegenwärtig Mit stillem Durchsetzungsvermögen hütet Friede Springer das Lebenswerk ihres Gatten RETO KLAR au mit Fortüne VERLAGS-SONDERAUSGABE 44 100 JAHRE AXEL SPRINGER Wertekompass Leitlinien für Journalisten Vier Präambeln hat Axel Springer für die journalistische Arbeit in seinem Haus definiert, eine weitere ist nach dem 11. September 2001 hinzugekommen. Wie werden die Präambeln in den Redaktionen gelebt? Bieten sie Orientierung? Motiviert die Transparenz zu einer klaren, liberalen Haltung? Sind sie eine Selbstverständlichkeit? Schränken sie die Meinungsfreiheit ein? Als einziges unabhängiges Medienunternehmen besitzt die Axel Springer AG eine Unternehmensverfassung. Der Gründer wusste um die besondere Verantwortung seiner Medien: Axel Springer formulierte vier Grundsätze für die publizistische Arbeit seines Hauses und stellte sie am 26. Oktober 1967 im Hamburger Übersee-Club vor. Nach der deutschen Einheit 1990 wurde die Ursprungsfassung angepasst (Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas) und nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 als sichtbares Zeichen der Solidarität ergänzt (Unterstützung des transatlantischen Bündnisses). Der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner erläutert Axel Springers Werteorientierung: „Medien haben eine große Verantwortung gegenüber Einzelnen – und gegenüber der Gesellschaft insgesamt. Die Geschichte lässt Zweifel daran aufkommen, ob die Medien unseres Landes dieser besonderen Verantwortung immer in ausreichendem Maße gerecht geworden sind.“ Überlegungen in diese Richtung hätten Axel Springer veranlasst, die vier Essentials für die publizistische Arbeit seines Hauses zu formulieren. Der Verleger bezeichnete sie als „Pflöcke, die gesteckt sind, zwischen denen sich die journalistische Individualität und das fachliche Können unserer Redakteure, Reporter, Leitartikler und Korrespondenten entfalten kann“. PA/WOLFRAM STEIN Die Unternehmensverfassung der Axel Springer AG Wichtige Grundsätze für verantwortungsvollen Journalismus F reiheit gibt es nur dann, wenn sie in Anspruch genommen wird. Der Wunsch nach Freiheit hat etwas Unbedingtes, auch etwas Unbändiges. Schlüge er nicht manchmal über die Stränge, dann stünde es schlecht um ihn. Und was für die Freiheit gilt, gilt ebenso für einen Teil von ihr, für die Freiheit der Meinung. Sie verträgt keine Gängelung, keine obrigkeitlichen Einschränkungen, keine Fesseln. Ist es ein Verstoß gegen diese Grundregel der offenen Gesellschaft, wenn sich der Axel Springer Verlag Leitlinien gegeben hat, gegen die kein Journalist des Hauses ungestraft verstoßen darf? Ist es unfreiheitlich, wenn wir etwa angehalten sind, für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland einzutreten oder die Lebensrechte des israelischen Volkes und das transatlantische Bündnis zu unterstützen? Verlassen wir damit den Pfad eines ergebnisoffenen Journalismus? Oder: Warum eigentlich soll es untersagt sein, die Einigungsbemühungen der Völker Europas nicht zu unterstützen? Journalismus ist nicht Kunst. Diese kann von der Provokation leben, Journalismus nicht. Journalisten tun gut daran, wider den Strom zu schwimmen, Dogmen zu hinterfragen und dem Mainstream nicht zu folgen. Es könnte alles auch anders sein: Es ist eine journalistische Tugend, das nie zu vergessen. Doch es ist ebenso eine journalistische Tugend, verantwortlich zu handeln. Wenn es auch nur annähernd stimmt, dass die Presse die vierte Macht im Staate ist, dann heißt das auch: Sie ist keine Privatveranstaltung, sie ist sowohl gegenüber ihren Kunden, den Lesern, wie auch gegenüber dem Gemeinwesen insgesamt und seiner Geschichte in der Pflicht. Es steht nicht im Widerspruch zur Freiheit, sich auf Werte zu verständigen und sie zu achten. Es macht das große Glück der Deutschen aus, dass es ihnen nach der selbst verschuldeten Nazi-Barbarei gelungen ist, und zwar keineswegs aus eigener Kraft allein, das beste Gemeinwesen zu schaffen, das es je auf deutschem Boden gegeben hat. Dass Recht und nicht Willkür herrscht; dass Europa dauerhaft kein Kriegsschauplatz mehr ist; dass es einen jüdischen Staat gibt und – trotz des Holocaust – wieder ein jüdisches Leben in Deutschland; dass uns Amerika, das entlaufene bessere Europa, nach dem Zweiten Weltkrieg geholfen und die Bundesrepublik unversehrt über den Kalten Krieg gerettet hat; dass der Totalitarismus, der immer mit der süßen Versuchung der einfachen Lösung aufwartet, in jeglicher Ausformung ein Übel ist; und dass nur eine Wirtschaft, die nicht gegängelt, wohl aber verantwortungsbewusst ist, gutes Leben ermöglicht: Das alles sind Einsichten und Gewissheiten, die Lehren aus dem unseligen Teil unserer Geschichte enthalten und so etwas wie die Quintessenz unserer glücklichen Nachkriegsgeschichte darstellen. Nichts ist ewig auf der Welt, das aber sollte schon so haltbar wie irgend möglich bleiben. Sich darauf zu einigen, sich darauf zu verpflichten – das hat nun wirklich nichts mit Gängelung zu Thomas Schmid, Herausgeber der „Welt“-Gruppe tun. 100 JAHRE AXEL SPRINGER Unternehmensgrundsätze bei Axel Springer Werteorientierung Fünf gesellschaftliche Richtlinien, die jeder Redakteur unterschreiben muss, stehen für ein freiheitliches Weltbild Die fünf gesellschaftspolitischen Unternehmensgrundsätze, vier davon 1967 von Axel Springer formuliert, nach der Wiedervereinigung 1990 geändert und 2001 – nach dem Terror des 11. September – ergänzt, sind Bestandteil der Unternehmenssatzung. Diese Richtlinien sind für jeden Redakteur bei Axel Springer verbindlich und stehen in jedem Arbeitsvertrag. Sie beschreiben ein freiheitliches Weltbild: Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft In „An meine Kinder und Kindeskinder“ schrieb der Verleger 1981, er sehe in den Grundsätzen „eine Art Magna Charta, eine Wertorientierung für die publizistische Arbeit meines Hauses und seiner Mitarbeiter. Diese politisch-moralische Wertorientierung hat mir die volle Hingabe an den Journalismus und den Beruf des Verlegers wieder ermöglicht. Sie machte aus Beruf Berufung, aus Zeitungslust Zeitungsnutz; und gibt Sinn und Rechtfertigung dafür, in einer verwirrten, von Krisen geschüttelten, wert- und leistungsabgewandten Welt für diese Prinzipien mit dem freien Wort zu kämpfen.“ Die Risiken und Probleme zu bewältigen, die ein weitverzweigtes Verlagshaus mit mehreren Tausend Mitarbeitern darstellt, sei nur gelungen, „weil ich nicht einen Augenblick den Glauben an meine Sache verlor und weil ich mich bei der Auswahl meiner Mitarbeiter unbeirrt von meinen Prinzipien und meinem Gespür für das Wesentliche leiten ließ“. 45 VERLAGS-SONDERAUSGABE ONLINE-ANGEBOT 37 Meilensteine eines bewegten Lebens Als leidenschaftlicher Journalist, mutiger Unternehmer und visionärer Freiheitskämpfer begleitete Axel Springer die Entstehung unserer Demokratie. Am 24. Januar, also exakt hundert Tage vor dem 100. Geburtstag des Verlegers am 2. Mai, startete unter www.meilensteine.axelspringer.de eine digitale Rückschau auf wesentliche Meilensteine seines bewegten Lebens. Bis zum 2. Oktober 2012, dem Vortag des Jahrestages der Deutschen Einheit, präsentiert die Website wöchentlich jeweils dienstags einen neuen multimedialen Meilenstein. Wie entstand Europas größtes Zeitungshaus? Warum wollte Axel Springer Berlin als deutsche Hauptstadt und die deutsche Einheit in Freiheit? Warum engagierte er sich für Israel? Wie erfand er die „Bild“-Zeitung? Warum wurden das „Hamburger Abendblatt“ oder die „Hörzu“ so schnell große Erfolge? Warum wurde er von seinen Gegnern kritisiert? Warum prägt sein inhaltliches Erbe bis heute das nach ihm benannte Medienunternehmen und die deutsche Medienlandschaft? Diese und viele andere Fragen beantwortet Woche für Woche jeweils ein weiterer neuer Meilenstein aus dem Leben Axel Springers. Die Serie bietet Wissenswertes, Kurioses und Überraschendes über den Journalisten. Insgesamt 37 Meilensteine bilden eine bunte Auswahl, die weder chronologisch noch vollständig sein will und in der die kurzweilige Episode so wesentlich ist wie das historische Ereignis. In Folge 16, die am 8. Mai veröffentlicht wird, geht es um die „Bild“-Familie. Denn nicht nur die „Mutter“, die „Bild“-Zeitung, schrieb Mediengeschichte, auch ihre Sprösslinge wie „Bild der Frau“, „Auto Bild“, „Sport Bild“ oder „Computer Bild“ wurden schnell Marktführer in ihrem jeweiligen Segment. Natürlich sind weiterhin auch die früheren Kapitel 1 bis 15 online, von der Verlagsgründung über die Geburtsstunde der „Hörzu“, dem Mauerbau über Axel Springers Leidenschaft für die Musik bis zur Entscheidung, nach Berlin zu gehen. www.meilensteine.axelspringer.de AXEL SPRINGER UND KAISERʼS – TRADITION VERBINDET 100 Jahre Axel Springer und 115 Jahre Kaiser’s in Berlin: Das bedeutet eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit seit vielen Jahren! Springer und Kaiser’s stehen für zentrale Werte wie TRADITION, QUALITÄT und INNOVATION – Werte aus denen zahlreiche Synergien entstanden sind. Bis heute sind die Prinzipien Axel Springers ebenso grundlegende Prinzipien von Kaiser’s: MENSCHEN ERREICHEN UND NÄHE SCHAFFEN! VERLAGS-SONDERAUSGABE „ 46 100 JAHRE AXEL SPRINGER Ich glaube, wir sollten uns angewöhnen, in längeren Fristen zu denken. Ja, ich sehe dieses Berlin eines Tages wieder als die Stadt in Deutschland, die Hauptstadt in Deutschland. Wenn Sie nun fragen, wann, dann würde ich sagen, ich fühle mich gesund, dass ich wahrscheinlich noch sehr lange lebe, dass es durchaus zu meinen Lebzeiten geschehen kann. Aber ich räume ein, dass Propheten den Nachteil haben, sich zeitlich gelegentlich zu irren. “ Axel Springer in einem Interview mit der Journalistin Renate Harpprecht für den ARD-Film „Einige Tage im Leben Axel Springers“, der am 22. Juni 1970 ausgestrahlt wurde 100 JAHRE AXEL SPRINGER 47 VERLAGS-SONDERAUSGABE Der „Balanceakt“ auf der Mauer RETO KLAR „Balanceakt“ heißt die Skulptur des deutschen Künstlers Stephan Balkenhol vor dem Verlagsgebäude in BerlinKreuzberg. Mit ihr würdigte der Verlag 2009 den 50. Jahrestag der Grundsteinlegung und den 20. Jahrestag des Mauerfalls. Im Herzen der Hauptstadt des vereinten Deutschlands soll das Kunstwerk die Kraft von Freiheit und Selbstbestimmung symbolisieren. Media Markt feiert: X X X X X X X X X X X X X X X X X X x x EK_1 EK_2 EK_3 17x in Ihrer Nähe A Alles Abholpreise. Keine Mitnahmegarantie Alle Informationen zu Identität und Anschrift Ihres Marktes finden Sie unter www.mediamarkt.de/meinmarkt oder kostenlos unter 0800/2080200.