GEMA-Tarifreform und angemessene Vergütung für Clubs

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GEMA-Tarifreform und angemessene Vergütung für Clubs
Kommunikation
&Recht
Betriebs-Berater für
Medien Telekommunikation Multimedia
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Editorial: Plattformübergreifende Verknüpfung von Nutzerdaten
Peter Schaar
GEMA-Tarifreform und angemessene Vergütung für Clubs
Dr. Martin von Albrecht, Olaf Fiss und Dr. Sophia Sepperer
Gaming – Rechtliche Risiken und Möglichkeiten für Spieleanbieter
in Deutschland · Christian Kuß und Karin Schmidtmann
Die Rechte des Verbrauchers bei unlauteren Gewinnmitteilungen
Prof. Dr. Helmut Köhler
Die „Button“-Lösung gegen Kostenfallen im Internet –
Ende gut, alles gut? · Dr. Michael Müller
Das Verbot der Tagesschau-App – Rechtsstaatliche Normalität
als medienpolitischer Meilenstein · Dr. Christoph Fiedler
„A more economic approach?“: Der Entwurf der EU-Kinomitteilung
2012 und seine möglichen Auswirkungen auf die nationale
Filmförderung · Dr. Christian Lewke
Länderreport Österreich · Dr. Clemens Thiele
EuGH: Gewinnmitteilung mit Kostenübernahme-Verpflichtung
zur Preiserlangung unzulässig
BGH: Stimmt’s? – Anforderungen an Verwechslungsgefahr
bei Rubrikentitel
mit Kommentar von Dr. Verena Hoene
VG Neustadt an der Weinstraße: Rechtsfehlerhafte
Auswahlentscheidung von Fensterprogramm-Anbietern
mit Kommentar von Prof. Dr. Dr. Karl-Heinz Ladeur
Schweizerisches Bundesgericht: Datenschutzrechtlicher
Auskunftsanspruch des Kunden gegen seine Bank
mit Kommentar von Dr. Matthias Schwaibold
15. Jahrgang
Dezember 2012
Seiten 777 – 848
Deutscher Fachverlag GmbH · Frankfurt am Main
Kommunikation
& Recht
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RAe Dr. Martin von Albrecht, Olaf Fiss, D.E.S.S. und Dr. Sophia Sepperer, Berlin*
GEMA-Tarifreform und angemessene Vergtung
fr Clubs
Im April 2012 stellte die GEMA – auch aufgrund von
politischen Forderungen nach mehr Transparenz und Vereinfachung1 – eine Tarifreform fr den Veranstaltungsbereich vor, die das Aufgehen von elf Tarifen in nunmehr zwei
Tarife vorsieht. Betroffen sind smtliche Veranstaltungen
mit Tontrgermusik (neuer Tarif M-V) sowie Live-Musik
(neuer Tarif U-V). Die GEMA hat beide Tarife seit April
2012 mehrfach berarbeitet, zuletzt im November 2012.
Ziel der GEMA war eine Vereinfachung wie Vereinheitlichung der Tarife mit ihrer grundstzlichen Beteiligung an
den Eintrittsgeldern in Hçhe von 10 %. Insbesondere aufgrund der Streichung einer stark rabattierten Jahrespauschale fhrt die Reform fr die Clubszene zu drastischen
Erhçhungen. Vor diesem Hintergrund hat sich der vorliegende Beitrag zum Ziel gesetzt, die Angemessenheit der
Tarife speziell fr Clubs zu untersuchen. Clubs weisen – in
Abgrenzung zu Diskotheken – vornehmlich im Rahmen der
Musiknutzung Besonderheiten auf, dies sowohl, was die Art
der Musik, als auch, was ihre Wiedergabe betrifft.
I. Clubs und ihre Besonderheiten
Kennzeichnend fr Clubkultur ist zunchst das Spielen von
Nischen- statt Mainstreammusik, insbesondere aus den
Genres Electro, House und Techno. Diese wird hufig –
und auch insofern anders als in Diskotheken – nicht bloß
ber Tontrger wiedergegeben, sondern durch live auftretende DJs unter Einsatz von Laptops gemischt, teils sogar
durch eigene Komposition ber elektronische Musikinstrumente neu kreiert. Bei Vorliegen von entsprechenden
Live-Elementen bekommt die Veranstaltung insoweit
Konzertcharakter.2
Eine weitere Besonderheit der Clubszene besteht darin, dass
DJs – anders als Live-Musiker – regelmßig keine Playlists
bei der GEMA einreichen, zumal viele der Sets spontan
entstehen, improvisiert werden und zu einem bedeutenden
Anteil GEMA-freie Musik enthalten. Bisher kann diese
Musik durch das derzeitige lediglich stichprobenartige Monitoring-Verfahren3 nur unzureichend erfasst werden. Dies
belegen insbesondere auch die krzlich von fnf Berliner
Clubs bei der GEMA eingereichten Playlists eines ffnungstages: Nur 53 % der 500 eingereichten Tracks konnte
die GEMA eindeutig ihrer Datenbank zuweisen.4
II. Auswirkungen der Tarifreform
Um eine Bewertung der Tarifreform zu ermçglichen, soll
zunchst die bisherige Tarif- und Gesamtvertragslage dargestellt (1.) und sollen anschließend die Auswirkungen der
Reform fr die Clubszene hervorgehoben werden (2.).
1. Bisherige Tarife und Gesamtvertrge
Bisher fallen Clubs in den Anwendungsbereich der Tarife
M-U III 1 c (Tontrgerwiedergabe in Diskotheken, nachfolgend „Diskothekentarif “). ber Diskothekennutzungen
schloss die GEMA mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (nachfolgend „BVMV“) seit 1957 Gesamtvertrge, seit 1982 ber den Diskothekentarif in seiner jetzigen
Form, der lediglich inflationsbedingt angepasst wurde, zuletzt fr die Jahre 2011 und 2012 in Hçhe von jeweils
0,75 %.5 Nach Angaben der BVMV sollen die Steigerungen
der GEMA in den letzten zehn Jahren 26 % betragen haben.6
Der aktuelle Gesamtvertrag luft zum Jahresende 2012
aus.
Seit jeher ist die Vergtung grundstzlich abhngig von
der Hçhe des Eintrittsgeldes sowie der Flche des Veranstaltungsraums, die in der Grundtabelle fr Einzelveranstaltungen aufgefhrt sind. Diese Einzelveranstaltungstarife sind indes von den Clubs nicht zu zahlen, denn sie
profitierten von „besonderen Vergtungsstzen fr regelmßige Tontrgerwiedergaben“. So betrgt die Jahrespauschale bei bis zu 16 Veranstaltungen im Monat auf einer
Flche von bis zu 100 qm EUR 2476,60, sie erhçht sich fr
jede weiteren angefangenen 100 qm um EUR 1249,80.
Whrend auch bisher ein Vervielfltigungszuschlag etwa
bei Laptopnutzung (nachfolgend „Laptop-Zuschlag“) in
Hçhe von 30 % hinzutritt, sind die Clubs von einem Zeitzuschlag bislang nicht betroffen, wenn sie – wie regelmßig – erst nach 18 Uhr çffnen. Mit der Jahrespauschale
kann ein Club bei drei Veranstaltungen pro Woche (156
pro Jahr) – gegenber dem Einzeltarif – einen Rabatt von
etwa 90 % erzielen.
2. Neue Tariflage und ihre Auswirkungen
Der neue lineare Tarifverlauf geht von der Prmisse aus,
dass die Urheber in Relation zur wirtschaftlichen Grçße
der Veranstaltung (Raumgrçße und Eintrittsgeld) partizipieren, indem die GEMA pro qm einen zahlenden Besu* Mehr ber die Autoren erfahren Sie auf S. VIII.
1 Vgl. Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“
vom 11. 12. 2007, BT-Drs. 16/7000, S. 270 ff., 285.
2 So BFH, 18. 8. 2005 – V R 50/04, BB 2005, 2734: Technoveranstaltungen
gelten umsatzsteuerrechtlich als Konzert.
3 https://www.gema.de/musiknutzer/lizenzieren/meine-lizenz/diskothekenclubs-und-tanzlokale/diskotheken-monitoring.html.
4 http://www.clubcommission.de/artikel/Die_Ignoranz_der_GEMA. Laut
GEMA liegt der niedrige Anteil auch an unvollstndigen Werkangaben
der Clubs; insgesamt wrden ber das Diskothekenmonitoring 97 % der
Titel identifiziert und 93 % der Titel ber sie wahrgenommen.
5 Entsprechende Gesamtvertrge zwischen der BVMV und der GVL ber
das Wiedergaberecht gibt es seit dem Jahr 1961.
6 Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (Fn. 1),
S. 170.
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von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform
cher unterstellt und an den Einnahmen mit 10 % beteiligt
werden mçchte. Dies fhrt etwa bei einem Veranstaltungsraum von 100 qm und einem Eintrittsgeld von EUR 8 zu
einer Vergtung von EUR 80 (bisher EUR 86,50), bei
300 qm zu EUR 240 (bisher EUR 271,60) und bei 1000 qm
zu EUR 800 (bisher EUR 668,90). Nicht gendert hat sich
die unterste Stufe der Mindestvergtung fr Rume bis 100
qm: Wie bislang im Diskothekentarif betrgt sie EUR 22.
Teurer wird es indes bei grçßeren Rumen. So betrgt die
Mindestvergtung bei 600 qm Flche nunmehr EUR 132
(bisher: EUR 117,10) und bei 1200 qm Flche EUR 264
(bisher: EUR 190,50). Pro Einzelveranstaltung halten sich
die Tarifnderungen also in Grenzen und fhren teilweise –
bei kleineren Flchen mit niedrigen Eintrittsgeldern – sogar zu Vergnstigungen.
Die drastische Erhçhung fr Clubs ergibt sich aber durch
den Wegfall der stark rabattierten Jahrespauschalen, denn
selbst bei 16 oder mehr Veranstaltungen pro Jahr wird nur
noch ein Rabatt von 10 % gewhrt. In der Aktualisierung
vom November 2012 sieht der Tarif M-V in Abschnitt II
2 b zwar einen Einfhrungsrabatt von ca. 50 % vor, der
sich jhrlich um zehn Prozentpunkte reduziert und nach
fnf Jahren (ab 1. 4. 2018) bei der vollen Tarifhçhe endet.
Dies ndert indes nichts daran, dass die bisherige dauerhafte Rabattierung aufgegeben wird. Ergnzend enthlt der
Tarif eine „Angemessenheitsregelung“, derzufolge gegen
Nachweis entweder auf Basis der amtlichen Personenkapazitt (multipliziert mit dem durchschnittlichen gewichteten Eintrittsgeld) oder von 10 % der tatschlich eingenommenen Eintrittsgelder abgerechnet werden kann.
Die Auswirkungen fr Clubs werden an folgendem Beispiel
deutlich, welches den an den GEMA-Tarif anknpfenden
Zuschlag der GVL fr die çffentliche Wiedergabe sowie
den Zuschlag fr die ggf. vorgenommene Vervielfltigung
von Tontrgern7 bercksichtigt. Das Beispiel basiert auf
einem durchschnittlichen8 Club mit 250 qm, EUR 8 Eintritt,
Musik vom Laptop, drei Veranstaltungen pro Woche (156
pro Jahr) und ffnungszeiten von 22 Uhr bis 6 Uhr:
Nach dem Diskothekentarif wird eine jhrliche Pauschale
von EUR 4976,20 berechnet. Diese wird um einen
30 %igen Laptop-Zuschlag, eine GVL-Gebhr fr die çffentliche Wiedergabe von Tontrgern in Hçhe von 26 %
(EUR 1293,81) und einen 8 %igen GVL-Laptop-Zuschlag
(EUR 398,10) jeweils auf Basis der GEMA-Pauschalvergtung9 erhçht. Im Ergebnis sind damit pro Jahr
EUR 8160,97 zzgl. UST zu entrichten.10
Nach dem neuen Tarif M-V sind 156 Einzelveranstaltungen zu jeweils EUR 240 anzusetzen, die zu einer Jahresvergtung von EUR 37 440 fhren.11 Auf diese Grundvergtung kommt – soweit der DJ nicht selbst zum gnstigeren Jahrestarifsatz abgilt – der nach dem Tarif VR- zu
leistende Laptop-Zuschlag der GEMA in Hçhe von
EUR 13 je Veranstaltung (entspricht EUR 2028 p.a.).12
Weiterhin sind an die GVL ein Wiedergabezuschlag in
Hçhe von 26 % und ein Laptop-Zuschlag in Hçhe von
EUR 3,38 je Veranstaltung (entspricht EUR 527,28 p.a.)
zu entrichten. Diese Zuschlge fhren zu einer Gesamtjahresvergtung von EUR 49 729,68, welche sich bei Abschluss eines Jahrespauschalvertrages mit jhrlicher
Vorauskasse um 10 % auf EUR 44 756,71 zzgl. USt. reduziert. Die Steigerung gegenber dem bisherigen Tarif
betrgt damit 448 %. Soweit der Club zwei Stunden lnger
(bis 8 Uhr morgens) çffnet, fllt ein Zeitzuschlag in Hçhe
von 25 % an, der zu einer Jahrespauschalsumme von
EUR 53 180,71 fhrt und damit sogar eine Steigerung
von 552 % gegenber dem bisher geltenden Tarif aufweist.
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III. Die Angemessenheit der neuen Tarife
Ausgangspunkt fr die Feststellung der Angemessenheit
von Tarifen ist § 13 Abs. 3 UrhWG, der durch zahlreiche
hçchstrichterliche Rechtsprechung ebenso wie durch die
Spruchpraxis der Schiedsstelle des Patent- und Markenamtes konkretisiert wurde.
1. Pauschalierung als Regeltarif zulssig?
Der neue Tarif M-V enthlt – wie schon der Diskothekentarif – zwei pauschalierende Grundannahmen. Zum einen
wird unterstellt, dass sich auf der Gesamtflche des Clubs
„von Wand zu Wand“ (also einschließlich der fr Gste
unzugnglichen Bereiche) ein Gast pro qm aufhlt. Zum
anderen gilt die Fiktion, dass jeder der so errechneten
Gste auch das hçchste Eintrittsgeld entrichtet, an dem
die GEMA mit 10 % zu beteiligen ist.
Eine Staffelung des Tarifs nach der Grçße des Veranstaltungsraums sowie nach dem zu entrichtenden Entgelt begegnet im Grundsatz keinen Bedenken. Vielmehr werden
damit die Vorgaben des § 13 Abs. 3 S. 1 UrhWG umgesetzt,
wonach Berechnungsgrundlage fr die Tarife in der Regel
die erzielten geldwerten Vorteile sein sollen. Denn mit der
Grçße des Raumes steigt regelmßig die Anzahl der zahlenden Gste und auch die Hçhe des Eintrittsgelds wirkt
sich unmittelbar auf den Umsatz des Veranstalters aus.
Dementsprechend hat auch die Rechtsprechung eine Staffelung nach der Grçße des Veranstaltungsraums und dem zu
entrichtenden Entgelt im Grundsatz fr wirksam erachtet.13
Allerdings setzt die Angemessenheit eines Tarifs weiterhin
voraus, dass die Verwertungsgesellschaft die tatschlichen
Grundlagen fr die Angemessenheit des Tarifs darlegen
und beweisen kann.14 Ob der GEMA ein solcher Nachweis
im Hinblick auf die pauschalierenden Annahmen „ein Gast
pro qm“ und „Bezahlung des hçchsten Eintrittsgeldes
durch jeden Gast“ mçglich ist, erscheint angesichts der
nachstehenden Erwgungen zumindest fraglich.15 Darber
hinaus bestehen begrndete Zweifel, ob eine Beteiligung
der GEMA in Hçhe von 10 % an den pauschaliert ermittelten Einnahmen gerechtfertigt ist.
7 GVL-Tarif fr die çffentliche Wiedergabe von Tontrgern, Bildtontrgern
und Sendungen v. 4. 12. 2008, der in Ziffer 3 auf den Diskotheken-Tarif
der GEMA Bezug nimmt. Die Hçhe des GVL-Laptop-Zuschlags von 26 %
des GEMA-Tarifs VR- beruht auf aktuellen Angaben der GVL.
8 Studie ber das wirtschaftliche Potential der Club- und Veranstalterbranche in Berlin (Stand: 10/2007), S. 9.
9 Der 26 %ige GVL-Zuschlag fr die çffentliche Wiedergabe in Diskotheken geht zurck auf ein nicht verçffentlichtes Urteil des OLG Mnchen
vom 23. 1. 1997 – 6 AR 11/96.
10 Ein mçglicher Gesamtvertragsnachlass in Hçhe von 20 % bleibt hier
unbercksichtigt.
11 Bei Bercksichtigung des Nachlasses zur Marktneueinfhrung gemß
Abschnitt II 2 b des Tarifs M-V sind fr den Zeitraum 1. 4. 2013 bis
31. 3. 2014 jeweils EUR 117 fr 156 Einzelveranstaltungen anzusetzen,
was eine Jahresvergtung von EUR 18 252 ergibt. Damit gewhrt die
GEMA einen Rabatt von 51,25 % gegenber der Vergtung, die nach
Ablauf der Einfhrungsnachlsse zu entrichten ist.
12 Ein Laptop-Zuschlag ist in der aktuellen Tarifversion vom 5. 11. 2012 im
Tarif VR- geregelt, der eine Vergtung von EUR 13 je 100 Werke pro
Veranstaltung vorsieht bzw. bei einer Vervielfltigung durch den DJ von
EUR 65 je 500 Werke pro Jahr. Zur besseren Vergleichbarkeit wird der
Wert von EUR 13 als Rechengrçße verwendet.
13 BGH, 27. 10. 2011 – I ZR 125 /10, ZUM-RD 2012, 311, 313 sowie
Schiedsstelle, 24. 4. 2007 – Sch-Urh 38/05, ZUM 2007, 587, 589 – Barmen Live; anders noch die Schiedsstelle, die eine Pauschalierung fr
unzulssig hielt, wenn – wie im Streitfalle bei Konzerten – die Einnahmen
ohne großen Aufwand festzustellen sind, 13. 10. 1986 – Sch-Urh 1/86,
ZUM 1987, 183, 186 – Tarif U-VK.
14 BGH, 22. 1. 1986 – I ZR 194/83, GRUR 1986, 376, 379 – Filmmusik.
15 Die Annahmen werden freilich im Rahmen der Angemessenheitsregel
abgemildert (vgl. III. 4).
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Die GEMA geht bei der pauschalen Ermittlung der Gste
davon aus, ein Club sei mit 1,5 Besuchern pro qm voll und
gelangt bei einer unterstellten Auslastung von 2/3 zu der
Annahme eines Gastes je qm. Soweit ersichtlich ist diese
Annahme jedoch nicht durch reprsentative Untersuchungen belegt und widerspricht der Annahme einer Auslastung von 50 % im Tarif V-K (sog. „Allerweltstarif “ fr
Einzelveranstaltungen mit Live-Musik),16 der in den neuen
Tarifen aufgehen soll. Eine aktuelle, von der Initiative
Musik herausgegebene Studie zu 2121 Spielsttten gelangte zu einer durchschnittlichen Auslastung von 55 %.17 Eine
weitere Studie ber Berliner Clubs trifft nur Aussagen zur
Kapazitt, jedoch nicht zur Auslastung.18 Im Hinblick auf
derartige Studien ist weiterhin zu bercksichtigen, dass sie
regelmßig von der feuerpolizeilich vorgegebenen Kapazitt ausgehen, welche bei einer bis maximal zwei Personen je qm liegt, wobei den Besuchern unzugngliche
Flchen unbercksichtigt bleiben.19 Wenn man hier stattdessen die „Wand-zu-Wand“-Berechnung der GEMA anwendete, lge die durchschnittliche Auslastung der Clubs
noch niedriger.
Weiterhin ist die Annahme der GEMA, jeder Besucher
entrichte einen Eintrittspreis und noch dazu den hçchsten,
nicht belegt und scheint auch an der Realitt vorbeizugehen. Denn sie bercksichtigt nicht, dass ein nicht geringer
Teil der Besucher vergnstigt, wenn nicht gar umsonst
Zutritt zu Clubs erhlt. Ab einer gewissen Uhrzeit wird von
den Clubs teils der Eintrittspreis halbiert oder sogar gnzlich auf ihn verzichtet.
Auch die Hçhe des Beteiligungssatzes von 10 % der Eintrittsgelder kann nicht mit einer pauschalen Urheberbeteiligung begrndet werden. Denn die Schiedsstelle stellt
nicht pauschal auf 10 % ab, sondern hlt eine Urhebervergtung im vergleichbaren Konzertbereich fr „jedenfalls dann angemessen i. S. v. § 13 Abs. 3 S. 1 UrhWG,
wenn sie 10 % der erzielten Bruttoeinnahmen nicht bersteigt“.20 Da es sich dabei um den Hçchstprozentsatz
handele, msse ein Abschlag vorgenommen werden, um
den Regellizenzsatz widerzuspiegeln.21 Tarifmindernd
wirke sich ferner aus, wenn bei der Verwertung im Einzelfall regelmßig erhebliche Kosten anfielen.22 Diese Erwgungen haben dazu gefhrt, dass der gesamtvertraglich
vereinbarte Konzerttarif U-K nur eine 5 %ige Beteiligung
bei bis zu 2000 Besuchern vorsieht.23
Zudem kçnnen die von der GEMA vorgenommenen Pauschalierungen auch zu einer hçheren Beteiligung als 10 %
fhren: Bei unserem Beispielsclub mit 250 qm „von Wand
zu Wand“ unterstellt die GEMA eine Gstezahl von 300
Personen. Betrgt der Hçchsteintrittspreis EUR 10, so hat
der Club auf Basis unterstellt eingenommener EUR 3000
eine Gebhr von EUR 300 abzufhren. Bercksichtigt man,
dass dem Club nach Abzug der den Gsten nicht zugnglichen Flchen etwa 80 % Restflche und damit 200 qm mit
einer Kapazitt von 300 Personen verbleiben, ferner, dass
nur eine durchschnittliche Auslastung von 55 % mit also
165 Gsten gegeben ist, schließlich, dass nicht jeder Gast
und auch nicht jeweils den maximalen Eintritt zahlt (hier
soll von EUR 8 im Schnitt ausgegangen werden), so msste
der Club bei tatschlichen Einnahmen in Hçhe von
EUR 1320 Urheberrechtsabgaben von EUR 300 zahlen.
Dies sind 22,73 % und nicht 10 % der Einnahmen.
2. Zuschlge
Fraglich ist weiter, ob sich die im Grundsatz auch bisher
vorhandenen Zuschlge durch die in § 13 Abs. 3 S. 1
UrhWG vorgesehene Beteiligung an den aus der Musik-
von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform
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nutzung gezogenen geldwerten Vorteilen rechtfertigen lassen. Dies bedarf der Klrung sowohl im Hinblick auf den –
fr Clubs bislang nicht relevanten – Zeitzuschlag fr Wiedergaben, die lnger als 8 Stunden dauern (nachfolgend a))
als auch den Vervielfltigungszuschlag (nachfolgend b)).
a) Zeitzuschlag
Die in Abschnitt II des Tarifs M-V angefhrten Vergtungsstze gelten fr Wiedergaben mit einer Gesamtdauer
von bis zu 8 Stunden. Wird dieser Zeitraum berschritten,
erhçhen sich die Vergtungsstze um 25 % je weitere
2 Stunden. Zu einem besonders groben Missverhltnis
fhrt die neue Ausgestaltung des Zeitzuschlags bei Veranstaltungen, die lnger als 24 Stunden dauern, da der Tarif
M-V jeden Kalendertag als eigene Veranstaltung qualifiziert.
Dass diese Zeitzuschlge durch entsprechende geldwerte
Vorteile aus hçheren Eintrittsgeldern gerechtfertigt sind,
erscheint indes nicht plausibel: ffnet ein Club von 22 Uhr
bis 8 Uhr, so ist die çffentliche Musikwiedergabe bis 6 Uhr
ber die Grundpauschale abgedeckt. Dass in den verbleibenden zwei Stunden noch einmal weitere 25 % durch den
Verkauf von Eintrittskarten erwirtschaftet werden, entspricht nicht der Lebenserfahrung, da in diesem Zeitraum
eine wesentliche Fluktuation nicht mehr stattfindet. Mçchte aber die GEMA ihre Tarife erhçhen, so hat sie die
tatschlichen Grundlagen fr die Angemessenheit des neuen Tarifs darzulegen und zu beweisen, dass einer ffnung
um jeweils weitere 2 Stunden hçhere Eintrittsgelder von
25 % gegenberstehen.24
b) Vervielfltigungszuschlag
Auch der von der GEMA fr die Vervielfltigung geforderte Laptop-Zuschlag in Hçhe von nunmehr EUR 13 je
100 Werken statt der bisherigen 30 % des Diskothekentarifs erscheint nicht durch entsprechende geldwerte Vorteile gerechtfertigt. Zwar ist der neue tarifliche Ansatz zu
begrßen, die Hçhe des Laptop-Zuschlags nicht mehr prozentual an den Wiedergabetarif, sondern an den „ersparten
Tontrgerkauf “ zu knpfen, doch ist die Hçhe von
EUR 0,13 je Werk auch gegenber dem normalen CDTarif 25 deutlich zu hoch. Darber hinaus ist der LaptopZuschlag schon dem Grunde nach nicht gerechtfertigt.
16 Vgl. Schiedsstelle 30. 1. 1987 – Sch-Urh 2/86, ZUM 1987, 187, 189 –
Tarif V-K.
17 Befragung zur Situation von Musik-Spielsttten in Deutschland am Beispiel von Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und
Sachsen vom Juni 2011.
18 Club-Studie Berlin (Fn. 8) S. 9: nimmt eine durchschnittliche Clubgrçße
von 700 qm an bei einer Kapazitt von 750 Personen (1,06 Personen je
qm); ohne die drei grçßten Clubs betrage der Mittelwert 250 qm fr 450
Personen (1,6 Personen je qm).
19 § 24 der Berliner Anlagen-Verordnung.
20 So etwa Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546,
549 – Konzerttarif sowie 13. 10. 1986 – Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183,
186 – Tarif U-VK.
21 Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 550 –
Konzerttarif.
22 Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546, 551 –
Konzerttarif; so auch BGH, 28. 10. 1987 – I ZR 164/85, GRUR 1988,
373, 376 – Schallplattenimport III.
23 Der Tarif U-K wurde fr kleine Konzerte im Jahr 2010 mit 3 % eingefhrt
und steigert sich in Schritten von jhrlich 0,5 % bis zum Jahr 2014 auf 5 %.
Fr mittlere Konzerte betrgt er dann 7,2 %, fr Konzerte mit mehr als
15 000 Personen 7,65 %. Ab 2015 mssen die Tarife neu verhandelt
werden.
24 BGH, 22. 1. 1986 – I ZR 194/83, GRUR 1986, 376, 379 – Filmmusik;
Schiedsstelle, 22. 2. 2010 – Sch-Urh 07/08, BeckRS 2010, 05544.
25 Beim „normalen“ Tontrgertarif VR-T-H1 ist fr die Vervielfltigung
eines CD-Albums mit bis zu 20 Werken mindestens EUR 0,6199, also
pro Werk nur EUR 0,031 zu zahlen.
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von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform
Die den Zuschlag begrndende Nutzungshandlung liegt
nach dem Tarifansatz der GEMA in dem berspielen von
Musikdateien auf einen Laptop zum Zwecke der Nutzung in
einem Club. Zwar liegt eine Vervielfltigung i. S. d. § 16
UrhG vor. Jedoch kann diese – als bloß untergeordnete
Vorbereitungshandlung der çffentlichen Wiedergabe – nicht
als eine selbstndig lizenzierbare Nutzungsart i. S. d. § 31
Abs. 1 S. 1 UrhG angesehen werden.26 Eine solche setzt
vielmehr voraus, dass es sich bei der konkreten Verwendungsform nach der Verkehrsauffassung um eine hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als selbstndig erscheinende Art und Weise der Auswertung eines
Nutzungsrechts handelt.27 An einer solchen eigenen wirtschaftlichen Bedeutung fehlt es bei dem berspielen der
Musikwerke auf eine Festplatte. Dieses dient ausschließlich
dazu, die auf einer Vielzahl von CDs befindlichen Musikwerke zentral und platzsparend zu speichern. Hçhere Einnahmen werden dabei weder durch den Clubbetreiber noch
durch den DJ erwirtschaftet; zudem fhrt es zu Doppelvergtungen, wenn fr eine einmalige Vervielfltigung bei
jeder damit vorgenommenen Wiedergabe ein Zuschlag verlangt wird bzw. der DJ eine jhrliche Gebhr zu entrichten
hat. Entsprechend hlt die Rechtsprechung regelmßig annexe Nutzungen, die in einer Hauptnutzung aufgehen bzw.
dieser vorausgehen, fr nicht separat lizenzierbar.28
3. Anteilige Nutzung von GEMA-Repertoire
Im Hinblick auf § 13 Abs. 3 S. 3 UrhWG hat die GEMA bei
ihrer Tarifgestaltung zu bercksichtigen, ob die von den
Nutzern fr eine Verwertung zu zahlende Vergtung insgesamt angemessen ist, wobei insbesondere der Anteil der
Werknutzung am Gesamtumfang des Verwertungsvorgangs zu beachten ist. Dabei stellen sich zwei Fragen:
Hat die GEMA dem Umstand Rechnung zu tragen, dass
nicht smtliche musikalischen Urheberrechte der in Clubs
gespielten Musik von ihr wahrgenommen werden (nachfolgend a))? Und weiter: Gibt es eine Gesamtbelastungsgrenze mit Blick auf die zustzlich von der GVL wahrgenommen Rechte (nachfolgend b))?
a) GEMA Repertoire und GEMA-Vermutung
Wie bereits ausgefhrt, besteht eine Besonderheit von
Clubs darin, dass ein erheblicher Teil der gespielten Musik
nicht von der GEMA wahrgenommen wird. Bercksichtigung findet dieser Umstand in dem Tarif M-V indes nicht,
welcher vielmehr auf der Annahme beruht, die genutzte
Musik sei gnzlich GEMA-pflichtig.
Aus Grnden der Verwaltungsvereinfachung erkennt die
Rechtsprechung an, dass zugunsten der GEMA eine tatschliche Vermutung ihrer Wahrnehmungsbefugnis fr die Auffhrungsrechte an Tanz- und Unterhaltungsmusik sowie fr
die mechanischen Rechte besteht.29 Diese Vermutung wird
wohl auch bei Clubs zu bejahen sein, hat die Rechtsprechung der GEMA das Eingreifen dieser Vermutung bisher
doch nur dann versagt, wenn im Hinblick auf eine konkrete
Nutzungsart nicht von einem nahezu lckenlosen Bestand
der Musikrechte ausgegangen werden kann.30 Die Nutzung
von Musikwerken in Clubs ist gegenber der allgemeinen
Nutzung im Wege der çffentlichen Wiedergabe nicht als
eigenstndige Nutzungsart anzusehen.
Um den Vorgaben des § 13 Abs. 3 S. 3 UrhWG gerecht zu
werden, ist der Tarif M-V aber um eine anteilige Ermßigungsregelung zu ergnzen, welche fr den Fall eingreift,
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dass ein Club den Nachweis der Nutzung von NichtGEMA-Repertoire fhrt. Eine solche Bestimmung ist in
vielen GEMA-Tarifen enthalten.31
b) Gesamtbelastungsgrenze
Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Tarifs M-V
ist weiterhin dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die
GEMA nur einen Teil der fr die Musiknutzung erforderlichen Rechte wahrnimmt. Denn bei der Nutzung von
Tontrgermusik sind zustzlich die von der GVL wahrgenommenen Leistungsschutzrechte der ausbenden
Knstler und Tontrgerhersteller zu vergten. Der von
der GVL fr Clubs vorgesehene Wiedergabetarif statuiert
derzeit eine Vergtung in Hçhe von 26 % des Tarifs M-V,
der Laptop-Zuschlag betrgt EUR 3,38. Die „Koppelung“
des GVL-Wiedergabezuschlags32 an den Wiedergabetarif
der GEMA hat zur Folge, dass sich die drastische Erhçhung des Wiedergabetarifs auch auf den entsprechenden
GVL-Zuschlag auswirkt.
Um einer bermßigen Belastung der Nutzer entgegenzuwirken, hat sich die Rechtsprechung bei einer Inanspruchnahme eines Nutzers seitens mehrerer Rechteinhaber teilweise durch die Etablierung einer Gesamtbelastungsgrenze
beholfen.33 Auch wenn die Rechtsprechung bislang noch
keine Gesamtbelastungsgrenze fr die Nutzung im Wege
der çffentlichen Wiedergabe etabliert hat, erscheint die
Einfhrung einer solchen aus Sicht der Nutzer34 erforderlich. Allgemein wird eine Gesamtbeteiligung von 10 % als
Richtgrçße,35 bei digitalen Verwertungen auch eine leicht
hçhere Beteiligung fr angemessen erachtet.36
Insofern drfte eine kritische Grenze im Falle der LaptopNutzung mit 13,28 %37 in Anbetracht der jahrzehntelangen Rabattierungspraxis schon erreicht sein.38 Dies wrde
erst recht gelten, wenn die GVL ihre Absicht verwirklicht,
26 So hielt das OLG Mnchen die Aufspaltung von Online-Nutzungen in
einen mechanischen und einen § 19 a UrhG-Teil fr unzulssig, 29. 4.
2010 – 3 U 3698/09, ZUM 2010, 709 – MyVideo.
27 Vgl. nur BGH, 12. 12. 1991 – I ZR 165/89, GRUR 1992, 310, 311 –
Taschenbuchlizenz.
28 BGH, 30. 6. 1976 – I ZR 63/75, GRUR 1977, 42, 44 – Schmalfilmrechte;
von Albrecht, K&R 2009, 661, 663 m. w. N.
29 BGH, 5. 6. 1985 – I ZR 53/83, NJW 1986, 1244 – GEMA-Vermutung I.
30 So etwa BGH, 15. 10. 1987 – I ZR 96/85, NJW 1988, 1847, 1848 –
GEMA-Vermutung IV.
31 So etwa im Tarif VR-OD 4, Ziffer 5, im Tarif Fernsehen (S-VR/Fs-Pr) mit
fnf Musikanteilsstufen und Radio (S-VR/Hf-Pr) mit sechs Stufen.
32 Mit der Neuverçffentlichung des Tarifs M-V am 5. 11. 2012 hat die GEMA
auch die Berechnung des Vervielfltigungszuschlags nach dem Tarif VRT-G aufgegeben. Im Gegensatz zu diesem ist der „neue“ Vervielfltigungstarif VR- nicht an den Tarif M-V gekoppelt.
33 OLG Mnchen, 30. 6. 2011 – 6 Sch 14/09 WG, ZUM 2012, 54 – CNN.
34 Auf diese Perspektive stellt die Schiedsstelle ab, 2. 8. 2010 – Sch-Urh 08/
09 – Tanzkurse.
35 So Schricker, in: Poll (Hrsg.) Videorecht, 1986, fr die Beteiligung aller
Urheber und Leistungsschutzberechtigten bei der Videoauswertung von
Filmen; Schulze, ZUM 1999, 827, 831; Schiedsstelle, 13. 10. 1986 – 1/86,
ZUM 1987, 183, 186 – Tarif U-VK.
36 Vgl. Schiedsstelle, 11. 12. 2006 – Sch-Urh 36/04, ZUM 2007, 243, 246 –
Ruftonmelodie, mit der Erhçhung auf 11 % wegen des Mehrwertes aus
§ 19 a UrhG.
37 Die Gesamtbelastung ergibt sich aus: 100 % Tarif M-V, EUR 13 pro
Veranstaltung bzw. EUR 2028 p.a. Tarif VR- (entspricht ca. 5,4 % der
Vergtung nach Tarif M-V), 26 % GVL-Wiedergabetarif und EUR 3,38
pro Veranstaltung bzw. EUR 527,28 p.a. GVL-Vervielfltigungstarif (entspricht ca. 1,4 % des Tarifs M-V). Ausgehend von einem Tarifsatz von
10 % nach dem Tarif M-V, betrgt die Gesamtbelastung somit ca. 13,28 %
der vergtungsrelevanten Einnahmen.
38 Die Schiedsstelle hielt in ihrer ersten Entscheidung zum Konzerttarif eine
Belastung von 16 % fr zu hoch und eine Gesamtbelastung von 10 % fr
angemessen, 13. 10. 1986 – Sch-Urh 1/86, ZUM 1987, 183, 185, 186 –
Tarif U-VK.
K &R
12/2012
dieselbe Beteiligung wie die GEMA durchzusetzen,39 was
zu einer Belastung in Hçhe von 21,08 %40 fhren wrde.
4. Angemessenheitsregelung gemß Abschnitt V
des Tarifs M-V
Abgemildert wird das vorstehende Ergebnis jedoch durch
die im neuen Tarif vorgesehene Angemessenheitsregelung, die eine Hçchstbeteiligung der GEMA von 10 % an
den pauschal41 ermittelten oder tatschlichen Eintrittsgeldern42 vorsieht. So wrde sich die Gesamtbeteiligung von
GEMA und GVL auf 12,74 %43 der Einnahmen reduzieren.
Problematisch erscheint hier, dass – wie das obige Beispiel
(III. 1.) zeigt – eine Beteiligung der GEMA mit 10 %
sptestens im Jahr 2018 zur Regelvergtung wrde. Damit
wrde sozusagen „durch die Hintertr“ ein Regeltarifsatz
eingefhrt, der – wie im Folgenden noch aufzuzeigen ist –
weder aus den bisherigen Vereinbarungen noch mit dem
Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt werden kann.
5. Kulturrabatt
Es stellt sich weiter die Frage, ob den Clubs gemß § 13
Abs. 3 S. 4 UrhWG ein sog. Kulturrabatt zu gewhren ist.
Hiernach soll die Verwertungsgesellschaft bei der Tarifgestaltung auf religiçse, kulturelle und soziale Belange der
zur Zahlung der Vergtung Verpflichteten einschließlich
der Belange der Jugendpflege angemessene Rcksicht
nehmen. Konkrete Ausgestaltung findet diese Vorschrift
in Abschnitt IV 2 des Tarifs M-V, welcher Sondernachlsse in Hçhe von 15 % gewhrt fr Veranstaltungen, die
nachweislich keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen.
Wenn auch die wirtschaftliche Zielsetzung von Clubs nicht
in Abrede gestellt werden kann, so erscheint die Gewhrung eines Kulturrabatts vor dem Hintergrund von Sinn
und Zweck der Norm fr einen großen Teil der Clubs
angebracht. Zu den unbedingt fçrderungswrdigen Belangen gehçrt es nicht nur, jungen DJ-Knstlern eine Plattform ihrer Weiterentwicklung zu bieten und damit Jugendpflege zu betreiben. Insbesondere gilt es, solche Clubs
durch Rabattierung zu fçrdern, deren Anliegen es ist,
außergewçhnliche Veranstaltungen einem breiten Publikum auch in finanzieller Hinsicht zugnglich zu machen.
Hierzu gehçren etwa die Yellow Lounge, eine Veranstaltungsreihe, bei der klassische Musiker regelmßig und zu
erschwinglichen Preisen in verschiedenen Berliner Clubs
auftreten, der Tape Modern Ausstellung im Tape Club in
Berlin, Lichtinstallationen sowie Kooperationen mit Theatern, die in Clubs blich geworden sind.
6. Tariferhçhungen gegenber bisherigen Vereinbarungen mçglich?
Ausgangspunkt der Angemessenheitsprfung eines Tarifs
sind nach stndiger Spruchpraxis der Schiedsstelle die von
den Beteiligten bisher fr angemessen gehaltenen und
entsprechend vereinbarten gesamtvertraglichen Regelungen.44 Fraglich ist daher, ob sich die GEMA von einer
mehr als 50 Jahre im Wesentlichen unvernderten gesamtvertraglichen Tarifpraxis mit der BVMV ohne Weiteres
lçsen kann. Mag auch die GEMA gute Grnde fr ihre
Tarifreform vorbringen, so lsst doch die Schiedsstelle
Abweichungen von einer Verkehrsgeltung nur ausnahmsweise dann zu, wenn sich seit dem zuletzt vereinbarten
Gesamtvertrag die Orientierungsmaßstbe wesentlich gendert haben.
von Albrecht/Fiss/Sepperer, GEMA-Tarifreform
781
Maßgebend ist daher, ob im Bereich der Clubszene seit der
Vereinbarung des Diskothekentarifs in seiner jetzigen
Form im Jahr 1982 und seiner letzten inflationsbedingten
Anpassung fr die Jahre 2011/2012 eine solche wesentliche nderung der Orientierungsmaßstbe zur Festsetzung der seinerzeit fr angemessen gehaltenen Vergtung
eingetreten und durch die GEMA belegt ist.45
Die Rechtsprechung stellt insoweit strenge Anforderungen. So ging der BGH etwa davon aus, aufgrund des
Aufkommens neuer werbefinanzierter Sender mit einem
berdurchschnittlich hohen Musikanteil von 80 % und
mehr sei die Einfhrung einer gesonderten Vergtungsstufe gerechtfertigt, da der vorherige Tarif lediglich im
Hinblick auf Sender mit einem Musikanteil von bis zu
50 % differenzierte.46 Entsprechend bejaht das OLG Mnchen in einer aktuellen Entscheidung eine maßgebliche
Vernderung der Orientierungsmaßstbe, da seit dem Aufkommen der Musikvideos in den 1990er Jahren die Wertigkeit der Leistungsschutzrechte der ausbenden Knstler
gestiegen sei und damit bei Tanzkursen eine Steigerung
des GVL-Zuschlages fr die çffentliche Wiedergabe von
20 % auf 30 % rechtfertige.47
Vergleichbare Vernderungen der Orientierungsmaßstbe
hat die GEMA zur Rechtfertigung der neuen Tarife nicht
vorgebracht. Sie beruft sich weder auf eine gesteigerte
Wertigkeit der von ihr wahrgenommen Rechte noch auf
eine erhçhte Nutzungsintensitt.48 Auch der fr die Tarifreform zentrale Aspekt der Gleichbehandlung stellt keinen
„vernderten Orientierungsmaßstab“ dar (dazu nachfolgend 7.).
7. Einfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes
auf die Angemessenheit des Tarifs
Die GEMA fhrt zur Begrndung ihrer Tarifreform insbesondere an, sie wolle im Auffhrungsbereich zu einer
Vereinheitlichung und damit zu einer Gleichbehandlung
der verschiedenen Nutzergruppen kommen. Die Clubs
seien im Vergleich zu anderen Nutzergruppen bislang zu
niedrig tarifiert worden.
Es stellt sich mithin die Frage, ob die Pflicht zur Gleichbehandlung, dem die Verwertungsgesellschaften nicht nur
durch das Angemessenheitsgebot der §§ 12, 13 UrhWG,
sondern auch als Normadressat des § 20 GWB unterliegen,49 die aktuelle massive Tariferhçhung deshalb zwin39 Vgl. Presseinformation der GVL v. 27. 9. 2012, abrufbar unter www.gvl.de.
40 GEMA und GVL fr Wiedergabe und Vervielfltigung jeweils 10,54 %
der vergtungsrelevanten Einnahmen.
41 Gewichtetes durchschnittliches Eintrittsgeld mal amtliche Kapazitt (die
aber auch hçher sein kann als die im Normalfall von der GEMA unterstellte
2/3-Auslastung von „Wand zu Wand“).
42 Die Bemessungsgrundlage als solche ist nicht zu beanstanden, da die
Eintrittsgelder unmittelbar in Zusammenhang mit der Nutzung der Musikwerke stehen, vgl. nur Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM
2010, 546, 549 – Konzerttarif.
43 Fr die GEMA 10 % und daran anknpfend 26 % und 1,4 % Zuschlge fr
die GVL.
44 Schiedsstelle, 2. 8. 2010 – Sch-Urh 08/09 – Tanzkurse.
45 OLG Mnchen, 12. 6. 2003 – 6 WG 4/00, ZUM-RD 2003, 464, 472 – IFPI.
46 BGH, 5. 4. 2001 – I ZR 132/98, NJW 2002, 603, 606 – Gesamtvertrag
privater Rundfunk.
47 OLG Mnchen, 27. 9. 2012 – 6 Sch 13/10 WG, in Besttigung der vorangehenden Schiedsstellenentscheidung (Fn. 44), vgl. Presseinformation der
GVL (Fn. 39).
48 Ein Fall der intensiveren Nutzung lag der Entscheidung „Whistling for a
Train“ zugrunde: Hier hat der BGH nicht die bisher vereinbarte Vergtung
herangezogen, weil diese lediglich zehn bis zwanzig Werbespotschaltungen umfasste und nicht wie im Folgenutzungszeitraum 102 Schaltungen.
BGH, 2. 10. 2008 – I ZR 6/06, ZUM 2009, 225, 227.
49 Vgl. BGH, 5. 4. 2001 – I ZR 132/98, NJW 2002, 603, 606 – Gesamtvertrag privater Rundfunk; Schiedsstelle, 22. 2. 2010 – Sch-Urh 07/08,
BeckRS 2010, 05544.
782
Kuß/Schmidtmann, Gaming
gend gebietet, weil die Clubs bisher und im Vergleich zu
anderen Nutzern bermßig begnstigt wurden.
Eine vergleichende Betrachtung mit geltenden Lizenzstzen fr hnliche Nutzungsformen, die von den Parteien
und anderen Nutzern bzw. Nutzervereinigungen bereinstimmend als angemessen angesehen werden, nimmt die
Schiedsstelle zur Ermittlung der Angemessenheit eines
Lizenzsatzes immer dann vor, wenn es an einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines unmittelbar einschlgigen Tarifs mangelt.50 Anders aber als in diesen
durch die Schiedsstelle wiederholt entschiedenen Konstellationen war und ist mit dem Diskothekentarif ein unmittelbar auf Clubs zugeschnittener Tarif gerade vorhanden.
Dass die Schiedsstelle jemals langjhrige gesamtvertragliche Vereinbarungen oder langjhrig Geltung beanspruchende Tarife aus Grnden der Gleichbehandlung einer
Komplettrevision unterzogen hat, ist nicht ersichtlich.
Aber selbst wenn sich die GEMA auf ein verndertes
Tarifumfeld berufen kçnnte, kme eine Vergleichsbetrachtung zu dem Ergebnis, dass eine derartige Erhçhung wie im
Tarif M-V geschehen, in dieser Hçhe jedenfalls nicht
angemessen wre. Vergleichsgrundlage wre insoweit am
ehesten der fr Konzerte geltende und gesamtvertraglich
etablierte Tarif U-K. Die Unangemessenheit des Tarifs
M-V ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Konzerttarif seinerseits – im hier vergleichbaren Segment bis
2000 Personen – einen Hçchstsatz von 5 % der Eintrittseinnahmen veranschlagt, whrend der Tarif M-V insoweit
eine 10 %ige Beteiligung vorsieht, die zumindest durch
das Berufen auf die Angemessenheitsregelung nicht berschritten werden kann.
IV. Ergebnis
Die GEMA hat ein berechtigtes Interesse an einer Vereinfachung der Tarife im Auffhrungsbereich sowie an einer
linear steigenden Beteiligung entsprechend der mit der
Musiknutzung erzielten Einnahmen. Bei der Lizenzierung
einzelner Veranstaltungen haben die Auswirkungen der
Tarifreform eine geringere Brisanz. Indes ist die Umsetzung durch den Tarif M-V gerade gegenber Clubs mit
dem urheberrechtlichen Prinzip „angemessen ist, was b-
12/2012
K &R
lich ist“ nicht vereinbar. Die Kumulierung mehrerer Faktoren, insbesondere die Streichung der bisherigen Jahrespauschalen, fhrt zu Steigerungen in dreistelliger Hçhe,
die das bisher bliche weit bersteigen. Dies gilt selbst fr
die Tarifversion vom November 2012, welche Nachlsse
zur Marktneueinfhrung vorsieht.
So begegnet bereits die Errechnung der Einnahmen der
Clubs angesichts der Ausfllung ihrer Berechnungselemente durch die GEMA Bedenken. Auch eine pauschale
Beteiligung in Hçhe von 10 %, welche im Jahr 2018
erreicht werden soll, erscheint zu hoch. Ebenso kçnnen
die Zeit- und Vervielfltigungszuschlge wohl nicht mit
entsprechend hçheren Einnahmen der Clubs gerechtfertigt
werden. Weiterhin fehlt es an einer Regelung im Tarif, die
ihn fr die nachgewiesene Verwendung von GEMA-freier
Musik entsprechend reduziert. Und schließlich bedarf es
der Einfhrung einer Gesamtbelastungsgrenze unter Bercksichtigung der GVL-Zuschlge.
Folge dieser unangemessenen Erhçhung wird sein, dass
die Clubs sptestens im Jahr 2018 auf die in Abschnitt V
des Tarifs M-V vorgesehene Angemessenheitsregelung
rekurrieren und damit die mit der Tarifreform beabsichtigte Verwaltungserleichterung in ihr Gegenteil verkehrt
wird. Um den Verwaltungsaufwand tatschlich zu reduzieren, wre eine Tarifgestaltung sachgerecht, die in der
Regel angemessen ist.
Insgesamt bestehen erhebliche Bedenken gegen die geplante drastische Erhçhung der bisher blichen Vergtung.
Wesentliche tatschliche nderungen haben sich whrend
der jahrzehntelangen Geltung des Diskothekentarifs nicht
ergeben, so dass die Schiedsstelle wohl kaum von der
Angemessenheit des Tarifs fr Clubs ausgehen wird. Am
Ende kçnnen die Gesamtvertragspartner nur auf dem Verhandlungsweg eine fr beide Seiten vorhersehbare und
akzeptable Lçsung erzielen. Hierbei kçnnten sie sich an
dem 5 %igen Tarifsatz fr Konzerte gemß Tarif U-K
orientieren.
50 Vgl. nur Schiedsstelle, 17. 11. 2009 – Sch-Urh 03/09, ZUM 2010, 546,
549 – Konzerttarif.
RA Christian Kuß, LL.M. und RAin Karin Schmidtmann, Dsseldorf *
Gaming – Rechtliche Risiken und Mçglichkeiten
fr Spieleanbieter in Deutschland
Computerspiele erfreuen sich immer grçßerer Beliebtheit. Dies gibt Anlass, die rechtlichen Regelungen, denen
sich Entwicklungsstudio und Publisher bei der Entwicklung und dem Vertrieb von Computerspielen gegenber
sehen, genauer zu beleuchten. Die vorliegende Darstellung ist nicht erschçpfend. Vielmehr fasst sie die urheber-, medien- und lauterkeitsrechtlichen Fragen in diesem Kontext fr den interessierten Leser berblicksartig
zusammen, um ihn fr aktuelle Problemfelder zu sensibilisieren.
I. Bedeutung von Computerspielen
Computerspiele kamen erstmals in den 70 er Jahren auf. In
den 80 er Jahren erschienen mit den Heimcomputern Commodore C64, Amiga und Atari die ersten Computerspiele
fr zuhause.1 Maniac Mansion, 2 Monkey Island3 und Ma*
1
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Quandt/Festl/Scharkow, MP 2011, 414.
Lucasfilm Games, Maniac Mansion.
Lucasfilm Games, The Secret of Monkey Island.