Nach der WM ist vor der WM_Brasilien_2014_end

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Nach der WM ist vor der WM_Brasilien_2014_end
von Ole Schulz
WM 2014 in Brasilien: Weniger als 1000 Tage bis zum
Anpfiff
Anlässlich des ersten brasilianischen Netzwerktreffens der
Sportmediation im Herbst 2011 zeigt sich Fußball im Spannungsfeld
zwischen politischer Bildung und big business.
Die Heinrich-Böll-Stiftung stellte zuletzt bezüglich der Fußball-WM der
Frauen 2011 die Frage nach den (geschlechter)politischen Dimensionen
der Ereignisse auf dem Platz. Ein Frage, die auch in Brasilien virulent
wird: Die Fußball WM 2014 und Olympia 2016 in Rio werfen ihre
Schatten voraus.
Nach der WM – zurück auf der Straße
„Durch den Straßenfußball habe ich gelernt, die Menschen in ihrer
Diversität zu respektieren“, sagt Diane Sousa. Nach einer Pause legt die
19-jährige wild gestikulierend nach: „Es geht nicht ums Gewinnen,
sondern um ein Spiel zwischen Mädchen und Jungen als Performance,
bei der sich die Summe der Fähigkeiten ausgleichen.“ Im Frühjahr 2011,
vor der Fußball-WM der Frauen, war Diane Sousa als Gast der
Heinrich-Böll-Stiftung auf Tour in Deutschland. Im Herbst 2011 ist sie
nun selbst Gastgeberin: Beim „Encontro Brasileiro de Mediação em
Esportes Educativos“.
Beim „Treffen der Mediation im pädagogischen Sport“ - so der auf
Deutsch etwas hochtrabend klingende Titel - im Oktober in São Luís,
der Hauptstadt von Maranhão, steht der Straßenfußball im Mittelpunkt.
Die anstehenden sportlichen Megaevents in Brasilien – von der FußballWM 2014 bis zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 –
werfen ihre Schatten bis in den Bundestaat im hohen Nordosten des
riesigen Landes.
Die schmächtige Diane Sousa von der Veranstalter-NGO Formação ist
so etwas wie der kleine Star der Konferenz der Sportmediatoren und fast
auf jeder Veranstaltung präsent – mal diskutiert sie auf dem Podium mit,
mal begleitet sie eine Band im Rahmenprogramm als Perkussionisten;
eine ehemalige Lehrerin nennt Diane ein „Phänomen“. Nach ihrer
Rückkehr aus Deutschland im Mai rief sie in São Luís das erste
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Straßenfußballturnier für Frauen ins Leben, zu dem auch ein
Schiedsrichterinnen-Lehrgang gehörte. Und jetzt hat Diane, die bei
Formação zur Sportmediatoren ausgebildet wurde und gerade ein
Jurastudium begonnen hat, die dreitägige Konferenz mit organisiert.
Eingeladen zum brasilianischen Treffen ist auch der Kolumbianer Jairo
Aguilar. Der 36-jährige erzählt dem, vornehmlich jungen Publikum vom
Drogenkrieg in seiner Heimat in den 1990er Jahren, in dem sich auch
verfeindete Jugendbanden einzelner Viertel Bogotás bekämpften – es ist
die Geschichte seines Lebens. „Damals war es sogar gefährlich, wenn
man eine Freundin aus einem anderen Viertel hatte.“ Dann wurden
Fußballspiele zwischen den Banden ins Leben gerufen – es waren erste
Schritte zu friedlichen Kontakten.
Bei den Fußballpartien galten allerdings spezielle Regeln: Nicht nur die
Tore zählten, sondern auch die Fairness im Zweikampf mit dem Gegner.
Vor allem aber gab es keinen Schiedsrichter. Zentraler Akteur war
stattdessen ein Mediator, der den Spielern unter anderem dabei half,
eigene Fair-Play-Regeln zu entwickeln.
Vor dem Wettkampf war das Spiel: Bildungsarbeit mit Fußball
„Fútbol por la paz“ heißt dieser Ansatz seither im spanischsprachigen
Raum, der von Formação auch in Brasilien praktiziert wird und in
Deutschland als „Straßenfußball für Toleranz“ bekannt ist: Auf
Kleinfeldern stehen sich geschlechtergemischte Vierer-Teams
gegenüber – auf dem Platz müssen dabei stets zwei Mädchen sein; nur
wenn sie ein Tor erzielen, zählen auch die Treffer der Jungs. Zudem hat
das Spiel nicht nur zwei, sondern drei „Halbzeiten“: in der ersten werden
gemeinsam Fair-Play-Regeln vereinbart, in der zweiten gespielt und in
der dritten – unter Anleitung des Mediators – noch einmal abschließend
über alles Vorgefallene reflektiert: Wurden die Vereinbarungen von allen
eingehalten? Und falls nicht: Wie ist dann damit umzugehen?
Das „Encontro“ in São Luís ist so etwas wie ein Familientreffen der
internationalen Straßenfußballszene – keinesfalls alle, aber doch viele
der Projekte arbeiten nach der „Straßenfußball für Toleranz“-Methode.
Anderswo hat man eigene Regeln, um den Fußball als Mittel für
Bildungsprogramme zu nutzen: In Kenia müssen Spieler Müll recyceln,
bevor Tore gelten, während in Südafrika beim Training nicht nur Dribbeln
geübt, sondern auch über Aids aufgeklärt wird.
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In Brasilien hat es der Ansatz, Sport und Bildung miteinander zu
verbinden, dabei anscheinend ähnlich schwer wie in Deutschland,
größere Anerkennung zu finden – Formação erhofft sich vom
Mediationstreffen einen Schub in der öffentlichen Wahrnehmung.
Immerhin sind „edukative Sportarten“ in Brasilien anders als bei uns ein
bereits bekannter Begriff. Vielleicht liegt das vor allem daran, dass
Konzepte, die auf das spielerisch-erzieherische Potential des Sports
setzen, in einem ballverrückten Land wie Brasilien einfach auf der Hand
liegen. Regina Cabral, Mitgründerin von Formação, bittet jedenfalls
darum, als Botschaft nach Deutschland zu tragen: „Gespielt hat der
Mensch immer schon, seit jeher ist er ein Homo ludens. Der sportliche
Wettkampf hat sich hingegen erst mit der Zeit herausgebildet.“
Straßenfußball als Kick für die Wirtschaft
Das Thema Sport und internationale Entwicklungszusammenarbeit hat
währenddessen Konjunktur – gerade auch in Deutschland. Es gebe eine
„Flut von Initiativen und Projekten“, heißt es dazu in einer aktuellen
Veröffentlichung der Deutschen Sporthochschule Köln. Obwohl
systematische und vergleichende Untersuchungen zum Thema bislang
Mangelware sind, wird etwa der Fußball mittlerweile in der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit eingesetzt: „Die Jugendlichen lernen
dabei, sich an Regeln zu halten, den Gegner zu achten und gemeinsam
etwas zu erreichen“, schreibt etwa das „Magazin zur Entwicklungspolitik
der Regierung“.
Als Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nun im September in
Brasilien war, hat er dort mit dem internationalen und der FIFA
kooperierenden Straßenfußball-Netzwerk „streetfootballworld“ eine
Absichtserklärung unterzeichnet: Unter anderem sollen Fachkräfte aus
Deutschland streetfootballworld vor der WM 2014 in Brasilien dabei
helfen, vor Ort ein Landesnetzwerk zu etablieren. Der FDP-Mann scheint
dabei auch an die Mitwirkung deutscher Firmen zu denken: Durch die
enge Vernetzung und den ständigen Austausch der Akteure von
streetfootballworld sollen Partnerschaften mit Unternehmen der
deutschen Wirtschaft erleichtert werden. Für diese ist das Land schon
jetzt der größte Handelspartner in Lateinamerika, und Thyssen Krupp,
Siemens, Bayer und BASF investieren Milliarden in Stahlwerke,
Telekommunikation, Infrastruktur und Agrobusiness. Durch WM und
Olympia winken jetzt weitere Großaufträge.
Auf dem Platz sind alle gleich: Der Mythos von der Überwindung
gesellschaftlicher Gegensätze
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Öffentlich redete Niebel vor allem von der Unterstützung des im Hinblick
auf die „Überwindung gesellschaftlicher Gegensätze so wichtigen
Straßenfußballs“ in Brasilien. Generell überwinde der Fußball
Gegensätze, so Niebel, und der sportliche Wettkampf ermögliche „die
Annäherung von Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und
unterschiedlicher sozialer Schichten“.
Das Bild von der völkerverständigenden und Klassengegensätze
überwindenden Balltreterei – werden dem Fußball damit Möglichkeiten
zugeschrieben, die er gar nicht erfüllen kann? Wird der weltweit
beliebteste Sport damit nachträglich mit einer unangemessenen sozialen
Sinnhaftigkeit aufgeladen?
„Sport befördert nicht notwendigerweise die Integration und gerade beim
Fußball muss man ganz genau hinschauen“, sagt zumindest der
Sportwissenschaftler David Breimer. Man müsse sich nur die
allwöchentliche Gewalt auf den Plätzen in Deutschlands unteren
Fußballigen vor Augen führen, um diesen Mythos zu widerlegen, so der
31-jährige von der deutschen NGO „Kickfair“ beim Treffen in São Luís.
Um das Potential des Fußballs zu nutzen, bedarf es laut Breimer „zum
einen der jeweiligen Situation angepasster Inszenierungen, zum anderen
begleitender Lernarrangements“.
Und bezüglich der sozialen Ungleichheit überwindenden Kraft des Spiels
bleibt festzuhalten, dass dies dem modernen Sport eingeschrieben ist:
Der Glauben an den Mythos „Just do it“ – es ist egal, woher du kommst,
auf dem Platz sind alle gleich. Soziale Ungleichheiten werden damit
individualisiert und unsichtbar gemacht, sind nicht mehr politisch zu
verantworten. Wird der Mythos von der verbindenden Kraft des Fußballs
angerufen – zumal von Politiker_innen – dann ist meistens Vorsicht
geboten.
Kickfair und Formaçao: Zwei Beispiele fürs Lernen mit Fußball in
Deutschland und Brasilien
In Deutschland hat Kickfair die „Straßenfußball für Toleranz“-Methode
zu einem Bildungskonzept ausgefeilt, mit dem die Organisation mit
Schulen, Kommunen und verschiedenen Trägern der Jugendarbeit in
ganz Deutschland arbeitet, gezielt auch an sozialen Brennpunkten mit
hohem Migrantenanteil. „Das Besondere an dem Ansatz ist, dass die
Jugendlichen als Projektgestalter selbst aktiv sind und ihre Erfahrungen
als Mediatoren im Straßenfußball an andere Kinder und Jugendliche
weitergeben“, sagt Breimer. Letztlich lasse sich der Mediations-Ansatz,
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ist Breimer überzeugt, auch außerhalb des Sports anwenden. Von der
Universität Tübingen wird das Straßenfußball-Konzept von Kickfair
aktuell umfassend evaluiert.
Zurück in Maranhão , einem der ärmsten Bundesstaaten Brasiliens –
bekannt ist Maranhão vor allem durch den von dort stammenden ExPräsidenten José Sarney und seine Familie, die im Ruf steht, ihre
Heimat schamlos auszubeuten. Sarneys Tochter Roseana ist
amtierende Gouverneurin Maranhãos, und ihr Vater wurde im Februar
zum vierten Mal zum Präsidenten des Senats gewählt – ein Zeichen
dafür, welch schwierige Koalitionen Brasiliens linke Präsidentin Dilma
Rousseff zum Teil mit Vertretern der traditionellen politischen Eliten aus
Zeiten der Militärdiktatur eingehen muss, um die Handlungsfähigkeit
ihrer Regierung sicherzustellen.
Aber auch hier in Maranhão greifen die vom Rousseff-Vorgänger Lula
eingeführten Sozialprogramme – landesweit sollen dadurch rund 40
Millionen Menschen die extreme Armut hinter sich gelassen haben. Die
Mittel einer NGO wie der 1999 gegründeten Organisation Formação sind
da vergleichsweise bescheiden, aber ihre Möglichkeiten scheint
Formação zu nutzen. Wobei der integrative Ansatz der NGO laut
Formação-Mitgründerin Regina Cabral immer zum Ziel hat, „die
Lebensqualität der Ärmsten zu verbessern“. In städtischen
„Comunidades“ wie in armen ländlichen Gebieten Maranhãos, zum
Beispiel der „Baixada Maranhense“, dem feuchten Tiefland, aus dem
auch Diane Sousa kommt, werden von Formação Sport- und
Medienzentren betrieben, regelmäßig so genannte „Jugendforen“
abgehalten und der Nachwuchs sowohl zu Sportmediatoren als auch zu
„jungen Kommunikatoren“ ausgebildet. Letzteres ist umso wichtiger, als
die Bewohner der Armensiedlungen in den traditionellen Medien kaum
Gehör finden.
Im geplanten Projekt „MIDIação sollen die Bereiche Mediation und
Medien miteinander verknüpft werden, und Straßenfußball-Turniere im
Internet wie bei kommunalen Radiosendern beworben werden. Eine
andere Projektidee Formaçãos ist es, die Mediation zur
Konfliktbewältigung an Schulen bringen: „Schülermediatoren können
dabei helfen, dass es weniger Mobbing an Schulen gibt“, sagt Regina
Cabral beim Besuch der öffentlichen Schule Mario Meireles.
Straßenfußball – Garant für Nachhaltigkeit oder Feigenblatt?
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Beim Treffen für Sportmediation verkündet UNICEF Brasilien
anschließend, dass es vor der WM 2014 ein großes StraßenfußballProgramm an Schulen überall im Land durchführen wolle. Es sind
inzwischen weniger als eintausend Tage bis zum Anpfiff der Fußball-WM
in Brasilien – und viele stehen längst in den Startlöchern, auch
streetfootballworld, die weltweit wohl wichtigste Organisation im Bereich
Straßenfußball. Jürgen Griesbeck, der deutsche Gründer des Netzwerks
mit Hauptsitz in Berlin, gilt auch als Erfinder der „Fútbol por la paz“Methode: Erschüttert von der Ermordung des kolumbianischen
Fußallnationalspielers Andrés Escobar – bei der WM 1994 hatte dieser
ein Eigentor geschossen –, entwickelte Griesbeck im kolumbianischen
Medellín diesen speziellen Straßenfußball-Ansatz.
Mittlerweile umfasst das internationale Netzwerk weltweit über 80
Mitgliedsinstitutionen und Griesbeck ist zum gefragten
„Sozialunternehmer“ geworden: Im Juni wurde er zum „European Social
Entrepreneur of the Year“ ernannt, im August nahm er schließlich für
streetfootballworld den mit einer Millionen Euro dotierten „Monaco
Charity Award“ der UEFA in Empfang. Griesbecks Botschaft lautet: Im
Fußballsektor zirkuliere ungeheuer viel Kapital, das aber kaum
sozialverantwortlich genutzt werde – das gelte es zu ändern. Die
gesamte Branche sollte flächendeckend 0,7 Prozent ihres Umsatzes in
soziale Projekte investieren.
2006 hat streetfootballworld zum ersten Mal ein internationales
Straßenfußball-Turnier ausgetragen – damals parallel zur WM im Lande
im Berliner Szenebezirk Kreuzberg. Ein Jahr später begann eine
„strategische Allianz“ mit der FIFA, und mit Mitteln des
Fußballweltverbandes organisierte streetfootballworld 2010 in Südafrika
das „Football for Hope“-Rahmenprogramm, wozu auch die Errichtung
von 20 Sport- und Gesundheitszentren zählte – als „wichtigen Beitrag
zur nachhaltigen Ausrichtung des Großereignisses“ Fußball-WM. Die
Kooperation mit der FIFA ist dabei mit Sicherheit kein leichtes
Unterfangen, wo man dadurch doch in den Ruf geraten kann, als soziale
Feigenblatt-Initiative für die skandalumwitterte FIFA-Clique herzuhalten.
Auf dem Weg zur WM: Armut bekämpfen
Andrés Thompson, Chef des neu gegründeten Büros von
streetfootballworld Brasilien, erinnerte bei der Konferenz in São Luís
dann auch gleich an die mahnenden Worte der Staatspräsidenten Dilma
Rousseff : Die Bekämpfung der Armut habe bis 2014 oberste Priorität,
hatte sie bereits im Vorjahr verkündet. Fest steht laut Thompson bislang
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nur, dass streetfootballworld Brasilien, mit privatem wie öffentlichem
Geld, ein Fonds für Fußball und Entwicklung aufbauen wolle.
Auf dem Podium waren sich beim Sportmediations-Treffen alle einig,
dass man das soziale Rahmenprogramm besser als in Südafrika
gestalten müsse, auch wenn die FIFA weiterhin die grundlegenden
Bedingungen diktiere. Kritik hatte es in Südafrika unter anderem an der
schlechten Behandlung der südafrikanischen Helfer gegeben. Die
Anwesenden gaben sich kämpferisch und verwiesen dabei auch auf die
Stärke der zivilgeschlechtlichen Akteure in Lateinamerika. Lisa
Solmirano, Direktorin von „Fu.De.“, der Stiftung „Fútbol para el desarollo“
(„Fußball für die Entwicklung“) aus Argentinien, betonte, dass sich ihre
Organisation als politische Kraft verstehe.
Für die vier zum streetfootballworld-Netzwerk gehörigen Organisationen
in Brasilien, eine davon ist Formação, war das Treffen derweil der erste
Schritt zur Gründung eines nationalen Straßenfußball-Netzes, während
streetfootballworld Brasilien zunächst damit beschäftigt ist, eine
Übersicht über die im Land tätigen sozialen Fußballprojekte und ihre
Arbeitsmethoden zu erarbeiten, um anschließend Handlungsanleitungen
zu formulieren.
Für saubere Spiele – in den WM-Stadien und außerhalb
Am Ende der Konferenz kam schließlich einige der Akteure der
anstehenden Megaevents zu Wort. Ob die versprochenen
Verbesserungen zum Beispiel bei der Infrastruktur, den Verkehrswegen
und dem Öffentlichen Transport in den 12 WM-Städten wie geplant
umgesetzt werden und dem Volk zugutekommen, bleibt abzuwarten.
Nimmt man andere sportliche Großereignisse der jüngsten Zeit als
Vergleichsmaßstab, ist alles andere als gesunde Skepsis wohl
unrealistische Träumerei.
Mitentscheidend dürfte dabei sein, ob verhindert werden kann, dass die
überwiegend durch öffentliche Gelder finanzierten Milliardeninvestitionen
zu einem großen Teil im Korruptionssumpf verschwinden. Dazu hat das
„Instituto Ethos de Empresas e Responsabilidade Social“, das „Institut
für Unternehmensethik und Soziale Verantwortung“ die Initiative „Jogos
Limpos Dentro e Fora dos Estádios“ ins Leben gerufen: „Saubere Spiele
in und außerhalb der Stadien“. Zu diesem Zweck müssten die
verwendeten Gelder allerdings nicht nur von allen Seiten transparent
gemacht, sondern auch Gesetze verschärft werden und die beteiligten
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Unternehmen durch Selbstverpflichtungen wirksame Maßnahmen gegen
die Korruption ergreifen.
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff steht währenddessen weiterhin im
Dauerclinch mit Ricardo Teixeira, dem umstrittenen Chef des
brasilianischen Fußballverbandes CBF. Es geht dabei vor allem um die
Frage, wer bei der WM 2014 das Sagen hat – das Gastgeberland oder
die FIFA und seine brasilianischen CBF-Getreuen. Hatte Teixeira, der
auch das WM-Organisationskomitee leitet, nach dem Zuschlag für
Brasilien 2007 noch versichert, auf öffentliche Mittel werde man
verzichten, ist davon längst keine Rede mehr. Auch in São Paulo gibt es
zurzeit Unstimmigkeiten: Für den Neubau des Corinthians-Stadions zur
WM drohen tausende Familien zwangsumgesiedelt zu werden, während
einige wenige durch Immobilienspekulation Unsummen verdienen
könnten. Rafael Vasconcelos vom landesweiten Favela-Netzwerk
„Central Única das Favelas“ (CUFA) zuckt beim Mediationstreffen die
Schultern und sagt: „Es gibt große Versprechungen, aber ich glaube nur
das, was ich am Ende mit eigenen Augen sehe.“
Reclaim the Street(football)….
Vasconcelos nimmt es dennoch gelassen. Denn die CUFA will mit einem
eigenen Turnier auf die Favelas und ihre Kultur aufmerksam machen: mit
der „Taça das Favelas“, dem „Favela-Pokal“. Wenn ab nächstem Jahr
zunächst in Rio de Janeiro 80 Mannschaften aus den Armenvierteln der
ganzen Stadt gegeneinander antreten, dürfte der Straßenfußball in
seiner ursprünglichen Form wieder auferstehen.
Links:
www.formacao.org.br (nur auf Portugiesisch)
www.streetfootballworld.org
www.kickfair.org
Literatur:
Fußball, Lernen und Bildung, von Steffi Biester, Jochen Föll, Luis
Fernando Ramirez, Carsten Ress, Hrsg.: Kickfair. Dreisprachige
Ausgabe: Deutsch, Spanisch, Englisch, www.kickfair.org, Ostfildern, 3.
überarbeitete Auflage 2010, 12,00 EURO (zzgl. 1,45 Euro
Versandkosten).
Sport und internationale Entwicklungszusammenarbeit – Theorie
und Praxisfelder, Hrsg.: Karen Petry, Michael Groll und Walter
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Tokarski. Veröffentlichungen der Deutschen Sporthochschule Köln, Bd.
17, Sportverlag Strauß, Köln 2011, 19,80 EURO.
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