Die musikalische Analyse herunterladen

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Donnerstag, 5. November 2015 - 20 Uhr
Freitag, 6. November 2015 - 20 Uhr
Straßburg, PMC Salle Érasme
Marko Letonja Leitung
Valentina Lisitsa Klavier
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 „Emperor“
Allegro
Adagio un poco mosso
Allegro ma non troppo
38’
►
Paul Hindemith (1895-1963)
Mathis der Maler Symphonie
Grablegung
Engelskonzert
Versuchung des heiligen Antonius
Richard Strauss (1864-1949)
Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28
25’
15’
Drei unterschiedliche Arten, große und kleine Geschichte(n) zu schreiben:
Beethovens „Emperor“-Konzert entfaltet die Kraft des Menschen der Romantik, bei
Hindemith zeigt der mit sich selbst und der Gesellschaft konfrontierte Künstler Ernst
und Nachdenklichkeit und in Strauss‘ Till Eulenspiegel herrschen die fröhlichen
Possen eines nichtsnutzigen Störenfrieds.
1
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 „Emperor“
1809 litt Beethoven ebenso wie die übrige Wiener Bevölkerung unter den Schrecken
des Krieges zwischen Frankreich und dem Habsburgerreich. Die kaiserliche Familie
war aus Wien geflohen und Napoleon I. zog am 13. Mai in die Stadt ein. Beethoven
musste im Keller leben: „Welch zerstörendes, wüstes Leben um mich her, nichts als
Trommeln, Kanonen, Menschenelend aller Art“, so schrieb er an seinen Verleger
Härtel. Am 31. Mai erfuhr er vom Tod Joseph Haydns, eine Nachricht, die ihn in so
tiefe Verzweiflung stürzte, dass er eine Woche lang unfähig war zu arbeiten.
Das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 ist das letzte der überlieferten
Klavierkonzerte des Komponisten und gilt beim Publikum als die Quintessenz der
beethovenschen Konzerte. Im Laufe des Jahres 1809 legte Beethoven ein
besonderes Interesse für die Es-Dur-Tonart an den Tag, in der er auch die Dritte
Sinfonie „Eroika“ geschrieben hatte. Außerdem verwendete er sie für zwei etwa
zeitgleich mit dem Konzert entstandene Kompositionen in völlig unterschiedlichen
Stilen, das Streichquartett op. 74 und seine Klaviersonate op. 81a „Les Adieux“. Das
Klavierkonzert entstand zu einer Zeit, als er hoffte, dass die musikliebende Wiener
Aristokratie alles daransetzen würde, ihn an einem Umzug an den Hof des Königs
von Westfahlen in Kassel zu hindern, wofür sich auch seine Freunde einsetzten.
Schließlich verpflichteten sich die Fürsten Kinsky und Lobkowitz sowie Erzherzog
Rudolph, ihm eine jährliche Rente zu zahlen. Beethoven stellte jedoch Bedingungen:
Er wollte sich keinen Zwängen beugen und forderte ein eigenes Orchester für die
großen Werke, die er zu schreiben plante.
Der Titel „Emperor“ stammt nicht von Beethoven selbst, sondern von einem
Komponisten namens Johann Baptist Cramer, der den Untertitel möglicherweise erst
nach dem Tod des Schöpfers des Fidelio hinzufügte. Während Beethoven im
Klavierkonzert Nr. 4 einige Neuheiten ausprobiert hatte, kehrte er für das Fünfte zur
traditionelleren Kompositionsweise der drei ersten Konzerte zurück, und das in so
starkem Maße, wie es ohne die großen heroischen Werke der Jahre 1803 bis 1809
nicht möglich gewesen wäre. „Dieses Klavierkonzert war das erste der zwischen
1809 und 1812 entstandenen Werke, in dem Beethoven auf den Errungenschaften
der Vorjahre aufbaute und die großzügigen Dimensionen und Rhetorik der Dritten
und der Fünften Sinfonie sowie des Fidelio beibehielt und gleichzeitig den inneren
Konflikt abschwächte.“
Das Allegro ist der längste erste Satz aus sämtlichen Klavierkonzerten. Beethoven
„bricht schon in den ersten Noten mit den Konventionen und überlässt dem Klavier
das wie improvisiert erscheinende Präludium“. Das Tutti des Orchesters bestätigt
den machtvoll-sinfonischen Charakter des Werks. Auf das erste jubilierende und
kraftvoll-aggressiv ertönende Thema folgt ein diskreteres zweites Thema, das an
einen Trauermarsch erinnert. Eine kurze Kadenz betont den ständigen Dialog
zwischen Klavier und Orchester. Das knappe Adagio entfaltet sich ganz zauberhaft
und erinnert an das Quartett „Mir ist so wunderbar“ aus dem ersten Akt des Fidelio.
Das Finale wiederum lässt an einen Volkstanz denken. „Zum Abschluss läuten sanfte
Paukenwirbel eine Stille vor den letzten Akkorden ein und bringen so den
abschließenden Triumph, der das eigentliche Thema dieses Fünften Konzerts
enthält, angemessen zur Geltung.
Die Uraufführung fand am 28. November 1811 in Leipzig statt. Am 12. Februar 1812
wurde das Klavierkonzert erstmals in Wien gespielt. Am Klavier saß Beethovens
Schüler Carl Czerny, da der Komponist selbst durch seine Taubheit verhindert war.
2
Paul Hindemith
Symphonie Mathis der Maler
In den 1920er Jahren galt Paul Hindemith als der größte deutsche Komponist der
jungen Generation. Seine Karriere begann mit radikal expressionistischen Werken,
bevor diese provokanter und neo-realistisch wurden. Zu Beginn des darauffolgenden
Jahrzehnts wurde sein Stil sanfter und Hindemith knüpfte eindeutig an die Wurzeln
der deutschen Kulturtradition und die Ideale der Romantik an. In diesem Zeitraum
kam Hitler an die Macht und Hindemith‘ Werke wurden nach und nach als
„kulturbolschewistisch“ verboten.
In der Presse war zu lesen, Hindemith sei jüdisch versippt und seine künstlerischen
Konzepte seien undeutsch. In diesem Kontext arbeitete er Anfang 1933 an einem
Opernprojekt über den Renaissancekünstler Matthias Grünewald (um 1475-1528),
der unter anderem den Isenheimer Altar schuf. Der berühmte Maler setzte sich für
die aufständischen Bauern ein, die gegen den Kardinal in Mainz aufbegehrten, bis er
schließlich erkannte, dass er sich vor allem seiner Kunst widmen musste. Im August
1933 schrieb ein Freund des Komponisten: „Er ist dermaßen von dem Thema, der
ihm wohlbekannten Stimmung, der Schwere des Vorwurfs, den Parallelen zwischen
der damaligen Zeit und der Gegenwart und ganz besonders von der Einsamkeit des
Künstlers ergriffen, dass er mit einem völlig neuen Enthusiasmus und Engagement
arbeitet.“ Bevor er am 27. Juli 1935 die Arbeiten an der Oper abschloss, hatte
Hindemith von Dezember 1933 bis Februar 1934 die Symphonie Mathis der Maler
fertiggestellt, deren drei Sätze von den drei Tafeln des Isenheimer Altars inspiriert
sind: „Das Engelskonzert“, „Die Grablegung“ und „Die Versuchung des Hl. Antonius“.
Wilhelm Furtwängler, der damalige musikalische Leiter der Berliner Philharmoniker,
dirigierte am 12. März 1934 die Uraufführung, die zum großen Missfallen der
Nationalsozialisten zu einem triumphalen Erfolg wurde. Furtwängler reagierte auf die
Kritik in seinem Artikel „Der Fall Hindemith“, der am 25. November 1934 in der
Deutschen Allgemeinen Zeitung erschien: „Sicher ist, dass für die Geltung deutscher
Musik in der Welt keiner der jungen Generation mehr getan hat als Paul Hindemith...
Und weiter noch, auch darüber müssen wir uns klar sein: wir können es uns nicht
leisten, angesichts der auf der ganzen Welt herrschenden unsäglichen Armut an
wahrhaft produktiven Musikern auf einen Mann wie Hindemith so ohne weiteres zu
verzichten.“ Auf der Jahresversammlung der Reichskulturkammer am 7. Dezember
bezeichnete Goebbels Hindemith als „atonalen Geräuschemacher“, und Furtwängler
musste vorerst seinen Berliner Posten räumen.
Das Engelskonzert (Opernvorspiel) setzt mit einer langsamen, als cantus firmus
(Posaunen und Bläser) verarbeiteten Einführung ein, die an das Volkslied Es sangen
drei Engel einen süßen Gesang anknüpft. Ein zweites, opernhafteres Thema wird
von den Streichern eingeführt. Ein Fugato kombiniert schließlich beide Motive und
schließt den Satz ab. Die Grablegung übernimmt in der Oper die Rolle eines
Zwischenspiels zwischen zwei Szenen des siebten Bilds. Der bewegende
Trauergesang wird von einer Oboe und einer Flöte vor dem Hintergrund von Pizzicati
intoniert. Das äußerst lebhafte und bewegte Finale steht für Die Versuchung des
Hl. Antonius, in der Mathis sich selbst in den Zügen des Heiligen wiedererkennt. Vor
dem machtvollen Einsatz des Chors der Dämonen (lebhaft) spielen die Streicher ein
Rezitativ. Nach einer Ruhepause gewinnt das Motiv an dramatischer Stärke und
mündet in ein Zitat aus dem Lauda Sion Salvatorem (Lobe, Zion, den Erlöser) in
cantus firmus. Die Symphonie Mathis der Maler schließt mit dem triumphierenden
Halleluja der Blechbläser.
3
Richard Strauss
Till Eulenspiegels lustige Streiche
Am 10. Mai 1894 verlobte sich Richard Strauss mit Pauline de Ahna. Die am selben
Tag stattfindende Uraufführung seiner Oper Guntram war allerdings ein Misserfolg.
Am darauffolgenden 10. November heiratete er Pauline. Die beiden blieben bis zum
Tod von Richard Strauss, fast auf den Tag genau fünfundfünfzig Jahre später,
zusammen. Es wurde viel über dieses verblüffende, explosive Paar geschrieben,
doch sie verband eine grenzenlose Leidenschaft für die Musik. So forderte Richard
Strauss auch nie von seiner Frau, dass sie ihre musikalische Karriere aufgeben solle
– ganz im Gegensatz zu Gustav Mahler beispielsweise. Zu Beginn ihrer
gemeinsamen Zeit entstand das sinfonische Gedicht Till Eulenspiegels lustige
Streiche, das fröhlichste und geistreichste Werk von Strauss. Der Komponist
zeichnet ein musikalisches Bild des unverbesserlichen deutschen Volkshelden des
19. Jahrhunderts. Zunächst hatte er eine einaktige Oper entworfen, in der Till
Eulenspiegel mit den Schildbürgern in Wettstreit treten sollte, führte dieses Projekt
jedoch nicht zu Ende und nahm stattdessen im Lauf des Jahres 1894 das
sinfonische Gedicht zum gleichen Thema in Angriff, das er am 6. Mai 1895
fertigstellte. Von der Symbolfigur des flämischen Widerstands gegen die Spanier,
den Charles de Coster 1867 verewigt hatte, behielt Richard Strauss nur das Bild des
Till Eulenspiegel, eines amoralischen Nichtsnutzes und Tunichtguts, bei. Doch man
kann die Erzählung in vollen Zügen genießen, ohne die Geschichte im Detail zu
kennen. „Die Zeichnung der verschiedenen Szenen ist sehr farbenprächtig: Till
überquert den Markt zu Pferde, hofiert die Mädchen, hält eine Ansprache an das
Volk und stirbt schließlich auf dem Schafott. Die Orchestrierung ist spritzig und es ist
wunderbar anzusehen, wie die Einfachheit der Themen und die Klarheit der
Strukturen eine instrumentale Raffinesse erlauben, aus der sich eine außerordenlich
gelungene Charakterisierung der Figuren ergibt.“
Das Werk wurde am 5. November 1895 in Köln unter der Leitung von Franz Wüllner
mit großem Erfolg uraufgeführt. Fünfzig Jahre später überarbeitete Richard Strauss
seine Komposition und nahm einige kleine Änderungen vor.
4
Bibliografische Empfehlungen
Es wurden folgende Werke zu Rate gezogen:
Elisabeth Brisson, Guide de la musique de Beethoven, Paris (Fayard) 2005
Michel Lecompte, Guide illustré de la musique symphonique de Beethoven, Paris (Fayard) 1995
Jean und Brigitte Massin, Ludwig van Beethoven, Paris (Fayard) 1981
Giselher Schubert, Paul Hindemith: Leben und Werk in Bild und Text, Mainz 1988
Michael Kennedy, Richard Strauss, Paris (Fayard) 2001
Diskografische Empfehlungen
Beethoven, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 „Emperor“
● Edwin Fischer, Philharmonia Orchestra London, Leitung: Wilhelm Furtwängler
(Naxos)
● Claudio Arrau, Staatskapelle Dresden, Leitung: Sir Colin Davis (Philips)
● Alfred Brendel, Wiener Philharmoniker, Leitung: Sir Simon Rattle (Emi)
● Maurizio Pollini, Wiener Philharmoniker, Leitung: Karl Böhm (DG)
Hindemith, Symphonie Mathis der Maler
● Berliner Philharmoniker, Leitung: Paul Hindemith (DG)
● New York Philharmonic Orchestra, Leitung: Leonard Bernstein (Sony)
● Berliner Philharmoniker, Leitung: Claudio Abbado (DG)
Strauss, Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28
● Wiener Philharmoniker, Leitung: Wilhelm Furtwängler (EMI)
● Wiener Philharmoniker, Leitung: Richard Strauss (DG)
● Staatskapelle Dresden, Leitung: Karl Böhm (DG)
● Orchestre philharmonique de Strasbourg, Leitung: Marc Albrecht (Pentatone)
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