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Februar 2015 wissenschaft & Praxis Teams und Trainings - was gute Zusammenarbeit ausmacht! C r e w r e s o u r C e m a n ag e m e n T wenn Teamtraining helfen kann, leben zu schützen Te amwork warum es nicht immer „ich“, sondern auch mal „wir“ heißen sollte simul aTor-Tr aining Universität Duisburg - Essen inTerView mit ralf Hinkel: nicken als Feedback klappt nicht Dr. Vera Hagemann, Daniel Veutgen, Lea Parker, Peter Hansen, Lucas Coerdt, Lydia Penkert, Annalena Wiegandt, Fabian Noll, Katharina Sobanski, Tina Hees, Ann-Kathrin Kunze, und Nathalie Dittrich Editorial Editorial Lieber Leserinnen und Leser! Was verstehen Sie unter einem Team? Oder unter Teamwork? Und wie soll man das Ihrer Meinung nach trainieren? Zumindest zu den Begriffen Team und Teamwork kennt sicherlich jeder den einen oder anderen Spruch. Beispielsweise Umdeutungen wie TEAM = Toll, Ein Anderer Macht‘s oder Teamwork = Ich Team, Du Work. Oder allgemeine Aussagen wie Never change a winning Team. Halford E. Luccock hat einmal gesagt „Niemand kann eine Sinfonie flöten. Es braucht ein Orchester, um sie zu spielen“. Und ein Sprichwort aus der Mongolei lautet Mit einer Hand lässt sich kein Knoten knüpfen. Bei so vielen Weisheiten aus dem Volksmund scheint es schwer, den Durchblick zu behalten. Aber allzu sehr wollen wir dieses Durcheinander hier im Editorial noch nicht aufklären – lesen Sie auf den nächsten Seiten lieber selbst. So viel verraten wir hier aber bereits gerne: Teams sind nicht gleich Teams. Die Ziele eines Teams hängen mit seinem Aufgabenbereich zusammen. In diesem Heft widmen wir uns besonders Hoch-Risiko Bereichen, wie z.B. der Feuerwehr oder der Polizei, der Luftfahrt oder der Medizin. Branchen, die eine große Verantwortung für sich und andere tragen. Und das Training? Nun, da geht es nicht um die Optimierung von beispielsweise Work-Out Plänen wie im Sport. Training versucht immer eine Verbesserung oder eine Veränderung zu erzielen. In Bezug auf Teams und Teamwork bedeutet das also: Wie kann Wissenschaft & Praxis Februar 2015 ein Team effektiver zusammenarbeiten? Wie kann es erfolgreicher sein? Und wenn wir Bereiche mit viel Risiko und Verantwortung betrachten: Wie kann ein Team seine Gefahren- und (menschlichen) Fehlerquellen minimieren? Wenn wir über die letzte Frage sprechen kommen wir am sogenannten Crew-Resource-Management nicht vorbei. Eine Trainingsmethode, speziell für Teams, die hohes Risiko oder große Verantwortung haben. Wie ein solches Training aussieht und was seine Schwerpunkte sind, können Sie ebenfalls in dieser Zeitschrift lesen. Gutes Teamwork ist wichtig. Wir hoffen Sie können einiges von dem, was Sie hier erfahren, auch für sich selbst nutzen und in die Praxis umsetzen. Denn: „Schlechtes Teamwork ist, wenn aus einer To-Do Liste eine „Tu-Du-Liste“ wird“. (Stefan Orac) Im Rahmen unseres Praxisprojektes „Wissenschaft praxistauglich aufbereitet“ haben wir uns von Oktober 2014 bis Februar 2015 unter der Leitung von Frau Dr. Vera Hagemann diesen facettenreichen Themen gewidmet. Wir, das gesamte Team, wünschen Ihnen nun viel Spaß und neue Eindrücke beim Lesen. 3 Inhalt Was steckt drin? Teamwork im Wandel der Zeit S. 6 Kernkompetenzen guten Teamworks - Warum es nicht immer „ich“, sondern auch mal „wir“ heißen sollte S. 9 Die effektive und produktive Arbeit in jedem Unternehmen hängt nicht nur von der Qualifikation des Personals oder der gewählten Unternehmensstrategie ab, sondern allem voran auch vom Aspekt des Teamworks. Vier Augen sehen mehr als zwei, und sechs Augen sehen mehr als vier. Vor allem in Hochrisikosituationen ist dies oftmals der entscheidende Faktor sicheren Handelns. Ebola im Ruhrgebiet - Was wäre wenn? S. 14 Teamwork und kulturelle Unterschiede S. 18 Es gab ein Kommunikationsproblem! Wird Kommunikation unterschätzt? S.20 Alles Käse ohne Teamwork S. 26 Check UP - kurzer Kommunikationstest S. 30 Comic S.31 Siehst du das denn genauso? S. 32 Teamtraining? Ja aber richtig S. 36 Fakten, Fakten, Fakten S. 48 Von der Technik zum Menschen S. 50 4 Inhalt Crew Resource Management S. 54 Das Fliegen zählt zu den sichersten Transportmitteln weltweit. Der Grund dafür ist nicht nur der technische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte. Die Luftfahrt gilt als Vorreiter auf dem Gebiet des Trainings nicht-technischer Skills, also Fertigkeiten teamarbeitsbezogener Natur. Dadurch sollen Unfälle, bei denen menschliche Fehler eindeutig als Ursache identifiziert werden können, verhindert werden und die geringe Anzahl an Unfällen soll möglichst gering gehalten werden. Kraftwerksimulatoren - bloß eine teure Spielerei? S. 68 Weitere Anwendungsgebiete von CRM S. 72 Die Zukunft von CRM! S. 76 Interview: Nicken als Feedback klappt nicht S. 82 Wir sprachen mit Ralf Hinkel über Simulatortraining, Debriefing und Kommunikation im Cockpit. Er ist ehemaliger Berufsoffizier und F4-Jetpilot der deutschen Luftwaffe, arbeitet als ziviler Fluglehrer (Civil Instructor) und Waffenlehrer mit dem Eurofighter Simulator in Nörvenich und ist Trainer sowie Assessor für Crew Resource Management (CRM). Er ist für die Erstellung von Eurofighter Simulator Datenbasen zuständig, bildet die Piloten in der Systemnutzung des Flugzeugs aus, entwickelt und evaluiert Taktiken der Waffennutzung und überwacht die Tätigkeiten der Piloten während der Simulatorsessions. Kreuzworträtsel S. 88 Interview: Blick über den großen Teich S. 90 Veranstaltungskalender S. 94 Buchempfehlungen S. 96 Lösungen des Kreuzworträtsels und des Kommunikationstests & Impressum S.100 Wissenschaft & Praxis Februar 2015 5 Teamwork im Wandel der Zeit Teamwork im Wandel der Zeit Wie die Evolution uns zu Teamplayern machte Erdmännchen-ähnlichen Säugetiere rennen dicht an dicht in kleinen Grüppchen in ihren Bau. Der Raubvogel wiederum geht leer aus. Abbildung 1: Zwergmangusten stellen sich aufrecht hin, um nach Feinden Ausschau zu halten Während die anderen Zwergmangusten jagen und fressen, steht eine von ihnen aufrecht da und guckt die ganze Zeit hektisch um sich. Plötzlich nähert sich ein Raubvogel. Die aufrecht stehende Zwergmanguste schlägt Alarm und die 6 Zwergmangusten haben es nicht immer einfach. Sie haben eine kleine Körpergröße und werden aus der Luft, wie auch vom Boden von Feinden gejagt. Nähert sich ein Feind, besteht ihre einzige Überlebenschance darin, rechtzeitig in ihren Bau zu flüchten. Ob sie dies schaffen hängt davon ab, ob sie den Feind rechtzeitig erkennen, denn da die Feinde zumeist schneller sind, als die Zwergmangusten, brauchen jene stets einen gewissen Vorsprung, um am Leben zu bleiben. Doch wie schaffen die Zwergmangusten es, trotz der schweren Umstände am Leben zu bleiben? Sie schließen sich zu Gruppen zusammen. So lange die Zwergmangusten sich außerhalb ihres Baus befinden, um zu jagen oder zu fressen, übernimmt ein Tier die Rolle des Wächters, um rechtzeitig vor Angreifern zu warnen. In regelmäßigen Abständen wird der Wächter von einem anderen Tier in der Gruppe abgelöst. Greift dann tatsächlich ein Feind an, versuchen die Zwergmangusten dicht an dicht mit ihren Artgenossen zu flüchten. Dadurch steigt die individuelle Überlebenschance, da der Angreifer sich nicht auf ein einzelnes Tier konzentrieren kann. Teamwork lohnt sich also für die Zwergmangusten. Dabei gilt: Je größer die Gruppe, desto größer die Überlebenschance. So werden z.B. Gruppen von Zwergmangusten im Schnitt gleich häufig von Raubvögeln gestört, jedoch kommt es bei kleineren Gruppen drei Mal so häufig zu einem tatsächlichen Angriff (der Raubvogel greift also tatsächlich an, anstatt z.B. nur bedrohlich über der Gruppe zu kreisen). Bei kleineren Gruppen ster- Teamwork im Wandel der Zeit ben 2/3 der Jungtiere innerhalb der ersten 4 Monate, was sicherlich auch eine Folge der vermehrten Angriffe ist. Dies führt dazu, dass alle kleineren Gruppen mit weniger als fünf Mitgliedern innerhalb von drei Jahren ausgelöscht werden1. Altruismus – weil selbstloser Einsatz sich manchmal lohnen kann Während der Wächter einer Zwergmangustengruppe lediglich eine Warnung von sich gibt, wenn sich ein Feind nähert, schreiten die Arbeiterinnen der Gattung der in Südostasien angesiedelten Camponotus saundersi Ameisen direkt zur Tat. Sie stürzen sich auf den Feind und platzen. Der Angreifer wird dadurch von einem klebrigen Sekret überschüttet. Der jeweiligen Ameisenarbeiterin scheint die Aktion erst mal wenig zu bringen, denn sie stirbt bei diesem Abwehrversuch. Ihrer Ameisenkolonie kann sie so jedoch das Leben retten. So ein selbstloses Verhalten zum Vorteil anderer nennt man Altruismus. Doch was bringt einem das? Erklären lässt sich dieses Verhalten durch die sogenannte Verwandtenselektion. Gene werden über die eigene Fortpflanzung, sowie auch über die Fortpflanzung von Verwandten, weiter gegeben. Altruismus lohnt sich also, wenn dadurch mehr der eigenen Gene in die nächste Generation kommen, als durch die eigene Fortpflanzung. Übernehmen die Arbeiterinnen die gefährlichen Arbeiten und unterstützen die Ameisenkönigin bei der Brutaufzucht, kann die Königin mehr nachkommen zur Welt bringen. Man spricht auch von indirekter Fitness2. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Abbildung 2: Schimpansen sind uns Menschen in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich Rangordnung – weil jeder seinen festen Platz hat Wie man bereits bei den Ameisen erkennen kann, steht die Königin über den Arbeiterinnen. Noch besser lässt sich dies bei unseren Verwandten, den Schimpansen, erkennen. In Schimpansengemeinschaften hat jeder seinen festen Platz in der Gruppe, es gibt also eine Rangordnung mit dem Alpha-Männchen an der Spitze. Charakteristisch für eine Rangordnung ist, dass ranghöhere Tiere rangniedere dominieren. So hat das Alpha-Männchen z.B. einen besseren Zugang zu Ressourcen, wie Nahrung, als das Beta-Männchen. Fühlt sich ein anderes Männchen dem Alpha-Männchen überlegen, kommt es zu einem Rangkampf, der entscheidet wer von den Beiden nun das Alpha-Männchen bleibt bzw. sein wird. Auffällig ist jedoch, dass es solche Rangordnungen in der Regel nur bei den Männchen gibt. Bei Weibchen fehlen Rangstrukturen zumeist. Auch gibt es bei Schimpansen etwas, was essenziell für ein gutes Miteinander ist und zeigt, wie „menschlich“ die Schimpansen doch sind: die Versöhnung. Der Affenforscher F. De Waal berichtet, dass nach 40% aller aggressiven Begegnungen, wie z.B. Rangkämpfen, Schimpansen spätestens nach einer halben Stunde Kontakt zu ihrem Gegner aufnehmen, um sich zu versöhnen. Dabei wird dem Gegner die ausgestreckte, nach oben offene Hand entgegengehalten. Gibt es Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme der beiden Gegner, kann ein Weibchen zwischen den beiden vermitteln. Versöhnung und Konfliktvermeidung sind also bereits zentraler Bestandteil von Schimpansengemeinschaften. Doch wozu gibt es überhaupt die Rangordnung? Für die Gruppe an sich bringt sie in Wahrheit keinen Vorteil, sehr wohl aber für die einzelnen Individuen einer Gruppe, da so z.B. schwächere Tiere vom starken Alpha-Männchen beschützt werden können3. Was bedeutet das für uns Menschen? Auch Menschen befinden sich, wie ihre tierischen Verwandten, meist in Gruppen. In vielen Bereichen lässt sich sogar eine Rangordnung erkennen, wie z.B. in der 7 Teamwork im Wandel der Zeit Medizin, wo es den/die Chefarzt/ ärztin an der Spitze gibt, gefolgt von den Oberärzten/innen, den Fachärzten/innen und den Assistenzärzten/innen. Doch Gruppen bei Menschen, bzw. Teams, unterscheiden sich von den Gruppen in der Tierwelt. So schreiben Hitzler und Pfadenhauer: „Der »Sprung« aus der [...] Metaphorik der Biologie der »Gemeinschaft« in die Gemeinschaft als einer Form menschlicher Sozialität setzt Lebewesen voraus, die sich nicht nur (instinktiv) verhalten, sondern die Handlungsprobleme haben – also Akteure.“4 Menschen tun sich also in Teams zusammen, um Probleme zu lösen. War es früher die Arbeitsteilung als Jäger und Sammler, ist es heute das Retten von Menschenleben bei einem Feuerwehreinsatz. Doch noch eine Sache unterscheidet menschliche Teams von den tierischen: Die Kultur. Wieso haben z.B. Menschen unterschiedlicher Kulturen ein unterschiedliches Essverhalten? Die einen ekeln sich vor Käfern, für die anderen ist es eine Delikatesse. Die einen essen Schweinefleisch und für die anderen ist es ein Tabu. Auch dies hängt mit unserem Gruppenverhalten zusammen bzw. der Art, wie wir in Gruppen lernen. So spricht man von der sogenannten kulturellen Evolution als „Weitergabe erworbener Fähigkeiten von Generation zu Generation, das Kopieren von Verhalten von Vorbildern, Lernen und Lehren.“5 Man kann also zusammenfassen, dass der Zusammenschluss zu Gruppen bzw. Teams über die Evolution hinweg viele Vorteile mit sich gebracht hat. Der Mensch hat zahlreiche Merkmale aus dem Tierreich übernommen und diese verfeinert, was es ihm ermöglicht 8 hat das Unmögliche möglich zu machen. Herztransplantationen, die Beförderung hunderter von Menschen in einem Airbus A380 oder die Rettung eines Säuglings aus einem brennenden Gebäude. All das würden wir im Alleingang niemals schaffen. 1 Bickel, H., Eckebrecht, D., Krull, H., Loth, U. & PonzelarWarter, E. (1997). Vor- und Nachteile des Zusammenlebens. In H. Bickel, D. Eckebrecht, H. Krull, U. Loth & E. Ponzelar-Warter (Hrsg.), Natura – Neurobiologie und Verhalten (S.124-125). Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH. 2 Markl, J., Gemballa, S., Heinze, J., Kronberg, I., Michiels, N., Paulsen, H., Schmid, U., Stöcker, W. & Strauss, R. (2010). Selbstloses Verhalten kann die Gesamtfitness erhöhen. In J. Markl, S. Gemballa, J. Heinze, I. Kronberg, N. Michiels, H. Nathalie Dittrich Paulsen, U. Schmid, W. Stöcker & R. Strauss (Hrsg.), Markl Biologie (S. 466). Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH. 3 Bickel, H., Eckebrecht, D., Krull, H., Loth, U. & PonzelarWarter, E. (1997). Rangordnung. In H. Bickel, D. Eckebrecht, H. Krull, U. Loth & E. Ponzelar-Warter (Hrsg.), Natura – Neurobiologie und Verhalten (S.130-131). Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH. 4 Hitzler, R. & Pfadenhauer, M. (2006). Die Ökonomisierung der Produktion von Gemeinschaft. In K. S. Rehberg (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel. Frankfurt am Main : Campus Verl. 5 Markl, J., Gemballa, S., Heinze, J., Kronberg, I., Michiels, N., Paulsen, H., Schmid, U., Stöcker, W. & Strauss, R. (2010). Kulturelle Evolution ermöglicht es, Erfahrungen weiterzureichen und zu optimieren. In J. Markl, S. Gemballa, J. Heinze, I. Kronberg, N. Michiels, H. Paulsen, U. Schmid, W. Stöcker & R. Strauss (Hrsg.), Markl Biologie (S. 305). Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH. Kernkompetenzen guten Teamworks Kernkompetenzen guten Teamworks – Warum es nicht immer „ich“, sondern auch mal „wir“ heißen sollte Die effektive und produktive Arbeit in jedem Unternehmen hängt nicht nur von der Qualifikation des Personals oder der gewählten Unternehmensstrategie ab, sondern allem voran auch vom Aspekt des Teamworks. Vier Augen sehen mehr als zwei, und sechs Augen sehen mehr als vier. Vor allem in Hochrisikosituationen ist dies oftmals der entscheidende Faktor sicheren Handelns. Was ist ein Team? Ideen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und einander auf die Sprünge zu helfen, für alle diese Sachen braucht man jemanden an seiner Seite, jemanden der hinter einem steht und der einen unterstützt. Genauso sollte es natürlich auch in die entgegengesetzte Richtung funktionieren, dann ist man ein Team. Doch wie kann man Team definieren? Was ist der Kern eines Teams? „Teams sind heutzutage ein wichtiger Bestandteil vieler unterschiedlicher Organisationen“1,S.23, daher ist es relevant genau zu definieren was ein Team ausmacht. Eine Definition stellt diese dar, welche ein Team als „… a set of Wissenschaft & Praxis Februar 2015 two or more individuals who interact interdependently and adaptively towards a common goal or objective. In addition, team members have specific roles or functions, and the life span of membership is limited“2 ,S.83 beschreibt. Welche Arten von Teamwork gibt es? In der Praxis lassen sich verschiedene Arten von Teamwork identifizieren (siehe unten „Team ist nicht gleich Team“), deren Erfolgsfaktoren in der Wissenschaft mit Hilfe unterschiedlicher Modelle reflektiert wurden. Eines dieser Modelle stellt das so genannte Big-Five-Modell dar3. Die Big Five für Teamwork be- schreiben die fünf wesentlichen Kernkomponenten des erfolgreichen Teamworks. Hierzu zählen die Teamführung, gegenseitige Erfolgskontrolle, unterstützendes Verhalten, sowie Anpassungsfähigkeit und Teamorientierung. Als Führungsperson kann man die Aktivitäten der anderen Teammitglieder leiten und koordinieren und ihre Leistung bewerten. Auch ist man verantwortlich für die Atmosphäre im Team, so liegt es z.B. im Aufgabenbereich der Führungsperson, die anderen Teammitglieder zu motivieren. Sie weist den anderen Mitgliedern Aufgaben zu und ist gleichzeitig auch erste Ansprechperson bei Fragen und Problemen. 9 Kernkompetenzen guten Teamworks Aufgrund der Wichtigkeit der Führungsperson ist die Teamführung eine der Komponenten der Big Five für erfolgreiches Teamwork. Doch natürlich kann die Führungsperson nicht alles selber machen, denn dann würde es sich hierbei auch nicht um ein Team handeln. So überprüfen sich alle Teammitglieder auch gegenseitig. Es ist äußerst wichtig, dass die Teammitglieder ein Grundverständnis des Umfelds im Team bekommen, sodass sie angemessene Strategien zur Aufgabenbewältigung entwickeln und sich gegenseitig beobachten, nicht im Sinne der Überwachung, sondern im Sinne des Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung. Denn vier Augen sehen ja bekanntlich mehr als zwei. Natürlich ist es auch wichtig auf die Hilfe und die Tipps der anderen Gruppenmitglieder einzugehen und kritikfähig zu sein. Die gegenseitige Erfolgskontrolle ist somit wichtig, um den Erfolg des Teams zu unterstützen. Im Team muss man sich aufeinander verlassen können. Gleichzeitig muss man auch einen Sinn dafür entwickeln, welche Bedürfnisse die einzelnen Gruppenmitglieder haben, um sich gegenseitig unter die Arme greifen zu können. Ein Beispiel hierfür ist die faire Verteilung von Aufgaben, vor allem während stressiger Phasen, in denen alle Gruppenmitglieder unter großem Druck arbeiten müssen. Teammitglieder sollten sich somit gegenseitig in ihren Aufgaben unterstützen, um das beste Ergebnis zu erzielen. Das unterstützende Verhalten ist demnach auch ein wichtiger Aspekt der Big Five. Auch in einem fremden Umfeld sollte man Strategien entwickeln können, die Aufgaben, z.B. durch Umverteilung der Ressourcen im 10 Team, zufriedenstellend zu bewältigen. Alle Teammitglieder und somit das gesamte Team sollten anpassungsfähig sein. Bei einer Veränderung der Gegebenheiten sollten die Handlungsstrategien und Aufgaben angepasst werden. Anpassungsfähigkeit ist somit der vorletzte Punkt der Big Five. Eine zentrale Komponente wurde bis jetzt noch nicht beachtet. Jeder weiß, dass ein Team effektiver zusammen arbeitet, wenn ein sogenanntes „wir-Gefühl“ da ist. Dies ist erreicht, wenn man sich in Diskussionen z.B. ausreden lässt und sachlich auf die Punkte der Anderen eingeht. Blüht ein Gruppenmitglied in seinem Team regelrecht auf und stellt die Ziele des Teams über seine persönlichen Ziele, so ist dieses Gruppenmitglied im Team angekommen und das „wir-Gefühl“ perfekt. In der Big Five bezeichnet man diese Komponente als Teamorientierung, weil man seine Orientierung bzw. seinen Platz im Team gefunden hat und somit produktiv auf die Ziele des Teams hinarbeiten kann. An dieser Stelle ist das Modell jedoch noch nicht abgeschlossen, denn um den Erfolg des Teams zu garantieren, bedarf es noch dreier sogenannter koordinierender Mechanismen. Der erste dieser Mechanismen besteht aus geteilten mentalen Modellen. Kooperative Zusammenarbeit erfordert ein geteiltes allgemeines Verständnis seiner Umwelt im Team. Auf Basis dieses geteilten Verständnisses können nun Entscheidungen getroffen werden. Dabei wird unterschieden zwischen Team-bezogenen mentalen Modellen und Aufgaben-bezogenen mentalen Modellen. Während sich die Team-bezogenen menta- len Modelle auf die Funktion des Teams und die zu erwartenden Verhaltensweisen beziehen, beinhalten Aufgaben-bezogene mentale Modelle Informationen bezüglich der benötigten Materialien oder den Zusammenhang in dem diese Materialien genutzt werden sollen. Der nächste Mechanismus, der ebenfalls essentiell für ein gelungenes Teamwork ist, ist das gegenseitige Vertrauen. Man vertraut darauf, dass die anderen Teammitglieder ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllen und die Interessen der anderen Mitglieder vertreten. Hierzu gehört auch, dass man bereit ist mit den Anderen Informationen zu teilen und auch Fehler eingesteht. Der letzte wichtige Mechanismus für erfolgreiche Teamarbeit ist eine geregelte Kommunikation. Ohne effektive Kommunikation kann ein Team nicht funktionieren. Es muss sichergestellt werden, dass eine Information vom/von der Sender/ in an den/die Empfänger/in gelangt. Alles andere würde zu einer Fehlkommunikation und somit zu einem Problem führen (weitere Informationen zu Kommunikation finden Sie im Text „Es gab ein Kommunikationsproblem! Wird Kommunikation unterschätzt?“ auf S.20). Ohne eine enge Kommunikation ist die Sicherheit des Informationsflusses nicht gewährleistet und somit der Teamerfolg gefährdet. Thomas Wessel von der Feuerwehr Dortmund (siehe S. 15) weiß worauf es bei gutem Teamwork ankommt: „Kommunikation ist [eine] der elementaren Sachen“, beteuert er. Nicht immer besteht dabei die Kommunikation aus Worten. Angenommen jemand wird mit dem Rettungswagen in Kernkompetenzen guten Teamworks ein Krankenhaus gebracht. Nicht jeder/jede Arzt/Ärztin wird die Zeit haben sich alles Wichtige von den Rettungssanitätern anhören zu können und selbst wenn, kann es vor allem an einem stressigen Arbeitstag schnell mal passieren, dass man die Informationen, seien sie noch so wichtig, doch vergisst, oder falsch versteht. Um dieser Problematik entgegen zu wirken, muss alles genauestens dokumentiert werden. Wessel erklärt: „Wenn im Nachgang, also [zu] Sachen 3-4 Wochen später noch einmal eine Nachfrage kommt, [...] was ist denn da genau gewesen?“ Daher, so Wessel, zählt der Grundsatz: „Alles was da nicht genau dokumentiert ist, zählt im Prinzip auch nicht.“ Welche Faktoren entscheiden über gutes Teamwork? Ein geeignetes Modell, um die Einflussfaktoren auf den Prozess und die Ergebnisse der Teamarbeit zu erklären bzw. zu beschreiben ist das Input-Prozess-Output (IPO) Modell von J. E. McGrath4. Dieses IPO-Modell sagt aus, dass der Erfolg eines Teams bzw. des- sen Leistung hauptsächlich davon abhängt welche Faktoren das Team Eingangs beeinflussen (Input). Zudem sind die Prozesse in der Teamarbeit relevant, die die Effekte des Inputs auf den Output moderieren. Diese Teile des Modells können als drei Phasen angesehen werden (siehe Abbildung 1). Der eingebrachte Input in die Teamarbeit besteht aus verschiedenen Faktoren, welche je nach Ausprägung (positiv oder negativ) darüber entscheiden, wie erfolgreich die Teamprozesse ablaufen können, bevor im Anschluss daran ein Output entsteht. Zu diesen Input-Faktoren zählen hauptsächlich die individuellen Faktoren der einzelnen Teammitglieder, die Gruppenfaktoren und die Umwelt-/Organisationsfaktoren. Bei den individuellen Faktoren handelt es sich um Faktoren, die die individuelle Person bedingen und beschreiben, wie zum Beispiel seine Einstellungen und seine Persönlichkeit. Die Gruppenfaktoren betreffen die gesamte Gruppe. Hierzu zählen z.B. die Gruppengröße, das Gruppenziel und die Gruppenzusammenstellung. In diesem Zusammenhang lassen sich die oben genannten „Big 5“ einordnen, da anhand der Teamführung, der gegenseitigen Erfolgskontrolle, dem unterstützenden Verhalten, der Anpassungsfähigkeit sowie der Teamorientierung bestimmt wird, inwieweit die Gruppenfaktoren miteinander agieren. Die Umwelt- und Organisationsfaktoren beschreiben alle Faktoren die von außen an das Team herangetragen werden und somit deren Arbeit beeinflussen. Die Aufgabe an sich oder das Trainingssystem sind hierfür geeignete Beispiele. In der nächsten Phase finden die Teamprozesse und die hauptsächliche Interaktion des Teams statt. Hier geht es unter anderem darum auf welche Art und Weise kommuniziert und koordiniert wird, aber auch in welchem kognitiven und gefühlsbetonten Zustand die Mitglieder des Teams sich befinden. Hier lassen sich unter anderem die koordinierenden Mechanismen, also die geteilten mentalen Modelle, das gegenseitige Vertrauen sowie die strukturierte Kommunikation einordnen, welche dafür sorgen, dass die Teamprozesse ohne weitere Hindernisse erfolgen können. Diese beiden ersten Phasen und Abbildung 1: Input-Prozess-Output-Modell der Teamleistung Wissenschaft & Praxis Februar 2015 11 Kernkompetenzen guten Teamworks ihre Beziehungen untereinander entscheiden über die letzte Phase, den Output. Hier geht es um die jeweilige Ausprägung der Ergebnis-Faktoren, wie zum Beispiel die Arbeitszufriedenheit oder die Effektivität der Teamarbeit. Trainings von HRTs zielen bspw. darauf ab die Kommunikation sowie Koordination für den Ernstfall zu trainieren. Das Ziel ist, dass die Teams auch in Stresssituationen Fehlern in der Arbeit vorbeugen und erfolgreich zusammen arbeiten. Team ist nicht gleich Team Wird in der Wissenschaft ein Team beschrieben oder von Teamwork gesprochen, ist es sehr wichtig, dass Unterscheidungen vorgenommen werden. Eine bestimmte und wichtige Art von Teams stellen die HRT’s – High Responsibility Teams dar. Wieso „High Responsibility“? Ganz einfach: Diese Teams sind „diejenigen, die mit ihrem Handeln und dessen Konsequenzen eine hohe Verantwortung für das Leben und die Gesundheit von Menschen und für den Schutz der Umwelt tragen.“1 S. 17 Diese Teams mit offensichtlich großer Verantwortung lassen sich im Alltag in verschiedenen Bereichen finden: So sind Organisationen wie die Berufsfeuerwehr, die Polizei oder Energiekonzerne, welche mit Kernenergie arbeiten als „High Reliability Organizations“ (HROs)5 zu sehen, in denen wiederum „HRT’ s“ arbeiten6. Die Aufgaben von HRTs sind so vielschichtig und unterschiedlich, dass es nahezu unmöglich erscheint diese zu skizieren oder 12 festzulegen. Doch einige Aspekte haben alle HRTs miteinander gemein: So muss ein jedes HRT in der Lage sein den aktuellen Zustand des Teams zu überblicken und jegliche gesammelte Hintergrundinformation über das Geschehen innerhalb des Teams mitteilen. Dieser Informationsaustausch ist als obligatorisch anzusehen, um nicht nur vergangene Situationen nachzuvollziehen, sondern auch um diese in der gegenwärtigen und in zukünftigen Situationen zu benutzen um mögliche Fehler zu vermeiden, oder die allgemeine Leistung des Teams zu steigern. Die Mitglieder von HRTs müssen außerdem in jeder Situation diese fokussieren und den nötigen Handlungsbedarf schnell überblicken7,8,9. Mit Blick auf dieses differenzierte Aufgabenfeld drängt sich nun die Frage auf, welche Charakteristika eine Person erfüllen sollte um ein geeignetes Mitglied für ein HRT darzustellen. Hier steht nicht etwa das jeweilige medizinische, technische oder juristische Fachwissen der Mitglieder einer Einheit im Vordergrund. Die nicht-technischen Fertigkeiten wie das Verarbeiten von Zeitdruck und Ungewissheit1,S.18 und eine teamfördernde Art der Kommunikation, sowie eine dem Team angemessene hierarchische Struktur bedingen meist die Effizienz und die Leistung des Teams. In der Realität gibt es viele Beispiele für die Wichtigkeit einer Hierarchie im Team aber genauso für eine ausgeglichene und angemessene Zusammenarbeit. Im Interview mit dem Hygienebeauftragten der Feuerwehr Dortmund, Thomas Wessel, sagte er zu diesem Thema: „Die [Menschen in der Desinfektion] verlassen sich dann genau darauf, dass die Maßnahmen, die jetzt vorgegeben werden durch den Desinfektor eben dann auch tatsächlich stimmig und mit den Vorgaben aus Recht und Gesetz oder auch mit technischen Regeln konform sind. Diese Maßnahmen müssen dann richtig umgesetzt werden, das heißt es ist dann wieder so ein Wechselspiel“ (Interview Feuerwehr Dortmund). Ein Wechselspiel im Team und ein wichtiges Verlassen-Können auf die nächste Ebene in der Hierarchie des Team stehen also in solchen Notfällen im Vordergrund um Katastrophen zu verhindern. Ein Wechselspiel, welches auch das Interview mit einem leitenden Oberarzt in einer Duisburger Klinik hervorgeht. So erklärte dieser im Zusammenhang mit dem nötigen zurechtfinden in einem neuen Team (hier: im Team des Schockraums der Klinik): „Wenn er zum ersten Mal im Schockraum mitmacht. Aber auch der hat dann eine Anästhesiepflegekraft dabei, die schon längere Zeit im Haus ist. Es sind immer Ältere im Team dabei, die die neuen anleiten“ (Interview BGU). Der Informationsaustausch und das unterstützende Miteinander sind offensichtlich unabdingbare Faktoren für das Funktionieren des Teams. Der große Unterschied zwischen HRTs und klassischen Teams ist der Grad der Verantwortung die das jeweilige Team trägt. Mitglieder von HRTs tragen eine hohe Verantwortung für das Leben anderer Personen, aber auch für ihr eigenes Leben. Im Fall eines z.B. misslungenen Einsatzes müssen sie die psychischen und physischen Konsequenzen ihrer Handlungen Kernkompetenzen guten Teamworks für sich selbst oder Dritte tragen. Außerdem ist ein HRT in der Regel gezwungen eine angefangene Aufgabe zu vollenden. Nebensächlich ist dabei die Befindlichkeit der Mitglieder, da es oftmals darum geht das Leben eines oder mehrerer Menschen zu retten. Innerhalb eines klassischen Teams ohne diesen hohen Grad an Verantwortung sind Pausen und Arbeitsunterbrechungen, ohne große Konsequenzen befürchten zu müssen, möglich. Die Mitglieder von HRTs stehen, vor allem in kritischen Situationen, unter starkem psychischem und oft auch physischem Leistungsdruck1 (S. 27). unter der Leitung einer Führungsperson. Diese kann, in Abhängigkeit von vielen Faktoren, den Weg für den Erfolg des Teams ebnen. In der Teamarbeit kommt es dabei auf jede einzelne Person an, dass diese ihre Fertigkeiten und Ressourcen in die gemeinsame Arbeit einbringt. Teamwork ist das Arbeitsmodell der Zukunft, denn gemeinsam schafft man mehr, als allein! 1 Hagemann, V. (2011). Trainingsentwicklung für High Responsibility Teams. Lengerich: Pabst Science Publishers. 2 Cannon-Bowers, J. A. & Salas, E. (1998). Team Performance and Training in Complex Environments: Recent Findings From Applied Research. Current Directions in Psychological Science, 7(3), 83-87. 3 Salas, E., Sims, D. E., & Burke, C. S. (2005). Is there a „Big Five“ in teamwork ? Small Group Research, 36 (5), 555-599. 4 Hackman, J. R. (1987). The design of work teams. In J. W. Lorsch (Hrsg.), Handbook of organizational behavior. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall. 5 Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M. (2003). Das Unerwartete mana- Lea Parker und Annalena Wiegandt gen. Stuttgart : Klett-Cotta. 6 Hagemann, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2011). High Responsibility Teams - Eine systematische Analyse von Teamarbeitskontexten für einen effektiven Kompetenzerwerb. Psychologie des Alltagshandelns, 4(1), 22-42. 7 Endsley, M. R. & Bolstad, C. A. (1994). Individual differences in pilot situation awareness. The International Journal of Aviation Psychology, 4(3), 241-264. 8 Badke-Schaub, P. (2008). Handeln in Gruppen. In P. Bad- Teamwork in der Praxis ke-Schaub, G. Hofinger & K. Lauche (Hrsg.), Human Factors: Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen (S. 114-130). Teamwork kommt praktisch überall vor, doch es gibt Arbeitsbereiche, in denen Teamwork unabdingbar ist. Thomas Wessel weiß: „Ich glaube bei der Feuerwehr würde grundsätzlich gar nichts funktionieren, auch im Rettungsdienst nicht, wenn Teamwork nicht ganz groß geschrieben werden würde“, denn „Teamwork ist ja auch eben nur eine Verlässlichkeit.“ Man muss auf einander bauen können und darauf vertrauen, dass das, was der/die jeweils andere macht so richtig ist. Was in diesem Fall bei der Feuerwehr funktioniert muss natürlich auch bei der Polizei, in der Luftfahrt und in der Medizin funktionieren. Viele Aufgaben sind alleine unmöglich zu meistern, doch mit einem gut geschulten Team an seiner Seite macht man das Unmögliche möglich. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. 9 Dörner, D. & Schaub, H. (1995). Handeln in Unbestimmtheit und Komplexität. Zeitschrift für Organisationsentwicklung, 3, 34-47. Zusammenfassend ist Teamwork ein Gebilde vereinter Kräfte, meist Wissenschaft & Praxis Februar 2015 13 Ebola im Ruhrgebiet Ebola im Ruhrgebiet Was wäre wenn? Ebola war bis vor kurzem noch in aller Munde. Auch wenn die Epidemie sich hauptsächlich in Westafrika verbreitet, besteht bei vielen Menschen die Sorge, jemand könnte die Krankheit nach Europa bringen. Die Wahrscheinlichkeit für einen tatsächlichen Ebola-Ausbruch in Europa ist gering, dennoch sprachen wir mit Thomas Wessel, Hygienebeauftragter bei der Berufsfeuerwehr Dortmund, über die Frage: Was wäre wenn? 14 Ebola im Ruhrgebiet Die Feuerwache 4 der Berufsfeuerwehr in Dortmund Hörde ist auf den ersten Blick ähnlich, wie jede andere Feuerwache. Immer wieder gehen Notrufe ein, die dann über Lautsprecher durch das Gelände hallen. Alle Mitarbeiter/innen wissen genau, was zu tun ist und bei welchem Notruf sie wie ausrücken müssen. Dies gilt auch für eher ungewöhnliche Notrufe. „Ein Ebola-Verdachtsfall in den städtischen Kliniken“. Thomas Wessel weiß genau, was in diesem Fall, sei er doch eher relativ unwahrscheinlich, zu tun wäre. Wann spricht man von einem Ebola-Verdachtsfall? Angenommen man würde eine kranke Person auffinden und es wäre die Vermutung da, es könnte sich um eine Ebolaerkrankung handeln, dann, so Wessel, sind 3 Punkte entscheidend: Fieberanamnese - hat der/die Betroffene über 38,5°C Fieber? -, Reiseanamnese – War der/die Betroffene in den letzten 21 Tagen in Epidemiegebieten wie Westafrika? – und die Kontaktanamnese – Hatte der/die Betroffene Kontakt zu Ebola-Patienten/ innen, Buschfleisch gegessen oder mit Fledermäusen Kontakt gehabt? Wird eine dieser Fragen mit ja beantwortet, so handelt es sich hierbei um einen Ebola-Verdachtsfall. Kann keine der Fragen beantwortet werden, da die Person nicht ansprechbar ist, oder womöglich gar kein deutsch spricht, handelt es sich ebenfalls um Ebola-Verdacht. Die Diagnose Ebola könnte man jedoch zunächst nicht aussprechen, erklärt Wessel, denn „Letztendlich belegen kann ich es nur über einen Laborbefund, und den können wir hier in Dortmund eh Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Thomas Wessel ist Hygienebeauftragter der Berufsfeuerwehr Dortmund. Zuständig ist er für den Rettungsdienst und die Feuerwehr. Herr Wessel ist 48 Jahre alt und seit 1991 im Bereich der Feuerwehr tätig. Seinen Grundlehrgang hat er bei der Feuerwehr Hamm gemacht, später ist er zur Feuerwehr Dortmund gewechselt. Hier war er zunächst als Taucher und Atemschutzgerätewart sowie beim Brandschutz und der Abwehr tätig. 2013 wechselte Thomas Wessel in den Funktionsbereich Hygiene und Desinfektion. nicht ermitteln oder durchführen.“ Das nächst gelegene Labor für die Diagnose befindet sich in Hamburg und die nächstgelegene Isolierstation mit der entsprechenden Schutzstufe befindet sich in Düsseldorf. Das Gesundheitsamt als erste Instanz Da Ebola meldepflichtig ist, würde nun das Gesundheitsamt informiert werden. „Ab dem Zeitpunkt tragen die [das Gesundheitsamt] die komplette Verantwortung dafür“, so Wessel. „Auch alle weiteren Maßnahmen legen die [das Gesundheitsamt] fest und leiten sie ein.“ Auch, wenn die Zuständigkeit dann in den Bereich des Gesundheitsamtes fällt, werden weitere Maßnahmen im Rahmen der Gefahrenabwehr durch die Feuerwehr durchgeführt, denn sämtliche Maßnahmen wurden schon im Vorfeld zusammen festgelegt. Das Gesundheitsamt sorgt für die bürokratischen Abläufe und die Feuerwehr für die Umsetzbarkeit, auch eine Form von Teamwork. Ein spezieller Rettungswagen für Infektionskrankheiten Wichtig ist in solch einem Fall natürlich auch, keine anderen Patienten/innen zu gefährden. Nicht nur bei der Krankheit Ebola ist die Einhaltung der Hygienevorschriften wichtig. Das Beispiel Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), ein weit verbreiteter Krankenhauserreger, zeigt, wie wichtig Desinfektion ist. Auch wenn MRSA im Vergleich 15 Ebola im Ruhrgebiet Abbildung 1: Von außen sieht der IRTW zunächst einmal aus, wie ein ganz normaler Rettungswagen... tionsrettungswagen der auf der Feuerwache 4 in Dortmund Hörde bei Thomas Wessel steht. Doch was macht den IRTW so besonders? Im Gegensatz zu herkömmlichen Rettungswagen sieht der IRTW recht leer aus: Eine Liege und zwei Sitzmöglichkeiten für die Helfer/ innen, außerdem ein doppelter Boden. Alle Utensilien (zB. Verbände, Decken, etc.) sind nur von außen zugänglich, damit nicht zu viele Objekte kontaminiert werden und dann womöglich entsorgt werden müssen. An dem IRTW ist also außen eine Tür, durch die man sich sämtliche Utensilien mit in den IRTW reinholen kann. Außerdem lässt sich die Tür nur von außen öffnen, nicht jedoch von innen, damit der/die Patient/in nicht auf einmal aufgrund einer Panikattacke flüchtet, da dies eine Gefahr für andere Menschen darstellen würde. Begleitet würde der Transport dieses/dieser Patienten/in von der Polizei, die auch für Absperrungsmaßnahmen verantwortlich wäre. Es muss somit interdisziplinär zusammen gearbeitet werden. Schutz vor Ansteckung auch für die Rettungshelfer/innen Abbildung 2: ...doch von innen sieht man, dass es deutliche Unterschiede gibt. zu anderen Erregern relativ banal scheint, müssen stets die richtigen Maßnahmen getroffen werden, denn Wessel weiß: „Patienten, die wir fahren, sind in der Regel dann ja krank. Haben unter Umständen schon ein geschwächtes Immunsystem, was für die dann fatale 16 Folgen haben könnte.“ Bei Ebola wäre die richtige Maßnahme zunächst einen Transportstopp zu verhängen. Auch könnte der/die Patient/in nicht einfach in einem normalen Krankenwagen abgeholt werden. Hier käme der sogenannte IRTW zum Einsatz, der Infek- Vor Ort ist es für die Helfer/innen vor allem bei einer so gefährlichen Infektionskrankheit wie Ebola wichtig, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. So müssen die Helfer/innen Schutzanzüge tragen und sollten, wenn möglich, einen Meter Abstand zu nicht, bzw. nur unzureichend geschütztem, Personal halten. Im IRTW müssen dann drei Leute mitfahren, darunter ein ausgebildeter Desinfektor, erklärt Wessel, außerdem würden noch fünf weitere Personen in einem Begleitfahrzeug mitfahren, Ebola im Ruhrgebiet um bei den Dekontaminationsmaßnahmen, wie z.B. dem Ausziehen des Schutzanzuges, zu helfen. Auch hier ist also Teamwork gefragt. Ob der Verdachtsfall begründet ist und ob überhaupt ein Transport stattfindet obliegt jedoch in Dortmund der Entscheidung des Gesundheitsamtes. „Das muss man einfach auch jeder Stadt zugestehen, dass die Vorgehens- und Verfahrensweisen dann immer unterschiedlich sind“, so Wessel. Rettungsdienst und Krankenhaus als ein Team In NRW würde man mit der erkrankten Person nach Düsseldorf fahren, dort verfügt das Universitätsklinikum über eine entsprechende Isolierstation. Deutschlandweit gibt es jedoch auch andere Krankenhäuser mit einer solchen Isolierstation, z.B. in Hamburg, Leipzig und Frankfurt. Die Zusammenarbeit zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus ist natürlich nicht nur bei Ebola entscheidend. In Dortmund wurde eigens für den Arbeitsbereich der Desinfektion ein Arbeitskreis gebildet. „Wir nennen das Qualitätszirkel. Das ist ein Zusammenschluss des Dortmunder Rettungsdienstes und der Notaufnahmen der Dortmunder Klinken.“, so Wessel. Letzten Endes, so erklärt er uns, wurde z.B. ein einheitlicher Hygieneleitbogen entworfen, um festzuhalten, welche Infektionskrankheit der/die Patient/in genau hat. Dies ist wichtig, damit solche Sachen nicht nach dem „Stille-Post-Prinzip“ weitergegeben werden. „Wenn ich das [also alles Rund um den Einsatz] nicht schriftlich festhalte und vernünftig dokumentiere, wird unter Umstän- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 den so eine Infektionskrankheit am Ende wieder eine ganz andere oder gar keine mehr sein“, erklärt Wessel. Werden Informationen also nicht richtig dokumentiert und weiter gegeben, kann es also passieren, dass wichtige Informationen für die anderen Teammitglieder verloren gehen. Bestens vorbereitet für den Ernstfall Natürlich wird, wie auf jeder Feuerwache, auch in Dortmund Hörde regelmäßig für den Ernstfall trainiert. Es gibt fest angesetzte Übungstage, die vor allem dazu dienen Stress zu reduzieren, erklärt Wessel, denn angenommen „Man hat gar nichts geübt, und irgendein Mitarbeiter X wird in so einen Anzug reingesteckt und [man] sagt: So, bleib da sitzen, bekommst gleich einen Patienten, aber du schaffst das schon. Das dauert 5 Minuten, dann kollabiert der in dem Anzug, dann weiß der nicht mehr was er machen soll.“ Ohne Training wäre der Stresspegel nämlich viel zu groß für jene/n Mitarbeiter/in. Nicht nur in Dortmund verfügt man über spezielle Möglichkeiten für die sogenannten Sonderisoliertransporte, wie z.B. bei Ebola. Allein in NRW gibt es noch weitere Wachen mit Infektionsrettungswagen in Essen, Düsseldorf und Köln. Sollte es also doch eines Tages einen Ebola-Fall geben, so sind wir in NRW darauf vorbereitet. Nathalie Dittrich 17 Teamwork & kulturelle Unterschiede Teamwork und kulturelle Unterschiede „Vérité en-deca des Pyrénés, erreur au-delá“ 1 - Blaise Pascal, 1623-62 „Es gibt Wahrheiten auf dieser Seite der Pyrenäen, die auf der anderen Unwahrheiten sind“ Während in der westlichen Welt ein nach oben ausgestreckter Daumen eine Geste ist, um mitzuteilen, dass alles gut sei, kommt derselben Geste im Iran die gleiche Bedeutung bei, wie in der westlichen Welt ein ausgestreckter Mittelfinger. Doch kulturelle Unterschiede zeigen sich nicht nur in der Verwendung von Gesten, sondern auch während einer gemeinsamen Zusammenarbeit. Lassen Sie mich im Folgenden versuchen Ihnen einen kurzen Einblick in die Auswirkungen von Kulturen auf Handlungen zu geben: Zunächst einmal geben nicht nur die individuellen Lernerfahrungen und das Vorwissen, sondern auch die kulturellen Umstände den Handlungsspielraum eines jeden einzelnen vor2. Wächst man in einer kollektivistisch geprägten Gesellschaft auf, ist es wenig wahrscheinlich einer Anweisung zu widersprechen. Der niederländische Kulturwissenschaftler Geert Hofstede erkannte fünf universell gültige Dimensionen der Kultur3. Die erste Dimension ist Individualismus oder Kollektivismus. Es beschreibt an Hand zweier Pole, wie kollektivistisch bzw. individualistisch eine Kultur ausgeprägt ist. Ein hoher Wert auf der Skala geht mit einer hohen individualistischen Ausprägung einher: Hier 18 werden besonders die Rechte des Individuums beschützt. Wichtig sind Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Eine kollektivistische Kultur zeigt hingegen ein hohes Maß an Integrierung in die Gesellschaft, so wie ein allgemein viel stärker ausgeprägtes „Wir“-Gefühl. D.h. die Ziele des Einzelnen werden denen der Gesamtheit untergeordnet. Im Allgemeinen zeigen westliche Länder, wie vor allem die USA, sowie Mitteleuropa eine hohe Ausprägung an Individualität, während Länder wie Guatemala, Pakistan und die südamerikanischen Staaten eine hohe Ausprägung an Kollektivismus aufweisen. Die zweite Dimension ist Maskulinität vs. Feminität. Diese Dimension sagt aus, wie stark eine Kultur durch die von Hofstede festgelegten männlichen (Konkurrenzbereitschaft, Selbstbewusstsein) oder weiblichen (Fürsorglichkeit, Kooperation, Bescheidenheit) Werte geprägt ist. Dabei zeigen vor allem Japan und Österreich eine sehr maskuline Ausprägung, während Norwegen und Schweden eine sehr feminine Ausprägung zeigen. Die dritte Dimension ist die Ungewissheitsvermeidung, welche durch eine Skala angibt, wie hoch die Abneigung gegenüber unvor- hergesehenen Situation ist. Je höher die Ablehnung von Ungewissem ist, desto mehr Gesetzte und Richtlinien gibt es, um auf unvorhergesehene Situationen vermeintlich vorbereitet zu sein. Es herrscht eine hohe emotionale Nervosität bei den Angehörigen der Kultur. Kulturen mit einem niedrigen Wert sind toleranter und haben weniger Regeln, welche auch an die jeweilige Situation angepasst werden können. Die vierte Dimension ist die langoder kurzfristige Orientierung. Um diese Dimension zu messen führte Hofstede auch hier eine Skala ein. Kulturen mit einem hohen Messwert besitzen eine langfristige Ausrichtung, welche sich durch die Werte Sparsamkeit und Beharrlichkeit ausdrückt. Vor allem asiatische Staaten erzielen hier einen hohen Wert, während europäische und Entwicklungsländer einen niedrigen Wert erzielen, da sich eine kurzfristige Ausrichtung durch die Werte Flexibilität und Egoismus auszeichnet. Die fünfte Dimension ist die Machtdistanz. Sie fordert vom Individuum unbedingte Loyalität, schützt es im Gegenzug allerdings gegen äußere Einflüsse wie z.B. andere Kulturen, kriegerische Auseinandersetzungen und ei- Teamwork & kulturelle Unterschiede nem Ausstoß aus der Gesellschaft. Die Machtdistanz ist vor allem in kollektivistisch geprägten Kulturen stark ausgeprägt, welche hierarchisch geprägt sind. Dabei gibt die Hierarchieposition den Handlungsspielraum vor: Je weiter unten eine Person in der Hierarchie steht, desto geringer ist sein Handlungsspielraum, desto geringer ist jedoch auch das Verantwortungsgefühl für von der Obrigkeit befohlene Handlungen. Es entsteht also eine „nicht nachfragen“-Mentalität. Jedoch wird so auch die Kreativität und die Entwicklung eigener Ideen eingeschränkt4, was in manchen Berufsfeldern, wie zum Beispiel der zivilen Luftfahrt, zu Problemen führen kann. Denn sollte ein Flugkapitän eine Fehleinschätzung oder eine Fehlentscheidung treffen, ist es von immenser Wichtigkeit, dass er durch seine/n Co-Plioten/in darauf hingewiesen wird und diesem/r auch Gehör schenkt. Ein solcher Fall trat z.B. am 12.07.20005 ein, als ein defektes Fahrwerk den Treibstoffverbrauch eines mit 151 Passagieren vollbesetzten Airbus A310 der Fluglinie Hapag Lloyd so massiv erhöhte, dass der Zielflughafen Hannover nicht mehr erreicht werden konnte. Auf Grund der großen Autorität des Flugkapitäns konnte ein junger Co-Pilot seine Bedenken, ob der angestrebte Zielflughafen erreicht werden könnte, nicht äußern und nur durch günstige Wetterbedingungen und das fliegerische Können des Flugkapitäns konnte eine Notlandung auf dem Flughafen Wien-Schwechat durchgeführt werden. Der junge Co-Pilot hätte „vorsichtshalber“ den deutlich näheren Flughafen von Zagreb angeflogen. Nun saßen in diesem Cockpit Wissenschaft & Praxis Februar 2015 deutsche Piloten, und das Hierarchieproblem lag hier eher begründet in den Alters- und Erfahrungsunterschieden sowie vielleicht dem Verhalten des Kapitäns. Doch unter den von Hofstede aufgedeckten kulturellen Unterschieden fällt es nicht schwer zu mutmaßen, wie es wohl tagtäglich in Cockpits mit internationaler Besatzung aussieht. Hätte ein aus dem kollektivistisch geprägten China stammender Co-Pilot überhaupt Bedenken gehabt? Glücklicherweise ist der oben beschriebene Vorfall glimpflich geendet. Doch um solchen „Autoritätsbarrieren“ entgegenzuwirken führen Airlines spezielle Trainings durch6, um weitere Zwischenfälle dieser Art zu verhindern und mehr Verständnis für andere Kulturen zu schaffen. Sollten sie also eine geschäftliche oder private Reise planen, beschäftigen Sie sich mit der Kultur des anderen Landes. Denn sonst kann es passieren, dass Iraner/innen sehr erbost darüber sind, weil Sie ihnen zeigen wollen, wie gut es Ihnen geht! Fabian Noll 1 Pascal, B. (1670). Les Pensées (S. 60). Köln: Anaconda. 2 Thomas, A. (1996). Analyse der Handlungswirksamkeit von Kulturstandarts. In A. Thomas (Hrsg.), Psychologie interkulturellen Handelns (S. 107-135). Göttingen: Hogrefe. 3 Hofstede, G. (2001). Power Distance. In G. Hofstede (Hrsg.), Culture‘s Consequences. Beverly Hills CA: Sage Publications. 4 Hofinger, G., Rek, U. & Strohschneider, S. (2006). Menschengemachte Umweltkatastrophen–Psychologische Hintergründe am Beispiel von Tschernobyl. Umweltpsychologie, 1, 26-45. 5 Unfalluntersuchungsstelle der Republik Österreich (2006), Flugunfall mit dem Motorflugzeug Type Airbus A310 am 12. Juli 2000 am Flughafen Wien-Schwechat. 6 Helmreich, R. L., Merritt, A. C. & Wilhelm, J. A. (1999). The evolution of crew resource management training in commercial aviation. The International Journal of Aviation Psychology, 9, 19-32. 19 Kommunikation Es gab ein Kommunikationsproblem! Wird Kommunikation unterschätzt? Jeder kennt es: Jemand sagt etwas und es kommt eine unerwartete Reaktion zurück. Missverständnisse in der Kommunikation sind ein alltägliches Vorkommen in der Interaktion mit anderen Menschen. Es zeigt uns, dass Kommunikation nicht immer einfach ist. Besonders in kritischen Situationen, innerhalb von Hoch Risiko Organisationen, kann fehlerhafte oder fehlende Kommunikation zu fatalen Folgen führen. Analysen zeigen, dass Kommunikation fast immer als beitragender oder verursachender Faktor bei Unfällen identifiziert wird1,S. 132. So wird Kommunikation zum wichtigsten Werkzeug in einem Team. Aber wie funktioniert gute Kommunikation und wie kann man gefährliche Zwischenfälle verhindern? Was ist Kommunikation? Kommunikation im allgemeinen Sinne meint die Übertragung von Informationen von einem/r Sender/in zu einem/r oder mehreren Empfängern/innen. Die Voraussetzung dafür ist, dass eine Person einer anderen etwas mitteilen oder von dieser etwas wissen möchte. Diese Informationen können auf 20 verschieden Ebenen gesendet und verstanden werden. Nach Schulz von Thun´s „Vier Seiten einer Nachricht“2 enthält eine Nachricht vier Botschaften, welche durch die vier Ebenen in ihrer Bedeutung determiniert werden. Demnach beinhaltet eine Nachricht Informationen über die Sache an sich, also den tatsächlichen Inhalt einer Nachricht, Informationen über die Beziehung zwischen Sender/in und Empfänger/in, Informationen über den/die Sender/in selbst und einen Appell an den/die Empfänger/in. Das bedeutet aber auch, dass man sich über diese vier Aspekte Gedanken machen sollte, bevor man eine Botschaft sendet: Kommunikation 1. Was sage ich inhaltlich aus? 2. Wie behandele ich mein Gegenüber? 3. Welche Gefühle gebe ich kund? 4. Was soll mein Gegenüber denken oder tun? Abbildung 1: Die vier Seiten einer Nachricht Ein Beispiel aus dem Alltag2: Die Frau sitzt am Steuer eines Wagens, der Mann (Beifahrer) ist Sender der folgenden Nachricht: „Da vorne ist grün.“ Die möglichen Interpretationen sind folgende: 1) Sachinhalt: Die Empfängerin erfährt etwas über den Zustand der Ampel: Sie ist grün. 2) Beziehung: Der Sender traut der Empfängerin nicht zu, ohne seine Hilfe den Wagen optimal zu steuern. 3) Selbstoffenbarung: Der Sender gibt etwas über sich selbst kund: Er hat es eilig. 4) Appell: Der Sender fordert die Empfängerin auf: Gib Gas, dann schaffen wir es noch Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Da wir Menschen „unabhängige Systeme“ sind, wie es Maturana, Varela und Uribe bezeichnen3, welche sozusagen ihre eigene Welt und damit ein individuelles Wahrnehmen und Verstehen der Dinge besitzen, können Probleme in wichtigen Situationen auftreten, indem z.B. die Botschaften auf einer falschen Ebene verstanden werden. Beispiel: Der Chefarzt […] sagt zur Leiterin des Vertrauensgremiums: „Dafür habe ich keine Zeit“. Dabei tippt er an einer E-mail weiter. Sie interpretiert das Verhalten, das sie schon öfter erlebt hat, als Desinteresse und Arroganz; ein Vorwurf, den der Chefarzt nicht versteht, da er nichts Unhöfliches gesagt habe und doch nur auf später verwiesen habe1, S.136 . Daher ist Eines unabdingbar: eine gemeinsame Basis bzw. ein Hintergrundwissen, welches hilft die Nachricht im richtigen Kontext zu verstehen. Zusätzlich zu dem Wissen über die Arbeit eines Teammitgliedes kann auch ein privates Gespräch oder auch Small Talk dazu dienen Missverständnisse zu vermeiden, dadurch dass man sein Gegenüber besser kennenlernt „Hierdurch wird eine Brücke zwischen den Gesprächspartnern aufgebaut, die in späteren Konfliktsituationen genutzt werden kann“4,S.100. Es schafft ein mentales Modell, vergleichbar mit einem „Wörterbuch“, welches eine Arbeitsgruppe, ein Team, miteinander teilt und auf dieser Basis kommuniziert. Gesine Hofinger beschreibt dieses als die Konstruktion einer gemeinsamen Realität1. “Kommunikation findet zwischen Menschen statt, die jeder ein subjektives Modell der Situation und der anderen Person im Kopf haben. Solche mentalen Modelle sind die Grundlage des Handelns. Da jede Person für sich ihre eigene Realität konstruiert, kann kooperatives Handeln nur gelingen, wenn die verschiedenen mentalen Modelle der Einzelnen miteinander abgeglichen werden.”1,S.138 Daher sieht Hofinger die gemeinsame Realitätskonstruktion als zentrale Funktion von Kommunikation. Auch nonverbale Kommunikation kann funktionieren und in entsprechenden Situationen effektiv eingesetzt werden, z.B. wenn man in einer Notfallsituation schnell handeln muss und keine Zeit für längere Diskussionen hat. Allerdings weisen R. Zinke, M. Brenker und C. Felsenreich5 darauf hin, dass es unter Stress schwieriger ist „die kognitiven Ressourcen darauf zu verwenden, Emotionen zu verbergen oder jede unserer Gesten zu kontrollieren.“. Das kann dazu führen, dass die nonverbalen Signale, welche verstärkt die eigene, innere Anspannung nach außen tragen, fälschlicherweise als z.B. einen Kontrollverlust interpretiert und somit die weitere Kommu- Abbildung 2: Brücken bauen hilft in späteren Konfliktsituationen 21 Kommunikation nikation und das darauf folgende Handeln in unerwünschter Weise beeinflusst werden. In solchen Notfallsituationen sollten alle wissen, wie wichtig es ist das Wissen, das man für den Beruf erlernt hat, immer wieder zu wiederholen, um es nicht zu vergessen und anwenden zu können. Jeder Griff muss sitzen, die Verständigung sollte klar und deutlich sein und von allen verstanden werden. In einer Studie von Sexton und Helmreich (1999)6, in welcher die Beziehung von Sprache und Arbeitsbelastung von Cockpit-Crews besonders in Bezug auf die Kommunikation und auf Leistungs- und Fehlermaße untersucht wurden, haben sie z.B. gezeigt, dass die Länge von genutzten Wörtern einen Einfluss auf die Arbeitsleistung hat. So kommen in der Arbeit bei der Verwendung von langen Wörtern mehr Fehler auf als bei der Verwendung von kurzen, prägnanten Wörtern. Beispiele hierfür wären Problem/ Ziel anstelle von Herausforderung/ Zielsetzung zu verwenden, oder denken anstelle von überlegen. Funktionen von Kommunikation Zusätzlich zur Informationsweitergabe und der gemeinsamen Realitätskonstruktion hat Kommunikation noch zwei weitere wichtige Funktionen. Kommunikation dient auch der Strukturierung der Zusammenarbeit und der Koordination von Arbeitsabläufen. “Teams die sich implizit koordinieren können effektiver arbeiten, weil Sie in der Situation weniger kommunizieren müssen.”1, S.138 Dies bestätigt ebenfalls die Studie von Sexton und Helmreich 22 Abbildung 3: v.l. Dr. med. Carsten Hermann, Dr. med. Sandra Buchmann und Dr. med. PeterMichael Hax (1999)6. Daraus geht hervor, dass gute Teams die „Ruhephasen“, also die Phasen in denen die Arbeitsbelastung gering ist, nutzen, um Fragen und Antworten zu klären. Das bewirkt, dass in stressbelasteten Situationen weniger kommuniziert werden muss und dementsprechend effizientere Zusammenarbeit auf Basis von impliziter Koordination in wichtigen Situationen möglich ist. Dies entspricht der Strukturierung und Koordination der Arbeitsabläufe. Man spricht sich ab, geht eventuell eine Checkliste durch und plant die weiteren Vorgehensweisen. Dabei weiß jeder genau was zu tun ist und welche Aufgaben jeder Einzelne erfüllen muss. Auch in der Berufs-Genossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg (BGU) werden alle darauf trainiert, wer was zu tun hat. D.h. jede Rolle in einem Team ist standardisiert und hat einen festen Ablauf. Zudem ist immer eine Führungsperson da, „die den Hut auf hat“. Frau Dr. Buchmann, Unfallchirurgin auf der Intensivstation und stellvertretende ärztliche Leitung des Hubschrauberstützpunktes, erklärte uns das ABC Konzept, nach welchem in der Unfallklinik ein Notfall abgearbeitet und kommuniziert wird. Damit wird der Unfallmechanismus dargestellt, so das sich Entscheidungsträger/ innen ein genaueres Bild vom Unfall machen können, “Wie ist es mit dem Gefühl der Energie, die eingewirkt hat, welche Sturzhöhe, wie schnell ist das Auto gefahren, wo ist es gegen gefahren, eventuell mit Fotos, wie stark ist der Wagen deformiert, um einfach ein Gefühl dafür zu bekommen. Danach wird dann nach dem ABC vorgegangen, also Atmung, Kreislaufsituation, Neurologischer Status werden besprochen. Es ist einfach den Standard abzuarbeiten. Was für Medikamente hat der/die Patient/in bekommen, was habe ich gemacht...”. Das vereinfacht die Kommunikation und den Ablauf im Schockraum erheblich, vor allem unter einem vertrauten Team, welches diese Abläufe gemeinsam trainiert. Auch ein „Team Time Out“, das ist die kurze Ruhephase, wird in der Klinik genutzt, um noch einmal durchzuatmen und zu kommunizieren, ob alles in Ordnung ist, bevor es aus dem Schockraum herausgeht. Kommunikation alles. So eine Notfallversorgung ist technisch relativ einfach. Das Problem der Notfallversorgung ist immer, dass Informationen an der falschen Stelle hängen bleiben.“ Abbildung 4: Das ABC im Schockraum. Es dient auch der Gedächtnisstütze während eins Notfalls. „Es gab ein Kommunikationsproblem“ Wie schon zu Beginn erwähnt zeigen Analysen, dass Kommunikation fast immer als beitragender oder verursachender Faktor bei Unfällen identifiziert wird1. So auch im medizinischen Bereich. Vor 15 Jahren wurde die Notwendigkeit von Kommunikationstraining von Personen in diesem Bereich eher gering eingeschätzt7. “Kommunikationsseminare für den OP? So ein Blödsinn!”7 Hofinger und Kollegen untersuchten in Ihrer Studie Kommunikation in kritischen Situationen unter Pflegekräften und Chirurgen/innen im Anästhesiesimulator mit dem Fokus auf der Analyse von Problemlöseprozessen im sozialen Kontext. Dabei hat sich herausgestellt, dass Anästhesisten/innen mehr in einem Szenario sprechen als Sie selber erwartet hatten. 7 “Im Mittelwert sind es 228 Äußerungen pro Person; bei einer Szenarienlänge von durchschnittlich 28 Minuten ergibt das 8,2 Äuße- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 rungen pro Minute. Bezüglich der Redemenge gibt es in der Stichprobe keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen.”7,S.273 Allerdings haben Sie ebenfalls ermittelt, dass Anästhesistinnen besonders gegenüber aggressiv agierenden „Chirurgen“ Probleme hatten, sich sachlich und klar auszudrücken. Diese Ergebnisse zeigen, dass Kommunikationstrainings sehr wohl einen Anlass haben stärker eingesetzt und geschätzt zu werden. Dr. Hermann, leitender Arzt der Intensivstation, der traumatologischen Intensivstation und Anästhesist von der BGU weiß genau, dass gerade das Thema Kommunikation das A und O in der Notfallversorgung ist - und auch der Schwachpunkt. Heute ist tatsächlich allen Mediziner/innen klar, wie wichtig Kommunikation ist. „Gerade das Thema Kommunikation ist nicht „Fishing for Compliments“, sondern es ist tatsächlich allen Medizinern klar, dass das der Schwachpunkt in der ganzen Versorgung ist. Wir können das Deswegen wird in einem Training beispielsweise auch darauf geachtet, dass in zwei Richtungen kommuniziert wird, um möglichst zu verhindern, dass eine Information verloren geht. D.h. wenn der/die Anästhesist/in sagt „Beide Lungen belüftet“ dann sagt der Traumaleader „Alles klar, beide Lungen belüftet.“ „So wissen beide, dass diese Information angekommen ist” erklärt uns Dr. Hermann. Dieses Vorgehen nennt sich „read-back“ oder „Zwei Wege Kommunikation“ und kommt ursprünglich aus der Luftfahrt. Dort ist es Standard und trägt dazu bei, dass der/die Sender/in einer Information überprüfen kann, was der/die Empfänger/in tatsächlich verstanden hat. Sie kennen das wahrscheinlich selbst aus Ihrem Alltag, wenn Sie z.B. Ihre Freundin nach einer Telefonnummer fragen. Sie zücken Stift und Papier, oder Ihr Smartphone, und während Sie mitschreiben wiederholen Sie direkt die gehörten Zahlen und übermitteln diese so Ihrer Freundin zurück, mit dem Ziel, dass diese Sie sofort verbessern würde, wenn Sie etwas anderes zurückspiegeln als das, was sie Ihnen ursprünglich mitgeteilt hat. In anderen Fällen wiederum muss auch über Mut zur sachlichen Kommunikation diskutiert werden. Nicht selten passieren Fehler, weil man „zu viel“ Respekt vor einer ranghöheren Person hat oder aber tatsächlich eingeschüchtert ist und sich nicht traut seine Meinung zu äußern, selbst wenn diese lebensnotwendig sein könnte. Ob es 23 Kommunikation ein/e Krankenpfleger/in ist, ein/e Copilot/in oder ein/e Rettungsassistent/in, sie alle sollten sich nicht abschrecken lassen zu kommunizieren, denn auch wenn es nur eine kleine Änderung der Anzeige in einem Gerät ist, kann die Information wichtig sein und helfen Fehler zu vermeiden. Deshalb hat Kommunikationstraining auch in einem integrierten Human-Factors-Trainings in der Luftfahrt einen festen Platz. Es hat vor allem „die Aufgabe, die zwischenmenschliche Basis für teamorientiertes Verhalten zu schaffen“ und „die gezielte Anwendung eigener Verhaltensstärken bzw. die Vermeidung ungünstiger Verhaltensweisen“ zu fördern.4, S.93 Wer also Kommunikation nicht in sein Training eingebaut hat, sollte wissen ein relevantes Thema unberücksichtigt gelassen zu haben. Zur Vermeidung von Fehlern in der Kommunikation führt H.-U. Raulf 4,S.116/117 folgende wichtigen Punkte für die Praxis auf: • Immer klar und deutlich sprechen (Artikulation und Inhalt) • Stets ein wenig lauter sprechen, als man es für angemessen hält. • Darauf achten, dass man richtig verstanden hat, und man von dem/ der Kollegen/in richtig verstanden wird. Deshalb: Abbildung 5: Kommunikation im Kontext einer Vielfalt von Faktoren5 • Blickkontakt halten, wann immer es ohne eine Ablenkung möglich ist. • Aufmerksam zuhören. • Mitteilungen der Kollegen/innen durch ein verbales oder nonverbales Zeichen bestätigen (Zwei Wege Kommunikation) • Ist irgendetwas unklar oder ist man mit irgendetwas nicht einverstanden, so soll es sofort angesprochen werden. • Unklarheiten müssen sofort und im Ansatz (auch und gerade wenn Sie selbst noch „neu“ sind) geklärt werden. • Konflikte sollen so schnell und so angemessen wie möglich gelöst werden. Nicht zu bereinigende Konflikte sind eine schwere Sicherheitsbedrohung. Abbildung 6: Notfall-Puppe der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg GmbH, direkt nach dem Reanimationstraining. 24 Was ist also gute Kommunikation und wie lassen sich Fehler vermeiden? Mehrere Faktoren beeinflussen „gute Kommunikation“. Dementsprechend ist gute Kommunikation nicht einfach zu definieren. Je nach Situation kann Kommunikation ganz anders aussehen. “Kommunikation heißt, das eigene Denken und Handeln in eine Beziehung zu anderen Personen zu bringen.”1, S.133 Zumindest ist eines klar: Es geht darum etwas Wichtiges mitzuteilen und die Information in den richtigen Zusammenhang zu bringen, um dementsprechend handeln zu können. In komplexen Arbeitsfeldern kann eine Aussage Leben oder Tod bedeuten. Darum wird dort besonders hoher Wert auf das Training der Kommunikation und weiterer Fertigkeiten wie z.B. der Beherrschung der Standard Operating Procedures (SOP) gelegt, die für Teamabläufe entscheidend sind. In der Luftfahrt sind solche Trainings sogar verpflichtend. Im Verlauf dieser Zeitschrift werden wir besonders auf das Crew Resource Kommunikation Management Training eingehen (siehe hierzu den Artikel: „Crew Resource Management – Wenn Teamtraining helfen kann, Leben zu schützen“ auf S. 54), in welchem das Training der Kommunikation einen hohen Stellenwert einnimmt. Aber auch anhand der Medizin lässt sich gut erkennen, wie versucht wird Fehler zu vermeiden. Ein zentraler Punkt zur Fehlervermeidung ist, dass eine Person als Führungsperson interagiert, weiß Dr. Hax, leitender Oberarzt und stellvertretender ärztlicher Direktor an der BGU. „Also was ganz wichtig ist, ist dass da wirklich einer die Regie führt und darauf achtet, dass alles richtig läuft“. Auch ist eine gute Kommunikation entscheidend. So rufen sich die Ärzte/innen gegenseitig Sachen zu, wie „Brustkorb stabil“, damit alle um die aktuelle Situation Bescheid wissen. Diese beiden Punkte, also die Präsenz einer Führungsperson und die richtige Kommunikation sind im Bereich des Rettungsdienstes streng geregelt. So erklärt Dr. Hax’s Kollege Dr. Hermann: „Die Notärzte haben ärztliche Leiter Rettungsdienst, die alle erfahrene Notärzte sind, aber in der Notsituation überhaupt keine Aufgabe in der direkten Patientenversorgung haben, die ziehen sich gar keine Handschuhe an. Die versorgen gar keine Patienten, sondern die sind nur dafür da, zu kommunizieren.“ Auch das regelmäßige Training in Simulatoren ist entscheidend. So erklärt Dr. Hermann, dass die Ärzte/innen in einem bestimmten Simulator, HOTT (Hand-OverTeam-Training) genannt, an einer Puppe trainieren. Simulatoren sind natürlich eine Möglichkeit zu lernen mit Stress umzugehen. In der Praxis hat man dann, je nach Erfahrungsgrad verschiedene Auf- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 gabenfelder: „Der Traumaleader ist in der Regel der Erfahrenste im Schockraum, der Oberarzt meistens. Und dann gibt es halt die einfacheren Aufgaben wie Dokumentation oder jemanden, der einfach nur die Aufgabe hat, Blut abzunehmen. Das sind in der Regel die jüngeren Kollegen/innen, die noch nicht so lange im Beruf sind. Das sind dann Aufgaben, die mit weniger Stress behaftet sind, weil auch weniger Verantwortung damit behaftet ist“, erklärt Dr. Buchmann. Zusammenfassend kann man also am Beispiel der Medizin sagen, dass es heutzutage klare Aufgabenverteilungen gibt, damit jeder weiß, was er wann zu tun hat. Alles Relevante muss stets kommuniziert werden, damit jeder über den aktuellen Stand Bescheid weiß und sich daraus seine eigenen Handlungen ableiten kann. Dies gilt natürlich nicht nur für die Medizin, sondern lässt sich auf alle Hochrisikobereiche übertragen. 1 Hofinger, G. (2008). Kommunikation. In P. Badke-Schaub, G. Hofinger & K. Lauche (Hrsg.), Human Factors: Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen (1. Aufl., S. 131-151). Heidelberg: Springer Medizin Verlag. 2 Schulz von Thun, F. (2007). Miteinander reden: Störungen und Klärungen – Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Hamburg: Rowohlt. 3 Varela, F. G., Maturana, H. R. & Uribe, R. (1974). Autopoiesis: the organization of living systems, its characterization and a model. Biosystems, 5(4), 187-196. 4 Raulf, H.-U. (2011). Kommunikation. In J. Scheiderer & H.-J. Ebermann (Hrsg.), Human Factors im Cockpit: Praxis sicheren Handelns für Piloten (1. Aufl., S.91-117). Berlin, Heidelberg: Springer. 5 Zinke, R., Brenker, M. & Felsenreich, C. (2012). In G. Hofinger (Hrsg.), Kommunikation in kritischen Situationen (2. Aufl., S. 213). Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft. 6 Sexton, J.B. & Helmreich, R.L. (1999). Analyzing cockpit communication: The links between language, performance, error, and workload. Proceedings of the Tenth International Symposium on Aviation Psychology (S. 689-695). Columbus, OH: The Ohio State University. 7 Hofinger, G., Harms, H., Siegl, C., Grapengeter, M. & Breuer, G. (2003). Handlungsorganisation und Kommunikation in kritischen Situationen im Anästhesiesimulator. In T. Manser (Hrsg.), Komplexes Handeln in der Anästhesie (S. 261-283). Lengerich: Pabst Verlag. 8 Hofinger, G. (Hrsg). (2012). Kommunikation in kritischen Si- Und was lernen wir daraus? Gute Kommunikation muss gelernt sein. . tuationen. (2. Aufl.). Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft Katharina Sobanski 25 Swiss Cheese Modell Alles Käse ohne Teamwork Was hat Schweizer Käse mit Tschernobyl, Flugzeugabstürzen und sonstigen Katastrophen gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, mag man meinen. Und doch liegt im Schweizer Käse der Schlüssel zu den Ursachen großer Katastrophen. Natürlich ist hier nicht direkt von dem geruchsintensiven Milchprodukt die Rede. Vielmehr geht es um das Swiss Cheese Modell von Reason (1990). Was ist das Swiss Cheese Modell? Das Swiss Cheese Modell ist eine Darstellung mit welcher versucht wird Fehler aufgrund menschlichen Versagens zu erklären1. Stellen Sie sich ein schönes großes Stück Schweizer Käse vor. In dem Käse haben sich aufgrund sich ausbreitender Gase im Reifungsprozess Löcher gebildet. Wird der 26 Käse nun in Scheiben geschnitten sieht man, dass die Löcher über mehrere Scheiben hinweg gehen. Jetzt mögen Sie womöglich Appetit auf Käse haben, doch was das Swiss Cheese Modell ist, ist an dieser Stelle sicherlich noch nicht klar. Stellen Sie sich nun einmal vor, jede Scheibe des Käses wäre eine Sicherheitsebene, sei es nun bei der Feuerwehr, in der Luftfahrt oder in der Medizin. Die Löcher stellen also Schwachstellen im System dar. Diese Schwachstellen können natürlich, wenn sie klein sind, wieder abgefangen werden, doch wenn wir Pech haben, zieht sich ein Loch durch alle Scheiben. Eine Schwachstelle, die sich durch sämtliche Sicherheitsebenen zieht führt im schlimmsten Fall zu einem Unfall, oder sogar zu einer Katastrophe. Wie das in der Praxis verlaufen kann, lässt sich gut am Beispiel Tschernobyl verdeutlichen. Abbildung 1: Große Fehler führen zur Katastrophe Das Versagen von Tschernobyl 1. Käsescheibe: Testung vor Inbetriebnahme Das erste Loch der Käsescheibe im Fall Tschernobyl entstand schon Jahre vor der Katastrophe. Bevor man den Reaktor im Dezember Swiss Cheese Modell 1983 überhaupt in Betrieb genommen hat, sollte dessen Stromversorgung getestet werden. Aus Zeitgründen kam es jedoch nicht dazu. Die erste Käse-Scheibe ist somit also das obligatorische Testen vor der Inbetriebnahme und das Loch ist die fehlende Testung vor dem Einsatz des Reaktors. Tatsächlich wurde das Loch sogar erkannt und so sollte der versäumte Test drei Jahre nach der Inbetriebnahme des Reaktors, genauer gesagt am 25. April 1986, nachgeholt werden. 2. Käsescheibe: Wahl des Zeitpunkts zum Testen Die zweite Käsescheibe bzw. ihr Loch mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken und doch nahm hier das Unheil seinen Lauf. Es geht um die Auswahl des Zeitpunkts, wann der Test ausgeführt werden sollte, also besagter 25. April 1986. Einerseits herrschte in den sowjetischen Betrieben gegen Monatsende stets Hochkonjunktur, da zahlreiche Menschen Überstunden machen mussten, damit der Monatsplan der jeweiligen Unternehmen erfüllt werden konnte. Außerdem war es kurz vor den damals in der Sowjetunion so wichtigen Maifeiertagen, für die sich viele Leute mit noch mehr Überstunden ein kleines Feiertagsgeld hinzu verdienen wollten. Gerade zu dieser Zeit wurde also viel Leistung von den Kraftwerken des Landes verlangt, um den Strom für die Arbeiter und Maschinen in den zahlreichen Unternehmen aufrecht zu erhalten. Das Loch in dieser Käsescheibe ist also die Nichtbeachtung der Rahmenbedingungen bei der Terminwahl. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 3. Käsescheibe: Korrekte Wieder-Inbetriebnahme des Reaktors 4. Käsescheibe: Richtiges Handeln bei einer Xenonvergiftung Aufgrund des hohen Energiebedarfs fordert Kiew bereits um 14:00 Uhr, eine Stunde nach Beginn des Tests, mehr Leistung aus Tschernobyl. Das eigentlich für den Test geplante herunterfahren des Reaktors wird angehalten und die Leistung des Reaktors sollte vorerst bei 50% bleiben2. Dabei haben die zuständigen Personen etwas Entscheidendes außer Acht gelassen, denn die 50%-Marke ist bei Reaktoren ein durchaus kritischer Wert. Verweilt ein Kernreaktor mehrere Stunden bei einer Leistung von ca. 50%, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Xenonvergiftung. Xenon entsteht bei der Kernspaltung, es ist also ein radioaktives Spaltprodukt. Vor allem bei Leistungsänderungen im Reaktor steigt die Xenonkonzentration. Kommt es zu einer Xenonvergiftung, ist ein Wiederhochfahren des Reaktors für mehrere Stunden kaum noch möglich. Dies ist ein allgemeines Problem bei vielen Kernreaktoren, auch wenn es da von Typ zu Typ Unterschiede bezüglich der Anfälligkeit für eine solche Xenonvergiftung geben kann3. Eben dies ist auch in Tschernobyl passiert. Erneut wurde eine falsche Entscheidung getroffen, diesmal bezüglich der Behebung der Xenonvergiftung: Zur Regulation werden Bremsstäbe aus dem Reaktor entfernt, jedoch wurden deutlich mehr entfernt, als überhaupt zulässig war. Dies führt uns zu der nächsten Käsescheibe: Das richtige Handeln bei einer Xenonvergiftung. Das Loch ist dementsprechend die Entfernung von zu vielen Bremsstäben. Erst in der Nacht kann der Reaktor vom Netz genommen und der geplante Test fortgesetzt werden. Der Reaktor wird weiter heruntergefahren und das Notkühlsystem wird ausgeschaltet. Dementsprechend ist die nächste Käsescheibe die korrekte erneute Inbetriebnahme des Reaktors und das Loch die falsche Entscheidung die Leistung bei 50% zu belassen. Tatsächlich hätte auch dieser Fehler noch behoben werden können. Mithilfe der sogenannten Bremsoder Steuerstäbe kann die Xenonkonzentration wieder ausgeglichen und der Reaktor stabilisiert werden3. 5. Käsescheibe: Kommunikation zwischen den Mitarbeitern Als es um Mitternacht zum Schichtwechsel bei den Operateuren kommt, werden die neuen Operateure von den vorherigen nicht richtig über den Zustand des Reaktors aufgeklärt. Daraus ergibt sich die nächste Käsescheibe: Die richtige Kommunikation zwischen den Mitarbeitern der unterschiedlichen Schichten, wobei die unzureichende Kommunikation das Loch darstellt. 6. Käsescheibe: Vermeidung zu langer Arbeitszeiten Doch auch bei den zuständigen Ingenieuren, die für den Reaktor zuständig sind, gibt es Probleme. Aufgrund der Verzögerung des Tests waren die Ingenieure um 27 Swiss Cheese Modell Mitternacht bereits seit 12 Stunden am Arbeitsplatz. Obwohl sie bereits übermüdet waren, gab es für die Ingenieure keine Ablösung, sie mussten weiter arbeiten. Die nächste Käsescheibe ist demnach die Vermeidung zu langer Arbeitszeiten und das Loch die lange Arbeitsdauer der Ingenieure. von Seiten der Operatoren, den Test fortzusetzen. Die Käsescheibe ist also der rechtzeitige Abbruch des Tests und das Loch schlichtweg dessen Fortsetzung. 7. Käsescheibe: Ausreichende zeitliche Planung Aufgrund der Fortsetzung des Tests werden alle 8 Pumpen dem Reaktor zugeschaltet, um die Kühlung im Kern zu unterstützen, wobei selbst bei voller Leistung nur 6 Pumpen erlaubt sind. Dies hat zur Folge, dass sich automatisch noch mehr Bremsstäbe aus dem Kern entfernen, was zu einem starken Druckabfall führt, welcher normalerweise von dem automatischen Sicherheitssystem ausgeglichen werden würde, jedoch ist dieses aufgrund des Tests ausgeschaltet. Die nächste Käsescheibe ist also die technisch korrekte Fortführung des Tests und das Loch die falsche Entscheidung zu viele Pumpen zuzuschalten. Da der Test nun schon seit dem Mittag des vorherigen Tages andauerte, beschloss man Zeit zu sparen. Man schaltete die Auto-Steuerung zum Herunterfahren des Reaktors ab und führte das Herunterfahren manuell durch, da dies schneller geht und man sich somit erhoffte Zeit sparen zu können. Bei der manuellen Steuerung wurde jedoch ein Fehler gemacht und die Leistung fiel auf 1% ab. Die nächste Käsescheibe baut demnach unmittelbar auf den vorherigen Scheiben auf. Sie dient der ausreichenden zeitlichen Planung. Das Loch ist dabei die lange Herauszögerung des Tests, was zur falschen Entscheidung bezüglich des Zeitmanagements geführt hat. 8. Käsescheibe: Rechtzeitiger Abbruch des Tests im Ernstfall Eine knappe Stunde später, es war bereits 1 Uhr morgens, konnte man die Leistung auf 7% steigern. Normalerweise hätte man unter solchen Umständen den Test sofort abbrechen müssen, da alles unter 20% an Leistung als höchst instabil gilt. Eine Weiterführung des Tests wurde unter diesen Umständen sogar untersagt, jedoch beschloss der leitende Ingenieur, trotz Einwände 28 9. Käsescheibe: Technisch korrekte Fortführung des Tests 10. Käsescheibe: Richtiges Handeln bei fallendem Dampfdruck Im Reaktor muss stets ein gewisser Dampfdruck vorhanden sein, um die Turbine am laufen zu halten. Aufgrund des Druckabfalls wird beschlossen die Durchlaufmenge des Wassers zu erhöhen. Diese Entscheidung ist jedoch erneut falsch, da dadurch der Reaktor weiter abkühlt, was wiederum dazu führt, dass der Dampfdruck fällt. Als Reaktion darauf werden weitere Bremsstäbe entfernt und die Vorrichtung, die bei fallendem Dampfdruck den Reaktor stoppt, wird ausgeschaltet. Dies darf nor- malerweise nur nach Absprache mit dem Chefingenieur passieren, welche es in dem Fall aber nie gab. Diese Käsescheibe ist also das richtige Handeln bei fallendem Dampfdruck und das Loch ist das falsche Handeln und die zusätzliche Nichteinhaltung der Vorschriften. 11. Käsescheibe: Konstruktion des Reaktors Mittlerweile sah es bereits sehr schlecht aus um den Reaktor. Zu viele Bremsstäbe wurden entfernt, zu viele Pumpen mit zu viel Wasser hinzugefügt und die meisten Sicherheitsvorrichtungen wurden systematisch ausgeschaltet. Als schließlich gegen 1:20 Uhr eines der Dampfrohre geschlossen und somit die letzte Sicherheitsvorrichtung deaktiviert wird, fangen kurz darauf sämtliche Anzeigen der Sicherheitssysteme wie wild zu blinken an. Bei einem letzten Versuch die Situation zu retten, war es die Art der Konstruktion des Reaktors, die letztendlich zur Katastrophe führte: Die Bremsstäbe sollten in den Kern einfahren, jedoch werden dafür ganze 20 Sekunden benötigt. Viel zu lange, um die Situation noch retten zu können. Durch die starke Hitzeentwicklung waren die Führungskanäle der Stäbe jedoch innerhalb dieser Zeit verbogen und die Bremsstäbe konnten nicht mehr weiter eingefahren werden4. Die letzte Käsescheibe ist also die Konstruktion der Reaktoren und das Loch die lange Zeit zum Einfahren der Bremsstäbe. Am 26.04.1986 um 01:24 Uhr explodierte der Reaktor, was zur bis dato größten nuklearen Katastrophe führte. Swiss Cheese Modell Regelmäßiges Training und Schulungen für die Mitarbeiter/innen sind unerlässlich. Daher gibt es spezielle Simulatoren, an denen Worst-Case-Szenarios trainiert werden können. Wie das in der Praxis tatsächlich aussieht und einen ausführlicheren Artikel hierzu finden Sie auf Seite 68. Nathalie Dittrich Foto: David Osburg Was bedeutet das für die Praxis? Kurze Zusammenfassung der Ereignisse von Tschernobyl: 25. April 1986 13:00 Uhr: Beginn des Tests 14:00 Uhr: Forderung nach mehr Leistung aus Kiew. Test wird unterbrochen. Und die Leistung des Reaktors auf 50% gehalten, was zu einer Xenonvergiftung führt, weswegen unzulässig viele Bremsstäbe entfernt werden 23:10 Uhr: Test wird fortgesetzt. Reaktor wird weiter herunter gefahren und das Notkühlsystem wird ausgeschaltet 1 Fahlbruch, B., Schöbel, M. & Domeinski, J. (2008). Sicherheit. In G. Hofinger, , P. Badke-Schaub & K. Lauche (Hrsg.), Human Factors – Psychologie sicheren Handelns (S.29ff.). Heidelberg: Springer Medizin Verlag. 2 Hofinger, G., Reck, U. & Strohschneider, S. (2006). Menschengemachte Umweltkatastrophen – Psychologische Hintergründe am Beispiel Tschernobyl. Umweltpsychologie, 10, 26-45. 3 Renneberg, W. (2011). Grenzen und Sicherheitsrisiken des Lastfolgebetriebs von Kernkraftwerken. Studie. Bonn: Renneberg Consult UG 4 Hofinger, G., Reck, U. & Strohschneider, S. (2006). Menschengemachte Umweltkatastrophen – Psychologische Hintergründe 26. April 1986 00:00 Uhr: Schichtwechsel bei den Operateuren. Die Ingenieure arbeiten weiter 00:30 Uhr: Abschalten der Auto-Steuerung und Fortsetzen des Prozesses per Hand. Es kommt zu einer Übersteuerung des Reaktorsystems. Die Leistung sinkt auf 1% 01:00 Uhr: Leistung steigt auf 7%. Der Test wird fortgesetzt und alle 8 Pumpen werden zugeschaltet. Wegen der Abkühlung entfernen sich automatisch noch mehr Bremsstäbe. Der Dampfdruck fällt, worauf die Durchlaufmenge des Wassers erhöht wird. Weitere Bremsstäbe werden entfernt und die Sicherheitsvorrichtung für eben diese Situation ausgeschaltet. 01:20 Uhr: Schließung der Dampfrohre und somit Deaktivierung des letzten Sicherheitssystems. Bremsstäbe können aufgrund eines Konstruktionsmerkmals nicht mehr eingefahren werden. 01:24 Uhr: Explosion des Reaktors am Beispiel Tschernobyl. Umweltpsycholog, 10, 26-45. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 29 Kommunikationstest Check UP – Haben Sie das Zeug zu einem Dream Team? Kommunikation ist ein wichtiger Aspekt in Sachen Teamwork. Damit alles reibungslos klappt müssen einige Punkte sitzen. Damit Sie herausfinden, ob ihr Team das Zeug zu einem Dream Team hat, kreuzen Sie einfach Ja oder Nein an und zählen Sie die Punkte zusammen, die Sie auf S. 100 als Lösung finden. Ja 01 Nein Mich interessiert, was meine Teamkollegen/innen in ihrer Freizeit unternehmen. 2 Ich habe immer recht. 3 Ich benutze kurze und prägnante Wörter. Wenn mich jemand kritisiert, könnte ich Wände 4 hochklettern. 5 Das Team ist im Einsatz immer up to date. In ruhigeren Phasen der Arbeit nutzen wir die 6 Zeit, um Fragen und Antworten zu klären. 07 8 09 10 11 12 13 14 15 In Stresssituationen kommuniziere ich lieber mit einem Kopfnicken. Wenn ich etwas nicht weiß, frage ich direkt nach. Wenn einer das Sagen hat, darf man ihm nicht widersprechen. Wenn mir ein Gedanke durch den Kopf geht, behalte ich ihn lieber für mich. Wenn mir Abweichungen und/oder Änderungen auffallen, mache ich mein Team direkt darauf aufmerksam. Kommunikationstraining? Das brauche ich nicht. Auch wenn ich bei etwas sicher bin, nehme ich die Anmerkungen der Anderen ernst. Ich mag es nicht, wenn man meinen Ablauf stört. Ich arbeite lieber nach dem Standard eins nach dem anderen ab. Was Andere sagen ist mir egal. Wenn ich eine wichtige neue Information erhalte wiederhole ich diese laut, damit ich mir sicher bin, dass ich es richtig verstanden habe. Auswertung: 0-5: Kommunikationstraining scheint für ihr Team eher ein Fremdwort zu sein. Dabei könnte das Team dieses sicherlich gut gebrauchen. Suchen Sie sich einen Tag, an dem Sie mit ihrem Team z.B. mal eine Nachbesprechung oder ein Debriefing abhalten und versuchen Sie doch schon einmal kleine Pausen zu nutzen, um sich auszutauschen. 5-10: Die Kommunikation in Ihrem Team funktioniert ja schon ganz gut. Aber noch etwas Training kann sicherlich nicht schaden. 10-15: TOP, die Kommunikation befindet sich bei Ihnen im Team auf einem hohen Niveau. Weiter so! 30 Comic Wissenschaft & Praxis Februar 2015 31 Geteilte mentale Modelle Siehst du das denn genauso? Wie wichtig es ist, ein gemeinsames Verständnis von etwas zu haben – Die Bedeutung von geteilten mentalen Modellen. Wie wichtig es ist in Ausnahmesituationen miteinander zu sprechen, ist uns vielleicht noch bewusst. Bei Teamarbeit geht es jedoch oft über die reine Kommunikation hinaus. Unerlässlich ist es dann, gemeinsame mentale Modelle zu entwickeln und zu teilen. Diese stärken die Koordination, Kommunikation und Leistungsfähigkeit des gesamten Teams. Was nehmen Sie gerade wahr? Was denken Sie über die Person, die vielleicht gerade neben Ihnen sitzt? Wenn Sie sich darüber Gedanken machen, sind wir schon beim Thema mentale Modelle. Jeder von uns besitzt solche Modelle. Sie legen fest, wie wir die Situation 32 oder eine andere Person verstehen. Das hilft uns dabei, unsere Umwelt besser einzuordnen und zwischen einem Normalfall und einer Ausnahmesituation zu unterschieden. Sie bilden also eine Grundlage unseres Handelns1. In der Teamarbeit können unterschiedliche mentale Modelle einzelner Teammitglieder allerdings Probleme bereiten. Deswegen sollte man versuchen, „geteilte mentale Modelle“ zu entwickeln. Diese Modelle beziehen sich nicht nur auf das Verständnis, inwiefern sich die Umwelt verändert. Sie dienen auch dazu, ein gemeinsames Ziel für das ganze Team zu entwickeln, inklusive der dazugehörigen Strategien, wie dieses zu erreichen ist. Damit ist sichergestellt, dass nicht jedes Teammitglied ein unterschiedliches Ziel verfolgt oder die Mittel und Wege variieren. Veränderungen in der Umwelt dürfen nicht dazu führen, das Ziel aus den Augen zu verlieren. Durch Training oder auch regelmäßige Nachbesprechungen von Einsätzen oder Ähnlichem versuchen die Teammitglieder ihre mentalen Modelle einander anzupassen. Sie lernen, wie wichtig es ist, miteinander zu kommunizieren. Es kommt jedoch nicht darauf an, einfach möglichst viel zu reden. Der Inhalt des Gesagten muss für die Erfüllung der Aufgabe relevant sein2. Die geteilten mentalen Geteilte mentale Modelle Modelle beziehen sich nicht nur auf grundlegende Aufgaben, sondern auch auf das Handeln in besonderen Situationen. Das geteilte mentale Modell im Team bildet die Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen und Planen1. Es sollte jedem klar sein, wie die Aufgaben verteilt sind und wie wichtig sie für das Ziel des Teams sind. Jedes Teammitglied sollte wissen, was die anderen Mitglieder für ihre Aufgaben benötigen. Diese Möglichkeit der impliziten Koordination erhöht die Leistung des Teams. Wir unterschieden zwischen Aufgaben- und Teambezogenen mentalen Modellen3. Ein Aufgabenbezogenes mentales Modell umfasst beispielsweise das Wissen des Feuerwehrpersonals, ob ein Brand besser mit Wasser oder Löschschaum bekämpft wird. Es beinhaltet also das Wissen, welche Materialien ich benötige und wie ich sie nutze3. Ein Teambezogenes mentales Modell ist auf die Rollen und Fertigkeiten der einzelnen Teammitglieder bezogen und wie diese interagieren3. Das Feuerwehrpersonal weiß, wer am Löschschlauch steht, wer mit Atemschutzgerät ins Haus geht oder wer die Hubarbeitsbühne bedient. Wie entsteht ein mentales Modell Mentale Modelle entstehen aufgrund von Erfahrungen oder dem, was mir jemand erzählt1. Jeder hat dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Deswegen ist es selten, dass mentale Modelle voll übereinstimmen1. Jede Person erschafft sich eine eigene Realität. Teams arbeiten effektiver, wenn die Teammitglieder ihre mentalen Modelle teilen. Nur wenn die Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Teammitglieder das eigene Wissen und die Annahmen über eine Situation untereinander teilen, kann eine gemeinsame Realität errichtet werden1. Ähnliche und untereinander passende Modelle zu entwickeln ist das Ziel effektiver Teamarbeit. Dann spricht man von einem geteilten mentalen Modell. Werden die Modelle nicht abgeglichen, kommt es leicht zu Missverständnissen. Schnell gerät das gemeinsame Ziel außer Sicht oder jeder verfolgt eigene Lösungsansätze. Die Teammitglieder arbeiten also aneinander vorbei oder im schlimmsten Fall gegeneinander, z.B. wenn ein/e Pilot/in manuell landen möchte, sein/e Co-Pilot/in aber noch den Bordcomputer programmiert. Um geteilte mentale Modelle zu entwickeln, können verschiedene Trainingsmethoden genutzt werden. Am Häufigsten werden Cross-Training, Interpositional Knowledge Training und Simulatortraining angewandt. (Weitere Informationen zu Trainingsmethoden können Sie im Artikel „Teamtraining? Ja! Aber richtig!“ auf S.36 finden.) Das Cross-Training wird als „Strategie, in der jedes Teammitglied in den Aufgaben seines/r Teamkollegen/in trainiert“4,S.87 definiert. Dadurch soll die Zusammenarbeit des Teams in den Bereichen Kommunikation und Koordination verbessert werden5. Beim Cross-Training erledigt jedes Teammitglied den Job eines anderen Mitglieds. Beispielsweise wird eine Brandschutzübung durchgeführt, in welcher der Gruppenführer die Rolle des Maschinisten einnimmt5. So erlebt jedes Teammitglied die Anforderungen seiner Partner am eigenen Leib und entwickelt ein besseres Verständnis dafür6. Interpositional Knowledge Training hat das Ziel, ein besseres Verständnis für die Aufgaben der anderen Teammitglieder zu entwickeln7. Dabei kann es sich z.B. um die Schulung einer Flugzeugcrew handeln, in der die Aufgaben eines jeden Mitglieds (z.B. Cockpit vs. Kabinenbesatzung) besprochen werden. Es geht dabei nicht darum, das Teammitglied ersetzen zu können, sondern ein Verständnis für die Aufgabe zu entwickeln, also „Was braucht mein/e Kollege/ in? Wie kann ich ihn/sie unterstützen?“. Durch dieses Wissen kann im Ernstfall schneller reagiert werden, da weniger direkte Kommunikation notwendig ist6. Simulatortraining ist die Simulation einer bestimmten Situation in einer künstlichen Umgebung8. Für eine Flugzeug-Crew wäre dies beispielsweise ein plötzlicher Druckabfall in der Kabine. Das Verhalten während des Notfalls wird dann innerhalb des Simulators geübt. Dabei wird viel gesprochen. Nicht nur in der Luftfahrt, auch in der Medizin, ermöglicht „Lautes Verbalisieren“ seiner Gedanken, allen Teammitgliedern genau zu verstehen, warum z.B. der oder die Chirurg/in einen bestimmten Handgriff durchgeführt und welche Handlungen der Teammitglieder sich anschließen. Dies verrieten uns die Mediziner, mit welchen wir im Artikel „Es gab ein Kommunikationsproblem! Wird Kommunikation unterschätzt?“ auf Seite 20 sprachen. Im Anschluss wird das Verhalten bei einer Nachbesprechung zusammen mit der Crew/ dem Team betrachtet, dies wird Debriefing genannt. Im Debriefing 33 Geteilte mentale Modelle erklärt jede/r Teilnehmer/in sein/ ihr Verhalten im Simulator. Dabei stehen vor allem Fragen wie „Was habe ich dabei gedacht?“ oder „Warum habe ich was getan?“ im Vordergrund. Simulatortraining dient dazu, bestimmte Verhaltensweisen, Regeln oder Fertigkeiten zu erlernen8. Durch wiederholtes Training festigen sich diese Verhaltensweisen und verbessert sich die Kommunikation, was zu effektiveren geteilten mentalen Modellen führt8. Mentale Modelle im Team Gemeinsame mentale Modelle sind in der Teamarbeit besonders wichtig. Sie dienen zur Regelung des Teamworks in verschiedensten Situationen. Das können z.B. die grundlegenden Routineaufgaben, wie das Verhalten der Crew während dem Servieren der Speisen an Bord sein, aber auch die Koordination des Teams in Notfallund Ausnahmesituationen, wie eine Notlandung wegen zu wenig Treibstoff. Dabei passt das Team sein mentales Modell stets der aktuellen Situation an9. Ändert sich die Situation von einer Routine- in eine Notfallsituation wird das entsprechende mentale Modell „herangezogen“. Im Spezifischen unterscheiden wir zwischen Aufgabenmodellen, Interaktionsmodellen, Equipmentmodellen und Teambezogenen Modellen1. Die Aufgabenmodelle beschäftigen sich mit der Entwicklung von Lösungswegen. Sie setzen sich mit den besonderen Umständen in der Umgebung auseinander, beispielsweise im Flugzeug wie stark 34 der Wind ist, oder wie schlecht die Sicht. Das Interaktionsmodell regelt den Ablauf von Kommunikation und Koordination. Es bestimmt wie zum Beispiel ein/e Polizist/in vorgeht, wenn der Funk ausfällt. Bei den Equipmentmodellen müssen die Teammitglieder wissen, welches Material oder welche Ausrüstung sie brauchen. Sie kennen die Schwachstellen oder Grenzen. Das Feuerwehrpersonal weiß z.B. bis zu welcher Höhe die Leiter des Einsatzwagens geht. Das Teambezogene Modell beinhaltet das Wissen darüber, wie die Aufgaben verteilt sind. Wer im Einsatz meine Situation kennt oder mir helfen kann. Um im Team ein gemeinsames mentales Modell aufzubauen, müssen alle vier Bereiche miteinander abgeglichen werden. Nur dieser Abgleich garantiert eine erfolgreiche Zusammenarbeit im späteren Einsatz1. Wie wichtig gemeinsame mentale Modelle sind zeigte Waller (2004) von der Tulane Universität in New Orleans. Werden Flug-Crews im Umgang mit den Maschinen ausgebildet, erhalten sie ein gutes Verständnis von der Technik. Sie wissen, wie sie sich in Situationen, wie z.B. Triebwerksausfall, verhalten sollen. Ohne gemeinsame mentale Modelle fällt es jedoch sehr schwer, das Verhalten zu koordinieren. Mentale Modelle unterstützen Teams in Ausnahmesituationen dabei ihre Aufgaben schnell und korrekt durchzuführen9. So können beispielsweise die Bedürfnisse der anderen Teammitglieder vorausgeahnt werden. Waller (2004) unterschied zwischen leistungsstarken und weniger leistungsstarken Crews. Sie stellte fest, dass es deutliche Unterschiede zwischen ihnen gab. Leistungsstarke Crews bemühten sich besonders in Aus- nahmesituationen stärker um mentale Modelle. Sie redeten häufiger direkt miteinander und ließen sich nicht durch die Zeit unter Druck setzen. Interessanterweise zeigten sich die Unterschiede besonders in Ausnahmefällen, in denen gemeinsame mentale Modelle besonders wichtig sind9. Solche Situationen sind beispielsweise der Ausfall eines Triebwerks oder der Kommunikationsgeräte. Vorteile: Stressresistenz, Leistung, Kommunikation Gelingt es, ein geteiltes mentales Modell für Ausnahmesituationen zu entwickeln, wird die Stressresistenz der Gruppe erhöht. Durch eine höhere Stressresistenz können die Aufgaben beim Auftreten einer beanspruchenden Situation im Team besser verteilt werden 1. Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Cannon-Bowers, Salas und Johnston bereits 199710. Sie stellten fest, dass durch geteilte mentale Modelle eine bessere Vorstellung über die Bedürfnisse der anderen Teammitglieder entsteht. Dieser Vorteil bleibt auch in Stresssituationen erhalten3. Geteilte mentale Modelle erhöhen die Leistung eines Teams. Das Team macht weniger Fehler bei der Ausführung und der Verteilung von Aufgaben11. Auch im Bereich der Kommunikation treten Fehler oft aufgrund schlecht abgestimmter mentaler Modelle auf. Die Teammitglieder geben sich keine Rückmeldung oder haben unterschiedliche Ziele3. Eine gute Abstimmung im Team hingegen verringert die Anzahl an Fehlern. Die Fehler in der Arbeit, die womöglich bevorstehen, können bereits früher erkannt und Geteilte mentale Modelle verhindert werden. Dadurch entsteht Vertrauen in die zukünftige Zusammenarbeit und eine höhere Leistungsfähigkeit des Teams3. 1 Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (2008). Human factors: Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer Medizin Verlag. 2 Hofinger, G. (2003). Kommunikation. In G. Hofinger (Hrsg.), Kommunikation in kritischen Situationen (S. 131 – 151). Frankfurt a.M: Verlag für Polizeiwissenschaften. Die Aufrechterhaltung von geteilten mentalen Modellen 3 Salas, E., Sims, D. E., & Burke, C. S. (2005). Is there a “Big Five” in teamwork?. Small group research, 36(5), 555-599. 4 Volpe, C. E., Cannon-Bowers, J. A., Salas, E., & Spector, P. Um gemeinsame mentale Modelle zu stärken und zu erhalten, ist es u.a. wichtig miteinander zu sprechen. Hofinger (2008) schreibt in ihrem Buch Human Factors – Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen den Satz „Vor dem Teilen steht das Mitteilen“1, S.139. Bevor ein mentales Modell geteilt werden kann, muss demnach vorher über die Situation gesprochen werden. Alles, was nicht mitgeteilt wird, kann nicht Teil des gemeinsamen mentalen Modells werden. Wenn sich die Teammitglieder bereits ein gemeinsames mentales Modell teilen, darf nicht plötzlich jeder verstummen. Um das geteilte mentale Modell aufrecht zu halten, sollten die Mitglieder es regelmäßig abgleichen. Man kann also nicht von einem einmaligen Ereignis sprechen1. Stattdessen sollten erfolgreiche Teams, wie bei einem Computerprogramm, regelmäßige Updates durchführen. Spätestens wenn die Situation sich ändert. Regelmäßiges gemeinsames Training mit anschließendem Debriefing, aber auch Debriefings nach erfolgten Einsätzen, sorgen ebenfalls dafür, geteilte mentale Modelle zu festigen. Durch den Austausch und die Analyse im Debriefing können Verbesserungsmöglichkeiten gemeinsam erarbeitet werden. Nur dadurch kann ein gemeinsames Verständnis der Situation und der Probleme entstehen. E. (1996). The impact of cross-training on team functioning: An empirical investigation. Human Factors: The Journal of the Human Factors and Ergonomics Society, 38(1), 87-100 5 Marks, M. A., Sabella, M. J., Burke, C. S. & Zaccaro, S. J. (2002). The Impact of Cross-Training on Team Effectiveness. Journal of Applied Psychology, 87(1), 3-13. 6 Kluge, A. & Hagemann, V. (2009). Professionelle Zusammenarbeit: Neue Trainingskonzepte für High-Performance-Teams. Witschaftspsychologie aktuell, 3, 36-40. 7 Levi, D. J. J. (2013). Group Dynamics for Teams. Thousand Oaks: Sage Publications. 8 Salas, E., Wildman, J. L. & Piccolo, R. (2009). Using Simulation-Based Training to Enhance Management Education. Academy of Management Learning & Education, 8(4), 559-573. 9 Waller, M. J., Gupta, N. & Giambatista, R. C. (2004). Effects of adaptive behaviors and shared mental models on control crew performance. Mangement Science, 50(11), 1534-1544. 10 Salas, E., Cannon-Bowers, J. A. & Johnston, J. H. (1997). How can you turn a team of experts into an expert team? Emerging training strategies. In C. Zsambok & G. Klein (Hrsg.), Naturalistic decision making (S. 359-370). Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum. 11 Salas, E., Wilson, K. A., Burke, C. S., Wightman, D. C. & Howse, W. R. (2006). Crew resource management training research, practice and lessons learned. Reviews of human factors and ergonomics, 2(1), 35-73. Daniel Veutgen Wissenschaft & Praxis Februar 2015 35 Teamtraining Teamtraining? Ja! Aber richtig! Das Vorgehen von der Analyse bis zur Evaluation 36 Teamtraining Immer mehr Aufgaben werden heutzutage in Teams erledigt. Dies bringt viele Vorteile mit sich, wie z.B. eine größere Vielfalt an Ideen und Lösungswegen bei komplexen Problemen. Allerdings will das richtige und effektive Arbeiten im Team gelernt sein, denn hier können sich eine Menge Probleme und Fehler ergeben, die nicht nur zeitliche, qualitative oder finanzielle Einbußen zur Folge haben. Besonders in High Reliability Organizations (HRO´s) (wie bereits im Artikel „Kernkompetenzen guten Teamworks“ S.9 vorgestellt) kann eine schlechte oder gar fehlerhafte Teamarbeit zu gravierenden Folgen und sogar Verlusten von Menschenleben führen. Bei einer Analyse von 419 Meldungen zu Vorkommnissen im Aufwachraum eines Krankenhauses lag beispielsweise die Ursache der Zwischenfälle in 14% bei mangelnder Kommunikation1. Daher sind viele Organisationen schon lange dazu übergegangen, ihre Mitarbeiter/innen in Bezug auf effektivere Zusammenarbeit und Kommunikationsvorgänge im Team zu schulen und somit schwerwiegenden Folgen vorzubeugen. Dabei wird zum Teil sehr viel Geld in Trainings investiert. Dass es sich auszahlt, im Vorhinein in gute Teamabläufe zu investieren, zeigen diverse Studien2. Allerdings ist Teamtraining nicht Abbildung 1: Teamtraining wird immer wichtiger, um menschliche Fehler zu minimieren. Vorträge sollten jedoch nur ein kleiner Teil sein. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 gleich Teamtraining. Die Art, wie es gestaltet und durchgeführt wird, beeinflusst maßgeblich dessen Effektivität. Wir möchten in diesem Artikel aufzeigen, worauf es bei gutem Teamtraining ankommt. Grundlegende Merkmale von Teamtraining Zunächst soll erst einmal erklärt werden: Was ist unter einem Teamtraining überhaupt genau zu verstehen? Was wird dort explizit trainiert? Training kann als geplante und systematische Aktivität verstanden werden, bei der das Ziel die Aneignung von Wissen, Einstellungen und Verhaltensweisen ist. Es geht also immer um die folgenden Fragen: Was sollte man für den jeweiligen Job wissen/denken, was sollte man tun (können) und wie sollte man sich dabei fühlen/verhalten? 3 Vier wichtige Komponenten des Trainings, die nicht fehlen sollten, sind Anweisungen, Demonstrationen, Übungen und zeitnahes Feedback4. Anweisungen beinhalten lediglich Informationen und Fakten über die im Training zu erlernenden Fertigkeiten und werden z.B. in Präsentationen und Vorträgen vorgestellt. Demonstrationen zeigen den Teilnehmer/innen konkrete Beispiele des erwünschten Verhaltens oder auch Negativbeispiele (z.B. in Form von Videos). In Übungen können die Teilnehmer/ innen versuchen, das zuvor Wahrgenommene selbst umzusetzen, wofür häufig Simulatortrainings oder Rollenspiele genutzt werden. Anschließend sollten sowohl Fehler, die in den Übungen gemacht wurden, als auch gute Umsetzungen im Feedback besprochen wer- den und die Teilnehmer/innen sollten abschließend bestärkt werden, das Gelernte in Zukunft im Job umzusetzen. Training in Organisationen ist eine Komplexe Wissenschaft. Erkenntnisse darüber kommen aus vielen verschiedenen Forschungsbereichen. Bedeutsame Einflüsse, die auch über die Effektivität des Trainings entscheiden können, kommen z.B. aus Bildung/Erziehung, der Organisationspsychologie und Kognitionsforschung, aber auch aus dem Ingenieurwesen und Wissenschaften zu organisationalem oder industriellem Management. Training kann sich außerdem auf verschiedene Fertigkeiten beziehen, wie z.B. Selbstmanagement, Präsentationsfertigkeiten usw. In diesem Artikel soll der Fokus auf dem Training von Teamwork liegen. Teamwork bezeichnet einen Prozess der Einbeziehung von Inputvariablen über Prozessvariablen zu Outputvariablen. Abbildung 2: Beim Teamwork spielen Inputvariablen, Prozessvariablen und Outputvariablen eine Rolle (v.l.) Inputvariablen sind hierbei individuelle Charakteristika der Aufgaben, der Teams und des Arbeitskontextes (z.B. die Gruppengröße oder die Dauer der Zusammensetzung des Teams). Diese können z.B. einen Einfluss auf die Motivation oder benötigte Zeit für Entscheidungsfindungsprozesse haben. Denn in größeren Gruppen dauert es z.B. oft länger, eine Entscheidung zu treffen, dafür hat man hier aber auch einen 37 Teamtraining größeren Input an Erfahrungen und Informationen für Problemlösung. Prozessvariablen sind z.B. die Koordination oder Kommunikation im Team, ohne die eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht möglich wäre. Unter Outputvariablen versteht man beispielsweise das Wachstum an Produktivität, Zufriedenheit oder auch die Fehlerreduzierung, welche aus einer effektiven Zusammenarbeit resultieren5,6,7. Wichtig ist jedoch, dass diese Prozesse in der Teamarbeit sehr unterschiedlich sein können, da Teams sehr dynamisch und verschieden sind. Daher ist es auch nicht sinnvoll, einheitliche Trainingsstrategien zu entwickeln. Vielmehr müssen für alle unterschiedlichen Bereiche, in denen Teamwork eingesetzt wird, die Trainingsstrategien individuell angepasst werden. Beispielsweise müssen bei der Feuerwehr aufgrund der mangelnden Möglichkeit, über Sprache zu kommunizieren, andere Schwerpunkte gesetzt werden, als beispielsweise bei einem Operationsteam. Daher werden vor der Planung eines Trainings verschiedene Analysen nötig, die später in diesem Artikel erläutert werden sollen. Gewisse Grundeigenschaften sind jedoch in den meisten Teams in ähnlicher Weise vorhanden und können daher auch ähnlich trainiert werden. Es hat sich z.B. gezeigt, dass man beim Training generell zwischen Teamwork-Skills und Taskwork-Skills unterscheiden sollte, wobei Teamwork-Skills die sind, die Personen dazu befähigen, effektiv miteinander zu arbeiten und Taskwork-Skills die Fähigkeit, Aufgaben zu verstehen und auszuführen8. Besonders un- 38 ter Druck ist es schwierig, eine effiziente Teamarbeit durchzuführen. Oftmals passiert es, dass sich Teammitglieder dann nur noch auf die Aufgabe selbst konzentrieren und dabei die Teamwork-Anforderungen völlig vergessen, wodurch dann der Misserfolg seinen Lauf nehmen kann. Was im Teamtraining trainiert wird Welche Fertigkeiten werden nun konkret in Teamtrainings geschult? In einigen Untersuchungen konnte man acht wichtige Fertigkeiten identifizieren, die unabhängig von der Art des Teams in jeder Teamarbeit wichtig sind9. In Bezug auf die obige Unterteilung in Teamwork- und Taskwork-Skills, handelt es sich hierbei mehrheitlich um Teamwork-Skills. Abbildung 3: Zu wissen, was der andere denkt, ist nicht selbstverständlich. Die Kommunikationsfähigkeit ist eine der wichtigsten zu trainierenden Teamfertigkeiten Hierzu zählt zum einen die Anpassungsfähigkeit, Ressourcen und Strategien abhängig von den Inhalten der Aufgabe umzustellen. Besonders wichtig ist auch immer eine gute Kommunikationsfertigkeit, um Informationen effizient und ohne Verluste oder Missverständnisse auszutauschen. Um die verschiedenen Aktivitäten im Team zu organisieren und eine gewisse Synchronität zu erreichen, wird eine gute Koordinationsfertigkeit benötigt. Die meisten Teams müssen wichtige Entscheidungen fällen. Dazu gehört, bestehendes Wissen und neue Informationen zusammenzuführen und aus mehreren Alternativen die Beste auszuwählen. Aber auch die Ergebnisse der gewählten Alternative sollten beurteilt werden, um auch aus eventuellen Fehlentscheidungen zu lernen. Eine wichtige persönliche Fertigkeit ist außerdem, gute Interaktionen im Team durch motivierende Techniken und kooperierendes Verhalten zu fördern, was man unter dem Begriff der interpersonellen Beziehung zusammenfasst. Weiterhin braucht jedes Team eine Person mit guten Führungs- bzw. Teammanagementqualitäten. Diese sind nötig, um die Aktivitäten im Team zu koordinieren, zu planen und zu organisieren, um die Teammitglieder zu motivieren und die Leistung zu beurteilen bzw. ggf. zu fördern. Hierfür ist abschließend von hoher Relevanz, angemessenes und konstruktives Feedback zu verteilen, aber auch die eigene Leistung zu bewerten und Feedback von anderen anzunehmen. Eine große Bedeutung in Teams kommt den sogenannten geteilten mentalen Modellen zu. Darunter versteht man einheitliche Wissensstrukturen von Teammitgliedern, die zur Durchführung gemeinsamen Handelns erforderliches, geteiltes Wissen enthalten. Geteilte mentale Modelle können ein Team dazu befähigen, die Rollen und Aufgaben der Teammitglieder besser zu verstehen, das gemeinsame Ziel zu antizipieren sowie sich in komplexen Umgebungen zurechtzufinden und sich implizit zu koordinieren. Das gemeinsame Wissen bzw. die gemeinsamen Wissensstrukturen können sich auf das Equipment, die Aufgaben, die Interaktion oder das Team Teamtraining (bzw. seine Mitglieder) beziehen. (Mehr dazu auch in Artikel „Siehst du das denn genauso“ S. 32 ). Geteilte mentale Modelle sind sowohl messbar, als auch trainierbar, so dass sie in Teamtrainings Berücksichtigung finden sollten10,11. Die Relevanz dieser Skills kann z.B. beim Einsatz von Notärzten/innen erkannt werden. Denn hier kann sich beispielsweise die gesundheitliche Situation und Stabilität des/ der Patienten/in in kurzen Zeitabständen ändern. Daher müssen die Notärzte/innen ihre geplante Behandlungsstrategie oft sehr kurzfristig umstellen und in kurzer Zeit und mit beschränkten Informationen entscheiden, welche Strategie die beste ist, um für das (möglichst unbeschadete) Überleben des/der Patienten/in zu sorgen. Hier sind also die Anpassungsfähigkeit und Entscheidungsfindung im Besonderen gefragt. Um eine Entscheidung zu treffen, muss ein/e Notarzt/ärztin sich zumeist zusätzlichen Rat und Informationen von seinen/ ihren Kollegen/innen einholen, wobei nicht selten Konflikte auftreten, die schnell und sinnvoll gelöst werden müssen. Hierzu ist effektive Führung von interpersonellen Beziehungen von Nöten. Darüber hinaus müssen die Erkenntnisse über die Lage des/der Patienten/in mit der Klinik, in die der/die Patient/in gebracht wird, so kurz aber auch so effektiv wie möglich kommuniziert werden. Es darf zum einen keine Zeit verloren werden, zum anderen kann aber auch eine nur sehr kleine fehlende Information dazu führen, dass ein wichtiges Anzeichen übersehen wird und der/die Patient/in die falsche Behandlung erhält. Eine gute Kommunikationsfertigkeit kann daher dazu beitragen, gravierende Folgen Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Abbildung 4: Feuerwehrleute können durch ihre Atemmasken nur beschränkt kommunizieren. Geteilte mentale Modelle sind daher hier besonders wichtig. zu vermeiden12. Am Beispiel eines Feuerwehreinsatzes kann man weiterhin sehen, wie wichtig geteilte mentale Modelle sein können. Denn hier können die Feuerwehrleute aufgrund des dichten Rauches und der Atemmasken nur sehr eingeschränkt kommunizieren. Daher ist es wichtig, dass jeder weiß, was genau seine Aufgabe ist und was die Aufgabe der anderen. Kurze Gesten müssen im Ernstfall genügen, damit der andere versteht, was man meint und was nun zu tun ist. Man muss die Abläufe der Teammitglieder außerdem so weit kennen, dass man Abweichungen darin erkennen und daraus auf eventuell geänderte oder besondere Umstände schließen kann. verteilt sein. Ein Training sollte daher immer nach den unterschiedlichen Anforderungen und Bereichen, für die Teamwork eingesetzt wird, angepasst werden. Es ist daher von hoher Relevanz, sich vor dem Design des Trainings anzuschauen, für welche Fertigkeiten und Aufgabengebiete ein besonderer Trainingsbedarf besteht, was genau die Trainingsziele sein sollen, also was gelehrt werden soll und wer trainiert werden muss. In verschiedenen Teams können die Schwerpunkte der zu trainierenden Skills sehr unterschiedlich Diese Trainingsanalyse soll nun etwas näher erläutert werden13. Es gibt drei Komponenten, aus denen sich die Trainingsanalyse zusammensetzt. Die erste ist die Organisationsanalyse. Viele Trainingsprogramme erreichen nicht ihr Ziel, da im Verlauf Konflikte durch Einschränkungen der Organisation auftauchen. Beispielsweise ist die spätere Arbeitsumgebung gar nicht dafür geeignet, es den Teilnehmern/innen zu ermöglichen, das Gelernte umzusetzen. Dieses wirkt sich negativ auf das Transferklima aus. Eventuell bestehen starre Hierarchien und alteingesessene Muster in den Abläufen, die sich nicht so einfach durchbrechen lassen, eventuell wird den Mitarbeitern/innen in der Realität nicht die benötigte Zeit gegeben, erlernte Abläufe und Fertigkeiten umzusetzen und/oder die Vorgesetzten halten es für unwichtig und möchten lieber bei den alten Verfahren bleiben. Abbildung 5: Eine effiziente Trainingsgestaltung kommt nicht ohne verschiedene Analysen aus Oft mangelt es aber auch daran, dass die Trainingsziele nicht genau darauf abgestimmt sind, was in der Organisation gefordert wird. Somit lernt man dann zu vieles, das später gar nicht eingesetzt werden kann und zu wenig, was man gut gebrauchen könnte. Dies kann Wer, wie, was?! Die Trainingsanalyse gibt Aufschluss 39 Teamtraining man vermeiden, indem man im Vorhinein Bedürfnisse und eventuelle Einschränkungen ermittelt und in die Planung des Trainings mit einbezieht. Es sollten dabei die Ziele der Organisation, verfügbare Ressourcen und mögliche Transferunterstützungen überprüft werden. Die Notwendigkeit dieser Analyse verdeutlichen Studien, in denen z.B. gezeigt werden konnte, dass Organisationsklima und -kultur einen deutlichen Einfluss darauf haben, wie das Gelernte umgesetzt und beibehalten wird14,15. Die zweite Komponente ist die Job/ Aufgabenanalyse. Dieser Part ist relevant, um die richtigen Lernziele zu ermitteln und dementsprechend das Training richtig aufzubauen. Es wird dabei genau analysiert, welches Wissen, welche Fertigkeiten und welche Einstellungen im Vordergrund stehen, um die betreffende Arbeit gut auszuführen und außerdem die Bedingungen, unter denen der Job ausgeführt werden muss. Um die verschiedenen Anforderungen in verschiedenen Arbeitsgebieten genau zu identifizieren, wurde in der Wissenschaft das Team-Arbeit-Kontext-Analyse Inventar16 entwickelt, welches auf S. 62 genauer erläutert werden soll. Die kognitive Aufgabenanalyse ist ein Teilgebiet und zugleich ein Werkzeug für die Aufgabenanalyse. Das Augenmerk liegt hier darauf zu erfassen, welche mentalen Prozesse bei den verschiedenen Jobs im Vordergrund stehen. Hierbei wird z.B. untersucht, wie Experten/innen Entscheidungen treffen und wie die Trainierten sich das Wissen aneignen und entwickeln17. Bei der personellen Analyse liegt das Augenmerk schließlich auf den zu trainierenden Personen bzw. 40 ren. Somit gibt es nicht den einzig richtigen Weg, sondern man muss abwägen, welche Methoden am besten zu den eigenen Anforderungen passen. Abbildung 6: Die Fähigkeiten der Mitarbeiter/innen werden unter die Lupe genommen, um den Trainingsbedarf zu erfassen deren Eigenschaften. Man betrachtet, welche Stärken die Mitarbeiter/ innen bereits mitbringen, welches die größten Schwächen und Lücken sind und welche der Personen geschult werden müssen. Hätte man genügend Ressourcen für die Durchführung der Trainings, könnte man natürlich einfach jeden trainieren. Da die Ressourcen jedoch begrenzt sind, führt man ein Training am besten nur mit den Personen durch, bei denen der größte Bedarf besteht. Effizientes Training ist also nur durch vorherige Analyse möglich. Doch nicht nur die Analyse und Einbeziehung dieser Umstände verhilft zu einem besseren und wirksameren Teamtraining. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, die vor dem Training einen großen Einfluss darauf haben, wie die Teilnehmer/innen das Gelernte aufnehmen und sich auf das Training einlassen. Trainingsmethoden Nun ist die Frage, wie man die Erkenntnisse aus der vorangegangenen Analyse in einem passenden Training umsetzten kann. In der Praxis gibt es dazu einige unterschiedliche Methoden, zwischen denen man beim Teamtraining unterscheiden kann. Dabei können die Schwerpunkte der trainierten Skills und die Eignung für bestimmte Zwecke deutlich variie- Eine dieser Trainingsmethoden ist das sogenannte Cross-Training18. Das Prinzip dabei ist folgendes: Während des Trainings werden nicht nur die individuellen Aufgaben, für die man im Team vorgesehen ist, trainiert. Stattdessen schlüpft jeder auch reihum einmal in jede Rolle, die im Team auftaucht. Beispielsweise übernimmt jede/r Polizist/in in einem solchen Training einmal die Rolle des Einsatzleiters/der Einsatzleiterin und kann so z.B. sehen, welche Informationen diese/r benötigt, um einen guten Überblick zu haben und wie wichtig es ist, dass sich jeder an seine Vorgaben hält. Durch dieses Training soll also erreicht werden, dass jeder ein besseres Verständnis über die gesamte Teamfunktion erhält und die Wichtigkeit der anderen Teammitglieder sowie die Abhängigkeiten untereinander besser versteht. Hierzu kann z.B. auch gehören, wen man genau im Falle eines bestimmten Problems ansprechen kann. Durch ein solches Training werden besonders die oben erwähnten geteilten mentalen Modelle geschult. Eine weitere Methode, um diese geteilten Modelle aufzubauen, ist das Pre-mission briefing10. Hierbei handelt es sich zwar im engeren Kontext nicht um Training, dennoch wird das Verständnis des gemeinsamen Handelns gestärkt: Vor einer gemeinsamen Tätigkeit wird explizit auf die Aufgaben, Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten, Teamtraining erwartete Verhaltensweisen und mögliche Machtdynamiken aufmerksam gemacht. Somit erhalten alle ein gemeinsames Verständnis dessen und haben dieses während der Arbeit stärker im Bewusstsein. Besonders in Organisationen, in denen die Teams mit hohen Gefahrenpotenzialen umgehen müssen, wie z.B. in der Luftfahrt oder bei der Feuerwehr, ist es wichtig, Ernstfälle zu simulieren, um nicht nur das Verhalten im Normalfall zu trainieren, sondern auch seltene und unerwartete Situationen, in denen es aber besonders auf richtiges Handeln ankommt und die man aufgrund der Gefahr nicht in der Realität üben kann. (Auf Simulation im Speziellen werden wird genauer im Interview „Nicken klappt als Feedback nicht“ S. 82 eingegangen.) Bei der Trainingsmethode „Teamkoordinations- und Anpassungstraining“19,20 kommt es besonders auf die Reduzierung der Kommunikation an. Dies klingt im ersten Moment falsch, wenn man bedenkt, dass die Kommunikation eine der wichtigsten Skills im Teamwork ist. Allerdings möchte man mit Hilfe dieses Trainings erreichen, dass für die Erledigung einer Aufgabe möglichst wenig Kommunikation von Nöten ist, damit man sich auch ohne Worte versteht und jeder weiß, was zu tun ist. Es wird gelehrt, Kommunikation auf solche Phasen zu schieben, in denen gerade nicht sehr viel zu tun ist, um diese Zeit dann sinnvoll zu nutzen. Mit dieser Taktik wird die kognitive Beanspruchung in stressigen Phasen reduziert und man kann sich in dieser Zeit besser auf wichtige Entscheidungen oder richtiges Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Handeln konzentrieren. Hierzu ist wichtig, die Übergänge von expliziter Kommunikation zu impliziter Kommunikation zu trainieren. Z.B. werden Teamleader darin geschult, regelmäßig während der Arbeit auf die aktuellen taktischen Prioritäten aufmerksam zu machen. Dies wirkt sich positiv auf die geteilten mentalen Modelle aus und führt dazu, dass allen gleichermaßen die aktuelle Lage bewusst wird. Werden gleichzeitig die anderen Teammitglieder darin geschult, wie sie in welchen Situationen reagieren sollen, führt dies schließlich dazu, dass das Team seine Koordinationsstrategie während einer Aufgabe an das Stresslevel der Situation anpassen und somit effizienter arbeiten kann21. Aber auch viele weitere wichtige Teamkompetenzen wie Führung, Zielsetzung, Ressourcen Management und Feedback werden hier besonders erlernt. Zudem spielt eine weitere Trainingsmethode eine wichtige Rolle: Das geführte Team-Selbstkorrekturtraining22. Es soll helfen, Probleme, die im Team auftreten, selbst zu erkennen und ohne Hilfe von außen effektive Lösungen zu finden, wodurch sich auch bessere Abschätzungen der Teamabläufe, z.B. auch in Bezug auf die geteilten mentalen Modelle, ergeben sollen. Hierbei wird den Teilnehmern/innen besonders beigebracht, auf welche Aspekte des Koordinationsprozesses sie genauer achten müssen (z.B. welche Faktoren die optimale Performance gefördert oder behindert haben). Außerdem werden sie darin geschult, wie sie später Debriefings durchführen können bzw. sollten. Im Training wird dazu beispielsweise ein Debriefing durchgeführt, bei dem der/die Leiter/in zeigt, wie das Ganze strukturiert sein sollte, die Diskussionen beobachtet, das Lernklima fördert, und den Teilnehmern/innen erklärt, wie effektives Feedback gegeben werden sollte und wie sie Durchsetzungsvermögen und Informationsaustausch richtig einsetzten. Debriefings untereinander gekonnt selbst durchzuführen ist später im Job besonders wichtig, da man dann auf sich selbst gestellt ist und kein/e Trainer/in einen mehr auf Fehler aufmerksam macht. Falls doch einer geschehen sollte, muss man im Team selbst entscheiden, wie man damit möglichst erfolgreich umgeht23. Gute Vorbereitung ist die halbe Miete Man weiß bspw., dass es Zusammenhänge zwischen der Trainingseffektivität und individuellen Charakteristiken wie z.B. der Persönlichkeit oder der Selbstwirksamkeit gibt24. Daher ist es ebenfalls wichtig, solche Faktoren zu erfassen, um das Training an spezielle Gruppen wie z.B. Berufseinsteiger/innen oder Führungskräfte anzupassen. Die Effektivität des Trainings wird z.B. durch die Selbstwirksamkeit (die Überzeugung, dass man fähig ist, bestimmte Aufgaben und Verhaltensweisen zu erfüllen) vergrößert25,26,24. Daher ist es sinnvoll, die Selbstwirksamkeit vor und während des Trainings positiv zu beeinflussen. Dies kann z.B. geschehen, indem die zu Trainierenden an vergangene Erfolge in Trainings oder im Job erinnert werden oder auch indem man dafür sorgt, dass sie bereits zu frühen Zeitpunkten im Training Erfolgserlebnisse haben. 41 Teamtraining Natürlich hat auch besonders die Motivation der Teilnehmer/innen einen großen Einfluss darauf, wie gut die Fertigkeiten erlernt, beibehalten und vor allem auch im Nachhinein im Job angewendet werden. Daher sollten vor jedem Teamtraining die Bedingungen, die Lernumgebung und die Trainingseinführung gut durchdacht werden, um Faktoren wie die Motivation zu erhöhen. Die Motivation kann z.B. dadurch beeinflusst werden, ob ein Training als Pflichtprogramm oder zur freiwilligen Teilnahme ausgeschrieben wird. Außerdem wurde gezeigt, dass die Motivation größer ist, wenn man die Inhalte des Trainings immer wieder in Relation zu seinen eigenen Anforderungen im Job sieht27. In einer Studie von Sitzmann, Brown, Ely und Kraiger (2009)28 wurde die Motivation der Teilnehmer/innen über mehrere zeitlich versetzte Trainingseinheiten beobachtet und gemessen. Dabei fand man heraus, dass die Motivation mit steigender Anzahl der Trainingseinheiten z.T. geringer wurde. Daraus schloss man, dass die Teilnehmer/innen frustriert waren, weil sie die gelernten Inhalte des Trainings in den Phasen zwischen den Trainings nicht richtig anwenden konnten. Man kann also nicht nur das Training isoliert betrachten, sondern muss, um eine hohe Motivation zu erreichen, auch dafür sorgen, dass die Gegebenheiten nach dem Training die Aufrechterhaltung der Motivation fördern. Wenn es ernst wird: Bedingungen während des Trainings In der Forschung konnten einige weitere Charakteristika identifi- 42 ziert werden, auf die man während des Trainings achten sollte, um es wirksamer zu gestalten: Die zu trainierenden Personen sollten die Ziele, die gewünschten Ergebnisse und den Zweck des Trainings verstehen und nachvollziehen können29. Der vermittelte Inhalt sollte als bedeutsam wahrgenommen und Beispiele und Übungen sollten immer in Bezug zum Job gesetzt werden. Zudem sollten die Trainingsteilnehmer/innen immer wieder Rückmeldung erhalten, ob von anderen Teilnehmer/innen oder den Trainer/innen, und sollten zu diesem Zweck auch die anderen Teilnehmer/innen bei ihren Aufgaben beobachten und mit ihnen interagieren können. Weiterhin kann man sagen, dass man statt konstanter Wiederholungen von Stimulus-Response Paaren - also z.B. den immer gleichen steif eingeübten Reaktionen auf bestimmte Situationen - besser auf Transferübungen setzen sollte. Solche Übungen können z.B. Rollenspiele sein, in denen eine Teilgruppe bestimmte Aufträge hat, um unerwartete Situationen herbeizuführen, und die andere Gruppe dann spontan das Erlernte auf diese Situationen anwenden muss. Ebenso können auch Interaktionen am Simulator mit gleichzeitiger Teamkommunikation dafür sorgen, dass man gleichzeitig Taskwork - aber auch Teamwork-Skills miteinander kombinieren muss. Bei solchen Transferaufgaben werden die Lerninhalte zwar gegebenenfalls etwas langsamer gelernt, dafür bleiben sie jedoch wesentlich länger erhalten und können besser auf die Realität übertragen werden30. Genauso sollte man im Training nicht zu sehr versuchen, mögliche Fehler zu vermeiden, sondern die Teilnehmer/innen gezielt dazu bringen, Fehler zu machen und anschließend dabei zu unterstützen, Korrekturstrategien zu entwickeln. Denn jeder kennt ja die Weisheit „aus Fehlern lernt man“ und dass dies auch in Bezug auf Organisationen und Teammitglieder gilt, konnte in vielen Untersuchungen wiederholend gezeigt werden31,32,33. Zudem können bei diesem sogenannten Error Training gleichzeitig Emotionsmanagement-Taktiken trainiert werden, um mit kritischen Fehlern im Job besser umzugehen34. Für das spätere Handeln im tatsächlichen Arbeitsumfeld ist es zudem sinnvoll, Fähigkeiten wie die Selbstregulation bzw. Selbstbeobachtung zu schulen, z.B. indem man während des Trainings selbst seinen aktuellen Stand mit den gesetzten Zielen vergleicht. Obwohl man davon ausgeht, dass dies selbstverständlich ist, fand man heraus, dass es zu einer Verbesserung des Lernfortschritts und auch im Beibehalten des Erlernten über längere Zeit kam, wenn man die Teilnehmer/innen explizit darauf aufmerksam machte, ihre eigenen Fortschritte und Leistungen selbst zu beobachten und zu beurteilen35,36. Das Training ist vorbei - war´s das jetzt?! Genauso wichtig wie die Bedingungen während des Trainings, sind auch die nach einem Training. Denn sie entscheiden besonders darüber, ob Fertigkeiten in den Job übernommen und angewendet werden, ob also ein Transfer von Teamtraining dem Trainingsfeld in das Arbeitsfeld stattfindet. Und das ist schließlich das, worauf es ankommt und wofür man das Ganze überhaupt macht. Denn es bringt niemandem etwas, in einem solchen Teamtraining gut abzuschneiden, wenn später in der Realität die gleichen Probleme auftreten wie zuvor. Grob lässt sich sagen, dass überhaupt die Gewährung von Möglichkeiten, das Erlernte auszuführen bzw. erneut zu üben zu einer besseren Übernahme im Job führen. Ebenso wirken sich soziale Unterstützung der Mitarbeiter/innen z.B. durch Ermutigungen und Erinnerungen, die Methoden anzuwenden, im Job positiv aus. Auch Unterstützung durch Vorgesetzte, die z.B. dafür sorgen, dass weniger Hindernisse und Komplikationen bei der Anwendung des Gelernten auftreten, ist wünschenswert. Beides fasst man unter dem Begriff Transferklima in der Organisation zusammen37,15. Zudem kann es helfen, wenn bei der Arbeit weiterhin Feedback bezüglich der Lerninhalte gegeben wird. Teamleiter/innen nehmen aus diesem Grund eine wichtige Rolle für die Übernahme von Inhalten aus dem Training in die Arbeit ein und sollten daher in besonderer Weise daraufhin geschult werden, die Beschäftigten auch während der Arbeit weiter zu beobachten und durch Feedback zu unterstützen. Damit man nach einem Training die Inhalte nicht vergisst, kann es zudem hilfreich sein, den Teilnehmern/innen Zugang zu Internetseiten, Verzeichnissen usw. zu bieten, in denen die wichtigen Punkte erneut nachzulesen sind. Nichts desto trotz ist es nicht genug, ein Training einmalig durchzuführen. Um die Einhaltung des Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Gelernten zu gewährleisten, sollten die Inhalte in gewissen Abständen auch durch ein Wiederholungstraining aufgefrischt werden. Ähnlich zum Feedback im Job spielt die Nachbesprechung nach einem Training bzw. nach einzelnen Übungen, in denen nachvollzogen werden kann, was gut gelaufen ist und wo es weiterhin noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt, eine besonders große Rolle. Dabei können u.a. auch Hindernisse zur Übernahme der angeeigneten Fertigkeiten in den Job erkannt und beseitigt werden und Übereinstimmungen getroffen werden, welche Ziele man sich genau für die weitere Arbeit setzten möchte. Dadurch wiederum kann eine Steigerung der späteren Leistung erreicht werden. Da es um Teamarbeit geht, sollte nicht nur jede/r einzelne, sondern auch das Team als Ganzes im Nachhinein evaluiert werden. Die Nützlichkeit von Nachbesprechungen konnte z.B. in Studien mit Militärführungspersonen und deren Teams gezeigt werden38,39. Die Teams, die ein effektives Debriefing durchführten, übertrafen Teams ohne Debriefings in nachfolgenden Übungen um bis zu 40%. Wichtig bei solchen Nachbesprechungen ist jedoch, dass Feedback nicht nur in Bezug auf Ergebnisse gegeben wird, sondern dass besonders darauf geachtet wird, wie und warum sich jemand so verhalten hat, wie er es getan hat40. Nur so kann man wissen, warum man gerade effektiv oder ineffektiv gehandelt hat und aus seinem Verhalten lernen, zukünftige Fehler gering zu halten. Auch die Aufmerksamkeit der Teilnehmer/innen für die Be- obachtung (eigener und fremder) künftiger Verhaltensweisen im Job wird durch Nachbesprechungen geschult. Feedback sollte immer explizit und konstruktiv sein und Vorschläge für Verbesserungen darbieten. Fehler, die oftmals auftreten, sind z.B., dass Leiter/innen im Debriefing wesentlich mehr sprechen als das Team und dass sie zu viel Zeit mit positiven Aspekten verschenken, statt stärker auf die Verbesserungsmöglichkeiten von negativem einzugehen23. Evaluation schafft Klarheit Nicht nur die Leistungen der Trainingsteilnehmer/innen sollten im Nachhinein evaluiert werden, auch das Training selbst. Durch die Betrachtung, inwieweit Lernziele erreicht wurden und das Training dazu geführt hat, die Leistung im Job tatsächlich zu verbessern, ist es möglich, die Trainingsmethoden weiter zu verbessern. Dabei stellt sich die Frage, wie genau man Teamwork und die Effektivität des Trainings messen und bewerten kann. Hierzu muss man Methoden finden, um die Güte der Teamarbeit vor und nach dem Training sowie die Ausprägung der in den Trainingszielen definierten Eigenschaften (Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten) zu messen. Außerdem benötigt man Teamwork Bewertungen z.B. für die Personalauswahl, zur Zertifizierung von Trainings, für die Forschung und für das Feedback für die Lernenden. Je nach Zweck gibt es unterschiedliche Bewertungsmethoden, die sich z.B. in der Genauigkeit unterscheiden oder darin, ob einzelne Personen oder das Team als Ganzes bewertet werden. Für die Entwicklung der Mess- 43 Teamtraining werkzeuge werden einerseits die Lernziele herangezogen, aber z.T. auch Multilevel-Evaluationsmodelle wie z.B. das von Kirkpatrick41, bei dem zwischen Reaktionen der Lernenden, dem Lernen selbst, tatsächlichen Verhaltensänderungen in der täglichen Praxis und daraus resultierenden Ergebnissen auf organisationaler Ebene unterschieden wird. Die Reaktionen beziehen sich auf Fragen, wie: „Fanden die Teilnehmer/innen das Training gut?“ oder „Denken sie, dass es sinnvoll war?“. Dies ist die häufigste Form der nachträglichen Erhebung und wird meist mit Fragebögen durchgeführt. Jedoch lassen Ergebnisse darüber, wie gut Teilnehmer/innen das Training fanden, nicht zwangsläufig darauf schließen, dass auch die Inhalte besser gelernt werden. Daher wird in der zweiten Stufe „Lernen“ untersucht, ob Einstellungsveränderungen und ein Wissenszuwachs in Bezug auf die vermittelten Prinzipien, Fakten und Fertigkeiten stattgefunden haben. Dies geschieht z.B. ebenfalls durch Fragebögen, aber auch durch Übungen oder Wissensabfragen. Bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhaltensänderungen werden Beobachtungen im Arbeitsumfeld durchgeführt. Hier kann man z.B. sehen, ob die erlernte Selbstregulation o.Ä. auch tatsächlich angewendet werden. Die höchste Stufe der Evaluation ist dann schließ- Abbildung 7: Lernen ist die zweite Stufe in Kirkpatricks Evaluationsmodell 44 lich, ob das geänderte Verhalten auch zu positiven Resultaten in der Organisation führt, wie z.B. einem Anstieg der Sicherheit oder der Produktivität. Zur vergleichbaren Bewertung von verschiedenen Trainingsmodulen wurde das Trainings Evaluations Inventar (kurz TEI) entwickelt. Diese Bewertungsmöglichkeit erfüllt verschiedene Ansprüche: Zum einen basiert es auf bisherigen empirischen Befunden und theoretischen Betrachtungen in Bezug auf die Trainingsevaluation und ist effizient einsetzbar. Dadurch kann man einen möglichst großen (verwertbaren) Informationsgehalt aus der Bewertung erhalten. Außerdem funktioniert das TEI unabhängig von dem Inhalt des Trainings und der Trainingsziele, es kann also z.B. in verschiedenen Organisationen oder auch Sparten verwendet werden und erlaubt dennoch einen übergeordneten Vergleich. Zudem berücksichtigt das TEI nicht nur Ergebnisse, die durch das Training entstehen, sondern auch das Trainingsdesign und ebenso, inwieweit das Trainingsdesign sich auf die Ergebnisse auswirkt. Aufgrund dieser Eigenschaften kann das TEI in Organisationen sehr hilfreich für die Trainingsevaluation sein42. Die zwei Übergeordneten Methoden zur Messung bei Trainingsbewertungswerkzeugen sind zum einen die Selbstbeschreibung (z.B. in Form von Befragungsstudien) und zum anderen die Beobachtung, wobei die Selbstbeschreibung natürlich hohe Variabilität durch subjektive Werte aufweist. Daher wird zumeist die Beobachtung gewählt. Hierbei gibt es einige globale Skalen, die verwendet werden, z.B. die „behavioral observa- tion scale“ (BOS)20. In dieser Skala werden durch eine/n Beobachter/ in gemessen bzw. gezählt, wie oft der/die Beobachtete das Verhalten ausgeführt hat, das in dem jeweiligen Statement beschrieben wird. Die Häufigkeit wird dann auf einer Skala von 1-5 eingestuft. Die verschiedenen Skalen unterscheiden sich zumeist darin, inwieweit Beobachter/innen zur Beurteilung benötigt werden, also ob man die Bewertung anhand eines Ergebnisses vornehmen kann oder ob die Güte eines Verhaltens durch die Erfahrung einer Beobachtungsperson eingestuft wird. Nicht zuletzt spielt der Ort, an dem gemessen wird, eine Rolle. Die Messung kann direkt in der Lernumgebung erfolgen, später im Job oder bei Simulationen, wobei man im Job zwar besonders gut den tatsächlichen Transfer überprüfen kann, dafür aber weitaus weniger Kontrolle und standardisierte Messmöglichkeiten hat (wie dies z.B. bei einem Simulator der Fall wäre). Daher sollte man versuchen, die für die Anforderung der Messung richtigen Situationen zu wählen. Um es zu erleichtern, all diese und weitere Punkte in Bezug auf die Gestaltung des Trainings auch wirklich zu berücksichtigen, haben Wissenschaftler/ innen eine Checkliste entwickelt, bei der die einzelnen Aspekte überprüft und abgehakt werden können43. Eine abgewandelte Form dieser Checkliste13 gliedert sich in drei Bereiche: Vor dem Training, während Abbildung 8:Checklisten können Hilfreich sein, um alle wichtigen Punkte der Trainingsgestaltung zu berücksichtigen Teamtraining des Trainings und nach dem Training. Auf dieser und der folgenden Seite finden Sie einige Auszüge aus dieser Checkliste. Doch trotz Hilfen wie eben solcher Checklisten ist es in der Praxis immer noch häufig der Fall, dass Trainingsprogramme schlecht gesteckte Ziele haben oder ihre Ziele verfehlen und die Trainingsteilnehmer/innen die Inhalte im Job nicht oder nicht ausreichend anwenden (können). Dadurch treten weiterhin Fehler in der Teamarbeit auf, welche eigentlich durch das Training vermieden werden sollten. Häufig liegen die Probleme darin begründet, dass in der Industrie das Wissen über die nötigen Bausteine zum nachhaltigen Vermitteln von Inhalten nicht berücksichtigt wird. Oftmals kommen die Übungen und das Feedback zu kurz und das Training beschränkt sich zum größten Teil auf die Trainingskomponenten der Information und Demonstration (z.B. durch Videos, Präsentationen usw.)44. Doch hier wird an der falschen Stelle gespart, denn von einer großen Anzahl an Untersuchungen wissen wir, dass das Lernen (und vor allem das spätere Behalten und Anwenden) hauptsächlich von den Komponenten der praktischen Übung und des Feedbacks abhängt. Z.B. konnte eine Studie45 am Beispiel eines Selbstbehauptungstrainings zeigen, dass bei dem Training ohne Übungen und Feedback in einer anschließenden Team-Transferübung keinerlei Effekte im Verhalten zu sehen waren. Leider fehlt es zu einem umfassenden Training oft an finanziellen und organisatorischen Mitteln. Außerdem ist den Trainern/innen und Trainierten oftmals nicht genau bewusst, welche Fertigkeiten genau für den jeweiligen Aufgabenbereich von Nöten sind, was sich aus einer mangelhaften vorangestellten Analyse des Arbeitskontextes ergibt46. Genauso unterschätzt wird oft die Rolle des Debriefings bzw. Feedbacks während und nach dem Training. Doch wenn man nur übt, ohne danach ausführlich zu besprechen, was gut und was weniger gut gelaufen ist, kann sich falsches Verhalten einschleichen und später im Job übernommen werden. Oder andersherum werden Inhalte, die man nicht abschließend noch einmal Revue passieren lässt, sehr schnell wieder vergessen. So kommt es zu dem Ergebnis, dass trotz hoher Kosten, die durch Teamtrainings oder auch Task-Skill Trainings entstanden sind, immer noch eine Menge Fehler gemacht werden, weil das Trainierte entweder nicht gut vermittelt wurde, oder nicht ausreichend in den Job transferiert werden konnte. In einigen Bereichen wie z.B. der Luftfahrt, dem Militär oder der Medizin können solche Fehler, die z.B. aufgrund mangelhafter Kommunikation im Team entstehen, besonders gravierende Folgen haben. Denn hier geht es um Menschenleben. Daher wurden z.B. bestimmte Teamtrainings entwickelt, die speziell für die Luftfahrt zugeschnitten sind. Diese Speziellen Kurse werden Crew Resource Management genannt und sind mittlerweile Pflicht in allen Fluggesellschaften47. Auch in der Feuerwehr, der Medizin oder dem Militär werden sie in abgewandelter Form z.T. langsam eingeführt48,49. Auf den Nächsten Seiten erfahren Sie mehr über dieses spezielle Teamtraining und die Wissenschaft dahinter. Tina Hees Checkliste: Schritte, die vor dem Training durchgeführt werden sollten Schritt Aktionen Ergebnisse Organisationsanalyse Strategische Schwerpunkte, die Organisationskultur, Normen, Ressourcen, Limitationen und Unterstützungsmöglichkeiten erschließen Ermöglicht strategische Ressourcen-Verteilungs-Entscheidungen Bestimmen, ob Grundsätze und Prozeduren am Arbeitsplatz das Training unterstützen Erkennen, wie die Arbeitsumgebung die Trainingsziele unterstützen oder behindern kann Tutoren/Tutorinnen und Leiter/innen vorbereiten Leiter/innen so vorbereiten, dass sie die Arbeitnehmer/ Die Motivation der Teilnehmer/ innen richtig unterstützen und die richtigen Signale innen zum Lernen im Training bezüglich des Trainings senden können erhöhen … … Wissenschaft & Praxis Februar 2015 … 45 Teamtraining Checkliste: Schritte, die während des Trainings durchgeführt werden sollten Schritt Aktionen Ergebnisse Die richtige Mentalität Das Training in einer Form darbieten, die den Glauben die Motivation verbessern und das bei den Trainingsteil- der Teilnehmer/innen an ihre Lernfähigkeit und das Durchhaltevermögen bei der Annehmern herstellen gekonnte Anwenden der Fertigkeiten fördert. wendung im Job erhöhen • Selbstwirksamkeit Die Performance während des Trainings stärken aufbauen • Fehler im Training Die Teilnehmer/innen ermutigen, Fehler im Training einbauen zu machen, dabei aber sicherstellen, dass Hilfestellung beim managen und korrigieren der Fehler gegeben wird … … Transfer des Trainings verbessern und Teilnehmer/innen mit der Fähigkeit ausstatten, mit kritischen Situationen im Job umzugehen … Checkliste: Schritte, die nach dem Training durchgeführt werden sollten Schritte Aktionen Ergebnisse Den Transfer des Trai- Sicherstellen, dass Teilnehmer/innen ausreichend Zeit und Möglichkeit haben, um das, was sie gelernt haben, nings sicherstellen auch anzuwenden • Hindernisse für den Transfer entfernen Den Trainingstransfer erhöhen und Wissensverfall reduzieren Trainingsevaluation auf verschiedenen Levels betrachten Reaktionen, Lernen, Verhalten und Auswirkungen betrachten Erlaubt gut begründete Entscheidungen bezüglich des Trainings inklusive eventuell nötigen Veränderungen Präzise affektive-, kognitive-und/oder Verhaltensindikatoren verwenden, um die angestrebten Trainingsergebnisse, die während Anforderungseinschätzung aufgedeckt wurden, zu messen Führt dazu, dass effektives Training weiterhin unterstützt wird … … … Arbeitnehmermotivation und Selbstwirksamkeit aufrechterhalten 1. 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Dann haben wir hier ein paar Schaubilder für Sie: CRM Trainings stammen aus der Luftfahrt, werden aber inzwischen auch in anderen Bereichen wie Feuerwehr, Atomindustrie, Öl-Industrie oder Medizin angewandt1. Untersuchungen zeigen, dass mithilfe von CRM-Trainings ein positiver Wandel in der Einstellung und im Verhalten im Cockpit erreicht wird. Dies führt auch zu mehr Sicherheit2. Erinnern Sie sich an die spektakuläre Landung auf dem Hudson River? Alle 150 Passagiere konnten gerettet werden, vor allem Dank des guten CRM der beiden Piloten3. Vorsprung durch CRM & Debriefing! - Militärisches Führungspersonal und ihre Teams übertrafen andere Teams die kein gutes Debriefing durchführten in ihren Leistungsergebnissen um bis zu 40%4. Simulatortraining ist nicht gleich Simulatortraining. Es kann verschiedene Schwerpunkte haben. Es ist regelbasiert, wissensbasiert oder fertigkeitsbasiert5. Vier wichtige Komponenten des Trainings, die nicht fehlen sollten, sind Aktivierung von Vorwissen, Demonstrationen von Inhalten, Übungen und zeitnahes Feedback6. 1 Flin, R., O’Conner, P. & Crichton, M. (2008). Safety at the Sharp End. A Guide to Non-Technical Skills. Aldershot: Ashgate. 2 Salas, E., Wilson, K. A., Burke, C.S. & Wightman, D. C. (2006). Does crew resource management training work? An update, an extension and some critical needs. Human Factors, 48, 392-412. 3 National Transportation Safety Board (2009). Aircraft Accident Report : Loss of Thrust in Both Engines After Encountering a Flock of Birds and Subsequent Ditching on the Hudson River. 48 Fakten Ein Mensch kann statistisch gesehen 14.000 Jahre unfallfrei fliegen7. In dieser Zeit könnte man fast 2,5 Millionen Mal die Erde umkreisen. Hierarchie ist ein schwieriges Thema innerhalb des Teams. Besonders, wenn sich niedriger gestellte Teammitglieder mit guten Fertigkeiten bei einer stark ausgeprägten Hierarchie nicht trauen, ihre Ansicht mit den höhergestellten Teammitgliedern zu teilen8. Halt dich kurz! Nutzen Sie oft lange Wörter mit sechs oder mehr Buchstaben, hat das eine schlechte Auswirkung auf die Leistung im Team und die Kommunikation und führt zu einer erhöhten Fehlerrate9. Unglücke und Katastrophen, die auf mangelnde Kommunikation und schlechtes Management zurückzuführen sind, gibt es viele. Eines der tragischsten Unglücke ist mit Sicherheit die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Menschen machen Fehler. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 70% -80% aller Unfälle in ziviler und militärischer Luftfahrt aufgrund sogenannter “Human-Errors” passieren10. Human Errors können auch im medizinischen Bereich große Folgen haben. Untersuchungen zu Zwischenfällen im Krankenhaus ergaben, dass in den USA jährlich mehr als 44.000 Patienten/innen durch vermeidbare Fehler zu Tode kommen11. 4 Tannenbaum, S., Smith-Jentsch, K. A. & Behson, S. (1998). Training team leaders to facilitate team learning. In J. Cannon-Bowers & E. Salas (Eds.), Making decisions under stress: Implications for individual and team training. Wash DC: APA Press. 5 Rasmussen, J. & Jensen, A. (1974). Mental procedures in real-life tasks: A case study of electronic troubleshooting. Ergonomics, 14, 293-307. 6 Merrill, D. (2002). First Principles of Instruction. Educational Technology Research and Development, 50, 43-59. 7 Handelsblatt (2013). Welches Verkehrsmittel ist das sicherste? Zugriff am 27.01.2015 unter http://www.handelsblatt.com/technologie/ das-technologie-update/frage-der-woche/auto-flugzeug-bahn-welches-verkehrsmittel-ist-das-sicherste/8479152.html 8 Kluge, A. & Hagemann, V. (2009). Professionelle Zusammenarbeit: Neue Trainingskonzepte für High-Performance-Teams. Wirtschaftspsychologie aktuell , 3, 36-40. 9 Sexton, J. B. & Helmreich, R. L. (2000). Analyzing cockpit communications: The links between language, performance, error, and workload. Human Performance in Extreme Environments , 5(1), 63–68. 10 O’Hare, D., Wiggins, M., Batt, R. & Morrison, D. (1994). Cognitive failure analysis for aircraft accident investigation. Ergonomics, 37(11), 1855-1869. 11 Corrigan, J., Kohn, L. T. & Donaldson, M. S. (1990). To Err Is Human: Building a Safer Health System. National Academic Press. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 49 Von der Technik zum Menschen Von der Technik zum Menschen Entwicklung von Crew Resource Management Die Luftfahrt gilt aktuell als die sicherste Transportmittelbranche. Immer wieder werden zahlreiche Statistiken dazu genannt. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes1 wurden pro eine Milliarde Reisekilometer bei Flugreisen, innerhalb von vier Jahren, nur 0,3 Menschen verletzt. Um die Zahl der Reisekilometer zu verdeutlichen, 1 Milliarde Kilometer entsprechen in etwa 1250 Mal der Strecke zum Mond hin und zurück. Und um einen Vergleich zu einem anderen gängigen Transportmittel darzubieten: in der gleichen Zeitspanne und Anzahl an Reisekilometern wurden 276 Menschen bei der Nutzung eines Autos verletzt. Allerdings gilt das Jahr 2014 als ein schwarzes Jahr der Luftfahrt, da im Vergleich zum Vorjahr fast viermal mehr Menschen tödlich verunglückt sind (970 in 2014, 251 in 2013). Diese auf den ersten Blick abschreckende Zahl lässt Zweifel an der Sicherheit im Luftverkehr aufkommen. Trotz des hohen Anstiegs sind diese Zahlen, wenn sie in Relation mit Reisekilometern gesetzt werden, dennoch die niedrigsten von allen Transportmitteln weltweit2. Somit belegen diese Statistiken die enorme Sicherheit im Flugbetrieb und sind unter anderem ein Merkmal dafür, dass die Luftfahrt eine High Reliability Organisation (HRO, für mehr Informationen lesen Sie auch „Kernkompetenzen 50 guten Teamworks“ S. 14) darstellt3,4. Damals, Anfang der 70er Jahre häuften sich allerdings Flugzeugunglücke, welchen als Hauptfehlerursache menschliches Versagen zu Grunde gelegt werden konnte. Aufgrund dessen wurde die Forschung zum Aspekt des Teamworks intensiviert, durch Institutionen wie das NTSB: National Transportation Safety Board oder GAO: Government Accounting Office. Der Faktor Mensch erwies sich als ein relevanter Verursacher in über der Hälfte der analysierten Flugunfälle von 1983-1985. Die Tatsache, dass akzeptiert wurde, dass Teams nicht automatisch effektiv sind, sondern trainiert werden müssen, war ein Meilenstein in der Luftfahrt. Auf dieser Basis begann eine große Investition in Teamtrainings und letztendlich die Implementierung und Etablierung von Crew Resource Management (CRM). Was ist Crew Resource Management? Wie der Begriff schon vermuten lässt, ist das Ziel von CRM die Besatzung (die Crew) darauf zu trainieren alle möglichen Ressourcen die ihnen zu Verfügung stehen effektiv zu nutzen. Konkret wird CRM definiert als Instruktionsstrategien, um Crews und Teams in HROs a) in der ef- Von der Technik zum Menschen fektiven Nutzung aller verfügbaren Ressourcen (sowohl Menschen, Ausrüstung als auch Informationen) zu trainieren, b) um ihre Zusammenarbeit zu verbessern und damit ihre Leistung zu erhöhen und c) um so die Wahrscheinlichkeit möglicher menschlicher Fehler mit tragischen Konsequenzen für Mensch und Umwelt zu reduzieren.5.,S.3,6 Wann aber wurde dieser Begriff das erste Mal genutzt und wer hatte diese Ideen? Als Geburtsstunde des CRM-Trainings lässt sich ein Workshop der NASA „Resource Management on the flightdeck“ in 1979 festlegen7. In diesem Zusammenhang wurden Piloten/innen interviewt und eine detaillierte Analyse von Flugunfällen zwischen 1968 und 1976 erstellt. Dabei fiel auf, dass oft das technische Wissen bei Schulungen im Vordergrund stand, allerdings soziale Fertigkeiten nicht gezielt angesprochen wurden. Die darauffolgende Entwicklung von CRM (wird seit 1981 praktiziert) war in den zurückliegenden Jahrzenten sehr vielseitig und der Fokus lag auf unterschiedlichen Aspekten, welche im folgendem erläutert werden. Diese durchlaufenen Veränderungen lassen sich fünf Generationen von CRM-Trainings einteilen7. Die fünf Generationen von CRM-Trainings Die erste Generation von CRM-Trainings wurde von privaten Fluggesellschaften, hauptsächlich United Airlines aus den USA, entwickelt und umgesetzt. In den Anfängen bezog sich das C von CRM noch auf Cockpit, da es ausschließlich für die Piloten/innen angedacht war. Der Fokus lag Wissenschaft & Praxis Februar 2015 hauptsächlich auf einer individuellen und psychologischen Analyse des Verhaltens während des Fluges, sowie generellen Konzepten des Führungsstils, welchen Piloten/innen gegenüber ihren Kollegen/innen anwenden sollten. Die zweite Generation änderte und erweiterte den Begriff von CRM hin zu Crew Training, sodass CRM nicht mehr exklusiv nur für Piloten/innen war, sondern jetzt auch das Kabinen-Personal mit einbezogen wurde. Dieser Wechsel gründete auf einem erneuten NASA Workshop zu dieser Thematik. In den neuen Programmen, entwickelt von Delta Airlines, ging es verstärkt um spezifische flugbezogene Konzepte, wie beispielsweiße die Art von Entscheidungen, die in einer Katastrophe enden können. Der Schwerpunkt der Trainings verlagerte sich hin zur Teamorientierung, begleitet durch intensive Seminare, in welchen Konzepte wie Gruppenstrukturen, Briefing-Strategien, Stress-Management und Situationsaufmerksamkeit trainiert wurden. In der dritten Generation, Anfang der 1990er, entwickelten sich CRM-Trainings in unterschiedliche Richtungen. Aspekte wie Organisationskultur wurden als ausschlaggebend für die Sicherheit an Bord erkannt. Gleichzeitig begann eine konkrete Analyse über relevante soziale Fertigkeiten des Cockpit- und Kabinen-Personals. Aus diesem Grund fanden auch die ersten combined CRM-Trainings statt, da die Wichtigkeit der Kommunikation und Koordination zwischen Cockpit und Kabine erkannt wurde. In der vierten Generation, Ende der 1990er wurde das Advanced Qualification Programm (AQP) ins Leben gerufen. Es ging nicht mehr nur darum auf Basis von CRM zu trainieren, sondern auch um „Line-oriented Flight Training‘s“ (LOFT). LOFT ist im Grunde ein Simulationstraining. In den Simulationen sollen Fertigkeiten erworbenen werden und bereits Gelerntes in die Tat umgesetzt werden. Anschließend wird das Verhalten in einem Debriefing analysiert. In der fünften und momentan aktuellen CRM-Generation ist besonders die Tatsache hervorzuheben, dass akzeptiert wurde, dass menschliche Fehler unvermeidbar sind. Deshalb wird aktuell mehr Wert auf Error-management gelegt. Die zentrale Fragestellung ist: Wie gehe ich mit einer Situation um, die aus einer Fehlreaktion entstanden ist? D.h. zum einen, wie soll reagiert werden, aber auch der Part des aktiven Agierens wird beachtet. Ein Beispiel wäre, dass ein Copilot seinem autoritär übergeordnetem Arbeitskollegen in seinen Entscheidungen nicht wiederspricht (obwohl er anderer Meinung ist), aus Angst es könnte eine Meinungsverschiedenheit mit negativen Konsequenzen für ihn entstehen. Besonders relevant in der Entwicklung von CRM ist die, bereits oben erwähnte, Erweiterung der Zielgruppe. Die Frage: wer wird trainiert?, lässt sich nun nicht nur mit „Pilot/in“ beantworten. Aktuell spielt das Training der Cabin Crew eine zentrale Rolle, aber auch „Mantainence in Aircraft“ und „Air traffic Controll“ sind involviert8. Zudem gibt es auch hier sogenannte combined CRM-Trainings, in denen z.B. Piloten/innen und Air Traffic Controller gemeinsam trainieren. 51 Von der Technik zum Menschen CRM Trainings werden in allen Fluggesellschaften durchgeführt. Weltweit sind Airlines dazu verpflichtet ein solches Training vor dem ersten Flug für ihr Personal anzubieten und dieses in jährlichen Wiederholungsschulungen zu trainieren9. Allerdings existiert keine standartisierte Methodologie zur Gestaltung von CRM-Trainings, vielmehr sind die Trainings spezifisch auf die Fluggesellschaft zugeschnitten, befolgen aber dennoch internationale Richtlinien. 1 Handelsblatt (2013). Welches Verkehrsmittel ist das sicherste? 28. November, 2014: http://www.handelsblatt.com/technologie/das-technologie-update/frage-der-woche/auto-flugzeug-bahn-welches-verkehrsmittel-ist-das-sicherste/8479152. html 2 Spiegel online (2015). Unfalltote bei Abstürzen: 2014 - ein schwarzes Jahr für die Luftfahrt. 6. Januar, 2015: http://www. spiegel.de/reise/aktuell/flugzeugunglueck-bilanz-2014-zahlder-toten-stieg-ums-vierfache-a-1011414.html 3 Burke, C. S., Wilson, K. A. & Salas, E. (2005). Teamwork at 35,000 feet: enhancing safety through team training. In D. Harris & H.C. Muir (Hrsg.), Contemporary Issues in Human Factors and Aviation Safety (S. 155 - 180). Aldershot: Ashgate. 4 Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M (2001). Managing the Unexpected: Assuring High Performance in an Age of Complexity. San Francisco: Jossey-Bass. Fazit 5 Hageman, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2011). High Responsibility Teams – Eine systematische Analyse von Teamarbeits- Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwicklung von CRM in kurzer Zeit viele Veränderungen durchgemacht hat. Unter anderem sind CRM-Trainings ausschlaggebend dafür, dass die Sicherheit in der Luftfahrt über die letzten zwanzig Jahre hinaus so stark steigen konnte. kontexten für einen effektiven Kompetenzerwerb. Journal Psychologie des Alltagshandelns, 4(1), 22-42. 6 Salas, E., Wilson, K. A., Burke, C. S. & Wightman, D. C. (2006). Does crew resource management training work? An update, an extension and some critical needs. Human Factors, 48, 392-412. 7 Helmreich, R. L., Merritt, A. C. & Wilhelm, J. A. (1999). The evolution of crew resource management training in commercial aviation. The International Journal of Aviation Psychology, 9, 19-32. Die Akzeptanz gegenüber der Durchführung von und der Teilnahme an CRM-Trainings hat sich im Laufe der Jahre deutlich verbessert, wie es z.B. in dem Gespräch mit Herrn Winnikes (siehe S. 57) ersichtlich wird. CRM hat sich im Alltag eines/r Piloten/in etabliert. Lydia Penkert 52 8 Flin, R., O’Conner, P. & Mearns, K. (2002). Crew resource management: improving team work in high reliability industries. Team Performance Management: An International Journal, 8(3/4), 68-78. 9 Luftfahrt-Bundesamt (2011). JAR-OPS, Betriebsvorschriften für den Verkehr mit Flugzeugen und Helikopter. 1. Februar, 2015: http://www.lba.de/SharedDocs/Downloads/DE/B/B2_Flugbetrieb/ B2_Allgemein/VO_1332_2011.html?nn=569538 Crew Resource Management Crew Resource Management - Wenn Teamtraining helfen kann, Leben zu schützen- 54 Crew Resource Management Etwa jede/r Fünfte unter uns hat laut einer Studie des Marktforschungsinstituts „GFK“ Angst zu fliegen. Dabei werden jährlich mehr als vier Milliarden Menschen sicher auf dem Luftweg transportiert. Bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt sind hingegen beispielsweise im Jahr 2008 etwa 500 Menschen weltweit. Damit liegt laut einer Studie der International Air Transport Association die Wahrscheinlichkeit mit einem Flugzeug abzustürzen bei etwa 0,000012 Prozent1. Das Fliegen zählt somit zu den sichersten Transportmitteln weltweit2. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 55 Crew Resource Management Der Grund dafür ist nicht nur der technische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte. Die Luftfahrt gilt als Vorreiter auf dem Gebiet des Trainings nicht-technischer Skills, also Fertigkeiten teamarbeitsbezogener Natur. Dadurch sollen Unfälle, bei denen menschliche Fehler eindeutig als Ursache identifiziert werden können, verhindert werden und die geringe Anzahl an Unfällen soll möglichst gering gehalten werden Im folgenden Unfall-Beispiel wurden unter anderem die Kommunikation innerhalb des Cockpits und mit dem Bodenpersonal, sowie Probleme mit der Hierarchie als Flugunfallursache angeführt3,4. Am 28. Dezember 1978 startete ein nahezu ausgebuchter Flug der United Airlines mit 181 Passagieren vom Startflughafen Denver zum Zielflughafen Portland. An Bord befanden sich zwei Piloten, ein Flugingenieur und vier Flugbegleiter/innen. Der Kapitän der UAL 173 war der 52-jährige Malburn McBroom, der seit 27 Jahren Pilot war und mit mehr als 27.000 Flugstunden einer der erfahrensten Piloten der United Airlines war. Sein Copilot und Erster Offizier an Bord war der 45-jährige Roderick Beebe, der seit 14 Jahren für United flog. Flugingenieur und zweiter Offizier war der 41-jährige Forrest Mendenhall, der seit elf Jahren für United flog und die Maschine genauso gut kannte wie der Kapitän. Obwohl Besatzungsteams regelmäßig rotieren, war diese Cockpit-Besatzung vergleichsweise gut miteinander vertraut. Die Vorbesprechung ergab, dass das Wetter und der Wind keine größeren Verzögerungen vermuten ließen und der Flug lief wie geplant, bis sich die Maschine um 17.14 Uhr Ortszeit im Landean- 56 flug befand. Zu diesem Zeitpunkt verfügte das Flugzeug über Kraftstoffreserven für etwa 60 Minuten. Nach dem Ausfahren des Fahrwerks stellte der Kapitän fest, dass nur eine der drei grünen Fahrwerksanzeigen leuchtete und das Flugzeug nach rechts zog, was darauf hinwies, dass es ein Ungleichgewicht gab. In Absprache mit dem Anfluglotsen am Boden sollte die UAL 173 Warteschleifen fliegen, bis das Problem behoben ist. Die gesamte Cockpit-Crew konzentrierte sich daraufhin auf das Problem mit dem Fahrwerk, statt die Aufgaben angemessen auf das Team zu verteilen und ließ die Kraftstoffanzeige außer Acht, bis die Reserven fast komplett aufgebraucht waren. Diese Aufgabenverteilung führte zu einer schlechten Situation Awareness im Team. Der letzte Funkspruch der United 173 lautete: „United eins sieben drei heavy, Mayday, unsere Triebwerke sind ausgegangen, wir gehen runter, wir schaffen es nicht mehr bis zum Flughafen.“ Danach stürzte die Maschine in einem bewaldeten Gebiet ab. Von den 181 Passagieren an Bord starben acht durch den Aufprall und 21 weitere wurden schwer verletzt. Der Flugingenieur und die Purserin Joan Wheeler starben ebenfalls. Der Unfallbericht ergab, dass das Hauptfahrwerk beim ersten Landeanflug vollständig ausgefahren war und eine Landung möglich gewesen wäre. Der Kapitän McBroom trägt laut Bericht die Hauptschuld, da er weder auf die Hinweise seiner Crew, noch auf den Treibstoff geachtet hatte. Außerdem wurden Beebe und Mendenhall dafür kritisiert, den Kapitän nicht deutlich genug auf den Treibstoffstand aufmerksam gemacht zu haben. Diese Umstände weisen auf Probleme mit einer zu steilen Hierarchie und zu schlechten Führungsqualitäten des Kapitäns, sowie einer schlechten Situation Awareness hin. Der erfahrene Kapitän musste genau gewusst haben, dass eine Treibstoffmenge von 5.000 Pfund eine Landung innerhalb von 20 Minuten erfordert und die beiden Offiziere mussten davon ausgehen können, dass der Kapitän die Lage kennt. Der Copilot Beebe erkannte zuerst den Treibstoffmangel anhand seiner eigenen Anzeige und fragte daraufhin zwei Mal im Abstand von zehn Minuten den Flugingenieur Mendenhall zur verbleibenden Menge, obwohl er die Antwort bereits kannte. Er wagt es nicht, seine Sorge deutlich genug auszusprechen und den Kapitän zur Landung aufzufordern. Die Luftfahrt hat auf solche und ähnliche Fehler entsprechend reagiert und zunächst das Cockpit Resource Management entwickelt, um die Kommunikation und das Teamverhalten im Cockpit zu verbessern (siehe auch „Von der Technik zum Menschen“ S. 50). Es handelt sich dabei um ein Training, das auf nicht-technische Fertigkeiten, wie z.B. Entscheidungsfindung, abzielt. Schnell wurden solche Trainings weiterentwickelt und man begann, die gesamte Crew des Flugzeugs einzubeziehen5. Heutiger Standard ist das Crew Resource Management, welches unter anderem auch das Training an Simulatoren beinhaltet. Crew Resource Management Dieser Artikel gibt Ihnen nun einen Überblick über das Crew Resource Management und erklärt Ihnen den Aufbau verschiedener Trainings innerhalb der zivilen Luftfahrt. Es werden Ihnen zudem weitere Einsatzgebiete von CRM und (z.T. kritische) Betrachtungen zur Forschung und Evaluation vorgestellt. Unterstützt wird dieser Artikel durch Informationen und Anmerkungen aus dem Interview mit einem aktiven Piloten. Die Kommunikation während eines Fluges Wie zu Beginn dieser Zeitschrift bereits nachzulesen war, benötigt die Arbeit in einem Team, und so auch bei einer Flugzeug-Crew, eine grundlegende Voraussetzung: Kommunikation. Diese ist nicht nur wichtig in Routine-Situationen, um einen sicheren Ablauf zu gewährleisten, sondern insbesondere in den Fällen, in denen eine unerwartete Situation auftaucht. Allerdings ist die Kommunikation ein komplexer Prozess, in dem schnell Probleme auftreten können. Diese können beispielsweise die Weitergabe fehlerhafter Information sein, eine nicht stattfindende Informationsübermittlung, Missverständnisse oder aber eine durch Hierarchieebenen unterdrückte Kommunikation6. Abbildung 1: Bei der Weitergabe von Informationen können häufig Fehler auftreten Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Marc Winnikes, 40, wohnt in Frankfurt und ist Pilot (genauer gesagt Senior First Officer) bei einer deutschen Fluggesellschaft. Aufgewachsen ist er in Afrika, kam mit 17 Jahren wieder nach Deutschland und machte sein Abitur in der Nähe von Mainz. Danach fing er zunächst bei der Luftwaffe an, da es aufgrund des Irak-Krieges zu dieser Zeit einen Ausbildungs- und Aufnahmestopp im zivilen Sektor gab. 10 Jahre lang flog er Kampfflugzeuge und arbeitete währenddessen auch im Bereich Ausbildung, bis er 2004 doch noch in die Zivilluftfahrt wechselte. Bis 2012 arbeitete er dort als Fluglehrer, Ausbilder und Prüfer und später auch im Bereich Grundlagenausbildung bei Flugzeugführern. Aktuell fliegt er als Senior First Officer auf einem Langstreckenflugzeug und hat uns im Interview Rede und Antwort gestanden. Um diese Probleme möglichst gering zu halten, ist es wichtig, dass die Interaktionspartner über ein gemeinsames mentales Modell verfügen (siehe Artikel auf S. 32). Dieses Modell beschreibt ein gemeinsames Verständnis der Interaktionspartner, das situationsspezifisch durch die Annahmen und Erwartungen der Einzelpersonen aufgebaut wird, sodass alle ein möglichst ähnliches Bild von der Situation haben. Vor diesem gemeinsamen Hintergrund kann eine effektivere Kommunikation zur Erreichung des Kommunikationsziels stattfinden7. Herr Winnikes betont ebenfalls die Wichtigkeit dieser gemeinsamen Gedankenmodelle, da durch sie die Kommunikation insbesondere mit neuen Kollegen/innen vereinfacht wird. Mit Hilfe von standardisierten Vorgaben, wie den Standard Operating Procedures, können Modelle zur Kommunikation innerhalb der Crew aufgebaut und unterstützt werden. Ne- ben der Kommunikation ist auch der Prozess der Entscheidungsfindung ein häufiger Fehlerherd. Denn z.B. unter Stress fällt es oft schwer, alle möglichen Alternativen zu betrachten und einen kühlen Kopf zu bewahren. Um dies zu erleichtern, wurde ein Modell zur Entscheidungsfindung, das FORDEC-Modell, eingeführt. Es steht für Facts (Fakten), Options (Optionen), Risks and Benefits (Risiken und Nutzen), Decision (Entscheidung), Execution (Ausführung) und Check (Überprüfung)8. Diese Schritte werden nacheinander im Team ausgeführt. Der Ablauf sieht dann folgendermaßen aus: Zuerst werden die Fakten zur Situation gesammelt, dann die möglichen Optionen zur Situation durchgegangen. Anschließend werden die Risiken gegen Nutzen abgewogen, um die Entscheidung mit dem größten Vorteil zu wählen. Diese wird dann ausgeführt und direkt überprüft, ob sie denn die richtige war. Für den Fall, dass sie es nicht 57 Crew Resource Management war, beginnt der Durchlauf des Modells wieder von vorne. Ähnliche Modelle wie das FORDEC Modell zur Entscheidungsfindung gibt es auch für Kommunikationsprozesse. Denn hier kann es sonst häufig zu Missverständnissen kommen, wenn eben kein gemeinsames Bild der Situation besteht. Herr Winnikes stellt fest, dass insbesondere die Kommunikation zwischen Cockpit und Kabine anfälliger für Kommunikationsprobleme ist, da hier die räumliche Distanz und der fehlende Blickkontakt eine Barriere für den Informationskanal darstellen. Ein Beispiel aus einem seiner CRM-Trainings war eine Situation, in der aus einem Paket in der Kabine Flüssigkeit austrat und es zu einer Rauchentwicklung in der Kabine kam. Für diesen Fall gibt es eine Liste, in der jedes umweltgefährdende Material, das befördert werden darf, mit einer vierstelligen Nummer aufgeführt ist. Diese Liste war vorhanden. Die jeweilige Nummer ist auf dem Paket vermerkt, und der/die Mitarbeiter/ in muss diese ans Cockpit weitergeben, damit klar ist, um welches Material es sich handelt. Nun geschah es in diesem Fall so, dass die Kollegin die Nummer auf dem Paket nicht fand, sondern nur eine fünfstellige Zahl. Der Pilot wusste, dass es eine vierstellige Zahl sein musste, die Kollegin jedoch wusste dies nicht und fand daher nicht die richtige Nummer. So musste dieses Problem auf eine andere Art gelöst werden. Diese Beispielsituation veranschaulicht, dass es in der Kommunikation überaus wichtig ist, dass sehr detailliert Informati- 58 Abbildung 2: Wegen eines Verständnisproblems wurde die falsche Nummer eines Paketes weiter gegeben on übermittelt wird, und man sich bewusst ist, dass das Gegenüber nicht zwingend das gleiche Bild von derselben Situation hat, wie man selbst. In diesem Falle hätte zum Beispiel besser explizit nach einer vierstelligen Nummer gefragt werden sollen, was die Situation wahrscheinlich vereinfacht hätte. Neben der Kommunikation ist die Koordination der Arbeitsprozesse ebenfalls eine wichtige Aufgabe im Cockpit, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. „Kommunikation und Koordination sind zwei gleichwertige Säulen, die ineinander greifen“. Koordination erfolgt überwiegend über direkte Kommunikation untereinander, da so eine effektive und zuverlässige Ausführung der jeweiligen zugeteilten Aufgaben gewährleistet werden kann. Auch für die Koordination der Aufgaben sind feste Vorgaben in den Standard Operating Procedures enthalten, wodurch das gemeinsame Bild im Team wieder gestärkt wird. Das sind Operation Manuals (OM), die die Koordination der Aufgaben und ihre Verteilung vorgeben. Diese können sich beispielsweise auf generelle Maßnahmen, auf einen speziellen Flugzeugtyp oder aber auf Länderbestimmungen beziehen. Länderbestimmungen sind nationale Regelungen, die sich von den Regularien der internationalen Luftfahrtorganisation unterscheiden. So gelten zum Beispiel in den USA andere Verfahren im Fall von Lost-Communications (verlorenem Funkkontakt), als in anderen Nationen. Zur Erleichterung der Kommunikation und Koordination dient außerdem ein Briefing, welches vor dem Flug durchgeführt wird. Es gibt separate Briefings für das Cockpit und die Kabine und anschließend werden noch einmal beide zusammengeführt. Im Cockpit-Briefing erhält die Crew ein digitales Briefing-Paket mit nötigen Angaben über den bevorstehenden Flug, wie z.B. die erforderliche Betriebsstoffmenge, welche Landebahnen nicht in Betrieb sind oder die zu erwartenden Wetterbedingungen am Zielflughafen. Aber auch Dinge, die die bevorstehende Zusammenarbeit betreffen, können hier besprochen werden. Dazu kann z.B. zählen, dass der/die Pilot/ in die Crew auffordert, sich nicht zu scheuen, ihn/sie auf mögliche Fehler hinzuweisen. Warum dies sehr wichtig sein kann, können Sie im nächsten Kapitel erfahren. Im Allgemeinen sei die Zusammenarbeit mit Kollegen/innen, die man zum ersten Mal trifft, sehr einfach, weil alle das gleiche standardisierte Training durchlaufen haben. Dadurch ergebe sich eine ähnliche Art im Umgang miteinander, die im Zusammenspiel mit den Standard Operating Procedures eine kooperative Arbeit gewährleiste. Organisation der Teamarbeit Dass nicht nur eine einzige Person dafür verantwortlich ist, dass ein Flugzeug nach Plan seinen Crew Resource Management Zielflughafen erreicht, sondern eine komplexe Arbeit eines Teams dahinter steht, ist bekannt. Aber wie sieht die Organisation innerhalb dieses Teams aus? Herr Winnikes verschafft uns hier einen Einblick in das Cockpit. Dieses ist immer mit zwei Piloten/innenbesetzt, auf ausgewählten Langstrecken sind drei Piloten/innen dabei, wobei eine/r, mit Ausnahme von Start, Anflug und Landung, jeweils pausieren kann. Die drei Positionen, die zusammen die Crew bilden, sind der/die Kapitän/in, der/ die Senior First Officer sowie der/ die Copilot/in. Der/die Kapitän/in steht in der Hierarchie an oberster Stelle, denn er/sie ist der/die verantwortliche Luftfahrzeugführer/ in und hat die rechtliche Gewalt und die Entscheidungsgewalt an Bord. Fällt diese/r aus irgendwelchen Gründen aus, so geht die Entscheidungsmacht an den/die ihm unterstellten Senior First Officer, der/die ein/e erfahrene/r Copilot/ in ist. Der/die Copilot/in bildet die unterste Position dieser Hierarchie. Innerhalb der Kabine gibt es ebenfalls eine Hierarchie. Hier übernehmen die Purser (P), oder die Kabinenchefs die Koordination der Kabinenbesatzung. Bei Fluggesellschaften gibt es den/die P2, der/ die gesamtverantwortlich für den gesamten Bereich der Kabine ist, und den/die P1, der/die unter ihm steht, und nur für einen bestimmten Teilbereich verantwortlich ist. Ihnen untersteht der Rest der Kabinenbesatzung. Innerhalb solcher Hierarchien steht die Frage im Raum, ob die Grenzen zwischen den Positionen die Kommunikation von unten nach oben beeinflussen. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Unter diesen Bedingungen ist es fraglich, ob ein/e Copilot/in den/ die Kapitän/in auf etwas Sicherheitskritisches aufmerksam machen würde. Abbildung 3: Die Hierarchie im Cockpit (oben) und der Kabine (unten) Denn würde sich beispielsweise ein/e Copilot/in trauen, eine Handlung des/der Kapitäns/in zu hinterfragen, wen diese ihm fragwürdig vorkommt? Herr Winnikes beschreibt die Hierarchie innerhalb der Arbeit im Cockpit als sehr flach. Das meiste sei durch die Standard Operating Procedures abgedeckt, an die sich gehalten werde, sodass die Erwartungshaltung an den/die andere/n Piloten/in klar sei. Sollte nun aber doch der/die Kapitän/in eine abweichende Handlung durchführen, so würde Winnikes ihn/sie darauf hinweisen. Darüber hinaus werde diese Einstellung auch von manchen Kapitänen/innen innerhalb des Cockpit-Briefings vor dem Flug ermutigt, indem sie ihre Copiloten/innendazu auffordern, etwas zu sagen, falls ihnen etwas auffalle. Die Einstellungen und das Verhalten in einem Rollengefüge innerhalb einer Hierarchie sind allerdings nicht überall identisch, denn es gibt kulturelle Unterschiede bezüglich der Handlungsweisen in Hierarchien. So ist es in den asiatischen und lateinamerikanischen Ländern oft etabliert, dass ein besonders starkes Hierarchiegefälle besteht. In diesen Kulturen werden die Handlungen der höhergestellten Personen nicht hinterfragt, da dies respektlos wäre9. Ein Beispiel, indem der Copilot sich aus solchen Hierarchiegefälle-Gründen nicht mit seinen Bedenken an den Kapitän wandte, ist der Absturz eines Flugzeuges der Firma Birgenair im Jahre 1996, die von der Dominikanischen Republik nach Deutschland fliegen sollte. Die Crew bestand aus einem erfahrenen Kapitän und einem weniger erfahren Copiloten. Kurz nach dem Start machte der Geschwindigkeitsmesser des Kapitäns fehlerhafte Angaben, woraufhin die Kontrolle an den Copiloten hätte übergeben werden müssen. Dies machte der Kapitän jedoch nicht, und der Copilot wies ihn nicht darauf hin. Der Kapitän ignorierte den Fehler und schaltete auf den Autopiloten. Außerdem beachtete er weiterhin die Warnungen der Systeme, doch wenn Zweifel an der Richtigkeit der technischen Geräte bestehen, sollte unbedingt manuell gesteuert und eben nicht mehr auf die (womöglich fehlerhaften) Systeme vertraut werden. In diesem Fall handelte der Pilot somit erneut entgegen den Richtlinien. Auch diesbezüglich widerspricht der Copilot nicht, sondern unternimmt nur am Ende der kritischen Situation zaghafte Versuche, den Kapitän wieder auf den richtigen Handlungsweg zu bringen. Diese Versuche reichten jedoch nicht, sodass schlussendlich die Passagiere sowie die Besatzung bei dem Absturz in den Atlantischen Ozean ums Leben kamen10. 59 Crew Resource Management Abbildung 4: Die verheerenden Folgen eines Flugzeugabsturzes gilt es durch CRM Training möglichst zu vermeiden Um genau solche Probleme und derartige Katastrophen, die durch menschliche Fehler entstehen, zu vermeiden, führte die Luftfahrt die CRM Trainings ein, welche die nicht-technischen Fertigkeiten, wie z.B. Kommunikation, Führungsverhalten, situative Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung verbessern sollen. Damit Sie sich für den weiteren Verlauf ein Bild von solchen Trainings machen können, wollen wir im folgenden Abschnitt zunächst auf die Abläufe und Inhalte dieser Trainingsform eingehen. Was macht man überhaupt in einem CRM Training? Es ist schwer zu beschreiben, wie ein typisches CRM-Training abläuft. Dazu müsste man zuerst definieren, was genau ein typisches CRM-Training ist. Hier wird es schon schwierig, da es bisher keine einheitlich angewandte und standardisierte Methode für die Durchführung eines CRM-Trainings gibt und beispielsweise die Airlines ihre Trainings flottenspezifisch ausrichten11. Die Inhalte, welche vermittelt werden, sind jedoch häufig sehr ähnlich. Sie „sind entworfen für das Wissen, die Fertigkeiten und Motive, die mit kognitiven Prozessen und interpersonalen Beziehungen zusammenhängen“12. Klingt erstmal kompliziert, was kann man sich darunter vorstellen? Typische Kernelemente sind Teamwork, Führung, situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Kommunikation und die Grenze der menschlichen Fähigkeiten13. Also z.B. wie viele Informationen kann ich gleichzeitig verarbeiten? Wie lange bleiben Informationen in meinem Kurzzeitgedächtnis? Da das CRM-Training so viele verschiedene Trainingsschwerpunkte hat, sind auch die Lehrmethoden vielseitig. CRM-Trainings beinhalten Vorträge, Diskussionen, Rollenspiele, Fallstudien, Unfallanalysen, Nachstellungen von Unfällen anhand von Videomaterial oder Simulatortrainings13. Herr Winnikes erzählte uns, wie Abbildung 5: Ansicht eines Flugsimulators von außen und von innen 60 sich die wiederkehrenden Trainingsereignisse im Rahmen der Lizenzverlängerung darstellen. Dazugehören zunächst die im Flugsimulator gebundenen „Refresher-“ und „Check-Events“, aber auch CRM- und Emergency Seminare. Bei den Refresher- und Checkflügen im Simulator liegt der Schwerpunkt auf der cockpitgebundenen Arbeit, die Zusammenarbeit mit der Kabinenbesatzung wird angesprochen, aber nicht ausgeführt13. „Das Simulator-Training beginnt eine Stunde vor dem Simulatorslot mit dem Briefing“. Hier werden die von der Cockpitbesatzung bereits vorbereiteten Themenkomplexe angesprochen, welche im Simulator trainiert werden. Im Anschluss daran wird die Cockpitbesatzung im Simulator selbst mit verschiedenen Szenarien konfrontiert, welche die Durchführung von Verfahren und Prozeduren, sowie eine Entscheidungsfindung durch den/die Kapitän/in, in Zusammenarbeit mit First Officer oder Senior First Officer erfordern. Verantwortlich für die Durchführung dieser Ausbildung ist der für diese Zwecke speziell geschulte Trainingskapitän. Die CRM- und Emergency Seminare werden zunehmend häufiger zusammen mit Flugbegleitern/in- Crew Resource Management nen durchgeführt. „Da sind dann drei bis vier Piloten/innen und ca. 16-20 Flugbegleiter/innen.“ Es werden allgemeine Verhaltensweisen trainiert, wie beispielsweise das Verhalten beim Einsteigen oder Aussteigen der Passagiere oder aufgabenbezogene Fertigkeiten wie das Öffnen der Türen und Notausgänge. Weitere wichtige Punkte seien der Transport von Gefahrengütern oder die Feuerbekämpfung, denn wenn ein Feuer in der Maschine ausbricht, bleibt nur sehr wenig Zeit zum Handeln. Dabei werden die Themen zuerst in der Theorie besprochen, und im Anschluss im „Mockup“, „das ist im Prinzip eine Kabine mit Cockpit aber am Boden stehend“ simuliert (siehe Abbildung 6). Das kombinierte Training von Cockpit- und Kabinenkollegen/innen dient vor allem dazu, die Zusammenarbeit zu verbessern. Erkenntnisse aus diesen Schulungen werden regelmäßig in Verfahrensweisen verarbeitet. Wie hat sich CRM über die Luftfahrt hinausverbreitet? O‘Connor und Flin (2003) stellten fest, dass die häufigste Unfallursache laut einer Umfrage auf sechs britischen Ölplattformen eine „mangelnde Sorgfalt mit der Hygiene und Aufmerksamkeit“ ist. Ein CRM-Training für Öl-&Gasplattformen zeigte positive Effekte in Bezug auf die Entscheidungsfindung und die Einschätzung der persönlichen Grenzen14. Ein beispielhaftes CRM-Training auf solch einer Offshore-Anlage wurde von O’Connor und Flin (2003) durchgeführt14. Das Seminar dauerte zwei Tage und enthielt sechs verschiedene „Packages“, also Themenschwerpunkte. Am ersten Tag waren die Themenschwerpunkte situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung und Kommunikation. Der zweite Tag beschäftigte sich mit Team Koordination, Müdigkeit und Schichtdienst sowie Stress. Ein weiteres Anwendungsgebiet des CRM ist die Berufsfeuerwehr. Einige Berufsfeuerwehren nutzen das Team Resource Management (TRM), welches eine zielgruppenspezifische Variante des CRM ist. Personen der Berufsfeuerwehr, Abbildung 7: Auch auf Ölplattformen kann CRM Training positive Effekte erzielen Piloten/innen Ärzte/innen oder Schiffspersonal sind in sogenannten High Responsibility Teams (HRT) organisiert. Diese Teams unterliegen einem hohen Gefahrpotential mit gleichzeitiger Verantwortung für das eigene Leben, sowie das Leben Dritter. Aufgrund ihrer dynamischen, oft unvorhersehbaren Arbeitsbedingungen und anspruchsvollen Arbeitszusammenhängen, in denen technische Störungen schwerwiegende Folgen für den Menschen und die Umwelt CRM findet sich nicht nur in der Luftfahrtbranche, sondern auch in der Öl-und Gasförderung (Offshore-Oil-Industry). Denn genau wie in der Luftfahrtbranche ist in der Öl- und Gasförderung eine umfangreiche Teamarbeit unersetzlich. So stellte sich heraus, dass die meisten Unfälle, welche ebenfalls schwerwiegende Konsequenzen für Mensch und Umwelt bedeuten, auf menschliches Versagen zurück zu führen sind. Abbildung 6: In diesem „Mockup“ kann beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Cockpit und Crew trainiert werden Wissenschaft & Praxis Februar 2015 61 Crew Resource Management haben, ist TRM unerlässlich18. Auch im medizinischen Bereich werden komplexe Entscheidungen getroffen, die bei Fehlentscheidungen besonders schwerwiegende Auswirkungen haben können. Es müssen z.B.Entscheidungen im Kontext eines intensiven Zeitdrucks getroffen werden. Um hier menschlichen Fehlern entgegen zu wirken, entwickelte der Wissenschaftler Gaba (2001)15 das sogenannte ACRM (Anesthesia Crisis Resource Management). Das ACRM ist die abgeleitete Form des CRM Trainings für Anästhesisten/ innen. Das Besondere am ACRM ist, dass es äußerst realistische Simulationsszenarien beinhaltet, die gerade die komplexen Entscheidungsfindungen und die Interaktion mit mehreren Personen trainiert. Zu Beginn eines solchen Trainings wird eine Einführung zu den Themenschwerpunkten des Trainings gegeben15. Danach wird der Gruppe der Simulator präsentiert und die medizinischen Geräte vor Ort werden erklärt. In einer Gruppenarbeit werden Videobänder von Eingriffen gemeinsam analysiert. Die analysierten Eingriffe sind Positiv- oder Negativbeispiele. Die Teilnehmer/innen sollen in den Gruppen überlegen: „Was lief gut oder schlecht beim Eingriff? Warum hatte das Team Erfolg oder wo hat es Fehler gemacht?“. Im Anschluss daran erfolgt das Training im Simulator. Dabei gibt es verschiedene realistische Situationen mit unterschiedlichen Komplexitätsniveaus. Der simulierte Eingriff wird auf Video aufgezeichnet und direkt im Anschluss im Debriefing besprochen15. Die Verbesserungen durch den Einsatz von ACRM-Trainings in 62 der Anästhesiologie führten dazu, dass man das ACRM an den wichtigsten Gesundheitseinrichtung der Welt vorfindet16. Gerade das Simulation Based Training auf Basis von CRM-Grundsätzen wird aktuell in vielen medizinischen Einrichtungen, wie z.B. im Universitätsklinikum Essen und Dresden, eingesetzt. Ein weiteres Anwendungsgebiet des CRM ist das sogenannten Bridge Resource Management (BRM), welches die maritime Version (lat. maritimus, ‚zum Meer gehörig‘) des Crew Resource Managements (CRM) ist und wird seit über einem Jahrzehnt erfolgreich in der maritimen Industrie genutzt17. BRM wurde ursprünglich entwickelt, um die Beziehung zwischen Kapitän und den Piloten (ein Nautiker bzw. Seemann, der an Bord kommt, um ein Schiff durch gefährliche oder überlastete Gewässern zu führen) zu verbessern. Der Erfolg des CRM und seiner Varianten und die damit verbundenen vielfältigen Potenziale führen zu einer ständigen und branchenübergreifenden Weiterentwicklung. Wie sich das CRM in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird, kann man nicht genau sagen. Abbildung 8: Das Duisburger CRM Modell Jedoch steht fest, dass das CRM eine effektive Ausbildungsergänzung zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Sicherheit in Hoch Risiko Organisationen ist, die zielgruppenspezifisch in weitere HROs und Branchen adaptiert werden kann. Wie man an den Beispielen adaptierter CRM-Trainings erkennen kann, gibt es zahlreiche Überschneidungen in den Trainingsschwerpunkten. Bisher haben andere Bereiche lediglich versucht, die Inhalte aus den Trainings der Luftfahrt auf ihr eigenes Aufgabenfeld zu übertragen19. Um eine einheitliche Methode für die Erstellung von CRM-Trainingseinheiten für alle HRO-Bereiche zu entwickeln haben Hagemann, Kluge und Ritzmann (2009) das „Duisburger CRM-Modell“ (siehe Abbildung 9) und das Team-Arbeit-Kontext-Analyse-Inventar (TAKAI) entwickelt18,19. Das TAKAI dient dazu, das Arbeitsumfeld anhand von Fragestellungen in vier verschiedenen Bereichen standardisiert zu erfassen. Es wird also von den Angestellten der HROs bearbeitet. „Die vier Bereiche sind Komplexität, Kontextkriterien, adaptives Verhalten und Shared Mental Model“19,S.251, also geteilte Crew Resource Management mentale Modelle. Komplexität beschreibt, wie umfangreich die zu erledigenden Aufgaben sind, also beispielsweise welche Informationen ich von wem brauche oder benötige, um sie zu erfüllen, oder auf wen und was mein Handeln Auswirkungen hat19. Die Kontextkriterien beschreiben beispielsweise, wie stark die Hierarchie innerhalb des Teams ist oder welche Umweltfaktoren auf das Team einwirken, also z.B. die Wetterlage. Das adaptive Verhalten beschreibt z.B. wie anpassungsfähig ein Team in einer neuen Situation ist19. Geteilte mentale Modelle werden auf Seite 32 genauer erklärt. Darunter versteht man beispielsweise gleiches Wissen aller Teammitglieder über die verwendete Ausrüstung, wie das Wissen des Feuerwehrpersonals, für wie viele Minuten der Sauerstoff in den Flaschen reicht. Nach der Auswertung der TAKAI-Fragebögen werden die Ergebnisse auf das Duisburger CRM-Modell übertragen19. Bei diesem Modell handelt es sich um einen „idealisierten Teamarbeitsprozess“. Es zeigt also, wie ein Team zusammenarbeiten würde, wenn alles perfekt liefe. In der Realität ist das aber oft leider nicht der Fall. Die Ergebnisse des TAKAI-Fragebogen können zeigen, wo die Schwachstellen in der Teamarbeit liegen. Stellt sich beispielswiese heraus, dass „die Hierarchie in einer HRO stark ausgeprägt [ist], hat dies Auswirkungen auf den Wissensabgleich im Team und somit auf die Ausbildung eines SMM und einer Shared Situation Aware ness“19,S.256, also der geteilten mentalen Modelle und der geteilten situativen Aufmerksamkeit. Bei der Entwicklung eines CRM-Trainings für dieses HRT sollte der Schwerpunkt dann auf der Bildung geteil- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 ter mentaler Modelle und geteilter situativer Aufmerksamkeit liegen19. Je nach Anforderung kann also das CRM-Training für ein HRT angepasst werden. Bringt CRM wirklich Verbesserungen? Dass die Luftfahrt CRM Trainings bereits seit ca. 20 Jahren als Pflichtprogramme eingeführt hat (nachdem sie auf freiwilliger Basis schon deutlich länger praktiziert werden)20 zeigt, dass man dort an die Wirkung und die Notwendigkeit dieses Trainings glaubt, bzw. positive Effekte verspürt. Zu den Veränderungen durch CRM Trainings sagt Marc Winnikes: „Also es gibt immer wieder mal solche Situationen, wo man im Simulator sitzt und sich denkt: „Da hatte ich ja ein völlig anderes Verständnis“ oder auch: „Mensch, gut dass ich das mal geübt habe.“ Außerdem ist jede prozedurale / organisatorische Veränderung, die wir im Flugablauf vornehmen, von der Trainingsabteilung umfangreich diskutiert worden und es wurde lange mit der Änderung gearbeitet, bevor sie dann angenommen wurde. Jede Änderung, die diskutiert wurde und dann auch in den Flugbetrieb übernommen wurde, ist sinnvoll.“ „Und allein die Tatsache, dass wir mit so vielen Menschen (also fünfeinhalbtausend verschiedene Piloten/innen) jeden Tag zusammengewürfelt werden können und miteinander arbeiten können, heißt schon, dass das Crew Resource Management, das wir betreiben, zum Erfolg führt.“ Doch kann man die Wirksamkeit solcher Trainings auch empirisch belegen? Eine Reihe von Wissenschaftlern/ innen beschäftigt sich mit diesem Thema und es gibt Befunde, die darauf hindeuten, dass CRM tatsächlich Erfolge erzielt9,18,21,22. Bei solchen Evaluationen bezüglich der Wirksamkeit von CRM Trainings wird häufig mit Kirkpatricks Modell der vier Stufen der Evaluation gearbeitet, welches bereits auf Seite 44 erläutert wurde. Abbildung 9: Die 4 Stufen der Evaluation Zur Erinnerung: die vier Stufen sind (bei der niedrigsten beginnend) Reaktionen, Lernen, Verhalten und Ergebnisse auf organisationaler Ebene. Reaktionen beziehen sich darauf, wie die Teilnehmer/innen das Training empfunden und beurteilt haben. Lernen bedeutet, ob Wissenszuwachs und Einstellungsveränderungen in Bezug auf Prinzipien, Fakten oder Fertigkeiten stattgefunden haben. Verhalten meint, ob das Gelernte auch bei der Arbeit angewendet wird und Ergebnisse auf organisationaler Ebene beziehen sich schlussendlich darauf, ob sich für die Organisation Veränderungen beobachten lassen, wie z.B. eine Erhöhung der Sicherheit oder Produktivität oder Senkung von Fehlern und Kosten23. In vergangenen Untersuchungen konnte vor allem gezeigt werden, dass CRM grundsätzlich positive 63 Crew Resource Management Reaktionen erzeugt, dass Lernen stattfindet, was hauptsächlich damit zusammenhängt, dass es zu einem Einstellungswandel kommt, und dass es ebenfalls zu den erwünschten Verhaltensänderungen im Cockpit führen kann. Was jedoch zumindest empirisch noch nicht ausreichend bestätigt werden konnte, ist, dass CRM Training zu einem Anstieg der Sicherheit führte. Dies begründet sich aber zum großen Teil dadurch, dass nur sehr wenige Untersuchungen vorhanden sind, die sich (ausschließlich) mit der 4. Stufe befassen, da diese generell schwieriger zu erfassen ist20. Warum werden Sie später sehen. Salas und Kollegen/innen (2006)20 betrachteten 28 bestehende Studien, die sich mit der Wirkungsweise und Effektivität von CRM Training beschäftigten. Diese Studien betrafen nicht nur CRM Trainings in der Luftfahrt, sondern z.B. auch in der Medizin, dem Militär, oder in der nuklearen Energieerzeugung. Von diesen 28 Studien evaluierten 13 die Stufe 1 von Kirkpatricks Modell, nämlich Reaktionen. Für die Evaluation ausschließlich auf dieser Stufe wurden mehrheitlich positive Ergebnisse gefunden. Allerdings sagt dieses Level am wenigsten über die Effektivität von CRM aus. Am besten sollte man immer möglichst viele der Stufen in eine Evaluation mit einbeziehen, um ein repräsentatives Ergebnis zu erzielen. Jedoch wird oftmals aus praktischen Gründen nur die erste und/oder zweite Stufe betrachtet. Von den insgesamt 28 Studien untersuchten 12 die zweite Stufe: Lernen und Einstellungsänderungen. Daten werden hierzu in den meisten Fällen mit Selbstreport-Studien gesammelt, die z.B. den Cockpit 64 Management Attitudes Questionnaire (CMAQ)24,25 beinhalten. Studien, die sich ausschließlich mit dieser Stufe beschäftigten, konnten ebenfalls positive Ergebnisse aufzeigen. Viele dieser Studien bezogen sich zusätzlich auf (eine) weitere Stufe(n) und in diesen Fällen wurden eher gemischte Ergebnisse gefunden. Die Stufe 3 (Verhaltensänderungen in der Praxis) wurde von 16 der 28 Studien untersucht, ebenfalls oft in Kombination mit anderen Stufen. Erfasst werden die Daten dieser Stufe zumeist durch Beobachtungen in Simulationen. Nun kommt die Problematik: Die letzte Stufe (Ergebnisse auf organisationaler Ebene) wurde nur in 5 Fällen untersucht, von diesen 5 beschäftigte sich eine isoliert mit dieser 4. Stufe. Die geringe Anzahl der Untersuchungen auf Stufe 4 geht z.T. darauf zurück, dass generell nur selten Unfälle in den untersuchten Bereichen passieren und dass es hier aufgrund der langen Zeit und mangelnden Informationen schwierig ist, Daten zu erheben und diese dann auch ursächlich mit dem CRM Training in Verbindung zu bringen. Eine Studie im Bereich Schifffahrt fand zwar einen positiven Effekt des CRM Trainings auf einen Rückgang der Verletzten und eine Reduzierung der Versicherungsprämien, jedoch kann man nicht sicher sagen, ob nicht weitere Faktorenwie bspw. die Veränderung der Technik oder der Unwetterhäufigkeit und nicht nur das CRM Training zu diesen Veränderungen geführt haben19. Häufig ist aus der Literatur außerdem nicht zu entnehmen, welche Trainingsmethoden genau bei dem evaluierten CRM Training angewandt wurden, wie viele Teilnehmer es pro Gruppe gab oder ähnliche Merkmale, die einen Einfluss auf die Wirksamkeit haben könnten. Dies erschwert den einheitlichen Vergleich mehrerer Studien. Ein weiterer Punkt ist, dass das CRM Training in der Luftfahrt nun schon viele Jahre existiert und durchgeführt wird. Daher ist es heute schwierig zu vergleichen, inwiefern die Luftfahrt mit dem Training im Vergleich zu der Zeit ohne Training sicherer geworden ist. Denn in all den Jahren, in denen es schon CRM Training gibt, haben sich auch viele andere Faktoren an den Flugzeugen verändert. Marc Winnikes erinnert sich: „Seit ich Teil der Luftfahrt bin, seit 1997, gab es schon immer Crew Resource Management, bzw. damals hieß es ja noch Cockpit Resource Management.“ „Deshalb fühl ich mich schon immer sehr sicher mit dem, was ich da mache.“ Die Entwicklung des CRM muss dennoch weiter gehen und in den vergangenen Jahren hat sich das CRM Training auch bereits weiter verbessert und angepasst: „Es war schon immer ein Prozess, Prozeduren und Arbeitsabläufe auch zu hinterfragen. Und die Trainings passen sich auch deshalb an, weil Flugzeuge sich verändern, die Technik sich verändert und damit auch die Form der Kommunikation und Information. Früher hatte man im Flugzeug noch Uhren, heute, mit vielen verschiedenen Displays ist viel mehr Information für mich vorhanden. Allein deshalb mussten ja die Formen der Arbeit schon angepasst werden. Und das ist glaub ich auch ein Prozess, des sich in der Sicherheit nie- Crew Resource Management derschlägt und der über die Jahre stattgefunden hat.“ Auch wenn es schwierig ist, empirische Belege für die letzte Stufe von Kirkpatricks Modell zu erzielen, lässt die aktuelle Entwicklung in jedem Fall darauf schließen, dass CRM Trainings als wirkungsvoll angesehen werden. Denn auch in anderen Bereichen außerhalb der Luftfahrt, wie z.B. der Medizin, der offshore-Öl Produktion oder nuklearen Energieerzeugungsbereichen wird nun immer mehr CRM Training implementiert und eingesetzt20. In der Luftfahrt zweifelt bereits kaum einer mehr an der Sinnhaftigkeit der Trainingseinheiten. Marc Winnikes sagt außerdem, dass die Akzeptanz sowieso vorhanden sei, da CRM Training dazu beiträgt, dass alle auf der gleichen Grundlage agieren und somit Missverständnisse gering gehalten werden. „Es ist in den Standard Operating Procedures festgelegt und somit halte ich mich einfach daran. Das Verständnis für die Logik eines bestimmten Verfahrens steht hinter der Notwendigkeit für die Standardisierung dieses Verfahrens. Wenn sich jeder daran hält, werden die Missverständnisse gering gehalten: Das Verständnis für die Arbeit des Anderen und für die Organisation der Cockpitarbeit ist dann einfach da, meine Erwartungshaltung wird bestätigt und damit kann man sicher auf den Flug gehen.“ Man kann hoffen, dass auch in den anderen Bereichen bald eine solche selbstverständliche Akzeptanz und routineartige Durchführung der CRM Trainings stattfindet. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Was kann man an CRM noch verbessern? Trotz zahlreicher empirischer Belege, wie den zuvor aufgeführten, lässt sich ein gewisses Maß an Verbesserungsvorschlägen äußern. Die fundamentale Frage, wie bereits an vorherigen Studien (siehe weiter oben im Text: empirische Belege)22 gezeigt, ist es, herauszufinden, ob CRM Trainings überhaupt sinnvoll sind. Dies wurde zum Teil belegt, allerdings ist in jeder Studie darauf zu achten, welche Variablen als Kriterium zur Überprüfung genutzt werden. Eine erste spontane Antwort des/der Lesers/ in könnte die Anzahl der Flugunfälle sein. Wenn sich Flugzeugunfälle über die Jahre hinweg verringern, dann sei CRM wirksam. Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Unfälle oder Abstürze kommen in geringen Maßen vor und können durch die Kombination von vielen verschiedenen Variablen entstehen, sodass es nicht möglich ist, von der Anzahl der Unfälle auf die Effektivität von CRM Trainings zu schließen9. Deshalb wird in den meisten Studien davon ausgegangen, dass das Verhalten an Bord und die Einstellungsänderung sowie die Akzeptanz der Trainings gültige Kriterien sind. Allerdings sind bei solchen Evaluationen auch die Kontextvariablen zu beachten; Eine Person verhält sich oft zu Beginn einer Simulation nicht genauso, wie in einer realen Stresssituation, obwohl es bei der Durchführung von Simulationen ebenfalls zur Entwicklung von Stress kommen kann. Somit kann festgestellt werden, dass es unterschiedliche Kriterien zur Messung der Wirkung von CRM Trainings geben kann, Akzeptanz und Einstellungsänderung sind nur zwei von weiteren möglichen. Des Weiteren spielen Variablen wie Persönlichkeit der teilnehmenden Personen, Fertigkeiten des/der Trainers/in und die Gruppendynamik bei der Absolvierung eines CRM Trainings eine entscheidende Rolle. Besonders die Dynamik innerhalb der Gruppe hat einen großen Einfluss darauf, in welche Richtung sich die Einstellung und Akzeptanz gegenüber CRM entwickelt26. Auch Konzepte wie soziale Identität oder sozialen Kategorisierung scheinen einen Einfluss auf das Kommunikations- und Koordinationsverhalten der CRM-Teilnehmenden zu haben27. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Man stelle sich eine junge Pilotin vor, die gerade neu bei einer Airline anfängt. Sie absolviert einige CRM Trainings und findet den Inhalt durchaus sinnvoll. Als sie aber auf einige Kollegen/innen, schon älteren Piloten/innen trifft, spotten diese: „ach, musstest du gerade das CRM Training machen? Du Arme!“. Da sich unser/e neue/r Pilot/in nicht direkt den Kollegen/innen entgegenstellen und so zum Außenseiter/in werden möchten, verzichtet er/sie darauf, das gelernte auch tatsächlich anzuwenden oder konkret anzusprechen. Diese Situation zeigt deutlich auf, welchen Einfluss die vorherrschende Meinung und die Akzeptanz, außerhalb des Trainings, auf die tatsächliche Anwendung haben kann (siehe auch Artikel „Teamtraining? Ja! Aber richtig!“ S. 36). Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass eine Vielzahl von Faktoren CRM Trainings beeinflussen können. Kritisch sind auch die unterschiedlichen Schwerpunkte in CRM Trainings zwischen Airlines zu betrach- 65 Crew Resource Management ten. Einerseits ist das Eingehen auf die Unterschiede innerhalb der Unternehmen positiv, anderseits ist es aber auch fraglich inwieweit diese Unterschiede relevant sind. Auch hier sollte mehr psychologische Forschung betrieben werden, um die CRM Trainings besser an die jeweiligen Fluggesellschaften anzupassen28. Aufgrund neuer Erkenntnisse und Forschungsansätze wurden und werden CRM Trainings kontinuierlich weiterentwickelt und erweitert, mit dem Ziel, deren Effektivität zu steigern. Besonders die Interaktion und Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Personengruppen (der Kabinencrew und der Cockpitcrew) steht im Vordergrund der Veränderungen (siehe auch „Von der Technik zum Menschen“ S. 50). Denn es fehle den Kabinenkollegen/innen laut Winnikes oftmals auch an Verständnis dafür, welche Informationen in welcher Flugphase relevant seien und für welche man in stressigen Phasen, wie dem Start, keine Zeit habe: „Zu Verbesserungsmöglichkeiten für CRM Training, würde ich eindeutig zählen dass es sinnvoll wäre, wenn öfter mal Kabinen Kollegen bei Simulator Events mit drin sitzen. […] um das Verständnis für die Arbeitsintensität in bestimmten Situationen, Flugphasen oder auch bei Notverfahren zu kultivieren. In diesem Zusammenhang würde beispielsweise während des Starts oder der Landung (Phasen hoher Arbeitsintensität) ein Anruf wegen Feuers in der Kabine sehr hilfreich sein, also Situationen, die unmittelbar die Sicherheit des Flugzeuges betreffen, alles andere ist erstmal nicht interessant.“ Im Bereich des Trainings für Cock- 66 pit kombiniert mit Kabine sei in den letzten Jahren aber auch immer mehr dazu gekommen. Diese Form eines CRM Trainings nennt man „combined CRM“. Es eignet sich besonders, um auf die verschiedenen Anforderungen in der Arbeit sowie Vorstellungen und Denkweisender Personengruppen aufmerksam zu machen. „Also als ich vor 10 Jahren angefangen habe, gab es die kombinierten Seminare noch nicht, also offensichtlich hat man dann wohl an irgendeinem Punkt festgestellt: Es ist wohl ganz sinnvoll wenn die beiden Gruppen außerhalb ihrer Arbeit sich aufeinander abstimmen können. Es [die Weiterentwicklung von CRM] ist ein ständiger Prozess, es werden Dinge erkannt, die nicht funktionieren, und in entsprechenden Trainings dann aufgearbeitet. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es natürlich immer, aber konkret wird daran ständig gearbeitet.“ Winnikes zeigt uns somit seine Seite von CRM in der Luftfahrt auf. Da CRM aktuell auch auf andere Branchen angewandt wird (siehe auch weiter vorne in diesem Artikel und auf Seite 78), sind auch dort gewisse Entwicklungen kritisch zu betrachten. Es gibt aktuell wenige empirische Untersuchungen, in welcher Art das CRM der Luftfahrt abgewandelt werden muss, um auf andere Berufsfelder angemessen eingehen zu können19. Organisationen sollten noch stärker darauf achten, den Teamarbeitskontext für neue Konzeptionen der Trainings standardisiert zu erheben, zum Beispiel durch das TAKAI (siehe S. 62). Auch ein Austausch zwischen den unterschiedlichen HRO’s ist relevant, um CRM Trainings gemeinsam, und nicht etwa unabhängig oder sogar in Konkurrenz voneinander zu entwickeln29. Abschließend ist es wichtig zu verstehen, dass CRM keine Lösung ist, um Fehler und Risiken aus der Luftfahrt oder anderen Branchen komplett zu entfernen, auch nicht durch Verbesserungen in naher Zukunft. Es ist kein Wundermittel gegen Unfälle, Missverständnisse oder Abstürze. Fehler sind unvermeidliche Resultate der natürlichen Limitationen des menschlichen Verhaltens9. Trotz dieser Limitationen können menschliche Fehler durch adäquates Training deutlich minimiert werden. Tina Hees, Lydia Penkert, Ann-Kathrin Kunze, Peter Hansen, Lucas Coerdt, Daniel Veutgen Crew Resource Management 1 Steinlein, C. (2009). Flugunfälle – Alles eine Frage der Statistik? 591–609. 29 Hagemann, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2011). High 13. Januar, 2015: http://www.focus.de/wissen/technik/erfindun- 15 Gaba, D. M., Howard, S. 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Es gibt viele Arten von sogenannten High Reliability Organisations (HROs), wie etwa die Feuerwehr, die Polizei und die Kernkraftindustrie. Kernkraftwerke sind ein starker Repräsentant der HROs, da ein Fehler gravierende Ausmaße annehmen kann, die die gesamte Umwelt und alle Menschen im Umfeld noch über Jahre gefährden können, wie man am Beispiel von Tschernobyl sehen kann (siehe hierzu: „Alles Käse ohne Teamwork S.26). 68 Allerdings geschehen solche Katastrophen nicht innerhalb von Sekunden, wie es bspw. bei Notärzte/ innen oder in der militärischen Luftfahrt der Fall sein kann. Bei Kraftwerken sind Katastrophen oft frühzeitig absehbar und durch gut geschultes Personal abwendbar. Daher wird sehr viel Wert auf das kontinuierliche Training des gesamten operativen Personals, sowie des verantwortlichen Schichtpersonals, also der Schichtleiter/ in und der Reaktorfahrer/in in Kraftwerken gelegt. Diese müssen im Umgang mit den Worst-Case-Scenarios geschult werden. Die üblichste Trainingsstrategie von HROs ist das sogenannte „On-TheJob-Training“, bei dem das Lernen unterstützt durch Experten/innen in der tatsächlichen Arbeitsumgebung stattfindet1. Dies ist jedoch durch das hohe Risiko für die Umwelt bei Kernkraftwerken nicht möglich. Welche Möglichkeit gibt es also, um die Angestellten bestmöglich auf alle Eventualitäten vorzubereiten? Kraftwerkssimulatoren Die Antwort heißt Simulatortraining: Wie der Name erahnen lässt, werden alle erdenklichen Situationen, auf die das verantwortliche Schichtpersonal vorbereitet und trainiert werden sollen, in Form von Szenarien simuliert. Dieses Training ist für die Betreiber/innen von kommerziellen Kraftwerken, wie Kohlekraftwerke von z.B. E.ON nicht verpflichtend. In der Branche der Kernenergie ist dies allerdings aufgrund der hohen Risiken, die von den Kernkraftwerken ausgehen, der Fall. Nach der Katastrophe von Fukushima beschloss die deutsche Bundesregierung im März 2011 ein dreimonatiges Memorandum zur Abschaltung der sieben ältesten Kernkraftwerke und im Juli 2011 die Novellierung des Atomgesetzes zum tatsächlichen Ausstieg bis 20222. Zurzeit sind in Deutschland noch an sieben Standorten acht Kernkraftwerksblöcke in Betrieb. Alle diese acht Kraftwerke, sowie ein holländisches Kernkraftwerk namens Borssele, halten regelmäßig ihr Simulatortraining im Simulatorzentrum KSG/GfS in Essen Kupferdreh ab. Dort stehen 1:1 Nachbauten der Messwarten, die von den jeweiligen Betreibern/innen finanziert wurden. Das heißt jedes dieser Kernkraftwerke hat in den Räumlichkeiten des Simulatorzentrums seinen eigenen, individuellen Simulator, in dem das verantwortliche Schichtpersonal in seiner vertrauten Arbeitsumgebung trainieren und lernen kann. Der Bau eines solchen Simulators beläuft sich auf etwa 20-40 Millionen Euro. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Was sind also Gründe, die für eine Investition in Simulatoren sprechen? Zur Klärung dieser Frage sprach ich mit Herrn Dietmar Dusmann, der als Abteilungsleiter für Strategische Geschäftsentwicklung und Fachkunde/Didaktik für das Simulatorzentrum KSG/GfS arbeitet. Herr Dusmann ist dort bereits set rund 25 Jahren angestellt, hat zwanzig Jahre Erfahrung als Simulatortrainer und beschäftigt sich u.a. mit der Ausbildung der eigenen Mitarbeiter/innen. Nachdem er sein Elektrotechnik Studium in Hannover als Diplomingenieur abschloss, begann er bei KSG/GfS seine Ausbildung zum Simulatortrainer. In dieser Zeit arbeitete er unter anderem ein halbes Jahr in einem Kraftwerk und trainierte im entsprechenden Simulator. Diese Erfahrung machen alle Simulatortrainer/innen während ihrer Ausbildung. Dadurch sollen sie sich technisch auf einem Niveau mit den Schichtleitern/innen befinden und in der späteren Ausübung ihres Berufs die Arbeit der Teilnehmern/innen nachempfinden können. Die Prüfung, mit der die Ausbildung abgeschlossen wird, ist vergleichbar mit der abschließenden Prüfung der Schichtleiterausbildung. KSG/GfS bietet viele verschiedene Arten von Trainings an. Zum Beispiel Kurse zur Erstausbildung des Schichtpersonals, spezielle Kurse für Führungskräfte, Sonderkurse für beispielsweise Handwerker/ innen eines Kraftwerks oder Angehörige von Behörden, um diesen ein Verständnis für die Abläufe innerhalb der Warte zu vermitteln. Bei den Trainings, die über das Jahr verteilt am häufigsten abgehalten werden, handelt es sich um Wiederholungskurse. Das verantwortliche Schichtpersonal besucht diese zwei Mal pro Jahr für jeweils eine Woche. Diese Wiederholungskurse werden in Kooperation und Rücksprache mit den verantwortlichen Ausbildungsleitern der Kraftwerke vorbereitet. Nach etwa 10 Wochen sind die Kursvorbereitungen fertig. Pro Simulatortrainer/in und Jahr finden rund zehn bis zwanzig Wiederholungskurse statt. Der Rahmen eines solchen Trainings ist zum Teil gesetzlich vorgegeben, allerdings besteht Raum für den Fokus auf gewisse Abläufe. Diese Schwerpunkte können sowohl aus der Auswertung vorheriger Trainingseinheiten, also von Seiten der Trainer/in, sowie aus den Beobachtungen der verantwortlichen Ausbildungsleiter/innen der Kraftwerke oder auch aus Betriebserfahrungen hervorgehen. Diese Betriebserfahrung entsteht durch die Beobachtung von menschlichen und technischen Vorkommnissen in anderen Kraftwerken. Dort gemachte Fehler sollen auf diese Weise im Simulatorkurs thematisiert werden. An jedem Training nehmen ein/e Schichtleiter/in, ein/e Schichtleiter-Vertreter/in, zwei bis drei Reaktorfahrer/innen bzw. Operateure/innen und manchmal auch ein/e Elektromeister/in, sowie ein bis zwei Simulatortrainer/innen teil, die im Hintergrund sitzen und die Simulation steuern, sowie das Verhalten der Gruppe beobachten, dokumentieren und auswerten. Im ersten Ausbildungsjahr absolviert das Schichtpersonal etwa 14 bis 18 Kurswochen, was über dem gesetzlich vorgeschriebenen 69 Kraftwerkssimulatoren Pensum von 6 bzw. 7 Wochen liegt. Diese Zeit ermöglicht es den Auszubildenden sich in der Warte zurecht zu finden, Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen. Eine Messwarte hat bis zu ca. 30.000 Input-/Output-Punkte, die überwiegend analog und durchweg relevant sind. Vereinfachte, digitale Anzeigen dürfen bei kritischen Entscheidungen nicht als Entscheidungsgrundlage dienen. Daher ist es von allergrößter Wichtigkeit, dass die Auszubildenden lernen, wie die Technik funktioniert und welche Bedeutung die zahlreichen Anzeigen haben. Zudem sollen sie die Ausübung der Regeln, die im Betriebshandbuch niedergeschrieben sind, lernen und nicht-technische Fertigkeiten, wie die Kommunikation, im Arbeitsalltag anwenden ohne darüber nachzudenken. Während eines Trainings und innerhalb eines Teams herrscht in der Regel eine vertrauensvolle Atmosphäre, denn das Schichtpersonal bleibt oft über längere Zeit in derselben Formation zusammen und sie bauen durch die gemeinsame Ausbildung Vertrauen auf. Das schafft eine abgeflachte Hierarchie, in der alle frei sprechen können. Das Schichtpersonal sieht die Tage, die es in Essen-Kupferdreh verbringt als Abwechslung zum Alltag und als Möglichkeit zu Verbesserung, denn im „On-The-Job“-Training, also in der Realität sind die Trainingsmöglichkeiten und der Raum für Fehler gering. Im realen Arbeitsumfeld werden lediglich das Standardprozedere durchge- Abbildung 2: Simulatorzentrum KSG/GfS in Essen-Kupferdreh 70 führt, sowie einige Systemtests, um zu prüfen, ob Sicherheitssysteme, die selten oder nie genutzt werden, im Anforderungsfall noch funktionieren. Das Simulatorzentrum hingegen bietet die Möglichkeit vier Arten von Szenarien zu simulieren: Standardsituationen, wie das Anfahren des Kraftwerks, und anormale Situationen wie beispielsweise der Ausfall einer von zwei Speisewasserpumpen. Anormale Situationen werden meist durch systemseitige Mechanismen aufgefangen, es besteht jedoch ein gewisser Entscheidungsspielraum. Weitere Szenarien sind Störfalle, bei denen die Reaktion weitestgehend automatisiert abläuft, sowie auslegungsüberschreitende Ereignisse wie die Katastrophe von Fukushima 2011, Kraftwerkssimulatoren 1 Kluge, A. (2008). Simulatortrainings für Prozesskontrolltätig- die Handmaßnahmen erfordern. Die jeweilige Schulungsrelevanz dieser Szenarien lässt sich wiederum an Hand von vier Kategorien beurteilen: Selten, belastend, komplex und sensibel. Sensibel meint Szenarien, in denen ein kleiner Fehler große Folgen haben kann. Herr Dusmann bot mir die Möglichkeit selbst zu erfahren, wie sich ein belastendes Szenario im Simulator anfühlt: Über den gesamten Raum verteilt blinken Anzeigen auf und es ertönen Alarmtöne. Es erschien mir als Laie unmöglich, einen Überblick über diese Reizüberflutung zu bekommen und alle einströmenden Informationen zu verarbeiten. Wenn die Teilnehmer/innen eines der oben genannten Szenarien durchlaufen haben, gibt es in der Regel im direkten Anschluss ein Debriefing, also eine Rückmeldung über die Ergebnisse des Trainings und den Beobachtungen des/r Trainers/in. Das Debriefing findet außerdem nach jedem Tag, sowie zum Abschluss einer Trainingswoche im Simulatorzentrum statt. Zunächst gibt der/die Trainer/in eine technische Zusammenfassung, um ein gemeinsames Verständnis der Übung zu schaffen und es werden Fehler angesprochen, die das Team gemacht hat. Das heißt sowohl in der Ausführung der Regeln des Betriebshandbuchs, sowie nicht-technische Fehler, wie eine schlechte Kommunikation oder schlechtes Führungsverhalten. Die Schlüssel für ein möglichst erfolgreiches Debriefing sind unter anderem eine gute und vertrauensvolle Atmosphäre, das Stellen offener Fragen, offene Diskussionen und positive Verstär- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 kung . 3 keiten am Bsp. von Raffinerien: Psychologische Trainingsprinzipien für die Praxis. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 62(2), Nach diesem Einblick in das Simulatortraining beim Simulatorzentrum KSG/GfS stellt sich also wieder die Frage: Handelt es sich bei Simulatortraining bloß um eine teure Spielerei? Die Antwort lautet eindeutig nein. Und um es mit den Worten von Dietmar Dusmann auf den Punkt zu bringen: „Simulatortraining ist richtig und wichtig.“ 97-109. 2 Bundestag beschließt Atomausstieg und Energiewende. 02. Februar 2015, URL: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/34938007_kw26_de_energiewende/205804 3 Rall, M., Manser, T. & Howard, S. K. (2009). Key elements of debriefing for simulator training. European Journal of Anaesthesiology, 17(8), 516-517. Denn zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Simulatortraining eine ganze Menge von Möglichkeiten bereithält: Durch den 1:1 Nachbau der Leitwarte bleibt der Transferaufwand beim Umsetzen des Gelernten für die Teilnehmer/innen gering. Sie können im Simulator lernen sich zu Recht zu finden, können Fehler machen, um diesen in der Realität vorzubeugen, bekommen Routine in Standardabläufen und werden auf Ausnahmefälle vorbereitet. Die Betreiber/innen der Kraftwerke können das Leistungsniveau ihres verantwortlichen Schichtpersonals messen, sowie Schwächen und Stärken in den Fokus rücken. Dadurch können sie die Einhaltung von Standards garantieren. Außerdem können sie neue Prozeduren, sowie technische Änderungen am Kraftwerk, auf alle Eventualitäten und möglichen Störfälle hin testen und ihr Betriebshandbuch daraufhin verbessern. Davon abgesehen liegen die durchschnittlichen Kosten für den Ausfall eines Kernkraftwerks bei etwa einer Million Euro pro Tag und unterstreichen damit die Notwendigkeit in das Simulatortraining zu investieren. Lucas Coerdt 71 Anwendungsgebiete von CRM Weitere Anwendungsgebiete von CRM Durch den Erfolg des CRM’s in der Luftfahrt (Crew Resource Management, mehr zu dem Thema finden Sie im gleichnamigen Artikel auf S.54), ist CRM von einer Reihe anderer Branchen übernommen worden. Doch welche Branchen sind das? Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Branchen, denen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Teamarbeit abverlangt wird, also Branchen wie die Medizin, die Ölförderung, dem zivilen Schiffsverkehr, die Feuerwehr, die Polizei und die Flugverkehrskontrolle1. Die Wissenschaftler/innen O‘Connor und Flin (2003) haben festgestellt, dass CRM-Schulungen bspw. von Vorteil für die Arbeit auf Ölund Gasplattformen (Offshore-Oil-Industrie) sein könnten. Denn genau wie in der Luftfahrt ist auch auf Öl- und Gasplattformen eine umfangreiche Teamarbeit gefragt, die genau wie die Luftfahrt durch sehr gefährliche Zustände gekennzeichnet ist. In ihrer Umfrage, betreffend die Belegschaft auf sechs britischen Ölplattformen, waren sich 70% der Arbeitnehmer/innen einig, 72 dass die meisten Unfälle auf menschliches Versagen zurück zu führen sind. Darüber hinaus gaben über ein Drittel der Befragten an, dass „mangelnde Sorgfalt und Aufmerksamkeit“ die häufigsten Unfallursachen sind. Die Untersuchung von 1268 Vorfällen auf Öl- & Gasplattformen hat gezeigt, dass menschliche Fehler auf Offshore-Anlagen auftreten können1. Doch was macht die Arbeit auf einer Ölplattform so besonders? Die Arbeit auf einer Ölplattform ist gekennzeichnet durch z.B. 12-Stunden Schichten in einem beengten Arbeitsumfeld unter klimatischen Extrembedingungen. So können z.B. eine mangelnde Sorgfalt bei Routinearbeiten und eine vorherrschende Übermüdung zu verlangsamten kognitiven Prozessen bzw. Reaktionsvermögen der Arbeiter/ innen führen. Eine falsche oder nicht vorhandene Reaktion des/r Arbeiters/in auf bspw. das Erklingen eines Brandmelders oder das Missachten sicherheitsrelevanter Handlungen, kann verheerende Auswirkungen haben. O‘Connor und Flin (2003) fanden heraus, dass sich Anwendungsgebiete von CRM ein Teil der 1268 Vorfälle auf sechs CRM-Kernbereiche zu beziehen scheint: Teamarbeit, Führung, Situationsbewusstsein, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Bewusstsein der persönlichen Grenzen. O‘Connor und Flin (2003) stellten fest, dass ein 3-Tages CRM-Training für Öl-& Gasplattformen, welches sich auf diese sechs Themenbereiche stütze, positive Effekte auf die Entscheidungsfindung und auf die Einschätzung der persönlichen Grenzen der Teammitglieder hat1. Anwendungsgebiet Gesundheitswesen Ein weiteres Anwendungsfeld dieser sicherheitsförderlichen Trainings ist das Gesundheitswesen. Ähnlich wie in der Luftfahrt werden auch im Gesundheitswesen schwierige Entscheidungen getroffen, die bei Fehlentscheidungen besonders schwerwiegende Auswirkungen (für die Patenten/innen) haben können. Wir alle kennen die Berichte bei denen das falsche Knie durch eine Seitenverwechselung operiert oder sogar amputiert wurde. Doch wie entstehen solch gravierende Fehler? Schaut man sich das Arbeitsumfeld im Gesundheitswesen an, fällt besonders auf, dass es sich um eine dynamische Arbeitsumgebung handelt, in der komplexe Entscheidungen getroffen werden müssen2. In der Absichts-und Handlungsorganisationstheorie von Dörner und Schaub (1994) sind menschliche Fehler in komplexen Situationen auf kognitive und auf motivationale UrsaWissenschaft & Praxis Februar 2015 chen zurück zu führen3. Die kognitiven Ursachen sind zum einen durch die begrenzte Verarbeitungskapazität des Denkens und zum anderen durch die begrenzte Kapazität des Gedächtnisses bedingt. Die motivationale Ursachen sind auf die Überwertigkeit des aktuellen Motivs und den Schutz des eigenen Kompetenzempfindens zurück zu führen3. Es herrscht in den meisten Fällen ein intensiver Zeitdruck, bei dem von jeder Person in kürzester Zeit die vollste Aufmerksamkeit und Arbeitsbereitschaft verlangt wird. Zudem müssen sich Personen oft schnell in ungewohnten Situationen und fremden Teams organisieren, ohne vorab die Möglichkeit gehabt zu haben, sich ausreichend in die Arbeitsabläufe und in die gesamte Arbeitssituation einzuarbeiten. Anästhesiologie und entwickelte das sogenannte Anaesthesia Crisis Resource Management (ACRM). Das ACRM ist die abgeleitete Form des CRM Trainings für die Anästhesiologie. Dabei wurde die Trainingsphilosophie des ACRMs dem der bestehenden Gesundheitsversorgung angepasst. Das Besondere am ACRM ist, dass es äußerst realistische Simulationsszenarien beinhaltet, die gerade die komplexen Entscheidungsfindungen und die Interaktion mit mehreren Personen trainiert4. Dazu dient mitunter die Durchführung von Szenarien an Trainingspuppen, welche gefilmt werden können. „Simulatortraining ist gut etabliert, um technische und nicht-technische Fertigkeiten in Der Wissenschaftler Gaba kritischen Situationen zu ver(2001) erkannte diesen poten- bessern.“ 5 „Durch die intensive ziellen „Human Factor“ in den Auseinandersetzung mit ent1990er Jahren im Bereich der sprechenden realitätsnahen Ver- Abbildung 1: CRM ist auch im Gesundheitswesen unerlässlich. Gaba entwickelte hierfür das sogenannte ACRM 73 Anwendungsgebiete von CRM haltensanforderungen bewirken Simulatortrainings in der Anästhesie außerdem Verbesserungen ACRM-relevanter Einstellungen und Kompetenzen; d.h. die Teilnehmer fühlen sich Zwischenfällen im OP in Zukunft besser gewachsen.“6 Die Videobänder der durchgeführten Simulationen werden anschließend dazu verwendet, die getroffenen Entscheidungen der Probanden/innen zu analysieren und gemeinsam zu besprechen. „Wichtig ist zu betonen, dass der Simulator selbst nur ein Werkzeug ist. Der Lerneffekt wird durch die geschickte Gestaltung der Simulation und v. a. in den Nachbesprechungen (Debriefing) erzielt. Ein Simulator ohne einen guten, auch CRM-geschulten Instruktor, ist nichts.“7 Die Verbesserungen durch den Einsatz von ACRM-Trainings in der Anästhesiologie führten dazu, dass dieser Trainingsansatz in weiteren Gesundheitsbereichen, wie in der Not-und Unfallmedizin und in der Intensivpflege eingesetzt wird. Heutzutage findet man das ACRM in den wichtigsten Gesundheitseinrichtungen der Welt vor. Gerade das Simulation Based Training auf Basis von CRM-Grundsätzen wird aktuell in vielen medizinischen Einrichtungen, wie z.B. im Universitätsklinikum Essen und Dresden, eingesetzt6. CRM auf hoher See Auch das sogenannten Bridge Resource Management (BRM), welches die maritime Version 74 (lat. maritimus ,zum Meer gehörig’)8 des CRMs ist, wird seit über einem Jahrzehnt in der maritimen Industrie genutzt9. BRM wurde ursprünglich entwickelt, um die Beziehung zwischen Kapitän und den Piloten (ein Nautiker bzw. Seemann, der an Bord kommt, um ein Schiff durch gefährliche oder überlastete Gewässer zu führen) zu verbessern und wurde 2006 in den Lehrplan der Surface Warfare Officers (SWO) eingeführt10. Doch was sind SWOs? SWOs sind US-Marineoffiziere und bilden das Rückgrat z.B. der Flottenführung der US-Navy. Sie unterstützen die Luftkriegsführung und sind an Versorgungsmissionen beteiligt9. Das Marine BRM Training wurde ausgehend vom zivilen BRM Training an das der US-Navy angepasst. Doch ist das BRM überhaupt wirksam? Die Menge der Literatur über die generelle Anwendung der BRM Ausbildung und ihrer Effekte auf die Teamleistung ist viel kleiner, als die Menge der Literatur der CRM-Schulungen in der Aviatik9 . Zudem gibt es nur drei Bewertungen, die die Wirksamkeit von BRM Ausbildungen darstellen, von denen jedoch keines in Fachzeitschriften veröffentlicht wurde. Byrdorf (1998) berichtet, dass über einen Zeitraum von vier Jahren die BRM Ausbildung mit den behandelten Themen „Ressourcenmanagement“, „Durchsetzungsvermögen“, „Kommunikation“, „Teamarbeit“ und „Stressbewältigung“ zu einer Verringerung der (nautischen) Unfallrate und zu einer Reduktion der Versicherungsbeiträge von insgesamt 15% geführt hat12. CRM in der Feuerwehr Ein weiteres Anwendungsfeld von CRM ist die Berufsfeuerwehr (Ein Interview zu diesem Thema mit der Feuerwehr Köln finden Sie im „Die Zukunft von CRM“ auf Seite 76). Die Berufsfeuerwehr gehört ebenfalls zu den Branchen, denen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Teamarbeit abverlangt wird, denn menschliche Fehler und Teamprobleme wie z.B. Kommunikationsstörungen, Probleme in den Koordinationsprozessen oder Fehler bei der Entscheidungsfindung gelten als Hauptursachen von Unfällen und Störungen13. Um diesen Schwachstellen in der Arbeit entgegen zu wirken werden Teamtraining-Interventionen, wie bspw. das sogenannte Team Resource Management, eingesetzt. Für diese Teams ist es ebenfalls sehr wichtig, dass in Einsatzsituationen relevante Informationen aus der Umwelt so schnell wie möglich mit den anderen Teammitgliedern geteilt und ausgetauscht werden können13. Hagemann und Kluge (2013) stellten fest, dass das Team Resource Management ähnliche Effekte aufweist wie das etablierte Crew Resource Management aus den Anwendungsgebieten wie z.B. der Luftfahrt oder der Ölförderung. Bezüglich einer in den Arbeitsalltag integrierten Debriefing-Methode, ließ sich zudem feststellen, dass diese einen positiven Effekt auf die Reaktionen und eigene Bewertung des Lernerfolgs hatte. Hagemann und Kluge (2013) zeigten diesbezüglich, dass über einen Zeitraum von sieben Monaten das Aus- Anwendungsgebiete von CRM maß des erworbenen Wissens zwar nicht konstant gehalten werden konnte, aber die Teammitglieder immer noch deutlich mehr Wissen aufwiesen, als vor dem Training. Somit konnte eine langfristige Wirkung der TRM Intervention demonstriert werden13. Das Crew Resource Management ist eine auf die Praxis ausgerichtete Teamtrainingsstrategie, welche weltweit eingesetzt wird. Obwohl es noch einige Probleme in der Anwendung wie z.B. beim BRM der SWOs gibt, ist eine Erhöhung der Sicherheit in gefahrenbasierten Branchen durch die Minimierung der Human Factors bedingten Fehler und Unfälle mit Hilfe dieser Trainingsstrategien weiterhin sinnvoll. Der Erfolg und die damit verbundenen vielfältigen Potenziale des CRMs führen zu einer ständigen und branchenübergreifenden Weiterentwicklung. Die Philosophie des CRMs sollte ein grundlegender Antrieb für alle Hoch Risiko Organisationen sein, um kritischen Situationen vorzubeugen und Unfälle auf das gewünschte Ziel „Null“ zu reduzieren1. 1 O’Connor, P. & Flin, R. (2003). Crew Resource Management training for offshore oil production teams. Safety Science, 41, 591–609. 2 Antoni, C. & Hertel, G. (2009). Team processes, their antecedents and consequences: Implications for different types of teamwork, European Journal of Work and Organizational Psychology, 18(3), 253-66. 3 Dörner, D. & Schaub, H. (1994). Errors in planning and decision-making and the nature of human information processing. Applied Psychology: An International Review, 43(4), 433-453. 4 Gaba, D. M., Howard, S. K., Fish, K. J., Smith, B. E. & Sowb, Y. A. (2001). Simulation-based training in anesthesia crisis resource management. Simulation & Gaming, (32)2, 172-193. 5 Müller, M. et al. (2009). Excellence in performance and stress reduction during two different full scale simulator training courses: A pilot study. Resuscitation, 80(8), 919-924. 6 Schaper, N., Bayer, Y., Röhricht, C., Bernhard, G. & Grube, C. (2005). Ist ACRM- Training beim Umgang mit anästhesiologischen Zwischenfällen wirklich effektiv? In K. Karrer, B. Gauss, & C. Steffens (Hrsg.), Mensch- Maschine-Systemtechnik aus Forschung und Praxis (S. 333-350). Düsseldorf: Symposion. 7 Rall, M., Schaedle, B., Zieger, J., Naef, W. & Weinlich, M. (2002). Neue Trainingsformen und Erhöhung der Patientensicherheit, Sicherheitskultur und integrierte Konzepte. Unfallchirurg, 105(11), 1033-1042. 8 maritim(Adjektiv). 2. Januar 2015, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Maritim%28Adjektiv%29 9 O‘Connor, P. (2011). Assessing the Effectiveness of Bridge Resource Management Training, The International Journal of Aviation Psychology, 21(4), 357-374. 10 O’Connor, P., Hahn, R. & Salas, E. (2010). The U.S. Navy’s Crew Resource Management program: The past, present, and recommendations for the future. In P. O’Connor & J. Cohn (Eds.). Human performance enhancements in high-risk environments: Insights, developments, and future directions from military research (pp. 90–105). Santa Barbara, CA: ABC- Clio. 11 Americas Navy, 2. Januar 2015, unter: https://www.navy. com/careers/engineering-applied-science/surface-warfare-o f - Peter Hansen ficer.html#ft-key-responsibilities 12 Byrdorf, P. (1998). Human factors and crew resource management: An example of successfully applying the experience from CRM programmes in the aviation world to the maritime world. Paper presented at the 23rd Conference of the European Association for Aviation Psychology, Vienna, Austria. 13 Hagemann, V. & Kluge, A. (2013). The effects of a scientifically-based team resource management intervention for fire service teams. Human Factors and Ergonomics, 2(2/3), 196-216. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 75 CRM in der Feuerwehr Die Zukunft von CRM! Lässt sich CRM auf andere High Reliability Organisationen übertragen? Über die Einführung von CRM in der Kölner Berufsfeuerwehr In Deutschland gibt es im Jahr mehr als 3,5 Millionen Einsätze für die Feuerwehr, die sich auf 102 Berufsfeuerwehren und 24 000 Freiwillige Feuerwehren verteilen1. Der Aufgabenbereich der Feuerwehr deckt ein großes Spektrum an Tätigkeiten ab. Zum einen wird bei Unglücksfällen Hilfe geleistet, wie z.B. technische Hilfe, sowie bei Schadensfeuern die Brandbekämpfung. Eine weitere Aufgabe ist der Einsatz bei öffentlichen Notfällen, die beispielsweise durch Naturkatastrophen hervorgerufen werden. Außerdem stellt der Rettungsdienst eine Tätigkeit dar, die von der Feuerwehr und unterstützend durch die Hilfsorganisationen (u.a. Malteser, Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe) bereitgestellt wird. Eine unentbehrliche Funktion der Feuerwehr ist nicht nur der tatsächliche Einsatz, bei dem ausgerückt werden muss, sondern ebenfalls die Prävention, z.B. durch den vorbeugenden Brandschutz zur Vorbeugung von Bränden. Hierzu zählen unter anderem die Brandschutzer ziehung sowie die Brandschutzaufklärung2. Die Tätigkeiten und Hauptaufgaben sind gleichberechtigt. Die Einsatz- 76 häufigkeit in den verschiedenen Bereichen ist aber unterschiedlich. In Köln werden mehr als die Hälfte der Rettungsdienst Einsätze von der Berufsfeuerwehr Köln übernommen.1 Mit über 1100 Mitarbeiter/innen ist sie die größte Berufsfeuerwehr Nordrhein-Westfalens, und außerdem die viertgrößte in Deutschland. Dort steht der Rettungsdienst mit ca. 110 000 Einsätzen jährlich an erster Stelle, wohingegen der Brandschutz, die Hilfeleistung und der Katastrophenschutz mit 13 000 Einsätzen pro Jahr weniger häufig sind3. Feuerwehr als High Reliability Organisation Die Feuerwehr ist eine Organisation, in der die Arbeit durch eine hohe Verantwortung in gefahrvollen Situationen sowie unter Zeitdruck gekennzeichnet ist. Unter diesen Bedingungen kann es aufgrund von z.B. fehlerhafter Kommunikation oder Versäumnissen in der Situationswahrnehmung zu Fehlern in der Arbeitsweise, Arbeitsdurchführung und Ausübung eines Einsatzteams kommen, insbesondere auf der Ebene der Teamprozesse. Die Folgen von Fehlern innerhalb dieser Abläufe können zur Reduzierung der Patienten- sowie Einsatzkraftsicherheit führen. Um diese mögliche Fehlerquote, die nicht technischer Natur ist, gering zu halten oder zu eliminieren, ist es sinnvoll, ein Bewusstsein der teaminternen Prozesse zu schaffen. Aus diesem Grund wird seit Anfang dieses Jahres ein Crew Resource Management (CRM) Training im Rettungsdienst Köln durch die Berufsfeuerwehr Köln geschult. Mit dem dort erworbenen Wissen, z.B. auf welche Details in welchen Situationen verstärkt geachtet werden muss, können zielgerichtete und sichere Handlungsweisen im Einsatz unterstützt werden. Im Folgenden soll ein erstes gegenwärtig entwickeltes Schulungskonzept für die Einführung von CRM in einer deutschen Berufsfeuerwehr innerhalb des Rettungsdienstes vorgestellt werden. Für Informationen über die Einführung von CRM bei der Feuerwehr Köln innerhalb der Fortbildung von Rettungsdienstlern/innen stand uns ein Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr Köln zur Verfügung. Seine Aufgabe als Ausbilder CRM in der Feuerwehr im Führungs- und Schulungs-Zentrum der Berufsfeuerwehr Köln ist u.a. die Planung, Ausarbeitung und Durchführung der Fort- und Weiterbildung innerhalb der Feuerwehr und des Rettungsdienstes Köln. Auch die Feuerwehr zählt neben der Luftfahrt zu den High Reliability Organisations (HRO), Hoch-Zuverlässigkeits-Organisation, in denen unter gefährlichen Umständen gehandelt wird und in denen technische Fehler fatale Folgen haben können, sodass eine möglichst hohe Sicherheit gewährt werden sollte. Da dies ein hohes Maß an Verantwortung von Seiten der Mitarbeiter/innen voraussetzt, werden die Teams auch High Responsibility Teams (HRT), Hoch-Verantwortungs-Teams, genannt. Denn sie sind sowohl verantwortlich für die eigene Sicherheit, als auch die der Menschen, mit denen sie in ihrer Arbeit zu tun haben. Die besondere Charakteristik eines HRTs ist das ständige Einstellen auf unbekannte und dynamische Situationen, in denen es besonders wichtig ist, den Informationsfluss und die Kommunikation untereinander zu koordinieren4. Wenn wir über die Feuerwehr sprechen, so sollten wir zunächst klären, welche Hauptaufgaben in der Feuerwehr erfüllt werden. Zum einen gibt es den Brandschutz, das ist das, was sich die Allgemeinheit unter der Feuerwehr vorstellt, also die Bekämpfung von Bränden und technische Hilfe. Einen anderen Arbeitsbereich stellt der Rettungsdienst dar, also das Rettungsdienstpersonal (Rettungsassistent/in, Rettungssanitäter/in), welches im Rettungswagen zum Einsatzort fährt und medizinische Versorgung leistet. Ein dritter Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Abbildung 1: Im Notfall ist 112 oft die erste Wahl Aufgabenbereich in der Arbeit der Berufsfeuerwehr Köln ist die Leitstelle. Dort sitzen die Disponenten/innen, welche die eingehenden Notrufe mit der Notrufnummer 112 entgegennehmen, und anhand der Informationen, die sie vom/ von der Anrufer/in erhalten, die nötigen Einsatzmittel disponieren. Die Alarmierung erfolgt mit Hilfe einer Durchsage an die Feuer- und Rettungswachen, woraufhin die benötigten Einsatzkräfte zum Einsatzort ausrücken. CRM bei der Feuerwehr in Theorie und in Praxis Da das CRM-Training ursprünglich aus der Luftfahrt stammt und nun auf die Feuerwehr übertragen wird, galt es eine spezifische Trainingsmethode für den Kontext der Feuerwehr zu entwickeln. Dafür wurde von Vera Hagemann anhand von Beobachtungen von HRTs sowie Interviews mit Mitarbeitern/innen aus diesem Bereich das Team-Arbeit-Kontext-Analyse-Inventar (TAKAI) entwickelt, das es ermöglicht die jeweiligen Arbeitskontexte systematisch zu erfassen. Diese Erhebung bildet die Grundlage, auf der die Lernziele für ein CRM-basiertes Training festgelegt werden, und an denen die Trainingsinhalte ausgerichtet werden5. Im Fokus für die Feuerwehr stehen nach dem Einsatz des TAKAI drei Lernziele, die im Rahmen eines Crew Resource Management Trainings bei der Feuerwehr erreicht werden sollen. Da die Feuerwehr in Teams arbeitet, spricht Hagemann hier von Team Resource Management (TRM) Training. Zum einen ist es wichtig, dass in dem jeweiligen Einsatz alle wichtigen Informationen zur Umgebung und Situation gesammelt werden. Ist dies der Fall ist Situation Awareness, ein Situationsbewusstsein vorhanden. Das zweite Lernziel ist das interpositionale Wissen. Das bedeutet, dass den Teammitgliedern bewusst ist, wie sie ihre Kollegen/innen unterstützen, indem sie die Informationen, die sie zur Situation gesammelt haben, mit ihnen teilen. Daraus soll am Ende ein Shared Mental Model, geteiltes mentales Modell, unter den Teammitgliedern aufgebaut werden, das auch in unbekannten und stressigen Situationen erzeugt wird. Es besteht darin, dass alle durch die Situation Awareness gefilterten und relevanten Informationen aufgenommen und kommuniziert werden, sodass innerhalb des Teams ein gemeinsames Bild über die Situation und die Ziele entsteht. Damit diese Lernziele erreicht werden, ist es auch sinnvoll eine Nachbesprechung durchzuführen. Diese Nachbesprechung heißt After-Action-Review (AAR), Abbildung 2: Geteilte mentale Modelle erzeugen im Team ein gemeinsames Bild über die Situation und Ziele 77 CRM in der Feuerwehr Maik Holtz, 38 Jahre alt, wohnt in Köln und ist seit 2000 bei der Berufsfeuerwehr Köln beschäftigt. Nach seinem Schulabschluss machte er zunächst eine Berufsausbildung zum Flugzeug- und Hubschraubermechaniker und arbeitete für die nächsten zwei Jahre in der Luftfahrt. Anschließend machte er sein Abitur und bewarb sich 1999 bei der Berufsfeuerwehr. Nach seiner Ausbildung zum Brandmeister arbeitete er sowohl im 24-Stundendienst des Brandschutzes und des Rettungsdienstes. Mitte 2011 wechselte er in das Führungs- und Schulungs-Zentrum der Berufsfeuerwehr Köln, wo er seitdem als Ausbilder für die Fort- und Weiterbildung des Brandschutz- und Rettungsdienstpersonals zuständig ist. die eine spezielle strukturierte Methode des Debriefings nach einem Einsatz darstellt. Einsatznachbesprechungen bei der Feuerwehr sind Standard, allerdings liegt hier der Fokus auf den technischen Details des Einsatzes. Das AAR geht jedoch darüber hinaus, da innerhalb dieses Debriefings ebenfalls die nicht-technischen Fertigkeiten thematisiert werden. Das bedeutet, es findet eine Evaluation der Teamleistung statt, was zu einer Auseinandersetzung mit den Prozessen innerhalb dieses Teams führt6. Wenn wir im Folgenden über die Einführung von CRM-Training bei der Feuerwehr Köln sprechen, hier wird der Begriff CRM statt TRM verwendet, so bezieht sich das in diesem Fall auf den Bereich des Rettungsdienstes. CRM wird hier seit Januar 2015 geschult. CRM-basierte Inhalte, wie z.B. die Durchführung eines AARs, werden in der 30-stündigen Rettungsdienstfortbildung vermittelt, die jede/r Rettungsdienstmitarbeiter/ in in Nordrhein-Westfalen jährlich absolvieren muss7. Innerhalb dieser 30-stündigen Fortbildung werden medizinische Themen, wie 78 beispielsweise Pneumologie (Lungenheilkunde) behandelt, die im Vordergrund stehen. Aber auch nicht-medizinische Themen, wie CRM, sind ein Bestandteil dieser Fortbildungen. Somit stellt das CRM-Training nur einen Schwerpunkt unter mehreren dar, sodass es eine Herausforderung ist, den Teilnehmern/innen die dem CRM zugrunde liegenden Grundsätze innerhalb sehr kurzer Zeit näher zu bringen. Das Groblernziel besteht darin, dass die Teilnehmer/ innen zunächst ein Grundwissen über das CRM aufbauen. Zum einen werden im CRM-Training sieben Leitfragen zur Durchführung von AARs besprochen, damit die Teilnehmer/innen eine Nachbesprechung dieser Art abhalten können. Dazu dient als praktische Übung im Training das Durchführen von AARs anhand von Fallbeispielen. Zum anderen werden die 15 Leitsätze nach Rall und Gaba8 besprochen, die Handlungsanweisungen bieten, die den Themen der CRM-Theorie, also Situation Awareness, interpositionales Wissen und Kommunikation, Shared Mental Modeling, sowie dem AAR entstammen, damit ihre Inhalte besser im CRM-Training ein- und umgesetzt werden können. Zu diesem Zweck erhalten die Teilnehmer/innen diese Leitsätze und AAR-Fragen ausgedruckt, um diese stets als „To-Do-Liste“ griffbereit zu haben und besser verinnerlichen zu können. Das After-Action-Review bei der Feuerwehr Köln Für die Durchführung eines AARs im Rettungsdienst Köln wurden die acht Stufen des AARs, wie Hagemann (2011)6 sie für eine CRM-basierte Intervention bei einer Feuerwehr festlegte, in sieben Fragen umgewandelt, die im Rahmen des Debriefings abgearbeitet werden sollen. Diese Fragen sehen wie folgt aus: 1. Was war das beabsichtigte Ergebnis/Ziel des Einsatzes? 2. Wer hat was wahrgenommen? 3. Was war letztendlich das Ergebnis des Einsatzes? 4. Gab es einen/eine Punkt/Situation, an dem die SA (Situation Awareness) nicht mehr vorhanden war? 5. Konnten CRM-Leitsätze zur Problembehebung angewandt werden? 6. Gab es positive wie negative Verhaltensweisen der Teammitglieder? 7. Welche Stärken und Schwächen des Teams können umgesetzt werden, um zukünftige Einsätze zu verbessern? Diese Fragen können innerhalb des Einsatzteams nach Abschluss eines Einsatzes beantwortet werden. Das AAR erfolgt freiwillig und unter Berücksichtigung des Einsatzaufkommens, der Notwendigkeit und dem Umfang der Wiederher- CRM in der Feuerwehr stellung zur Einsatzbereitschaft. Einsatznachbesprechungen nach Einsätzen sowohl im Rettungsdienst als auch im Brandschutz sind nicht neu. Das AAR mit den sieben Leitfragen bietet aber durch seine vorgegebene Struktur eine effektive und zeitlich ökonomische Möglichkeit den Rettungsdiensteinsatz im Team zu reflektieren. So konnten schon positive Ergebnisse mit dieser Methode erreicht werden schildert Herr Holtz. Er führte nach einem Einsatz zusammen mit seinen zwei Kollegen ein AAR durch. In den nachfolgenden Einsätzen hatte sich die Performance des Rettungswagen-Teams deutlich verbessert. CRM-Leitsätze bei der Feuerwehr Köln Die 15 Leitsätze sind dazu gedacht, die Handlungssicherheit in kritischen Situationen zu erhöhen. Sie stellen eine Leitschnur dar, welche Verhaltensweisen während eines Einsatzes besonders wichtig sind und beachtet werden können. Das bedeutet, sie werden innerhalb der Schulung (kennen)gelernt, damit sich im Idealfall im Arbeitsalltag daran orientiert werden kann. Trotzdem ist es erforderlich hier darauf hinzuweisen, dass das reine Wissen um diese Prinzipien nicht bedeutet, dass diese Handlungsweisen direkt in der Arbeitshaltung gelebt werden. Außerdem bedeutet selbst die strikte Befolgung der Leitsätze keinen Einsatzerfolg. Denn sie sollen nicht eine Garantie schaffen, sondern prägnant darstellen, wie die Kommunikation und Entscheidungsfindung innerhalb eines Teams verbessert werden kann. Das Aufbauen einer Situation Awa- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 reness kann unterstützt werden, z.B. bei Beachtung der Leitsätze 1: „Kenne deine Arbeitsumgebung.“ und 14: „Lenke Deine Aufmerksamkeit bewusst.“. Auch der aktive Aufbau des interpersonalen Wissens kann möglicherweise durch gezielte Kommunikation, wie beispielsweise Leitsätze 7: „Kommuniziere sicher und effektiv – sag was Dich bewegt“ und 13: „Achte auf gute Teamarbeit – andere unterstützen und sich koordinieren“, gefördert werden. Und diese Faktoren können dazu beitragen, dass innerhalb des Einsatzteams ein geteiltes mentales Modell aufgebaut wird, wodurch die teaminterne Arbeit begünstigt werden kann. Im Rahmen der 30 Stunden Rettungsfortbildung für das Rettungsdienstpersonal sollen die Grundsätze von CRM detailliert und strukturiert geschult werden, sodass die Teilnehmer/innen verstehen und verinnerlichen, was mit CRM gemeint ist. So berichtet Herr Holtz, dass in der Rettungsdienstfortbildung zunächst erst einmal drei Leitsätze besprochen werden, um diese später für die Praxis anwenden zu können. Eine Komponente, die zusätzlich zu den 15 Leitsätzen hinzugefügt wurde, ist das 10-Sekunden-für-10-Minuten-Prinzip, kurz 10-für-10-Prinzip (s. Abbildung 3 CRM-Leitsätze nach Rall & Gaba Punkte 5 und 12). Entstanden ist dieses Prinzip aus der Beob- Abbildung 4: Das 10-für-10 System hilft dabei, spontane Reaktionen zu vermeiden CRM Leitsätze nach Rall & Gaba8: 1.0 Kenne deine Arbeitsumgebung. 2.0 Antizipiere und plane voraus. 3.0 Fordere Hilfe an – lieber früh als spät. 4.0 Übernimm die Führungsrolle oder sei 04. ein gutes Teammitglied mit Beharrlich04. keit. 5.0 Verteile die Arbeitsbelastung. (10-für05. 10-Prinzip) 6.0 Mobilisiere alle verfügbaren Ressour- 90. cen. 7.0 Kommuniziere sicher und effektiv – sag 07. was dich bewegt. 8.0 Beachte und verwende alle vorhande08. nen Informationen. 9.0 Verhindere und erkenne Fixierungsfeh09. ler. 10. Habe Zweifel und überprüfe genau. 10. (Double Check; nie etwas annehmen!) 11. Verwende Merkhilfen und schlage 11. nach. 12. Re-evaluiere die Situation immer wie12. der. (10-für-10-Prinzip) 13. Achte auf gute Teamarbeit. 14. Lenke deine Aufmerksamkeit bewusst. 15. Setze Prioritäten dynamisch. Abbildung 3: CRM Leitsätze nach Rall & Gaba8 achtung, dass es auch innerhalb fachkundiger Teams zu Fehlern kommen kann, die jedoch teilweise schon direkt nach dem Einsatz erkannt werden. Dabei kann ein Grund sein, dass es versäumt wird, notwendiges Wissen abzurufen und anzuwenden. Ursache dafür können der empfundene Zeit-, Handlungs- und Entscheidungsdruck sein, die in Situationen, in denen eine unmittelbare Reaktion erfolgen muss, schnell entstehen können9. „Bedingt durch die Notfallsituation entsteht der Eindruck, man müsse sofort reagieren und intuitiv das Richtige tun. Dabei kommt es dann zu Versäumnissen, Anwendung in falscher Reihenfolge, Nichtabfragen des Teamwissens etc.“9, S.354 Unter diesen Bedingungen kann die Anwendung des 10-für-10- 79 CRM in der Feuerwehr Abbildung 5: Rettungswagen der Berufsfeuerwehr Köln im Einsatz wegen eines Verkehrsunfalls Prinzips die Fehlerwahrscheinlichkeit unter Umständen reduzieren. Das Prinzip besagt, 10 Sekunden Pause machen, in der alle Teammitglieder die Arbeit unterbrechen und die Situation analysiert wird. Dies soll dazu dienen, spontane Reaktionen zu vermeiden, und stattdessen eine Strategie zur Bearbeitung konzipieren. Danach folgen die Arbeitsverteilung und anschließend die Arbeitsausführung anhand der verfolgten Strategie. Die Arbeit wird 10 Minuten durchgeführt, dann erfolgt erneut eine 10-sekündige Pause, in der evaluiert wird, ob das beabsichtige Ziel mit dieser Strategie weiterhin verfolgt wird oder aber ein Wechsel der Strategie oder der Arbeitsbelastung notwendig ist. Anschließend wird die Arbeit fortgesetzt, entweder so wie vorher, oder mit einer anderen Arbeitsweise, da 80 die Strategie geändert wurde. Die angegebenen Zeitwerte sind nicht vorgeschrieben, sondern fungieren lediglich als Symbole für das dahinterstehende Konzept. Besonders sinnvoll ist der Einsatz dieser Methode zu Einsatzbeginn, in Situationen, in denen keine Fortschritte erzielt werden können, und immer dann, wenn Unruhe und Hektik ausbrechen9. Evaluation des CRM-Trainings bei der Feuerwehr Köln Bei jeder Rettungsdienstfortbildung kann der/die Teilnehmer/in mit Hilfe eines Evaluationsbogens sein/ihr Feedback zu der Veranstaltung abgeben. Nach den ersten drei Veranstaltungen mit insgesamt ca. 120 Teilnehmern/innen ist die Rückmeldung meist positiv. Das Thema CRM wird interessiert aufgenommen und man sei auf einem guten Weg. Einige Teilnehmer/innen halten den Umfang des CRM Unterrichtes innerhalb der Fortbildung für zu umfangreich. Auch einige wenige negative Aussagen gibt es, die sich darauf beziehen, dass man es nicht brauche, da es nichts wirklich Neues darstelle. Die Zukunft von CRM bei der Feuerwehr Köln Da das CRM-Training nun erst seit kurzer Zeit Bestandteil der Tätigkeiten und der Weiterbildung innerhalb des Rettungsdienstes ist, gilt es vor allem den Blick in die Zukunft zu richten. In den nächsten Jahren liegt das Ziel laut Herrn Holtz darin, dass diese Art des Unterrichts in der Rettungsfortbil- dung von allen Mitarbeitern/innen angenommen und akzeptiert wird. Dabei spielt das rein theoretische Verständnis eine untergeordnete Rolle, denn viel wichtiger ist es, dass die CRM-Inhalte mit dem erworbenen Wissen aktiv gelebt und umgesetzt werden können. Und dies ist ein Prozess, der eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird. Des Weiteren steht die Frage im Raum, ob und wie das CRM-Training auch im Bereich des Brandschutzes und der Leitstelle integriert werden kann. Die Grundlagen des CRMs werden die gleichen bleiben, aber da sich die Aufgabenbereiche durchaus in den verschiedenen Bereichen der Feuerwehr unterscheiden, wird auch das jeweilige CRM-Training dort angepasst werden müssen. Außerdem gilt es für die nächsten Jahre festzustellen, inwiefern das CRM-Training eventuell in anderen Berufsfeuerwehren eingesetzt wird oder werden kann. Dabei könnte man aus den Erfahrungen der Kölner Feuerwehr schöpfen, die mit wenigen anderen die erste ist, die mit CRM arbeitet. Für den Moment besteht jedoch noch kein Kontakt zu anderen Feuerwehren diesbezüglich. Trotzdem wäre es in den folgenden Jahren eine gute Idee, die gesammelten Erfahrungen zu teilen, sodass im Endeffekt sowohl die Feuerwehrleute als auch die Bürger/innen davon profitieren können. 1 Planet Wissen (2011). Feuerwehr. 03. Februar, 2015: http:// www.planet-wissen.de/politik_geschichte/organisationen/berufsfeuerwehr/ 2 Stadt Feuerwehr Verband Herne (2002-2015). Lexikon: Aufgaben der Feuerwehren. 08. Februar, 2015: http://www.feuerwehr-herne.net/lexikon/inhaltsverzeichnis/aufgaben-und-organisation-der-feuerwehr/aufgaben-der-feuerwehren/ 3 Stadt Köln (2015). Mehrere Stellen Brandoberinspektorin beziehungsweise Brandoberinspektor bei der Berufsfeuerwehr Köln. Ann-Kathrin Kunze 03. Februar, 2015: http://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/arbeiten-bei-der-stadt/stellenangebote/mehrere-stellen-brandoberinspektorin-beziehungsweise-brandoberinspektor-bei-der-berufsfeuerwehr-koeln 4 Hagemann, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2009). Arbeitskontextspezifische Übertragung von Crew Resource Management-Trainings aus der Aviatik auf andere Hoch-Risiko-Organisationen. In M. Grandt & A. Bauch (Hrsg.), Kooperative Arbeitsprozesse (S.245-277). Braunschweig: Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt Lilienthal-Oberth e.V.. 5 Hagemann, V. & Kluge, A. (2013). The effects of a scientifically-based team resource management intervention for fire service teams. International Journal Human Factors and Ergonomics, 2(2), 196-220. 6 Hagemann, V. (2011). Trainingsentwicklung für High Responsibility Teams. Lengerich: Pabst Science Publishers. 7 Recht.NRW (2015). Fortbildung des nichtärztlichen Personals in der Notfallrettung und im Krankentransport. 08. Februar, 2015: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_ nr=2&ugl_nr=2129&bes_id=508&val=508&ver=7&sg=0&aufgehoben=N&menu=1 8 Rall, M., Koppenberg, J., Hellmann, L. & Henninger, M. (2013). Crew Resource Management (CRM) und Human Factors. In H. Moecker, H. Marung & S. Oppermann (Hrsg.), Praxishandbuch Qualitäts- und Risikomanagement im Rettungsdienst: Planung, Umsetzung, Zertififzierung (S.149-157). MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. 9 Rall, M. & Lackner, C. K. (2010). Crisis Resource Management (CRM): Der Faktor Mensch in der Akutmedizin. Notfall Rettungsmed, 13, 349-356. Abbildung 6: Das Führungs- und Schulungszentrum der Berufsfeuerwehr Köln sowie die angrenzende Leitstelle auf dem Gelände der Feuerwache 5 in Köln-Weidenpesch Interview Simulatortraining „Nicken als Feedback klappt nicht“ Wir sprachen mit Ralf Hinkel über Simulatortraining, Debriefing und Kommunikation im Cockpit. Er ist ehemaliger Berufsoffizier und F4-Jetpilot der deutschen Luftwaffe, arbeitet als ziviler Fluglehrer (Civil Instructor) und Waffenlehrer mit dem Eurofighter Simulator in Nörvenich und ist Trainer sowie Assessor für Crew Resource Management (CRM). Er ist für die Erstellung von Eurofighter Simulator Datenbasen zuständig, bildet die Piloten in der Systemnutzung des Flugzeugs aus, entwickelt und evaluiert Taktiken der Waffennutzung und überwacht die Tätigkeiten der Piloten während der Simulatorsessions. „Im Prinzip ist es ein Handwerk“ Wissenschaft & Praxis: Herr Hinkel, Sie arbeiten als Civil Instructor, können sie uns kurz einen Überblick geben, worin Ihre Aufgaben bestehen? Ralf Hinkel: Ein Civil Instructor entspricht einem militärischen Fluglehrer. Er bildet die Piloten in der Systemnutzung des Flugzeugs aus. Er überwacht die Tätigkeiten des Piloten während des Simulatorfluges. Eine Simulator Mission beginnt mit einem Briefing, in dem der „Plan“ besprochen wird. Danach folgt die Durchführung der Mission. Am Ende gibt es ein „Debriefing“‘, in dem die Durchführung mit dem Plan verglichen wird, bewertet wird, was gut und was weniger gut war. Es wird also nicht nur kritisiert, es wird auch gelobt. In der Ausbildung werden Trainingsmodule/ -abschnitte abgehandelt, vielleicht können Sie uns da mal kurz erzählen was typische Module sind. 82 Typische Module sind zum einen die fliegerische „Grund“-Ausbildung in den USA, gefolgt von der Umschulung auf das jeweilige Einsatzmuster. Für den Eurofighter findet diese Umschulung (Systemschulung) in Laage statt. Nach der Systemumschulung folgt die weitere Ausbildung zur Nutzung / Einsatz des Flugzeugs in verschiedenen Modulen, wie z.B. der Einsatz des Flugzeugs auf der Alarmrotte (Baltikum). Welche Module werden während der Ausbildung in den USA trainiert? Hier findet die fliegerische Grundausbildung statt. Man könnte sie auch mit einer „Fahrausbildung“ vergleichen. Es werden Fertigkeiten „wie fliege ich“, „wie bewege ich ein Flugzeug unter Sichtbedingungen“ und „wie bewege ich ein Flugzeug unter Instrumentflugbedingungen“ geschult. Was ist das typische Anforderungsfeld an einen Kampfpiloten und haben diese sich in den letzten Jahren im Wesentlichen verändert oder sind die Anforderungen statisch geblieben? Ja, aus meiner Sicht hat sich das Anforderungsfeld an den Piloten verändert. Die Luftwaffe betreibt mittlerweile im Bereich Eurofighter ein Flugzeug mit Single-Cockpit. Davor war es mit der F4-F ein Zwei-Mann-Cockpit. Also ist der Tätigkeitsbereich des Piloten massiv ausgeweitet worden. Das zeigt sich unter anderem beim Task-Management. Das Flugzeug „befeuert“ den Piloten während des Fluges mit einer Vielzahl an Informationen. Diese sollte man am besten zeitgleich wahrnehmen. Daher ist das Anforderungsprofil ein Stück weit intensiviert wurden. Multi-Tasking ist jetzt noch mehr gefragt! Sie haben im Jet eine HUD (Head-up Display), in der Fluginformationen Interview Simulatortraining transparent dargestellt werden. Sie haben weitere drei Displays im unteren Sicht-Bereich, in denen weitere Informationen abzugreifen sind und müssen zeitgleich den Flugweg beobachten. Sind sie dann auch Formationsführer, haben sie noch die Formationsflieger zu überwachen. Diese Aufgaben sind insgesamt nichts Neues, allerdings macht diese jetzt ein einzelner Pilot. Hat sich denn die Kommunikation im Cockpit verändert? Die Arbeitsweise hat sich grundsätzlich nicht verändert, allerdings gibt es keine In-Cockpit Kommunikation mehr, da der Pilot alleine ist. Es gibt eine Team / Inter-Team Kommunikation. Diese ist ebenfalls nichts Neues. Neu ist, dass die Dinge, die in einem Zwei-Mann-Cockpit im Cockpit besprochen wurden, mittlerweile zwischen den „Flugzeugen“ besprochen werden. Diese Kommunikation umfasst z.B. Dinge, die der eine Pilot sieht, der andere aber nicht, oder Kommunikation bei einem Systemausfall. In einer Formation fliegen meist 2 bis 4 Maschinen (2-4 Piloten). Die Ausnahme ist ein Pilot/ein Flugzeug. Also kontrollierte Aggressivität? Kontrollierte Aggressivität in Bezug auf „ich will Entscheidungen fällen“, „ich will gewinnen“. Von daher ist es auch aus meiner Sicht kein Job, sondern ein Beruf. Den Unterschied sehe ich klar in dem Wort Beruf, Berufung. Also doch Berufung? Berufung war es in meinem Fall garantiert. Ich habe 20 Jahre meines Lebens mein Hobby zum Beruf gehabt, wer kann das schon sagen?! Sie müssen vollends dahinter stehen. Sie arbeiten generell mit dem Wissenschaft & Praxis Februar 2015 EF-Simulator. Seit wann stehen Sie mit dem Gerät in Kontakt und seit wann trainieren Sie damit andere Piloten? Ich bin seit gut sieben Jahren mit dem Simulator in Kontakt und wir trainieren hier seit 2009, sprich jetzt 5 Jahre. Wieso ist ein reines „On-TheJob“-Training nicht möglich und warum verwendet man einen Simulator? Es kostet einfach zu viel. Bezieht sich das Simulatortraining ausschließlich auf den Piloten oder werden weitere Bereiche, wie der Tower oder das Rollfeld, mit einbezogen? Tower und Rollfeld eher nein. Was wir machen ist ein Simulatortraining mit zwei Piloten. Dabei wird der Simulator vom Civil Instructor über eine Konsole bedient. Im Inter Team trainieren wir mit den Nutzern der Bodenradargeräte, dem sog. „Ground Control Intercept„(GCI). Hier wird im Simulator ein „realer“ Flug durchgeführt. Der Vorteil liegt bei der Präsenz aller Beteiligten, die im realen Flugbetrieb nicht gegeben ist. Geschieht diese Form des Trainings Regelmäßig? Leider nicht. Es wird jedoch angestrebt. Welchen Stellenwert wollen sie den Trainingsmethoden, die angeboten werden denn geben? Ich denke im Vergleich zur Medizin und zur Feuerwehr sind wir einen großen Schritt voraus. Die Luftwaffe führt jährliche, meist auf theoretischer Art, nachweispflichtige CRM Trainings durch. Dass das nicht unbedingt freiwillig ist, brauche ich ihnen nicht zu sagen. Kleines Flieger Einmaleins: Alarmrotte: Das sind 2 Flugzeuge (+2 Piloten natürlich), die 24 Stunden Bereitschaft haben und innerhalb einer gewissen Zeit in der Luft sein müssen ASTA (Aircrew Synthetic Training Aids): Ist das System mit dem in der Luftwaffe trainiert wird. Es besteht aus einem Full Mission Simulator, in dem alles sehr detailgetreu dargestellt ist, und einem Cockpit Simulator. Letzterer verfügt über ein kleineres Sichtfeld und etwas weniger Funktionen Bold Face: Wird so genannt, weil die Buchstaben dieser Bereiche in der Checkliste „Bold“ sprich „Fett“ gedruckt sind Civil Instructor: Ein militärischer Fluglehrer DMO (Distributed Mission Operations) /DMT (Distributed Mission Training): Events, bei denen Piloten über weite Entfernungen hinweg zusammen in einer virtuellen Umgebung trainieren. Die USA sind hier führend und können ihre Simulatoren sogar weltweit verknüpfen Eurofighter Simluator Datenbase: Simulierte Missionen werden alle digital erstellt. In der Datenbase befinden sich alle Szenarien, die von den Informatikern erstellt wurden Feedback-Loop: Eine Feedback-Schleife, das bedeutet, dass auf eine Anfrage immer eine Antwort kommen muss. Bleibt die Antwort aus muss die Anfrage wiederholt werden, bis eine Antwort kommt 83 Interview Simulatortraining Wir bieten eine Verzahnung des CRM Trainings mit dem Simulator Training. In einer CRM Trainings Mission haben wir die Möglichkeit direkt gewünschte Soft-Skills anzusprechen. Es können Situationen erzeugt werden, die z.B. Task Management erfordern, zuweilen zu Task Saturation führen. Dies lässt sich daran erkennen, dass z.B. keine Kommunikation mehr stattfindet. Kommt der Kommunikationsausfall durch die hohe Belastung zustande? Ja, durch die hohe Aufgabenintensität und die relativ zügige Abfolge verschiedener Entscheidungsprozesse entsteht der Effekt, dass keine Entscheidungen mehr getroffen werden können. Dabei ist jedoch nicht der körperliche Ausfall gemeint. Die körperlichen Effekte die z.B. bei einem Kurvenflug auf den Körper in Form der sogenannten G-Belastung wirken, werden hier nicht trainiert. Z.B. entsprechen 5-G dabei dem fünf-fachen des eigenen Körpergewichts. Wieso ist es überhaupt wichtig, dass Piloten regelmäßig nach der Ausbildung trainieren? Gewisse Grundfertigkeiten werden in jedem Flug trainiert, sprich starten, landen und das generische Fliegen. Gewisse Aspekte werden nicht so häufig trainiert, wie z.B. die Luftbetankung. Dafür gibt es dann sogenannte „Currencies“, die statistisch erfasst werden. Insgesamt ist es wichtig, dass Verfahrensabläufe in gewissen Zeitabständen regelmäßig trainiert werden, um nicht ‚einzurosten‘. Sie können es sich nicht leisten, ein halbes Jahr nichts zu tun. Dazu ist das Business zu komplex und zu gefährlich. 84 Findet das Fliegen unbewusst statt? Ja, gewisse Aspekte des Fliegens finden unbewusst statt, wie z.B. das Handwerk des reinen Fliegens von A nach B, das Kurvenfliegen, das Steigen und Sinken. Die Handlungen werden geplant durchgeführt, sind aber „second nature“. Es ist vergleichbar, wie das Erlernen des Autofahrens. Erst suchen sie die Kupplung und später denken sie nicht mehr darüber nach. Die Start und Landephasen hingegen sind High-Tense-Regionen, bei denen auch in der zivilen Luftfahrt die meisten Unfälle passieren und die viel Aufmerksamkeit erfordern. Es gibt ja die skill-based Trainings, also das fertigkeitsbasierte Training. Welche Fertigkeiten werden durch das Training abgedeckt? Bspw. die Informationsverarbeitung und eine schnelle Auffassungsgabe? Ist das denn Skill? Fertigkeiten sind Dinge, die man trainieren kann, wie z.B. die Nutzung des Systems. Das heißt, ich weiß z.B. wo ich in Microsoft Word eine Funktion finde, um die Wörter zu zählen. Solche technical-skills werden hier trainiert. Soft Skills werden in die einzelnen Szenarien mit eingebaut. Z.B. triggern wir Task Management und Situational Awareness, indem wir die Teilnehmer in Situationen stecken, die neu für sie sind oder die sie lange nicht mehr erlebt haben. Die Unterscheidung von Skills ist also nicht einfach nur eine Unterscheidung zwischen technical-based und soft-skills? Es ist nicht so einfach zu unterscheiden wie in der Theorie. Und das Schöne an unserem Beruf ist, dass so viel zusammenkommt. Das Flugzeug fliegt sich sehr einfach, das heißt das Fliegen ist vergleichbar mit einem Flugsimulator am PC. Das muss aber auch so sein, denn die Arbeit drum herum ist so fordernd, dass es nicht gut wäre, wenn Sie sich zu sehr auf das Fliegerische konzentrieren müssten. Was für einen Stellenwert hat die Kommunikation und wie fließt diese ins Training ein? Wer kommuniziert mit wem und kann man die Kommunikation überhaupt trainieren? Der Pilot kommuniziert mit seiner Außenwelt. Das umfasst alle, die bei einem beliebigen Flug beteiligt sind. Am Boden ist es der Tower-Lotse, im kontrollierten Luftraum der Luftverkehrslotse, im speziellen Luftraum bestimmte Militärstellen, dann noch die Mitglieder der eigenen Formation. Kann man das trainieren? Ja und das muss man auch. Dafür gibt es im fliegerischen Bereich bestimmte Phrasen, die einzuhalten sind. Man kann nicht einfach sagen „komm mal nach links“. Dafür gibt es bestimmte Phrasen, die die Kommunikation vereinfachen, wenn man sie denn kennt. Bei der Kommunikation wird auch Wert darauf gelegt, dass eine Art Feedback-Loop entsteht. Soll heißen, ich mache einen Funkspruch, der wiederum beantwortet werden sollte. Geschieht dies nicht habe ich diesen Funkspruch zu wiederholen, bis ich eine Antwort erhalte. Hier gilt der schöne englische Satz: „A call not answered is a call not made.” Nicken als Feedback klappt nicht. Die Kommunikation wird in der Flugnachbesprechung bewertet. Man kennt ja aus Kernkraftwerken die dicken Ordner gefüllt mit Vorgehensweisen für Notfälle. Gibt es etwas Vergleichbares auch im Cockpit? Interview Simulatortraining Nicht ganz so dick, aber es gibt auch etwas Vergleichbares im Cockpit. Sollte ein Notfall eintreten, unterscheiden wir im Prinzip zwei Arten: einer dringlichen und einer nicht ganz so dringlichen. Ein dringlicher Notfall ist gegeben, wenn ich eine sogenannte bold face durchführen muss, d.h. eine Aktion, die ich ohne zu Hilfenahme der Checkliste oder sonstigen Dingen durchführen muss, z.B. Triebwerksausfall beim Starten ist eine solche Aktion, bei der man einfach beide Triebwerke auf Vollleistung stellt und dann trotzdem starten kann. Bei weniger dringlichen Notfällen gibt es dazu eine Checkliste. Das Flugzeug zeigt, welche Systeme ausgefallen sind und anhand dieser Anzeigen kann ich in die dementsprechende Checkliste „abbiegen“ und den Notfall oder das Problem mit der Checkliste abarbeiten. Und die Checkliste ist auch im Simulator und im Flugzeug? Die Checkliste ist theoretisch auch im Flugzeug verfügbar. Die Checkliste wird in Papierform mitgeführt um sicherzustellen, dass in jeder Situation die passende Prozedur angewandt werden kann. Können Sie uns denn generell zum Simulator erzählen, was typische Missionen sind? Wird immer etwas besonders schweres genommen, das eine Ausnahmesituation darstellt oder eher typische Missionen, wie etwa den Flugraum überprüfen? Es hängt davon ab, was der Einzelne trainieren will/soll. Wir können grundsätzlich ein weites Trainingsspektrum abdecken. Typische Missionen sind bspw. das Trainieren von Anflügen an fremden Flugplätzen. Es gibt Notverfahren-Simulatoren, bei denen der Schwerpunkt auf ge- Wissenschaft & Praxis Februar 2015 wissen Flugzeugsystembereichen liegt. Das Flugzeug hat grundsätzlich verschiedene Systeme, die wir alle wahlweise in der Simulation ausfallen lassen können: Der Avionikbereich, der Fuelbereich, der Triebwerksbereich, der Hydraulikbereich, um einige zu nennen. Weitere Beispiele für Trainingsmissionen sind der reine Luftkampf, in dem Grundfertigkeiten trainiert werden, wie z.B.: Wie manövriere ich das Flugzeug am besten? Dann gibt es die Abfangjagd, also das Abfangen bekannter oder unbekannter Flugzeuge. Abfangen bedeutet also quasi „begleiten“ und nicht zwangsläufig „abschießen“? Abfangen heißt erst mal nur, dass ich an ein Flugzeug ran fliege und schaue, welcher Flugzeugtyp es ist. Jedes Flugzeug hat normalerweise eine Kennung, die ich weitergebe. Abgeschossen wird hier nicht. Der Einsatz von Waffen wird ebenfalls trainiert. Welche Gefahrenbereiche gibt es denn noch, die trainiert werden können? Abfangen ist zunächst erst mal kein Gefahrenbereich, das ist ein Trainingsbereich. Unter Gefahrenbereich stellen wir uns -als Laien- Kampfsituationen vor. Was sind für Sie denn Gefahrenbereiche? Das „Abfangen“ ist für uns keine Gefahrensituation, das ist für uns das Daily Business, also unser Beruf. Eine solche Situation kann natürlich auch gefährlich sein. Für mich sind Gefahrenbereiche z.B., ein tatsächlicher Defekt eines Flugzeugs oder wenn ich einem anderen Flieger aus Versehen zu nah komme. Das sind Dinge, die weder ge- GCI (Ground Control Intercept): Die Nutzer der Bodenradargeräte High-Tense-Region: Regionen, in denen die Piloten unter besonderer Anspannung stehen HUD (Head-up Display): Ein Display, das die Fluginformationen transparent ins Sichtfeld des Piloten projiziert, so dass dieser seine Blickrichtung beibehalten kann Points to ponder: Lerngebiete, in denen Fehler aufgetreten sind, und die ggf. nochmal wiederholt werden Situational Awareness: Beschreibt das Situationsbewusstsein, also den Zustand, seine Umgebung richtig wahrgenommen und interpretiert zu haben Soft-Skills: Andere Bezeichnung ist auch „Social Skills“. Gemeint sind soziale Kompetenzen Task Management: Aufgabenmanagement, welches festlegt, wie man eine bestimmte Aufgabenstellung bearbeitet Technical-Skills: Das Wissen und die Fertigkeiten, die dazu benötigt werden, um eine Aufgabe zu erfüllen 85 Interview Simulatortraining plant, noch gewollt sind. Genau da möchte ich einsteigen. Wir haben gelesen, dass man mehrere Simulatoren vernetzen kann. Wie genau findet das statt, also wer kommuniziert mit wem und geschieht das länderübergreifend? Wir können leider noch nicht länderübergreifend vernetzen. Wir können das nur innerhalb dieses Gebäudes, aber auf mittlere Sicht hoffe ich, dass wir uns innerhalb Deutschlands vernetzen können. Die Amerikaner sind uns hier voraus. DMO (Distributed Mission Operations) /DMT (Distributed Mission Training) ist da ein wichtiges Stichwort. Die Amerikaner können Simulatoren auf der ganzen Welt miteinander vernetzen. Wo ist da in Deutschland das Problem? Ist es ein technisches oder finanzielles Problem? Da bin ich leider überfragt. Es ist sicherlich ein technisches Problem und bestimmt auch ein sicherheits-technisches Problem. Denn wenn ich mich vernetze, muss ich Daten, außerhalb eines sicheren Bereiches, nach außen übermitteln. Über die Grenzen hinweg wird aber nicht vernetzt oder? Also bspw. Deutschland mit Polen. Nein im Jet-Bereich noch gar nicht. Wenn mehrere Piloten miteinander vernetzt sind, werden dann andere Schwerpunkte als beim Einzeltraining gesetzt? Wird eher das Gruppensystem an sich betrachtet oder die einzelnen Piloten? Wird das Debriefing dann in der Gruppe oder einzeln durchgeführt? Die Trainingsschwerpunkte hängen von der Mission ab. Die ist unab- 86 hängig, ob ich vernetzt fliege oder nicht. Das Debriefing wird immer gemeinsam durchgeführt. Darin wird auf individuelle sowie Team Aktionen eingegangen. Diese werden bewertet und im Falle eines Fehlers werden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Also es werden dann keine besonderen Schwerpunkte gelegt, z.B. drei Piloten waren gut, und einer war nicht so gut? Es werden gute und schlechte Punkte angesprochen. Es wird auch sehr viel Wert auf Kommunikation gelegt. Gerade bei besagten Phrasen, der standardisierten Kommunikation. Hierauf wird sehr viel Wert gelegt. Gerade Dinge wie „Kam das an?“, „Hast du das gehört?“, „Warum hast du nicht geantwortet?“. Gemeinsamer Einsatz von Waffen: „Hast du dich an die Taktik gehalten? Hast du dich an den Game-Plan gehalten“ solche Aspekte werden im Debriefing untersucht. Dazu werden zu jedem Flug einzelne Objectives, also Zielvorgaben, die ich erreichen möchte, vorher festgelegt. Anhand dieser Objectives wird in der Nachbesprechung bewertet. “ Es werden nach jedem Flug „Lessons Learned“ ermittelt oder Points-to-ponder Areas dargestellt, also Gebiete in denen ich mich verbessern kann. Gibt es denn generell Unterschiede zwischen dem Debriefing eines erfahrenen Kampfpiloten oder eines Piloten, der gerade aus der Ausbildung kommt? Klar. Die Trainings/Themenschwerpunkte sind ganz andere. Ich werde den jungen Mann nicht mit Sachen behelligen, die er absolut nicht lösen kann. Das Training wird daher auf den jeweiligen Protagonisten angepasst und wird auch dementsprechend debrieft. Läuft der Flug hierarchisch ab oder kann jeder Pilot unabhängig entscheiden? Gibt es beispielsweise einen „Voranflieger“? Ja den gibt es. Es gibt einen Formationsführer, der grundsätzlich alle Entscheidungen fällt, die die Flugzeuge seiner Formation betreffen. Darüber hinaus gibt es noch die Hierarchie innerhalb der Formation. Im Falle einer Notsituation ist es möglich, dass sich diese Hierarchie kurzzeitig ändert. Gibt es denn Diskussionen bei den Debriefings, wo Piloten beispielsweise sagen „Das sehe ich anders“? Ja klar. Das ist normal und auch gewünscht. Jeder bringt seine Punkte/ Sichtweisen vor. Am Ende schließt der Formationsführer das Debriefing mit einer/mehreren ‚Lessons learned‘. Die Taktiken werden auch trainiert im Simulator? Ja. Kommen wir zu Ihren persönlichen Erfahrungen. Halten Sie jeden für gleich geeignet den Job zu machen? Nein. Die Bundeswehr leistet sich einen ganzen Apparat, um die Interessenten zum einen medizinisch, auf den Kopf zu stellen. Zum anderen macht sie das auch psychologisch. Sind denn die Simulatortrainings für jeden Teilnehmer gleich effektiv? Zieht jeder denselben Nutzen daraus? Wahrscheinlich nicht. Ein sehr Erfahrener wird aus einer relativ einfachen Mission weniger ‚mitnehmen‘ als ein Pilot, der gerade aus der Ausbildung kommt. Interview Simulatortraining Sie persönlich haben sicherlich im Simulator schon drin gesessen. Was waren denn Ihre besten Momente? Gibt es so etwas? Wie vergleichen Sie es mit dem echten Fluggefühl? Fliegen ist um hundert Längen besser. Es ist nicht vergleichbar. Es wäre vermessen zu sagen, der Simulator wäre besser als das Flugzeug. Fragen Sie die Piloten. Das Fliegen macht um rund 1000% mehr Spaß, als das Simulatorfliegen. Was man aber wirklich sagen muss, der Simulator, den wir hier haben, ist eine Wucht. Ich kenne andere Systeme, andere Flugzeuge, ältere Flugzeuge, ältere Simulatoren. Diese sind mit dem ASTA nicht vergleichbar. Welche Rolle gefällt Ihnen denn besser, die des Trainers oder des Teilnehmers? Ähm... (überlegt), hab ich keine Präferenz, tatsächlich. Ich mag beides gerne. Also mir macht es jetzt weniger aus, nicht mehr zu fliegen als früher. Sehen Sie denn generell Verbesserungsmöglichkeiten im Simulator? Verbesserungen sind immer möglich. Ich hoffe, dass in absehbarer Zeit die Möglichkeit besteht, die einzelnen ASTA Simulatoren miteinander zu vernetzen. Wo sehen Sie das Simulatortraining in den nächsten Jahren? Immer näher am Fliegen? Mein Gefühl ist, dass es nicht mehr näher geht. Es gibt Simulatoren, die Beschleunigungskräfte simulieren können. Aus meiner Sicht ist es den Aufwand nicht wert. Und ein bisschen was muss auch noch für die „reale“ Welt übrig bleiben. Würden Sie das als Nachteil des Simulatortrainings bezeichnen? Dass die körperliche Belastung und die fliegerischen Fertigkeiten nicht gemeinsam simuliert werden können? Wenn ich eine 100% Lösung anstrebe, muss ich ja sagen. Hier werden keine physiologischen Belastungen, im Sinne von G-Kräften, trainiert. Einen kleinen Bruchteil dessen, was draußen passiert, können Sie einfach nicht simulieren. Kann man durch gutes Training der Angst entgegenwirken? Sie können durch Training der Angst entgegenwirken, indem Sie bei der Person die „confidence“ schaffen. Confidence, sprich Vertrauen, in sich selbst, dass sie ähnliche Situationen schon erlebt hat und dadurch ein Gefühl der Sicherheit entsteht, auch diese Situation zu meistern. Haben Sie eine solche Situation schon einmal erlebt? Ja, aber denken Sie besser nicht darüber nach. Was man sich vorstellen kann ist beispielsweise: Es ist Nachtflug, also richtig, richtig dunkel. Mein Wingman, also mein Mitflieger, hat einen Notfall und mein Sprit geht zu Neige. Mein Wingman macht gerade die letzte Landebahn vor mir dicht. Was mache ich? Auf der Autobahn fahr ich rechts raus(lacht). Das können wir hier ansprechen und fragen: „Welche Optionen haben Sie? Was können Sie machen?“ Aber im Endeffekt müssen Sie es erleben. Beziehungsweise müssen Sie nicht, ich wünsche es keinem. Diese Erfahrungen können Sie aber nur im richtigen Flugzeug „erleben“. Vielen Dank für das interessante Gespräch. Peter Hansen, Daniel Veutgen, Lucas Coerdt Wissenschaft & Praxis Februar 2015 87 Kreuzworträtsel Kreuzworträtsel Fragen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 88 Wofür stand das C in CRM früher einmal? Was wird in der 3. Stufe von Kirkpatricks Evaluationsmodell überprüft? Kommunikation heißt, das eigene Denken und Handeln in eine [?] zur anderen Person zu bringen Welcher Analyseteil fehlt hier für die Trainingsplanung? Aufgabenanalyse, Personalanalyse und [?] ? Man unterscheidet zwischen Teamwork-Skills und [?]-Skills. Welche Trainingsstrategie kann bei Kraftwerken nicht genutzt werden, da das Risiko einer Katastrophe zu groß ist? Was bleibt für die Teilnehmer von Simulatortraining geringer, wenn die Szenarien sehr realitätsnah gestaltet werden? Eine Trainingsmethode für geteilte mentale Modelle ist [?]-Training. Man unterscheidet zwischen [?]- und Teambezogenen mentalen Modellen. CRM soll Koordinations- und [?]-Verhalten beeinflussen. Der Begriff CRM wurde in einem [?]- Workshop das erste Mal genutzt. Sie werden zum effektiven Training eingesetzt. Piloten/Pilotinnen nutzen diese, Anästhesisten/Anästhesistinnen noch andere. Was für eine Methode ist das After Action Review? Was baut man auf, wenn man in einer Situation alle Informationen aus der Umwelt sammelt? Situation [?]. Ordnung innerhalb eines Teams Salas und Co schrieben über die Big [?] in Teamwork. Im Swiss Cheese Modell stellt jede Käsescheibe eine [?] dar. Laut Schulz von Thun kann eine Nachricht 4 verschiedene [?] haben. Unabdingbar für gegenseitiges Verständnis ist ein gemeinsames [?]. Wie wird das CRM Training in der Anästhesiologie genannt? Die höchste Unfallursache auf Ölplattformen ist laut einer Umfrage mangelnde Sorgfalt und [?]. Kreuzworträtsel Lösungswort: Die Auflösung finden Sie auf Seite 100. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 89 Simulatortraining in den USA Blick über den großen Teich Im Verlauf dieser Zeitschrift wurde viel darüber gesprochen, wie das Team-Training in den verschiedensten High Reliability Organisationen in Deutschland abläuft. Das heißt, wo liegen in den vielen verschiedenen Branchen jeweils die Schwerpunkte und was für einen Stellenwert hat beispielsweise das Simulatortraining. Ein besonderer Fokus lag dabei auf dem Training von Piloten/innen. Haben Sie sich beim Lesen vielleicht gefragt, wie das in anderen Ländern aussieht? Das folgende Kurzinterview wurde mit einem Amerikaner geführt, der ehemals als Pilot tätig war und sich heutzutage mit dem Training von Piloten/innen beschäftigt. Das Interview soll Ihnen einen Eindruck über das Simulatortraining in den USA verschaffen Biography Could you introduce yourself real quick? My name is Stan and I’m a career pilot and aviation/airline manager. What does your career look like? How long have you worked in the field of Simulation Training and what did you do before? I used to be a US Navy pilot and officer for 13 years and flew helicopters, turboprops and jets. Additionally I’ve worked as an airline pilot and airline manager, Director of Operations/Chief Pilot and more for 14 years. Since one year I’m working for a government civil aviation authority. Overall I’ve worked in the field of simulation training for 28 years. The training in detail Can you give me a quick overview of the simulator training? Who 90 takes part in it? Which kind of simulations do you use? What are the central skills that are meant to be used in skill-based trainings like simulation-training? I’ve primarily worked with full motion pilot flight simulators, static trainers like door trainers, cabin smoke and emergency evacuation trainers. I did that with some pilots and flight attendants. Most of the time cabin crew and pilot training is done separately, except for classroom CRM. Central skills used in simulation training are stick and rudder, instrument flying, headwork, airwork and CRM. During all flight sims, whether on or off motion we are looking at and evaluating CRM. What do you mean with headwork and airwork? Headwork is a term we use to evaluate a pilot’s judgement. For instance, if we give a pilot an engine fire we expect him to follow the emergency checklists to fight the fire but we also Simulatortraining in den USA expect him to turn toward the nearest airport immediately while he is “fighting the fire”. An example for “bad headwork” is a crash over the ocean where the plane turned out to sea to fight a cabin fire when they should have performed an emergency descent and landed at the nearest airport while they first learned they had a fire. Airwork is a term we use to evaluate a pilots flying ability. That means how does he/she handle all aspects of actually flying the airplane. For instance an instructor might say “Billy, your airwork was really good today. You flew outstanding instrument approaches but your headwork was bad when you landed on the wrong runway”. How important is the training of technical skills? Technical skills are very important. They are the foundation for what we do. Most pilots would not reach the level of piloting (FAA Part 121 US Airlines) without good technical skills. I feel these skills are being eroded or not taught as much due to increasing automation. When does the simulation-training take place? Simulation-Training takes place after all ground training is complete. That means pilots have to do it before their actual first flight and throughout their whole time as an active pilot, because airlines in the US are either under the traditional Proficiency Check/ Recurrent Check timetable syllabus or the advanced Qualification Program (AQP). AQP is more day-to-day line flying oriented. What kind of situations are simulated? Only dangerous and exceptional situations? Wissenschaft & Praxis Februar 2015 No, training is on all aspects of a flight from when a pilot arrives in the cockpit and begins running checklists, normal takeoffs and instrument approaches (precision and non-precision). A precision approach is an ILS (Instrument Landing System) approach. It gives vertical and horizontal guidance to a pre-determined height above the runway. A non-precision approach only gives horizontal guidance. Vertical guidance is determined by a published procedure that pilots must fly. Can you give me an example of a typical and an exceptional situation? A typical situation is a normal takeoff. An exceptional situation is a V1 Cut where we simulate an engine failure on takeoff. How do cultural differences affect the behavior in the cockpit and in the cabin? The only place I’ve seen this is when I was the Director of operations for a Barbados startup airline. We had american pilots and caribbean pilots. It was more of a language problem than a cultural problem. There is not much cultural difference in the cockpit at the level I am at. The necessity tion-Training of Simula- Do you think CRM-/Simulation-Training is necessary in the field of civil aviation. If so, why? CRM is extremely important. It’s critical to safe flying as much as the engines, the wings, etc. In the old days the Captain was king and ruler. That was very unsafe as the rest of the crew was afraid to speak up. Now the whole crew is involved and a good Captain, F/O (First Officer) or F/A (Flight Attendant) will use all the resources available to accomplish a safe flight. In some Asian cultures CRM is still not practiced as well as it could be due to the cultural nature and upbringing in those countries. (Für mehr Informationen dazu: „Teamwork und kulturelle Unterschiede“ S. 18 ) What do pilots and all others who are involved think about the training? Do they see an advantage or is it just something they have to do? Pilots know it’s important. No one likes to be observed and criticized closely. I like it as much as going to the dentist. You don’t want to go but you know it’s necessary. Why is it important for the participants to take part in simulator trainings regularly? For the participants it’s important to keep their skills sharp. For the airlines it’s important to check standardization of procedures, their pilots, etc. Also simulator-training makes it possible to train on new equipment or new procedures. How many people are involved in the training of one pilot or a member of the cabin crew? To train one pilot, F/O or Captain you need one other pilot and a simulator instructor. To check a pilot the simulator instructor must be a check airman and the instructor must be an APD for a type rating. Europe calls APDs (aircrew program designees) TREs (type rating examiners). 91 Simulatortraining in den USA Debriefing What does the debriefing look like? Debriefing is usually fairly short unless there are major problems. Most debriefing is done immediately following a maneuver or procedure in the simulator. For checking, the debriefing is done in a formal setting in a debriefing room since you are not allowed to do debriefing during the check. How important is the debriefing? Extremely important so the pilots know what they did wrong and can correct their mistakes. Self reflection is very important so that a pilot can improve and won’t make the same mistake again. Every day is different for me since I am involved in conducting surveillance and ensuring compliance with the regulations by the airlines. You worked as a pilot for several years- did the job and its requirements change in the past years? Yes, automation has changed flying a great deal. For good and bad. On the one hand it’s less workload for the pilot, on the other hand there is too much reliance on automation, pilots are getting complacent and eroding stick and rudder skills. What do you like the most: Being a pilot or a trainer – and why? I like both because I don’t like doing one thing very long. I like a variety. Is there room for discussion in case there is more than one solution to a simulated situation or do the participants have to follow their instructions step-by-step? There is room for discussion but generally the instructor’s comments are gospel. They are more experienced generally and do a lot of training. Space for improvement and outlook Personal experience with Simulation-Training Where do you see space for improvement? The automation training should be the same, but we need to increase the hand flying and get back to more hand flying during the simulator periods. Can you tell me about your personal experience with simulators? Did you have to complete it back when you were working as a pilot? Yes, I constantly do training and checking. It’s never ending so that pilots remain proficient and standardized. What are your central tasks and how does a normal workday look like for you? 92 CRM-/Simulation-Training is making its way to other High Reliability Organizations (e.g. firefighters, power stations). Do you think this is a good evolution? I think it is. It will be interesting to see how it is received. What do you think about the development and importance of simulation-training in aviation and other areas of work? I think it is great. It has saved many lives and property. It would be too expensive to train pilots in an actual aircraft. I think it will be great for other professions and endeavors for the same reasons. Thank you for the interview. Lucas Coerdt Veranstaltungskalender Veranstaltungstipps für 2015 Sie haben noch nichts vor und wollen sich selbst ein Bild machen? Wir haben einige Termine rund um die Themen Flugsicherheit, CRM und Teamtraining für Sie zusammengestellt Wann? Was? Wo? 24. - 27. März Global Aviation Training & Trainair plus Symposium der International Civil Aviation Organization : Dublin, IE Gemeinsame Diskussion über die Entwicklung der Aufgaben und Möglichkeiten in der Luftfahrt sowie zukünftige Trainingstechnologien. 30. - 31. März Crew Resource Management: 2-day National Symposium der Great Lakes Division zusammen mit der Regional Alliance for Firefighter Training: Novi, US Zweitägige Veranstaltung, die dem Austausch über CRM innerhalb der Feuerwehr dient. 15. - 17. April 18. Plattform Jahresworkshop Menschen in komplexen Arbeitswelten: Human Factors in der digitalen Welt: Workshop mit zwei Themenbereichen: Wie hilft und unterstützt uns die Köln, DE digitale Welt, Komplexität besser zu handhaben? Und: Führen Technik und Werkzeuge der digitalen Welt zu einer Komplexitätserhöhung und wie gehen wir damit um? 26. - 29. April International Symposium on Human Factors and Ergonomics in Health Care von der Human Factors and Ergonomics Society: Baltimore, Konferenz der Human Factors and Ergonomics Society, die eine der wich- US tigsten Organisationen im Bereich Humanfaktoren sind. Schwerpunkte sind menschliche Fehler und Leistung im Bereich der Medizin. 28. - 30. April The International Forum for the Military Training, Education and Simulation Sectors: Prag, CZ Große Messe, auf der neue Simulatoren und Trainingsmethoden für den militärischen Bereich präsentiert werden. 29. April - 01. Mai 17th Annual Patient Safety Congress von der National Patient Safety Foundation: Austin, US Kongress, der sich mit der Sicherheit von Patienten/innen beschäftigt und wie man diese erhöhen kann. 94 Veranstaltungskalender 05. - 07. Mai Cabin Operations Safety Conference der International Air Transport Association: Paris, FR Themenschwerpunkt der Konferenz ist effektives, effizientes und sicheres Arbeiten im Flugzeug. 06. - 09. Mai Work, Stress and Health 2015: Sustainable Work, Sustainable Health, Sustainable Organizations von der American Psychology Association: Atlanta, US Im Fokus stehen Arbeitnehmer. Interessant sind der Umgang mit Stress und die Verbesserung der Sicherheit für die Arbeitnehmer. 19. - 21. Mai European Business Aviation Convention & Exhibition: Große Messe, die sich an den Geschäftsflugverkehr richtet. CRM im Speziel- Genf, CH len wird nicht behandelt. 02. - 05. Juni Science of Team Science Conference 2015: Bethesda, Austausch zu den neuesten Erkenntnissen der Forschung bezüglich der Effi- US zienz und Effektivität von Teams. 25. - 27. August The Pacific and Australian CRM Developers’ and Facilitators’ Forum 2015 CRM and Aviation Human Factors Conference: Brisbane, Die dreitätige Konferenz beschäftigt sich mit CRM in der Luftfahrt. Sie bietet AU u.a. Workshops in den Bereichen Debriefing oder Coaching für PilotenInnen. 14. - 16. Oktober Human Factors and Ergonomics Society Europe Annual Meeting: Groningen, Treffen des europäischen Ablegers der Human Factors and Ergonomics Soci- NL ety. Themen sind HROs, Training, Ergonomie und Humanfaktoren. 26. - 30. Oktober The Human Factors and Ergonomic Society Annual Meeting: Eine der wichtigsten Konferenzen im Bereich Humanfaktoren. Oft mit bekannten und im Gebiet führenden Rednern wie z.B. Eduardo Salas. Los Angeles, US 30. November - 04. Interservice/ Industry Training, Simulation and Education Conference: Dezember Weltweit größte Modellbildungs-, Simulations- und Trainings-Konferenz. Orlando, Bietet neben Präsentationen, Tutorials und einer Ausstellungshalle auch pro- US fessionelle Workshops an. Wird organisiert von der National Training and Simulation Association. 07. - 09. Dezember Crew Resource Management Implementation: Dreitägiger Kurs der International Air Transport Association. Vermittelt Frankfurt, Strategien zur besseren Nutzung des Equipments und Anleitungen zur Ver- DE meidung von Fehlern während des Fluges. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 95 Buchempfehlungen Noch nicht genug Informationen? Wenn Sie noch tiefer in die Materie Teams, Training & CRM eintauchen möchten, haben wir hier ein paar Empfehlungen für Sie: Titel: Human Factors: Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen Herausgeberinnen: Petra Badke-Schaub, Gesine Hofinger, Kristina Lauche Verlag: Springer Jahr: 2012 Seitenzahl: 365 Preis: 52,99€ ISBN: 978-3-64219-885-4 Sprache: deutsch Das Buch bildet ein Überblickswerk zur Psychologie der Sicherheit in Risikobranchen. Es widmet sich dem Menschen als Risikofaktor in Luftfahrt, chemischer Industrie, Medizin und Militär. Aktuelle Konzepte werden verständlich und handlungsnah erklärt. Dabei wird zwischen dem Risikofaktor Mensch und dem Risikofaktor Organisation unterschieden. Darauf aufbauend bietet das Buch konkrete Maßnahmen für die Praxis. Es geht insbesondere darum, Risikofelder sicherer zu gestalten und Prozesse zu optimieren. 96 Titel: To Err is Human: Building a Safer Health System Herausgeberinnen: Janet Corrigan, Molla Donaldson, Linda Kohn Verlag: National Academies Press Jahr: 2000 Seitenzahl: 312 Preis: 38,55€ ISBN: 978-0-30926-174-6 Sprache: englisch Das Buch stellt einen Bericht des U.S. Institute of Medicine vor. Die Ergebnisse aus dem Jahr 1999 waren schockierend: zwischen 44.000 und 98.000 PatientInnen starben in den Vereinigten Staaten aufgrund vermeidbarer medizinischer Fehler. Wieso diese Fehler auftraten, und wie man die Sicherheit der PatientInnen durch eine breitere Wissensbasis erhöhen kann, werden im Buch thematisiert. In späteren Kapiteln geht es darum, ein System zu etablieren, das Fehler frühzeitig erkennt und in Gesundheitsorganisationen eingesetzt werden kann. Buchempfehlungen Titel: Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen (11. Auflage) Autor: Dietrich Dörner Verlag: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag Jahr: 2012 Seitenzahl: 346 Preis: 9,99 € ISBN: 978-3-49961-578-8 Sprache: deutsch In schwierigen Handlungssituationen ist unser Gehirn oft überfordert. Eine gute oder richtige Entscheidung zu treffen gelingt dann oft nicht. Wir versuchen einen Knoten zu öffnen, sehen aber das Netz zu dem der Knoten gehört nicht. Dörner zeigt in seinem originellen und teils sogar witzigen Buch anhand verschiedener Beispiele und Experimente, wo besonders große Fettnäpfchen liegen. Dazu stellt er zuerst die Grundprinzipien des menschlichen Handelns vor und gibt dem/r LeserIn einige Werkzeuge an die Hand, so dass aus Entscheidungen keine Fehl-Entscheidungen werden. Titel: Theories of Team-Cognition: Cross- Disciplinary Perspectives Herausgeber: Stephan Fiore, Michael Letsky, Eduardo Salas Verlag: Routledge Jahr: 2012 Seitenzahl: 638 Preis: 80€ ISBN: 978-0-41587-413-7 Sprache: englisch Im Buch wird ein interdisziplinärer Ansatz zu Denkprozessen im Team gegeben. Neben Kognitions- und Sozialwissenschaften spielen auch Ingenieurs-, Militärs- und Organisationswissenschaften, Human Factors, Medizin und Kommunikation eine Rolle. Das Buch vereint Ergebnisse aus diesen Bereichen, und hilft, sie im richtigen Kontext einzuordnen. Es werden verschiedene Modell, Ideen, Theorien und Konzepte vorgestellt. Fiore, Letsky und Salas stellen heraus, worauf es bei Denkprozessen im Team wirklich ankommt, zeigen aber auch Felder auf, zu denen noch weitere Forschung notwendig ist. Titel: Safety at the Sharp End: A Guide to Non-Technical Skills Autorin: Rhona Flin Verlag: Ashgate Publishing Jahr: 2008 Seitenzahl: 317 Preis: 29 € ISBN: 978-0-75464-600-6 Sprache: englisch Titel: Trainingsentwicklung für High-Responsibility-Teams Autorin: Vera Hagemann Verlag: PabstScience Jahr: 2011 Seitenzahl: 296 Preis: 25 € ISBN: 978-3-89967-765-2 Sprache: deutsch Flin konzentriert sich in ihrem Buch auf die kognitiven und sozialen Fertigkeiten, die für effiziente und sichere Erfüllung einer Aufgabe notwendig sind. Inhalte sind alle sogenannten „CRM-Fertigkeiten”, also beispielsweise situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Kommunikation oder Zusammenarbeit im Team. Das Buch richtet sich an alle, die sich mit nicht-technischen Fertigkeiten beschäftigen möchten. Relevante Figuren und Tabellen sind gut illustriert. Durch einen gewissen Sinn für Humor lockert Flin die Kapitel angenehm auf. Zum Ende ihres Buches werden Trainingsmethoden für die erwähnten Skills vorgestellt. CRM-Trainings kommen aus der Luftfahrt und sind darauf optimiert. Wie können nun andere HRTs, wie Polizei oder Feuerwehr, ihre CRM-Trainings individuell anpassen? Dieser Frage widmet sich Hageman in ihrem Buch. Sie entwickelt ein Vorgehen, CRM-Trainings systematisch und wissenschaftlich auf die einzelnen HRTs zu übertragen. Mithilfe der Erkenntnisse aus dem Vorgehen führte sie eine Studie mit Feuerwehrteams durch. Innerhalb dieser Studie wurde der Nutzen eines angepassten CRM-basierten Seminars in Verbindung mit einem After Action Review wissenschaftlich bewertet. Ein interessantes Buch, vor allem für Praktiker/innen, die die Ergebnisse auch für ihre eigene Organisation nutzen möchten. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 97 Buchempfehlungen Titel: Crew Resource Management HerausgeberInnen: Robert L. Helmreich, Barbara Kanki, Earl Wiener Verlag: Academic Press Jahr: 2010 Seitenzahl: 524 Preis: 86€ ISBN: 978-0-12374-946-8 Sprache: englisch Das Buch wurde von Pionieren des CRM geschrieben und richtet sich an Luftfahrt-Interessierte. Es beschäftigt sich mit der Koordination und der Kommunikation innerhalb der Flugzeugcrew. Es bietet interessante Einblicke in das Training der militärischen und zivilen Luftfahrt aus Sicht der Wissenschaft, Regierungsorganisationen, Pilotenvereinigungen und der Technologie. Die zweite Auflage enthält als Erweiterung Informationen zu kulturellen Aspekten des CRM sowie die Entwicklung und Einführung des Line-Oriented Flight Trainings (LOFT). Für AusbilderInnen im Bereich CRM bietet das Buch Zugang zu einer Onlinedatenbank mit Bildmaterial. Titel: The Acquisition of Knowledge and Skills for Taskwork and Teamwork to Control Complex Technical Systems Autorin: Annette Kluge Verlag: Springer Jahr: 2014 Seitenzahl: 196 Preis: 106,99€ ISBN: 978-9-40075-049-4 Sprache: englisch Kluge bildet mit ihrem Buch einen neuen Ansatzpunkt. Sie schließt die Lücke zwischen traditionellen Lerntheorien und der Entwicklung des Trainings für ArbeiterInnen in komplexen Systemen. Indem zuerst ein guter Überblick über bestehende Lerntheorien, Wissensstrukturen und benötigte Fertigkeiten gegeben wird, kann anhand dieses Wissens ein Training für ArbeiterInnen in komplexen Systemen entworfen werden. Für die Entwicklung des Trainings wird im Buch ein theoretisches Modell vorgestellt, von welchem sich benötigte Trainingsprinzipien ableiten lassen. Ein gutes Buch für PraktikerInnen und alle, die selbst Trainings oder Instruktionsstrategien entwickeln möchten. 98 Titel: Kommunikation in kritischen Situationen Autorin: Gesine Hofinger Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaften Jahr: 2012 Seitenzahl: 237 Preis: 19,80€ ISBN: 978-3-86676-241-1 Sprache: deutsch Dieses Buch ist das Ergebnis eines Workshops aus PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen. Wie im Titel bereits ersichtlich, geht es in erster Linie um Kommunikation. Inhalte sind Kommunikationsmodelle, die Rolle der Kommunikation für das Handeln in Teams, typische Fallen und Fehler in der Kommunikation oder Regeln für sichere Kommunikation. Die anschaulichen Texte, die oft von Fallbeispielen begleitet werden, sind leicht verständlich. Viele Inhalte lassen sich auch auf die Kommunikation im Alltag übertragen. In Bezug auf Kommunikation von Teams und Organisationen wird sich beim Lesen sicherlich das ein oder andere „aha-Erlebnis” einstellen. Titel: Group Dynamics for Teams Autor: Daniel Levi Verlag: Sage Jahr: 2013 Seitenzahl: 365 Preis: 72€ ISBN: 978-1-41297-762-3 Sprache: englisch Im Buch werden die psychologischen Grundlagen der Dynamik im Team behandelt. Es hilft den LeserInnen auch im alltäglichen Arbeitsleben effektiver und effizienter im Team zu arbeiten. Es geht also nicht unbedingt um Teams in Risikobereichen, sondern auch um Arbeitsgruppen, wie beispielsweise studentische Projektgruppen. Es werden Ziele, Regeln, Kommunikation und Kooperation im Team untersucht und natürlich die „Klassiker” der Teamaufgaben, wie Konflikte, Problemlösungen und Entscheidungsfindung. Neben „normalen“ Teams werden in der vierten Auflage auch zum ersten Mal virtuelle Teams aufgeführt. Buchempfehlungen Titel: Risikomanagement und Fehlervermeidung im Krankenhaus Autor: Walter Merkle Verlag: Springer Berlin Heidelberg Jahr: 2014 Seitenzahl: 196 Preis: 59,99€ ISBN: 978-3-64238-045-7 Sprache: deutsch Dieses Buch ist für Ärzte/innen und Verwaltungspersonal interessant. Es bietet einen praktischen Ansatz für Fehlermanagement in der Medizin: Fehler vorausahnen, vermeiden, oder wenn sie passiert sind, Wiederholungen vermeiden. Neben Teamarbeit, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Führung werden auch menschliche Faktoren, also Müdigkeit oder Stress, angesprochen. Die Verwaltungen dürften besonders die Vermeidung rechtlicher und finanzieller Folgen interessieren. Das Buch beschreibt alle relevanten Systeme für Risiko- und Fehlermanagement, darunter auch Crew Resource Management. Titel: Entwicklung und Evaluation von Crew Resource Management Training für Flight Attendants Autorin: Sandrina Ritzmann Verlag: PabstScience Jahr: 2012 Seitenzahl: 580 Preis: 50€ ISBN: 978-3-89967-834-5 Sprache: deutsch Der Inhalt des Buches setzt sich mit dem Entwicklungsprozess eines CRM-Trainings für FlugbegleiterInnen auseinander und lässt sich in drei Teile aufteilen: Der erste Teil ist die Trainingsbedarfsanalyse. Hier werden die Kompetenzen und Einschränkungen in der Arbeit der FlugbegleiterInnen hergeleitet. Im zweiten Teil, der Traininigsgestaltung- und entwicklung, geht es vor allem um die Umsetzung des Trainings. In der letzten Phase werden die Ergebnisse des Trainings überprüft. Ein Buch, welches inhaltlich großen praktischen Nutzen bietet und deren Konzepte auch auf andere Bereiche außerhalb der Luftfahrt übertragen werden können. Daniel Veutgen Herzliche Einladung zum 18. Plattform Jahresworkshop 2015 Human Factors in der digitalen Welt vom 15. – 17. April 2015 im Mediapark in Köln Die digitale Welt beeinflusst mit sozialen Medien, Vernetzung und erhöhter Kapazität der Datenverarbeitung unser Denken, Entscheiden und Handeln auch in komplexen Arbeitswelten. Im Workshop beschäftigen wir uns mit zwei komplementären Themenbereichen: Wie hilft und unterstützt uns die digitale Welt, Komplexität besser zu handhaben? Beispiele für Themen: Transparenter Informationsaustausch in Krisenorganisationen Soziale Medien in Krisensituationen Verbessertes Patientenmanagement Entscheidungen durch vernetzten Produktionsprozess (Industrie 4.0) Autonome Assistenzsysteme und kognitive Ressourcen Führen die Technik und Werkzeuge der digitalen Welt zu einer Komplexitätserhöhung und wie gehen wir damit um? Beispiele für Themen: Risiken und Chancen durch Verfügbarkeit und Schnelligkeit von Informationen im Netz Veränderung der Arbeitswelt durch digitale Medien Unterschiedlicher Umgang der Generationen mit der digitalen Welt? Handlungsfähigkeit bei Ausfall der digitalen Ressourcen Kontrollerfordernisse bei Unternehmen (Datensicherheit, Industriespionage etc.) und Reaktionen auf die möglichen Gefahren Call for Papers Wir freuen uns über Ihre Beitragseinreichung für Arbeitsgruppen, Vorträge, Kurzvorträge und Poster bis zum 15. Dezember 2014. Abstracts: Maximal eine DIN A 4 Seite an [email protected]. Bitte stellen Sie bei Arbeitsgruppen auch Ihre geplante Methode dar. Wissenschaft & Praxis Februar 2015 Tagungsort Medienpark in Köln, Unterkunft im angrenzenden Motel One. Zimmer aus unserem Kontingent können mit diesem Abrufformular bis zum 04.03.2015 reserviert werden. Der Preis ermäßigt sich auf 78,50 Euro bei Nachweis des beruflichen Aufenthalts. Nachweis bei Buchung oder vor Ort. Tagungsbeitrag Die Tagungskosten incl. Mahlzeiten am Donnerstag und Freitag betragen: 250 € für Mitglieder der Plattform 350 € für Nicht-Mitglieder Frühbucherrabatt: 30 Euro bei Anmeldung bis zum 15.01.2015. Anmeldung Bitte melden Sie sich bei der Geschäftsstelle unter [email protected] an. Oder online hier. Veranstalter Die Plattform „Menschen in komplexen Arbeitswelten“ e. V. ist eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft von Praxis und Wissenschaft. Human Factors Initiativen aus Bereichen wie Medizin, Luft- und Seefahrt, Risikoorganisationen und -industrien, Polizei und Krisenmanagement stehen im Erfahrungsaustausch mit Psychologie, Arbeitswissenschaft und Organisationstheorie. Die Bedeutung und die Gemeinsamkeiten der „Human Factors“ in verschiedenen Arbeitswelten sind Mittelpunkt der nach außen gerichteten Aktivitäten (Workshops, Publikationen). www.plattform-ev.de Stornoregelung: Bei Absage bis zum 04.03.2015 wird der Tagungsbeitrag erstattet. Bei späterer Absage nur bei Benennung eines Ersatzteilnehmers. 99 Lösungen & Impressum Liebe Leserinnen und Leser, Impressum Sie sind nun am Ende der Zeitschrift angekommen. Wir hoffen, Sie konn- Wissenschaft & Praxis - Magazin ten viel wissenswertes und praktisches aus den vorangegangenen Arti- im Rahmen des Praxisprojekts keln mitnehmen und hatten Spaß beim Lesen der Artikel. „Wissenschaft praxistauglich aufbereitet“ im Wintersemester Vielen Dank für Ihr Interesse! 2014/15 im Fachgebiet für Wirtschafts- und OrganisationspsyDas Wissenschaft & Praxis Team chologie der Universität Duisburg Essen Thema: Teams & Trainings - was gute Zusammenarbeit ausmacht Des Rätsels Lösungen: Hier finden Sie die Auflösung des Kommunikationstests von Seite 30 Für jede Antwort gibt es einen Punkt, wenn Sie folgendes angekreuzt haben: 1: Ja 2: Nein 3: Ja 4: Nein 5: Ja 6: Ja 7: Nein 8: Ja 9: Nein 10: Nein 11: Ja 12: Nein 13: Ja 14: Nein 15: Ja Hier finden Sie die Auflösung des Rätsels von Seite 88 Erscheinungsdatum: 20. Februar 2015 Leitung: Dr. phil. Vera Hagemann Redaktion: Lucas Coerdt Nathalie Dittrich Tina Hees Peter Hansen Ann-Kathrin Kunze Fabian Noll Lea Parker Lydia Penkert Katharina Sobanski Daniel Veutgen Annalena Wiegandt Anschrift: Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie Universität Duisburg-Essen Abteilung für Informatik und Angewandte Kognitionswissenschaft Lotharstr. 65 (LE 206) D-47057 Duisburg 100 Thema 102