wissenschaft

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wissenschaft
Februar 2015
wissenschaft
& Praxis
Teams und Trainings - was gute Zusammenarbeit
ausmacht!
C r e w r e s o u r C e m a n ag e m e n T
wenn Teamtraining helfen kann, leben zu schützen
Te amwork
warum es nicht immer „ich“, sondern auch
mal „wir“ heißen sollte
simul aTor-Tr aining
Universität Duisburg - Essen
inTerView mit ralf Hinkel:
nicken als Feedback klappt nicht
Dr. Vera Hagemann, Daniel Veutgen, Lea Parker, Peter Hansen,
Lucas Coerdt, Lydia Penkert, Annalena Wiegandt, Fabian Noll,
Katharina Sobanski, Tina Hees, Ann-Kathrin Kunze, und
Nathalie Dittrich
Editorial
Editorial
Lieber Leserinnen und Leser!
Was verstehen Sie unter einem Team? Oder unter
Teamwork? Und wie soll man das Ihrer Meinung
nach trainieren? Zumindest zu den Begriffen Team
und Teamwork kennt sicherlich jeder den einen oder
anderen Spruch. Beispielsweise Umdeutungen wie
TEAM = Toll, Ein Anderer Macht‘s oder Teamwork =
Ich Team, Du Work. Oder allgemeine Aussagen wie
Never change a winning Team. Halford E. Luccock
hat einmal gesagt „Niemand kann eine Sinfonie flöten.
Es braucht ein Orchester, um sie zu spielen“. Und ein
Sprichwort aus der Mongolei lautet Mit einer Hand
lässt sich kein Knoten knüpfen. Bei so vielen Weisheiten aus dem Volksmund scheint es schwer, den
Durchblick zu behalten.
Aber allzu sehr wollen wir dieses Durcheinander hier
im Editorial noch nicht aufklären – lesen Sie auf den
nächsten Seiten lieber selbst. So viel verraten wir hier
aber bereits gerne: Teams sind nicht gleich Teams.
Die Ziele eines Teams hängen mit seinem Aufgabenbereich zusammen. In diesem Heft widmen wir uns
besonders Hoch-Risiko Bereichen, wie z.B. der Feuerwehr oder der Polizei, der Luftfahrt oder der Medizin.
Branchen, die eine große Verantwortung für sich und
andere tragen.
Und das Training? Nun, da geht es nicht um die Optimierung von beispielsweise Work-Out Plänen wie
im Sport. Training versucht immer eine Verbesserung oder eine Veränderung zu erzielen. In Bezug auf
Teams und Teamwork bedeutet das also: Wie kann
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ein Team effektiver zusammenarbeiten? Wie kann es
erfolgreicher sein? Und wenn wir Bereiche mit viel
Risiko und Verantwortung betrachten: Wie kann ein
Team seine Gefahren- und (menschlichen) Fehlerquellen minimieren?
Wenn wir über die letzte Frage sprechen kommen wir
am sogenannten Crew-Resource-Management nicht
vorbei. Eine Trainingsmethode, speziell für Teams, die
hohes Risiko oder große Verantwortung haben. Wie
ein solches Training aussieht und was seine Schwerpunkte sind, können Sie ebenfalls in dieser Zeitschrift
lesen.
Gutes Teamwork ist wichtig. Wir hoffen Sie können
einiges von dem, was Sie hier erfahren, auch für sich
selbst nutzen und in die Praxis umsetzen. Denn:
„Schlechtes Teamwork ist, wenn aus einer To-Do Liste
eine „Tu-Du-Liste“ wird“. (Stefan Orac)
Im Rahmen unseres Praxisprojektes „Wissenschaft
praxistauglich aufbereitet“ haben wir uns von Oktober 2014 bis Februar 2015 unter der Leitung von Frau
Dr. Vera Hagemann diesen facettenreichen Themen
gewidmet.
Wir, das gesamte Team, wünschen Ihnen nun viel
Spaß und neue Eindrücke beim Lesen.
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Inhalt
Was steckt drin?
Teamwork im Wandel der Zeit S. 6
Kernkompetenzen guten Teamworks - Warum es nicht immer
„ich“, sondern auch mal „wir“ heißen sollte S. 9
Die effektive und produktive Arbeit in jedem Unternehmen hängt
nicht nur von der Qualifikation des Personals oder der gewählten
Unternehmensstrategie ab, sondern allem voran auch vom Aspekt
des Teamworks. Vier Augen sehen mehr als zwei, und sechs Augen
sehen mehr als vier. Vor allem in Hochrisikosituationen ist dies oftmals der entscheidende Faktor sicheren Handelns.
Ebola im Ruhrgebiet - Was wäre wenn? S. 14
Teamwork und kulturelle Unterschiede S. 18
Es gab ein Kommunikationsproblem! Wird Kommunikation
unterschätzt? S.20
Alles Käse ohne Teamwork S. 26
Check UP - kurzer Kommunikationstest S. 30
Comic S.31
Siehst du das denn genauso? S. 32
Teamtraining? Ja aber richtig S. 36
Fakten, Fakten, Fakten S. 48
Von der Technik zum Menschen S. 50
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Inhalt
Crew Resource Management S. 54
Das Fliegen zählt zu den sichersten Transportmitteln weltweit. Der
Grund dafür ist nicht nur der technische Fortschritt der vergangenen
Jahrzehnte. Die Luftfahrt gilt als Vorreiter auf dem Gebiet des Trainings
nicht-technischer Skills, also Fertigkeiten teamarbeitsbezogener Natur.
Dadurch sollen Unfälle, bei denen menschliche Fehler eindeutig als Ursache identifiziert werden können, verhindert werden und die geringe Anzahl an Unfällen soll möglichst gering gehalten werden. Kraftwerksimulatoren - bloß eine teure Spielerei? S. 68
Weitere Anwendungsgebiete von CRM S. 72
Die Zukunft von CRM! S. 76
Interview: Nicken als Feedback klappt nicht S. 82
Wir sprachen mit Ralf Hinkel über Simulatortraining, Debriefing und Kommunikation im Cockpit. Er ist ehemaliger Berufsoffizier und F4-Jetpilot der deutschen Luftwaffe, arbeitet als ziviler Fluglehrer (Civil
Instructor) und Waffenlehrer mit dem Eurofighter Simulator in Nörvenich und ist Trainer sowie Assessor für Crew Resource Management (CRM). Er ist für die Erstellung von Eurofighter
Simulator Datenbasen zuständig, bildet die Piloten in der Systemnutzung des Flugzeugs aus,
entwickelt und evaluiert Taktiken der Waffennutzung und überwacht die Tätigkeiten der Piloten während der Simulatorsessions.
Kreuzworträtsel S. 88
Interview: Blick über den großen Teich S. 90
Veranstaltungskalender S. 94
Buchempfehlungen S. 96
Lösungen des Kreuzworträtsels und des Kommunikationstests & Impressum S.100
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Teamwork im Wandel der Zeit
Teamwork im Wandel der Zeit
Wie die Evolution
uns zu Teamplayern
machte
Erdmännchen-ähnlichen Säugetiere rennen dicht an dicht in kleinen Grüppchen in ihren Bau. Der
Raubvogel wiederum geht leer aus.
Abbildung 1: Zwergmangusten stellen sich
aufrecht hin, um nach Feinden Ausschau zu
halten
Während die anderen Zwergmangusten jagen und fressen, steht eine
von ihnen aufrecht da und guckt
die ganze Zeit hektisch um sich.
Plötzlich nähert sich ein Raubvogel. Die aufrecht stehende Zwergmanguste schlägt Alarm und die
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Zwergmangusten haben es nicht
immer einfach. Sie haben eine
kleine Körpergröße und werden
aus der Luft, wie auch vom Boden
von Feinden gejagt. Nähert sich ein
Feind, besteht ihre einzige Überlebenschance darin, rechtzeitig in
ihren Bau zu flüchten. Ob sie dies
schaffen hängt davon ab, ob sie den
Feind rechtzeitig erkennen, denn
da die Feinde zumeist schneller
sind, als die Zwergmangusten,
brauchen jene stets einen gewissen
Vorsprung, um am Leben zu bleiben. Doch wie schaffen die Zwergmangusten es, trotz der schweren
Umstände am Leben zu bleiben?
Sie schließen sich zu Gruppen
zusammen. So lange die Zwergmangusten sich außerhalb ihres
Baus befinden, um zu jagen oder
zu fressen, übernimmt ein Tier
die Rolle des Wächters, um rechtzeitig vor Angreifern zu warnen.
In regelmäßigen Abständen wird
der Wächter von einem anderen
Tier in der Gruppe abgelöst. Greift
dann tatsächlich ein Feind an, versuchen die Zwergmangusten dicht
an dicht mit ihren Artgenossen zu
flüchten. Dadurch steigt die individuelle Überlebenschance, da der
Angreifer sich nicht auf ein einzelnes Tier konzentrieren kann.
Teamwork lohnt sich also für die
Zwergmangusten. Dabei gilt: Je
größer die Gruppe, desto größer
die Überlebenschance. So werden
z.B. Gruppen von Zwergmangusten im Schnitt gleich häufig von
Raubvögeln gestört, jedoch kommt
es bei kleineren Gruppen drei Mal
so häufig zu einem tatsächlichen
Angriff (der Raubvogel greift also
tatsächlich an, anstatt z.B. nur bedrohlich über der Gruppe zu kreisen). Bei kleineren Gruppen ster-
Teamwork im Wandel der Zeit
ben 2/3 der Jungtiere innerhalb
der ersten 4 Monate, was sicherlich
auch eine Folge der vermehrten
Angriffe ist. Dies führt dazu, dass
alle kleineren Gruppen mit weniger als fünf Mitgliedern innerhalb
von drei Jahren ausgelöscht werden1.
Altruismus – weil selbstloser
Einsatz sich manchmal lohnen
kann
Während der Wächter einer
Zwergmangustengruppe lediglich
eine Warnung von sich gibt, wenn
sich ein Feind nähert, schreiten die
Arbeiterinnen der Gattung der in
Südostasien angesiedelten Camponotus saundersi Ameisen direkt
zur Tat. Sie stürzen sich auf den
Feind und platzen. Der Angreifer
wird dadurch von einem klebrigen
Sekret überschüttet. Der jeweiligen Ameisenarbeiterin scheint die
Aktion erst mal wenig zu bringen,
denn sie stirbt bei diesem Abwehrversuch. Ihrer Ameisenkolonie
kann sie so jedoch das Leben retten.
So ein selbstloses Verhalten zum
Vorteil anderer nennt man Altruismus. Doch was bringt einem das?
Erklären lässt sich dieses Verhalten
durch die sogenannte Verwandtenselektion. Gene werden über
die eigene Fortpflanzung, sowie
auch über die Fortpflanzung von
Verwandten, weiter gegeben. Altruismus lohnt sich also, wenn dadurch mehr der eigenen Gene in
die nächste Generation kommen,
als durch die eigene Fortpflanzung.
Übernehmen die Arbeiterinnen
die gefährlichen Arbeiten und unterstützen die Ameisenkönigin bei
der Brutaufzucht, kann die Königin mehr nachkommen zur Welt
bringen. Man spricht auch von indirekter Fitness2.
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Abbildung 2: Schimpansen sind uns Menschen in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich
Rangordnung – weil jeder seinen
festen Platz hat
Wie man bereits bei den Ameisen
erkennen kann, steht die Königin
über den Arbeiterinnen. Noch
besser lässt sich dies bei unseren
Verwandten, den Schimpansen,
erkennen. In Schimpansengemeinschaften hat jeder seinen festen
Platz in der Gruppe, es gibt also
eine Rangordnung mit dem Alpha-Männchen an der Spitze. Charakteristisch für eine Rangordnung
ist, dass ranghöhere Tiere rangniedere dominieren. So hat das Alpha-Männchen z.B. einen besseren
Zugang zu Ressourcen, wie Nahrung, als das Beta-Männchen.
Fühlt sich ein anderes Männchen
dem Alpha-Männchen überlegen,
kommt es zu einem Rangkampf,
der entscheidet wer von den Beiden nun das Alpha-Männchen
bleibt bzw. sein wird.
Auffällig ist jedoch, dass es solche
Rangordnungen in der Regel nur
bei den Männchen gibt. Bei Weibchen fehlen Rangstrukturen zumeist.
Auch gibt es bei Schimpansen
etwas, was essenziell für ein gutes Miteinander ist und zeigt, wie
„menschlich“ die Schimpansen
doch sind: die Versöhnung.
Der Affenforscher F. De Waal berichtet, dass nach 40% aller aggressiven Begegnungen, wie z.B. Rangkämpfen, Schimpansen spätestens
nach einer halben Stunde Kontakt
zu ihrem Gegner aufnehmen, um
sich zu versöhnen. Dabei wird dem
Gegner die ausgestreckte, nach
oben offene Hand entgegengehalten. Gibt es Schwierigkeiten bei
der Kontaktaufnahme der beiden
Gegner, kann ein Weibchen zwischen den beiden vermitteln. Versöhnung und Konfliktvermeidung
sind also bereits zentraler Bestandteil von Schimpansengemeinschaften.
Doch wozu gibt es überhaupt die
Rangordnung? Für die Gruppe an
sich bringt sie in Wahrheit keinen
Vorteil, sehr wohl aber für die einzelnen Individuen einer Gruppe,
da so z.B. schwächere Tiere vom
starken Alpha-Männchen beschützt werden können3.
Was bedeutet das für uns Menschen?
Auch Menschen befinden sich,
wie ihre tierischen Verwandten,
meist in Gruppen. In vielen Bereichen lässt sich sogar eine Rangordnung erkennen, wie z.B. in der
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Teamwork im Wandel der Zeit
Medizin, wo es den/die Chefarzt/
ärztin an der Spitze gibt, gefolgt
von den Oberärzten/innen, den
Fachärzten/innen und den Assistenzärzten/innen. Doch Gruppen
bei Menschen, bzw. Teams, unterscheiden sich von den Gruppen in der Tierwelt. So schreiben
Hitzler und Pfadenhauer: „Der
»Sprung« aus der [...] Metaphorik
der Biologie der »Gemeinschaft«
in die Gemeinschaft als einer Form
menschlicher Sozialität setzt Lebewesen voraus, die sich nicht nur
(instinktiv) verhalten, sondern die
Handlungsprobleme haben – also
Akteure.“4
Menschen tun sich also in Teams
zusammen, um Probleme zu lösen.
War es früher die Arbeitsteilung
als Jäger und Sammler, ist es heute
das Retten von Menschenleben bei
einem Feuerwehreinsatz.
Doch noch eine Sache unterscheidet menschliche Teams von den
tierischen: Die Kultur.
Wieso haben z.B. Menschen unterschiedlicher Kulturen ein unterschiedliches Essverhalten? Die
einen ekeln sich vor Käfern, für
die anderen ist es eine Delikatesse.
Die einen essen Schweinefleisch
und für die anderen ist es ein Tabu.
Auch dies hängt mit unserem
Gruppenverhalten zusammen bzw.
der Art, wie wir in Gruppen lernen. So spricht man von der sogenannten kulturellen Evolution als
„Weitergabe erworbener Fähigkeiten von Generation zu Generation,
das Kopieren von Verhalten von
Vorbildern, Lernen und Lehren.“5
Man kann also zusammenfassen, dass der Zusammenschluss
zu Gruppen bzw. Teams über die
Evolution hinweg viele Vorteile
mit sich gebracht hat. Der Mensch
hat zahlreiche Merkmale aus dem
Tierreich übernommen und diese
verfeinert, was es ihm ermöglicht
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hat das Unmögliche möglich zu
machen. Herztransplantationen,
die Beförderung hunderter von
Menschen in einem Airbus A380
oder die Rettung eines Säuglings
aus einem brennenden Gebäude.
All das würden wir im Alleingang
niemals schaffen.
1 Bickel, H., Eckebrecht, D., Krull, H., Loth, U. & PonzelarWarter, E. (1997). Vor- und Nachteile des Zusammenlebens. In
H. Bickel, D. Eckebrecht, H. Krull, U. Loth & E. Ponzelar-Warter
(Hrsg.), Natura – Neurobiologie und Verhalten (S.124-125).
Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH.
2 Markl, J., Gemballa, S., Heinze, J., Kronberg, I., Michiels,
N., Paulsen, H., Schmid, U., Stöcker, W. & Strauss, R. (2010).
Selbstloses Verhalten kann die Gesamtfitness erhöhen. In J.
Markl, S. Gemballa, J. Heinze, I. Kronberg, N. Michiels, H.
Nathalie Dittrich
Paulsen, U. Schmid, W. Stöcker & R. Strauss (Hrsg.), Markl
Biologie (S. 466). Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH.
3 Bickel, H., Eckebrecht, D., Krull, H., Loth, U. & PonzelarWarter, E. (1997). Rangordnung. In H. Bickel, D. Eckebrecht,
H. Krull, U. Loth & E. Ponzelar-Warter (Hrsg.), Natura –
Neurobiologie und Verhalten (S.130-131). Stuttgart: Ernst Klett
Verlag GmbH.
4 Hitzler, R. & Pfadenhauer, M. (2006). Die Ökonomisierung
der Produktion von Gemeinschaft. In K. S. Rehberg (Hrsg.),
Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses
der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel. Frankfurt am
Main : Campus Verl.
5 Markl, J., Gemballa, S., Heinze, J., Kronberg, I., Michiels,
N., Paulsen, H., Schmid, U., Stöcker, W. & Strauss, R.
(2010). Kulturelle Evolution ermöglicht es, Erfahrungen
weiterzureichen und zu optimieren. In J. Markl, S. Gemballa,
J. Heinze, I. Kronberg, N. Michiels, H. Paulsen, U. Schmid, W.
Stöcker & R. Strauss (Hrsg.), Markl Biologie (S. 305). Stuttgart:
Ernst Klett Verlag GmbH.
Kernkompetenzen guten Teamworks
Kernkompetenzen guten Teamworks –
Warum es nicht immer „ich“, sondern
auch mal „wir“ heißen sollte
Die effektive und produktive Arbeit in jedem Unternehmen hängt nicht nur von der Qualifikation des Personals
oder der gewählten Unternehmensstrategie ab, sondern allem voran auch vom Aspekt des Teamworks. Vier Augen
sehen mehr als zwei, und sechs Augen sehen mehr als vier. Vor allem in Hochrisikosituationen ist dies oftmals der
entscheidende Faktor sicheren Handelns.
Was ist ein Team?
Ideen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und einander auf die
Sprünge zu helfen, für alle diese
Sachen braucht man jemanden an
seiner Seite, jemanden der hinter
einem steht und der einen unterstützt. Genauso sollte es natürlich
auch in die entgegengesetzte Richtung funktionieren, dann ist man
ein Team.
Doch wie kann man Team definieren? Was ist der Kern eines Teams?
„Teams sind heutzutage ein wichtiger Bestandteil vieler unterschiedlicher Organisationen“1,S.23, daher
ist es relevant genau zu definieren
was ein Team ausmacht.
Eine Definition stellt diese dar,
welche ein Team als „… a set of
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two or more individuals who interact interdependently and adaptively towards a common goal or objective. In addition, team members
have specific roles or functions,
and the life span of membership is
limited“2 ,S.83 beschreibt.
Welche Arten von Teamwork gibt
es?
In der Praxis lassen sich verschiedene Arten von Teamwork identifizieren (siehe unten „Team ist
nicht gleich Team“), deren Erfolgsfaktoren in der Wissenschaft mit
Hilfe unterschiedlicher Modelle
reflektiert wurden. Eines dieser
Modelle stellt das so genannte
Big-Five-Modell dar3.
Die Big Five für Teamwork be-
schreiben die fünf wesentlichen
Kernkomponenten des erfolgreichen Teamworks.
Hierzu zählen die Teamführung,
gegenseitige Erfolgskontrolle, unterstützendes Verhalten, sowie Anpassungsfähigkeit und Teamorientierung.
Als Führungsperson kann man die
Aktivitäten der anderen Teammitglieder leiten und koordinieren
und ihre Leistung bewerten. Auch
ist man verantwortlich für die Atmosphäre im Team, so liegt es
z.B. im Aufgabenbereich der Führungsperson, die anderen Teammitglieder zu motivieren. Sie weist
den anderen Mitgliedern Aufgaben zu und ist gleichzeitig auch
erste Ansprechperson bei Fragen
und Problemen.
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Kernkompetenzen guten Teamworks
Aufgrund der Wichtigkeit der Führungsperson ist die Teamführung
eine der Komponenten der Big
Five für erfolgreiches Teamwork.
Doch natürlich kann die Führungsperson nicht alles selber machen,
denn dann würde es sich hierbei
auch nicht um ein Team handeln.
So überprüfen sich alle Teammitglieder auch gegenseitig. Es ist
äußerst wichtig, dass die Teammitglieder ein Grundverständnis
des Umfelds im Team bekommen,
sodass sie angemessene Strategien
zur Aufgabenbewältigung entwickeln und sich gegenseitig beobachten, nicht im Sinne der Überwachung, sondern im Sinne des
Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung. Denn vier
Augen sehen ja bekanntlich mehr
als zwei. Natürlich ist es auch wichtig auf die Hilfe und die Tipps der
anderen Gruppenmitglieder einzugehen und kritikfähig zu sein.
Die gegenseitige Erfolgskontrolle ist
somit wichtig, um den Erfolg des
Teams zu unterstützen.
Im Team muss man sich aufeinander verlassen können. Gleichzeitig
muss man auch einen Sinn dafür
entwickeln, welche Bedürfnisse die
einzelnen Gruppenmitglieder haben, um sich gegenseitig unter die
Arme greifen zu können. Ein Beispiel hierfür ist die faire Verteilung
von Aufgaben, vor allem während
stressiger Phasen, in denen alle
Gruppenmitglieder unter großem
Druck arbeiten müssen. Teammitglieder sollten sich somit gegenseitig in ihren Aufgaben unterstützen,
um das beste Ergebnis zu erzielen.
Das unterstützende Verhalten ist
demnach auch ein wichtiger Aspekt der Big Five.
Auch in einem fremden Umfeld
sollte man Strategien entwickeln
können, die Aufgaben, z.B. durch
Umverteilung der Ressourcen im
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Team, zufriedenstellend zu bewältigen. Alle Teammitglieder und
somit das gesamte Team sollten
anpassungsfähig sein. Bei einer
Veränderung der Gegebenheiten
sollten die Handlungsstrategien
und Aufgaben angepasst werden.
Anpassungsfähigkeit ist somit der
vorletzte Punkt der Big Five.
Eine zentrale Komponente wurde bis jetzt noch nicht beachtet.
Jeder weiß, dass ein Team effektiver zusammen arbeitet, wenn ein
sogenanntes „wir-Gefühl“ da ist.
Dies ist erreicht, wenn man sich
in Diskussionen z.B. ausreden
lässt und sachlich auf die Punkte der Anderen eingeht. Blüht ein
Gruppenmitglied in seinem Team
regelrecht auf und stellt die Ziele
des Teams über seine persönlichen Ziele, so ist dieses Gruppenmitglied im Team angekommen
und das „wir-Gefühl“ perfekt. In
der Big Five bezeichnet man diese
Komponente als Teamorientierung,
weil man seine Orientierung bzw.
seinen Platz im Team gefunden hat
und somit produktiv auf die Ziele
des Teams hinarbeiten kann.
An dieser Stelle ist das Modell jedoch noch nicht abgeschlossen,
denn um den Erfolg des Teams zu
garantieren, bedarf es noch dreier
sogenannter koordinierender Mechanismen.
Der erste dieser Mechanismen besteht aus geteilten mentalen Modellen.
Kooperative Zusammenarbeit erfordert ein geteiltes allgemeines
Verständnis seiner Umwelt im
Team. Auf Basis dieses geteilten
Verständnisses können nun Entscheidungen getroffen werden.
Dabei wird unterschieden zwischen Team-bezogenen mentalen
Modellen und Aufgaben-bezogenen mentalen Modellen. Während
sich die Team-bezogenen menta-
len Modelle auf die Funktion des
Teams und die zu erwartenden
Verhaltensweisen beziehen, beinhalten Aufgaben-bezogene mentale Modelle Informationen bezüglich der benötigten Materialien
oder den Zusammenhang in dem
diese Materialien genutzt werden
sollen.
Der nächste Mechanismus, der
ebenfalls essentiell für ein gelungenes Teamwork ist, ist das gegenseitige Vertrauen. Man vertraut darauf,
dass die anderen Teammitglieder
ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllen und die Interessen der anderen
Mitglieder vertreten. Hierzu gehört auch, dass man bereit ist mit
den Anderen Informationen zu
teilen und auch Fehler eingesteht.
Der letzte wichtige Mechanismus
für erfolgreiche Teamarbeit ist eine
geregelte Kommunikation. Ohne effektive Kommunikation kann ein
Team nicht funktionieren. Es muss
sichergestellt werden, dass eine Information vom/von der Sender/
in an den/die Empfänger/in gelangt. Alles andere würde zu einer
Fehlkommunikation und somit zu
einem Problem führen (weitere
Informationen zu Kommunikation finden Sie im Text „Es gab ein
Kommunikationsproblem!
Wird
Kommunikation unterschätzt?“ auf
S.20).
Ohne eine enge Kommunikation
ist die Sicherheit des Informationsflusses nicht gewährleistet und somit der Teamerfolg gefährdet.
Thomas Wessel von der Feuerwehr Dortmund (siehe S. 15) weiß
worauf es bei gutem Teamwork
ankommt: „Kommunikation ist
[eine] der elementaren Sachen“,
beteuert er. Nicht immer besteht
dabei die Kommunikation aus
Worten. Angenommen jemand
wird mit dem Rettungswagen in
Kernkompetenzen guten Teamworks
ein Krankenhaus gebracht. Nicht
jeder/jede Arzt/Ärztin wird die
Zeit haben sich alles Wichtige von
den Rettungssanitätern anhören
zu können und selbst wenn, kann
es vor allem an einem stressigen
Arbeitstag schnell mal passieren,
dass man die Informationen, seien
sie noch so wichtig, doch vergisst,
oder falsch versteht. Um dieser
Problematik entgegen zu wirken,
muss alles genauestens dokumentiert werden. Wessel erklärt: „Wenn
im Nachgang, also [zu] Sachen 3-4
Wochen später noch einmal eine
Nachfrage kommt, [...] was ist
denn da genau gewesen?“ Daher,
so Wessel, zählt der Grundsatz:
„Alles was da nicht genau dokumentiert ist, zählt im Prinzip auch
nicht.“
Welche Faktoren entscheiden
über gutes Teamwork?
Ein geeignetes Modell, um die Einflussfaktoren auf den Prozess und
die Ergebnisse der Teamarbeit zu
erklären bzw. zu beschreiben ist
das Input-Prozess-Output (IPO)
Modell von J. E. McGrath4.
Dieses IPO-Modell sagt aus, dass
der Erfolg eines Teams bzw. des-
sen Leistung hauptsächlich davon
abhängt welche Faktoren das Team
Eingangs beeinflussen (Input).
Zudem sind die Prozesse in der
Teamarbeit relevant, die die Effekte des Inputs auf den Output moderieren. Diese Teile des Modells
können als drei Phasen angesehen
werden (siehe Abbildung 1).
Der eingebrachte Input in die
Teamarbeit besteht aus verschiedenen Faktoren, welche je nach
Ausprägung (positiv oder negativ)
darüber entscheiden, wie erfolgreich die Teamprozesse ablaufen
können, bevor im Anschluss daran
ein Output entsteht.
Zu diesen Input-Faktoren zählen
hauptsächlich die individuellen
Faktoren der einzelnen Teammitglieder, die Gruppenfaktoren und
die Umwelt-/Organisationsfaktoren. Bei den individuellen Faktoren handelt es sich um Faktoren,
die die individuelle Person bedingen und beschreiben, wie zum Beispiel seine Einstellungen und seine
Persönlichkeit. Die Gruppenfaktoren betreffen die gesamte Gruppe.
Hierzu zählen z.B. die Gruppengröße, das Gruppenziel und die
Gruppenzusammenstellung.
In
diesem Zusammenhang lassen sich
die oben genannten „Big 5“ einordnen, da anhand der Teamführung,
der gegenseitigen Erfolgskontrolle,
dem unterstützenden Verhalten,
der Anpassungsfähigkeit sowie der
Teamorientierung bestimmt wird,
inwieweit die Gruppenfaktoren
miteinander agieren.
Die Umwelt- und Organisationsfaktoren beschreiben alle Faktoren
die von außen an das Team herangetragen werden und somit deren
Arbeit beeinflussen. Die Aufgabe
an sich oder das Trainingssystem
sind hierfür geeignete Beispiele.
In der nächsten Phase finden die
Teamprozesse und die hauptsächliche Interaktion des Teams statt.
Hier geht es unter anderem darum
auf welche Art und Weise kommuniziert und koordiniert wird, aber
auch in welchem kognitiven und
gefühlsbetonten Zustand die Mitglieder des Teams sich befinden.
Hier lassen sich unter anderem die
koordinierenden Mechanismen,
also die geteilten mentalen Modelle, das gegenseitige Vertrauen
sowie die strukturierte Kommunikation einordnen, welche dafür
sorgen, dass die Teamprozesse
ohne weitere Hindernisse erfolgen
können.
Diese beiden ersten Phasen und
Abbildung 1: Input-Prozess-Output-Modell der Teamleistung
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Kernkompetenzen guten Teamworks
ihre Beziehungen untereinander
entscheiden über die letzte Phase,
den Output. Hier geht es um die
jeweilige Ausprägung der Ergebnis-Faktoren, wie zum Beispiel
die Arbeitszufriedenheit oder die
Effektivität der Teamarbeit. Trainings von HRTs zielen bspw. darauf ab die Kommunikation sowie
Koordination für den Ernstfall zu
trainieren. Das Ziel ist, dass die
Teams auch in Stresssituationen
Fehlern in der Arbeit vorbeugen
und erfolgreich zusammen arbeiten.
Team ist nicht gleich Team
Wird in der Wissenschaft ein Team
beschrieben oder von Teamwork
gesprochen, ist es sehr wichtig,
dass Unterscheidungen vorgenommen werden.
Eine bestimmte und wichtige Art
von Teams stellen die HRT’s –
High Responsibility Teams dar.
Wieso „High Responsibility“?
Ganz einfach: Diese Teams sind
„diejenigen, die mit ihrem Handeln und dessen Konsequenzen
eine hohe Verantwortung für das
Leben und die Gesundheit von
Menschen und für den Schutz der
Umwelt tragen.“1 S. 17
Diese Teams mit offensichtlich
großer Verantwortung lassen sich
im Alltag in verschiedenen Bereichen finden:
So sind Organisationen wie die
Berufsfeuerwehr, die Polizei oder
Energiekonzerne, welche mit
Kernenergie arbeiten als „High
Reliability Organizations“ (HROs)5
zu sehen, in denen wiederum
„HRT’ s“ arbeiten6.
Die Aufgaben von HRTs sind so
vielschichtig und unterschiedlich, dass es nahezu unmöglich
erscheint diese zu skizieren oder
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festzulegen. Doch einige Aspekte
haben alle HRTs miteinander gemein:
So muss ein jedes HRT in der Lage
sein den aktuellen Zustand des
Teams zu überblicken und jegliche
gesammelte Hintergrundinformation über das Geschehen innerhalb des Teams mitteilen. Dieser
Informationsaustausch ist als obligatorisch anzusehen, um nicht nur
vergangene Situationen nachzuvollziehen, sondern auch um diese
in der gegenwärtigen und in zukünftigen Situationen zu benutzen
um mögliche Fehler zu vermeiden,
oder die allgemeine Leistung des
Teams zu steigern.
Die Mitglieder von HRTs müssen
außerdem in jeder Situation diese fokussieren und den nötigen
Handlungsbedarf schnell überblicken7,8,9.
Mit Blick auf dieses differenzierte
Aufgabenfeld drängt sich nun die
Frage auf, welche Charakteristika
eine Person erfüllen sollte um ein
geeignetes Mitglied für ein HRT
darzustellen.
Hier steht nicht etwa das jeweilige
medizinische, technische oder juristische Fachwissen der Mitglieder einer Einheit im Vordergrund.
Die nicht-technischen Fertigkeiten
wie das Verarbeiten von Zeitdruck
und Ungewissheit1,S.18 und eine
teamfördernde Art der Kommunikation, sowie eine dem Team angemessene hierarchische Struktur
bedingen meist die Effizienz und
die Leistung des Teams.
In der Realität gibt es viele Beispiele für die Wichtigkeit einer Hierarchie im Team aber genauso für eine
ausgeglichene und angemessene
Zusammenarbeit. Im Interview
mit dem Hygienebeauftragten der
Feuerwehr Dortmund, Thomas
Wessel, sagte er zu diesem Thema:
„Die [Menschen in der Desinfektion] verlassen sich dann genau
darauf, dass die Maßnahmen, die
jetzt vorgegeben werden durch
den Desinfektor eben dann auch
tatsächlich stimmig und mit den
Vorgaben aus Recht und Gesetz
oder auch mit technischen Regeln
konform sind. Diese Maßnahmen
müssen dann richtig umgesetzt
werden, das heißt es ist dann wieder so ein Wechselspiel“ (Interview
Feuerwehr Dortmund).
Ein Wechselspiel im Team und
ein wichtiges Verlassen-Können
auf die nächste Ebene in der Hierarchie des Team stehen also in
solchen Notfällen im Vordergrund
um Katastrophen zu verhindern.
Ein Wechselspiel, welches auch
das Interview mit einem leitenden Oberarzt in einer Duisburger
Klinik hervorgeht. So erklärte dieser im Zusammenhang mit dem
nötigen zurechtfinden in einem
neuen Team (hier: im Team des
Schockraums der Klinik):…„Wenn
er zum ersten Mal im Schockraum
mitmacht. Aber auch der hat dann
eine Anästhesiepflegekraft dabei,
die schon längere Zeit im Haus ist.
Es sind immer Ältere im Team dabei, die die neuen anleiten“…(Interview BGU).
Der Informationsaustausch und
das unterstützende Miteinander
sind offensichtlich unabdingbare
Faktoren für das Funktionieren des
Teams.
Der große Unterschied zwischen
HRTs und klassischen Teams ist
der Grad der Verantwortung die
das jeweilige Team trägt.
Mitglieder von HRTs tragen eine
hohe Verantwortung für das Leben
anderer Personen, aber auch für
ihr eigenes Leben. Im Fall eines z.B.
misslungenen Einsatzes müssen sie
die psychischen und physischen
Konsequenzen ihrer Handlungen
Kernkompetenzen guten Teamworks
für sich selbst oder Dritte tragen.
Außerdem ist ein HRT in der Regel gezwungen eine angefangene
Aufgabe zu vollenden. Nebensächlich ist dabei die Befindlichkeit der
Mitglieder, da es oftmals darum
geht das Leben eines oder mehrerer Menschen zu retten. Innerhalb
eines klassischen Teams ohne diesen hohen Grad an Verantwortung
sind Pausen und Arbeitsunterbrechungen, ohne große Konsequenzen befürchten zu müssen, möglich.
Die Mitglieder von HRTs stehen,
vor allem in kritischen Situationen,
unter starkem psychischem und
oft auch physischem Leistungsdruck1 (S. 27).
unter der Leitung einer Führungsperson. Diese kann, in Abhängigkeit von vielen Faktoren, den Weg
für den Erfolg des Teams ebnen. In
der Teamarbeit kommt es dabei auf
jede einzelne Person an, dass diese
ihre Fertigkeiten und Ressourcen
in die gemeinsame Arbeit einbringt. Teamwork ist das Arbeitsmodell der Zukunft, denn gemeinsam schafft man mehr, als allein!
1 Hagemann, V. (2011). Trainingsentwicklung für High Responsibility Teams. Lengerich: Pabst Science Publishers.
2 Cannon-Bowers, J. A. & Salas, E. (1998). Team Performance
and Training in Complex Environments: Recent Findings From
Applied Research. Current Directions in Psychological Science,
7(3), 83-87.
3 Salas, E., Sims, D. E., & Burke, C. S. (2005). Is there a „Big Five“
in teamwork ? Small Group Research, 36 (5), 555-599.
4 Hackman, J. R. (1987). The design of work teams. In J. W.
Lorsch (Hrsg.), Handbook of organizational behavior. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall.
5 Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M. (2003). Das Unerwartete mana-
Lea Parker und Annalena Wiegandt
gen. Stuttgart : Klett-Cotta.
6 Hagemann, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2011). High Responsibility Teams - Eine systematische Analyse von Teamarbeitskontexten für einen effektiven Kompetenzerwerb. Psychologie
des Alltagshandelns, 4(1), 22-42.
7 Endsley, M. R. & Bolstad, C. A. (1994). Individual differences
in pilot situation awareness. The International Journal of Aviation
Psychology, 4(3), 241-264.
8 Badke-Schaub, P. (2008). Handeln in Gruppen. In P. Bad-
Teamwork in der Praxis
ke-Schaub, G. Hofinger & K. Lauche (Hrsg.), Human Factors:
Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen (S. 114-130).
Teamwork kommt praktisch überall vor, doch es gibt Arbeitsbereiche, in denen Teamwork unabdingbar ist. Thomas Wessel weiß: „Ich
glaube bei der Feuerwehr würde
grundsätzlich gar nichts funktionieren, auch im Rettungsdienst
nicht, wenn Teamwork nicht ganz
groß geschrieben werden würde“,
denn „Teamwork ist ja auch eben
nur eine Verlässlichkeit.“ Man
muss auf einander bauen können
und darauf vertrauen, dass das,
was der/die jeweils andere macht
so richtig ist.
Was in diesem Fall bei der Feuerwehr funktioniert muss natürlich
auch bei der Polizei, in der Luftfahrt und in der Medizin funktionieren. Viele Aufgaben sind alleine
unmöglich zu meistern, doch mit
einem gut geschulten Team an seiner Seite macht man das Unmögliche möglich.
Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
9 Dörner, D. & Schaub, H. (1995). Handeln in Unbestimmtheit
und Komplexität. Zeitschrift für Organisationsentwicklung, 3,
34-47.
Zusammenfassend ist Teamwork
ein Gebilde vereinter Kräfte, meist
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
13
Ebola im Ruhrgebiet
Ebola im Ruhrgebiet
Was wäre wenn?
Ebola war bis vor kurzem
noch in aller Munde. Auch
wenn die Epidemie sich
hauptsächlich in Westafrika
verbreitet, besteht bei vielen
Menschen die Sorge, jemand
könnte die Krankheit nach
Europa bringen. Die Wahrscheinlichkeit für einen
tatsächlichen Ebola-Ausbruch in Europa ist gering,
dennoch sprachen wir mit
Thomas Wessel, Hygienebeauftragter bei der Berufsfeuerwehr Dortmund, über
die Frage: Was wäre wenn?
14
Ebola im Ruhrgebiet
Die Feuerwache 4 der Berufsfeuerwehr in Dortmund Hörde ist auf
den ersten Blick ähnlich, wie jede
andere Feuerwache. Immer wieder
gehen Notrufe ein, die dann über
Lautsprecher durch das Gelände
hallen. Alle Mitarbeiter/innen wissen genau, was zu tun ist und bei
welchem Notruf sie wie ausrücken
müssen. Dies gilt auch für eher
ungewöhnliche Notrufe. „Ein Ebola-Verdachtsfall in den städtischen
Kliniken“. Thomas Wessel weiß genau, was in diesem Fall, sei er doch
eher relativ unwahrscheinlich, zu
tun wäre.
Wann spricht man von einem
Ebola-Verdachtsfall?
Angenommen man würde eine
kranke Person auffinden und es
wäre die Vermutung da, es könnte sich um eine Ebolaerkrankung
handeln, dann, so Wessel, sind 3
Punkte entscheidend: Fieberanamnese - hat der/die Betroffene über
38,5°C Fieber? -, Reiseanamnese –
War der/die Betroffene in den letzten 21 Tagen in Epidemiegebieten
wie Westafrika? – und die Kontaktanamnese – Hatte der/die Betroffene Kontakt zu Ebola-Patienten/
innen, Buschfleisch gegessen oder
mit Fledermäusen Kontakt gehabt?
Wird eine dieser Fragen mit ja beantwortet, so handelt es sich hierbei um einen Ebola-Verdachtsfall.
Kann keine der Fragen beantwortet werden, da die Person nicht
ansprechbar ist, oder womöglich
gar kein deutsch spricht, handelt es
sich ebenfalls um Ebola-Verdacht.
Die Diagnose Ebola könnte man
jedoch zunächst nicht aussprechen, erklärt Wessel, denn „Letztendlich belegen kann ich es nur
über einen Laborbefund, und den
können wir hier in Dortmund eh
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Thomas Wessel ist Hygienebeauftragter der Berufsfeuerwehr Dortmund.
Zuständig ist er für den Rettungsdienst und die Feuerwehr.
Herr Wessel ist 48 Jahre alt und seit 1991 im Bereich der Feuerwehr tätig. Seinen Grundlehrgang hat er bei der Feuerwehr Hamm gemacht,
später ist er zur Feuerwehr Dortmund gewechselt. Hier war er zunächst
als Taucher und Atemschutzgerätewart sowie beim Brandschutz und der
Abwehr tätig. 2013 wechselte Thomas Wessel in den Funktionsbereich
Hygiene und Desinfektion.
nicht ermitteln oder durchführen.“
Das nächst gelegene Labor für die
Diagnose befindet sich in Hamburg und die nächstgelegene Isolierstation mit der entsprechenden
Schutzstufe befindet sich in Düsseldorf.
Das Gesundheitsamt als erste Instanz
Da Ebola meldepflichtig ist, würde
nun das Gesundheitsamt informiert werden. „Ab dem Zeitpunkt
tragen die [das Gesundheitsamt]
die komplette Verantwortung dafür“, so Wessel. „Auch alle weiteren Maßnahmen legen die [das
Gesundheitsamt] fest und leiten sie
ein.“ Auch, wenn die Zuständigkeit dann in den Bereich des Gesundheitsamtes fällt, werden weitere Maßnahmen im Rahmen der
Gefahrenabwehr durch die Feuerwehr durchgeführt, denn sämtliche Maßnahmen wurden schon
im Vorfeld zusammen festgelegt.
Das Gesundheitsamt sorgt für die
bürokratischen Abläufe und die
Feuerwehr für die Umsetzbarkeit,
auch eine Form von Teamwork.
Ein spezieller Rettungswagen für
Infektionskrankheiten
Wichtig ist in solch einem Fall natürlich auch, keine anderen Patienten/innen zu gefährden. Nicht
nur bei der Krankheit Ebola ist
die Einhaltung der Hygienevorschriften wichtig. Das Beispiel
Methicillin-resistente
Staphylococcus aureus (MRSA), ein weit
verbreiteter Krankenhauserreger,
zeigt, wie wichtig Desinfektion ist.
Auch wenn MRSA im Vergleich
15
Ebola im Ruhrgebiet
Abbildung 1: Von außen sieht der IRTW zunächst einmal aus, wie ein ganz normaler Rettungswagen...
tionsrettungswagen der auf der
Feuerwache 4 in Dortmund Hörde
bei Thomas Wessel steht. Doch was
macht den IRTW so besonders?
Im Gegensatz zu herkömmlichen
Rettungswagen sieht der IRTW
recht leer aus: Eine Liege und zwei
Sitzmöglichkeiten für die Helfer/
innen, außerdem ein doppelter
Boden. Alle Utensilien (zB. Verbände, Decken, etc.) sind nur von
außen zugänglich, damit nicht zu
viele Objekte kontaminiert werden und dann womöglich entsorgt
werden müssen. An dem IRTW
ist also außen eine Tür, durch die
man sich sämtliche Utensilien mit
in den IRTW reinholen kann. Außerdem lässt sich die Tür nur von
außen öffnen, nicht jedoch von innen, damit der/die Patient/in nicht
auf einmal aufgrund einer Panikattacke flüchtet, da dies eine Gefahr
für andere Menschen darstellen
würde. Begleitet würde der Transport dieses/dieser Patienten/in von
der Polizei, die auch für Absperrungsmaßnahmen verantwortlich
wäre. Es muss somit interdisziplinär zusammen gearbeitet werden.
Schutz vor Ansteckung auch für
die Rettungshelfer/innen
Abbildung 2: ...doch von innen sieht man, dass es deutliche Unterschiede gibt.
zu anderen Erregern relativ banal
scheint, müssen stets die richtigen
Maßnahmen getroffen werden,
denn Wessel weiß: „Patienten, die
wir fahren, sind in der Regel dann
ja krank. Haben unter Umständen
schon ein geschwächtes Immunsystem, was für die dann fatale
16
Folgen haben könnte.“ Bei Ebola
wäre die richtige Maßnahme zunächst einen Transportstopp zu
verhängen. Auch könnte der/die
Patient/in nicht einfach in einem
normalen Krankenwagen abgeholt
werden. Hier käme der sogenannte IRTW zum Einsatz, der Infek-
Vor Ort ist es für die Helfer/innen
vor allem bei einer so gefährlichen
Infektionskrankheit wie Ebola
wichtig, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. So müssen die Helfer/innen Schutzanzüge
tragen und sollten, wenn möglich,
einen Meter Abstand zu nicht, bzw.
nur unzureichend geschütztem,
Personal halten. Im IRTW müssen
dann drei Leute mitfahren, darunter ein ausgebildeter Desinfektor,
erklärt Wessel, außerdem würden
noch fünf weitere Personen in einem Begleitfahrzeug mitfahren,
Ebola im Ruhrgebiet
um bei den Dekontaminationsmaßnahmen, wie z.B. dem Ausziehen des Schutzanzuges, zu helfen.
Auch hier ist also Teamwork gefragt. Ob der Verdachtsfall begründet ist und ob überhaupt ein Transport stattfindet obliegt jedoch in
Dortmund der Entscheidung des
Gesundheitsamtes. „Das muss
man einfach auch jeder Stadt zugestehen, dass die Vorgehens- und
Verfahrensweisen dann immer unterschiedlich sind“, so Wessel.
Rettungsdienst und Krankenhaus als ein Team
In NRW würde man mit der erkrankten Person nach Düsseldorf
fahren, dort verfügt das Universitätsklinikum über eine entsprechende Isolierstation. Deutschlandweit gibt es jedoch auch
andere Krankenhäuser mit einer solchen Isolierstation, z.B. in
Hamburg, Leipzig und Frankfurt.
Die Zusammenarbeit zwischen
Rettungsdienst und Krankenhaus
ist natürlich nicht nur bei Ebola
entscheidend. In Dortmund wurde eigens für den Arbeitsbereich
der Desinfektion ein Arbeitskreis
gebildet. „Wir nennen das Qualitätszirkel. Das ist ein Zusammenschluss des Dortmunder Rettungsdienstes und der Notaufnahmen
der Dortmunder Klinken.“, so
Wessel. Letzten Endes, so erklärt
er uns, wurde z.B. ein einheitlicher Hygieneleitbogen entworfen,
um festzuhalten, welche Infektionskrankheit der/die Patient/in
genau hat. Dies ist wichtig, damit
solche Sachen nicht nach dem
„Stille-Post-Prinzip“ weitergegeben werden. „Wenn ich das [also
alles Rund um den Einsatz] nicht
schriftlich festhalte und vernünftig
dokumentiere, wird unter Umstän-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
den so eine Infektionskrankheit
am Ende wieder eine ganz andere
oder gar keine mehr sein“, erklärt
Wessel. Werden Informationen
also nicht richtig dokumentiert
und weiter gegeben, kann es also
passieren, dass wichtige Informationen für die anderen Teammitglieder verloren gehen.
Bestens vorbereitet für den Ernstfall
Natürlich wird, wie auf jeder Feuerwache, auch in Dortmund Hörde regelmäßig für den Ernstfall
trainiert. Es gibt fest angesetzte
Übungstage, die vor allem dazu
dienen Stress zu reduzieren, erklärt Wessel, denn angenommen
„Man hat gar nichts geübt, und
irgendein Mitarbeiter X wird in
so einen Anzug reingesteckt und
[man] sagt: So, bleib da sitzen,
bekommst gleich einen Patienten,
aber du schaffst das schon. Das
dauert 5 Minuten, dann kollabiert
der in dem Anzug, dann weiß der
nicht mehr was er machen soll.“
Ohne Training wäre der Stresspegel nämlich viel zu groß für jene/n
Mitarbeiter/in.
Nicht nur in Dortmund verfügt
man über spezielle Möglichkeiten
für die sogenannten Sonderisoliertransporte, wie z.B. bei Ebola. Allein in NRW gibt es noch weitere
Wachen mit Infektionsrettungswagen in Essen, Düsseldorf und Köln.
Sollte es also doch eines Tages einen Ebola-Fall geben, so sind wir
in NRW darauf vorbereitet.
Nathalie Dittrich
17
Teamwork & kulturelle Unterschiede
Teamwork und kulturelle Unterschiede
„Vérité en-deca des Pyrénés, erreur au-delá“ 1
- Blaise Pascal, 1623-62
„Es gibt Wahrheiten auf dieser Seite der Pyrenäen, die auf der anderen Unwahrheiten
sind“
Während in der westlichen Welt ein
nach oben ausgestreckter Daumen
eine Geste ist, um mitzuteilen, dass
alles gut sei, kommt derselben Geste
im Iran die gleiche Bedeutung bei,
wie in der westlichen Welt ein ausgestreckter Mittelfinger. Doch kulturelle Unterschiede zeigen sich nicht
nur in der Verwendung von Gesten, sondern auch während einer
gemeinsamen
Zusammenarbeit.
Lassen Sie mich im Folgenden versuchen Ihnen einen kurzen Einblick
in die Auswirkungen von Kulturen
auf Handlungen zu geben:
Zunächst einmal geben nicht nur
die individuellen Lernerfahrungen und das Vorwissen, sondern
auch die kulturellen Umstände
den Handlungsspielraum eines jeden einzelnen vor2. Wächst man
in einer kollektivistisch geprägten Gesellschaft auf, ist es wenig
wahrscheinlich einer Anweisung
zu widersprechen. Der niederländische Kulturwissenschaftler Geert
Hofstede erkannte fünf universell
gültige Dimensionen der Kultur3.
Die erste Dimension ist Individualismus oder Kollektivismus. Es
beschreibt an Hand zweier Pole,
wie kollektivistisch bzw. individualistisch eine Kultur ausgeprägt
ist. Ein hoher Wert auf der Skala
geht mit einer hohen individualistischen Ausprägung einher: Hier
18
werden besonders die Rechte des
Individuums beschützt. Wichtig
sind Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Eine kollektivistische Kultur zeigt hingegen
ein hohes Maß an Integrierung
in die Gesellschaft, so wie ein allgemein viel stärker ausgeprägtes
„Wir“-Gefühl. D.h. die Ziele des
Einzelnen werden denen der Gesamtheit untergeordnet. Im Allgemeinen zeigen westliche Länder,
wie vor allem die USA, sowie Mitteleuropa eine hohe Ausprägung
an Individualität, während Länder
wie Guatemala, Pakistan und die
südamerikanischen Staaten eine
hohe Ausprägung an Kollektivismus aufweisen.
Die zweite Dimension ist Maskulinität vs. Feminität. Diese Dimension sagt aus, wie stark eine Kultur
durch die von Hofstede festgelegten männlichen (Konkurrenzbereitschaft, Selbstbewusstsein) oder
weiblichen (Fürsorglichkeit, Kooperation, Bescheidenheit) Werte
geprägt ist. Dabei zeigen vor allem
Japan und Österreich eine sehr
maskuline Ausprägung, während
Norwegen und Schweden eine sehr
feminine Ausprägung zeigen.
Die dritte Dimension ist die Ungewissheitsvermeidung,
welche
durch eine Skala angibt, wie hoch
die Abneigung gegenüber unvor-
hergesehenen Situation ist. Je höher die Ablehnung von Ungewissem ist, desto mehr Gesetzte und
Richtlinien gibt es, um auf unvorhergesehene Situationen vermeintlich vorbereitet zu sein. Es herrscht
eine hohe emotionale Nervosität
bei den Angehörigen der Kultur.
Kulturen mit einem niedrigen
Wert sind toleranter und haben
weniger Regeln, welche auch an
die jeweilige Situation angepasst
werden können.
Die vierte Dimension ist die langoder kurzfristige Orientierung.
Um diese Dimension zu messen
führte Hofstede auch hier eine
Skala ein. Kulturen mit einem hohen Messwert besitzen eine langfristige Ausrichtung, welche sich
durch die Werte Sparsamkeit und
Beharrlichkeit ausdrückt. Vor allem asiatische Staaten erzielen hier
einen hohen Wert, während europäische und Entwicklungsländer
einen niedrigen Wert erzielen, da
sich eine kurzfristige Ausrichtung
durch die Werte Flexibilität und
Egoismus auszeichnet.
Die fünfte Dimension ist die
Machtdistanz. Sie fordert vom
Individuum unbedingte Loyalität, schützt es im Gegenzug allerdings gegen äußere Einflüsse wie
z.B. andere Kulturen, kriegerische
Auseinandersetzungen und ei-
Teamwork & kulturelle Unterschiede
nem Ausstoß aus der Gesellschaft.
Die Machtdistanz ist vor allem in
kollektivistisch geprägten Kulturen stark ausgeprägt, welche hierarchisch geprägt sind. Dabei gibt
die Hierarchieposition den Handlungsspielraum vor: Je weiter unten eine Person in der Hierarchie
steht, desto geringer ist sein Handlungsspielraum, desto geringer ist
jedoch auch das Verantwortungsgefühl für von der Obrigkeit befohlene Handlungen. Es entsteht
also eine „nicht nachfragen“-Mentalität. Jedoch wird so auch die
Kreativität und die Entwicklung
eigener Ideen eingeschränkt4, was
in manchen Berufsfeldern, wie
zum Beispiel der zivilen Luftfahrt,
zu Problemen führen kann. Denn
sollte ein Flugkapitän eine Fehleinschätzung oder eine Fehlentscheidung treffen, ist es von immenser
Wichtigkeit, dass er durch seine/n
Co-Plioten/in darauf hingewiesen
wird und diesem/r auch Gehör
schenkt.
Ein solcher Fall trat z.B. am
12.07.20005 ein, als ein defektes
Fahrwerk den Treibstoffverbrauch
eines mit 151 Passagieren vollbesetzten Airbus A310 der Fluglinie
Hapag Lloyd so massiv erhöhte,
dass der Zielflughafen Hannover
nicht mehr erreicht werden konnte. Auf Grund der großen Autorität
des Flugkapitäns konnte ein junger
Co-Pilot seine Bedenken, ob der
angestrebte Zielflughafen erreicht
werden könnte, nicht äußern und
nur durch günstige Wetterbedingungen und das fliegerische Können des Flugkapitäns konnte eine
Notlandung auf dem Flughafen
Wien-Schwechat
durchgeführt
werden. Der junge Co-Pilot hätte
„vorsichtshalber“ den deutlich näheren Flughafen von Zagreb angeflogen.
Nun saßen in diesem Cockpit
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
deutsche Piloten, und das Hierarchieproblem lag hier eher begründet in den Alters- und Erfahrungsunterschieden sowie vielleicht dem
Verhalten des Kapitäns. Doch unter den von Hofstede aufgedeckten
kulturellen Unterschieden fällt es
nicht schwer zu mutmaßen, wie
es wohl tagtäglich in Cockpits mit
internationaler Besatzung aussieht.
Hätte ein aus dem kollektivistisch
geprägten China stammender
Co-Pilot überhaupt Bedenken
gehabt? Glücklicherweise ist der
oben beschriebene Vorfall glimpflich geendet. Doch um solchen
„Autoritätsbarrieren“ entgegenzuwirken führen Airlines spezielle
Trainings durch6, um weitere Zwischenfälle dieser Art zu verhindern
und mehr Verständnis für andere
Kulturen zu schaffen.
Sollten sie also eine geschäftliche
oder private Reise planen, beschäftigen Sie sich mit der Kultur des
anderen Landes. Denn sonst kann
es passieren, dass Iraner/innen
sehr erbost darüber sind, weil Sie
ihnen zeigen wollen, wie gut es Ihnen geht!
Fabian Noll
1 Pascal, B. (1670). Les Pensées (S. 60). Köln: Anaconda.
2 Thomas, A. (1996). Analyse der Handlungswirksamkeit von
Kulturstandarts. In A. Thomas (Hrsg.), Psychologie interkulturellen Handelns (S. 107-135). Göttingen: Hogrefe.
3 Hofstede, G. (2001). Power Distance. In G. Hofstede (Hrsg.),
Culture‘s Consequences. Beverly Hills CA: Sage Publications.
4 Hofinger, G., Rek, U. & Strohschneider, S. (2006). Menschengemachte Umweltkatastrophen–Psychologische Hintergründe
am Beispiel von Tschernobyl. Umweltpsychologie, 1, 26-45.
5 Unfalluntersuchungsstelle der Republik Österreich (2006),
Flugunfall mit dem Motorflugzeug Type Airbus A310 am 12. Juli
2000 am Flughafen Wien-Schwechat.
6 Helmreich, R. L., Merritt, A. C. & Wilhelm, J. A. (1999). The
evolution of crew resource management training in commercial
aviation. The International Journal of Aviation Psychology, 9,
19-32.
19
Kommunikation
Es gab ein Kommunikationsproblem!
Wird Kommunikation unterschätzt?
Jeder kennt es: Jemand sagt etwas und es kommt eine unerwartete Reaktion zurück. Missverständnisse in der Kommunikation sind ein alltägliches Vorkommen in der Interaktion mit anderen Menschen. Es zeigt uns, dass Kommunikation nicht immer einfach ist. Besonders in kritischen Situationen, innerhalb von Hoch Risiko Organisationen,
kann fehlerhafte oder fehlende Kommunikation zu fatalen Folgen führen. Analysen zeigen, dass Kommunikation
fast immer als beitragender oder verursachender Faktor bei Unfällen identifiziert wird1,S. 132. So wird Kommunikation zum wichtigsten Werkzeug in einem Team. Aber wie funktioniert gute Kommunikation und wie kann man
gefährliche Zwischenfälle verhindern?
Was ist Kommunikation?
Kommunikation im allgemeinen
Sinne meint die Übertragung von
Informationen von einem/r Sender/in zu einem/r oder mehreren
Empfängern/innen. Die Voraussetzung dafür ist, dass eine Person
einer anderen etwas mitteilen oder
von dieser etwas wissen möchte.
Diese Informationen können auf
20
verschieden Ebenen gesendet und
verstanden werden.
Nach Schulz von Thun´s „Vier Seiten einer Nachricht“2 enthält eine
Nachricht vier Botschaften, welche
durch die vier Ebenen in ihrer Bedeutung determiniert werden.
Demnach beinhaltet eine Nachricht Informationen über die Sache
an sich, also den tatsächlichen Inhalt einer Nachricht, Informationen über die Beziehung zwischen
Sender/in und Empfänger/in,
Informationen über den/die Sender/in selbst und einen Appell an
den/die Empfänger/in. Das bedeutet aber auch, dass man sich über
diese vier Aspekte Gedanken machen sollte, bevor man eine Botschaft sendet:
Kommunikation
1. Was sage ich inhaltlich aus?
2. Wie behandele ich mein Gegenüber?
3. Welche Gefühle gebe ich kund?
4. Was soll mein Gegenüber denken oder tun?
Abbildung 1: Die vier Seiten einer Nachricht
Ein Beispiel aus dem Alltag2:
Die Frau sitzt am Steuer eines Wagens, der Mann (Beifahrer) ist Sender der folgenden Nachricht: „Da
vorne ist grün.“
Die möglichen Interpretationen
sind folgende:
1) Sachinhalt: Die Empfängerin erfährt etwas über den Zustand der
Ampel: Sie ist grün.
2) Beziehung: Der Sender traut der
Empfängerin nicht zu, ohne seine
Hilfe den Wagen optimal zu steuern.
3) Selbstoffenbarung: Der Sender
gibt etwas über sich selbst kund: Er
hat es eilig.
4) Appell: Der Sender fordert die
Empfängerin auf: Gib Gas, dann
schaffen wir es noch
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Da wir Menschen „unabhängige
Systeme“ sind, wie es Maturana,
Varela und Uribe bezeichnen3,
welche sozusagen ihre eigene Welt
und damit ein individuelles Wahrnehmen und Verstehen der Dinge besitzen, können Probleme in
wichtigen Situationen auftreten,
indem z.B. die Botschaften auf
einer falschen Ebene verstanden
werden.
Beispiel:
Der Chefarzt […] sagt zur Leiterin
des Vertrauensgremiums: „Dafür
habe ich keine Zeit“. Dabei tippt
er an einer E-mail weiter. Sie interpretiert das Verhalten, das sie
schon öfter erlebt hat, als Desinteresse und Arroganz; ein Vorwurf,
den der Chefarzt nicht versteht, da
er nichts Unhöfliches gesagt habe
und doch nur auf später verwiesen
habe1, S.136 .
Daher ist Eines unabdingbar: eine
gemeinsame Basis bzw. ein Hintergrundwissen, welches hilft die
Nachricht im richtigen Kontext zu
verstehen. Zusätzlich zu dem Wissen über die Arbeit eines Teammitgliedes kann auch ein privates
Gespräch oder auch Small Talk
dazu dienen Missverständnisse zu
vermeiden, dadurch dass man sein
Gegenüber besser kennenlernt „Hierdurch wird eine Brücke zwischen den Gesprächspartnern aufgebaut, die in späteren Konfliktsituationen genutzt werden kann“4,S.100.
Es schafft ein mentales Modell,
vergleichbar mit einem „Wörterbuch“, welches eine Arbeitsgruppe,
ein Team, miteinander teilt und auf
dieser Basis kommuniziert. Gesine
Hofinger beschreibt dieses als die
Konstruktion einer gemeinsamen
Realität1.
“Kommunikation findet zwischen
Menschen statt, die jeder ein subjektives Modell der Situation und
der anderen Person im Kopf haben. Solche mentalen Modelle
sind die Grundlage des Handelns.
Da jede Person für sich ihre eigene Realität konstruiert, kann kooperatives Handeln nur gelingen,
wenn die verschiedenen mentalen Modelle der Einzelnen miteinander abgeglichen werden.”1,S.138
Daher sieht Hofinger die gemeinsame Realitätskonstruktion als
zentrale Funktion von Kommunikation.
Auch nonverbale Kommunikation
kann funktionieren und in entsprechenden Situationen effektiv
eingesetzt werden, z.B. wenn man
in einer Notfallsituation schnell
handeln muss und keine Zeit für
längere Diskussionen hat. Allerdings weisen R. Zinke, M. Brenker
und C. Felsenreich5 darauf hin,
dass es unter Stress schwieriger
ist „die kognitiven Ressourcen darauf zu verwenden, Emotionen zu
verbergen oder jede unserer Gesten
zu kontrollieren.“. Das kann dazu
führen, dass die nonverbalen Signale, welche verstärkt die eigene,
innere Anspannung nach außen
tragen, fälschlicherweise als z.B.
einen Kontrollverlust interpretiert
und somit die weitere Kommu-
Abbildung 2: Brücken bauen hilft in späteren
Konfliktsituationen
21
Kommunikation
nikation und das darauf folgende
Handeln in unerwünschter Weise beeinflusst werden. In solchen
Notfallsituationen sollten alle wissen, wie wichtig es ist das Wissen,
das man für den Beruf erlernt hat,
immer wieder zu wiederholen, um
es nicht zu vergessen und anwenden zu können. Jeder Griff muss
sitzen, die Verständigung sollte
klar und deutlich sein und von
allen verstanden werden. In einer
Studie von Sexton und Helmreich
(1999)6, in welcher die Beziehung
von Sprache und Arbeitsbelastung
von Cockpit-Crews besonders in
Bezug auf die Kommunikation
und auf Leistungs- und Fehlermaße untersucht wurden, haben sie
z.B. gezeigt, dass die Länge von genutzten Wörtern einen Einfluss auf
die Arbeitsleistung hat. So kommen in der Arbeit bei der Verwendung von langen Wörtern mehr
Fehler auf als bei der Verwendung
von kurzen, prägnanten Wörtern.
Beispiele hierfür wären Problem/
Ziel anstelle von Herausforderung/
Zielsetzung zu verwenden, oder
denken anstelle von überlegen.
Funktionen von Kommunikation
Zusätzlich zur Informationsweitergabe und der gemeinsamen Realitätskonstruktion hat Kommunikation noch zwei weitere wichtige Funktionen. Kommunikation
dient auch der Strukturierung der
Zusammenarbeit und der Koordination von Arbeitsabläufen.
“Teams die sich implizit koordinieren können effektiver arbeiten, weil
Sie in der Situation weniger kommunizieren müssen.”1, S.138
Dies bestätigt ebenfalls die Studie von Sexton und Helmreich
22
Abbildung 3: v.l. Dr. med. Carsten Hermann, Dr. med. Sandra Buchmann und Dr. med. PeterMichael Hax
(1999)6. Daraus geht hervor, dass
gute Teams die „Ruhephasen“, also
die Phasen in denen die Arbeitsbelastung gering ist, nutzen, um Fragen und Antworten zu klären. Das
bewirkt, dass in stressbelasteten
Situationen weniger kommuniziert
werden muss und dementsprechend effizientere Zusammenarbeit auf Basis von impliziter Koordination in wichtigen Situationen
möglich ist. Dies entspricht der
Strukturierung und Koordination
der Arbeitsabläufe.
Man spricht sich ab, geht eventuell eine Checkliste durch und
plant die weiteren Vorgehensweisen. Dabei weiß jeder genau
was zu tun ist und welche Aufgaben jeder Einzelne erfüllen muss.
Auch in der Berufs-Genossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg
(BGU) werden alle darauf trainiert, wer was zu tun hat. D.h. jede
Rolle in einem Team ist standardisiert und hat einen festen Ablauf.
Zudem ist immer eine Führungsperson da, „die den Hut auf hat“.
Frau Dr. Buchmann, Unfallchirurgin auf der Intensivstation und
stellvertretende ärztliche Leitung
des
Hubschrauberstützpunktes,
erklärte uns das ABC Konzept,
nach welchem in der Unfallklinik
ein Notfall abgearbeitet und kommuniziert wird. Damit wird der
Unfallmechanismus
dargestellt,
so das sich Entscheidungsträger/
innen ein genaueres Bild vom Unfall machen können, “Wie ist es mit
dem Gefühl der Energie, die eingewirkt hat, welche Sturzhöhe, wie
schnell ist das Auto gefahren, wo
ist es gegen gefahren, eventuell mit
Fotos, wie stark ist der Wagen deformiert, um einfach ein Gefühl dafür
zu bekommen. Danach wird dann
nach dem ABC vorgegangen, also
Atmung, Kreislaufsituation, Neurologischer Status werden besprochen.
Es ist einfach den Standard abzuarbeiten. Was für Medikamente hat
der/die Patient/in bekommen, was
habe ich gemacht...”. Das vereinfacht die Kommunikation und den
Ablauf im Schockraum erheblich,
vor allem unter einem vertrauten Team, welches diese Abläufe
gemeinsam trainiert. Auch ein
„Team Time Out“, das ist die kurze Ruhephase, wird in der Klinik
genutzt, um noch einmal durchzuatmen und zu kommunizieren, ob
alles in Ordnung ist, bevor es aus
dem Schockraum herausgeht.
Kommunikation
alles. So eine Notfallversorgung
ist technisch relativ einfach. Das
Problem der Notfallversorgung ist
immer, dass Informationen an der
falschen Stelle hängen bleiben.“
Abbildung 4: Das ABC im Schockraum. Es dient auch der Gedächtnisstütze während eins Notfalls.
„Es gab ein Kommunikationsproblem“
Wie schon zu Beginn erwähnt zeigen Analysen, dass Kommunikation fast immer als beitragender
oder verursachender Faktor bei
Unfällen identifiziert wird1. So
auch im medizinischen Bereich.
Vor 15 Jahren wurde die Notwendigkeit von Kommunikationstraining von Personen in diesem Bereich eher gering eingeschätzt7.
“Kommunikationsseminare für den
OP? So ein Blödsinn!”7
Hofinger und Kollegen untersuchten in Ihrer Studie Kommunikation in kritischen Situationen unter
Pflegekräften und Chirurgen/innen im Anästhesiesimulator mit
dem Fokus auf der Analyse von
Problemlöseprozessen im sozialen
Kontext. Dabei hat sich herausgestellt, dass Anästhesisten/innen
mehr in einem Szenario sprechen
als Sie selber erwartet hatten.
7
“Im Mittelwert sind es 228 Äußerungen pro Person; bei einer Szenarienlänge von durchschnittlich
28 Minuten ergibt das 8,2 Äuße-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
rungen pro Minute. Bezüglich der
Redemenge gibt es in der Stichprobe keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen.”7,S.273
Allerdings haben Sie ebenfalls
ermittelt, dass Anästhesistinnen
besonders gegenüber aggressiv
agierenden „Chirurgen“ Probleme
hatten, sich sachlich und klar auszudrücken.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Kommunikationstrainings sehr wohl
einen Anlass haben stärker eingesetzt und geschätzt zu werden.
Dr. Hermann, leitender Arzt der
Intensivstation, der traumatologischen Intensivstation und Anästhesist von der BGU weiß genau,
dass gerade das Thema Kommunikation das A und O in der Notfallversorgung ist - und auch der
Schwachpunkt. Heute ist tatsächlich allen Mediziner/innen klar,
wie wichtig Kommunikation ist.
„Gerade das Thema Kommunikation ist nicht „Fishing for Compliments“, sondern es ist tatsächlich
allen Medizinern klar, dass das
der Schwachpunkt in der ganzen
Versorgung ist. Wir können das
Deswegen wird in einem Training
beispielsweise auch darauf geachtet, dass in zwei Richtungen kommuniziert wird, um möglichst zu
verhindern, dass eine Information
verloren geht. D.h. wenn der/die
Anästhesist/in sagt „Beide Lungen
belüftet“ dann sagt der Traumaleader „Alles klar, beide Lungen belüftet.“ „So wissen beide, dass diese Information angekommen ist”
erklärt uns Dr. Hermann. Dieses
Vorgehen nennt sich „read-back“
oder „Zwei Wege Kommunikation“ und kommt ursprünglich aus
der Luftfahrt. Dort ist es Standard
und trägt dazu bei, dass der/die
Sender/in einer Information überprüfen kann, was der/die Empfänger/in tatsächlich verstanden hat.
Sie kennen das wahrscheinlich
selbst aus Ihrem Alltag, wenn Sie
z.B. Ihre Freundin nach einer Telefonnummer fragen. Sie zücken Stift
und Papier, oder Ihr Smartphone,
und während Sie mitschreiben
wiederholen Sie direkt die gehörten Zahlen und übermitteln diese
so Ihrer Freundin zurück, mit dem
Ziel, dass diese Sie sofort verbessern würde, wenn Sie etwas anderes zurückspiegeln als das, was sie
Ihnen ursprünglich mitgeteilt hat.
In anderen Fällen wiederum muss
auch über Mut zur sachlichen
Kommunikation diskutiert werden. Nicht selten passieren Fehler,
weil man „zu viel“ Respekt vor einer ranghöheren Person hat oder
aber tatsächlich eingeschüchtert ist
und sich nicht traut seine Meinung
zu äußern, selbst wenn diese lebensnotwendig sein könnte. Ob es
23
Kommunikation
ein/e Krankenpfleger/in ist, ein/e
Copilot/in oder ein/e Rettungsassistent/in, sie alle sollten sich nicht
abschrecken lassen zu kommunizieren, denn auch wenn es nur eine
kleine Änderung der Anzeige in
einem Gerät ist, kann die Information wichtig sein und helfen Fehler
zu vermeiden.
Deshalb hat Kommunikationstraining auch in einem integrierten
Human-Factors-Trainings in der
Luftfahrt einen festen Platz. Es hat
vor allem „die Aufgabe, die zwischenmenschliche Basis für teamorientiertes Verhalten zu schaffen“ und „die gezielte Anwendung
eigener Verhaltensstärken bzw. die
Vermeidung ungünstiger Verhaltensweisen“ zu fördern.4, S.93
Wer also Kommunikation nicht in
sein Training eingebaut hat, sollte
wissen ein relevantes Thema unberücksichtigt gelassen zu haben.
Zur Vermeidung von Fehlern in
der Kommunikation führt H.-U.
Raulf 4,S.116/117 folgende wichtigen
Punkte für die Praxis auf:
• Immer klar und deutlich sprechen (Artikulation und Inhalt)
• Stets ein wenig lauter sprechen,
als man es für angemessen hält.
• Darauf achten, dass man richtig
verstanden hat, und man von dem/
der Kollegen/in richtig verstanden
wird. Deshalb:
Abbildung 5: Kommunikation im Kontext einer Vielfalt von Faktoren5
• Blickkontakt halten, wann immer
es ohne eine Ablenkung möglich
ist.
• Aufmerksam zuhören.
• Mitteilungen der Kollegen/innen
durch ein verbales oder nonverbales Zeichen bestätigen (Zwei Wege
Kommunikation)
• Ist irgendetwas unklar oder ist
man mit irgendetwas nicht einverstanden, so soll es sofort angesprochen werden.
• Unklarheiten müssen sofort und
im Ansatz (auch und gerade wenn
Sie selbst noch „neu“ sind) geklärt
werden.
• Konflikte sollen so schnell und
so angemessen wie möglich gelöst
werden. Nicht zu bereinigende
Konflikte sind eine schwere Sicherheitsbedrohung.
Abbildung 6: Notfall-Puppe der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg GmbH, direkt
nach dem Reanimationstraining.
24
Was ist also gute Kommunikation und wie lassen sich Fehler vermeiden?
Mehrere Faktoren beeinflussen
„gute Kommunikation“. Dementsprechend ist gute Kommunikation nicht einfach zu definieren. Je
nach Situation kann Kommunikation ganz anders aussehen.
“Kommunikation heißt, das eigene
Denken und Handeln in eine Beziehung zu anderen Personen zu bringen.”1, S.133
Zumindest ist eines klar: Es geht
darum etwas Wichtiges mitzuteilen und die Information in den
richtigen Zusammenhang zu bringen, um dementsprechend handeln zu können.
In komplexen Arbeitsfeldern kann
eine Aussage Leben oder Tod bedeuten. Darum wird dort besonders hoher Wert auf das Training
der Kommunikation und weiterer
Fertigkeiten wie z.B. der Beherrschung der Standard Operating
Procedures (SOP) gelegt, die für
Teamabläufe entscheidend sind.
In der Luftfahrt sind solche Trainings sogar verpflichtend. Im Verlauf dieser Zeitschrift werden wir
besonders auf das Crew Resource
Kommunikation
Management Training eingehen
(siehe hierzu den Artikel: „Crew
Resource Management – Wenn
Teamtraining helfen kann, Leben
zu schützen“ auf S. 54), in welchem
das Training der Kommunikation
einen hohen Stellenwert einnimmt.
Aber auch anhand der Medizin
lässt sich gut erkennen, wie versucht wird Fehler zu vermeiden.
Ein zentraler Punkt zur Fehlervermeidung ist, dass eine Person
als Führungsperson interagiert,
weiß Dr. Hax, leitender Oberarzt
und stellvertretender ärztlicher
Direktor an der BGU. „Also was
ganz wichtig ist, ist dass da wirklich einer die Regie führt und darauf achtet, dass alles richtig läuft“.
Auch ist eine gute Kommunikation entscheidend. So rufen sich die
Ärzte/innen gegenseitig Sachen zu,
wie „Brustkorb stabil“, damit alle
um die aktuelle Situation Bescheid
wissen. Diese beiden Punkte, also
die Präsenz einer Führungsperson
und die richtige Kommunikation sind im Bereich des Rettungsdienstes streng geregelt. So erklärt
Dr. Hax’s Kollege Dr. Hermann:
„Die Notärzte haben ärztliche Leiter Rettungsdienst, die alle erfahrene Notärzte sind, aber in der Notsituation überhaupt keine Aufgabe
in der direkten Patientenversorgung
haben, die ziehen sich gar keine
Handschuhe an. Die versorgen gar
keine Patienten, sondern die sind
nur dafür da, zu kommunizieren.“
Auch das regelmäßige Training
in Simulatoren ist entscheidend.
So erklärt Dr. Hermann, dass die
Ärzte/innen in einem bestimmten
Simulator, HOTT (Hand-OverTeam-Training) genannt, an einer
Puppe trainieren. Simulatoren sind
natürlich eine Möglichkeit zu lernen mit Stress umzugehen. In der
Praxis hat man dann, je nach Erfahrungsgrad verschiedene Auf-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
gabenfelder: „Der Traumaleader
ist in der Regel der Erfahrenste im
Schockraum, der Oberarzt meistens. Und dann gibt es halt die einfacheren Aufgaben wie Dokumentation oder jemanden, der einfach nur
die Aufgabe hat, Blut abzunehmen.
Das sind in der Regel die jüngeren
Kollegen/innen, die noch nicht so
lange im Beruf sind. Das sind dann
Aufgaben, die mit weniger Stress
behaftet sind, weil auch weniger
Verantwortung damit behaftet ist“,
erklärt Dr. Buchmann.
Zusammenfassend kann man also
am Beispiel der Medizin sagen,
dass es heutzutage klare Aufgabenverteilungen gibt, damit jeder
weiß, was er wann zu tun hat. Alles
Relevante muss stets kommuniziert werden, damit jeder über den
aktuellen Stand Bescheid weiß und
sich daraus seine eigenen Handlungen ableiten kann.
Dies gilt natürlich nicht nur für die
Medizin, sondern lässt sich auf alle
Hochrisikobereiche übertragen.
1 Hofinger, G. (2008). Kommunikation. In P. Badke-Schaub,
G. Hofinger & K. Lauche (Hrsg.), Human Factors: Psychologie
sicheren Handelns in Risikobranchen (1. Aufl., S. 131-151). Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
2 Schulz von Thun, F. (2007). Miteinander reden: Störungen und
Klärungen – Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Hamburg: Rowohlt.
3 Varela, F. G., Maturana, H. R. & Uribe, R. (1974). Autopoiesis:
the organization of living systems, its characterization and a model. Biosystems, 5(4), 187-196.
4 Raulf, H.-U. (2011). Kommunikation. In J. Scheiderer & H.-J.
Ebermann (Hrsg.), Human Factors im Cockpit: Praxis sicheren
Handelns für Piloten (1. Aufl., S.91-117). Berlin, Heidelberg:
Springer.
5 Zinke, R., Brenker, M. & Felsenreich, C. (2012). In G. Hofinger (Hrsg.), Kommunikation in kritischen Situationen (2. Aufl., S.
213). Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft.
6 Sexton, J.B. & Helmreich, R.L. (1999). Analyzing cockpit communication: The links between language, performance, error,
and workload. Proceedings of the Tenth International Symposium
on Aviation Psychology (S. 689-695). Columbus, OH: The Ohio
State University.
7 Hofinger, G., Harms, H., Siegl, C., Grapengeter, M. & Breuer, G. (2003). Handlungsorganisation und Kommunikation in
kritischen Situationen im Anästhesiesimulator. In T. Manser
(Hrsg.), Komplexes Handeln in der Anästhesie (S. 261-283). Lengerich: Pabst Verlag.
8 Hofinger, G. (Hrsg). (2012). Kommunikation in kritischen Si-
Und was lernen wir daraus?
Gute Kommunikation muss gelernt sein.
.
tuationen. (2. Aufl.). Frankfurt: Verlag für Polizeiwissenschaft
Katharina Sobanski
25
Swiss Cheese Modell
Alles Käse ohne Teamwork
Was hat Schweizer Käse mit Tschernobyl, Flugzeugabstürzen und sonstigen Katastrophen gemeinsam? Auf
den ersten Blick nicht viel, mag man
meinen.
Und doch liegt im Schweizer Käse
der Schlüssel zu den Ursachen großer Katastrophen. Natürlich ist hier
nicht direkt von dem geruchsintensiven Milchprodukt die Rede. Vielmehr geht es um das Swiss Cheese
Modell von Reason (1990).
Was ist das Swiss Cheese Modell?
Das Swiss Cheese Modell ist eine
Darstellung mit welcher versucht
wird Fehler aufgrund menschlichen Versagens zu erklären1.
Stellen Sie sich ein schönes großes
Stück Schweizer Käse vor. In dem
Käse haben sich aufgrund sich
ausbreitender Gase im Reifungsprozess Löcher gebildet. Wird der
26
Käse nun in Scheiben geschnitten
sieht man, dass die Löcher über
mehrere Scheiben hinweg gehen.
Jetzt mögen Sie womöglich Appetit auf Käse haben, doch was das
Swiss Cheese Modell ist, ist an dieser Stelle sicherlich noch nicht klar.
Stellen Sie sich nun einmal vor,
jede Scheibe des Käses wäre eine
Sicherheitsebene, sei es nun bei
der Feuerwehr, in der Luftfahrt
oder in der Medizin. Die Löcher
stellen also Schwachstellen im
System dar. Diese Schwachstellen
können natürlich, wenn sie klein
sind, wieder abgefangen werden,
doch wenn wir Pech haben, zieht
sich ein Loch durch alle Scheiben.
Eine Schwachstelle, die sich durch
sämtliche Sicherheitsebenen zieht
führt im schlimmsten Fall zu einem Unfall, oder sogar zu einer
Katastrophe.
Wie das in der Praxis verlaufen
kann, lässt sich gut am Beispiel
Tschernobyl verdeutlichen.
Abbildung 1: Große Fehler führen zur Katastrophe
Das Versagen von Tschernobyl
1. Käsescheibe: Testung vor Inbetriebnahme
Das erste Loch der Käsescheibe im
Fall Tschernobyl entstand schon
Jahre vor der Katastrophe. Bevor
man den Reaktor im Dezember
Swiss Cheese Modell
1983 überhaupt in Betrieb genommen hat, sollte dessen Stromversorgung getestet werden. Aus Zeitgründen kam es jedoch nicht dazu.
Die erste Käse-Scheibe ist somit
also das obligatorische Testen vor
der Inbetriebnahme und das Loch
ist die fehlende Testung vor dem
Einsatz des Reaktors.
Tatsächlich wurde das Loch sogar
erkannt und so sollte der versäumte Test drei Jahre nach der Inbetriebnahme des Reaktors, genauer
gesagt am 25. April 1986, nachgeholt werden.
2. Käsescheibe: Wahl des Zeitpunkts zum Testen
Die zweite Käsescheibe bzw. ihr
Loch mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken und doch nahm
hier das Unheil seinen Lauf. Es
geht um die Auswahl des Zeitpunkts, wann der Test ausgeführt
werden sollte, also besagter 25. April 1986. Einerseits herrschte in den
sowjetischen Betrieben gegen Monatsende stets Hochkonjunktur, da
zahlreiche Menschen Überstunden
machen mussten, damit der Monatsplan der jeweiligen Unternehmen erfüllt werden konnte. Außerdem war es kurz vor den damals in
der Sowjetunion so wichtigen Maifeiertagen, für die sich viele Leute
mit noch mehr Überstunden ein
kleines Feiertagsgeld hinzu verdienen wollten.
Gerade zu dieser Zeit wurde also
viel Leistung von den Kraftwerken
des Landes verlangt, um den Strom
für die Arbeiter und Maschinen
in den zahlreichen Unternehmen
aufrecht zu erhalten. Das Loch
in dieser Käsescheibe ist also die
Nichtbeachtung der Rahmenbedingungen bei der Terminwahl.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
3. Käsescheibe: Korrekte Wieder-Inbetriebnahme des Reaktors
4. Käsescheibe: Richtiges Handeln bei einer Xenonvergiftung
Aufgrund des hohen Energiebedarfs fordert Kiew bereits um 14:00
Uhr, eine Stunde nach Beginn des
Tests, mehr Leistung aus Tschernobyl. Das eigentlich für den Test
geplante herunterfahren des Reaktors wird angehalten und die Leistung des Reaktors sollte vorerst
bei 50% bleiben2. Dabei haben die
zuständigen Personen etwas Entscheidendes außer Acht gelassen,
denn die 50%-Marke ist bei Reaktoren ein durchaus kritischer Wert.
Verweilt ein Kernreaktor mehrere
Stunden bei einer Leistung von ca.
50%, steigt die Wahrscheinlichkeit
einer Xenonvergiftung. Xenon entsteht bei der Kernspaltung, es ist
also ein radioaktives Spaltprodukt.
Vor allem bei Leistungsänderungen im Reaktor steigt die Xenonkonzentration. Kommt es zu einer
Xenonvergiftung, ist ein Wiederhochfahren des Reaktors für mehrere Stunden kaum noch möglich.
Dies ist ein allgemeines Problem
bei vielen Kernreaktoren, auch
wenn es da von Typ zu Typ Unterschiede bezüglich der Anfälligkeit
für eine solche Xenonvergiftung
geben kann3. Eben dies ist auch in
Tschernobyl passiert.
Erneut wurde eine falsche Entscheidung getroffen, diesmal bezüglich der Behebung der Xenonvergiftung: Zur Regulation werden Bremsstäbe aus dem Reaktor
entfernt, jedoch wurden deutlich
mehr entfernt, als überhaupt zulässig war.
Dies führt uns zu der nächsten
Käsescheibe: Das richtige Handeln bei einer Xenonvergiftung.
Das Loch ist dementsprechend die
Entfernung von zu vielen Bremsstäben.
Erst in der Nacht kann der Reaktor vom Netz genommen und der
geplante Test fortgesetzt werden.
Der Reaktor wird weiter heruntergefahren und das Notkühlsystem
wird ausgeschaltet.
Dementsprechend ist die nächste
Käsescheibe die korrekte erneute
Inbetriebnahme des Reaktors und
das Loch die falsche Entscheidung
die Leistung bei 50% zu belassen.
Tatsächlich hätte auch dieser Fehler noch behoben werden können.
Mithilfe der sogenannten Bremsoder Steuerstäbe kann die Xenonkonzentration wieder ausgeglichen
und der Reaktor stabilisiert werden3.
5. Käsescheibe: Kommunikation
zwischen den Mitarbeitern
Als es um Mitternacht zum
Schichtwechsel bei den Operateuren kommt, werden die neuen
Operateure von den vorherigen
nicht richtig über den Zustand des
Reaktors aufgeklärt.
Daraus ergibt sich die nächste Käsescheibe: Die richtige Kommunikation zwischen den Mitarbeitern
der unterschiedlichen Schichten,
wobei die unzureichende Kommunikation das Loch darstellt.
6. Käsescheibe: Vermeidung zu
langer Arbeitszeiten
Doch auch bei den zuständigen
Ingenieuren, die für den Reaktor
zuständig sind, gibt es Probleme.
Aufgrund der Verzögerung des
Tests waren die Ingenieure um
27
Swiss Cheese Modell
Mitternacht bereits seit 12 Stunden
am Arbeitsplatz. Obwohl sie bereits übermüdet waren, gab es für
die Ingenieure keine Ablösung, sie
mussten weiter arbeiten.
Die nächste Käsescheibe ist demnach die Vermeidung zu langer
Arbeitszeiten und das Loch die
lange Arbeitsdauer der Ingenieure.
von Seiten der Operatoren, den
Test fortzusetzen.
Die Käsescheibe ist also der rechtzeitige Abbruch des Tests und das
Loch schlichtweg dessen Fortsetzung.
7. Käsescheibe: Ausreichende
zeitliche Planung
Aufgrund der Fortsetzung des
Tests werden alle 8 Pumpen dem
Reaktor zugeschaltet, um die Kühlung im Kern zu unterstützen, wobei selbst bei voller Leistung nur 6
Pumpen erlaubt sind. Dies hat zur
Folge, dass sich automatisch noch
mehr Bremsstäbe aus dem Kern
entfernen, was zu einem starken
Druckabfall führt, welcher normalerweise von dem automatischen
Sicherheitssystem
ausgeglichen
werden würde, jedoch ist dieses
aufgrund des Tests ausgeschaltet.
Die nächste Käsescheibe ist also
die technisch korrekte Fortführung
des Tests und das Loch die falsche
Entscheidung zu viele Pumpen zuzuschalten.
Da der Test nun schon seit dem
Mittag des vorherigen Tages andauerte, beschloss man Zeit zu
sparen. Man schaltete die Auto-Steuerung zum Herunterfahren
des Reaktors ab und führte das
Herunterfahren manuell durch, da
dies schneller geht und man sich
somit erhoffte Zeit sparen zu können. Bei der manuellen Steuerung
wurde jedoch ein Fehler gemacht
und die Leistung fiel auf 1% ab.
Die nächste Käsescheibe baut
demnach unmittelbar auf den vorherigen Scheiben auf. Sie dient der
ausreichenden zeitlichen Planung.
Das Loch ist dabei die lange Herauszögerung des Tests, was zur falschen Entscheidung bezüglich des
Zeitmanagements geführt hat.
8. Käsescheibe: Rechtzeitiger Abbruch des Tests im Ernstfall
Eine knappe Stunde später, es war
bereits 1 Uhr morgens, konnte
man die Leistung auf 7% steigern.
Normalerweise hätte man unter
solchen Umständen den Test sofort
abbrechen müssen, da alles unter
20% an Leistung als höchst instabil
gilt. Eine Weiterführung des Tests
wurde unter diesen Umständen sogar untersagt, jedoch beschloss der
leitende Ingenieur, trotz Einwände
28
9. Käsescheibe: Technisch korrekte Fortführung des Tests
10. Käsescheibe: Richtiges Handeln bei fallendem Dampfdruck
Im Reaktor muss stets ein gewisser Dampfdruck vorhanden sein,
um die Turbine am laufen zu halten. Aufgrund des Druckabfalls
wird beschlossen die Durchlaufmenge des Wassers zu erhöhen.
Diese Entscheidung ist jedoch erneut falsch, da dadurch der Reaktor weiter abkühlt, was wiederum
dazu führt, dass der Dampfdruck
fällt. Als Reaktion darauf werden
weitere Bremsstäbe entfernt und
die Vorrichtung, die bei fallendem
Dampfdruck den Reaktor stoppt,
wird ausgeschaltet. Dies darf nor-
malerweise nur nach Absprache
mit dem Chefingenieur passieren,
welche es in dem Fall aber nie gab.
Diese Käsescheibe ist also das
richtige Handeln bei fallendem
Dampfdruck und das Loch ist das
falsche Handeln und die zusätzliche Nichteinhaltung der Vorschriften.
11. Käsescheibe: Konstruktion
des Reaktors
Mittlerweile sah es bereits sehr
schlecht aus um den Reaktor. Zu
viele Bremsstäbe wurden entfernt,
zu viele Pumpen mit zu viel Wasser hinzugefügt und die meisten
Sicherheitsvorrichtungen wurden
systematisch ausgeschaltet. Als
schließlich gegen 1:20 Uhr eines
der Dampfrohre geschlossen und
somit die letzte Sicherheitsvorrichtung deaktiviert wird, fangen kurz
darauf sämtliche Anzeigen der Sicherheitssysteme wie wild zu blinken an. Bei einem letzten Versuch
die Situation zu retten, war es die
Art der Konstruktion des Reaktors,
die letztendlich zur Katastrophe
führte: Die Bremsstäbe sollten in
den Kern einfahren, jedoch werden
dafür ganze 20 Sekunden benötigt.
Viel zu lange, um die Situation
noch retten zu können. Durch die
starke Hitzeentwicklung waren die
Führungskanäle der Stäbe jedoch
innerhalb dieser Zeit verbogen
und die Bremsstäbe konnten nicht
mehr weiter eingefahren werden4.
Die letzte Käsescheibe ist also die
Konstruktion der Reaktoren und
das Loch die lange Zeit zum Einfahren der Bremsstäbe.
Am 26.04.1986 um 01:24 Uhr explodierte der Reaktor, was zur bis
dato größten nuklearen Katastrophe führte.
Swiss Cheese Modell
Regelmäßiges Training und Schulungen für die Mitarbeiter/innen
sind unerlässlich. Daher gibt es
spezielle Simulatoren, an denen
Worst-Case-Szenarios
trainiert
werden können.
Wie das in der Praxis tatsächlich
aussieht und einen ausführlicheren
Artikel hierzu finden Sie auf Seite
68.
Nathalie Dittrich
Foto: David Osburg
Was bedeutet das für die Praxis?
Kurze Zusammenfassung der Ereignisse von Tschernobyl:
25. April 1986
13:00 Uhr: Beginn des Tests
14:00 Uhr: Forderung nach mehr Leistung aus Kiew.
Test wird unterbrochen. Und die Leistung des Reaktors
auf 50% gehalten, was zu einer Xenonvergiftung führt,
weswegen unzulässig viele Bremsstäbe entfernt werden
23:10 Uhr: Test wird fortgesetzt. Reaktor wird weiter
herunter gefahren und das Notkühlsystem wird ausgeschaltet
1 Fahlbruch, B., Schöbel, M. & Domeinski, J. (2008). Sicherheit.
In G. Hofinger, , P. Badke-Schaub & K. Lauche (Hrsg.), Human
Factors – Psychologie sicheren Handelns (S.29ff.). Heidelberg:
Springer Medizin Verlag.
2 Hofinger, G., Reck, U. & Strohschneider, S. (2006). Menschengemachte Umweltkatastrophen – Psychologische Hintergründe
am Beispiel Tschernobyl. Umweltpsychologie, 10, 26-45.
3 Renneberg, W. (2011). Grenzen und Sicherheitsrisiken des
Lastfolgebetriebs von Kernkraftwerken. Studie. Bonn: Renneberg
Consult UG
4 Hofinger, G., Reck, U. & Strohschneider, S. (2006). Menschengemachte Umweltkatastrophen – Psychologische Hintergründe
26. April 1986
00:00 Uhr: Schichtwechsel bei den Operateuren. Die
Ingenieure arbeiten weiter
00:30 Uhr: Abschalten der Auto-Steuerung und Fortsetzen des Prozesses per Hand. Es kommt zu einer
Übersteuerung des Reaktorsystems. Die Leistung sinkt
auf 1%
01:00 Uhr: Leistung steigt auf 7%. Der Test wird fortgesetzt und alle 8 Pumpen werden zugeschaltet. Wegen
der Abkühlung entfernen sich automatisch noch mehr
Bremsstäbe. Der Dampfdruck fällt, worauf die Durchlaufmenge des Wassers erhöht wird. Weitere Bremsstäbe werden entfernt und die Sicherheitsvorrichtung für
eben diese Situation ausgeschaltet.
01:20 Uhr: Schließung der Dampfrohre und somit Deaktivierung des letzten Sicherheitssystems. Bremsstäbe
können aufgrund eines Konstruktionsmerkmals nicht
mehr eingefahren werden.
01:24 Uhr: Explosion des Reaktors
am Beispiel Tschernobyl. Umweltpsycholog, 10, 26-45.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
29
Kommunikationstest
Check UP – Haben Sie das Zeug zu einem
Dream Team?
Kommunikation ist ein wichtiger Aspekt in Sachen Teamwork. Damit alles reibungslos klappt müssen einige
Punkte sitzen.
Damit Sie herausfinden, ob ihr Team das Zeug zu einem Dream Team hat, kreuzen Sie einfach Ja oder Nein
an und zählen Sie die Punkte zusammen, die Sie auf S. 100 als Lösung finden.
Ja
01
Nein
Mich interessiert, was meine Teamkollegen/innen
in ihrer Freizeit unternehmen.
2 Ich habe immer recht.
3 Ich benutze kurze und prägnante Wörter.
Wenn mich jemand kritisiert, könnte ich Wände
4
hochklettern.
5
Das Team ist im Einsatz immer up to date.
In ruhigeren Phasen der Arbeit nutzen wir die
6
Zeit, um Fragen und Antworten zu klären.
07
8
09
10
11
12
13
14
15
In Stresssituationen kommuniziere ich lieber mit
einem Kopfnicken.
Wenn ich etwas nicht weiß, frage ich direkt nach.
Wenn einer das Sagen hat, darf man ihm nicht
widersprechen.
Wenn mir ein Gedanke durch den Kopf geht,
behalte ich ihn lieber für mich.
Wenn mir Abweichungen und/oder Änderungen
auffallen, mache ich mein Team direkt darauf
aufmerksam.
Kommunikationstraining? Das brauche ich
nicht.
Auch wenn ich bei etwas sicher bin, nehme ich
die Anmerkungen der Anderen ernst.
Ich mag es nicht, wenn man meinen Ablauf stört.
Ich arbeite lieber nach dem Standard eins nach
dem anderen ab. Was Andere sagen ist mir egal.
Wenn ich eine wichtige neue Information erhalte
wiederhole ich diese laut, damit ich mir sicher
bin, dass ich es richtig verstanden habe.
Auswertung:
0-5: Kommunikationstraining scheint für ihr Team eher ein Fremdwort zu sein. Dabei könnte das Team dieses sicherlich
gut gebrauchen. Suchen Sie sich einen Tag, an dem Sie mit ihrem Team z.B. mal eine Nachbesprechung oder ein Debriefing
abhalten und versuchen Sie doch schon einmal kleine Pausen zu nutzen, um sich auszutauschen.
5-10: Die Kommunikation in Ihrem Team funktioniert ja schon ganz gut. Aber noch etwas Training kann sicherlich nicht
schaden.
10-15: TOP, die Kommunikation befindet sich bei Ihnen im Team auf einem hohen Niveau. Weiter so!
30
Comic
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
31
Geteilte mentale Modelle
Siehst du das denn genauso?
Wie wichtig es ist, ein gemeinsames Verständnis von etwas zu haben – Die Bedeutung
von geteilten mentalen Modellen.
Wie wichtig es ist in Ausnahmesituationen miteinander zu sprechen,
ist uns vielleicht noch bewusst. Bei
Teamarbeit geht es jedoch oft über
die reine Kommunikation hinaus.
Unerlässlich ist es dann, gemeinsame mentale Modelle zu entwickeln
und zu teilen. Diese stärken die Koordination, Kommunikation und
Leistungsfähigkeit des gesamten
Teams.
Was nehmen Sie gerade wahr?
Was denken Sie über die Person,
die vielleicht gerade neben Ihnen
sitzt? Wenn Sie sich darüber Gedanken machen, sind wir schon
beim Thema mentale Modelle. Jeder von uns besitzt solche Modelle.
Sie legen fest, wie wir die Situation
32
oder eine andere Person verstehen.
Das hilft uns dabei, unsere Umwelt
besser einzuordnen und zwischen
einem Normalfall und einer Ausnahmesituation zu unterschieden.
Sie bilden also eine Grundlage unseres Handelns1.
In der Teamarbeit können unterschiedliche mentale Modelle einzelner Teammitglieder allerdings
Probleme bereiten. Deswegen sollte man versuchen, „geteilte mentale Modelle“ zu entwickeln.
Diese Modelle beziehen sich nicht
nur auf das Verständnis, inwiefern
sich die Umwelt verändert. Sie dienen auch dazu, ein gemeinsames
Ziel für das ganze Team zu entwickeln, inklusive der dazugehörigen
Strategien, wie dieses zu erreichen
ist. Damit ist sichergestellt, dass
nicht jedes Teammitglied ein unterschiedliches Ziel verfolgt oder
die Mittel und Wege variieren. Veränderungen in der Umwelt dürfen
nicht dazu führen, das Ziel aus den
Augen zu verlieren.
Durch Training oder auch regelmäßige Nachbesprechungen von
Einsätzen oder Ähnlichem versuchen die Teammitglieder ihre
mentalen Modelle einander anzupassen. Sie lernen, wie wichtig es
ist, miteinander zu kommunizieren. Es kommt jedoch nicht darauf
an, einfach möglichst viel zu reden.
Der Inhalt des Gesagten muss für
die Erfüllung der Aufgabe relevant sein2. Die geteilten mentalen
Geteilte mentale Modelle
Modelle beziehen sich nicht nur
auf grundlegende Aufgaben, sondern auch auf das Handeln in besonderen Situationen. Das geteilte
mentale Modell im Team bildet die
Grundlage für ein gemeinsames
Vorgehen und Planen1. Es sollte
jedem klar sein, wie die Aufgaben
verteilt sind und wie wichtig sie
für das Ziel des Teams sind. Jedes
Teammitglied sollte wissen, was
die anderen Mitglieder für ihre
Aufgaben benötigen. Diese Möglichkeit der impliziten Koordination erhöht die Leistung des Teams.
Wir unterschieden zwischen Aufgaben- und Teambezogenen mentalen Modellen3. Ein Aufgabenbezogenes mentales Modell umfasst
beispielsweise das Wissen des Feuerwehrpersonals, ob ein Brand besser mit Wasser oder Löschschaum
bekämpft wird. Es beinhaltet also
das Wissen, welche Materialien ich
benötige und wie ich sie nutze3. Ein
Teambezogenes mentales Modell
ist auf die Rollen und Fertigkeiten
der einzelnen Teammitglieder bezogen und wie diese interagieren3.
Das Feuerwehrpersonal weiß, wer
am Löschschlauch steht, wer mit
Atemschutzgerät ins Haus geht
oder wer die Hubarbeitsbühne bedient.
Wie entsteht ein mentales Modell
Mentale Modelle entstehen aufgrund von Erfahrungen oder dem,
was mir jemand erzählt1. Jeder
hat dabei unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Deswegen ist es
selten, dass mentale Modelle voll
übereinstimmen1. Jede Person erschafft sich eine eigene Realität.
Teams arbeiten effektiver, wenn
die Teammitglieder ihre mentalen Modelle teilen. Nur wenn die
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Teammitglieder das eigene Wissen und die Annahmen über eine
Situation untereinander teilen,
kann eine gemeinsame Realität
errichtet werden1. Ähnliche und
untereinander passende Modelle
zu entwickeln ist das Ziel effektiver
Teamarbeit. Dann spricht man von
einem geteilten mentalen Modell.
Werden die Modelle nicht abgeglichen, kommt es leicht zu Missverständnissen. Schnell gerät das
gemeinsame Ziel außer Sicht oder
jeder verfolgt eigene Lösungsansätze. Die Teammitglieder arbeiten
also aneinander vorbei oder im
schlimmsten Fall gegeneinander,
z.B. wenn ein/e Pilot/in manuell
landen möchte, sein/e Co-Pilot/in
aber noch den Bordcomputer programmiert.
Um geteilte mentale Modelle zu
entwickeln, können verschiedene Trainingsmethoden genutzt
werden. Am Häufigsten werden
Cross-Training,
Interpositional
Knowledge Training und Simulatortraining angewandt. (Weitere
Informationen zu Trainingsmethoden können Sie im Artikel
„Teamtraining? Ja! Aber richtig!“
auf S.36 finden.)
Das Cross-Training wird als „Strategie, in der jedes Teammitglied in
den Aufgaben seines/r Teamkollegen/in trainiert“4,S.87 definiert. Dadurch soll die Zusammenarbeit des
Teams in den Bereichen Kommunikation und Koordination verbessert werden5. Beim Cross-Training
erledigt jedes Teammitglied den
Job eines anderen Mitglieds. Beispielsweise wird eine Brandschutzübung durchgeführt, in welcher
der Gruppenführer die Rolle des
Maschinisten einnimmt5. So erlebt
jedes Teammitglied die Anforderungen seiner Partner am eigenen
Leib und entwickelt ein besseres
Verständnis dafür6.
Interpositional Knowledge Training hat das Ziel, ein besseres
Verständnis für die Aufgaben der
anderen Teammitglieder zu entwickeln7. Dabei kann es sich z.B. um
die Schulung einer Flugzeugcrew
handeln, in der die Aufgaben eines jeden Mitglieds (z.B. Cockpit
vs. Kabinenbesatzung) besprochen
werden. Es geht dabei nicht darum, das Teammitglied ersetzen
zu können, sondern ein Verständnis für die Aufgabe zu entwickeln,
also „Was braucht mein/e Kollege/
in? Wie kann ich ihn/sie unterstützen?“. Durch dieses Wissen kann
im Ernstfall schneller reagiert werden, da weniger direkte Kommunikation notwendig ist6.
Simulatortraining ist die Simulation einer bestimmten Situation in
einer künstlichen Umgebung8. Für
eine Flugzeug-Crew wäre dies beispielsweise ein plötzlicher Druckabfall in der Kabine. Das Verhalten
während des Notfalls wird dann
innerhalb des Simulators geübt.
Dabei wird viel gesprochen. Nicht
nur in der Luftfahrt, auch in der
Medizin, ermöglicht „Lautes Verbalisieren“ seiner Gedanken, allen
Teammitgliedern genau zu verstehen, warum z.B. der oder die Chirurg/in einen bestimmten Handgriff durchgeführt und welche
Handlungen der Teammitglieder
sich anschließen. Dies verrieten
uns die Mediziner, mit welchen
wir im Artikel „Es gab ein Kommunikationsproblem! Wird Kommunikation unterschätzt?“ auf Seite 20
sprachen. Im Anschluss wird das
Verhalten bei einer Nachbesprechung zusammen mit der Crew/
dem Team betrachtet, dies wird
Debriefing genannt. Im Debriefing
33
Geteilte mentale Modelle
erklärt jede/r Teilnehmer/in sein/
ihr Verhalten im Simulator. Dabei
stehen vor allem Fragen wie „Was
habe ich dabei gedacht?“ oder
„Warum habe ich was getan?“ im
Vordergrund. Simulatortraining
dient dazu, bestimmte Verhaltensweisen, Regeln oder Fertigkeiten
zu erlernen8. Durch wiederholtes
Training festigen sich diese Verhaltensweisen und verbessert sich die
Kommunikation, was zu effektiveren geteilten mentalen Modellen
führt8.
Mentale Modelle im Team
Gemeinsame mentale Modelle
sind in der Teamarbeit besonders
wichtig. Sie dienen zur Regelung
des Teamworks in verschiedensten
Situationen. Das können z.B. die
grundlegenden Routineaufgaben,
wie das Verhalten der Crew während dem Servieren der Speisen
an Bord sein, aber auch die Koordination des Teams in Notfallund Ausnahmesituationen, wie
eine Notlandung wegen zu wenig
Treibstoff. Dabei passt das Team
sein mentales Modell stets der aktuellen Situation an9. Ändert sich
die Situation von einer Routine- in
eine Notfallsituation wird das entsprechende mentale Modell „herangezogen“.
Im Spezifischen unterscheiden
wir zwischen Aufgabenmodellen,
Interaktionsmodellen, Equipmentmodellen und Teambezogenen
Modellen1.
Die Aufgabenmodelle beschäftigen
sich mit der Entwicklung von Lösungswegen. Sie setzen sich mit
den besonderen Umständen in
der Umgebung auseinander, beispielsweise im Flugzeug wie stark
34
der Wind ist, oder wie schlecht die
Sicht. Das Interaktionsmodell regelt
den Ablauf von Kommunikation
und Koordination. Es bestimmt
wie zum Beispiel ein/e Polizist/in
vorgeht, wenn der Funk ausfällt.
Bei den Equipmentmodellen müssen die Teammitglieder wissen,
welches Material oder welche Ausrüstung sie brauchen. Sie kennen
die Schwachstellen oder Grenzen.
Das Feuerwehrpersonal weiß z.B.
bis zu welcher Höhe die Leiter des
Einsatzwagens geht. Das Teambezogene Modell beinhaltet das
Wissen darüber, wie die Aufgaben
verteilt sind. Wer im Einsatz meine Situation kennt oder mir helfen
kann. Um im Team ein gemeinsames mentales Modell aufzubauen,
müssen alle vier Bereiche miteinander abgeglichen werden. Nur
dieser Abgleich garantiert eine
erfolgreiche Zusammenarbeit im
späteren Einsatz1.
Wie wichtig gemeinsame mentale
Modelle sind zeigte Waller (2004)
von der Tulane Universität in New
Orleans. Werden Flug-Crews im
Umgang mit den Maschinen ausgebildet, erhalten sie ein gutes Verständnis von der Technik. Sie wissen, wie sie sich in Situationen, wie
z.B. Triebwerksausfall, verhalten
sollen. Ohne gemeinsame mentale
Modelle fällt es jedoch sehr schwer,
das Verhalten zu koordinieren.
Mentale Modelle unterstützen
Teams in Ausnahmesituationen
dabei ihre Aufgaben schnell und
korrekt durchzuführen9. So können beispielsweise die Bedürfnisse
der anderen Teammitglieder vorausgeahnt werden. Waller (2004)
unterschied zwischen leistungsstarken und weniger leistungsstarken Crews. Sie stellte fest, dass es
deutliche Unterschiede zwischen
ihnen gab. Leistungsstarke Crews
bemühten sich besonders in Aus-
nahmesituationen stärker um
mentale Modelle. Sie redeten häufiger direkt miteinander und ließen sich nicht durch die Zeit unter
Druck setzen. Interessanterweise
zeigten sich die Unterschiede besonders in Ausnahmefällen, in denen gemeinsame mentale Modelle
besonders wichtig sind9. Solche
Situationen sind beispielsweise der
Ausfall eines Triebwerks oder der
Kommunikationsgeräte.
Vorteile: Stressresistenz, Leistung, Kommunikation
Gelingt es, ein geteiltes mentales
Modell für Ausnahmesituationen
zu entwickeln, wird die Stressresistenz der Gruppe erhöht. Durch
eine höhere Stressresistenz können
die Aufgaben beim Auftreten einer beanspruchenden Situation im
Team besser verteilt werden 1.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Cannon-Bowers, Salas
und Johnston bereits 199710. Sie
stellten fest, dass durch geteilte
mentale Modelle eine bessere Vorstellung über die Bedürfnisse der
anderen Teammitglieder entsteht.
Dieser Vorteil bleibt auch in Stresssituationen erhalten3.
Geteilte mentale Modelle erhöhen die Leistung eines Teams. Das
Team macht weniger Fehler bei der
Ausführung und der Verteilung
von Aufgaben11. Auch im Bereich
der Kommunikation treten Fehler
oft aufgrund schlecht abgestimmter mentaler Modelle auf. Die
Teammitglieder geben sich keine
Rückmeldung oder haben unterschiedliche Ziele3.
Eine gute Abstimmung im Team
hingegen verringert die Anzahl
an Fehlern. Die Fehler in der Arbeit, die womöglich bevorstehen,
können bereits früher erkannt und
Geteilte mentale Modelle
verhindert werden. Dadurch entsteht Vertrauen in die zukünftige
Zusammenarbeit und eine höhere
Leistungsfähigkeit des Teams3.
1 Badke-Schaub, P., Hofinger, G. & Lauche, K. (2008). Human
factors: Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
2 Hofinger, G. (2003). Kommunikation. In G. Hofinger (Hrsg.),
Kommunikation in kritischen Situationen (S. 131 – 151). Frankfurt a.M: Verlag für Polizeiwissenschaften.
Die Aufrechterhaltung von geteilten mentalen Modellen
3 Salas, E., Sims, D. E., & Burke, C. S. (2005). Is there a “Big
Five” in teamwork?. Small group research, 36(5), 555-599.
4 Volpe, C. E., Cannon-Bowers, J. A., Salas, E., & Spector, P.
Um gemeinsame mentale Modelle
zu stärken und zu erhalten, ist es
u.a. wichtig miteinander zu sprechen. Hofinger (2008) schreibt in
ihrem Buch Human Factors – Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen den Satz „Vor dem Teilen steht das Mitteilen“1, S.139. Bevor
ein mentales Modell geteilt werden
kann, muss demnach vorher über
die Situation gesprochen werden.
Alles, was nicht mitgeteilt wird,
kann nicht Teil des gemeinsamen
mentalen Modells werden.
Wenn sich die Teammitglieder
bereits ein gemeinsames mentales
Modell teilen, darf nicht plötzlich
jeder verstummen. Um das geteilte
mentale Modell aufrecht zu halten, sollten die Mitglieder es regelmäßig abgleichen. Man kann also
nicht von einem einmaligen Ereignis sprechen1. Stattdessen sollten
erfolgreiche Teams, wie bei einem
Computerprogramm, regelmäßige
Updates durchführen. Spätestens
wenn die Situation sich ändert.
Regelmäßiges gemeinsames Training mit anschließendem Debriefing, aber auch Debriefings nach erfolgten Einsätzen, sorgen ebenfalls
dafür, geteilte mentale Modelle zu
festigen. Durch den Austausch und
die Analyse im Debriefing können
Verbesserungsmöglichkeiten gemeinsam erarbeitet werden. Nur
dadurch kann ein gemeinsames
Verständnis der Situation und der
Probleme entstehen.
E. (1996). The impact of cross-training on team functioning:
An empirical investigation. Human Factors: The Journal of the
Human Factors and Ergonomics Society, 38(1), 87-100
5 Marks, M. A., Sabella, M. J., Burke, C. S. & Zaccaro, S. J.
(2002). The Impact of Cross-Training on Team Effectiveness.
Journal of Applied Psychology, 87(1), 3-13.
6 Kluge, A. & Hagemann, V. (2009). Professionelle
Zusammenarbeit: Neue Trainingskonzepte für High-Performance-Teams. Witschaftspsychologie aktuell, 3, 36-40.
7 Levi, D. J. J. (2013). Group Dynamics for Teams. Thousand
Oaks: Sage Publications.
8 Salas, E., Wildman, J. L. & Piccolo, R. (2009). Using Simulation-Based Training to Enhance Management Education.
Academy of Management Learning & Education, 8(4), 559-573.
9 Waller, M. J., Gupta, N. & Giambatista, R. C. (2004). Effects of
adaptive behaviors and shared mental models on control crew
performance. Mangement Science, 50(11), 1534-1544.
10 Salas, E., Cannon-Bowers, J. A. & Johnston, J. H. (1997).
How can you turn a team of experts into an expert team?
Emerging training strategies. In C. Zsambok & G. Klein
(Hrsg.), Naturalistic decision making (S. 359-370). Hillsdale, NJ:
Lawrence Erlbaum.
11 Salas, E., Wilson, K. A., Burke, C. S., Wightman, D. C. &
Howse, W. R. (2006). Crew resource management training
research, practice and lessons learned. Reviews of human factors
and ergonomics, 2(1), 35-73.
Daniel Veutgen
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
35
Teamtraining
Teamtraining? Ja! Aber richtig!
Das Vorgehen von der Analyse bis zur Evaluation
36
Teamtraining
Immer mehr Aufgaben werden
heutzutage in Teams erledigt. Dies
bringt viele Vorteile mit sich, wie
z.B. eine größere Vielfalt an Ideen
und Lösungswegen bei komplexen Problemen. Allerdings will das
richtige und effektive Arbeiten im
Team gelernt sein, denn hier können sich eine Menge Probleme und
Fehler ergeben, die nicht nur zeitliche, qualitative oder finanzielle Einbußen zur Folge haben. Besonders
in High Reliability Organizations
(HRO´s) (wie bereits im Artikel
„Kernkompetenzen guten Teamworks“ S.9 vorgestellt) kann eine
schlechte oder gar fehlerhafte Teamarbeit zu gravierenden Folgen und
sogar Verlusten von Menschenleben
führen. Bei einer Analyse von 419
Meldungen zu Vorkommnissen im
Aufwachraum eines Krankenhauses
lag beispielsweise die Ursache der
Zwischenfälle in 14% bei mangelnder Kommunikation1. Daher sind
viele Organisationen schon lange
dazu übergegangen, ihre Mitarbeiter/innen in Bezug auf effektivere
Zusammenarbeit und Kommunikationsvorgänge im Team zu schulen
und somit schwerwiegenden Folgen vorzubeugen. Dabei wird zum
Teil sehr viel Geld in Trainings investiert. Dass es sich auszahlt, im
Vorhinein in gute Teamabläufe zu
investieren, zeigen diverse Studien2.
Allerdings ist Teamtraining nicht
Abbildung 1: Teamtraining wird immer wichtiger, um menschliche Fehler zu minimieren.
Vorträge sollten jedoch nur ein kleiner Teil sein.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
gleich Teamtraining. Die Art, wie
es gestaltet und durchgeführt wird,
beeinflusst maßgeblich dessen Effektivität. Wir möchten in diesem Artikel aufzeigen, worauf es bei gutem
Teamtraining ankommt.
Grundlegende Merkmale von
Teamtraining
Zunächst soll erst einmal erklärt
werden: Was ist unter einem
Teamtraining überhaupt genau zu
verstehen? Was wird dort explizit
trainiert?
Training kann als geplante und systematische Aktivität verstanden
werden, bei der das Ziel die Aneignung von Wissen, Einstellungen
und Verhaltensweisen ist. Es geht
also immer um die folgenden Fragen: Was sollte man für den jeweiligen Job wissen/denken, was sollte
man tun (können) und wie sollte
man sich dabei fühlen/verhalten? 3
Vier wichtige Komponenten des
Trainings, die nicht fehlen sollten,
sind Anweisungen, Demonstrationen, Übungen und zeitnahes Feedback4. Anweisungen beinhalten lediglich Informationen und Fakten
über die im Training zu erlernenden Fertigkeiten und werden z.B.
in Präsentationen und Vorträgen
vorgestellt. Demonstrationen zeigen den Teilnehmer/innen konkrete Beispiele des erwünschten
Verhaltens oder auch Negativbeispiele (z.B. in Form von Videos). In
Übungen können die Teilnehmer/
innen versuchen, das zuvor Wahrgenommene selbst umzusetzen,
wofür häufig Simulatortrainings
oder Rollenspiele genutzt werden.
Anschließend sollten sowohl Fehler, die in den Übungen gemacht
wurden, als auch gute Umsetzungen im Feedback besprochen wer-
den und die Teilnehmer/innen
sollten abschließend bestärkt werden, das Gelernte in Zukunft im
Job umzusetzen.
Training in Organisationen ist eine
Komplexe Wissenschaft. Erkenntnisse darüber kommen aus vielen
verschiedenen Forschungsbereichen. Bedeutsame Einflüsse, die
auch über die Effektivität des Trainings entscheiden können, kommen z.B. aus Bildung/Erziehung,
der Organisationspsychologie und
Kognitionsforschung, aber auch
aus dem Ingenieurwesen und Wissenschaften zu organisationalem
oder industriellem Management.
Training kann sich außerdem auf
verschiedene Fertigkeiten beziehen, wie z.B. Selbstmanagement,
Präsentationsfertigkeiten usw. In
diesem Artikel soll der Fokus auf
dem Training von Teamwork liegen.
Teamwork bezeichnet einen Prozess der Einbeziehung von Inputvariablen über Prozessvariablen zu
Outputvariablen.
Abbildung 2: Beim Teamwork spielen Inputvariablen, Prozessvariablen und Outputvariablen eine Rolle (v.l.)
Inputvariablen sind hierbei individuelle Charakteristika der
Aufgaben, der Teams und des
Arbeitskontextes (z.B. die Gruppengröße oder die Dauer der Zusammensetzung des Teams). Diese
können z.B. einen Einfluss auf die
Motivation oder benötigte Zeit
für
Entscheidungsfindungsprozesse haben. Denn in größeren
Gruppen dauert es z.B. oft länger,
eine Entscheidung zu treffen, dafür hat man hier aber auch einen
37
Teamtraining
größeren Input an Erfahrungen
und Informationen für Problemlösung. Prozessvariablen sind z.B.
die Koordination oder Kommunikation im Team, ohne die eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht
möglich wäre. Unter Outputvariablen versteht man beispielsweise
das Wachstum an Produktivität,
Zufriedenheit oder auch die Fehlerreduzierung, welche aus einer
effektiven Zusammenarbeit resultieren5,6,7.
Wichtig ist jedoch, dass diese Prozesse in der Teamarbeit sehr unterschiedlich sein können, da Teams
sehr dynamisch und verschieden
sind. Daher ist es auch nicht sinnvoll, einheitliche Trainingsstrategien zu entwickeln. Vielmehr
müssen für alle unterschiedlichen
Bereiche, in denen Teamwork eingesetzt wird, die Trainingsstrategien individuell angepasst werden.
Beispielsweise müssen bei der Feuerwehr aufgrund der mangelnden
Möglichkeit, über Sprache zu kommunizieren, andere Schwerpunkte
gesetzt werden, als beispielsweise
bei einem Operationsteam.
Daher werden vor der Planung eines Trainings verschiedene Analysen nötig, die später in diesem
Artikel erläutert werden sollen.
Gewisse Grundeigenschaften sind
jedoch in den meisten Teams in
ähnlicher Weise vorhanden und
können daher auch ähnlich trainiert werden. Es hat sich z.B. gezeigt, dass man beim Training generell zwischen Teamwork-Skills
und Taskwork-Skills unterscheiden sollte, wobei Teamwork-Skills
die sind, die Personen dazu befähigen, effektiv miteinander zu
arbeiten und Taskwork-Skills die
Fähigkeit, Aufgaben zu verstehen
und auszuführen8. Besonders un-
38
ter Druck ist es schwierig, eine
effiziente Teamarbeit durchzuführen. Oftmals passiert es, dass sich
Teammitglieder dann nur noch auf
die Aufgabe selbst konzentrieren
und dabei die Teamwork-Anforderungen völlig vergessen, wodurch
dann der Misserfolg seinen Lauf
nehmen kann.
Was im Teamtraining trainiert wird
Welche Fertigkeiten werden nun
konkret in Teamtrainings geschult?
In einigen Untersuchungen konnte man acht wichtige Fertigkeiten
identifizieren, die unabhängig von
der Art des Teams in jeder Teamarbeit wichtig sind9. In Bezug auf
die obige Unterteilung in Teamwork- und Taskwork-Skills, handelt es sich hierbei mehrheitlich
um Teamwork-Skills.
Abbildung 3: Zu wissen, was der andere denkt,
ist nicht selbstverständlich. Die Kommunikationsfähigkeit ist eine der wichtigsten zu
trainierenden Teamfertigkeiten
Hierzu zählt zum einen die Anpassungsfähigkeit, Ressourcen und
Strategien abhängig von den Inhalten der Aufgabe umzustellen.
Besonders wichtig ist auch immer
eine gute Kommunikationsfertigkeit, um Informationen effizient
und ohne Verluste oder Missverständnisse auszutauschen. Um
die verschiedenen Aktivitäten im
Team zu organisieren und eine gewisse Synchronität zu erreichen,
wird eine gute Koordinationsfertigkeit benötigt.
Die meisten Teams müssen wichtige Entscheidungen fällen. Dazu
gehört, bestehendes Wissen und
neue Informationen zusammenzuführen und aus mehreren Alternativen die Beste auszuwählen. Aber
auch die Ergebnisse der gewählten
Alternative sollten beurteilt werden, um auch aus eventuellen Fehlentscheidungen zu lernen.
Eine wichtige persönliche Fertigkeit ist außerdem, gute Interaktionen im Team durch motivierende
Techniken und kooperierendes
Verhalten zu fördern, was man unter dem Begriff der interpersonellen
Beziehung zusammenfasst. Weiterhin braucht jedes Team eine Person
mit guten Führungs- bzw. Teammanagementqualitäten. Diese sind
nötig, um die Aktivitäten im Team
zu koordinieren, zu planen und zu
organisieren, um die Teammitglieder zu motivieren und die Leistung
zu beurteilen bzw. ggf. zu fördern.
Hierfür ist abschließend von hoher
Relevanz, angemessenes und konstruktives Feedback zu verteilen,
aber auch die eigene Leistung zu
bewerten und Feedback von anderen anzunehmen.
Eine große Bedeutung in Teams
kommt den sogenannten geteilten
mentalen Modellen zu. Darunter
versteht man einheitliche Wissensstrukturen von Teammitgliedern,
die zur Durchführung gemeinsamen Handelns erforderliches,
geteiltes Wissen enthalten. Geteilte mentale Modelle können ein
Team dazu befähigen, die Rollen
und Aufgaben der Teammitglieder
besser zu verstehen, das gemeinsame Ziel zu antizipieren sowie
sich in komplexen Umgebungen
zurechtzufinden und sich implizit
zu koordinieren. Das gemeinsame Wissen bzw. die gemeinsamen
Wissensstrukturen können sich
auf das Equipment, die Aufgaben,
die Interaktion oder das Team
Teamtraining
(bzw. seine Mitglieder) beziehen.
(Mehr dazu auch in Artikel „Siehst
du das denn genauso“ S. 32 ). Geteilte mentale Modelle sind sowohl
messbar, als auch trainierbar, so
dass sie in Teamtrainings Berücksichtigung finden sollten10,11.
Die Relevanz dieser Skills kann z.B.
beim Einsatz von Notärzten/innen
erkannt werden. Denn hier kann
sich beispielsweise die gesundheitliche Situation und Stabilität des/
der Patienten/in in kurzen Zeitabständen ändern. Daher müssen die
Notärzte/innen ihre geplante Behandlungsstrategie oft sehr kurzfristig umstellen und in kurzer Zeit
und mit beschränkten Informationen entscheiden, welche Strategie
die beste ist, um für das (möglichst
unbeschadete) Überleben des/der
Patienten/in zu sorgen. Hier sind
also die Anpassungsfähigkeit und
Entscheidungsfindung im Besonderen gefragt. Um eine Entscheidung
zu treffen, muss ein/e Notarzt/ärztin sich zumeist zusätzlichen Rat
und Informationen von seinen/
ihren Kollegen/innen einholen,
wobei nicht selten Konflikte auftreten, die schnell und sinnvoll gelöst
werden müssen. Hierzu ist effektive Führung von interpersonellen
Beziehungen von Nöten. Darüber
hinaus müssen die Erkenntnisse
über die Lage des/der Patienten/in
mit der Klinik, in die der/die Patient/in gebracht wird, so kurz aber
auch so effektiv wie möglich kommuniziert werden. Es darf zum
einen keine Zeit verloren werden,
zum anderen kann aber auch eine
nur sehr kleine fehlende Information dazu führen, dass ein wichtiges Anzeichen übersehen wird
und der/die Patient/in die falsche
Behandlung erhält. Eine gute Kommunikationsfertigkeit kann daher
dazu beitragen, gravierende Folgen
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Abbildung 4: Feuerwehrleute können durch
ihre Atemmasken nur beschränkt kommunizieren. Geteilte mentale Modelle sind daher hier
besonders wichtig.
zu vermeiden12.
Am Beispiel eines Feuerwehreinsatzes kann man weiterhin sehen,
wie wichtig geteilte mentale Modelle sein können. Denn hier können
die Feuerwehrleute aufgrund des
dichten Rauches und der Atemmasken nur sehr eingeschränkt
kommunizieren. Daher ist es wichtig, dass jeder weiß, was genau
seine Aufgabe ist und was die Aufgabe der anderen. Kurze Gesten
müssen im Ernstfall genügen, damit der andere versteht, was man
meint und was nun zu tun ist. Man
muss die Abläufe der Teammitglieder außerdem so weit kennen, dass
man Abweichungen darin erkennen und daraus auf eventuell geänderte oder besondere Umstände
schließen kann.
verteilt sein. Ein Training sollte
daher immer nach den unterschiedlichen Anforderungen und
Bereichen, für die Teamwork eingesetzt wird, angepasst werden. Es
ist daher von hoher Relevanz, sich
vor dem Design des Trainings anzuschauen, für welche Fertigkeiten
und Aufgabengebiete ein besonderer Trainingsbedarf besteht, was
genau die Trainingsziele sein sollen, also was gelehrt werden soll
und wer trainiert werden muss.
In verschiedenen Teams können
die Schwerpunkte der zu trainierenden Skills sehr unterschiedlich
Diese Trainingsanalyse soll nun
etwas näher erläutert werden13. Es
gibt drei Komponenten, aus denen
sich die Trainingsanalyse zusammensetzt. Die erste ist die Organisationsanalyse. Viele Trainingsprogramme erreichen nicht ihr
Ziel, da im Verlauf Konflikte durch
Einschränkungen der Organisation auftauchen. Beispielsweise ist
die spätere Arbeitsumgebung gar
nicht dafür geeignet, es den Teilnehmern/innen zu ermöglichen,
das Gelernte umzusetzen. Dieses
wirkt sich negativ auf das Transferklima aus. Eventuell bestehen
starre Hierarchien und alteingesessene Muster in den Abläufen, die
sich nicht so einfach durchbrechen
lassen, eventuell wird den Mitarbeitern/innen in der Realität nicht
die benötigte Zeit gegeben, erlernte Abläufe und Fertigkeiten umzusetzen und/oder die Vorgesetzten
halten es für unwichtig und möchten lieber bei den alten Verfahren
bleiben.
Abbildung 5: Eine effiziente Trainingsgestaltung
kommt nicht ohne verschiedene Analysen aus
Oft mangelt es aber auch daran,
dass die Trainingsziele nicht genau
darauf abgestimmt sind, was in der
Organisation gefordert wird. Somit lernt man dann zu vieles, das
später gar nicht eingesetzt werden
kann und zu wenig, was man gut
gebrauchen könnte. Dies kann
Wer, wie, was?! Die Trainingsanalyse gibt Aufschluss
39
Teamtraining
man vermeiden, indem man im
Vorhinein Bedürfnisse und eventuelle Einschränkungen ermittelt
und in die Planung des Trainings
mit einbezieht. Es sollten dabei die
Ziele der Organisation, verfügbare
Ressourcen und mögliche Transferunterstützungen überprüft werden. Die Notwendigkeit dieser
Analyse verdeutlichen Studien, in
denen z.B. gezeigt werden konnte,
dass Organisationsklima und -kultur einen deutlichen Einfluss darauf haben, wie das Gelernte umgesetzt und beibehalten wird14,15.
Die zweite Komponente ist die Job/
Aufgabenanalyse. Dieser Part ist relevant, um die richtigen Lernziele
zu ermitteln und dementsprechend
das Training richtig aufzubauen. Es
wird dabei genau analysiert, welches Wissen, welche Fertigkeiten
und welche Einstellungen im Vordergrund stehen, um die betreffende Arbeit gut auszuführen und
außerdem die Bedingungen, unter denen der Job ausgeführt werden muss. Um die verschiedenen
Anforderungen in verschiedenen
Arbeitsgebieten genau zu identifizieren, wurde in der Wissenschaft
das Team-Arbeit-Kontext-Analyse
Inventar16 entwickelt, welches auf
S. 62 genauer erläutert werden soll.
Die kognitive Aufgabenanalyse ist
ein Teilgebiet und zugleich ein
Werkzeug für die Aufgabenanalyse. Das Augenmerk liegt hier
darauf zu erfassen, welche mentalen Prozesse bei den verschiedenen Jobs im Vordergrund stehen.
Hierbei wird z.B. untersucht, wie
Experten/innen Entscheidungen
treffen und wie die Trainierten sich
das Wissen aneignen und entwickeln17.
Bei der personellen Analyse liegt
das Augenmerk schließlich auf
den zu trainierenden Personen bzw.
40
ren. Somit gibt es nicht den einzig
richtigen Weg, sondern man muss
abwägen, welche Methoden am
besten zu den eigenen Anforderungen passen.
Abbildung 6: Die Fähigkeiten der
Mitarbeiter/innen werden unter die Lupe genommen, um den Trainingsbedarf zu erfassen
deren Eigenschaften. Man betrachtet, welche Stärken die Mitarbeiter/
innen bereits mitbringen, welches
die größten Schwächen und Lücken sind und welche der Personen geschult werden müssen. Hätte man genügend Ressourcen für
die Durchführung der Trainings,
könnte man natürlich einfach jeden trainieren. Da die Ressourcen
jedoch begrenzt sind, führt man
ein Training am besten nur mit
den Personen durch, bei denen der
größte Bedarf besteht. Effizientes
Training ist also nur durch vorherige Analyse möglich. Doch nicht
nur die Analyse und Einbeziehung
dieser Umstände verhilft zu einem
besseren und wirksameren Teamtraining. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, die vor dem Training
einen großen Einfluss darauf haben, wie die Teilnehmer/innen das
Gelernte aufnehmen und sich auf
das Training einlassen.
Trainingsmethoden
Nun ist die Frage, wie man die Erkenntnisse aus der vorangegangenen Analyse in einem passenden
Training umsetzten kann. In der
Praxis gibt es dazu einige unterschiedliche Methoden, zwischen
denen man beim Teamtraining
unterscheiden kann. Dabei können die Schwerpunkte der trainierten Skills und die Eignung für
bestimmte Zwecke deutlich variie-
Eine dieser Trainingsmethoden ist
das sogenannte Cross-Training18.
Das Prinzip dabei ist folgendes:
Während des Trainings werden
nicht nur die individuellen Aufgaben, für die man im Team vorgesehen ist, trainiert. Stattdessen
schlüpft jeder auch reihum einmal
in jede Rolle, die im Team auftaucht. Beispielsweise übernimmt
jede/r Polizist/in in einem solchen
Training einmal die Rolle des Einsatzleiters/der Einsatzleiterin und
kann so z.B. sehen, welche Informationen diese/r benötigt, um einen guten Überblick zu haben und
wie wichtig es ist, dass sich jeder an
seine Vorgaben hält.
Durch dieses Training soll also
erreicht werden, dass jeder ein
besseres Verständnis über die gesamte Teamfunktion erhält und
die Wichtigkeit der anderen Teammitglieder sowie die Abhängigkeiten untereinander besser versteht.
Hierzu kann z.B. auch gehören,
wen man genau im Falle eines bestimmten Problems ansprechen
kann.
Durch ein solches Training werden
besonders die oben erwähnten geteilten mentalen Modelle geschult.
Eine weitere Methode, um diese
geteilten Modelle aufzubauen, ist
das Pre-mission briefing10. Hierbei
handelt es sich zwar im engeren
Kontext nicht um Training, dennoch wird das Verständnis des gemeinsamen Handelns gestärkt: Vor
einer gemeinsamen Tätigkeit wird
explizit auf die Aufgaben, Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten,
Teamtraining
erwartete Verhaltensweisen und
mögliche Machtdynamiken aufmerksam gemacht. Somit erhalten
alle ein gemeinsames Verständnis
dessen und haben dieses während
der Arbeit stärker im Bewusstsein.
Besonders in Organisationen, in
denen die Teams mit hohen Gefahrenpotenzialen umgehen müssen, wie z.B. in der Luftfahrt oder
bei der Feuerwehr, ist es wichtig,
Ernstfälle zu simulieren, um nicht
nur das Verhalten im Normalfall
zu trainieren, sondern auch seltene und unerwartete Situationen, in
denen es aber besonders auf richtiges Handeln ankommt und die
man aufgrund der Gefahr nicht
in der Realität üben kann. (Auf
Simulation im Speziellen werden
wird genauer im Interview „Nicken
klappt als Feedback nicht“ S. 82 eingegangen.)
Bei
der
Trainingsmethode
„Teamkoordinations- und Anpassungstraining“19,20 kommt es besonders auf die Reduzierung der
Kommunikation an. Dies klingt im
ersten Moment falsch, wenn man
bedenkt, dass die Kommunikation eine der wichtigsten Skills im
Teamwork ist. Allerdings möchte man mit Hilfe dieses Trainings
erreichen, dass für die Erledigung
einer Aufgabe möglichst wenig
Kommunikation von Nöten ist,
damit man sich auch ohne Worte
versteht und jeder weiß, was zu tun
ist. Es wird gelehrt, Kommunikation auf solche Phasen zu schieben,
in denen gerade nicht sehr viel zu
tun ist, um diese Zeit dann sinnvoll
zu nutzen.
Mit dieser Taktik wird die kognitive Beanspruchung in stressigen
Phasen reduziert und man kann
sich in dieser Zeit besser auf wichtige Entscheidungen oder richtiges
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Handeln konzentrieren.
Hierzu ist wichtig, die Übergänge
von expliziter Kommunikation zu
impliziter Kommunikation zu trainieren. Z.B. werden Teamleader
darin geschult, regelmäßig während der Arbeit auf die aktuellen
taktischen Prioritäten aufmerksam
zu machen. Dies wirkt sich positiv
auf die geteilten mentalen Modelle aus und führt dazu, dass allen
gleichermaßen die aktuelle Lage
bewusst wird. Werden gleichzeitig
die anderen Teammitglieder darin
geschult, wie sie in welchen Situationen reagieren sollen, führt dies
schließlich dazu, dass das Team
seine Koordinationsstrategie während einer Aufgabe an das Stresslevel der Situation anpassen und
somit effizienter arbeiten kann21.
Aber auch viele weitere wichtige
Teamkompetenzen wie Führung,
Zielsetzung, Ressourcen Management und Feedback werden hier
besonders erlernt.
Zudem spielt eine weitere Trainingsmethode eine wichtige Rolle:
Das geführte Team-Selbstkorrekturtraining22. Es soll helfen, Probleme,
die im Team auftreten, selbst zu erkennen und ohne Hilfe von außen
effektive Lösungen zu finden, wodurch sich auch bessere Abschätzungen der Teamabläufe, z.B. auch
in Bezug auf die geteilten mentalen
Modelle, ergeben sollen. Hierbei
wird den Teilnehmern/innen besonders beigebracht, auf welche
Aspekte des Koordinationsprozesses sie genauer achten müssen (z.B.
welche Faktoren die optimale Performance gefördert oder behindert
haben). Außerdem werden sie darin geschult, wie sie später Debriefings durchführen können bzw.
sollten. Im Training wird dazu beispielsweise ein Debriefing durchgeführt, bei dem der/die Leiter/in
zeigt, wie das Ganze strukturiert
sein sollte, die Diskussionen beobachtet, das Lernklima fördert, und
den Teilnehmern/innen erklärt,
wie effektives Feedback gegeben
werden sollte und wie sie Durchsetzungsvermögen und Informationsaustausch richtig einsetzten.
Debriefings untereinander gekonnt
selbst durchzuführen ist später im
Job besonders wichtig, da man
dann auf sich selbst gestellt ist und
kein/e Trainer/in einen mehr auf
Fehler aufmerksam macht. Falls
doch einer geschehen sollte, muss
man im Team selbst entscheiden,
wie man damit möglichst erfolgreich umgeht23.
Gute Vorbereitung ist die halbe
Miete
Man weiß bspw., dass es Zusammenhänge zwischen der Trainingseffektivität und individuellen
Charakteristiken wie z.B. der Persönlichkeit oder der Selbstwirksamkeit gibt24. Daher ist es ebenfalls wichtig, solche Faktoren zu
erfassen, um das Training an spezielle Gruppen wie z.B. Berufseinsteiger/innen oder Führungskräfte anzupassen. Die Effektivität
des Trainings wird z.B. durch die
Selbstwirksamkeit (die Überzeugung, dass man fähig ist, bestimmte Aufgaben und Verhaltensweisen
zu erfüllen) vergrößert25,26,24. Daher ist es sinnvoll, die Selbstwirksamkeit vor und während des Trainings positiv zu beeinflussen.
Dies kann z.B. geschehen, indem
die zu Trainierenden an vergangene Erfolge in Trainings oder im Job
erinnert werden oder auch indem
man dafür sorgt, dass sie bereits zu
frühen Zeitpunkten im Training
Erfolgserlebnisse haben.
41
Teamtraining
Natürlich hat auch besonders die
Motivation der Teilnehmer/innen
einen großen Einfluss darauf, wie
gut die Fertigkeiten erlernt, beibehalten und vor allem auch im
Nachhinein im Job angewendet
werden. Daher sollten vor jedem
Teamtraining die Bedingungen,
die Lernumgebung und die Trainingseinführung gut durchdacht
werden, um Faktoren wie die Motivation zu erhöhen. Die Motivation
kann z.B. dadurch beeinflusst werden, ob ein Training als Pflichtprogramm oder zur freiwilligen Teilnahme ausgeschrieben wird.
Außerdem wurde gezeigt, dass die
Motivation größer ist, wenn man
die Inhalte des Trainings immer
wieder in Relation zu seinen eigenen Anforderungen im Job sieht27.
In einer Studie von Sitzmann,
Brown, Ely und Kraiger (2009)28
wurde die Motivation der Teilnehmer/innen über mehrere zeitlich versetzte Trainingseinheiten
beobachtet und gemessen. Dabei
fand man heraus, dass die Motivation mit steigender Anzahl der
Trainingseinheiten z.T. geringer
wurde. Daraus schloss man, dass
die Teilnehmer/innen frustriert
waren, weil sie die gelernten Inhalte des Trainings in den Phasen
zwischen den Trainings nicht richtig anwenden konnten.
Man kann also nicht nur das Training isoliert betrachten, sondern
muss, um eine hohe Motivation
zu erreichen, auch dafür sorgen,
dass die Gegebenheiten nach dem
Training die Aufrechterhaltung der
Motivation fördern.
Wenn es ernst wird: Bedingungen
während des Trainings
In der Forschung konnten einige
weitere Charakteristika identifi-
42
ziert werden, auf die man während
des Trainings achten sollte, um
es wirksamer zu gestalten: Die zu
trainierenden Personen sollten die
Ziele, die gewünschten Ergebnisse und den Zweck des Trainings
verstehen und nachvollziehen
können29. Der vermittelte Inhalt
sollte als bedeutsam wahrgenommen und Beispiele und Übungen
sollten immer in Bezug zum Job
gesetzt werden. Zudem sollten die
Trainingsteilnehmer/innen immer
wieder Rückmeldung erhalten,
ob von anderen Teilnehmer/innen oder den Trainer/innen, und
sollten zu diesem Zweck auch die
anderen Teilnehmer/innen bei
ihren Aufgaben beobachten und
mit ihnen interagieren können.
Weiterhin kann man sagen, dass
man statt konstanter Wiederholungen von Stimulus-Response
Paaren - also z.B. den immer gleichen steif eingeübten Reaktionen
auf bestimmte Situationen - besser
auf Transferübungen setzen sollte.
Solche Übungen können z.B. Rollenspiele sein, in denen eine Teilgruppe bestimmte Aufträge hat,
um unerwartete Situationen herbeizuführen, und die andere Gruppe dann spontan das Erlernte auf
diese Situationen anwenden muss.
Ebenso können auch Interaktionen am Simulator mit gleichzeitiger Teamkommunikation dafür
sorgen, dass man gleichzeitig Taskwork - aber auch Teamwork-Skills
miteinander kombinieren muss.
Bei solchen Transferaufgaben werden die Lerninhalte zwar gegebenenfalls etwas langsamer gelernt,
dafür bleiben sie jedoch wesentlich
länger erhalten und können besser
auf die Realität übertragen werden30.
Genauso sollte man im Training
nicht zu sehr versuchen, mögliche Fehler zu vermeiden, sondern
die Teilnehmer/innen gezielt dazu
bringen, Fehler zu machen und anschließend dabei zu unterstützen,
Korrekturstrategien zu entwickeln.
Denn jeder kennt ja die Weisheit
„aus Fehlern lernt man“ und dass
dies auch in Bezug auf Organisationen und Teammitglieder gilt,
konnte in vielen Untersuchungen
wiederholend gezeigt werden31,32,33.
Zudem können bei diesem sogenannten Error Training gleichzeitig
Emotionsmanagement-Taktiken trainiert werden, um mit
kritischen Fehlern im Job besser
umzugehen34.
Für das spätere Handeln im tatsächlichen Arbeitsumfeld ist es
zudem sinnvoll, Fähigkeiten wie
die Selbstregulation bzw. Selbstbeobachtung zu schulen, z.B. indem
man während des Trainings selbst
seinen aktuellen Stand mit den
gesetzten Zielen vergleicht. Obwohl man davon ausgeht, dass dies
selbstverständlich ist, fand man
heraus, dass es zu einer Verbesserung des Lernfortschritts und auch
im Beibehalten des Erlernten über
längere Zeit kam, wenn man die
Teilnehmer/innen explizit darauf
aufmerksam machte, ihre eigenen
Fortschritte und Leistungen selbst
zu beobachten und zu beurteilen35,36.
Das Training ist vorbei - war´s das
jetzt?!
Genauso wichtig wie die Bedingungen während des Trainings,
sind auch die nach einem Training.
Denn sie entscheiden besonders
darüber, ob Fertigkeiten in den
Job übernommen und angewendet
werden, ob also ein Transfer von
Teamtraining
dem Trainingsfeld in das Arbeitsfeld stattfindet.
Und das ist schließlich das, worauf es ankommt und wofür man
das Ganze überhaupt macht. Denn
es bringt niemandem etwas, in
einem solchen Teamtraining gut
abzuschneiden, wenn später in
der Realität die gleichen Probleme auftreten wie zuvor. Grob lässt
sich sagen, dass überhaupt die Gewährung von Möglichkeiten, das
Erlernte auszuführen bzw. erneut
zu üben zu einer besseren Übernahme im Job führen. Ebenso
wirken sich soziale Unterstützung
der Mitarbeiter/innen z.B. durch
Ermutigungen und Erinnerungen,
die Methoden anzuwenden, im Job
positiv aus. Auch Unterstützung
durch Vorgesetzte, die z.B. dafür
sorgen, dass weniger Hindernisse
und Komplikationen bei der Anwendung des Gelernten auftreten,
ist wünschenswert. Beides fasst
man unter dem Begriff Transferklima in der Organisation zusammen37,15.
Zudem kann es helfen, wenn bei
der Arbeit weiterhin Feedback bezüglich der Lerninhalte gegeben
wird. Teamleiter/innen nehmen
aus diesem Grund eine wichtige Rolle für die Übernahme von
Inhalten aus dem Training in die
Arbeit ein und sollten daher in besonderer Weise daraufhin geschult
werden, die Beschäftigten auch
während der Arbeit weiter zu beobachten und durch Feedback zu
unterstützen. Damit man nach einem Training die Inhalte nicht vergisst, kann es zudem hilfreich sein,
den Teilnehmern/innen Zugang zu
Internetseiten, Verzeichnissen usw.
zu bieten, in denen die wichtigen
Punkte erneut nachzulesen sind.
Nichts desto trotz ist es nicht genug, ein Training einmalig durchzuführen. Um die Einhaltung des
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Gelernten zu gewährleisten, sollten
die Inhalte in gewissen Abständen
auch durch ein Wiederholungstraining aufgefrischt werden.
Ähnlich zum Feedback im Job
spielt die Nachbesprechung nach
einem Training bzw. nach einzelnen Übungen, in denen nachvollzogen werden kann, was gut gelaufen ist und wo es weiterhin noch
Verbesserungsmöglichkeiten gibt,
eine besonders große Rolle. Dabei
können u.a. auch Hindernisse zur
Übernahme der angeeigneten Fertigkeiten in den Job erkannt und
beseitigt werden und Übereinstimmungen getroffen werden, welche
Ziele man sich genau für die weitere Arbeit setzten möchte. Dadurch
wiederum kann eine Steigerung
der späteren Leistung erreicht werden. Da es um Teamarbeit geht,
sollte nicht nur jede/r einzelne,
sondern auch das Team als Ganzes
im Nachhinein evaluiert werden.
Die Nützlichkeit von Nachbesprechungen konnte z.B. in Studien
mit Militärführungspersonen und
deren Teams gezeigt werden38,39.
Die Teams, die ein effektives Debriefing durchführten, übertrafen
Teams ohne Debriefings in nachfolgenden Übungen um bis zu
40%.
Wichtig bei solchen Nachbesprechungen ist jedoch, dass Feedback
nicht nur in Bezug auf Ergebnisse
gegeben wird, sondern dass besonders darauf geachtet wird, wie und
warum sich jemand so verhalten
hat, wie er es getan hat40. Nur so
kann man wissen, warum man gerade effektiv oder ineffektiv gehandelt hat und aus seinem Verhalten
lernen, zukünftige Fehler gering zu
halten. Auch die Aufmerksamkeit
der Teilnehmer/innen für die Be-
obachtung (eigener und fremder)
künftiger Verhaltensweisen im Job
wird durch Nachbesprechungen
geschult. Feedback sollte immer
explizit und konstruktiv sein und
Vorschläge für Verbesserungen
darbieten. Fehler, die oftmals auftreten, sind z.B., dass Leiter/innen
im Debriefing wesentlich mehr
sprechen als das Team und dass sie
zu viel Zeit mit positiven Aspekten
verschenken, statt stärker auf die
Verbesserungsmöglichkeiten von
negativem einzugehen23.
Evaluation schafft Klarheit
Nicht nur die Leistungen der Trainingsteilnehmer/innen sollten im
Nachhinein evaluiert werden, auch
das Training selbst. Durch die Betrachtung, inwieweit Lernziele erreicht wurden und das Training
dazu geführt hat, die Leistung im
Job tatsächlich zu verbessern, ist
es möglich, die Trainingsmethoden weiter zu verbessern. Dabei
stellt sich die Frage, wie genau man
Teamwork und die Effektivität des
Trainings messen und bewerten
kann. Hierzu muss man Methoden
finden, um die Güte der Teamarbeit vor und nach dem Training
sowie die Ausprägung der in den
Trainingszielen definierten Eigenschaften (Wissen, Einstellungen
und Fähigkeiten) zu messen. Außerdem benötigt man Teamwork
Bewertungen z.B. für die Personalauswahl, zur Zertifizierung von
Trainings, für die Forschung und
für das Feedback für die Lernenden. Je nach Zweck gibt es unterschiedliche Bewertungsmethoden,
die sich z.B. in der Genauigkeit
unterscheiden oder darin, ob einzelne Personen oder das Team als
Ganzes bewertet werden.
Für die Entwicklung der Mess-
43
Teamtraining
werkzeuge werden einerseits die
Lernziele herangezogen, aber z.T.
auch Multilevel-Evaluationsmodelle wie z.B. das von Kirkpatrick41,
bei dem zwischen Reaktionen der
Lernenden, dem Lernen selbst,
tatsächlichen Verhaltensänderungen in der täglichen Praxis und
daraus resultierenden Ergebnissen auf organisationaler Ebene
unterschieden wird. Die Reaktionen beziehen sich auf Fragen, wie:
„Fanden die Teilnehmer/innen
das Training gut?“ oder „Denken
sie, dass es sinnvoll war?“. Dies ist
die häufigste Form der nachträglichen Erhebung und wird meist mit
Fragebögen durchgeführt. Jedoch
lassen Ergebnisse darüber, wie gut
Teilnehmer/innen das Training
fanden, nicht zwangsläufig darauf
schließen, dass auch die Inhalte
besser gelernt werden. Daher wird
in der zweiten Stufe „Lernen“ untersucht, ob Einstellungsveränderungen und ein Wissenszuwachs
in Bezug auf die vermittelten
Prinzipien, Fakten und Fertigkeiten stattgefunden haben. Dies
geschieht z.B. ebenfalls durch Fragebögen, aber auch durch Übungen oder Wissensabfragen. Bei der
Beurteilung der tatsächlichen Verhaltensänderungen werden Beobachtungen im Arbeitsumfeld
durchgeführt. Hier kann man z.B.
sehen, ob die erlernte Selbstregulation o.Ä. auch tatsächlich angewendet werden. Die höchste Stufe
der Evaluation ist dann schließ-
Abbildung 7: Lernen ist die zweite Stufe in
Kirkpatricks Evaluationsmodell
44
lich, ob das geänderte Verhalten
auch zu positiven Resultaten in der
Organisation führt, wie z.B. einem
Anstieg der Sicherheit oder der
Produktivität.
Zur vergleichbaren Bewertung von
verschiedenen Trainingsmodulen
wurde das Trainings Evaluations
Inventar (kurz TEI) entwickelt.
Diese
Bewertungsmöglichkeit
erfüllt verschiedene Ansprüche:
Zum einen basiert es auf bisherigen
empirischen Befunden und theoretischen Betrachtungen in Bezug
auf die Trainingsevaluation und ist
effizient einsetzbar. Dadurch kann
man einen möglichst großen (verwertbaren) Informationsgehalt aus
der Bewertung erhalten. Außerdem
funktioniert das TEI unabhängig
von dem Inhalt des Trainings und
der Trainingsziele, es kann also
z.B. in verschiedenen Organisationen oder auch Sparten verwendet
werden und erlaubt dennoch einen
übergeordneten Vergleich. Zudem
berücksichtigt das TEI nicht nur
Ergebnisse, die durch das Training
entstehen, sondern auch das Trainingsdesign und ebenso, inwieweit das Trainingsdesign sich auf
die Ergebnisse auswirkt. Aufgrund
dieser Eigenschaften kann das TEI
in Organisationen sehr hilfreich
für die Trainingsevaluation sein42.
Die zwei Übergeordneten Methoden zur Messung bei Trainingsbewertungswerkzeugen sind zum
einen die Selbstbeschreibung (z.B.
in Form von Befragungsstudien)
und zum anderen die Beobachtung, wobei die Selbstbeschreibung natürlich hohe Variabilität
durch subjektive Werte aufweist.
Daher wird zumeist die Beobachtung gewählt. Hierbei gibt es einige
globale Skalen, die verwendet werden, z.B. die „behavioral observa-
tion scale“ (BOS)20. In dieser Skala
werden durch eine/n Beobachter/
in gemessen bzw. gezählt, wie oft
der/die Beobachtete das Verhalten
ausgeführt hat, das in dem jeweiligen Statement beschrieben wird.
Die Häufigkeit wird dann auf einer
Skala von 1-5 eingestuft. Die verschiedenen Skalen unterscheiden
sich zumeist darin, inwieweit Beobachter/innen zur Beurteilung
benötigt werden, also ob man die
Bewertung anhand eines Ergebnisses vornehmen kann oder ob die
Güte eines Verhaltens durch die
Erfahrung einer Beobachtungsperson eingestuft wird. Nicht zuletzt
spielt der Ort, an dem gemessen
wird, eine Rolle. Die Messung kann
direkt in der Lernumgebung erfolgen, später im Job oder bei Simulationen, wobei man im Job zwar
besonders gut den tatsächlichen
Transfer überprüfen kann, dafür
aber weitaus weniger Kontrolle
und standardisierte Messmöglichkeiten hat (wie dies z.B. bei einem
Simulator der Fall wäre). Daher
sollte man versuchen, die für die
Anforderung der Messung richtigen Situationen zu wählen.
Um es zu erleichtern, all diese und weitere Punkte in Bezug auf die Gestaltung des
Trainings auch wirklich zu berücksichtigen, haben Wissenschaftler/
innen eine Checkliste entwickelt,
bei der die einzelnen Aspekte überprüft und abgehakt werden können43. Eine abgewandelte Form
dieser Checkliste13 gliedert sich
in drei Bereiche:
Vor dem Training, während
Abbildung 8:Checklisten können Hilfreich
sein, um alle wichtigen
Punkte der Trainingsgestaltung zu berücksichtigen
Teamtraining
des Trainings und nach dem Training. Auf dieser und der folgenden
Seite finden Sie einige Auszüge aus
dieser Checkliste. Doch trotz Hilfen wie eben solcher Checklisten ist
es in der Praxis immer noch häufig
der Fall, dass Trainingsprogramme schlecht gesteckte Ziele haben
oder ihre Ziele verfehlen und die
Trainingsteilnehmer/innen
die
Inhalte im Job nicht oder nicht
ausreichend anwenden (können).
Dadurch treten weiterhin Fehler in
der Teamarbeit auf, welche eigentlich durch das Training vermieden
werden sollten. Häufig liegen die
Probleme darin begründet, dass in
der Industrie das Wissen über die
nötigen Bausteine zum nachhaltigen Vermitteln von Inhalten nicht
berücksichtigt wird.
Oftmals kommen die Übungen
und das Feedback zu kurz und
das Training beschränkt sich zum
größten Teil auf die Trainingskomponenten der Information und
Demonstration (z.B. durch Videos,
Präsentationen usw.)44.
Doch hier wird an der falschen
Stelle gespart, denn von einer großen Anzahl an Untersuchungen
wissen wir, dass das Lernen (und
vor allem das spätere Behalten
und Anwenden) hauptsächlich
von den Komponenten der praktischen Übung und des Feedbacks
abhängt. Z.B. konnte eine Studie45
am Beispiel eines Selbstbehauptungstrainings zeigen, dass bei
dem Training ohne Übungen und
Feedback in einer anschließenden
Team-Transferübung keinerlei Effekte im Verhalten zu sehen waren.
Leider fehlt es zu einem umfassenden Training oft an finanziellen
und organisatorischen Mitteln.
Außerdem ist den Trainern/innen
und Trainierten oftmals nicht genau bewusst, welche Fertigkeiten
genau für den jeweiligen Aufgabenbereich von Nöten sind, was
sich aus einer mangelhaften vorangestellten Analyse des Arbeitskontextes ergibt46. Genauso unterschätzt wird oft die Rolle des
Debriefings bzw. Feedbacks während und nach dem Training. Doch
wenn man nur übt, ohne danach
ausführlich zu besprechen, was gut
und was weniger gut gelaufen ist,
kann sich falsches Verhalten einschleichen und später im Job übernommen werden. Oder andersherum werden Inhalte, die man nicht
abschließend noch einmal Revue
passieren lässt, sehr schnell wieder
vergessen. So kommt es zu dem
Ergebnis, dass trotz hoher Kosten, die durch Teamtrainings oder
auch Task-Skill Trainings entstanden sind, immer noch eine Menge
Fehler gemacht werden, weil das
Trainierte entweder nicht gut vermittelt wurde, oder nicht ausreichend in den Job transferiert werden konnte.
In einigen Bereichen wie z.B. der
Luftfahrt, dem Militär oder der
Medizin können solche Fehler, die
z.B. aufgrund mangelhafter Kommunikation im Team entstehen,
besonders gravierende Folgen haben. Denn hier geht es um Menschenleben. Daher wurden z.B. bestimmte Teamtrainings entwickelt,
die speziell für die Luftfahrt zugeschnitten sind. Diese Speziellen
Kurse werden Crew Resource Management genannt und sind mittlerweile Pflicht in allen Fluggesellschaften47. Auch in der Feuerwehr,
der Medizin oder dem Militär werden sie in abgewandelter Form z.T.
langsam eingeführt48,49. Auf den
Nächsten Seiten erfahren Sie mehr
über dieses spezielle Teamtraining
und die Wissenschaft dahinter.
Tina Hees
Checkliste: Schritte, die vor dem Training durchgeführt werden sollten
Schritt
Aktionen
Ergebnisse
Organisationsanalyse
Strategische Schwerpunkte, die Organisationskultur,
Normen, Ressourcen, Limitationen und Unterstützungsmöglichkeiten erschließen
Ermöglicht strategische Ressourcen-Verteilungs-Entscheidungen
Bestimmen, ob Grundsätze und Prozeduren am Arbeitsplatz das Training unterstützen
Erkennen, wie die Arbeitsumgebung
die Trainingsziele unterstützen oder
behindern kann
Tutoren/Tutorinnen
und Leiter/innen vorbereiten
Leiter/innen so vorbereiten, dass sie die Arbeitnehmer/ Die Motivation der Teilnehmer/
innen richtig unterstützen und die richtigen Signale
innen zum Lernen im Training
bezüglich des Trainings senden können
erhöhen
…
…
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
…
45
Teamtraining
Checkliste: Schritte, die während des Trainings durchgeführt werden sollten
Schritt
Aktionen
Ergebnisse
Die richtige Mentalität Das Training in einer Form darbieten, die den Glauben die Motivation verbessern und das
bei den Trainingsteil- der Teilnehmer/innen an ihre Lernfähigkeit und das
Durchhaltevermögen bei der Annehmern herstellen
gekonnte Anwenden der Fertigkeiten fördert.
wendung im Job erhöhen
•
Selbstwirksamkeit Die Performance während des Trainings stärken
aufbauen
•
Fehler im Training Die Teilnehmer/innen ermutigen, Fehler im Training
einbauen
zu machen, dabei aber sicherstellen, dass Hilfestellung
beim managen und korrigieren der Fehler gegeben
wird
…
…
Transfer des Trainings verbessern
und Teilnehmer/innen mit der
Fähigkeit ausstatten, mit kritischen
Situationen im Job umzugehen
…
Checkliste: Schritte, die nach dem Training durchgeführt werden sollten
Schritte
Aktionen
Ergebnisse
Den Transfer des Trai- Sicherstellen, dass Teilnehmer/innen ausreichend Zeit
und Möglichkeit haben, um das, was sie gelernt haben,
nings sicherstellen
auch anzuwenden
• Hindernisse für
den Transfer entfernen
Den Trainingstransfer erhöhen und
Wissensverfall reduzieren
Trainingsevaluation
auf verschiedenen
Levels betrachten
Reaktionen, Lernen, Verhalten und Auswirkungen
betrachten
Erlaubt gut begründete Entscheidungen bezüglich des Trainings
inklusive eventuell nötigen Veränderungen
Präzise affektive-, kognitive-und/oder Verhaltensindikatoren verwenden, um die angestrebten Trainingsergebnisse, die während Anforderungseinschätzung
aufgedeckt wurden, zu messen
Führt dazu, dass effektives Training
weiterhin unterstützt wird
…
…
…
Arbeitnehmermotivation und
Selbstwirksamkeit aufrechterhalten
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Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
47
Fakten
Fakten, Fakten, Fakten
Sie wollen Zahlen, Statistiken und Klartext? Dann haben wir hier ein paar Schaubilder für Sie:
CRM Trainings stammen aus der Luftfahrt, werden
aber inzwischen auch in anderen Bereichen wie Feuerwehr, Atomindustrie, Öl-Industrie oder Medizin
angewandt1.
Untersuchungen zeigen, dass mithilfe von CRM-Trainings ein positiver Wandel in der Einstellung und im
Verhalten im Cockpit erreicht wird. Dies führt auch
zu mehr Sicherheit2.
Erinnern Sie sich an die spektakuläre Landung
auf dem Hudson River? Alle 150 Passagiere
konnten gerettet werden, vor allem Dank des
guten CRM der beiden Piloten3.
Vorsprung durch CRM & Debriefing! - Militärisches
Führungspersonal und ihre Teams übertrafen andere
Teams die kein gutes Debriefing durchführten in
ihren Leistungsergebnissen um bis zu 40%4.
Simulatortraining ist nicht gleich Simulatortraining.
Es kann verschiedene Schwerpunkte haben. Es ist
regelbasiert, wissensbasiert oder fertigkeitsbasiert5.
Vier wichtige Komponenten des Trainings, die
nicht fehlen sollten, sind Aktivierung
von Vorwissen, Demonstrationen von
Inhalten, Übungen und zeitnahes Feedback6.
1 Flin, R., O’Conner, P. & Crichton, M. (2008). Safety at the Sharp End. A Guide to Non-Technical Skills. Aldershot: Ashgate.
2 Salas, E., Wilson, K. A., Burke, C.S. & Wightman, D. C. (2006). Does crew resource management training work? An update, an extension and some critical needs. Human Factors, 48, 392-412.
3 National Transportation Safety Board (2009). Aircraft Accident Report : Loss of Thrust in Both Engines After Encountering a Flock of Birds and Subsequent Ditching on the Hudson River.
48
Fakten
Ein Mensch kann statistisch gesehen 14.000 Jahre
unfallfrei fliegen7. In dieser Zeit könnte man fast 2,5
Millionen Mal die Erde umkreisen.
Hierarchie ist ein schwieriges Thema innerhalb des
Teams. Besonders, wenn sich niedriger gestellte
Teammitglieder mit guten Fertigkeiten bei einer stark
ausgeprägten Hierarchie nicht trauen, ihre Ansicht
mit den höhergestellten Teammitgliedern zu teilen8.
Halt dich kurz! Nutzen Sie oft lange Wörter mit sechs
oder mehr Buchstaben, hat das eine schlechte Auswirkung auf die Leistung im Team und die Kommunikation und führt zu einer erhöhten Fehlerrate9.
Unglücke und Katastrophen, die auf mangelnde
Kommunikation und schlechtes Management zurückzuführen sind, gibt es viele. Eines der tragischsten Unglücke ist mit Sicherheit die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl.
Menschen machen Fehler. Schätzungen gehen davon
aus, dass etwa 70% -80% aller Unfälle in ziviler und
militärischer Luftfahrt aufgrund sogenannter “Human-Errors” passieren10.
Human Errors können auch im medizinischen
Bereich große Folgen haben. Untersuchungen zu
Zwischenfällen im Krankenhaus ergaben, dass in den
USA jährlich mehr als 44.000 Patienten/innen durch
vermeidbare Fehler zu Tode kommen11.
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individual and team training. Wash DC: APA Press.
5 Rasmussen, J. & Jensen, A. (1974). Mental procedures in real-life tasks: A case study of electronic troubleshooting. Ergonomics, 14, 293-307.
6 Merrill, D. (2002). First Principles of Instruction. Educational Technology Research and Development, 50, 43-59.
7 Handelsblatt (2013). Welches Verkehrsmittel ist das sicherste? Zugriff am 27.01.2015 unter http://www.handelsblatt.com/technologie/
das-technologie-update/frage-der-woche/auto-flugzeug-bahn-welches-verkehrsmittel-ist-das-sicherste/8479152.html
8 Kluge, A. & Hagemann, V. (2009). Professionelle Zusammenarbeit: Neue Trainingskonzepte für High-Performance-Teams. Wirtschaftspsychologie aktuell , 3, 36-40.
9 Sexton, J. B. & Helmreich, R. L. (2000). Analyzing cockpit communications: The links between language, performance, error, and workload. Human Performance in Extreme Environments , 5(1), 63–68.
10 O’Hare, D., Wiggins, M., Batt, R. & Morrison, D. (1994). Cognitive failure analysis for aircraft accident investigation. Ergonomics, 37(11), 1855-1869.
11 Corrigan, J., Kohn, L. T. & Donaldson, M. S. (1990). To Err Is Human: Building a Safer Health System. National Academic Press.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
49
Von der Technik zum Menschen
Von der Technik zum
Menschen
Entwicklung von Crew Resource Management
Die Luftfahrt gilt aktuell als die sicherste Transportmittelbranche. Immer wieder werden zahlreiche Statistiken dazu genannt. Laut Zahlen
des Statistischen Bundesamtes1
wurden pro eine Milliarde Reisekilometer bei Flugreisen, innerhalb
von vier Jahren, nur 0,3 Menschen
verletzt. Um die Zahl der Reisekilometer zu verdeutlichen, 1 Milliarde
Kilometer entsprechen in etwa 1250
Mal der Strecke zum Mond hin und
zurück. Und um einen Vergleich zu
einem anderen gängigen Transportmittel darzubieten: in der gleichen
Zeitspanne und Anzahl an Reisekilometern wurden 276 Menschen bei
der Nutzung eines Autos verletzt.
Allerdings gilt das Jahr 2014 als
ein schwarzes Jahr der Luftfahrt,
da im Vergleich zum Vorjahr fast
viermal mehr Menschen tödlich
verunglückt sind (970 in 2014, 251
in 2013). Diese auf den ersten Blick
abschreckende Zahl lässt Zweifel
an der Sicherheit im Luftverkehr
aufkommen. Trotz des hohen Anstiegs sind diese Zahlen, wenn sie
in Relation mit Reisekilometern
gesetzt werden, dennoch die niedrigsten von allen Transportmitteln
weltweit2.
Somit belegen diese Statistiken
die enorme Sicherheit im Flugbetrieb und sind unter anderem ein
Merkmal dafür, dass die Luftfahrt
eine High Reliability Organisation
(HRO, für mehr Informationen
lesen Sie auch „Kernkompetenzen
50
guten Teamworks“ S. 14) darstellt3,4.
Damals, Anfang der 70er Jahre
häuften sich allerdings Flugzeugunglücke, welchen als Hauptfehlerursache menschliches Versagen
zu Grunde gelegt werden konnte.
Aufgrund dessen wurde die Forschung zum Aspekt des Teamworks intensiviert, durch Institutionen wie das NTSB: National
Transportation Safety Board oder
GAO: Government Accounting
Office. Der Faktor Mensch erwies
sich als ein relevanter Verursacher
in über der Hälfte der analysierten
Flugunfälle von 1983-1985. Die
Tatsache, dass akzeptiert wurde,
dass Teams nicht automatisch effektiv sind, sondern trainiert werden müssen, war ein Meilenstein
in der Luftfahrt. Auf dieser Basis
begann eine große Investition in
Teamtrainings und letztendlich die
Implementierung und Etablierung
von Crew Resource Management
(CRM).
Was ist Crew Resource Management?
Wie der Begriff schon vermuten
lässt, ist das Ziel von CRM die Besatzung (die Crew) darauf zu trainieren alle möglichen Ressourcen
die ihnen zu Verfügung stehen effektiv zu nutzen.
Konkret wird CRM definiert als
Instruktionsstrategien, um Crews
und Teams in HROs a) in der ef-
Von der Technik zum Menschen
fektiven Nutzung aller verfügbaren
Ressourcen (sowohl Menschen,
Ausrüstung als auch Informationen) zu trainieren, b) um ihre
Zusammenarbeit zu verbessern
und damit ihre Leistung zu erhöhen und c) um so die Wahrscheinlichkeit möglicher menschlicher
Fehler mit tragischen Konsequenzen für Mensch und Umwelt zu
reduzieren.5.,S.3,6 Wann aber wurde
dieser Begriff das erste Mal genutzt und wer hatte diese Ideen?
Als Geburtsstunde des CRM-Trainings lässt sich ein Workshop der
NASA „Resource Management on
the flightdeck“ in 1979 festlegen7.
In diesem Zusammenhang wurden Piloten/innen interviewt und
eine detaillierte Analyse von Flugunfällen zwischen 1968 und 1976
erstellt. Dabei fiel auf, dass oft das
technische Wissen bei Schulungen
im Vordergrund stand, allerdings
soziale Fertigkeiten nicht gezielt
angesprochen wurden.
Die darauffolgende Entwicklung
von CRM (wird seit 1981 praktiziert) war in den zurückliegenden
Jahrzenten sehr vielseitig und der
Fokus lag auf unterschiedlichen
Aspekten, welche im folgendem
erläutert werden. Diese durchlaufenen Veränderungen lassen sich
fünf Generationen von CRM-Trainings einteilen7.
Die fünf Generationen von
CRM-Trainings
Die
erste
Generation
von
CRM-Trainings wurde von privaten Fluggesellschaften, hauptsächlich United Airlines aus den
USA, entwickelt und umgesetzt.
In den Anfängen bezog sich das C
von CRM noch auf Cockpit, da es
ausschließlich für die Piloten/innen angedacht war. Der Fokus lag
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
hauptsächlich auf einer individuellen und psychologischen Analyse
des Verhaltens während des Fluges, sowie generellen Konzepten
des Führungsstils, welchen Piloten/innen gegenüber ihren Kollegen/innen anwenden sollten.
Die zweite Generation änderte
und erweiterte den Begriff von
CRM hin zu Crew Training, sodass
CRM nicht mehr exklusiv nur für
Piloten/innen war, sondern jetzt
auch das Kabinen-Personal mit
einbezogen wurde. Dieser Wechsel gründete auf einem erneuten
NASA Workshop zu dieser Thematik. In den neuen Programmen,
entwickelt von Delta Airlines, ging
es verstärkt um spezifische flugbezogene Konzepte, wie beispielsweiße die Art von Entscheidungen,
die in einer Katastrophe enden
können. Der Schwerpunkt der
Trainings verlagerte sich hin zur
Teamorientierung, begleitet durch
intensive Seminare, in welchen
Konzepte wie Gruppenstrukturen,
Briefing-Strategien,
Stress-Management und Situationsaufmerksamkeit trainiert wurden.
In der dritten Generation, Anfang der 1990er, entwickelten sich
CRM-Trainings in unterschiedliche Richtungen. Aspekte wie Organisationskultur wurden als ausschlaggebend für die Sicherheit
an Bord erkannt. Gleichzeitig begann eine konkrete Analyse über
relevante soziale Fertigkeiten des
Cockpit- und Kabinen-Personals.
Aus diesem Grund fanden auch
die ersten combined CRM-Trainings statt, da die Wichtigkeit der
Kommunikation und Koordination zwischen Cockpit und Kabine
erkannt wurde.
In der vierten Generation, Ende
der 1990er wurde das Advanced
Qualification Programm (AQP) ins
Leben gerufen. Es ging nicht mehr
nur darum auf Basis von CRM
zu trainieren, sondern auch um
„Line-oriented Flight Training‘s“
(LOFT). LOFT ist im Grunde ein
Simulationstraining. In den Simulationen sollen Fertigkeiten erworbenen werden und bereits Gelerntes in die Tat umgesetzt werden.
Anschließend wird das Verhalten
in einem Debriefing analysiert.
In der fünften und momentan aktuellen CRM-Generation ist besonders die Tatsache hervorzuheben, dass akzeptiert wurde, dass
menschliche Fehler unvermeidbar
sind. Deshalb wird aktuell mehr
Wert auf Error-management gelegt. Die zentrale Fragestellung
ist: Wie gehe ich mit einer Situation um, die aus einer Fehlreaktion entstanden ist? D.h. zum einen, wie soll reagiert werden, aber
auch der Part des aktiven Agierens
wird beachtet. Ein Beispiel wäre,
dass ein Copilot seinem autoritär
übergeordnetem Arbeitskollegen
in seinen Entscheidungen nicht
wiederspricht (obwohl er anderer
Meinung ist), aus Angst es könnte
eine Meinungsverschiedenheit mit
negativen Konsequenzen für ihn
entstehen.
Besonders relevant in der Entwicklung von CRM ist die, bereits
oben erwähnte, Erweiterung der
Zielgruppe. Die Frage: wer wird
trainiert?, lässt sich nun nicht nur
mit „Pilot/in“ beantworten. Aktuell spielt das Training der Cabin Crew eine zentrale Rolle, aber
auch „Mantainence in Aircraft“
und „Air traffic Controll“ sind involviert8. Zudem gibt es auch hier
sogenannte combined CRM-Trainings, in denen z.B. Piloten/innen
und Air Traffic Controller gemeinsam trainieren.
51
Von der Technik zum Menschen
CRM Trainings werden in allen
Fluggesellschaften durchgeführt.
Weltweit sind Airlines dazu verpflichtet ein solches Training vor
dem ersten Flug für ihr Personal
anzubieten und dieses in jährlichen Wiederholungsschulungen
zu trainieren9. Allerdings existiert
keine standartisierte Methodologie zur Gestaltung von CRM-Trainings, vielmehr sind die Trainings
spezifisch auf die Fluggesellschaft
zugeschnitten, befolgen aber dennoch internationale Richtlinien.
1 Handelsblatt (2013). Welches Verkehrsmittel ist das sicherste?
28. November, 2014: http://www.handelsblatt.com/technologie/das-technologie-update/frage-der-woche/auto-flugzeug-bahn-welches-verkehrsmittel-ist-das-sicherste/8479152.
html
2 Spiegel online (2015). Unfalltote bei Abstürzen: 2014 - ein
schwarzes Jahr für die Luftfahrt. 6. Januar, 2015: http://www.
spiegel.de/reise/aktuell/flugzeugunglueck-bilanz-2014-zahlder-toten-stieg-ums-vierfache-a-1011414.html
3 Burke, C. S., Wilson, K. A. & Salas, E. (2005). Teamwork at
35,000 feet: enhancing safety through team training. In D. Harris & H.C. Muir (Hrsg.), Contemporary Issues in Human Factors
and Aviation Safety (S. 155 - 180). Aldershot: Ashgate.
4 Weick, K. E. & Sutcliffe, K. M (2001). Managing the Unexpected: Assuring High Performance in an Age of Complexity. San
Francisco: Jossey-Bass.
Fazit
5 Hageman, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2011). High Responsibility Teams – Eine systematische Analyse von Teamarbeits-
Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass die Entwicklung von CRM in
kurzer Zeit viele Veränderungen
durchgemacht hat. Unter anderem
sind CRM-Trainings ausschlaggebend dafür, dass die Sicherheit
in der Luftfahrt über die letzten
zwanzig Jahre hinaus so stark steigen konnte.
kontexten für einen effektiven Kompetenzerwerb. Journal
Psychologie des Alltagshandelns, 4(1), 22-42.
6 Salas, E., Wilson, K. A., Burke, C. S. & Wightman, D. C.
(2006). Does crew resource management training work? An
update, an extension and some critical needs. Human Factors,
48, 392-412.
7 Helmreich, R. L., Merritt, A. C. & Wilhelm, J. A. (1999). The
evolution of crew resource management training in commercial
aviation. The International Journal of Aviation Psychology, 9,
19-32.
Die Akzeptanz gegenüber der
Durchführung von und der Teilnahme an CRM-Trainings hat sich
im Laufe der Jahre deutlich verbessert, wie es z.B. in dem Gespräch
mit Herrn Winnikes (siehe S. 57)
ersichtlich wird. CRM hat sich im
Alltag eines/r Piloten/in etabliert.
Lydia Penkert
52
8 Flin, R., O’Conner, P. & Mearns, K. (2002). Crew resource
management: improving team work in high reliability industries. Team Performance Management: An International Journal,
8(3/4), 68-78.
9 Luftfahrt-Bundesamt (2011). JAR-OPS, Betriebsvorschriften
für den Verkehr mit Flugzeugen und Helikopter. 1. Februar, 2015:
http://www.lba.de/SharedDocs/Downloads/DE/B/B2_Flugbetrieb/ B2_Allgemein/VO_1332_2011.html?nn=569538
Crew Resource Management
Crew Resource
Management
- Wenn Teamtraining helfen kann,
Leben zu schützen-
54
Crew Resource Management
Etwa jede/r Fünfte unter uns hat laut einer Studie des
Marktforschungsinstituts „GFK“ Angst zu fliegen. Dabei werden jährlich mehr als vier Milliarden Menschen
sicher auf dem Luftweg transportiert. Bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt sind hingegen beispielsweise
im Jahr 2008 etwa 500 Menschen weltweit. Damit liegt laut
einer Studie der International Air Transport Association die
Wahrscheinlichkeit mit einem Flugzeug abzustürzen bei
etwa 0,000012 Prozent1. Das Fliegen zählt somit zu
den sichersten Transportmitteln weltweit2. Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
55
Crew Resource Management
Der Grund dafür ist nicht nur der
technische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte. Die Luftfahrt
gilt als Vorreiter auf dem Gebiet
des Trainings nicht-technischer
Skills, also Fertigkeiten teamarbeitsbezogener Natur. Dadurch
sollen Unfälle, bei denen menschliche Fehler eindeutig als Ursache
identifiziert werden können, verhindert werden und die geringe
Anzahl an Unfällen soll möglichst
gering gehalten werden Im folgenden Unfall-Beispiel wurden unter anderem die Kommunikation innerhalb des Cockpits und
mit dem Bodenpersonal, sowie
Probleme mit der Hierarchie als
Flugunfallursache angeführt3,4. Am 28. Dezember 1978 startete ein
nahezu ausgebuchter Flug der United Airlines mit 181 Passagieren
vom Startflughafen Denver zum
Zielflughafen Portland. An Bord befanden sich zwei Piloten, ein Flugingenieur und vier
Flugbegleiter/innen. Der Kapitän
der UAL 173 war der 52-jährige
Malburn McBroom, der seit 27
Jahren Pilot war und mit mehr als
27.000 Flugstunden einer der erfahrensten Piloten der United Airlines war. Sein Copilot und Erster
Offizier an Bord war der 45-jährige
Roderick Beebe, der seit 14 Jahren
für United flog. Flugingenieur und
zweiter Offizier war der 41-jährige Forrest Mendenhall, der seit elf
Jahren für United flog und die Maschine genauso gut kannte wie der
Kapitän. Obwohl Besatzungsteams
regelmäßig rotieren, war diese
Cockpit-Besatzung vergleichsweise gut miteinander vertraut. Die Vorbesprechung ergab, dass
das Wetter und der Wind keine
größeren Verzögerungen vermuten ließen und der Flug lief wie
geplant, bis sich die Maschine um
17.14 Uhr Ortszeit im Landean-
56
flug befand. Zu diesem Zeitpunkt
verfügte das Flugzeug über Kraftstoffreserven für etwa 60 Minuten. Nach dem Ausfahren des Fahrwerks stellte der Kapitän fest, dass
nur eine der drei grünen Fahrwerksanzeigen leuchtete und das
Flugzeug nach rechts zog, was darauf hinwies, dass es ein Ungleichgewicht gab. In Absprache mit dem
Anfluglotsen am Boden sollte die
UAL 173 Warteschleifen fliegen,
bis das Problem behoben ist. Die gesamte Cockpit-Crew konzentrierte sich daraufhin auf das
Problem mit dem Fahrwerk, statt
die Aufgaben angemessen auf das
Team zu verteilen und ließ die
Kraftstoffanzeige außer Acht, bis
die Reserven fast komplett aufgebraucht waren. Diese Aufgabenverteilung führte zu einer schlechten Situation Awareness im Team. Der letzte Funkspruch der United
173 lautete: „United eins sieben
drei heavy, Mayday, unsere Triebwerke sind ausgegangen, wir gehen
runter, wir schaffen es nicht mehr
bis zum Flughafen.“ Danach stürzte die Maschine in
einem bewaldeten Gebiet ab. Von
den 181 Passagieren an Bord starben acht durch den Aufprall und
21 weitere wurden schwer verletzt.
Der Flugingenieur und die Purserin Joan Wheeler starben ebenfalls. Der Unfallbericht ergab, dass das
Hauptfahrwerk beim ersten Landeanflug vollständig ausgefahren
war und eine Landung möglich gewesen wäre. Der Kapitän McBroom
trägt laut Bericht die Hauptschuld,
da er weder auf die Hinweise seiner Crew, noch auf den Treibstoff
geachtet hatte. Außerdem wurden
Beebe und Mendenhall dafür kritisiert, den Kapitän nicht deutlich
genug auf den Treibstoffstand aufmerksam gemacht zu haben. Diese Umstände weisen auf Probleme
mit einer zu steilen Hierarchie und
zu schlechten Führungsqualitäten
des Kapitäns, sowie einer schlechten Situation Awareness hin. Der erfahrene Kapitän musste
genau gewusst haben, dass eine
Treibstoffmenge von 5.000 Pfund
eine Landung innerhalb von 20
Minuten erfordert und die beiden
Offiziere mussten davon ausgehen
können, dass der Kapitän die Lage
kennt. Der Copilot Beebe erkannte zuerst den Treibstoffmangel anhand
seiner eigenen Anzeige und fragte
daraufhin zwei Mal im Abstand
von zehn Minuten den Flugingenieur Mendenhall zur verbleibenden
Menge, obwohl er die Antwort bereits kannte. Er wagt es nicht, seine Sorge deutlich genug auszusprechen und den
Kapitän zur Landung aufzufordern. Die Luftfahrt hat auf solche und
ähnliche Fehler entsprechend reagiert und zunächst das Cockpit
Resource Management entwickelt,
um die Kommunikation und das
Teamverhalten im Cockpit zu verbessern (siehe auch „Von der Technik zum Menschen“ S. 50). Es handelt sich dabei um ein Training,
das auf nicht-technische Fertigkeiten, wie z.B. Entscheidungsfindung, abzielt. Schnell wurden solche Trainings weiterentwickelt und
man begann, die gesamte Crew des
Flugzeugs einzubeziehen5. Heutiger Standard ist das Crew Resource
Management, welches unter anderem auch das Training an Simulatoren beinhaltet. Crew Resource Management
Dieser Artikel gibt Ihnen nun einen Überblick über das Crew Resource Management und erklärt
Ihnen den Aufbau verschiedener
Trainings innerhalb der zivilen
Luftfahrt. Es werden Ihnen zudem
weitere Einsatzgebiete von CRM
und (z.T. kritische) Betrachtungen zur Forschung und Evaluation
vorgestellt. Unterstützt wird dieser
Artikel durch Informationen und
Anmerkungen aus dem Interview
mit einem aktiven Piloten.
Die Kommunikation während eines Fluges
Wie zu Beginn dieser Zeitschrift
bereits nachzulesen war, benötigt
die Arbeit in einem Team, und
so auch bei einer Flugzeug-Crew,
eine grundlegende Voraussetzung:
Kommunikation. Diese ist nicht
nur wichtig in Routine-Situationen, um einen sicheren Ablauf zu
gewährleisten, sondern insbesondere in den Fällen, in denen eine
unerwartete Situation auftaucht.
Allerdings ist die Kommunikation ein komplexer Prozess, in dem
schnell Probleme auftreten können. Diese können beispielsweise
die Weitergabe fehlerhafter Information sein, eine nicht stattfindende Informationsübermittlung,
Missverständnisse oder aber eine
durch Hierarchieebenen unterdrückte Kommunikation6.
Abbildung 1: Bei der Weitergabe von Informationen können häufig Fehler auftreten
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Marc Winnikes, 40, wohnt in Frankfurt und ist Pilot (genauer gesagt Senior First Officer) bei einer deutschen
Fluggesellschaft.
Aufgewachsen ist er in Afrika, kam mit
17 Jahren wieder nach Deutschland
und machte sein Abitur in der Nähe
von Mainz. Danach fing er zunächst
bei der Luftwaffe an, da es aufgrund
des Irak-Krieges zu dieser Zeit einen
Ausbildungs- und Aufnahmestopp im
zivilen Sektor gab. 10 Jahre lang flog
er Kampfflugzeuge und arbeitete währenddessen auch im Bereich Ausbildung, bis er 2004 doch noch in die Zivilluftfahrt wechselte. Bis 2012
arbeitete er dort als Fluglehrer, Ausbilder und Prüfer und später auch
im Bereich Grundlagenausbildung bei Flugzeugführern. Aktuell fliegt er
als Senior First Officer auf einem Langstreckenflugzeug und hat uns im
Interview Rede und Antwort gestanden.
Um diese Probleme möglichst gering zu halten, ist es wichtig, dass
die Interaktionspartner über ein
gemeinsames mentales Modell
verfügen (siehe Artikel auf S. 32).
Dieses Modell beschreibt ein gemeinsames Verständnis der Interaktionspartner, das situationsspezifisch durch die Annahmen
und Erwartungen der Einzelpersonen aufgebaut wird, sodass alle
ein möglichst ähnliches Bild von
der Situation haben. Vor diesem
gemeinsamen Hintergrund kann
eine effektivere Kommunikation
zur Erreichung des Kommunikationsziels stattfinden7.
Herr Winnikes betont ebenfalls die
Wichtigkeit dieser gemeinsamen
Gedankenmodelle, da durch sie
die Kommunikation insbesondere mit neuen Kollegen/innen vereinfacht wird. Mit Hilfe von standardisierten Vorgaben, wie den
Standard Operating Procedures,
können Modelle zur Kommunikation innerhalb der Crew aufgebaut und unterstützt werden. Ne-
ben der Kommunikation ist auch
der Prozess der Entscheidungsfindung ein häufiger Fehlerherd.
Denn z.B. unter Stress fällt es oft
schwer, alle möglichen Alternativen zu betrachten und einen kühlen Kopf zu bewahren. Um dies zu
erleichtern, wurde ein Modell zur
Entscheidungsfindung, das FORDEC-Modell, eingeführt. Es steht
für Facts (Fakten), Options (Optionen), Risks and Benefits (Risiken
und Nutzen), Decision (Entscheidung), Execution (Ausführung)
und Check (Überprüfung)8. Diese
Schritte werden nacheinander im
Team ausgeführt. Der Ablauf sieht
dann folgendermaßen aus: Zuerst
werden die Fakten zur Situation
gesammelt, dann die möglichen
Optionen zur Situation durchgegangen. Anschließend werden die
Risiken gegen Nutzen abgewogen,
um die Entscheidung mit dem
größten Vorteil zu wählen. Diese
wird dann ausgeführt und direkt
überprüft, ob sie denn die richtige
war. Für den Fall, dass sie es nicht
57
Crew Resource Management
war, beginnt der Durchlauf des
Modells wieder von vorne.
Ähnliche Modelle wie das FORDEC Modell zur Entscheidungsfindung gibt es auch für Kommunikationsprozesse. Denn hier kann
es sonst häufig zu Missverständnissen kommen, wenn eben kein
gemeinsames Bild der Situation
besteht.
Herr Winnikes stellt fest, dass insbesondere die Kommunikation
zwischen Cockpit und Kabine anfälliger für Kommunikationsprobleme ist, da hier die räumliche
Distanz und der fehlende Blickkontakt eine Barriere für den Informationskanal darstellen.
Ein Beispiel aus einem seiner
CRM-Trainings war eine Situation, in der aus einem Paket in der
Kabine Flüssigkeit austrat und es
zu einer Rauchentwicklung in der
Kabine kam. Für diesen Fall gibt es
eine Liste, in der jedes umweltgefährdende Material, das befördert
werden darf, mit einer vierstelligen Nummer aufgeführt ist. Diese
Liste war vorhanden. Die jeweilige
Nummer ist auf dem Paket vermerkt, und der/die Mitarbeiter/
in muss diese ans Cockpit weitergeben, damit klar ist, um welches
Material es sich handelt. Nun geschah es in diesem Fall so, dass
die Kollegin die Nummer auf dem
Paket nicht fand, sondern nur eine
fünfstellige Zahl. Der Pilot wusste,
dass es eine vierstellige Zahl sein
musste, die Kollegin jedoch wusste dies nicht und fand daher nicht
die richtige Nummer. So musste
dieses Problem auf eine andere Art
gelöst werden. Diese Beispielsituation veranschaulicht, dass es in der
Kommunikation überaus wichtig
ist, dass sehr detailliert Informati-
58
Abbildung 2: Wegen eines Verständnisproblems
wurde die falsche Nummer eines Paketes weiter
gegeben
on übermittelt wird, und man sich
bewusst ist, dass das Gegenüber
nicht zwingend das gleiche Bild
von derselben Situation hat, wie
man selbst. In diesem Falle hätte
zum Beispiel besser explizit nach
einer vierstelligen Nummer gefragt
werden sollen, was die Situation
wahrscheinlich vereinfacht hätte.
Neben der Kommunikation ist die
Koordination der Arbeitsprozesse
ebenfalls eine wichtige Aufgabe im
Cockpit, um einen reibungslosen
Ablauf zu gewährleisten.
„Kommunikation und Koordination sind zwei gleichwertige Säulen,
die ineinander greifen“.
Koordination erfolgt überwiegend
über direkte Kommunikation untereinander, da so eine effektive
und zuverlässige Ausführung der
jeweiligen zugeteilten Aufgaben
gewährleistet werden kann. Auch
für die Koordination der Aufgaben
sind feste Vorgaben in den Standard Operating Procedures enthalten, wodurch das gemeinsame Bild
im Team wieder gestärkt wird. Das
sind Operation Manuals (OM), die
die Koordination der Aufgaben
und ihre Verteilung vorgeben. Diese können sich beispielsweise auf
generelle Maßnahmen, auf einen
speziellen Flugzeugtyp oder aber
auf Länderbestimmungen beziehen. Länderbestimmungen sind
nationale Regelungen, die sich von
den Regularien der internationalen
Luftfahrtorganisation unterscheiden. So gelten zum Beispiel in den
USA andere Verfahren im Fall von
Lost-Communications (verlorenem Funkkontakt), als in anderen
Nationen.
Zur Erleichterung der Kommunikation und Koordination dient
außerdem ein Briefing, welches
vor dem Flug durchgeführt wird.
Es gibt separate Briefings für das
Cockpit und die Kabine und anschließend werden noch einmal
beide zusammengeführt. Im Cockpit-Briefing erhält die Crew ein digitales Briefing-Paket mit nötigen
Angaben über den bevorstehenden Flug, wie z.B. die erforderliche Betriebsstoffmenge, welche
Landebahnen nicht in Betrieb sind
oder die zu erwartenden Wetterbedingungen am Zielflughafen. Aber
auch Dinge, die die bevorstehende
Zusammenarbeit betreffen, können hier besprochen werden. Dazu
kann z.B. zählen, dass der/die Pilot/
in die Crew auffordert, sich nicht
zu scheuen, ihn/sie auf mögliche
Fehler hinzuweisen. Warum dies
sehr wichtig sein kann, können
Sie im nächsten Kapitel erfahren.
Im Allgemeinen sei die Zusammenarbeit mit Kollegen/innen, die
man zum ersten Mal trifft, sehr einfach, weil alle das gleiche standardisierte Training durchlaufen haben.
Dadurch ergebe sich eine ähnliche
Art im Umgang miteinander, die
im Zusammenspiel mit den Standard Operating Procedures eine
kooperative Arbeit gewährleiste.
Organisation der Teamarbeit
Dass nicht nur eine einzige Person dafür verantwortlich ist, dass
ein Flugzeug nach Plan seinen
Crew Resource Management
Zielflughafen erreicht, sondern
eine komplexe Arbeit eines Teams
dahinter steht, ist bekannt. Aber
wie sieht die Organisation innerhalb dieses Teams aus? Herr Winnikes verschafft uns hier einen
Einblick in das Cockpit. Dieses ist
immer mit zwei Piloten/innenbesetzt, auf ausgewählten Langstrecken sind drei Piloten/innen dabei,
wobei eine/r, mit Ausnahme von
Start, Anflug und Landung, jeweils
pausieren kann. Die drei Positionen, die zusammen die Crew bilden, sind der/die Kapitän/in, der/
die Senior First Officer sowie der/
die Copilot/in. Der/die Kapitän/in
steht in der Hierarchie an oberster
Stelle, denn er/sie ist der/die verantwortliche Luftfahrzeugführer/
in und hat die rechtliche Gewalt
und die Entscheidungsgewalt an
Bord. Fällt diese/r aus irgendwelchen Gründen aus, so geht die Entscheidungsmacht an den/die ihm
unterstellten Senior First Officer,
der/die ein/e erfahrene/r Copilot/
in ist. Der/die Copilot/in bildet
die unterste Position dieser Hierarchie.
Innerhalb der Kabine gibt es ebenfalls eine Hierarchie. Hier übernehmen die Purser (P), oder die
Kabinenchefs die Koordination
der Kabinenbesatzung. Bei Fluggesellschaften gibt es den/die P2, der/
die gesamtverantwortlich für den
gesamten Bereich der Kabine ist,
und den/die P1, der/die unter ihm
steht, und nur für einen bestimmten Teilbereich verantwortlich ist.
Ihnen untersteht der Rest der Kabinenbesatzung.
Innerhalb solcher Hierarchien
steht die Frage im Raum, ob die
Grenzen zwischen den Positionen
die Kommunikation von unten
nach oben beeinflussen.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Unter diesen Bedingungen ist es
fraglich, ob ein/e Copilot/in den/
die Kapitän/in auf etwas Sicherheitskritisches aufmerksam machen würde.
Abbildung 3: Die Hierarchie im Cockpit (oben)
und der Kabine (unten)
Denn würde sich beispielsweise ein/e Copilot/in trauen, eine
Handlung des/der Kapitäns/in zu
hinterfragen, wen diese ihm fragwürdig vorkommt?
Herr Winnikes beschreibt die Hierarchie innerhalb der Arbeit im
Cockpit als sehr flach. Das meiste
sei durch die Standard Operating
Procedures abgedeckt, an die sich
gehalten werde, sodass die Erwartungshaltung an den/die andere/n
Piloten/in klar sei. Sollte nun aber
doch der/die Kapitän/in eine abweichende Handlung durchführen, so würde Winnikes ihn/sie
darauf hinweisen. Darüber hinaus
werde diese Einstellung auch von
manchen Kapitänen/innen innerhalb des Cockpit-Briefings vor
dem Flug ermutigt, indem sie ihre
Copiloten/innendazu auffordern,
etwas zu sagen, falls ihnen etwas
auffalle.
Die Einstellungen und das Verhalten in einem Rollengefüge innerhalb einer Hierarchie sind allerdings nicht überall identisch, denn
es gibt kulturelle Unterschiede bezüglich der Handlungsweisen in
Hierarchien.
So ist es in den asiatischen und lateinamerikanischen Ländern oft
etabliert, dass ein besonders starkes Hierarchiegefälle besteht. In
diesen Kulturen werden die Handlungen der höhergestellten Personen nicht hinterfragt, da dies respektlos wäre9.
Ein Beispiel, indem der Copilot
sich aus solchen Hierarchiegefälle-Gründen nicht mit seinen Bedenken an den Kapitän wandte, ist
der Absturz eines Flugzeuges der
Firma Birgenair im Jahre 1996, die
von der Dominikanischen Republik nach Deutschland fliegen sollte.
Die Crew bestand aus einem erfahrenen Kapitän und einem weniger erfahren Copiloten. Kurz nach
dem Start machte der Geschwindigkeitsmesser des Kapitäns fehlerhafte Angaben, woraufhin die
Kontrolle an den Copiloten hätte
übergeben werden müssen. Dies
machte der Kapitän jedoch nicht,
und der Copilot wies ihn nicht darauf hin. Der Kapitän ignorierte
den Fehler und schaltete auf den
Autopiloten. Außerdem beachtete
er weiterhin die Warnungen der
Systeme, doch wenn Zweifel an der
Richtigkeit der technischen Geräte
bestehen, sollte unbedingt manuell gesteuert und eben nicht mehr
auf die (womöglich fehlerhaften)
Systeme vertraut werden. In diesem Fall handelte der Pilot somit
erneut entgegen den Richtlinien.
Auch diesbezüglich widerspricht
der Copilot nicht, sondern unternimmt nur am Ende der kritischen
Situation zaghafte Versuche, den
Kapitän wieder auf den richtigen
Handlungsweg zu bringen.
Diese Versuche reichten jedoch
nicht, sodass schlussendlich die
Passagiere sowie die Besatzung bei
dem Absturz in den Atlantischen
Ozean ums Leben kamen10.
59
Crew Resource Management
Abbildung 4: Die verheerenden Folgen eines
Flugzeugabsturzes gilt es durch CRM Training
möglichst zu vermeiden
Um genau solche Probleme und
derartige Katastrophen, die durch
menschliche Fehler entstehen, zu
vermeiden, führte die Luftfahrt
die CRM Trainings ein, welche
die nicht-technischen Fertigkeiten, wie z.B. Kommunikation,
Führungsverhalten, situative Aufmerksamkeit und Entscheidungsfindung verbessern sollen. Damit
Sie sich für den weiteren Verlauf
ein Bild von solchen Trainings machen können, wollen wir im folgenden Abschnitt zunächst auf die
Abläufe und Inhalte dieser Trainingsform eingehen.
Was macht man überhaupt in einem CRM Training?
Es ist schwer zu beschreiben, wie
ein typisches CRM-Training abläuft. Dazu müsste man zuerst definieren, was genau ein typisches
CRM-Training ist. Hier wird es
schon schwierig, da es bisher keine einheitlich angewandte und
standardisierte Methode für die
Durchführung eines CRM-Trainings gibt und beispielsweise die
Airlines ihre Trainings flottenspezifisch ausrichten11.
Die Inhalte, welche vermittelt werden, sind jedoch häufig sehr ähnlich. Sie „sind entworfen für das
Wissen, die Fertigkeiten und Motive, die mit kognitiven Prozessen
und interpersonalen Beziehungen
zusammenhängen“12. Klingt erstmal kompliziert, was kann man
sich darunter vorstellen? Typische
Kernelemente sind Teamwork,
Führung, situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Kommunikation und die Grenze der
menschlichen Fähigkeiten13. Also
z.B. wie viele Informationen kann
ich gleichzeitig verarbeiten? Wie
lange bleiben Informationen in
meinem Kurzzeitgedächtnis? Da
das CRM-Training so viele verschiedene Trainingsschwerpunkte
hat, sind auch die Lehrmethoden
vielseitig.
CRM-Trainings beinhalten Vorträge, Diskussionen, Rollenspiele,
Fallstudien, Unfallanalysen, Nachstellungen von Unfällen anhand
von Videomaterial oder Simulatortrainings13.
Herr Winnikes erzählte uns, wie
Abbildung 5: Ansicht eines Flugsimulators von außen und von innen
60
sich die wiederkehrenden Trainingsereignisse im Rahmen der
Lizenzverlängerung
darstellen.
Dazugehören zunächst die im
Flugsimulator gebundenen „Refresher-“ und „Check-Events“, aber
auch CRM- und Emergency Seminare.
Bei den Refresher- und Checkflügen im Simulator liegt der Schwerpunkt auf der cockpitgebundenen
Arbeit, die Zusammenarbeit mit
der Kabinenbesatzung wird angesprochen, aber nicht ausgeführt13.
„Das Simulator-Training beginnt
eine Stunde vor dem Simulatorslot
mit dem Briefing“. Hier werden die
von der Cockpitbesatzung bereits
vorbereiteten Themenkomplexe
angesprochen, welche im Simulator trainiert werden. Im Anschluss
daran wird die Cockpitbesatzung
im Simulator selbst mit verschiedenen Szenarien konfrontiert, welche
die Durchführung von Verfahren
und Prozeduren, sowie eine Entscheidungsfindung durch den/die
Kapitän/in, in Zusammenarbeit
mit First Officer oder Senior First
Officer erfordern. Verantwortlich
für die Durchführung dieser Ausbildung ist der für diese Zwecke
speziell geschulte Trainingskapitän.
Die CRM- und Emergency Seminare werden zunehmend häufiger
zusammen mit Flugbegleitern/in-
Crew Resource Management
nen durchgeführt. „Da sind dann
drei bis vier Piloten/innen und
ca. 16-20 Flugbegleiter/innen.“
Es werden allgemeine Verhaltensweisen trainiert, wie beispielsweise das Verhalten beim Einsteigen
oder Aussteigen der Passagiere
oder aufgabenbezogene Fertigkeiten wie das Öffnen der Türen
und Notausgänge. Weitere wichtige Punkte seien der Transport von
Gefahrengütern oder die Feuerbekämpfung, denn wenn ein Feuer in
der Maschine ausbricht, bleibt nur
sehr wenig Zeit zum Handeln.
Dabei werden die Themen zuerst
in der Theorie besprochen, und im
Anschluss im „Mockup“, „das ist
im Prinzip eine Kabine mit Cockpit aber am Boden stehend“ simuliert (siehe Abbildung 6).
Das kombinierte Training von
Cockpit- und Kabinenkollegen/innen dient vor allem dazu, die Zusammenarbeit zu verbessern. Erkenntnisse aus diesen Schulungen
werden regelmäßig in Verfahrensweisen verarbeitet.
Wie hat sich CRM über die Luftfahrt hinausverbreitet?
O‘Connor und Flin (2003) stellten
fest, dass die häufigste Unfallursache laut einer Umfrage auf sechs
britischen Ölplattformen eine
„mangelnde Sorgfalt mit der Hygiene und Aufmerksamkeit“ ist.
Ein CRM-Training für Öl-&Gasplattformen zeigte positive Effekte
in Bezug auf die Entscheidungsfindung und die Einschätzung der
persönlichen Grenzen14.
Ein beispielhaftes CRM-Training
auf solch einer Offshore-Anlage wurde von O’Connor und Flin
(2003) durchgeführt14. Das Seminar dauerte zwei Tage und enthielt
sechs verschiedene „Packages“, also
Themenschwerpunkte. Am ersten
Tag waren die Themenschwerpunkte situative Aufmerksamkeit,
Entscheidungsfindung und Kommunikation. Der zweite Tag beschäftigte sich mit Team Koordination, Müdigkeit und Schichtdienst
sowie Stress.
Ein weiteres Anwendungsgebiet
des CRM ist die Berufsfeuerwehr.
Einige Berufsfeuerwehren nutzen
das Team Resource Management
(TRM), welches eine zielgruppenspezifische Variante des CRM
ist. Personen der Berufsfeuerwehr,
Abbildung 7: Auch auf Ölplattformen kann
CRM Training positive Effekte erzielen
Piloten/innen Ärzte/innen oder
Schiffspersonal sind in sogenannten High Responsibility Teams
(HRT) organisiert. Diese Teams
unterliegen einem hohen Gefahrpotential mit gleichzeitiger Verantwortung für das eigene Leben,
sowie das Leben Dritter. Aufgrund
ihrer dynamischen, oft unvorhersehbaren Arbeitsbedingungen und
anspruchsvollen
Arbeitszusammenhängen, in denen technische
Störungen schwerwiegende Folgen
für den Menschen und die Umwelt
CRM findet sich nicht nur in der
Luftfahrtbranche, sondern auch in
der Öl-und Gasförderung (Offshore-Oil-Industry). Denn genau wie
in der Luftfahrtbranche ist in der
Öl- und Gasförderung eine umfangreiche Teamarbeit unersetzlich. So stellte sich heraus, dass die
meisten Unfälle, welche ebenfalls
schwerwiegende Konsequenzen
für Mensch und Umwelt bedeuten,
auf menschliches Versagen zurück
zu führen sind.
Abbildung 6: In diesem „Mockup“ kann beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen Cockpit und
Crew trainiert werden
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
61
Crew Resource Management
haben, ist TRM unerlässlich18.
Auch im medizinischen Bereich
werden komplexe Entscheidungen
getroffen, die bei Fehlentscheidungen besonders schwerwiegende Auswirkungen haben können.
Es müssen z.B.Entscheidungen
im Kontext eines intensiven Zeitdrucks getroffen werden. Um hier
menschlichen Fehlern entgegen
zu wirken, entwickelte der Wissenschaftler Gaba (2001)15 das sogenannte ACRM (Anesthesia Crisis Resource Management). Das
ACRM ist die abgeleitete Form des
CRM Trainings für Anästhesisten/
innen. Das Besondere am ACRM
ist, dass es äußerst realistische Simulationsszenarien beinhaltet, die
gerade die komplexen Entscheidungsfindungen und die Interaktion mit mehreren Personen trainiert.
Zu Beginn eines solchen Trainings
wird eine Einführung zu den Themenschwerpunkten des Trainings
gegeben15. Danach wird der Gruppe der Simulator präsentiert und
die medizinischen Geräte vor Ort
werden erklärt. In einer Gruppenarbeit werden Videobänder von
Eingriffen gemeinsam analysiert.
Die analysierten Eingriffe sind Positiv- oder Negativbeispiele. Die
Teilnehmer/innen sollen in den
Gruppen überlegen: „Was lief gut
oder schlecht beim Eingriff? Warum hatte das Team Erfolg oder wo
hat es Fehler gemacht?“. Im Anschluss daran erfolgt das Training
im Simulator. Dabei gibt es verschiedene realistische Situationen
mit unterschiedlichen Komplexitätsniveaus. Der simulierte Eingriff
wird auf Video aufgezeichnet und
direkt im Anschluss im Debriefing
besprochen15.
Die Verbesserungen durch den
Einsatz von ACRM-Trainings in
62
der Anästhesiologie führten dazu,
dass man das ACRM an den wichtigsten
Gesundheitseinrichtung
der Welt vorfindet16. Gerade das
Simulation Based Training auf Basis von CRM-Grundsätzen wird
aktuell in vielen medizinischen
Einrichtungen, wie z.B. im Universitätsklinikum Essen und Dresden,
eingesetzt.
Ein weiteres Anwendungsgebiet
des CRM ist das sogenannten Bridge Resource Management (BRM),
welches die maritime Version (lat.
maritimus, ‚zum Meer gehörig‘)
des Crew Resource Managements
(CRM) ist und wird seit über einem Jahrzehnt erfolgreich in der
maritimen Industrie genutzt17.
BRM wurde ursprünglich entwickelt, um die Beziehung zwischen
Kapitän und den Piloten (ein Nautiker bzw. Seemann, der an Bord
kommt, um ein Schiff durch gefährliche oder überlastete Gewässern zu führen) zu verbessern.
Der Erfolg des CRM und seiner
Varianten und die damit verbundenen vielfältigen Potenziale führen
zu einer ständigen und branchenübergreifenden
Weiterentwicklung. Wie sich das CRM in den
nächsten Jahren weiterentwickeln
wird, kann man nicht genau sagen.
Abbildung 8: Das Duisburger CRM Modell
Jedoch steht fest, dass das CRM
eine effektive Ausbildungsergänzung zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Sicherheit in Hoch
Risiko Organisationen ist, die
zielgruppenspezifisch in weitere HROs und Branchen adaptiert
werden kann.
Wie man an den Beispielen adaptierter CRM-Trainings erkennen
kann, gibt es zahlreiche Überschneidungen in den Trainingsschwerpunkten. Bisher haben andere Bereiche lediglich versucht,
die Inhalte aus den Trainings der
Luftfahrt auf ihr eigenes Aufgabenfeld zu übertragen19. Um eine
einheitliche Methode für die Erstellung von CRM-Trainingseinheiten für alle HRO-Bereiche zu
entwickeln haben Hagemann,
Kluge und Ritzmann (2009) das
„Duisburger CRM-Modell“ (siehe
Abbildung 9) und das Team-Arbeit-Kontext-Analyse-Inventar
(TAKAI) entwickelt18,19. Das TAKAI dient dazu, das Arbeitsumfeld
anhand von Fragestellungen in
vier verschiedenen Bereichen standardisiert zu erfassen. Es wird also
von den Angestellten der HROs
bearbeitet. „Die vier Bereiche sind
Komplexität,
Kontextkriterien,
adaptives Verhalten und Shared
Mental Model“19,S.251, also geteilte
Crew Resource Management
mentale Modelle. Komplexität beschreibt, wie umfangreich die zu
erledigenden Aufgaben sind, also
beispielsweise welche Informationen ich von wem brauche oder benötige, um sie zu erfüllen, oder auf
wen und was mein Handeln Auswirkungen hat19. Die Kontextkriterien beschreiben beispielsweise,
wie stark die Hierarchie innerhalb
des Teams ist oder welche Umweltfaktoren auf das Team einwirken,
also z.B. die Wetterlage. Das adaptive Verhalten beschreibt z.B. wie
anpassungsfähig ein Team in einer
neuen Situation ist19. Geteilte mentale Modelle werden auf Seite 32
genauer erklärt. Darunter versteht
man beispielsweise gleiches Wissen aller Teammitglieder über die
verwendete Ausrüstung, wie das
Wissen des Feuerwehrpersonals,
für wie viele Minuten der Sauerstoff in den Flaschen reicht.
Nach der Auswertung der TAKAI-Fragebögen werden die
Ergebnisse auf das Duisburger
CRM-Modell übertragen19. Bei
diesem Modell handelt es sich um
einen „idealisierten Teamarbeitsprozess“. Es zeigt also, wie ein Team
zusammenarbeiten würde, wenn
alles perfekt liefe. In der Realität
ist das aber oft leider nicht der Fall.
Die Ergebnisse des TAKAI-Fragebogen können zeigen, wo die
Schwachstellen in der Teamarbeit
liegen. Stellt sich beispielswiese
heraus, dass „die Hierarchie in einer HRO stark ausgeprägt [ist], hat
dies Auswirkungen auf den Wissensabgleich im Team und somit
auf die Ausbildung eines SMM
und einer Shared Situation Aware­
ness“19,S.256, also der geteilten mentalen Modelle und der geteilten situativen Aufmerksamkeit. Bei der
Entwicklung eines CRM-Trainings
für dieses HRT sollte der Schwerpunkt dann auf der Bildung geteil-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
ter mentaler Modelle und geteilter
situativer Aufmerksamkeit liegen19.
Je nach Anforderung kann also das
CRM-Training für ein HRT angepasst werden.
Bringt CRM wirklich Verbesserungen?
Dass die Luftfahrt CRM Trainings
bereits seit ca. 20 Jahren als Pflichtprogramme eingeführt hat (nachdem sie auf freiwilliger Basis schon
deutlich länger praktiziert werden)20 zeigt, dass man dort an die
Wirkung und die Notwendigkeit
dieses Trainings glaubt, bzw. positive Effekte verspürt.
Zu den Veränderungen durch
CRM Trainings sagt Marc Winnikes: „Also es gibt immer wieder
mal solche Situationen, wo man im
Simulator sitzt und sich denkt: „Da
hatte ich ja ein völlig anderes Verständnis“ oder auch: „Mensch, gut
dass ich das mal geübt habe.“ Außerdem ist jede prozedurale / organisatorische Veränderung, die wir
im Flugablauf vornehmen, von der
Trainingsabteilung umfangreich
diskutiert worden und es wurde
lange mit der Änderung gearbeitet, bevor sie dann angenommen
wurde. Jede Änderung, die diskutiert wurde und dann auch in den
Flugbetrieb übernommen wurde,
ist sinnvoll.“
„Und allein die Tatsache, dass
wir mit so vielen Menschen (also
fünfeinhalbtausend verschiedene
Piloten/innen) jeden Tag zusammengewürfelt werden können
und miteinander arbeiten können,
heißt schon, dass das Crew Resource Management, das wir betreiben,
zum Erfolg führt.“
Doch kann man die Wirksamkeit
solcher Trainings auch empirisch
belegen?
Eine Reihe von Wissenschaftlern/
innen beschäftigt sich mit diesem
Thema und es gibt Befunde, die
darauf hindeuten, dass CRM tatsächlich Erfolge erzielt9,18,21,22.
Bei solchen Evaluationen bezüglich der Wirksamkeit von CRM
Trainings wird häufig mit Kirkpatricks Modell der vier Stufen der
Evaluation gearbeitet, welches bereits auf Seite 44 erläutert wurde.
Abbildung 9: Die 4 Stufen der Evaluation
Zur Erinnerung: die vier Stufen
sind (bei der niedrigsten beginnend) Reaktionen, Lernen, Verhalten und Ergebnisse auf organisationaler Ebene. Reaktionen beziehen
sich darauf, wie die Teilnehmer/innen das Training empfunden und
beurteilt haben. Lernen bedeutet,
ob Wissenszuwachs und Einstellungsveränderungen in Bezug auf
Prinzipien, Fakten oder Fertigkeiten stattgefunden haben. Verhalten
meint, ob das Gelernte auch bei
der Arbeit angewendet wird und
Ergebnisse auf organisationaler
Ebene beziehen sich schlussendlich darauf, ob sich für die Organisation Veränderungen beobachten
lassen, wie z.B. eine Erhöhung der
Sicherheit oder Produktivität oder
Senkung von Fehlern und Kosten23.
In vergangenen Untersuchungen
konnte vor allem gezeigt werden,
dass CRM grundsätzlich positive
63
Crew Resource Management
Reaktionen erzeugt, dass Lernen
stattfindet, was hauptsächlich damit zusammenhängt, dass es zu
einem Einstellungswandel kommt,
und dass es ebenfalls zu den erwünschten Verhaltensänderungen
im Cockpit führen kann. Was jedoch zumindest empirisch noch
nicht ausreichend bestätigt werden
konnte, ist, dass CRM Training zu
einem Anstieg der Sicherheit führte. Dies begründet sich aber zum
großen Teil dadurch, dass nur sehr
wenige Untersuchungen vorhanden sind, die sich (ausschließlich)
mit der 4. Stufe befassen, da diese
generell schwieriger zu erfassen
ist20. Warum werden Sie später sehen.
Salas und Kollegen/innen (2006)20
betrachteten 28 bestehende Studien, die sich mit der Wirkungsweise
und Effektivität von CRM Training
beschäftigten. Diese Studien betrafen nicht nur CRM Trainings in
der Luftfahrt, sondern z.B. auch in
der Medizin, dem Militär, oder in
der nuklearen Energieerzeugung.
Von diesen 28 Studien evaluierten 13 die Stufe 1 von Kirkpatricks
Modell, nämlich Reaktionen. Für
die Evaluation ausschließlich auf
dieser Stufe wurden mehrheitlich
positive Ergebnisse gefunden. Allerdings sagt dieses Level am wenigsten über die Effektivität von
CRM aus. Am besten sollte man
immer möglichst viele der Stufen
in eine Evaluation mit einbeziehen,
um ein repräsentatives Ergebnis zu
erzielen. Jedoch wird oftmals aus
praktischen Gründen nur die erste
und/oder zweite Stufe betrachtet.
Von den insgesamt 28 Studien untersuchten 12 die zweite Stufe: Lernen und Einstellungsänderungen.
Daten werden hierzu in den meisten Fällen mit Selbstreport-Studien gesammelt, die z.B. den Cockpit
64
Management Attitudes Questionnaire (CMAQ)24,25 beinhalten.
Studien, die sich ausschließlich mit
dieser Stufe beschäftigten, konnten
ebenfalls positive Ergebnisse aufzeigen. Viele dieser Studien bezogen sich zusätzlich auf (eine) weitere Stufe(n) und in diesen Fällen
wurden eher gemischte Ergebnisse
gefunden. Die Stufe 3 (Verhaltensänderungen in der Praxis) wurde
von 16 der 28 Studien untersucht,
ebenfalls oft in Kombination mit
anderen Stufen. Erfasst werden die
Daten dieser Stufe zumeist durch
Beobachtungen in Simulationen.
Nun kommt die Problematik: Die
letzte Stufe (Ergebnisse auf organisationaler Ebene) wurde nur in
5 Fällen untersucht, von diesen 5
beschäftigte sich eine isoliert mit
dieser 4. Stufe.
Die geringe Anzahl der Untersuchungen auf Stufe 4 geht z.T.
darauf zurück, dass generell nur
selten Unfälle in den untersuchten Bereichen passieren und dass
es hier aufgrund der langen Zeit
und mangelnden Informationen
schwierig ist, Daten zu erheben
und diese dann auch ursächlich
mit dem CRM Training in Verbindung zu bringen.
Eine Studie im Bereich Schifffahrt
fand zwar einen positiven Effekt des CRM Trainings auf einen
Rückgang der Verletzten und eine
Reduzierung der Versicherungsprämien, jedoch kann man nicht
sicher sagen, ob nicht weitere Faktorenwie bspw. die Veränderung
der Technik oder der Unwetterhäufigkeit und nicht nur das CRM
Training zu diesen Veränderungen
geführt haben19. Häufig ist aus der
Literatur außerdem nicht zu entnehmen, welche Trainingsmethoden genau bei dem evaluierten
CRM Training angewandt wurden,
wie viele Teilnehmer es pro Gruppe
gab oder ähnliche Merkmale, die
einen Einfluss auf die Wirksamkeit
haben könnten. Dies erschwert
den einheitlichen Vergleich mehrerer Studien. Ein weiterer Punkt
ist, dass das CRM Training in der
Luftfahrt nun schon viele Jahre
existiert und durchgeführt wird.
Daher ist es heute schwierig zu vergleichen, inwiefern die Luftfahrt
mit dem Training im Vergleich zu
der Zeit ohne Training sicherer geworden ist. Denn in all den Jahren,
in denen es schon CRM Training
gibt, haben sich auch viele andere
Faktoren an den Flugzeugen verändert. Marc Winnikes erinnert
sich: „Seit ich Teil der Luftfahrt
bin, seit 1997, gab es schon immer
Crew Resource Management, bzw.
damals hieß es ja noch Cockpit Resource Management.“
„Deshalb fühl ich mich schon immer
sehr sicher mit dem, was ich da mache.“
Die Entwicklung des CRM muss
dennoch weiter gehen und in den
vergangenen Jahren hat sich das
CRM Training auch bereits weiter
verbessert und angepasst: „Es war
schon immer ein Prozess, Prozeduren und Arbeitsabläufe auch zu
hinterfragen. Und die Trainings
passen sich auch deshalb an, weil
Flugzeuge sich verändern, die
Technik sich verändert und damit
auch die Form der Kommunikation und Information. Früher hatte man im Flugzeug noch Uhren,
heute, mit vielen verschiedenen
Displays ist viel mehr Information
für mich vorhanden. Allein deshalb mussten ja die Formen der
Arbeit schon angepasst werden.
Und das ist glaub ich auch ein Prozess, des sich in der Sicherheit nie-
Crew Resource Management
derschlägt und der über die Jahre
stattgefunden hat.“
Auch wenn es schwierig ist, empirische Belege für die letzte Stufe
von Kirkpatricks Modell zu erzielen, lässt die aktuelle Entwicklung
in jedem Fall darauf schließen,
dass CRM Trainings als wirkungsvoll angesehen werden. Denn auch
in anderen Bereichen außerhalb
der Luftfahrt, wie z.B. der Medizin,
der offshore-Öl Produktion oder
nuklearen
Energieerzeugungsbereichen wird nun immer mehr
CRM Training implementiert und
eingesetzt20.
In der Luftfahrt zweifelt bereits
kaum einer mehr an der Sinnhaftigkeit der Trainingseinheiten.
Marc Winnikes sagt außerdem,
dass die Akzeptanz sowieso vorhanden sei, da CRM Training dazu
beiträgt, dass alle auf der gleichen
Grundlage agieren und somit
Missverständnisse gering gehalten
werden. „Es ist in den Standard
Operating Procedures festgelegt
und somit halte ich mich einfach
daran. Das Verständnis für die Logik eines bestimmten Verfahrens
steht hinter der Notwendigkeit für
die Standardisierung dieses Verfahrens. Wenn sich jeder daran
hält, werden die Missverständnisse
gering gehalten:
Das Verständnis für die Arbeit des
Anderen und für die Organisation
der Cockpitarbeit ist dann einfach
da, meine Erwartungshaltung wird
bestätigt und damit kann man sicher auf den Flug gehen.“
Man kann hoffen, dass auch in den
anderen Bereichen bald eine solche selbstverständliche Akzeptanz
und routineartige Durchführung
der CRM Trainings stattfindet.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Was kann man an CRM noch verbessern?
Trotz zahlreicher empirischer Belege, wie den zuvor aufgeführten,
lässt sich ein gewisses Maß an Verbesserungsvorschlägen äußern.
Die fundamentale Frage, wie bereits an vorherigen Studien (siehe
weiter oben im Text: empirische
Belege)22 gezeigt, ist es, herauszufinden, ob CRM Trainings überhaupt sinnvoll sind. Dies wurde
zum Teil belegt, allerdings ist in jeder Studie darauf zu achten, welche
Variablen als Kriterium zur Überprüfung genutzt werden. Eine erste
spontane Antwort des/der Lesers/
in könnte die Anzahl der Flugunfälle sein. Wenn sich Flugzeugunfälle über die Jahre hinweg verringern, dann sei CRM wirksam.
Ganz so einfach ist es allerdings
nicht. Unfälle oder Abstürze kommen in geringen Maßen vor und
können durch die Kombination
von vielen verschiedenen Variablen entstehen, sodass es nicht möglich ist, von der Anzahl der Unfälle auf die Effektivität von CRM
Trainings zu schließen9. Deshalb
wird in den meisten Studien davon
ausgegangen, dass das Verhalten
an Bord und die Einstellungsänderung sowie die Akzeptanz der
Trainings gültige Kriterien sind.
Allerdings sind bei solchen Evaluationen auch die Kontextvariablen
zu beachten; Eine Person verhält
sich oft zu Beginn einer Simulation
nicht genauso, wie in einer realen
Stresssituation, obwohl es bei der
Durchführung von Simulationen
ebenfalls zur Entwicklung von
Stress kommen kann. Somit kann
festgestellt werden, dass es unterschiedliche Kriterien zur Messung
der Wirkung von CRM Trainings
geben kann, Akzeptanz und Einstellungsänderung sind nur zwei
von weiteren möglichen.
Des Weiteren spielen Variablen
wie Persönlichkeit der teilnehmenden Personen, Fertigkeiten des/der
Trainers/in und die Gruppendynamik bei der Absolvierung eines
CRM Trainings eine entscheidende Rolle. Besonders die Dynamik
innerhalb der Gruppe hat einen
großen Einfluss darauf, in welche
Richtung sich die Einstellung und
Akzeptanz gegenüber CRM entwickelt26. Auch Konzepte wie soziale
Identität oder sozialen Kategorisierung scheinen einen Einfluss auf
das Kommunikations- und Koordinationsverhalten der CRM-Teilnehmenden zu haben27. Um dies
an einem Beispiel zu verdeutlichen: Man stelle sich eine junge
Pilotin vor, die gerade neu bei einer Airline anfängt. Sie absolviert
einige CRM Trainings und findet
den Inhalt durchaus sinnvoll. Als
sie aber auf einige Kollegen/innen,
schon älteren Piloten/innen trifft,
spotten diese: „ach, musstest du
gerade das CRM Training machen?
Du Arme!“.
Da sich unser/e neue/r Pilot/in
nicht direkt den Kollegen/innen
entgegenstellen und so zum Außenseiter/in werden möchten, verzichtet er/sie darauf, das gelernte
auch tatsächlich anzuwenden oder
konkret anzusprechen.
Diese Situation zeigt deutlich auf,
welchen Einfluss die vorherrschende Meinung und die Akzeptanz,
außerhalb des Trainings, auf die
tatsächliche Anwendung haben
kann (siehe auch Artikel „Teamtraining? Ja! Aber richtig!“ S. 36).
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass eine Vielzahl
von Faktoren CRM Trainings beeinflussen können.
Kritisch sind auch die unterschiedlichen Schwerpunkte in CRM Trainings zwischen Airlines zu betrach-
65
Crew Resource Management
ten. Einerseits ist das Eingehen auf
die Unterschiede innerhalb der
Unternehmen positiv, anderseits
ist es aber auch fraglich inwieweit
diese Unterschiede relevant sind.
Auch hier sollte mehr psychologische Forschung betrieben werden,
um die CRM Trainings besser an
die jeweiligen Fluggesellschaften
anzupassen28.
Aufgrund neuer Erkenntnisse und
Forschungsansätze wurden und
werden CRM Trainings kontinuierlich weiterentwickelt und erweitert, mit dem Ziel, deren Effektivität zu steigern. Besonders die
Interaktion und Kommunikation
zwischen den unterschiedlichen
Personengruppen (der Kabinencrew und der Cockpitcrew) steht
im Vordergrund der Veränderungen (siehe auch „Von der Technik
zum Menschen“ S. 50). Denn es
fehle den Kabinenkollegen/innen
laut Winnikes oftmals auch an Verständnis dafür, welche Informationen in welcher Flugphase relevant
seien und für welche man in stressigen Phasen, wie dem Start, keine
Zeit habe:
„Zu
Verbesserungsmöglichkeiten
für CRM Training, würde ich eindeutig zählen dass es sinnvoll
wäre, wenn öfter mal Kabinen Kollegen bei Simulator Events mit drin
sitzen. […] um das Verständnis für
die Arbeitsintensität in bestimmten
Situationen, Flugphasen oder auch
bei Notverfahren zu kultivieren.
In diesem Zusammenhang würde
beispielsweise während des Starts
oder der Landung (Phasen hoher
Arbeitsintensität) ein Anruf wegen
Feuers in der Kabine sehr hilfreich
sein, also Situationen, die unmittelbar die Sicherheit des Flugzeuges betreffen, alles andere ist erstmal nicht
interessant.“
Im Bereich des Trainings für Cock-
66
pit kombiniert mit Kabine sei in
den letzten Jahren aber auch immer mehr dazu gekommen. Diese
Form eines CRM Trainings nennt
man „combined CRM“. Es eignet
sich besonders, um auf die verschiedenen Anforderungen in der
Arbeit sowie Vorstellungen und
Denkweisender Personengruppen
aufmerksam zu machen.
„Also als ich vor 10 Jahren angefangen habe, gab es die kombinierten Seminare noch nicht, also
offensichtlich hat man dann wohl
an irgendeinem Punkt festgestellt:
Es ist wohl ganz sinnvoll wenn die
beiden Gruppen außerhalb ihrer
Arbeit sich aufeinander abstimmen
können. Es [die Weiterentwicklung
von CRM] ist ein ständiger Prozess,
es werden Dinge erkannt, die nicht
funktionieren, und in entsprechenden Trainings dann aufgearbeitet.
Verbesserungsmöglichkeiten gibt es
natürlich immer, aber konkret wird
daran ständig gearbeitet.“
Winnikes zeigt uns somit seine
Seite von CRM in der Luftfahrt auf.
Da CRM aktuell auch auf andere
Branchen angewandt wird (siehe
auch weiter vorne in diesem Artikel und auf Seite 78), sind auch dort
gewisse Entwicklungen kritisch zu
betrachten. Es gibt aktuell wenige
empirische Untersuchungen, in
welcher Art das CRM der Luftfahrt
abgewandelt werden muss, um auf
andere Berufsfelder angemessen
eingehen zu können19. Organisationen sollten noch stärker darauf
achten, den Teamarbeitskontext
für neue Konzeptionen der Trainings standardisiert zu erheben,
zum Beispiel durch das TAKAI
(siehe S. 62). Auch ein Austausch
zwischen den unterschiedlichen
HRO’s ist relevant, um CRM Trainings gemeinsam, und nicht etwa
unabhängig oder sogar in Konkurrenz voneinander zu entwickeln29.
Abschließend ist es wichtig zu verstehen, dass CRM keine Lösung
ist, um Fehler und Risiken aus der
Luftfahrt oder anderen Branchen
komplett zu entfernen, auch nicht
durch Verbesserungen in naher
Zukunft. Es ist kein Wundermittel
gegen Unfälle, Missverständnisse
oder Abstürze. Fehler sind unvermeidliche Resultate der natürlichen Limitationen des menschlichen Verhaltens9. Trotz dieser
Limitationen können menschliche
Fehler durch adäquates Training
deutlich minimiert werden.
Tina Hees, Lydia Penkert, Ann-Kathrin
Kunze, Peter Hansen, Lucas Coerdt, Daniel
Veutgen
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Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
67
Kraftwerkssimulatoren
Abbildung 1: Leitwarte eines Kernkraftwerks im Simulatorzentrum KSG/GfS in Essen-Kupferdreh
Kraftwerkssimulatoren – bloß eine teure
Spielerei?
Es gibt viele Arten von sogenannten High Reliability Organisations
(HROs), wie etwa die Feuerwehr,
die Polizei und die Kernkraftindustrie. Kernkraftwerke sind ein starker
Repräsentant der HROs, da ein Fehler gravierende Ausmaße annehmen
kann, die die gesamte Umwelt und
alle Menschen im Umfeld noch über
Jahre gefährden können, wie man
am Beispiel von Tschernobyl sehen
kann (siehe hierzu: „Alles Käse ohne
Teamwork S.26).
68
Allerdings geschehen solche Katastrophen nicht innerhalb von Sekunden, wie es bspw. bei Notärzte/
innen oder in der militärischen
Luftfahrt der Fall sein kann. Bei
Kraftwerken sind Katastrophen oft
frühzeitig absehbar und durch gut
geschultes Personal abwendbar.
Daher wird sehr viel Wert auf das
kontinuierliche Training des gesamten operativen Personals, sowie des verantwortlichen Schichtpersonals, also der Schichtleiter/
in und der Reaktorfahrer/in in
Kraftwerken gelegt. Diese müssen
im Umgang mit den Worst-Case-Scenarios geschult werden. Die
üblichste Trainingsstrategie von
HROs ist das sogenannte „On-TheJob-Training“, bei dem das Lernen
unterstützt durch Experten/innen
in der tatsächlichen Arbeitsumgebung stattfindet1. Dies ist jedoch
durch das hohe Risiko für die Umwelt bei Kernkraftwerken nicht
möglich. Welche Möglichkeit gibt
es also, um die Angestellten bestmöglich auf alle Eventualitäten
vorzubereiten?
Kraftwerkssimulatoren
Die Antwort heißt Simulatortraining:
Wie der Name erahnen lässt, werden alle erdenklichen Situationen, auf die das verantwortliche
Schichtpersonal vorbereitet und
trainiert werden sollen, in Form
von Szenarien simuliert.
Dieses Training ist für die Betreiber/innen von kommerziellen
Kraftwerken, wie Kohlekraftwerke
von z.B. E.ON nicht verpflichtend.
In der Branche der Kernenergie ist
dies allerdings aufgrund der hohen
Risiken, die von den Kernkraftwerken ausgehen, der Fall.
Nach der Katastrophe von Fukushima beschloss die deutsche Bundesregierung im März 2011 ein
dreimonatiges Memorandum zur
Abschaltung der sieben ältesten
Kernkraftwerke und im Juli 2011
die Novellierung des Atomgesetzes zum tatsächlichen Ausstieg bis
20222. Zurzeit sind in Deutschland
noch an sieben Standorten acht
Kernkraftwerksblöcke in Betrieb.
Alle diese acht Kraftwerke, sowie
ein holländisches Kernkraftwerk
namens Borssele, halten regelmäßig ihr Simulatortraining im Simulatorzentrum KSG/GfS in Essen
Kupferdreh ab.
Dort stehen 1:1 Nachbauten der
Messwarten, die von den jeweiligen Betreibern/innen finanziert
wurden. Das heißt jedes dieser
Kernkraftwerke hat in den Räumlichkeiten des Simulatorzentrums
seinen eigenen, individuellen Simulator, in dem das verantwortliche Schichtpersonal in seiner vertrauten Arbeitsumgebung trainieren und lernen kann.
Der Bau eines solchen Simulators
beläuft sich auf etwa 20-40 Millionen Euro.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Was sind also Gründe, die für eine
Investition in Simulatoren sprechen?
Zur Klärung dieser Frage sprach
ich mit Herrn Dietmar Dusmann,
der als Abteilungsleiter für Strategische Geschäftsentwicklung und
Fachkunde/Didaktik für das Simulatorzentrum KSG/GfS arbeitet. Herr Dusmann ist dort bereits
set rund 25 Jahren angestellt, hat
zwanzig Jahre Erfahrung als Simulatortrainer und beschäftigt sich
u.a. mit der Ausbildung der eigenen Mitarbeiter/innen. Nachdem
er sein Elektrotechnik Studium in
Hannover als Diplomingenieur
abschloss, begann er bei KSG/GfS
seine Ausbildung zum Simulatortrainer. In dieser Zeit arbeitete er
unter anderem ein halbes Jahr in
einem Kraftwerk und trainierte im
entsprechenden Simulator. Diese
Erfahrung machen alle Simulatortrainer/innen während ihrer Ausbildung. Dadurch sollen sie sich
technisch auf einem Niveau mit
den Schichtleitern/innen befinden und in der späteren Ausübung
ihres Berufs die Arbeit der Teilnehmern/innen nachempfinden
können. Die Prüfung, mit der die
Ausbildung abgeschlossen wird, ist
vergleichbar mit der abschließenden Prüfung der Schichtleiterausbildung.
KSG/GfS bietet viele verschiedene
Arten von Trainings an. Zum Beispiel Kurse zur Erstausbildung des
Schichtpersonals, spezielle Kurse
für Führungskräfte, Sonderkurse
für beispielsweise Handwerker/
innen eines Kraftwerks oder Angehörige von Behörden, um diesen
ein Verständnis für die Abläufe innerhalb der Warte zu vermitteln.
Bei den Trainings, die über das
Jahr verteilt am häufigsten abgehalten werden, handelt es sich um
Wiederholungskurse. Das verantwortliche Schichtpersonal besucht
diese zwei Mal pro Jahr für jeweils
eine Woche.
Diese Wiederholungskurse werden in Kooperation und Rücksprache mit den verantwortlichen
Ausbildungsleitern der Kraftwerke
vorbereitet. Nach etwa 10 Wochen
sind die Kursvorbereitungen fertig. Pro Simulatortrainer/in und
Jahr finden rund zehn bis zwanzig Wiederholungskurse statt. Der
Rahmen eines solchen Trainings
ist zum Teil gesetzlich vorgegeben,
allerdings besteht Raum für den
Fokus auf gewisse Abläufe. Diese
Schwerpunkte können sowohl aus
der Auswertung vorheriger Trainingseinheiten, also von Seiten
der Trainer/in, sowie aus den Beobachtungen der verantwortlichen
Ausbildungsleiter/innen der Kraftwerke oder auch aus Betriebserfahrungen hervorgehen. Diese Betriebserfahrung entsteht durch die
Beobachtung von menschlichen
und technischen Vorkommnissen in anderen Kraftwerken. Dort
gemachte Fehler sollen auf diese
Weise im Simulatorkurs thematisiert werden.
An jedem Training nehmen ein/e
Schichtleiter/in, ein/e Schichtleiter-Vertreter/in, zwei bis drei
Reaktorfahrer/innen bzw. Operateure/innen und manchmal auch
ein/e Elektromeister/in, sowie ein
bis zwei Simulatortrainer/innen
teil, die im Hintergrund sitzen und
die Simulation steuern, sowie das
Verhalten der Gruppe beobachten,
dokumentieren und auswerten.
Im ersten Ausbildungsjahr absolviert das Schichtpersonal etwa
14 bis 18 Kurswochen, was über
dem gesetzlich vorgeschriebenen
69
Kraftwerkssimulatoren
Pensum von 6 bzw. 7 Wochen
liegt. Diese Zeit ermöglicht es den
Auszubildenden sich in der Warte
zurecht zu finden, Dinge auszuprobieren und Fehler zu machen. Eine
Messwarte hat bis zu ca. 30.000
Input-/Output-Punkte, die überwiegend analog und durchweg relevant sind. Vereinfachte, digitale
Anzeigen dürfen bei kritischen
Entscheidungen nicht als Entscheidungsgrundlage dienen. Daher ist
es von allergrößter Wichtigkeit,
dass die Auszubildenden lernen,
wie die Technik funktioniert und
welche Bedeutung die zahlreichen
Anzeigen haben.
Zudem sollen sie die Ausübung
der Regeln, die im Betriebshandbuch niedergeschrieben sind, lernen und nicht-technische Fertigkeiten, wie die Kommunikation,
im Arbeitsalltag anwenden ohne
darüber nachzudenken. Während
eines Trainings und innerhalb eines Teams herrscht in der Regel
eine vertrauensvolle Atmosphäre,
denn das Schichtpersonal bleibt oft
über längere Zeit in derselben Formation zusammen und sie bauen
durch die gemeinsame Ausbildung
Vertrauen auf. Das schafft eine abgeflachte Hierarchie, in der alle frei
sprechen können.
Das Schichtpersonal sieht die Tage,
die es in Essen-Kupferdreh verbringt als Abwechslung zum Alltag
und als Möglichkeit zu Verbesserung, denn im „On-The-Job“-Training, also in der Realität sind die
Trainingsmöglichkeiten und der
Raum für Fehler gering. Im realen
Arbeitsumfeld werden lediglich
das Standardprozedere durchge-
Abbildung 2: Simulatorzentrum KSG/GfS in Essen-Kupferdreh
70
führt, sowie einige Systemtests, um
zu prüfen, ob Sicherheitssysteme,
die selten oder nie genutzt werden,
im Anforderungsfall noch funktionieren.
Das Simulatorzentrum hingegen
bietet die Möglichkeit vier Arten
von Szenarien zu simulieren: Standardsituationen, wie das Anfahren
des Kraftwerks, und anormale Situationen wie beispielsweise der
Ausfall einer von zwei Speisewasserpumpen. Anormale Situationen
werden meist durch systemseitige
Mechanismen aufgefangen, es besteht jedoch ein gewisser Entscheidungsspielraum. Weitere Szenarien sind Störfalle, bei denen die
Reaktion weitestgehend automatisiert abläuft, sowie auslegungsüberschreitende Ereignisse wie die
Katastrophe von Fukushima 2011,
Kraftwerkssimulatoren
1 Kluge, A. (2008). Simulatortrainings für Prozesskontrolltätig-
die Handmaßnahmen erfordern.
Die jeweilige Schulungsrelevanz
dieser Szenarien lässt sich wiederum an Hand von vier Kategorien
beurteilen: Selten, belastend, komplex und sensibel.
Sensibel meint Szenarien, in denen
ein kleiner Fehler große Folgen haben kann.
Herr Dusmann bot mir die Möglichkeit selbst zu erfahren, wie sich
ein belastendes Szenario im Simulator anfühlt: Über den gesamten
Raum verteilt blinken Anzeigen
auf und es ertönen Alarmtöne. Es
erschien mir als Laie unmöglich,
einen Überblick über diese Reizüberflutung zu bekommen und
alle einströmenden Informationen
zu verarbeiten.
Wenn die Teilnehmer/innen eines der oben genannten Szenarien
durchlaufen haben, gibt es in der
Regel im direkten Anschluss ein
Debriefing, also eine Rückmeldung
über die Ergebnisse des Trainings
und den Beobachtungen des/r
Trainers/in. Das Debriefing findet
außerdem nach jedem Tag, sowie
zum Abschluss einer Trainingswoche im Simulatorzentrum statt.
Zunächst gibt der/die Trainer/in
eine technische Zusammenfassung, um ein gemeinsames Verständnis der Übung zu schaffen
und es werden Fehler angesprochen, die das Team gemacht hat.
Das heißt sowohl in der Ausführung der Regeln des Betriebshandbuchs, sowie nicht-technische Fehler, wie eine schlechte Kommunikation oder schlechtes Führungsverhalten. Die Schlüssel für ein
möglichst erfolgreiches Debriefing
sind unter anderem eine gute und
vertrauensvolle Atmosphäre, das
Stellen offener Fragen, offene Diskussionen und positive Verstär-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
kung .
3
keiten am Bsp. von Raffinerien: Psychologische Trainingsprinzipien für die Praxis. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, 62(2),
Nach diesem Einblick in das Simulatortraining beim Simulatorzentrum KSG/GfS stellt sich also
wieder die Frage: Handelt es sich
bei Simulatortraining bloß um eine
teure Spielerei?
Die Antwort lautet eindeutig nein.
Und um es mit den Worten von
Dietmar Dusmann auf den Punkt
zu bringen: „Simulatortraining ist
richtig und wichtig.“
97-109.
2 Bundestag beschließt Atomausstieg und Energiewende. 02.
Februar 2015, URL: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/34938007_kw26_de_energiewende/205804
3 Rall, M., Manser, T. & Howard, S. K. (2009). Key elements of
debriefing for simulator training. European Journal of Anaesthesiology, 17(8), 516-517.
Denn zusammenfassend lässt sich
festhalten, dass das Simulatortraining eine ganze Menge von Möglichkeiten bereithält: Durch den
1:1 Nachbau der Leitwarte bleibt
der Transferaufwand beim Umsetzen des Gelernten für die Teilnehmer/innen gering. Sie können
im Simulator lernen sich zu Recht
zu finden, können Fehler machen,
um diesen in der Realität vorzubeugen, bekommen Routine in
Standardabläufen und werden auf
Ausnahmefälle vorbereitet.
Die Betreiber/innen der Kraftwerke können das Leistungsniveau ihres verantwortlichen Schichtpersonals messen, sowie Schwächen und
Stärken in den Fokus rücken. Dadurch können sie die Einhaltung
von Standards garantieren. Außerdem können sie neue Prozeduren,
sowie technische Änderungen am
Kraftwerk, auf alle Eventualitäten
und möglichen Störfälle hin testen
und ihr Betriebshandbuch daraufhin verbessern.
Davon abgesehen liegen die durchschnittlichen Kosten für den Ausfall eines Kernkraftwerks bei etwa
einer Million Euro pro Tag und
unterstreichen damit die Notwendigkeit in das Simulatortraining zu
investieren.
Lucas Coerdt
71
Anwendungsgebiete von CRM
Weitere
Anwendungsgebiete von CRM
Durch den Erfolg des CRM’s in der Luftfahrt (Crew Resource Management, mehr zu dem Thema finden Sie im
gleichnamigen Artikel auf S.54), ist CRM von einer Reihe anderer Branchen übernommen worden. Doch welche
Branchen sind das? Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Branchen, denen ein hohes Maß an Zuverlässigkeit
und Teamarbeit abverlangt wird, also Branchen wie die Medizin, die Ölförderung, dem zivilen Schiffsverkehr, die
Feuerwehr, die Polizei und die Flugverkehrskontrolle1.
Die
Wissenschaftler/innen
O‘Connor und Flin (2003)
haben
festgestellt,
dass
CRM-Schulungen bspw. von
Vorteil für die Arbeit auf Ölund Gasplattformen (Offshore-Oil-Industrie) sein könnten.
Denn genau wie in der Luftfahrt
ist auch auf Öl- und Gasplattformen eine umfangreiche Teamarbeit gefragt, die genau wie die
Luftfahrt durch sehr gefährliche
Zustände gekennzeichnet ist. In
ihrer Umfrage, betreffend die
Belegschaft auf sechs britischen
Ölplattformen, waren sich 70%
der Arbeitnehmer/innen einig,
72
dass die meisten Unfälle auf
menschliches Versagen zurück
zu führen sind. Darüber hinaus gaben über ein Drittel der
Befragten an, dass „mangelnde
Sorgfalt und Aufmerksamkeit“
die häufigsten Unfallursachen
sind. Die Untersuchung von
1268 Vorfällen auf Öl- & Gasplattformen hat gezeigt, dass
menschliche Fehler auf Offshore-Anlagen auftreten können1.
Doch was macht die Arbeit auf
einer Ölplattform so besonders?
Die Arbeit auf einer Ölplattform
ist gekennzeichnet durch z.B.
12-Stunden Schichten in einem
beengten Arbeitsumfeld unter
klimatischen Extrembedingungen. So können z.B. eine mangelnde Sorgfalt bei Routinearbeiten und eine vorherrschende
Übermüdung zu verlangsamten
kognitiven Prozessen bzw. Reaktionsvermögen der Arbeiter/
innen führen. Eine falsche oder
nicht vorhandene Reaktion
des/r Arbeiters/in auf bspw. das
Erklingen eines Brandmelders
oder das Missachten sicherheitsrelevanter
Handlungen,
kann verheerende Auswirkungen haben. O‘Connor und Flin
(2003) fanden heraus, dass sich
Anwendungsgebiete von CRM
ein Teil der 1268 Vorfälle auf
sechs CRM-Kernbereiche zu
beziehen scheint: Teamarbeit,
Führung, Situationsbewusstsein,
Entscheidungsfindung, Kommunikation und Bewusstsein der
persönlichen Grenzen. O‘Connor und Flin (2003) stellten fest,
dass ein 3-Tages CRM-Training
für Öl-& Gasplattformen, welches sich auf diese sechs Themenbereiche stütze, positive Effekte auf die Entscheidungsfindung und auf die Einschätzung
der persönlichen Grenzen der
Teammitglieder hat1.
Anwendungsgebiet Gesundheitswesen
Ein weiteres Anwendungsfeld
dieser sicherheitsförderlichen
Trainings ist das Gesundheitswesen. Ähnlich wie in der
Luftfahrt werden auch im Gesundheitswesen schwierige Entscheidungen getroffen, die bei
Fehlentscheidungen besonders
schwerwiegende Auswirkungen
(für die Patenten/innen) haben
können. Wir alle kennen die
Berichte bei denen das falsche
Knie durch eine Seitenverwechselung operiert oder sogar amputiert wurde. Doch wie entstehen solch gravierende Fehler?
Schaut man sich das Arbeitsumfeld im Gesundheitswesen
an, fällt besonders auf, dass es
sich um eine dynamische Arbeitsumgebung handelt, in der
komplexe Entscheidungen getroffen werden müssen2. In der
Absichts-und
Handlungsorganisationstheorie von Dörner und Schaub (1994) sind
menschliche Fehler in komplexen Situationen auf kognitive
und auf motivationale UrsaWissenschaft & Praxis
Februar 2015
chen zurück zu führen3. Die
kognitiven Ursachen sind zum
einen durch die begrenzte Verarbeitungskapazität des Denkens und zum anderen durch
die begrenzte Kapazität des Gedächtnisses bedingt. Die motivationale Ursachen sind auf die
Überwertigkeit des aktuellen
Motivs und den Schutz des eigenen Kompetenzempfindens
zurück zu führen3. Es herrscht
in den meisten Fällen ein intensiver Zeitdruck, bei dem von
jeder Person in kürzester Zeit
die vollste Aufmerksamkeit und
Arbeitsbereitschaft
verlangt
wird. Zudem müssen sich Personen oft schnell in ungewohnten Situationen und fremden
Teams organisieren, ohne vorab
die Möglichkeit gehabt zu haben, sich ausreichend in die Arbeitsabläufe und in die gesamte
Arbeitssituation einzuarbeiten.
Anästhesiologie und entwickelte das sogenannte Anaesthesia
Crisis Resource Management
(ACRM).
Das ACRM ist die abgeleitete
Form des CRM Trainings für
die Anästhesiologie. Dabei wurde die Trainingsphilosophie des
ACRMs dem der bestehenden
Gesundheitsversorgung angepasst. Das Besondere am ACRM
ist, dass es äußerst realistische
Simulationsszenarien beinhaltet, die gerade die komplexen
Entscheidungsfindungen und
die Interaktion mit mehreren
Personen trainiert4.
Dazu dient mitunter die Durchführung von Szenarien an Trainingspuppen, welche gefilmt
werden können.
„Simulatortraining ist gut etabliert, um technische und
nicht-technische Fertigkeiten in
Der Wissenschaftler Gaba kritischen Situationen zu ver(2001) erkannte diesen poten- bessern.“ 5 „Durch die intensive
ziellen „Human Factor“ in den Auseinandersetzung mit ent1990er Jahren im Bereich der sprechenden realitätsnahen Ver-
Abbildung 1: CRM ist auch im Gesundheitswesen unerlässlich. Gaba entwickelte hierfür das sogenannte ACRM
73
Anwendungsgebiete von CRM
haltensanforderungen bewirken
Simulatortrainings in der Anästhesie außerdem Verbesserungen
ACRM-relevanter Einstellungen
und Kompetenzen; d.h. die Teilnehmer fühlen sich Zwischenfällen im OP in Zukunft besser gewachsen.“6
Die Videobänder der durchgeführten Simulationen werden
anschließend dazu verwendet,
die getroffenen Entscheidungen
der Probanden/innen zu analysieren und gemeinsam zu besprechen.
„Wichtig ist zu betonen, dass der
Simulator selbst nur ein Werkzeug ist. Der Lerneffekt wird
durch die geschickte Gestaltung
der Simulation und v. a. in den
Nachbesprechungen (Debriefing)
erzielt. Ein Simulator ohne einen
guten, auch CRM-geschulten Instruktor, ist nichts.“7
Die Verbesserungen durch
den Einsatz von ACRM-Trainings in der Anästhesiologie
führten dazu, dass dieser Trainingsansatz in weiteren Gesundheitsbereichen, wie in der
Not-und Unfallmedizin und
in der Intensivpflege eingesetzt
wird. Heutzutage findet man
das ACRM in den wichtigsten
Gesundheitseinrichtungen der
Welt vor. Gerade das Simulation Based Training auf Basis von
CRM-Grundsätzen wird aktuell
in vielen medizinischen Einrichtungen, wie z.B. im Universitätsklinikum Essen und Dresden, eingesetzt6.
CRM auf hoher See
Auch das sogenannten Bridge
Resource Management (BRM),
welches die maritime Version
74
(lat. maritimus ,zum Meer gehörig’)8 des CRMs ist, wird seit
über einem Jahrzehnt in der
maritimen Industrie genutzt9.
BRM wurde ursprünglich entwickelt, um die Beziehung zwischen Kapitän und den Piloten
(ein Nautiker bzw. Seemann,
der an Bord kommt, um ein
Schiff durch gefährliche oder
überlastete Gewässer zu führen)
zu verbessern und wurde 2006
in den Lehrplan der Surface
Warfare Officers (SWO) eingeführt10. Doch was sind SWOs?
SWOs sind US-Marineoffiziere
und bilden das Rückgrat z.B.
der Flottenführung der US-Navy. Sie unterstützen die Luftkriegsführung und sind an Versorgungsmissionen beteiligt9.
Das Marine BRM Training wurde ausgehend vom zivilen BRM
Training an das der US-Navy
angepasst. Doch ist das BRM
überhaupt wirksam? Die Menge
der Literatur über die generelle
Anwendung der BRM Ausbildung und ihrer Effekte auf die
Teamleistung ist viel kleiner,
als die Menge der Literatur der
CRM-Schulungen in der Aviatik9 . Zudem gibt es nur drei Bewertungen, die die Wirksamkeit
von BRM Ausbildungen darstellen, von denen jedoch keines in
Fachzeitschriften veröffentlicht
wurde. Byrdorf (1998) berichtet, dass über einen Zeitraum
von vier Jahren die BRM Ausbildung mit den behandelten
Themen „Ressourcenmanagement“, „Durchsetzungsvermögen“, „Kommunikation“, „Teamarbeit“ und „Stressbewältigung“
zu einer Verringerung der (nautischen) Unfallrate und zu einer
Reduktion der Versicherungsbeiträge von insgesamt 15% geführt hat12.
CRM in der Feuerwehr
Ein weiteres Anwendungsfeld
von CRM ist die Berufsfeuerwehr (Ein Interview zu diesem Thema mit der Feuerwehr
Köln finden Sie im „Die Zukunft
von CRM“ auf Seite 76). Die
Berufsfeuerwehr gehört ebenfalls zu den Branchen, denen
ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Teamarbeit abverlangt wird, denn menschliche
Fehler und Teamprobleme wie
z.B. Kommunikationsstörungen, Probleme in den Koordinationsprozessen oder Fehler
bei der Entscheidungsfindung
gelten als Hauptursachen von
Unfällen und Störungen13. Um
diesen Schwachstellen in der
Arbeit entgegen zu wirken werden Teamtraining-Interventionen, wie bspw. das sogenannte
Team Resource Management,
eingesetzt. Für diese Teams ist
es ebenfalls sehr wichtig, dass
in Einsatzsituationen relevante
Informationen aus der Umwelt
so schnell wie möglich mit den
anderen Teammitgliedern geteilt und ausgetauscht werden
können13. Hagemann und Kluge (2013) stellten fest, dass das
Team Resource Management
ähnliche Effekte aufweist wie
das etablierte Crew Resource Management aus den Anwendungsgebieten wie z.B. der
Luftfahrt oder der Ölförderung.
Bezüglich einer in den Arbeitsalltag integrierten Debriefing-Methode, ließ sich zudem
feststellen, dass diese einen positiven Effekt auf die Reaktionen
und eigene Bewertung des Lernerfolgs hatte. Hagemann und
Kluge (2013) zeigten diesbezüglich, dass über einen Zeitraum
von sieben Monaten das Aus-
Anwendungsgebiete von CRM
maß des erworbenen Wissens
zwar nicht konstant gehalten
werden konnte, aber die Teammitglieder immer noch deutlich
mehr Wissen aufwiesen, als vor
dem Training. Somit konnte
eine langfristige Wirkung der
TRM Intervention demonstriert werden13.
Das Crew Resource Management ist eine auf die Praxis ausgerichtete Teamtrainingsstrategie, welche weltweit eingesetzt
wird. Obwohl es noch einige
Probleme in der Anwendung
wie z.B. beim BRM der SWOs
gibt, ist eine Erhöhung der Sicherheit in gefahrenbasierten
Branchen durch die Minimierung der Human Factors bedingten Fehler und Unfälle mit
Hilfe dieser Trainingsstrategien weiterhin sinnvoll. Der Erfolg und die damit verbundenen vielfältigen Potenziale des
CRMs führen zu einer ständigen und branchenübergreifenden Weiterentwicklung. Die
Philosophie des CRMs sollte
ein grundlegender Antrieb für
alle Hoch Risiko Organisationen sein, um kritischen Situationen vorzubeugen und Unfälle
auf das gewünschte Ziel „Null“
zu reduzieren1.
1 O’Connor, P. & Flin, R. (2003). Crew Resource Management
training for offshore oil production teams. Safety Science, 41,
591–609.
2 Antoni, C. & Hertel, G. (2009). Team processes, their antecedents and consequences: Implications for different types of
teamwork, European Journal of Work and Organizational
Psychology, 18(3), 253-66.
3 Dörner, D. & Schaub, H. (1994). Errors in planning and decision-making and the nature of human information processing.
Applied Psychology: An International Review, 43(4), 433-453.
4 Gaba, D. M., Howard, S. K., Fish, K. J., Smith, B. E. & Sowb, Y.
A. (2001). Simulation-based training in anesthesia crisis resource management. Simulation & Gaming, (32)2, 172-193.
5 Müller, M. et al. (2009). Excellence in performance and stress
reduction during two different full scale simulator training courses:
A pilot study. Resuscitation, 80(8), 919-924.
6 Schaper, N., Bayer, Y., Röhricht, C., Bernhard, G. & Grube, C.
(2005). Ist ACRM- Training beim Umgang mit anästhesiologischen Zwischenfällen wirklich effektiv? In K. Karrer, B. Gauss,
& C. Steffens (Hrsg.), Mensch- Maschine-Systemtechnik aus Forschung und Praxis (S. 333-350). Düsseldorf: Symposion.
7 Rall, M., Schaedle, B., Zieger, J., Naef, W. & Weinlich, M.
(2002). Neue Trainingsformen und Erhöhung der Patientensicherheit, Sicherheitskultur und integrierte Konzepte. Unfallchirurg, 105(11), 1033-1042.
8 maritim(Adjektiv). 2. Januar 2015, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Maritim%28Adjektiv%29
9 O‘Connor, P. (2011). Assessing the Effectiveness of Bridge Resource Management Training, The International Journal of Aviation Psychology, 21(4), 357-374.
10 O’Connor, P., Hahn, R. & Salas, E. (2010). The U.S. Navy’s
Crew Resource Management program: The past, present, and
recommendations for the future. In P. O’Connor & J. Cohn
(Eds.). Human performance enhancements in high-risk environments: Insights, developments, and future directions from military
research (pp. 90–105). Santa Barbara, CA: ABC- Clio.
11 Americas Navy, 2. Januar 2015, unter: https://www.navy.
com/careers/engineering-applied-science/surface-warfare-o f -
Peter Hansen
ficer.html#ft-key-responsibilities
12 Byrdorf, P. (1998). Human factors and crew resource management: An example of successfully applying the experience from
CRM programmes in the aviation world to the maritime world.
Paper presented at the 23rd Conference of the European Association for Aviation Psychology, Vienna, Austria.
13 Hagemann, V. & Kluge, A. (2013). The effects of a scientifically-based team resource management intervention for fire
service teams. Human Factors and Ergonomics, 2(2/3), 196-216.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
75
CRM in der Feuerwehr
Die Zukunft von CRM!
Lässt sich CRM auf andere High Reliability
Organisationen übertragen?
Über die Einführung von CRM in der Kölner Berufsfeuerwehr
In Deutschland gibt es im Jahr mehr
als 3,5 Millionen Einsätze für die
Feuerwehr, die sich auf 102 Berufsfeuerwehren und 24 000 Freiwillige
Feuerwehren verteilen1. Der Aufgabenbereich der Feuerwehr deckt ein
großes Spektrum an Tätigkeiten ab.
Zum einen wird bei Unglücksfällen
Hilfe geleistet, wie z.B. technische
Hilfe, sowie bei Schadensfeuern die
Brandbekämpfung. Eine weitere
Aufgabe ist der Einsatz bei öffentlichen Notfällen, die beispielsweise
durch Naturkatastrophen hervorgerufen werden. Außerdem stellt der
Rettungsdienst eine Tätigkeit dar,
die von der Feuerwehr und unterstützend durch die Hilfsorganisationen (u.a. Malteser, Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz,
Johanniter-Unfall-Hilfe)
bereitgestellt wird. Eine unentbehrliche
Funktion der Feuerwehr ist nicht
nur der tatsächliche Einsatz, bei
dem ausgerückt werden muss, sondern ebenfalls die Prävention, z.B.
durch den vorbeugenden Brandschutz zur Vorbeugung von Bränden. Hierzu zählen unter anderem
die Brandschutzer­
ziehung sowie
die Brandschutz­aufklärung2. Die
Tätigkeiten und Hauptaufgaben
sind gleichberechtigt. Die Einsatz-
76
häufigkeit in den verschiedenen Bereichen ist aber unterschiedlich. In
Köln werden mehr als die Hälfte der
Rettungsdienst Einsätze von der Berufsfeuerwehr Köln übernommen.1
Mit über 1100 Mitarbeiter/innen
ist sie die größte Berufsfeuerwehr
Nordrhein-Westfalens, und außerdem die viertgrößte in Deutschland.
Dort steht der Rettungsdienst mit
ca. 110 000 Einsätzen jährlich an
erster Stelle, wohingegen der Brandschutz, die Hilfeleistung und der Katastrophenschutz mit 13 000 Einsätzen pro Jahr weniger häufig sind3.
Feuerwehr als High Reliability
Organisation
Die Feuerwehr ist eine Organisation, in der die Arbeit durch eine
hohe Verantwortung in gefahrvollen Situationen sowie unter Zeitdruck gekennzeichnet ist. Unter
diesen Bedingungen kann es aufgrund von z.B. fehlerhafter Kommunikation oder Versäumnissen
in der Situationswahrnehmung
zu Fehlern in der Arbeitsweise,
Arbeitsdurchführung und Ausübung eines Einsatzteams kommen, insbesondere auf der Ebene
der Teamprozesse. Die Folgen von
Fehlern innerhalb dieser Abläufe
können zur Reduzierung der Patienten- sowie Einsatzkraftsicherheit
führen. Um diese mögliche Fehlerquote, die nicht technischer Natur
ist, gering zu halten oder zu eliminieren, ist es sinnvoll, ein Bewusstsein der teaminternen Prozesse zu
schaffen. Aus diesem Grund wird
seit Anfang dieses Jahres ein Crew
Resource Management (CRM)
Training im Rettungsdienst Köln
durch die Berufsfeuerwehr Köln
geschult. Mit dem dort erworbenen Wissen, z.B. auf welche Details
in welchen Situationen verstärkt
geachtet werden muss, können
zielgerichtete und sichere Handlungsweisen im Einsatz unterstützt
werden. Im Folgenden soll ein
erstes gegenwärtig entwickeltes
Schulungskonzept für die Einführung von CRM in einer deutschen
Berufsfeuerwehr innerhalb des
Rettungsdienstes vorgestellt werden. Für Informationen über die
Einführung von CRM bei der Feuerwehr Köln innerhalb der Fortbildung von Rettungsdienstlern/innen stand uns ein Mitarbeiter der
Berufsfeuerwehr Köln zur Verfügung. Seine Aufgabe als Ausbilder
CRM in der Feuerwehr
im Führungs- und Schulungs-Zentrum der Berufsfeuerwehr Köln
ist u.a. die Planung, Ausarbeitung
und Durchführung der Fort- und
Weiterbildung innerhalb der Feuerwehr und des Rettungsdienstes
Köln.
Auch die Feuerwehr zählt neben
der Luftfahrt zu den High Reliability Organisations (HRO),
Hoch-Zuverlässigkeits-Organisation, in denen unter gefährlichen
Umständen gehandelt wird und
in denen technische Fehler fatale Folgen haben können, sodass
eine möglichst hohe Sicherheit
gewährt werden sollte. Da dies ein
hohes Maß an Verantwortung von
Seiten der Mitarbeiter/innen voraussetzt, werden die Teams auch
High Responsibility Teams (HRT),
Hoch-Verantwortungs-Teams, genannt. Denn sie sind sowohl verantwortlich für die eigene Sicherheit, als auch die der Menschen,
mit denen sie in ihrer Arbeit zu
tun haben. Die besondere Charakteristik eines HRTs ist das ständige Einstellen auf unbekannte und
dynamische Situationen, in denen
es besonders wichtig ist, den Informationsfluss und die Kommunikation untereinander zu koordinieren4.
Wenn wir über die Feuerwehr
sprechen, so sollten wir zunächst
klären, welche Hauptaufgaben in
der Feuerwehr erfüllt werden. Zum
einen gibt es den Brandschutz, das
ist das, was sich die Allgemeinheit unter der Feuerwehr vorstellt,
also die Bekämpfung von Bränden und technische Hilfe. Einen
anderen Arbeitsbereich stellt der
Rettungsdienst dar, also das Rettungsdienstpersonal (Rettungsassistent/in, Rettungssanitäter/in),
welches im Rettungswagen zum
Einsatzort fährt und medizinische Versorgung leistet. Ein dritter
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Abbildung 1: Im Notfall ist 112 oft die erste
Wahl
Aufgabenbereich in der Arbeit der
Berufsfeuerwehr Köln ist die Leitstelle. Dort sitzen die Disponenten/innen, welche die eingehenden
Notrufe mit der Notrufnummer
112 entgegennehmen, und anhand
der Informationen, die sie vom/
von der Anrufer/in erhalten, die
nötigen Einsatzmittel disponieren.
Die Alarmierung erfolgt mit Hilfe
einer Durchsage an die Feuer- und
Rettungswachen, woraufhin die
benötigten Einsatzkräfte zum Einsatzort ausrücken.
CRM bei der Feuerwehr in Theorie und in Praxis
Da das CRM-Training ursprünglich aus der Luftfahrt stammt und
nun auf die Feuerwehr übertragen wird, galt es eine spezifische
Trainingsmethode für den Kontext der Feuerwehr zu entwickeln.
Dafür wurde von Vera Hagemann
anhand von Beobachtungen von
HRTs sowie Interviews mit Mitarbeitern/innen aus diesem Bereich
das Team-Arbeit-Kontext-Analyse-Inventar (TAKAI) entwickelt,
das es ermöglicht die jeweiligen
Arbeitskontexte systematisch zu
erfassen. Diese Erhebung bildet
die Grundlage, auf der die Lernziele für ein CRM-basiertes Training
festgelegt werden, und an denen
die Trainingsinhalte ausgerichtet
werden5.
Im Fokus für die Feuerwehr stehen nach dem Einsatz des TAKAI
drei Lernziele, die im Rahmen eines Crew Resource Management
Trainings bei der Feuerwehr erreicht werden sollen. Da die Feuerwehr in Teams arbeitet, spricht
Hagemann hier von Team Resource Management (TRM) Training.
Zum einen ist es wichtig, dass in
dem jeweiligen Einsatz alle wichtigen Informationen zur Umgebung
und Situation gesammelt werden.
Ist dies der Fall ist Situation Awareness, ein Situationsbewusstsein
vorhanden. Das zweite Lernziel
ist das interpositionale Wissen.
Das bedeutet, dass den Teammitgliedern bewusst ist, wie sie ihre
Kollegen/innen unterstützen, indem sie die Informationen, die sie
zur Situation gesammelt haben,
mit ihnen teilen. Daraus soll am
Ende ein Shared Mental Model,
geteiltes mentales Modell, unter
den Teammitgliedern aufgebaut
werden, das auch in unbekannten
und stressigen Situationen erzeugt
wird. Es besteht darin, dass alle
durch die Situation Awareness gefilterten und relevanten Informationen aufgenommen und kommuniziert werden, sodass innerhalb
des Teams ein gemeinsames Bild
über die Situation und die Ziele
entsteht. Damit diese Lernziele erreicht werden, ist es auch sinnvoll
eine Nachbesprechung durchzuführen. Diese Nachbesprechung
heißt After-Action-Review (AAR),
Abbildung 2: Geteilte mentale Modelle erzeugen im Team ein gemeinsames Bild über die
Situation und Ziele
77
CRM in der Feuerwehr
Maik Holtz, 38 Jahre alt, wohnt in Köln
und ist seit 2000 bei der Berufsfeuerwehr
Köln beschäftigt.
Nach seinem Schulabschluss machte er
zunächst eine Berufsausbildung zum Flugzeug- und Hubschraubermechaniker und
arbeitete für die nächsten zwei Jahre in
der Luftfahrt. Anschließend machte er
sein Abitur und bewarb sich 1999 bei der
Berufsfeuerwehr. Nach seiner Ausbildung
zum Brandmeister arbeitete er sowohl im
24-Stundendienst des Brandschutzes und des Rettungsdienstes. Mitte
2011 wechselte er in das Führungs- und Schulungs-Zentrum der Berufsfeuerwehr Köln, wo er seitdem als Ausbilder für die Fort- und Weiterbildung des Brandschutz- und Rettungsdienstpersonals zuständig
ist.
die eine spezielle strukturierte Methode des Debriefings nach einem
Einsatz darstellt. Einsatznachbesprechungen bei der Feuerwehr
sind Standard, allerdings liegt hier
der Fokus auf den technischen Details des Einsatzes. Das AAR geht
jedoch darüber hinaus, da innerhalb dieses Debriefings ebenfalls
die nicht-technischen Fertigkeiten
thematisiert werden. Das bedeutet,
es findet eine Evaluation der Teamleistung statt, was zu einer Auseinandersetzung mit den Prozessen
innerhalb dieses Teams führt6.
Wenn wir im Folgenden über die
Einführung von CRM-Training
bei der Feuerwehr Köln sprechen,
hier wird der Begriff CRM statt
TRM verwendet, so bezieht sich
das in diesem Fall auf den Bereich
des Rettungsdienstes. CRM wird
hier seit Januar 2015 geschult.
CRM-basierte Inhalte, wie z.B. die
Durchführung eines AARs, werden in der 30-stündigen Rettungsdienstfortbildung vermittelt, die
jede/r Rettungsdienstmitarbeiter/
in in Nordrhein-Westfalen jährlich absolvieren muss7. Innerhalb
dieser 30-stündigen Fortbildung
werden medizinische Themen, wie
78
beispielsweise Pneumologie (Lungenheilkunde) behandelt, die im
Vordergrund stehen. Aber auch
nicht-medizinische Themen, wie
CRM, sind ein Bestandteil dieser
Fortbildungen. Somit stellt das
CRM-Training nur einen Schwerpunkt unter mehreren dar, sodass
es eine Herausforderung ist, den
Teilnehmern/innen die dem CRM
zugrunde liegenden Grundsätze
innerhalb sehr kurzer Zeit näher
zu bringen. Das Groblernziel besteht darin, dass die Teilnehmer/
innen zunächst ein Grundwissen
über das CRM aufbauen. Zum
einen werden im CRM-Training
sieben Leitfragen zur Durchführung von AARs besprochen, damit
die Teilnehmer/innen eine Nachbesprechung dieser Art abhalten
können. Dazu dient als praktische
Übung im Training das Durchführen von AARs anhand von Fallbeispielen. Zum anderen werden die
15 Leitsätze nach Rall und Gaba8
besprochen, die Handlungsanweisungen bieten, die den Themen
der CRM-Theorie, also Situation
Awareness, interpositionales Wissen und Kommunikation, Shared
Mental Modeling, sowie dem AAR
entstammen, damit ihre Inhalte
besser im CRM-Training ein- und
umgesetzt werden können. Zu
diesem Zweck erhalten die Teilnehmer/innen diese Leitsätze und
AAR-Fragen ausgedruckt, um diese stets als „To-Do-Liste“ griffbereit zu haben und besser verinnerlichen zu können.
Das After-Action-Review bei der
Feuerwehr Köln
Für die Durchführung eines AARs
im Rettungsdienst Köln wurden
die acht Stufen des AARs, wie
Hagemann (2011)6 sie für eine
CRM-basierte Intervention bei einer Feuerwehr festlegte, in sieben
Fragen umgewandelt, die im Rahmen des Debriefings abgearbeitet
werden sollen. Diese Fragen sehen
wie folgt aus:
1. Was war das beabsichtigte Ergebnis/Ziel des Einsatzes?
2. Wer hat was wahrgenommen?
3. Was war letztendlich das Ergebnis des Einsatzes?
4. Gab es einen/eine Punkt/Situation, an dem die SA (Situation
Awareness) nicht mehr vorhanden
war?
5. Konnten CRM-Leitsätze zur
Problembehebung angewandt werden?
6. Gab es positive wie negative Verhaltensweisen der Teammitglieder?
7. Welche Stärken und Schwächen
des Teams können umgesetzt werden, um zukünftige Einsätze zu
verbessern?
Diese Fragen können innerhalb
des Einsatzteams nach Abschluss
eines Einsatzes beantwortet werden. Das AAR erfolgt freiwillig und
unter Berücksichtigung des Einsatzaufkommens, der Notwendigkeit
und dem Umfang der Wiederher-
CRM in der Feuerwehr
stellung zur Einsatzbereitschaft.
Einsatznachbesprechungen nach
Einsätzen sowohl im Rettungsdienst als auch im Brandschutz
sind nicht neu. Das AAR mit den
sieben Leitfragen bietet aber durch
seine vorgegebene Struktur eine
effektive und zeitlich ökonomische
Möglichkeit den Rettungsdiensteinsatz im Team zu reflektieren.
So konnten schon positive Ergebnisse mit dieser Methode erreicht
werden schildert Herr Holtz. Er
führte nach einem Einsatz zusammen mit seinen zwei Kollegen ein
AAR durch. In den nachfolgenden
Einsätzen hatte sich die Performance des Rettungswagen-Teams
deutlich verbessert.
CRM-Leitsätze bei der Feuerwehr Köln
Die 15 Leitsätze sind dazu gedacht,
die Handlungssicherheit in kritischen Situationen zu erhöhen. Sie
stellen eine Leitschnur dar, welche
Verhaltensweisen während eines
Einsatzes besonders wichtig sind
und beachtet werden können. Das
bedeutet, sie werden innerhalb der
Schulung (kennen)gelernt, damit
sich im Idealfall im Arbeitsalltag
daran orientiert werden kann.
Trotzdem ist es erforderlich hier
darauf hinzuweisen, dass das reine
Wissen um diese Prinzipien nicht
bedeutet, dass diese Handlungsweisen direkt in der Arbeitshaltung gelebt werden. Außerdem bedeutet selbst die strikte Befolgung
der Leitsätze keinen Einsatzerfolg.
Denn sie sollen nicht eine Garantie
schaffen, sondern prägnant darstellen, wie die Kommunikation
und Entscheidungsfindung innerhalb eines Teams verbessert werden kann.
Das Aufbauen einer Situation Awa-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
reness kann unterstützt werden,
z.B. bei Beachtung der Leitsätze 1:
„Kenne deine Arbeitsumgebung.“
und 14: „Lenke Deine Aufmerksamkeit bewusst.“. Auch der aktive
Aufbau des interpersonalen Wissens kann möglicherweise durch
gezielte Kommunikation, wie beispielsweise Leitsätze 7: „Kommuniziere sicher und effektiv – sag
was Dich bewegt“ und 13: „Achte
auf gute Teamarbeit – andere unterstützen und sich koordinieren“,
gefördert werden. Und diese Faktoren können dazu beitragen, dass
innerhalb des Einsatzteams ein geteiltes mentales Modell aufgebaut
wird, wodurch die teaminterne Arbeit begünstigt werden kann.
Im Rahmen der 30 Stunden Rettungsfortbildung für das Rettungsdienstpersonal sollen die
Grundsätze von CRM detailliert
und strukturiert geschult werden,
sodass die Teilnehmer/innen verstehen und verinnerlichen, was
mit CRM gemeint ist. So berichtet
Herr Holtz, dass in der Rettungsdienstfortbildung zunächst erst
einmal drei Leitsätze besprochen
werden, um diese später für die
Praxis anwenden zu können.
Eine Komponente, die zusätzlich zu den 15 Leitsätzen hinzugefügt wurde, ist das 10-Sekunden-für-10-Minuten-Prinzip, kurz
10-für-10-Prinzip (s. Abbildung 3
CRM-Leitsätze nach Rall & Gaba
Punkte 5 und 12). Entstanden
ist dieses Prinzip aus der Beob-
Abbildung 4: Das 10-für-10 System hilft dabei,
spontane Reaktionen zu vermeiden
CRM Leitsätze nach Rall & Gaba8:
1.0 Kenne deine Arbeitsumgebung.
2.0 Antizipiere und plane voraus.
3.0 Fordere Hilfe an – lieber früh als spät.
4.0 Übernimm die Führungsrolle oder sei
04. ein gutes Teammitglied mit Beharrlich04. keit.
5.0 Verteile die Arbeitsbelastung. (10-für05. 10-Prinzip)
6.0 Mobilisiere alle verfügbaren Ressour-
90. cen.
7.0 Kommuniziere sicher und effektiv – sag
07. was dich bewegt.
8.0 Beachte und verwende alle vorhande08. nen Informationen.
9.0 Verhindere und erkenne Fixierungsfeh09. ler.
10. Habe Zweifel und überprüfe genau.
10. (Double Check; nie etwas annehmen!)
11. Verwende Merkhilfen und schlage
11. nach.
12. Re-evaluiere die Situation immer wie12. der. (10-für-10-Prinzip)
13. Achte auf gute Teamarbeit.
14. Lenke deine Aufmerksamkeit bewusst.
15. Setze Prioritäten dynamisch.
Abbildung 3: CRM Leitsätze nach Rall & Gaba8
achtung, dass es auch innerhalb
fachkundiger Teams zu Fehlern
kommen kann, die jedoch teilweise schon direkt nach dem Einsatz
erkannt werden. Dabei kann ein
Grund sein, dass es versäumt wird,
notwendiges Wissen abzurufen
und anzuwenden. Ursache dafür
können der empfundene Zeit-,
Handlungs- und Entscheidungsdruck sein, die in Situationen, in
denen eine unmittelbare Reaktion
erfolgen muss, schnell entstehen
können9.
„Bedingt durch die Notfallsituation entsteht der Eindruck, man
müsse sofort reagieren und intuitiv das Richtige tun. Dabei kommt
es dann zu Versäumnissen, Anwendung in falscher Reihenfolge,
Nichtabfragen des Teamwissens
etc.“9, S.354
Unter diesen Bedingungen kann
die Anwendung des 10-für-10-
79
CRM in der Feuerwehr
Abbildung 5: Rettungswagen der Berufsfeuerwehr Köln im Einsatz wegen eines Verkehrsunfalls
Prinzips die Fehlerwahrscheinlichkeit unter Umständen reduzieren.
Das Prinzip besagt, 10 Sekunden
Pause machen, in der alle Teammitglieder die Arbeit unterbrechen
und die Situation analysiert wird.
Dies soll dazu dienen, spontane
Reaktionen zu vermeiden, und
stattdessen eine Strategie zur Bearbeitung konzipieren. Danach
folgen die Arbeitsverteilung und
anschließend die Arbeitsausführung anhand der verfolgten Strategie. Die Arbeit wird 10 Minuten
durchgeführt, dann erfolgt erneut
eine 10-sekündige Pause, in der
evaluiert wird, ob das beabsichtige
Ziel mit dieser Strategie weiterhin
verfolgt wird oder aber ein Wechsel der Strategie oder der Arbeitsbelastung notwendig ist. Anschließend wird die Arbeit fortgesetzt,
entweder so wie vorher, oder mit
einer anderen Arbeitsweise, da
80
die Strategie geändert wurde. Die
angegebenen Zeitwerte sind nicht
vorgeschrieben, sondern fungieren lediglich als Symbole für das
dahinterstehende Konzept. Besonders sinnvoll ist der Einsatz dieser Methode zu Einsatzbeginn, in
Situationen, in denen keine Fortschritte erzielt werden können,
und immer dann, wenn Unruhe
und Hektik ausbrechen9.
Evaluation des CRM-Trainings
bei der Feuerwehr Köln
Bei jeder Rettungsdienstfortbildung kann der/die Teilnehmer/in
mit Hilfe eines Evaluationsbogens
sein/ihr Feedback zu der Veranstaltung abgeben. Nach den ersten
drei Veranstaltungen mit insgesamt ca. 120 Teilnehmern/innen
ist die Rückmeldung meist positiv.
Das Thema CRM wird interessiert
aufgenommen und man sei auf
einem guten Weg. Einige Teilnehmer/innen halten den Umfang des
CRM Unterrichtes innerhalb der
Fortbildung für zu umfangreich.
Auch einige wenige negative Aussagen gibt es, die sich darauf beziehen, dass man es nicht brauche, da
es nichts wirklich Neues darstelle.
Die Zukunft von CRM bei der
Feuerwehr Köln
Da das CRM-Training nun erst seit
kurzer Zeit Bestandteil der Tätigkeiten und der Weiterbildung innerhalb des Rettungsdienstes ist,
gilt es vor allem den Blick in die
Zukunft zu richten. In den nächsten Jahren liegt das Ziel laut Herrn
Holtz darin, dass diese Art des
Unterrichts in der Rettungsfortbil-
dung von allen Mitarbeitern/innen
angenommen und akzeptiert wird.
Dabei spielt das rein theoretische
Verständnis eine untergeordnete
Rolle, denn viel wichtiger ist es,
dass die CRM-Inhalte mit dem erworbenen Wissen aktiv gelebt und
umgesetzt werden können. Und
dies ist ein Prozess, der eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird.
Des Weiteren steht die Frage im Raum, ob und wie das
CRM-Training auch im Bereich
des Brandschutzes und der Leitstelle integriert werden kann. Die
Grundlagen des CRMs werden die
gleichen bleiben, aber da sich die
Aufgabenbereiche durchaus in den
verschiedenen Bereichen der Feuerwehr unterscheiden, wird auch
das jeweilige CRM-Training dort
angepasst werden müssen.
Außerdem gilt es für die nächsten
Jahre festzustellen, inwiefern das
CRM-Training eventuell in anderen Berufsfeuerwehren eingesetzt
wird oder werden kann. Dabei
könnte man aus den Erfahrungen
der Kölner Feuerwehr schöpfen,
die mit wenigen anderen die erste
ist, die mit CRM arbeitet. Für den
Moment besteht jedoch noch kein
Kontakt zu anderen Feuerwehren
diesbezüglich. Trotzdem wäre es
in den folgenden Jahren eine gute
Idee, die gesammelten Erfahrungen zu teilen, sodass im Endeffekt
sowohl die Feuerwehrleute als
auch die Bürger/innen davon profitieren können.
1 Planet Wissen (2011). Feuerwehr. 03. Februar, 2015: http://
www.planet-wissen.de/politik_geschichte/organisationen/berufsfeuerwehr/
2 Stadt Feuerwehr Verband Herne (2002-2015). Lexikon: Aufgaben der Feuerwehren. 08. Februar, 2015: http://www.feuerwehr-herne.net/lexikon/inhaltsverzeichnis/aufgaben-und-organisation-der-feuerwehr/aufgaben-der-feuerwehren/
3 Stadt Köln (2015). Mehrere Stellen Brandoberinspektorin beziehungsweise Brandoberinspektor bei der Berufsfeuerwehr Köln.
Ann-Kathrin Kunze
03. Februar, 2015: http://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/arbeiten-bei-der-stadt/stellenangebote/mehrere-stellen-brandoberinspektorin-beziehungsweise-brandoberinspektor-bei-der-berufsfeuerwehr-koeln
4 Hagemann, V., Kluge, A. & Ritzmann, S. (2009). Arbeitskontextspezifische Übertragung von Crew Resource Management-Trainings aus der Aviatik auf andere Hoch-Risiko-Organisationen. In M. Grandt & A. Bauch (Hrsg.), Kooperative
Arbeitsprozesse (S.245-277). Braunschweig: Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt Lilienthal-Oberth e.V..
5 Hagemann, V. & Kluge, A. (2013). The effects of a scientifically-based team resource management intervention for fire service
teams. International Journal Human Factors and Ergonomics,
2(2), 196-220.
6 Hagemann, V. (2011). Trainingsentwicklung für High Responsibility Teams. Lengerich: Pabst Science Publishers.
7 Recht.NRW (2015). Fortbildung des nichtärztlichen Personals
in der Notfallrettung und im Krankentransport. 08. Februar, 2015:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_
nr=2&ugl_nr=2129&bes_id=508&val=508&ver=7&sg=0&aufgehoben=N&menu=1
8 Rall, M., Koppenberg, J., Hellmann, L. & Henninger, M.
(2013). Crew Resource Management (CRM) und Human
Factors. In H. Moecker, H. Marung & S. Oppermann (Hrsg.),
Praxishandbuch Qualitäts- und Risikomanagement im Rettungsdienst: Planung, Umsetzung, Zertififzierung (S.149-157). MWV
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
9 Rall, M. & Lackner, C. K. (2010). Crisis Resource Management
(CRM): Der Faktor Mensch in der Akutmedizin. Notfall Rettungsmed, 13, 349-356.
Abbildung 6: Das Führungs- und Schulungszentrum der Berufsfeuerwehr Köln sowie die angrenzende Leitstelle auf dem Gelände der Feuerwache 5 in Köln-Weidenpesch
Interview Simulatortraining
„Nicken als Feedback klappt nicht“
Wir sprachen mit Ralf Hinkel über Simulatortraining, Debriefing und Kommunikation im Cockpit. Er ist ehemaliger Berufsoffizier und F4-Jetpilot der deutschen Luftwaffe,
arbeitet als ziviler Fluglehrer (Civil Instructor) und Waffenlehrer mit dem Eurofighter Simulator in Nörvenich und
ist Trainer sowie Assessor für Crew Resource Management
(CRM). Er ist für die Erstellung von Eurofighter Simulator
Datenbasen zuständig, bildet die Piloten in der Systemnutzung des Flugzeugs aus, entwickelt und evaluiert Taktiken
der Waffennutzung und überwacht die Tätigkeiten der Piloten während der Simulatorsessions.
„Im Prinzip ist es ein Handwerk“
Wissenschaft & Praxis: Herr Hinkel, Sie arbeiten als Civil Instructor, können sie uns kurz einen
Überblick geben, worin Ihre Aufgaben bestehen?
Ralf Hinkel: Ein Civil Instructor
entspricht einem militärischen
Fluglehrer. Er bildet die Piloten in
der Systemnutzung des Flugzeugs
aus. Er überwacht die Tätigkeiten
des Piloten während des Simulatorfluges. Eine Simulator Mission beginnt mit einem Briefing, in dem der
„Plan“ besprochen wird. Danach
folgt die Durchführung der Mission.
Am Ende gibt es ein „Debriefing“‘,
in dem die Durchführung mit dem
Plan verglichen wird, bewertet wird,
was gut und was weniger gut war.
Es wird also nicht nur kritisiert, es
wird auch gelobt.
In der Ausbildung werden Trainingsmodule/ -abschnitte abgehandelt, vielleicht können Sie uns
da mal kurz erzählen was typische
Module sind.
82
Typische Module sind zum einen
die fliegerische „Grund“-Ausbildung in den USA, gefolgt von der
Umschulung auf das jeweilige Einsatzmuster. Für den Eurofighter
findet diese Umschulung (Systemschulung) in Laage statt. Nach der
Systemumschulung folgt die weitere
Ausbildung zur Nutzung / Einsatz
des Flugzeugs in verschiedenen
Modulen, wie z.B. der Einsatz des
Flugzeugs auf der Alarmrotte (Baltikum).
Welche Module werden während
der Ausbildung in den USA trainiert?
Hier findet die fliegerische Grundausbildung statt. Man könnte sie
auch mit einer „Fahrausbildung“
vergleichen. Es werden Fertigkeiten
„wie fliege ich“, „wie bewege ich ein
Flugzeug unter Sichtbedingungen“
und „wie bewege ich ein Flugzeug
unter Instrumentflugbedingungen“
geschult.
Was ist das typische Anforderungsfeld an einen Kampfpiloten und haben diese sich in den
letzten Jahren im Wesentlichen
verändert oder sind die Anforderungen statisch geblieben?
Ja, aus meiner Sicht hat sich das
Anforderungsfeld an den Piloten
verändert. Die Luftwaffe betreibt
mittlerweile im Bereich Eurofighter ein Flugzeug mit Single-Cockpit. Davor war es mit der F4-F ein
Zwei-Mann-Cockpit. Also ist der
Tätigkeitsbereich des Piloten massiv ausgeweitet worden. Das zeigt
sich unter anderem beim Task-Management. Das Flugzeug „befeuert“
den Piloten während des Fluges mit
einer Vielzahl an Informationen.
Diese sollte man am besten zeitgleich wahrnehmen. Daher ist das
Anforderungsprofil ein Stück weit
intensiviert wurden. Multi-Tasking
ist jetzt noch mehr gefragt! Sie haben im Jet eine HUD (Head-up
Display), in der Fluginformationen
Interview Simulatortraining
transparent dargestellt werden. Sie
haben weitere drei Displays im unteren Sicht-Bereich, in denen weitere Informationen abzugreifen sind
und müssen zeitgleich den Flugweg
beobachten. Sind sie dann auch Formationsführer, haben sie noch die
Formationsflieger zu überwachen.
Diese Aufgaben sind insgesamt
nichts Neues, allerdings macht diese
jetzt ein einzelner Pilot.
Hat sich denn die Kommunikation im Cockpit verändert?
Die Arbeitsweise hat sich grundsätzlich nicht verändert, allerdings
gibt es keine In-Cockpit Kommunikation mehr, da der Pilot alleine
ist. Es gibt eine Team / Inter-Team
Kommunikation. Diese ist ebenfalls
nichts Neues. Neu ist, dass die Dinge, die in einem Zwei-Mann-Cockpit im Cockpit besprochen wurden,
mittlerweile zwischen den „Flugzeugen“ besprochen werden. Diese
Kommunikation umfasst z.B. Dinge, die der eine Pilot sieht, der andere aber nicht, oder Kommunikation
bei einem Systemausfall. In einer
Formation fliegen meist 2 bis 4 Maschinen (2-4 Piloten). Die Ausnahme ist ein Pilot/ein Flugzeug.
Also kontrollierte Aggressivität?
Kontrollierte Aggressivität in Bezug
auf „ich will Entscheidungen fällen“,
„ich will gewinnen“. Von daher ist
es auch aus meiner Sicht kein Job,
sondern ein Beruf. Den Unterschied
sehe ich klar in dem Wort Beruf, Berufung.
Also doch Berufung?
Berufung war es in meinem Fall
garantiert. Ich habe 20 Jahre meines Lebens mein Hobby zum Beruf
gehabt, wer kann das schon sagen?!
Sie müssen vollends dahinter stehen.
Sie arbeiten generell mit dem
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
EF-Simulator. Seit wann stehen
Sie mit dem Gerät in Kontakt
und seit wann trainieren Sie damit andere Piloten?
Ich bin seit gut sieben Jahren mit
dem Simulator in Kontakt und wir
trainieren hier seit 2009, sprich jetzt
5 Jahre.
Wieso ist ein reines „On-TheJob“-Training nicht möglich und
warum verwendet man einen Simulator?
Es kostet einfach zu viel.
Bezieht sich das Simulatortraining ausschließlich auf den Piloten oder werden weitere Bereiche,
wie der Tower oder das Rollfeld,
mit einbezogen?
Tower und Rollfeld eher nein. Was
wir machen ist ein Simulatortraining mit zwei Piloten. Dabei wird
der Simulator vom Civil Instructor
über eine Konsole bedient. Im Inter
Team trainieren wir mit den Nutzern der Bodenradargeräte, dem
sog. „Ground Control Intercept„(GCI). Hier wird im Simulator ein „realer“ Flug durchgeführt. Der Vorteil
liegt bei der Präsenz aller Beteiligten, die im realen Flugbetrieb nicht
gegeben ist.
Geschieht diese Form des Trainings Regelmäßig?
Leider nicht. Es wird jedoch angestrebt.
Welchen Stellenwert wollen sie
den Trainingsmethoden, die angeboten werden denn geben?
Ich denke im Vergleich zur Medizin
und zur Feuerwehr sind wir einen
großen Schritt voraus. Die Luftwaffe führt jährliche, meist auf theoretischer Art, nachweispflichtige CRM
Trainings durch. Dass das nicht
unbedingt freiwillig ist, brauche ich
ihnen nicht zu sagen.
Kleines Flieger Einmaleins:
Alarmrotte: Das sind 2 Flugzeuge
(+2 Piloten natürlich), die 24 Stunden Bereitschaft haben und innerhalb einer gewissen Zeit in der Luft
sein müssen
ASTA (Aircrew Synthetic Training Aids): Ist das System mit dem
in der Luftwaffe trainiert wird. Es
besteht aus einem Full Mission Simulator, in dem alles sehr detailgetreu dargestellt ist, und einem
Cockpit Simulator. Letzterer verfügt über ein kleineres Sichtfeld
und etwas weniger Funktionen
Bold Face: Wird so genannt, weil
die Buchstaben dieser Bereiche in
der Checkliste „Bold“
sprich „Fett“ gedruckt sind
Civil Instructor: Ein militärischer
Fluglehrer
DMO (Distributed Mission Operations) /DMT (Distributed Mission Training): Events, bei denen
Piloten über weite Entfernungen
hinweg zusammen in einer virtuellen Umgebung trainieren. Die
USA sind hier führend und können ihre Simulatoren sogar weltweit verknüpfen
Eurofighter Simluator Datenbase: Simulierte Missionen werden
alle digital erstellt. In der Datenbase befinden sich alle Szenarien,
die von den Informatikern erstellt
wurden
Feedback-Loop:
Eine
Feedback-Schleife, das bedeutet, dass
auf eine Anfrage immer eine Antwort kommen muss. Bleibt die
Antwort aus muss die Anfrage
wiederholt werden, bis eine Antwort kommt
83
Interview Simulatortraining
Wir bieten eine Verzahnung des
CRM Trainings mit dem Simulator
Training. In einer CRM Trainings
Mission haben wir die Möglichkeit
direkt gewünschte Soft-Skills anzusprechen. Es können Situationen
erzeugt werden, die z.B. Task Management erfordern, zuweilen zu
Task Saturation führen. Dies lässt
sich daran erkennen, dass z.B. keine
Kommunikation mehr stattfindet.
Kommt der Kommunikationsausfall durch die hohe Belastung
zustande?
Ja, durch die hohe Aufgabenintensität und die relativ zügige Abfolge
verschiedener Entscheidungsprozesse entsteht der Effekt, dass keine
Entscheidungen mehr getroffen werden können. Dabei ist jedoch nicht
der körperliche Ausfall gemeint. Die
körperlichen Effekte die z.B. bei einem Kurvenflug auf den Körper in
Form der sogenannten G-Belastung
wirken, werden hier nicht trainiert.
Z.B. entsprechen 5-G dabei dem
fünf-fachen des eigenen Körpergewichts.
Wieso ist es überhaupt wichtig,
dass Piloten regelmäßig nach der
Ausbildung trainieren?
Gewisse Grundfertigkeiten werden in jedem Flug trainiert, sprich
starten, landen und das generische
Fliegen. Gewisse Aspekte werden
nicht so häufig trainiert, wie z.B. die
Luftbetankung. Dafür gibt es dann
sogenannte „Currencies“, die statistisch erfasst werden. Insgesamt ist es
wichtig, dass Verfahrensabläufe in
gewissen Zeitabständen regelmäßig
trainiert werden, um nicht ‚einzurosten‘. Sie können es sich nicht leisten, ein halbes Jahr nichts zu tun.
Dazu ist das Business zu komplex
und zu gefährlich.
84
Findet das Fliegen unbewusst
statt?
Ja, gewisse Aspekte des Fliegens finden unbewusst statt, wie z.B. das
Handwerk des reinen Fliegens von
A nach B, das Kurvenfliegen, das
Steigen und Sinken. Die Handlungen werden geplant durchgeführt,
sind aber „second nature“. Es ist
vergleichbar, wie das Erlernen des
Autofahrens. Erst suchen sie die
Kupplung und später denken sie
nicht mehr darüber nach. Die Start
und Landephasen hingegen sind
High-Tense-Regionen, bei denen
auch in der zivilen Luftfahrt die
meisten Unfälle passieren und die
viel Aufmerksamkeit erfordern.
Es gibt ja die skill-based Trainings, also das fertigkeitsbasierte Training. Welche Fertigkeiten
werden durch das Training abgedeckt? Bspw. die Informationsverarbeitung und eine schnelle
Auffassungsgabe?
Ist das denn Skill? Fertigkeiten sind
Dinge, die man trainieren kann, wie
z.B. die Nutzung des Systems. Das
heißt, ich weiß z.B. wo ich in Microsoft Word eine Funktion finde, um
die Wörter zu zählen. Solche technical-skills werden hier trainiert. Soft
Skills werden in die einzelnen Szenarien mit eingebaut. Z.B. triggern
wir Task Management und Situational Awareness, indem wir die Teilnehmer in Situationen stecken, die
neu für sie sind oder die sie lange
nicht mehr erlebt haben.
Die Unterscheidung von Skills
ist also nicht einfach nur eine
Unterscheidung zwischen technical-based und soft-skills?
Es ist nicht so einfach zu unterscheiden wie in der Theorie. Und
das Schöne an unserem Beruf ist,
dass so viel zusammenkommt. Das
Flugzeug fliegt sich sehr einfach, das
heißt das Fliegen ist vergleichbar
mit einem Flugsimulator am PC.
Das muss aber auch so sein, denn
die Arbeit drum herum ist so fordernd, dass es nicht gut wäre, wenn
Sie sich zu sehr auf das Fliegerische
konzentrieren müssten.
Was für einen Stellenwert hat die
Kommunikation und wie fließt
diese ins Training ein? Wer kommuniziert mit wem und kann
man die Kommunikation überhaupt trainieren?
Der Pilot kommuniziert mit seiner
Außenwelt. Das umfasst alle, die bei
einem beliebigen Flug beteiligt sind.
Am Boden ist es der Tower-Lotse, im kontrollierten Luftraum der
Luftverkehrslotse, im speziellen
Luftraum bestimmte Militärstellen,
dann noch die Mitglieder der eigenen Formation. Kann man das trainieren? Ja und das muss man auch.
Dafür gibt es im fliegerischen Bereich bestimmte Phrasen, die einzuhalten sind. Man kann nicht einfach
sagen „komm mal nach links“. Dafür gibt es bestimmte Phrasen, die
die Kommunikation vereinfachen,
wenn man sie denn kennt. Bei der
Kommunikation wird auch Wert
darauf gelegt, dass eine Art Feedback-Loop entsteht. Soll heißen, ich
mache einen Funkspruch, der wiederum beantwortet werden sollte.
Geschieht dies nicht habe ich diesen
Funkspruch zu wiederholen, bis ich
eine Antwort erhalte. Hier gilt der
schöne englische Satz: „A call not
answered is a call not made.” Nicken
als Feedback klappt nicht. Die Kommunikation wird in der Flugnachbesprechung bewertet.
Man kennt ja aus Kernkraftwerken die dicken Ordner gefüllt mit
Vorgehensweisen für Notfälle.
Gibt es etwas Vergleichbares auch
im Cockpit?
Interview Simulatortraining
Nicht ganz so dick, aber es gibt auch
etwas Vergleichbares im Cockpit.
Sollte ein Notfall eintreten, unterscheiden wir im Prinzip zwei Arten:
einer dringlichen und einer nicht
ganz so dringlichen. Ein dringlicher
Notfall ist gegeben, wenn ich eine
sogenannte bold face durchführen muss, d.h. eine Aktion, die ich
ohne zu Hilfenahme der Checkliste
oder sonstigen Dingen durchführen
muss, z.B. Triebwerksausfall beim
Starten ist eine solche Aktion, bei
der man einfach beide Triebwerke auf Vollleistung stellt und dann
trotzdem starten kann. Bei weniger
dringlichen Notfällen gibt es dazu
eine Checkliste. Das Flugzeug zeigt,
welche Systeme ausgefallen sind
und anhand dieser Anzeigen kann
ich in die dementsprechende Checkliste „abbiegen“ und den Notfall
oder das Problem mit der Checkliste
abarbeiten.
Und die Checkliste ist auch im Simulator und im Flugzeug?
Die Checkliste ist theoretisch auch
im Flugzeug verfügbar. Die Checkliste wird in Papierform mitgeführt
um sicherzustellen, dass in jeder Situation die passende Prozedur angewandt werden kann.
Können Sie uns denn generell
zum Simulator erzählen, was
typische Missionen sind? Wird
immer etwas besonders schweres
genommen, das eine Ausnahmesituation darstellt oder eher typische Missionen, wie etwa den
Flugraum überprüfen?
Es hängt davon ab, was der Einzelne trainieren will/soll. Wir können
grundsätzlich ein weites Trainingsspektrum abdecken. Typische Missionen sind bspw. das Trainieren von
Anflügen an fremden Flugplätzen.
Es gibt Notverfahren-Simulatoren,
bei denen der Schwerpunkt auf ge-
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
wissen
Flugzeugsystembereichen
liegt. Das Flugzeug hat grundsätzlich verschiedene Systeme, die wir
alle wahlweise in der Simulation
ausfallen lassen können: Der Avionikbereich, der Fuelbereich, der
Triebwerksbereich, der Hydraulikbereich, um einige zu nennen.
Weitere Beispiele für Trainingsmissionen sind der reine Luftkampf,
in dem Grundfertigkeiten trainiert
werden, wie z.B.: Wie manövriere
ich das Flugzeug am besten? Dann
gibt es die Abfangjagd, also das Abfangen bekannter oder unbekannter
Flugzeuge.
Abfangen bedeutet also quasi
„begleiten“ und nicht zwangsläufig „abschießen“?
Abfangen heißt erst mal nur, dass
ich an ein Flugzeug ran fliege und
schaue, welcher Flugzeugtyp es ist.
Jedes Flugzeug hat normalerweise
eine Kennung, die ich weitergebe.
Abgeschossen wird hier nicht.
Der Einsatz von Waffen wird ebenfalls trainiert.
Welche Gefahrenbereiche gibt es
denn noch, die trainiert werden
können?
Abfangen ist zunächst erst mal kein
Gefahrenbereich, das ist ein Trainingsbereich.
Unter Gefahrenbereich stellen
wir uns -als Laien- Kampfsituationen vor. Was sind für Sie denn
Gefahrenbereiche?
Das „Abfangen“ ist für uns keine Gefahrensituation, das ist für
uns das Daily Business, also unser
Beruf. Eine solche Situation kann
natürlich auch gefährlich sein. Für
mich sind Gefahrenbereiche z.B.,
ein tatsächlicher Defekt eines Flugzeugs oder wenn ich einem anderen
Flieger aus Versehen zu nah komme. Das sind Dinge, die weder ge-
GCI (Ground Control Intercept):
Die Nutzer der Bodenradargeräte
High-Tense-Region: Regionen, in
denen die Piloten unter besonderer Anspannung stehen
HUD (Head-up Display): Ein
Display, das die Fluginformationen
transparent ins Sichtfeld des Piloten projiziert, so dass dieser seine
Blickrichtung beibehalten kann
Points to ponder: Lerngebiete, in
denen Fehler aufgetreten sind, und
die ggf. nochmal wiederholt werden
Situational Awareness: Beschreibt
das Situationsbewusstsein, also
den Zustand, seine Umgebung
richtig wahrgenommen und interpretiert zu haben
Soft-Skills: Andere Bezeichnung
ist auch „Social Skills“. Gemeint
sind soziale Kompetenzen
Task Management: Aufgabenmanagement, welches festlegt, wie
man eine bestimmte Aufgabenstellung bearbeitet
Technical-Skills: Das Wissen und
die Fertigkeiten, die dazu benötigt
werden, um eine Aufgabe zu erfüllen
85
Interview Simulatortraining
plant, noch gewollt sind.
Genau da möchte ich einsteigen.
Wir haben gelesen, dass man
mehrere Simulatoren vernetzen
kann. Wie genau findet das statt,
also wer kommuniziert mit wem
und geschieht das länderübergreifend?
Wir können leider noch nicht länderübergreifend vernetzen. Wir
können das nur innerhalb dieses
Gebäudes, aber auf mittlere Sicht
hoffe ich, dass wir uns innerhalb
Deutschlands vernetzen können.
Die Amerikaner sind uns hier voraus. DMO (Distributed Mission
Operations) /DMT (Distributed
Mission Training) ist da ein wichtiges Stichwort. Die Amerikaner
können Simulatoren auf der ganzen
Welt miteinander vernetzen.
Wo ist da in Deutschland das
Problem? Ist es ein technisches
oder finanzielles Problem?
Da bin ich leider überfragt. Es ist
sicherlich ein technisches Problem
und bestimmt auch ein sicherheits-technisches Problem. Denn
wenn ich mich vernetze, muss ich
Daten, außerhalb eines sicheren Bereiches, nach außen übermitteln.
Über die Grenzen hinweg wird
aber nicht vernetzt oder? Also
bspw. Deutschland mit Polen.
Nein im Jet-Bereich noch gar nicht.
Wenn mehrere Piloten miteinander vernetzt sind, werden dann
andere Schwerpunkte als beim
Einzeltraining gesetzt? Wird eher
das Gruppensystem an sich betrachtet oder die einzelnen Piloten? Wird das Debriefing dann in
der Gruppe oder einzeln durchgeführt?
Die Trainingsschwerpunkte hängen
von der Mission ab. Die ist unab-
86
hängig, ob ich vernetzt fliege oder
nicht. Das Debriefing wird immer
gemeinsam durchgeführt. Darin
wird auf individuelle sowie Team
Aktionen eingegangen. Diese werden bewertet und im Falle eines
Fehlers werden Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.
Also es werden dann keine besonderen Schwerpunkte gelegt, z.B.
drei Piloten waren gut, und einer
war nicht so gut?
Es werden gute und schlechte Punkte
angesprochen. Es wird auch sehr viel
Wert auf Kommunikation gelegt.
Gerade bei besagten Phrasen, der
standardisierten Kommunikation.
Hierauf wird sehr viel Wert gelegt.
Gerade Dinge wie „Kam das an?“,
„Hast du das gehört?“, „Warum hast
du nicht geantwortet?“. Gemeinsamer Einsatz von Waffen: „Hast du
dich an die Taktik gehalten? Hast
du dich an den Game-Plan gehalten“ solche Aspekte werden im Debriefing untersucht. Dazu werden
zu jedem Flug einzelne Objectives,
also Zielvorgaben, die ich erreichen
möchte, vorher festgelegt. Anhand
dieser Objectives wird in der Nachbesprechung bewertet. “ Es werden
nach jedem Flug „Lessons Learned“
ermittelt oder Points-to-ponder
Areas dargestellt, also Gebiete in denen ich mich verbessern kann.
Gibt es denn generell Unterschiede zwischen dem Debriefing eines erfahrenen Kampfpiloten
oder eines Piloten, der gerade aus
der Ausbildung kommt?
Klar. Die Trainings/Themenschwerpunkte sind ganz andere. Ich werde
den jungen Mann nicht mit Sachen
behelligen, die er absolut nicht lösen
kann. Das Training wird daher auf
den jeweiligen Protagonisten angepasst und wird auch dementsprechend debrieft.
Läuft der Flug hierarchisch ab
oder kann jeder Pilot unabhängig
entscheiden? Gibt es beispielsweise einen „Voranflieger“?
Ja den gibt es. Es gibt einen Formationsführer, der grundsätzlich alle
Entscheidungen fällt, die die Flugzeuge seiner Formation betreffen.
Darüber hinaus gibt es noch die
Hierarchie innerhalb der Formation. Im Falle einer Notsituation ist es
möglich, dass sich diese Hierarchie
kurzzeitig ändert.
Gibt es denn Diskussionen bei
den Debriefings, wo Piloten beispielsweise sagen „Das sehe ich
anders“?
Ja klar. Das ist normal und auch gewünscht. Jeder bringt seine Punkte/
Sichtweisen vor. Am Ende schließt
der Formationsführer das Debriefing mit einer/mehreren ‚Lessons
learned‘.
Die Taktiken werden auch trainiert im Simulator?
Ja.
Kommen wir zu Ihren persönlichen Erfahrungen. Halten Sie jeden für gleich geeignet den Job zu
machen?
Nein. Die Bundeswehr leistet sich
einen ganzen Apparat, um die Interessenten zum einen medizinisch,
auf den Kopf zu stellen. Zum anderen macht sie das auch psychologisch.
Sind denn die Simulatortrainings
für jeden Teilnehmer gleich effektiv? Zieht jeder denselben Nutzen
daraus?
Wahrscheinlich nicht. Ein sehr Erfahrener wird aus einer relativ einfachen Mission weniger ‚mitnehmen‘ als ein Pilot, der gerade aus
der Ausbildung kommt.
Interview Simulatortraining
Sie persönlich haben sicherlich
im Simulator schon drin gesessen. Was waren denn Ihre besten
Momente? Gibt es so etwas? Wie
vergleichen Sie es mit dem echten
Fluggefühl?
Fliegen ist um hundert Längen
besser. Es ist nicht vergleichbar. Es
wäre vermessen zu sagen, der Simulator wäre besser als das Flugzeug.
Fragen Sie die Piloten. Das Fliegen
macht um rund 1000% mehr Spaß,
als das Simulatorfliegen. Was man
aber wirklich sagen muss, der Simulator, den wir hier haben, ist eine
Wucht. Ich kenne andere Systeme,
andere Flugzeuge, ältere Flugzeuge,
ältere Simulatoren. Diese sind mit
dem ASTA nicht vergleichbar.
Welche Rolle gefällt Ihnen denn
besser, die des Trainers oder des
Teilnehmers?
Ähm... (überlegt), hab ich keine
Präferenz, tatsächlich. Ich mag
beides gerne. Also mir macht es
jetzt weniger aus, nicht mehr zu
fliegen als früher.
Sehen Sie denn generell Verbesserungsmöglichkeiten im Simulator?
Verbesserungen sind immer möglich. Ich hoffe, dass in absehbarer
Zeit die Möglichkeit besteht, die
einzelnen ASTA Simulatoren miteinander zu vernetzen.
Wo sehen Sie das Simulatortraining in den nächsten Jahren? Immer näher am Fliegen?
Mein Gefühl ist, dass es nicht mehr
näher geht. Es gibt Simulatoren, die
Beschleunigungskräfte simulieren
können. Aus meiner Sicht ist es den
Aufwand nicht wert. Und ein bisschen was muss auch noch für die
„reale“ Welt übrig bleiben.
Würden Sie das als Nachteil des
Simulatortrainings bezeichnen?
Dass die körperliche Belastung
und die fliegerischen Fertigkeiten nicht gemeinsam simuliert
werden können?
Wenn ich eine 100% Lösung anstrebe, muss ich ja sagen. Hier werden
keine physiologischen Belastungen,
im Sinne von G-Kräften, trainiert.
Einen kleinen Bruchteil dessen, was
draußen passiert, können Sie einfach nicht simulieren.
Kann man durch gutes Training
der Angst entgegenwirken?
Sie können durch Training der Angst
entgegenwirken, indem Sie bei der
Person die „confidence“ schaffen.
Confidence, sprich Vertrauen, in
sich selbst, dass sie ähnliche Situationen schon erlebt hat und dadurch
ein Gefühl der Sicherheit entsteht,
auch diese Situation zu meistern.
Haben Sie eine solche Situation
schon einmal erlebt?
Ja, aber denken Sie besser nicht darüber nach. Was man sich vorstellen
kann ist beispielsweise: Es ist Nachtflug, also richtig, richtig dunkel. Mein
Wingman, also mein Mitflieger, hat
einen Notfall und mein Sprit geht
zu Neige. Mein Wingman macht
gerade die letzte Landebahn vor mir
dicht. Was mache ich? Auf der Autobahn fahr ich rechts raus(lacht).
Das können wir hier ansprechen
und fragen: „Welche Optionen haben Sie? Was können Sie machen?“
Aber im Endeffekt müssen Sie es
erleben. Beziehungsweise müssen
Sie nicht, ich wünsche es keinem.
Diese Erfahrungen können Sie aber
nur im richtigen Flugzeug „erleben“.
Vielen Dank für das interessante
Gespräch.
Peter Hansen, Daniel Veutgen, Lucas Coerdt
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
87
Kreuzworträtsel
Kreuzworträtsel
Fragen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
88
Wofür stand das C in CRM früher einmal?
Was wird in der 3. Stufe von Kirkpatricks Evaluationsmodell überprüft?
Kommunikation heißt, das eigene Denken und Handeln in eine [?] zur anderen Person zu bringen
Welcher Analyseteil fehlt hier für die Trainingsplanung? Aufgabenanalyse, Personalanalyse und [?] ?
Man unterscheidet zwischen Teamwork-Skills und [?]-Skills.
Welche Trainingsstrategie kann bei Kraftwerken nicht genutzt werden, da das Risiko einer Katastrophe zu groß ist?
Was bleibt für die Teilnehmer von Simulatortraining geringer, wenn die Szenarien sehr realitätsnah gestaltet werden?
Eine Trainingsmethode für geteilte mentale Modelle ist [?]-Training.
Man unterscheidet zwischen [?]- und Teambezogenen mentalen Modellen.
CRM soll Koordinations- und [?]-Verhalten beeinflussen.
Der Begriff CRM wurde in einem [?]- Workshop das erste Mal genutzt.
Sie werden zum effektiven Training eingesetzt. Piloten/Pilotinnen nutzen diese, Anästhesisten/Anästhesistinnen noch andere.
Was für eine Methode ist das After Action Review?
Was baut man auf, wenn man in einer Situation alle Informationen aus der Umwelt sammelt? Situation [?].
Ordnung innerhalb eines Teams
Salas und Co schrieben über die Big [?] in Teamwork.
Im Swiss Cheese Modell stellt jede Käsescheibe eine [?] dar.
Laut Schulz von Thun kann eine Nachricht 4 verschiedene [?] haben.
Unabdingbar für gegenseitiges Verständnis ist ein gemeinsames [?].
Wie wird das CRM Training in der Anästhesiologie genannt?
Die höchste Unfallursache auf Ölplattformen ist laut einer Umfrage mangelnde Sorgfalt und [?].
Kreuzworträtsel
Lösungswort:
Die Auflösung finden Sie auf Seite 100.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
89
Simulatortraining in den USA
Blick über den großen
Teich
Im Verlauf dieser Zeitschrift wurde
viel darüber gesprochen, wie das
Team-Training in den verschiedensten High Reliability Organisationen in Deutschland abläuft.
Das heißt, wo liegen in den vielen
verschiedenen Branchen jeweils die
Schwerpunkte und was für einen
Stellenwert hat beispielsweise das
Simulatortraining. Ein besonderer
Fokus lag dabei auf dem Training
von Piloten/innen.
Haben Sie sich beim Lesen vielleicht
gefragt, wie das in anderen Ländern
aussieht?
Das folgende Kurzinterview wurde
mit einem Amerikaner geführt, der
ehemals als Pilot tätig war und sich
heutzutage mit dem Training von
Piloten/innen beschäftigt.
Das Interview soll Ihnen einen Eindruck über das Simulatortraining in
den USA verschaffen
Biography
Could you introduce yourself
real quick?
My name is Stan and I’m a career
pilot and aviation/airline manager.
What does your career look like?
How long have you worked in the
field of Simulation Training and
what did you do before?
I used to be a US Navy pilot and officer for 13 years and flew helicopters, turboprops and jets. Additionally I’ve worked as an airline pilot
and airline manager, Director of
Operations/Chief Pilot and more for
14 years. Since one year I’m working for a government civil aviation
authority.
Overall I’ve worked in the field of
simulation training for 28 years.
The training in detail
Can you give me a quick overview
of the simulator training? Who
90
takes part in it? Which kind of
simulations do you use? What are
the central skills that are meant
to be used in skill-based trainings
like simulation-training?
I’ve primarily worked with full motion pilot flight simulators, static
trainers like door trainers, cabin
smoke and emergency evacuation
trainers. I did that with some pilots
and flight attendants.
Most of the time cabin crew and
pilot training is done separately,
except for classroom CRM. Central
skills used in simulation training
are stick and rudder, instrument flying, headwork, airwork and CRM.
During all flight sims, whether on
or off motion we are looking at and
evaluating CRM.
What do you mean with headwork and airwork?
Headwork is a term we use to evaluate a pilot’s judgement. For instance,
if we give a pilot an engine fire we
expect him to follow the emergency
checklists to fight the fire but we also
Simulatortraining in den USA
expect him to turn toward the nearest airport immediately while he is
“fighting the fire”. An example for
“bad headwork” is a crash over the
ocean where the plane turned out to
sea to fight a cabin fire when they
should have performed an emergency descent and landed at the nearest
airport while they first learned they
had a fire.
Airwork is a term we use to evaluate
a pilots flying ability. That means
how does he/she handle all aspects
of actually flying the airplane.
For instance an instructor might say
“Billy, your airwork was really good
today. You flew outstanding instrument approaches but your headwork was bad when you landed on
the wrong runway”.
How important is the training of
technical skills?
Technical skills are very important.
They are the foundation for what
we do. Most pilots would not reach
the level of piloting (FAA Part 121
US Airlines) without good technical skills. I feel these skills are being
eroded or not taught as much due to
increasing automation.
When does the simulation-training take place?
Simulation-Training takes place
after all ground training is complete. That means pilots have to do
it before their actual first flight and
throughout their whole time as an
active pilot, because airlines in the
US are either under the traditional
Proficiency Check/ Recurrent Check
timetable syllabus or the advanced
Qualification Program (AQP). AQP
is more day-to-day line flying oriented.
What kind of situations are simulated? Only dangerous and exceptional situations?
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
No, training is on all aspects of a
flight from when a pilot arrives
in the cockpit and begins running
checklists, normal takeoffs and instrument approaches (precision and
non-precision).
A precision approach is an ILS
(Instrument Landing System) approach. It gives vertical and horizontal guidance to a pre-determined height above the runway. A
non-precision approach only gives
horizontal guidance. Vertical guidance is determined by a published
procedure that pilots must fly.
Can you give me an example of a
typical and an exceptional situation?
A typical situation is a normal takeoff. An exceptional situation is a V1
Cut where we simulate an engine
failure on takeoff.
How do cultural differences affect
the behavior in the cockpit and in
the cabin?
The only place I’ve seen this is when
I was the Director of operations for
a Barbados startup airline. We had
american pilots and caribbean pilots. It was more of a language problem than a cultural problem. There
is not much cultural difference in
the cockpit at the level I am at.
The necessity
tion-Training
of
Simula-
Do you think CRM-/Simulation-Training is necessary in the
field of civil aviation. If so, why?
CRM is extremely important. It’s
critical to safe flying as much as the
engines, the wings, etc.
In the old days the Captain was king
and ruler. That was very unsafe as
the rest of the crew was afraid to
speak up. Now the whole crew is
involved and a good Captain, F/O
(First Officer) or F/A (Flight Attendant) will use all the resources available to accomplish a safe flight.
In some Asian cultures CRM is still
not practiced as well as it could be
due to the cultural nature and upbringing in those countries. (Für
mehr Informationen dazu: „Teamwork und kulturelle Unterschiede“
S. 18 )
What do pilots and all others
who are involved think about the
training? Do they see an advantage or is it just something they
have to do?
Pilots know it’s important. No one
likes to be observed and criticized
closely. I like it as much as going to
the dentist. You don’t want to go but
you know it’s necessary.
Why is it important for the participants to take part in simulator
trainings regularly?
For the participants it’s important to keep their skills sharp. For
the airlines it’s important to check
standardization of procedures, their
pilots, etc. Also simulator-training
makes it possible to train on new
equipment or new procedures.
How many people are involved
in the training of one pilot or a
member of the cabin crew?
To train one pilot, F/O or Captain
you need one other pilot and a simulator instructor. To check a pilot
the simulator instructor must be a
check airman and the instructor
must be an APD for a type rating.
Europe calls APDs (aircrew program designees) TREs (type rating
examiners).
91
Simulatortraining in den USA
Debriefing
What does the debriefing look
like?
Debriefing is usually fairly short unless there are major problems. Most
debriefing is done immediately following a maneuver or procedure in
the simulator. For checking, the debriefing is done in a formal setting
in a debriefing room since you are
not allowed to do debriefing during
the check.
How important is the debriefing?
Extremely important so the pilots
know what they did wrong and can
correct their mistakes. Self reflection
is very important so that a pilot can
improve and won’t make the same
mistake again.
Every day is different for me since I
am involved in conducting surveillance and ensuring compliance with
the regulations by the airlines.
You worked as a pilot for several
years- did the job and its requirements change in the past years?
Yes, automation has changed flying
a great deal. For good and bad. On
the one hand it’s less workload for
the pilot, on the other hand there is
too much reliance on automation,
pilots are getting complacent and
eroding stick and rudder skills.
What do you like the most: Being
a pilot or a trainer – and why?
I like both because I don’t like doing
one thing very long. I like a variety.
Is there room for discussion in
case there is more than one solution to a simulated situation or
do the participants have to follow
their instructions step-by-step?
There is room for discussion but generally the instructor’s comments are
gospel. They are more experienced
generally and do a lot of training.
Space for improvement and outlook
Personal experience with Simulation-Training
Where do you see space for improvement?
The automation training should be
the same, but we need to increase
the hand flying and get back to more
hand flying during the simulator periods.
Can you tell me about your personal experience with simulators? Did you have to complete it
back when you were working as a
pilot?
Yes, I constantly do training and
checking. It’s never ending so that
pilots remain proficient and standardized.
What are your central tasks and
how does a normal workday look
like for you?
92
CRM-/Simulation-Training
is
making its way to other High Reliability Organizations (e.g. firefighters, power stations). Do you
think this is a good evolution?
I think it is. It will be interesting to
see how it is received.
What do you think about the development and importance of
simulation-training in aviation
and other areas of work?
I think it is great. It has saved many
lives and property. It would be too
expensive to train pilots in an actual
aircraft. I think it will be great for
other professions and endeavors for
the same reasons.
Thank you for the interview.
Lucas Coerdt
Veranstaltungskalender
Veranstaltungstipps für 2015
Sie haben noch nichts vor und wollen sich
selbst ein Bild machen? Wir haben einige
Termine rund um die Themen Flugsicherheit,
CRM und Teamtraining für Sie zusammengestellt
Wann?
Was?
Wo?
24. - 27. März
Global Aviation Training & Trainair plus Symposium der International Civil
Aviation Organization :
Dublin, IE
Gemeinsame Diskussion über die Entwicklung der Aufgaben und Möglichkeiten in der Luftfahrt sowie zukünftige Trainingstechnologien.
30. - 31. März
Crew Resource Management: 2-day National Symposium der Great Lakes
Division zusammen mit der Regional Alliance for Firefighter Training:
Novi, US
Zweitägige Veranstaltung, die dem Austausch über CRM innerhalb der Feuerwehr dient.
15. - 17. April
18. Plattform Jahresworkshop Menschen in komplexen Arbeitswelten: Human Factors in der digitalen Welt:
Workshop mit zwei Themenbereichen: Wie hilft und unterstützt uns die
Köln, DE
digitale Welt, Komplexität besser zu handhaben? Und: Führen Technik und
Werkzeuge der digitalen Welt zu einer Komplexitätserhöhung und wie gehen
wir damit um?
26. - 29. April
International Symposium on Human Factors and Ergonomics in Health Care
von der Human Factors and Ergonomics Society:
Baltimore,
Konferenz der Human Factors and Ergonomics Society, die eine der wich- US
tigsten Organisationen im Bereich Humanfaktoren sind. Schwerpunkte sind
menschliche Fehler und Leistung im Bereich der Medizin.
28. - 30. April
The International Forum for the Military Training, Education and Simulation
Sectors:
Prag, CZ
Große Messe, auf der neue Simulatoren und Trainingsmethoden für den
militärischen Bereich präsentiert werden.
29. April - 01. Mai 17th Annual Patient Safety Congress von der National Patient Safety Foundation:
Austin, US
Kongress, der sich mit der Sicherheit von Patienten/innen beschäftigt und
wie man diese erhöhen kann.
94
Veranstaltungskalender
05. - 07. Mai
Cabin Operations Safety Conference der International Air Transport Association:
Paris, FR
Themenschwerpunkt der Konferenz ist effektives, effizientes und sicheres
Arbeiten im Flugzeug.
06. - 09. Mai
Work, Stress and Health 2015: Sustainable Work, Sustainable Health, Sustainable Organizations von der American Psychology Association:
Atlanta, US
Im Fokus stehen Arbeitnehmer. Interessant sind der Umgang mit Stress und
die Verbesserung der Sicherheit für die Arbeitnehmer.
19. - 21. Mai
European Business Aviation Convention & Exhibition:
Große Messe, die sich an den Geschäftsflugverkehr richtet. CRM im Speziel- Genf, CH
len wird nicht behandelt.
02. - 05. Juni
Science of Team Science Conference 2015:
Bethesda,
Austausch zu den neuesten Erkenntnissen der Forschung bezüglich der Effi- US
zienz und Effektivität von Teams.
25. - 27. August
The Pacific and Australian CRM Developers’ and Facilitators’ Forum 2015 CRM and Aviation Human Factors Conference:
Brisbane,
Die dreitätige Konferenz beschäftigt sich mit CRM in der Luftfahrt. Sie bietet AU
u.a. Workshops in den Bereichen Debriefing oder Coaching für PilotenInnen.
14. - 16. Oktober
Human Factors and Ergonomics Society Europe Annual Meeting:
Groningen,
Treffen des europäischen Ablegers der Human Factors and Ergonomics Soci- NL
ety. Themen sind HROs, Training, Ergonomie und Humanfaktoren.
26. - 30. Oktober
The Human Factors and Ergonomic Society Annual Meeting:
Eine der wichtigsten Konferenzen im Bereich Humanfaktoren. Oft mit bekannten und im Gebiet führenden Rednern wie z.B. Eduardo Salas.
Los Angeles, US
30. November - 04. Interservice/ Industry Training, Simulation and Education Conference:
Dezember
Weltweit größte Modellbildungs-, Simulations- und Trainings-Konferenz.
Orlando,
Bietet neben Präsentationen, Tutorials und einer Ausstellungshalle auch pro- US
fessionelle Workshops an. Wird organisiert von der National Training and
Simulation Association.
07. - 09. Dezember Crew Resource Management Implementation:
Dreitägiger Kurs der International Air Transport Association. Vermittelt
Frankfurt,
Strategien zur besseren Nutzung des Equipments und Anleitungen zur Ver- DE
meidung von Fehlern während des Fluges.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
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Buchempfehlungen
Noch nicht genug Informationen?
Wenn Sie noch tiefer in die Materie Teams, Training & CRM eintauchen möchten,
haben wir hier ein paar Empfehlungen für Sie:
Titel: Human Factors: Psychologie sicheren Handelns
in Risikobranchen
Herausgeberinnen: Petra
Badke-Schaub, Gesine Hofinger, Kristina Lauche
Verlag: Springer
Jahr: 2012
Seitenzahl: 365
Preis: 52,99€
ISBN: 978-3-64219-885-4
Sprache: deutsch
Das Buch bildet ein Überblickswerk zur Psychologie der Sicherheit in Risikobranchen. Es widmet sich
dem Menschen als Risikofaktor in Luftfahrt, chemischer Industrie, Medizin und Militär. Aktuelle Konzepte werden verständlich und handlungsnah erklärt.
Dabei wird zwischen dem Risikofaktor Mensch und
dem Risikofaktor Organisation unterschieden. Darauf aufbauend bietet das Buch konkrete Maßnahmen
für die Praxis. Es geht insbesondere darum, Risikofelder sicherer zu gestalten und Prozesse zu optimieren.
96
Titel: To Err is Human:
Building a Safer Health
System
Herausgeberinnen: Janet
Corrigan, Molla Donaldson, Linda Kohn
Verlag: National Academies Press
Jahr: 2000
Seitenzahl: 312
Preis: 38,55€
ISBN: 978-0-30926-174-6
Sprache: englisch
Das Buch stellt einen Bericht des U.S. Institute of Medicine vor. Die Ergebnisse aus dem Jahr 1999 waren
schockierend: zwischen 44.000 und 98.000 PatientInnen starben in den Vereinigten Staaten aufgrund vermeidbarer medizinischer Fehler. Wieso diese Fehler
auftraten, und wie man die Sicherheit der PatientInnen durch eine breitere Wissensbasis erhöhen kann,
werden im Buch thematisiert. In späteren Kapiteln
geht es darum, ein System zu etablieren, das Fehler
frühzeitig erkennt und in Gesundheitsorganisationen
eingesetzt werden kann.
Buchempfehlungen
Titel: Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen (11. Auflage)
Autor: Dietrich Dörner
Verlag: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag
Jahr: 2012
Seitenzahl: 346
Preis: 9,99 €
ISBN: 978-3-49961-578-8
Sprache: deutsch
In schwierigen Handlungssituationen ist unser Gehirn oft überfordert. Eine gute oder richtige Entscheidung zu treffen gelingt dann oft nicht. Wir versuchen
einen Knoten zu öffnen, sehen aber das Netz zu dem
der Knoten gehört nicht. Dörner zeigt in seinem originellen und teils sogar witzigen Buch anhand verschiedener Beispiele und Experimente, wo besonders
große Fettnäpfchen liegen. Dazu stellt er zuerst die
Grundprinzipien des menschlichen Handelns vor und
gibt dem/r LeserIn einige Werkzeuge an die Hand, so
dass aus Entscheidungen keine Fehl-Entscheidungen
werden.
Titel: Theories of Team-Cognition: Cross- Disciplinary Perspectives
Herausgeber: Stephan Fiore,
Michael Letsky, Eduardo
Salas
Verlag: Routledge
Jahr: 2012
Seitenzahl: 638
Preis: 80€
ISBN: 978-0-41587-413-7
Sprache: englisch
Im Buch wird ein interdisziplinärer Ansatz zu Denkprozessen im Team gegeben. Neben Kognitions- und
Sozialwissenschaften spielen auch Ingenieurs-, Militärs- und Organisationswissenschaften, Human
Factors, Medizin und Kommunikation eine Rolle.
Das Buch vereint Ergebnisse aus diesen Bereichen,
und hilft, sie im richtigen Kontext einzuordnen. Es
werden verschiedene Modell, Ideen, Theorien und
Konzepte vorgestellt. Fiore, Letsky und Salas stellen heraus, worauf es bei Denkprozessen im Team
wirklich ankommt, zeigen aber auch Felder auf,
zu denen noch weitere Forschung notwendig ist.
Titel: Safety at the
Sharp End: A Guide to
Non-Technical Skills
Autorin: Rhona Flin
Verlag: Ashgate Publishing
Jahr: 2008
Seitenzahl: 317
Preis: 29 €
ISBN: 978-0-75464-600-6
Sprache: englisch
Titel: Trainingsentwicklung für High-Responsibility-Teams
Autorin: Vera Hagemann
Verlag: PabstScience
Jahr: 2011
Seitenzahl: 296
Preis: 25 €
ISBN: 978-3-89967-765-2
Sprache: deutsch
Flin konzentriert sich in ihrem Buch auf die kognitiven und sozialen Fertigkeiten, die für effiziente und
sichere Erfüllung einer Aufgabe notwendig sind. Inhalte sind alle sogenannten „CRM-Fertigkeiten”, also
beispielsweise situative Aufmerksamkeit, Entscheidungsfindung, Kommunikation oder Zusammenarbeit im Team. Das Buch richtet sich an alle, die
sich mit nicht-technischen Fertigkeiten beschäftigen
möchten. Relevante Figuren und Tabellen sind gut
illustriert. Durch einen gewissen Sinn für Humor lockert Flin die Kapitel angenehm auf. Zum Ende ihres
Buches werden Trainingsmethoden für die erwähnten
Skills vorgestellt.
CRM-Trainings kommen aus der Luftfahrt und sind
darauf optimiert. Wie können nun andere HRTs, wie
Polizei oder Feuerwehr, ihre CRM-Trainings individuell anpassen? Dieser Frage widmet sich Hageman in ihrem Buch. Sie entwickelt ein Vorgehen,
CRM-Trainings systematisch und wissenschaftlich
auf die einzelnen HRTs zu übertragen. Mithilfe der
Erkenntnisse aus dem Vorgehen führte sie eine Studie
mit Feuerwehrteams durch. Innerhalb dieser Studie
wurde der Nutzen eines angepassten CRM-basierten Seminars in Verbindung mit einem After Action
Review wissenschaftlich bewertet. Ein interessantes
Buch, vor allem für Praktiker/innen, die die Ergebnisse auch für ihre eigene Organisation nutzen möchten.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
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Buchempfehlungen
Titel: Crew Resource Management
HerausgeberInnen: Robert
L. Helmreich, Barbara
Kanki, Earl Wiener
Verlag: Academic Press
Jahr: 2010
Seitenzahl: 524
Preis: 86€
ISBN: 978-0-12374-946-8
Sprache: englisch
Das Buch wurde von Pionieren des CRM geschrieben und richtet sich an Luftfahrt-Interessierte. Es
beschäftigt sich mit der Koordination und der Kommunikation innerhalb der Flugzeugcrew. Es bietet
interessante Einblicke in das Training der militärischen und zivilen Luftfahrt aus Sicht der Wissenschaft, Regierungsorganisationen, Pilotenvereinigungen und der Technologie. Die zweite Auflage
enthält als Erweiterung Informationen zu kulturellen
Aspekten des CRM sowie die Entwicklung und Einführung des Line-Oriented Flight Trainings (LOFT).
Für AusbilderInnen im Bereich CRM bietet das Buch
Zugang zu einer Onlinedatenbank mit Bildmaterial.
Titel: The Acquisition of
Knowledge and Skills for
Taskwork and Teamwork to
Control Complex Technical
Systems
Autorin: Annette Kluge
Verlag: Springer
Jahr: 2014
Seitenzahl: 196
Preis: 106,99€
ISBN: 978-9-40075-049-4
Sprache: englisch
Kluge bildet mit ihrem Buch einen neuen Ansatzpunkt. Sie schließt die Lücke zwischen traditionellen
Lerntheorien und der Entwicklung des Trainings für
ArbeiterInnen in komplexen Systemen. Indem zuerst
ein guter Überblick über bestehende Lerntheorien,
Wissensstrukturen und benötigte Fertigkeiten gegeben wird, kann anhand dieses Wissens ein Training
für ArbeiterInnen in komplexen Systemen entworfen
werden. Für die Entwicklung des Trainings wird im
Buch ein theoretisches Modell vorgestellt, von welchem sich benötigte Trainingsprinzipien ableiten lassen. Ein gutes Buch für PraktikerInnen und alle, die
selbst Trainings oder Instruktionsstrategien entwickeln möchten.
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Titel: Kommunikation in
kritischen Situationen
Autorin: Gesine Hofinger
Verlag: Verlag für Polizeiwissenschaften
Jahr: 2012
Seitenzahl: 237
Preis: 19,80€
ISBN: 978-3-86676-241-1
Sprache: deutsch
Dieses Buch ist das Ergebnis eines Workshops aus
PraktikerInnen und WissenschaftlerInnen. Wie im
Titel bereits ersichtlich, geht es in erster Linie um
Kommunikation. Inhalte sind Kommunikationsmodelle, die Rolle der Kommunikation für das Handeln
in Teams, typische Fallen und Fehler in der Kommunikation oder Regeln für sichere Kommunikation.
Die anschaulichen Texte, die oft von Fallbeispielen
begleitet werden, sind leicht verständlich. Viele Inhalte lassen sich auch auf die Kommunikation im
Alltag übertragen. In Bezug auf Kommunikation von
Teams und Organisationen wird sich beim Lesen sicherlich das ein oder andere „aha-Erlebnis” einstellen.
Titel: Group Dynamics for
Teams
Autor: Daniel Levi
Verlag: Sage
Jahr: 2013
Seitenzahl: 365
Preis: 72€
ISBN: 978-1-41297-762-3
Sprache: englisch
Im Buch werden die psychologischen Grundlagen der
Dynamik im Team behandelt. Es hilft den LeserInnen
auch im alltäglichen Arbeitsleben effektiver und effizienter im Team zu arbeiten. Es geht also nicht unbedingt um Teams in Risikobereichen, sondern auch um
Arbeitsgruppen, wie beispielsweise studentische Projektgruppen. Es werden Ziele, Regeln, Kommunikation und Kooperation im Team untersucht und natürlich die „Klassiker” der Teamaufgaben, wie Konflikte,
Problemlösungen und Entscheidungsfindung. Neben
„normalen“ Teams werden in der vierten Auflage auch
zum ersten Mal virtuelle Teams aufgeführt.
Buchempfehlungen
Titel: Risikomanagement
und Fehlervermeidung im
Krankenhaus
Autor: Walter Merkle
Verlag: Springer Berlin
Heidelberg
Jahr: 2014
Seitenzahl: 196
Preis: 59,99€
ISBN: 978-3-64238-045-7
Sprache: deutsch
Dieses Buch ist für Ärzte/innen und Verwaltungspersonal interessant. Es bietet einen praktischen Ansatz
für Fehlermanagement in der Medizin: Fehler vorausahnen, vermeiden, oder wenn sie passiert sind,
Wiederholungen vermeiden. Neben Teamarbeit, Entscheidungsfindung, Kommunikation und Führung
werden auch menschliche Faktoren, also Müdigkeit
oder Stress, angesprochen. Die Verwaltungen dürften
besonders die Vermeidung rechtlicher und finanzieller Folgen interessieren. Das Buch beschreibt alle relevanten Systeme für Risiko- und Fehlermanagement,
darunter auch Crew Resource Management.
Titel: Entwicklung und
Evaluation von Crew Resource Management Training für Flight Attendants
Autorin: Sandrina Ritzmann
Verlag: PabstScience
Jahr: 2012
Seitenzahl: 580
Preis: 50€
ISBN: 978-3-89967-834-5
Sprache: deutsch
Der Inhalt des Buches setzt sich mit dem Entwicklungsprozess eines CRM-Trainings für FlugbegleiterInnen auseinander und lässt sich in drei Teile aufteilen: Der erste Teil ist die Trainingsbedarfsanalyse.
Hier werden die Kompetenzen und Einschränkungen
in der Arbeit der FlugbegleiterInnen hergeleitet. Im
zweiten Teil, der Traininigsgestaltung- und entwicklung, geht es vor allem um die Umsetzung des Trainings. In der letzten Phase werden die Ergebnisse
des Trainings überprüft. Ein Buch, welches inhaltlich
großen praktischen Nutzen bietet und deren Konzepte auch auf andere Bereiche außerhalb der Luftfahrt
übertragen werden können.
Daniel Veutgen
Herzliche Einladung zum
18. Plattform Jahresworkshop 2015
Human Factors in der digitalen Welt
vom 15. – 17. April 2015 im Mediapark in Köln
Die digitale Welt beeinflusst mit sozialen Medien, Vernetzung und erhöhter Kapazität der Datenverarbeitung unser Denken, Entscheiden und Handeln auch in komplexen Arbeitswelten. Im Workshop beschäftigen wir uns mit zwei komplementären Themenbereichen:
Wie hilft und unterstützt uns die digitale Welt, Komplexität besser zu handhaben?
Beispiele für Themen:
 Transparenter Informationsaustausch in Krisenorganisationen
 Soziale Medien in Krisensituationen
 Verbessertes Patientenmanagement
 Entscheidungen durch vernetzten Produktionsprozess (Industrie 4.0)
 Autonome Assistenzsysteme und kognitive Ressourcen
Führen die Technik und Werkzeuge der digitalen Welt zu einer
Komplexitätserhöhung und wie gehen wir damit um? Beispiele für Themen:
 Risiken und Chancen durch Verfügbarkeit und Schnelligkeit von
Informationen im Netz
 Veränderung der Arbeitswelt durch digitale Medien
 Unterschiedlicher Umgang der Generationen mit der digitalen Welt?
 Handlungsfähigkeit bei Ausfall der digitalen Ressourcen
 Kontrollerfordernisse bei Unternehmen (Datensicherheit, Industriespionage etc.) und Reaktionen auf die möglichen Gefahren
Call for Papers
Wir freuen uns über Ihre Beitragseinreichung für Arbeitsgruppen, Vorträge, Kurzvorträge und Poster bis zum 15. Dezember 2014.
Abstracts: Maximal eine DIN A 4 Seite an [email protected]. Bitte
stellen Sie bei Arbeitsgruppen auch Ihre geplante Methode dar.
Wissenschaft & Praxis
Februar 2015
Tagungsort
Medienpark in Köln, Unterkunft im angrenzenden Motel One. Zimmer aus unserem Kontingent können mit diesem Abrufformular bis zum 04.03.2015 reserviert
werden. Der Preis ermäßigt sich auf 78,50 Euro bei Nachweis des beruflichen Aufenthalts. Nachweis bei Buchung oder vor Ort.
Tagungsbeitrag
Die Tagungskosten incl. Mahlzeiten am Donnerstag und Freitag betragen:
250 € für Mitglieder der Plattform
350 € für Nicht-Mitglieder
Frühbucherrabatt: 30 Euro bei Anmeldung bis zum 15.01.2015.
Anmeldung
Bitte melden Sie sich bei der Geschäftsstelle unter [email protected]
an. Oder online hier.
Veranstalter
Die Plattform „Menschen in komplexen Arbeitswelten“ e. V. ist eine interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft von Praxis und Wissenschaft. Human Factors
Initiativen aus Bereichen wie Medizin, Luft- und Seefahrt, Risikoorganisationen und
-industrien, Polizei und Krisenmanagement stehen im Erfahrungsaustausch mit
Psychologie, Arbeitswissenschaft und Organisationstheorie. Die Bedeutung und die
Gemeinsamkeiten der „Human Factors“ in verschiedenen Arbeitswelten sind Mittelpunkt der nach außen gerichteten Aktivitäten (Workshops, Publikationen).
www.plattform-ev.de
Stornoregelung: Bei Absage bis zum 04.03.2015 wird der Tagungsbeitrag erstattet. Bei späterer
Absage nur bei Benennung eines Ersatzteilnehmers.
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Lösungen & Impressum
Liebe Leserinnen und Leser,
Impressum
Sie sind nun am Ende der Zeitschrift angekommen. Wir hoffen, Sie konn- Wissenschaft & Praxis - Magazin
ten viel wissenswertes und praktisches aus den vorangegangenen Arti- im Rahmen des Praxisprojekts
keln mitnehmen und hatten Spaß beim Lesen der Artikel.
„Wissenschaft praxistauglich
aufbereitet“ im Wintersemester
Vielen Dank für Ihr Interesse!
2014/15 im Fachgebiet für Wirtschafts- und OrganisationspsyDas Wissenschaft & Praxis Team
chologie der Universität Duisburg
Essen
Thema: Teams & Trainings - was
gute Zusammenarbeit ausmacht
Des Rätsels Lösungen:
Hier finden Sie die Auflösung des Kommunikationstests von Seite 30
Für jede Antwort gibt es einen Punkt, wenn Sie folgendes angekreuzt
haben:
1: Ja
2: Nein
3: Ja
4: Nein
5: Ja
6: Ja
7: Nein
8: Ja
9: Nein
10: Nein
11: Ja
12: Nein
13: Ja
14: Nein
15: Ja
Hier finden Sie die Auflösung des Rätsels von Seite 88
Erscheinungsdatum:
20. Februar 2015
Leitung:
Dr. phil. Vera Hagemann
Redaktion:
Lucas Coerdt
Nathalie Dittrich
Tina Hees
Peter Hansen
Ann-Kathrin Kunze
Fabian Noll
Lea Parker
Lydia Penkert
Katharina Sobanski
Daniel Veutgen
Annalena Wiegandt
Anschrift:
Fachgebiet Wirtschafts- und Organisationspsychologie
Universität Duisburg-Essen
Abteilung für Informatik und Angewandte Kognitionswissenschaft
Lotharstr. 65 (LE 206)
D-47057 Duisburg
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Thema
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