Straßenfußball für Toleranz
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Straßenfußball für Toleranz
Straßenfußball für Toleranz Hintergrund Ein Spiel für alle - Straßenfußball für Toleranz, Bild: UN-Photo, Mark Garten Geschichte Straßenfußball für Toleranz wurde ursprünglich in Kolumbien in den 1990er Jahren entwickelt, um Gewalt beim Sport – und konkret beim Fußball – zu thematisieren und Spielweisen zu finden, bei denen der Spaß und das Gemeinsame im Vordergrund stehen. Konkreter Auslöser war der Mord am kolumbianischen Nationalspieler Andres Escobar, dem 1994 bei der Fußball-WM in den USA ein Eigentor unterlaufen war, worauf Kolumbien aus dem Turnier flog. Wenig später und wieder zurück in Medellin, Kolumbien, wurde Andres Escobar auf der Straße erschossen. Fußball, das war schon vorher klar, ist ein Sport, der viel Emotionen und Leidenschaften entfesselt. Dieser traurige Anlass motivierte einige engagierte Menschen, über Möglichkeiten nachzudenken, wie die negativen Seiten dieser Emotionen in friedliche Bahnen gelenkt werden könnten. Sie entwickelten eine besondere Spielweise mit bestimmten Regeln, die explizit Frauen mit ins Spiel einbinden und neben den Toren auch die Fairness beim Spiel zählen lassen: Straßenfußball für Toleranz war geboren! Globale Vision Heute wird Straßenfußball für Toleranz in sehr vielen Ländern gespielt. Überall auf der Welt gibt es soziale Herausforderungen und Probleme, mit denen vor allem auch Kinder und Jugendliche zu kämpfen haben. Straßenfußball für Toleranz bietet die Möglichkeit, sich damit spielerisch zu beschäftigen. Durch die besondere Spielweise, bei der Spieler-/innen sich mit Fairness, Gleichberechtigung und Gewaltfreiheit auseinandersetzen und sich Gedanken machen, wie sie gemeinsam am meisten Spaß haben können, kann gleichzeitig überlegt und gelernt werden, wie wir Lösungen für gesellschaftliche Herausforde- rungen finden können. Doch nicht nur auf nationaler Ebene geschieht diese Auseinandersetzung. Auch international entstehen durch das Spiel Begegnungen und ein Austausch zu lokalen Problemen und ihren globalen Verknüpfungen – z.B. wenn Teams aus Mädchen und Jungs aus Ruanda, Kolumbien, Brasilien, Polen und Deutschland zu einem internationalen Turnier von Straßenfußball für Toleranz zusammen kommen. Straßenfußball in Deutschland Auch in Deutschland hat sich das Konzept Straßenfußball für Toleranz etabliert. Grundprinzipien sind dabei vor allem: Integration: alle, die sich an die vereinbarten Regeln halten, können mitspielen. Menschen werden nicht ausgegrenzt, weil sie ‚anders‘ sind. Unterschiedliche Meinungen, Herkünfte, Prägungen, Aussehen oder Vorlieben sind Teil der Vielfalt. Gleichberechtigung: Mädchen werden nicht diskriminiert, weil sie vielleicht manchmal anders Fußball spielen als Jungen. (Nehmt euch ein Beispiel an ruandischen Teams, in denen z.T. nur die Mädchen Tore schießen dürfen, was zur Folge hat, dass die Teams bei internationalen Turnieren oft viel erfolgreicher sind als andere Teams.) Gewaltfreiheit: bedeutet ein Verzicht auf körperliche und psychische Gewalt. Wer unfair spielt, hat keine Chance. Spaß am Spiel: Siege werden nicht auf Kosten anderer zelebriert. Im Vordergrund steht der Spaß am gemeinsamen Spiel. Faires Verhalten ist dabei wichtiger als Sieg oder Niederlage. Straßenfußball für Toleranz Spielanleitung Material einen Fußball, zwei Tore (draußen oder in der Halle) Regeln Gespielt wird 4 gegen 4 oder 5 gegen 5 (plus evtl. Auswechselspieler-/innen) auf einem kleinen Feld (z.B. die Hälfte einer Turnhalle). Die Teams sind dabei geschlechtlich gemischt, so dass in jedem Team immer mindestens 2 Mädchen spielen. Im Laufe des Spiels muss ein Mädchen ein Tor erzielen, damit die Tore der Jungs ebenfalls zählen (alternativ kann auch ergänzt werden, dass Mädchentore zusätzlich doppelt zählen). Es gibt keine Schiedsrichter, sondern Teamer und Teamerinnen, die das Spiel von außen beobachten. Wer Teamer oder Teamerin ist (und wie viele), entscheiden die beteiligten Personen selbst (oft ist dies auch eine Möglichkeit für Schüler-/innen, die viel lieber durch ihre Fähigkeiten den Prozess begleiten, als selbst Fußball zu spielen). Wichtig ist dabei zu beachten, dass die Teamer-/innen keine Nebenrolle spielen, sondern durch ihre Begleitung eine wichtige – moderierende – Funktion im Gesamtprozess einnehmen. Das Spiel besteht aus den sogenannten 3 Halbzeiten. 3 Halbzeiten 1. Vor dem Spiel treffen sich beide Teams in einer sogenannten Dialogzone (d.h. sie sitzen gemeinsam im Kreis) und vereinbaren 3 Fair Play-Regeln: Wie wollen wir uns während des Spiels verhalten und wie wollen wir miteinander umgehen? Diese Regeln werden notiert, um eine gemeinsame Verbindlichkeit zu bewirken. Die Teamer und Teamerinnen begleiten diesen Regelfindungsprozess, d.h. sie moderieren, greifen aber nicht aktiv in die Diskussion ein, sondern lassen die Teams ihre Regeln entscheiden. 2. Während des Spiels sind die Teams selbst für die Einhaltung der Regeln, den Umgang mit Regelverstößen und für die Aufrechterhaltung des Spiels verantwortlich. Gespielt wird auf zwei Tore, die der Größe des Spielfelds angepasst sind (hier eignen sich Hütchen oder Kästen als Torbegrenzung). Die Spieldauer kann variieren. Nach jedem Tor hat das jeweils andere Team wieder Anstoß. 3. Nach dem Spiel kommen beide Teams wieder in der Dialogzone zusammen und bewerten in einer gemeinsamen Diskussion die Einhaltung der 3 Fair Play- Regeln und vergeben dafür Punkte. Es können maximal zwei Regel- und ein Bonuspukt vergeben werden, je nachdem, wie die Regeln eingehalten wurden. Die Teamer und Teamerinnen begleiten diesen Prozess wieder, d.h. greifen nicht entscheidend in die Diskussion ein, sondern moderieren und können ggfs. durch ihre Beobachtungen während des Spiels ergänzen bzw. unterstützen. Punktevergabe Für die Tore: Das Team mit den meisten Toren (die Tore der Jungs zählen, wie gesagt, nur, wenn es im jeweiligen Team mindestens ein Mädchentor gab) erhält 3 Punkte, das andere Team 1 Punkt. Bei Unentschieden erhalten beide Teams 2 Punkte. Für die Fair Play-Regeln: Jedes Team gibt dem anderen Team jeweils Punkte für die Einhaltung der Fair Play-Regeln. Je nach Einschätzung, können dem anderen Team 0, 1 oder 2 Punkte gegeben werden. Bonuspunkt: Zusätzlich kann jedes Team dem anderen Team jeweils einen Bonuspunkt für besondere Ereignisse geben, wenn es möchte (z.B. weil etwas besonders Schönes während des Spiels passiert ist, weil es besonders fair war, weil es trotz bestimmter Schwierigkeiten gut gespielt hat, etc.). Die Punkte werden am Ende zusammen gezählt und das gewinnende Team bestimmt. Der oder die Lehrer-/in nimmt sich bei diesem Prozess bewusst zurück, da es auch um die selbstständige Diskussionsleitung und Regelfindung der beteiligten Schüler-/ innen geht. Auswertung Wichtig ist dabei, immer wieder klar zu machen, dass es beim Straßenfußball für Toleranz nicht ums Gewinnen geht, sondern darüber, gemeinsam mit Sport eine gute Zeit zu haben. Dafür kann z.B. auch in der 3. Halbzeit mal in die Runde gefragt werden, wer von den Spieler-/innen denn die ganze Zeit so richtig Spaß hatte und wer das Gefühl hatte, die ganze Zeit mitspielen zu können. Je nachdem, wie viele Hände sich melden, kann dies aufgegriffen und für eine weitere Diskussion genutzt werden: woran liegt es, dass wir Spaß haben? Wollen wir ein Spiel, bei dem alle mitmachen können und sich wohl fühlen? Was können wir tun, damit nicht nur ein paar Wenige so richtig Spaß am Spiel haben? Weitere Auswertungsfragen nach den 3 Halbzeiten können sein: Wieviel Spaß hat euch das Spiel gemacht? Hattet ihr das Gefühl, dass ihr die ganze Zeit dabei sein konntet (Mädchen wie Jungs)? Was hat Spaß gemacht und was hat keinen Spaß gemacht? Wie war es für euch, nach den Straßenfußballregeln zu spielen? Welche Regeln habt ihr euch gegeben? War es einfach, sich auf diese Regeln zu einigen? Nach mehreren Spielen: Welche sind eure drei Lieblings Fair Play-Regeln? Wie war es zu teamen? Was war einfach, was schwierig? Was würdet ihr als Teamer-/in das nächste Mal anders machen? Lassen sich diese Prinzipien wohl auch auf andere Sportarten und Spiele übertragen? Was nehmt ihr aus den Erfahrungen im Spiel für den Alltag (in der Schule) mit? Die Botschaft am Ende des Tages ist: Indem wir Fußball miteinander spielen, machen wir uns darüber Gedanken, wie wir allgemein miteinander umgehen. Das ist ein ständiges Ausprobieren, was mit Straßenfußball auch Spaß machen kann!