Veränderung? Aber gern!

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Veränderung? Aber gern!
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Finanzierung_Veränderung managen
Deutsche Bank_r e s u l t s
Veränderung?
Aber gern!
Viele Unternehmen müssen sich immer wieder neu erfinden, wenn sie dauerhaft
erfolgreich sein wollen. Das stellt auch an die Finanzierung große Ansprüche
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FOTO: GETTY IMAGES/DAVID MALAN
G
ibt es Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen? Aber klar, viele Familienunternehmer zum Beispiel. Etwa der ostdeutsche
Selfmademan Jürgen Ruhland, Chef und Inhaber
von Sachsen Fahnen. Was Ruhland erlebt hat,
reicht für mehr als ein Unternehmerleben. Denn
alle paar Jahre musste dieser Mann seinen Betrieb
einmal komplett von unten nach oben drehen. Die
einzige Konstante: dauernde Veränderung.
Und das kam so: Im Herbst 1990, am Vortag der
deutschen Einheit, gründen Ruhland und ein Investor aus dem Westen eine Firma und übernehmen einen kleinen Teil aus dem ehemaligen „VEB Bandtex
Pulsnitz“. In dem sanierungsreifen Gebäude versucht
Ruhland, der als vormaliger Betriebsleiter den Laden
kennt, einen Neuanfang für sich und eine Handvoll
Beschäftigte. Aber schon nach wenigen Monaten
ist klar: Da wird nichts draus. Ruhland und sein
Westinvestor schmeißen die Textilbänder aus dem
Sortiment und kaufen auch noch die kleine Fahnennäherei von Bandtex. Die Manufaktur erweist sich
jedoch als wenig wettbewerbsfähig. Ruhland muss
wieder handeln. Er lässt die Fahnen bei den großen
westeuropäischen Fahnenfabriken drucken, seine
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Näherinnen in Sachsen übernehmen die finale Handarbeit. Ein neues Geschäft muss her. Die Mannschaft
beginnt mit dem Bedrucken von T-Shirts, Wimpeln,
Mützen, Taschen. 1993 entdeckt Ruhland den Vereinssektor als Markt, produziert Karnevalskostüme
und gestickte Fahnen. Die vormalige „Textilbandfabrik Kamenz“ nennt sich nun „Sachsen Fahnen“.
Gerade mal seit drei Jahren kämpft sich der Ostdeutsche Ruhland durch die wirtschaftlichen Wirren der Nachwendezeit, da beschließt er den Aufbau
einer vollintegrierten Fahnenfabrik. 51 Prozent der
Anteile gehören ihm inzwischen, doch er liegt im
Dauerstreit mit seinem Investor aus dem Westen,
der sich nur sporadisch sehen lässt. Ein Jahr braucht
Ruhland, um für die neue Fabrik die nötigen Fremdmittel einzuwerben. Dann, 1996, produziert er im
neuen Gebäude seine Fahnen in 100 Prozent Eigenfertigung. Es scheint geschafft.
Tatsächlich geht es jetzt erst richtig los. In vier
Ländern Osteuropas gründet er eigene Vertriebsgesellschaften. Es geht aufwärts, scheinbar unaufhaltsam. Schon wieder rollen die Bagger für
ein noch größeres Produktionsgebäude an, doch
2007 erreichen der technische Wandel und die
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Thesen
Anpassen: Märkte und Zielgruppen
verändern sich immer schneller.
Unternehmen müssen sich darauf
einstellen können.
Kommunikation: Wer für schnelle
Veränderungen Geld braucht, muss
Bankpartner überzeugen – das geht
nur mit offener Kommunikation.
Verstehen: Finanzpartner müssen
mehr verstehen als nur Zahlen.
Sie brauchen Experten, die Geschäftsmodell und Strategie des Kundenunternehmens einschätzen können.
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SACHSEN FAHNEN (2)
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Sachsen Fahnen: Beweglichkeit zählt
Ein erfolgreiches Unternehmen aus den Resten eines DDR-Kombinats aufzubauen
scheint schwer genug. Doch bei Jürgen Ruhland (Foto) war das erst der Anfang. Der Unternehmer aus Sachsen musste immer wieder sein Geschäftsmodell neu denken und verändern. So entwickelte er aus einer Manufaktur für textile Bänder erst eine Fahnenfabrik und
heute einen der ganz großen digitalen Werbemitteldrucker. Inzwischen liefert Ruhland
nicht nur online im 24-Stunden-Takt, sondern ist mithilfe seiner beiden Söhne sogar in China
und den USA präsent. Da wirkt der Firmenname fast historisch. Denn nach allen Veränderungen beträgt das reine Fahnengeschäft heute nur noch fünf Prozent vom Umsatz.
83 %
der Unternehmen, die sich bewusst
und proaktiv mit Change Management
auseinandersetzen, erreichen ihre
Ziele – aber nur 39 Prozent der Firmen
ohne Change Management.
QUELLE: PRICEWATERHOUSECOOPERS 2013
Verschiebung der weltweiten Fertigungszentren für große Losgrößen von Fahnen und anderen
Großwerbetextilien auch Sachsen Fahnen. Ruhland
lässt die bereits gesetzten Fundamente zuschütten. Ein gutes Jahr später, der Markt hat sich erholt,
werden sie wieder ausgegraben und der Bau vollendet. Kaum fertig, zieht Ruhland, man ahnt es,
mal wieder ein komplett neues Geschäft aus dem
Boden: einen Werbemittel-Shop im Internet. Unter
www.vispronet.de können über 1000 verschiedene
Produkte individuell konfiguriert und bedruckt werden – vom Schlitten über Werbesonnenschirme bis
zu Liege- und Regiestühlen. Ruhland bedruckt alles,
Holz, Plastik, Textilien, nur noch kein Papier. Das OnH
linegeschäft erfordert eine völlig neue fertigungsli
technische und logistische Ausrichtung und damit
te
die nächste Mutation des Unternehmens: „Wir ged
hen weg von klassischem Druck und Vertrieb von
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Werbetextilien hin zum hochvernetzten, internetW
gestützten Druckdienstleister. Das Ziel ist klar:
g
individuell bedruckte Qualitätserzeugnisse, preisgünstig hergestellt und in Hochgeschwindigkeit geliefert, auf Wunsch auch overnight. Druckdienstleister online“, sagt Ruhland, „das ist unsere Zukunft.“
Digitaldruck bietet inzwischen jeder Copyshop,
und viele große Wettbewerber wie Cewe oder Flyeralarm sind im Netz. Doch keiner verfügt über ein so differenziertes, marktbestimmtes Sortiment und liefert
auch noch Textilwerbemittel über Nacht. Zwischendurch wird zudem eine kleine Softwareschmiede
entfaltet, denn, so Ruhland, „die Onlinewelt will ja
auch ganz neu verstanden werden“. Inzwischen fährt
Ruhland eine Zwei-Marken-Strategie, hier die alte,
dort die neue Welt: Sachsen Fahnen mit dem beratungsintensiven Projektgeschäft, Vispronet für die
schnelle Onlinewelt des digitalen Werbedrucks. Das
reine Standard-Fahnengeschäft repräsentiert heute
nur noch fünf Prozent vom Umsatz. Der Lohn: Sachsen Fahnen ist in Europa heute die größte Druckerei
für textile Werbemittel und Fahnen.
Noch aber soll die alte Welt bleiben, noch besuchen rund 15 Außendienstler Marketingabteilungen und Werbeagenturen. Doch auch hier steht der
nächste Wandel an: „Mit Großserienfahnen aus Fernost können wir nicht mithalten.“ Es ist ein Geschäft,
in dem der Preis nur eine Richtung kennt: abwärts.
Andere haben da längst aufgegeben, Jürgen Ruhland
nicht. Inzwischen sind auch die beiden Söhne voll
dabei. Der eine hat in China eine Einkaufs- und Servicegesellschaft für Entwicklung aufgebaut, der andere in den USA ein zweites Werk mit vergleichbarem
Sortiment und einem Onlineshop für Werbemittel
hochgezogen.
60 wird Jürgen Ruhland in diesem Jahr, viel mag
er davon nicht wissen. Er hat an seinem Unternehmen gedreht und geschraubt, bis es passte, hat es
umgedreht von einem kleinen sächsischen Textilzulieferer zu einem weltweit tätigen Werbemittelversender mit inzwischen an die 300 Mitarbeitern.
Und das Geld? Der Finanzinvestor ist seit einem
Jahr ausbezahlt, Ruhland mit seinen beiden Söhnen
alleiniger Gesellschafter. Sie zusammen bilden das
„magische Dreieck“, wie er es nennt, denn Familie ist
für ihn „einfach das Beste“. Der gelernte Kaufmann
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QUELLE: TÜV RHEINLAND – RISIKOSTUDIE 2013
SSW Industries: Kaufen und sanieren
Ein Investor setzt auf Dauer: Dass ausgerechnet Einkäufer großer Autokonzerne fragen,
ob sie einen ihrer insolventen Zulieferer übernehmen können, klingt nicht selbstverständlich.
Für Frank Sandfort (Foto) schon. Denn zusammen mit seinen beiden Kollegen kennt er
kunststoffverarbeitende Autozulieferer und deren Kunden aus jahrelanger Erfahrung als
Geschäftsführer. Vor einigen Jahren haben sich die drei mit einer kleinen Holding selbständig gemacht. Der Geschäftszweck: kleinere, schlecht geführte Kunststoffzulieferer kaufen,
sanieren – und behalten. „Schnell rein und raus“, sagt Sandfort, „ist nicht unser Ding.“
Das Ziel: ein europäischer Fertigungsverbund aus einer Handvoll Kunststoffzulieferern.
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der deutschen Unternehmer
glauben, dass ihre Risikobereitschaft
höher oder wesentlich höher ist
als die ihrer Mitbürger.
SSW INDUSTRIES (2)
43 %
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Ruhland mag es einfach und übersichtlich, auch bei
Finanzthemen. Er beschreibt sich als einen „konservativen Finanzierer“, einen, der den einfachen
Kredit einer aufwendigen Zinssicherung vorzieht.
Ruhland: „Ich will das Produkt verstehen.“
Verständnis – das ist auch für die Hausbank ein
zentraler Wert. Denn es geht darum, die vielen Veränderungen, den permanenten Umbau zu verstehen
und zu begleiten. Im Falle des Jürgen Ruhland, der
sich ständig neu erfindet, keine Selbstverständlichkeit. Seit 24 Jahren arbeiten Ruhland und Deutsche
Bank zusammen, und da „erkennt man trotz allem Auf
und Ab einen roten Faden“, sagt der Deutsche Bank
Betreuer Marco Weimann aus Dresden. „Ruhland
erkennt immer wieder neue Marktchancen, kommuniziert offen, sieht uns als Sparringspartner, handelt
extrem vorausschauend.“ Und: „Er schreibt Businesspläne und SWOT-Analysen nicht für die Bank, sondern
für sich selbst.“
Einen Businessplan, den brauchten auch der Unternehmer Frank Sandfort und seine beiden Mitgesellschafter. Die drei sind geschäftsführende
Gesellschafter der SSW Industries in Bergisch Gladbach. Die erst im Frühjahr 2012 gegründete Holding
hat nur einen Zweck: Kauf und Sanierung angeschlagener Automobilzulieferer mit Schwerpunkt
Kunststoffproduktion. Klingt nach schnellem Geld,
nach Sanieren und Verkaufen, und genau das ist es
nicht. Alle drei kommen aus der Zulieferindustrie,
kennen das Geschäft von Grund auf, alle drei waren
über Jahre gemeinsam Führungskräfte in demselben Unternehmen, welches sie mit Erfolg sanierten.
Mit der Branche und ihren Kunden sind sie fest verwurzelt. „Wir sind kein Private-Equity-Haus“ sagt
Sanierer Sandfort, „wir kommen, um zu bleiben.“
Wachstum kostet Geld
Seitdem geht es rund: Im Frühjahr 2013 übernehmen
die drei einen insolventen Schaumstoffzulieferer in
Thüringen. Als sie loslegen, treffen sie auf ein Unternehmen mit Investitionsstau, hohem Instandhaltungsstau und zum Teil demotivierten Mitarbeitern,
darunter auch eine IT, in die seit einem Jahrzehnt
nicht investiert worden war. Ein Maßnahmenplan
mit 60 Einzelpunkten wird entwickelt, der Einkauf
ist bereits vollständig neu aufgesetzt, die Produktion neu und effizienter aufgestellt. Schon nach
neun Monaten ist die Neuerwerbung, die nun als
SSW PearlFoam firmiert, raus aus den roten Zahlen.
„So ein Unternehmen zu drehen“, sagt Finanzmann
Sandfort, „das ist tief befriedigend.“
Doch wie überzeuge ich eine Bank vom Kauf
eines Unternehmens, das zwar die Großen der
Autoindustrie beliefert, dabei aber nebenbei in die
Insolvenz gestolpert ist? Mehr noch: Geformte Kunststoffe aus Polypropylen sind ein preissensibles und
austauschbares Massenprodukt, eher schwierig am
teuren Standort Deutschland. Doch die SSW-Macher
hatten in ihren Finanzierungsgesprächen einen
überzeugenden Vorteil: ihre langjährige Erfahrung
und Vernetzung mit der Branche. Eine Vernetzung,
die so weit ging, dass sie gefragt wurden, den
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ERDRICH UMFORMTECHNIK (2)
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Erdrich: Ständig eine neue Form
Globalisierung ist Wachstumsstrategie: Bleche biegen klingt eigentlich ganz schön
profan. Doch der badische Autozulieferer Erdrich Umformtechnik versteht das als Hightech-Job. Denn hochstabile Formbleche können erfolgreich teurere Materialien wie
etwa Aluminium ersetzen. In nur fünf Jahren hat das Familienunternehmen (Foto: Geschäftsführer Nicolas Erdrich, rechts, und Finanzchef Joachim Schulz) den Sprung von einem
badischen Mittelständler zu einem globalen Fertigungsverbund mit Werken in USA und
China vollzogen, den Umsatz in einem Jahrzehnt mehr als verdoppelt, eine Holdingstruktur eingezogen. Fehlt noch was? Ach ja, die Nachfolge ist gerade auch vollzogen.
insolventen ostdeutschen Zulieferer zu übernehmen, um ihn zu sanieren. Denn immer mehr Hersteller binden sich inzwischen an nur noch wenige
Lieferanten, um durch maximale Stückzahlen noch
günstiger einkaufen zu können. So war das insolvente Unternehmen nicht so einfach zu ersetzen. „Wenn
wir nicht liefern“, sagt Sandfort, „stehen bei BMW,
Ford und Volkswagen die Bänder still. Die pünktliche Belieferung ist für uns keine Bürde, sondern
Verpflichtung.“
SSW PearlFoam ist fast gedreht, und so halten
Sandfort und Kollegen die Augen auf für neue
Übernahmen in ihrer Branche. Gerade haben die
drei Zuliefer-Entrepreneure zwei Unternehmen in
China gegründet. Der nächste Übernahmekandidat
aus der Kunststoffindustrie wird gesucht, nicht zu
groß, 100 Millionen Euro Umsatz sind das Maximum.
Das Langfristziel ist ein Verbund von drei bis vier
kleineren Kunststoffzulieferern unter dem Dach der
nordrhein-westfälischen SSW Industries, gern auch
europaweit. Und, ganz wichtig: beim Renditeziel
schön auf dem Boden bleiben. Mehr als zwei Prozent Umsatzrendite sind in diesem Geschäft nicht
drin, das weiß Sandfort. Bodenhaftung auch bei der
Finanzierung: Das nötige Fremdkapital holt er sich
„ganz klassisch“ per Kredit. Jede weitere Übernahme soll zudem mit eigenem Eigenkapital gestemmt
werden. „Beim Geld“, sagt er, „sind wir konservativ.“
Das klingt nicht verkehrt. Gerade in der Autozulieferindustrie stehen Unternehmen immer wieder vor
extremen Herausforderungen. Denn die meist gro-
ßen und mächtigen Kunden erwarten viel von ihren
Lieferanten: absolute Liefertreue, möglichst niedrige
Preise, Innovationen und dazu immer häufiger eine
weltweit verteilte Produktion. Ein Thema, dem sich
auch der Stahlblechverarbeiter Erdrich Umformtechnik aus dem badischen Renchen stellen musste. Das
Familienunternehmen, das hochinnovativ Bleche
bis an die Grenze der Verformbarkeit zieht und zu
einem Bauteil macht, hat in fünf Jahren den Sprung
vom badischen Mittelständler zu einem globalen
Fertigungsverbund vollzogen, den Umsatz in zehn
Jahren mehr als verdoppelt, ein paar entscheidende
Innovationen mit einem scheinbar so profanen Stoff
wie Stahlblech hingelegt, eine Holdingstruktur eingezogen und die Nachfolge vollzogen.
Und das ging so: Die Vorgabe der Kunden, alles
deutsche Autohersteller oder große Systemzulieferer wie Continental oder Bosch, war eindeutig – weniger Export aus Deutschland oder von dem ErdrichAbleger in Tschechien, mehr Produktion direkt vor
Ort in den beiden großen Märkten USA und China.
Nicolas Erdrich: „Die Ansage war: Ihr geht mit, oder
ihr seid draußen.“
Kommunikation überzeugte die Banken
86 %
der deutschen
Führungskräfte halten
Restrukturierung
für eine Daueraufgabe.
QUELLE: ROLAND BERGER,
RESTRUKTURIERUNGSSTUDIE 2013
Besser mit. 2011 machten sich Vater Georg und
Sohn Nicolas auf Standortsuche in die USA, ein Jahr
später das gleiche Projekt in China. Und sie waren
schnell: In den USA wird in diesem Sommer die Produktion gerade hochgefahren, in China Ende 2014.
Eine Abkehr vom Standort Deutschland? „Definitiv
nein“, sagt Erdrich.
Aktuell ist Erdrich erst mal gut beschäftigt. Zwei
Werke auf anderen Kontinenten fast zeitgleich zu
bauen und zu finanzieren, das stemmt sich auch
nicht einfach nebenher. Ein Kreditvolumen von
rund 60 Millionen Euro und damit fast ein Drittel
des gesamten Umsatzes musste Erdrich-Finanzchef
Joachim Schulz mit einer Handvoll Kernbanken verhandeln, der Zweck: Aufbau von USA und China sowie
der weitere Ausbau der Europa-Standorte. Es sollte
die größte Fremdfinanzierung der Firmengeschichte
werden. Im Frühjahr 2013 war man sich einig, jede
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41 %
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der Unternehmenschefs haben keine
Angst, einen Teil des Firmenvermögens
zu verlieren. In Familienunternehmen ist die Sorge doppelt so groß.
QUELLE: STIFTUNG FAMILIENUNTERNEHMEN 2014
Bank übernahm eine Kredittranche, rückzahlbar
binnen acht Jahren.
Sechs Banken zu überzeugen, das ist auch für
einen so erfolgreichen Blechformer keine Selbstverständlichkeit. Doch Erdrich hat ein paar Dinge
im Umgang mit seinen Banken ziemlich richtig
gemacht – und hatte damit eine starke Verhandlungsposition. „Wir haben offen und zeitnah unsere Strategie kommuniziert“, sagt Schulz, der die
Informationsbedürfnisse von Banken aus eigenem
Erleben kennt und versteht. Denn vormals hat der
Finanzchef selbst in einer Bank gearbeitet, sein größter Kunde: Erdrich. Zur Offenheit gehörte auch, dass
alle Banken die gleiche Laufzeit und den gleichen Tilgungslauf vereinbarten. Genauso wichtig: Zeit geben.
Neun Monate haben die Verhandlungen gedauert.
Der Wandel bei Erdrich geht über die Internationalisierung weit hinaus. Es geht um die Frage, inwieweit es dem Unternehmen gelingt, etwa mit einem
innovativ geformten Stahlblech ein teures Alugussteil für Fahrwerkteile zu ersetzen. „Erdrich versteht
Stahlblech als Hightech-Job“, sagt der Ingenieur
Ronald Raedeker vom Expertenteam Automotive
der Deutschen Bank, „und das hat uns von Anfang an
überzeugt.“ Mehrere dieser Expertenteams hält die
Deutsche Bank für verschiedene Branchen vor, alle
besetzt mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern
(Kasten rechts). Sie sollen die Geschäftsmodelle nicht
nur aus Bank- und Zahlensicht erfassen, sondern als
Experten auch aus Produkt- und Marktsicht. Und diese Story geht bei Erdrich so: weg vom Einzelteil und
hin zum globalen Lieferanten ganzer Baugruppen.
Raedeker: „Die Erdrich-Story hat absolut Sinn.“
Und sie ist nicht zu Ende geschrieben. Gerade hat
Nicolas Erdrich die Führung des Unternehmens mit
seinen weltweit rund 1300 Mitarbeitern vollständig
übernommen, da denkt er schon über die nächsten
Schritte nach. Was ist eigentlich mit Brasilien, Südamerika, Russland? Oder doch lieber ein zweites
Werk in China? Noch sind das nur Ideen und Optionen. Noch. Denn eines ist Erdrich junior auch klar:
Die einzige Konstante bleibt die Veränderung.
STE PH A N SCH LOTE
Sparringspartner auf Augenhöhe
Warum bei der Deutschen Bank Expertenteams mitwirken
Die deutsche Automobilindustrie
gehört zu den Schlüsselbranchen.
Große Namen stehen dahinter,
genauso wie viele extrem erfolgreiche
Familienunternehmen. Ihrer Innovationskraft verdankt Deutschland seine weltweit
führende Position in diesem Markt.
Eine Bank, die in so einer Branche
umfassend beraten will, muss mehr erfassen
als Bilanzen, Business- und Finanzierungspläne. Genau dafür arbeiten bei der Deutschen
Bank in mehreren Teams Experten, die schon
vieles gemacht haben, aber nicht unbedingt
eine Banklehre. Es sind Maschinenbauer,
Molekularbiologen oder Motorenentwickler.
Beim Stuttgarter Expertenteam Automotive & Engineering hat man den Schwerpunkt
Teilezulieferer und Maschinenbauer für die
Automobilindustrie. Das Team sieht sich als
Schnittstelle zwischen Bank und Kunde. Denn
es transportiert Geschäftsmodell und Strategie des Kunden in die Bank und ist zugleich
Sparringspartner für den Kunden.
Diese Aufgabe übernimmt auch das in Berlin ansässige Expertenteam Greentech, das
sich um Unternehmen aus der Fotovoltaik,
Solarthermie, Wind-, Wasser- oder Bioenergie
oder um Betriebe aus der Abfallwirtschaft
kümmert. Kein leichtes Feld: Zwar zählt
Greentech zu den großen Zukunftsbranchen,
doch sie hängt weltweit am Auf und Ab der
Politik und entsprechender Gesetze und
Förderungen. Und die ändern sich ständig.
Aus einer völlig anderen Welt kommt der
KONTAKT ZU DEN EXPERTENTEAMS
GREENTECH
LIFE SCIENCES
Felix Holz (Ltg.)
Tomas Kahn (Ltg.)
[email protected] [email protected]
Molekularbiologe Tomas Kahn, Leiter des
Frankfurter Expertenteams Life Sciences.
Kahn, seit 16 Jahren bei der Deutschen
Bank, hatte zuvor eine Biotech-Firma mit
aufgebaut und war 14 Jahre am Deutschen
Krebsforschungszentrum aktiv. Heute
forscht er mit einem anderen Ziel: Es geht um
die Bewertung unternehmerischer Chancen.
Das Team betreut Firmen aus der Pharmaindustrie, Bio- und Medizintechnik.
Kahn und sein Kollege Daniel Wienhold,
auch er ein Molekularbiologe, sind keine
Banker – und nehmen dennoch für sich in
Anspruch, den Wert einer Pharma-Übernahme oder eines Börsengangs abschätzen zu
können. Denn hier spielen Produktrisiken,
regulatorische Besonderheiten oder die
Werthaltigkeit von Zulassungen wichtige
Rollen. Kahn und Wienhold versuchen
dabei, zukünftige Marktentwicklungen zu
bewerten. Das ist mitunter mehr wert als die
Lektüre einer Bilanz. Denn die ist ohnehin
immer nur ein Blick zurück.
Neu in diesem Jahr dazu gekommen ist
Magrit Johne, Expertenteam „Hospitals“. Die
Diplom-Ökonomin betreut seit zwei Jahrzehnten Krankenhäuser in jeder Trägerschaft
und Größe – immerhin ein Markt mit einem
Umsatzvolumen von rund 90 Milliarden
Euro und rund einer Million Beschäften. Sie
kennt die Branche bis ins Detail, ist bestens
vernetzt und weiss um die Situation vieler
Häuser. Bei Kreditentscheidungen und
Strategiedialogen ist sie daher immer dabei.
AUTOMOTIVE & ENGINEERING
Hans Remsing (Ltg.)
[email protected]
HOSPITALS
Magrit Johne
[email protected]