PDF - Christinger De Mayo

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Medienmitteilung
Ricardo Alcaide und Rafael Pérez
«Forma Crítica»
Ausstellung: 21. Februar – 28. März 2015, Vernissage: Freitag 20. Februar, 18 – 20 Uhr
Ricardo Alcaide ist am Vernissageabend anwesend.
Forma Crítica lässt zwei Künstler in einen Dialog treten, die sich nie begegnet sind. Ricardo Alcaide
(1967) und Rafael Pérez (1938 - 2001), beide in Venezuela geboren und aufgewachsen, gehören zwei
Künstlergenerationen an, die für Studien früh ihr Land verliessen, um schliesslich nicht mehr dauerhaft
zurück zu kehren. Was wie eine künstlerische Grand Tour wirkt – nicht nur unberechtigt –, muss
dennoch im Hinblick auf die prekären politischen Verhältnisse sowohl in der jungen und instabilen
Demokratie der 1960er Jahre als auch der heutigen undemokratischen „sozialistischen Revolution“ im
Land betrachtet werden. Eine dauerhafte Rückkehr war und ist keine aussichtsreiche Alternative,
nicht zuletzt für die künstlerische Entwicklung. Diese biographische Parallele hat zur Folge, dass beide
Künstler mehrheitlich ausserhalb Venezuelas arbeiteten, aber mit dem Fokus auf eine nicht-figurative,
geometrisch geprägte Formensprache an eine Tradition anknüpfen und darauf aufbauen, der in
Venezuela ab den 1950er Jahre auf dem Weg zur ‘Moderne’ eine Schlüsselrolle zukam.
Rafael Pérez liess sich nach längeren Aufenthalten in Spanien und Italien in der Schweiz nieder, wo er
mit den Zürcher Konkreten in Kontakt kam. Mit Skepsis vor absoluten Begrifflichkeiten bezeichnete er
seine Kunst als neo-konkret, wobei der Künstler als Referenz die sehr viel offenere Bezeichnung des
‘nicht-figurativen’ bevorzugte. Bei Pérez’ Werken resultierte dies in einer konsequenten,
geometrischen Formensprache und der Suche nach Mitteln zur Dreidimensionalität – seien es
vorgehängte bewegliche Elemente oder übereinandergelagerte Bilder. Sein zentrales Anliegen galt
hingegen einer steten Auseinandersetzung mit Farben und deren Wirkungsmacht. In seinen
vielschichtigen Schaffensphasen ist die Relevanz der Farbkompositionen der zentrale Nenner, was
sich auch in den Bildtiteln niederschlägt. Während frühe Werke als «Chromatische Fragmentationen»
durchnummeriert wurden, trugen sie später bloss eine Farbe im Titel.
Im Umgang mit Farben vertraute Pérez weder auf eine vorgegebene Systematik – was ihn von den
Konkreten abgrenzt – noch auf die beinahe mythologisierte künstlerische Inspiration sondern fertigte
selber zahlreiche Farbstudien an um letztlich seiner Intuition zu folgen. Dieser unvoreingenommene
und undogmatische Umgang mit Farben wurde in Europa immer wieder – ethnographisch verkitscht –
als ‘südamerikanische Farbigkeit’ oder ‘tropische Fröhlichkeit’ interpretiert, wogegen Pérez sich
vehement wehrte, da es sich dabei um psychosoziale Randnotizen und Stereotypen handle.
Hingegen legte er Wert auf die Quellen seiner Studien, denn nebst den europäischen Klassikern der
Farbenlehre wie Josef Albers, Johann Wolfang von Goethe, Paul Klee, Wassily Kandinsky oder
Johannes Itten, faszinierte ihn vor allem die Farbsymbolik der indigenen Bevölkerungen
Lateinamerikas wie beispielsweise der Mayas, die ihren Gottheiten Farben und entsprechende
Himmelsrichtungen zuwiesen. Daraus resultiert, dass die Wirkung von Form und Farbe für Pérez auch
eine spirituelle Komponente aufwies, die die Kontemplation des einzelnen Betrachters fordert.
Der Anspruch der Moderne, mit Kunst und Architektur die ‘grossen sozialen Probleme’ zu lösen, war
für Pérez bloss Utopie. Hingegen beanspruchte er vom einzelnen Betrachter sich bedingungslos auf
unbekannte Welten einzulassen.
Ricardo Alcaide, der nach Studien in London heute in São Paulo lebt, greift die Kritik an der Moderne
unter anderem in seinen Arbeiten «Intrusions» und deren Werkgruppe «Shade of Progress» auf, indem
er Ikonen der lateinamerikanischen Architektur manipuliert. Wie der abstrakten Kunst, fiel auch der
Architektur der 1950er Jahre, in Venezuela eine entscheidende Stellung zu. Während des Regimes
von Marcos Pérez Jiménez sollte das Land zum ‘Nuevo Ideal Nacional’ transformiert werden, was
sich auch in der gebauten Umwelt manifestieren sollte. Es entstanden zahlreiche private wie staatliche
Prestigeobjekte; exemplarisch sind hier Gio Pontis «Villa Planchart» (1953-1957) und Carlos Raúl
Villanuevas «Ciudad Universitaria» in Caracas (1944-1958) zu nennen. Insbesondere der UniversitätsCampus, der den Ideen der vielzitierten Synthese der Künste gehorcht, darf als gebautes
Versprechen für den Fortschritt bezeichnet werden. Für die Arbeit «Intrusions» verwendet Alcaide
schwarz-weiss Fotografien von ebendiesen Bauten und übermalt sie mit monochromen,
geometrischen Elementen. Die Farbtöne, die zur Anwendung kommen sind Referenzen an
volkstümliche lateinamerikanische Kulturen – in diesem Falle Brasiliens – und werden somit mit
prekären Lebensumständen assoziiert.
Die bereits vielschichtige ‘Synthese der Künste’ wird somit um weitere Ebenen ergänzt. Nicht ohne
Ironie verursacht der Künstler Störungen in denjenigen Räumen, die in der Architekturrezeption als
tadellos gelten. Die Komponenten der zeitlichen Veränderung und der Zufälle wurden im Diskurs der
Moderne kaum mitgedacht. Beide Aspekte manifestieren sich auch in Alcaides Umgang mit
Materialien und Objets trouvés wie dem eisernen Portal – einer ‚forma perdida’. Der ursprünglichen
Funktion entbunden, zeugt das inzwischen nutzlose und überflüssige Portal, das Alcaide in einem
Barrio in São Paulo gefunden hat, von den Zufällen und Veränderungen städtischen Lebens. Es sind
diese Phänomene der Metamorphosen, die den Künstler veranlassen zurückgelassene Materialien –
seien es alte Verpackungen oder Mobiliar – zu sammeln, zu bemalen und/oder zu manipulieren und
hiermit eine neue Sinngebung zu bewirken.
Muriel Pérez - Februar 2015
Ricardo Alcaide:
Geboren 1967 in Caracas, Venezuela. Verschiedene Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. Museo de Arte Contemporáneo
Caracas, National Portrait Gallery London, Barbican Centre London, Galeria Pilar São Paulo, Baró Galeria São Paulo, Arróniz
Arte Contemporáneo Mexiko, Kubik Gallery Porto, Alejandra Von Hartz Gallery Miami. Seine Werke befinden sich u.a. in der
Colección Fundación Cisneros Caracas, Sayago & Pardon Collection Los Angeles LIMAC Museo de Arte Contemporáneo
de Lima. Ricardo Alcaide lebt und arbeitet in São Paulo.
Rafael Pérez:
Geboren 1938 in Montalbán Venezuela, gestorben 2001 in Zürich. Verschiedene Einzel- und Gruppenausstellungen u.a.
Museo de Arte La Rinconada Caracas, Galería Arte Hoy Caracas, Galería El Espejo Valencia Venezuela, Museum zu
Allerheiligen Schaffhausen, Museo de Arte Moderno Mérida Venezuela, Galleria d'Arte Fumagalli Bergamo, Stampa Galerie
Basel. Seine Werke befinden sich u.a. im Haus Konstruktiv Zürich, Kantonssammlung Thurgau, Schaffhausen und Zürich,
UBS Art Collection, Museo de Arte Ciudad Bolivar Venezuela, Museo de Arte de la Rinconada Caracas, Museo de Arte
Moderno Mérida Venezuela.
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