Hafen der Hoffnung

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Hafen der Hoffnung
Special: City-Marketing
Hafen der Hoffnung
Interview mit Innenhafen-Chef Dieter Steffen zu den Perspektiven des Prestige-Projektes
Der Duisburger Innenhafen hat sich von einem verrottenden Industriegebiet mit unattraktiven architektonischen Kolossen zu einem der attraktivsten Quartiere der RheinRuhr-Metropole aufgeschwungen. „Thema Wirtschaft“ (TW) sprach mit Dieter Steffen, Geschäftsführer der Innenhafen Duisburg Entwicklungsgesellschaft mbH, über die
Perspektiven des ambitionierten Prestige-Projektes.
Dieter Steffen, Diplomverwaltungswirt,
seit 1993 alleiniger Geschäftsführer der Innenhafen Duisburg Entwicklungsgesellschaft
mbH. 1947 am Wasser geboren in Glückstadt
an der Elbe. Seit dem 6. Lebensjahr Duisburger Bürger. Sieht das Wasser als beherrschend in seinem Leben an. Trat 1964 erstmals in die Dienste der Stadt Duisburg und
war unter anderem mit der Mobilisierung der
Gewerbeflächen in Rheinhausen befasst und
Bezirksamtsleiter in Rheinhausen.
Foto: Friedhelm Krischer
TW: Seit 1991 liegt der Entwicklung am
Innenhafen der Masterplan der Arbeitsgemeinschaft um Lord Norman Foster zu
Grunde. Haben sich seitdem Änderungen
der Rahmenbedingungen ergeben, die eine
Überarbeitung des Masterplans erforderlich machen?
Steffen: Generelle Veränderungen haben
nicht stattgefunden. Es gibt natürlich Modifikationen im Detail: Ein Beispiel ist das
Hafenforum, in dem die Entwicklungsgesellschaft des Duisburger Innenhafens ihren
Firmensitz hat. Der Plan war immer auf innere Flexibilität angelegt. Foster selbst, der
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sich regelmäßig vom Fortgang der Arbeiten
überzeugt, hat seinerseits schon mehrfach
öffentlich bekundet, dass er den Masterplan
und seine Realisierung für ein gelungenes
Modell hält. Die Konsequenz, mit der dieser Masterplan mit Leben gefüllt wurde, ist
für ihn ein Beispiel dafür, welche Bedeutung ein Masterplan haben kann, damit
eine städtebauliche Entwicklung aus einem
Guss entstehen kann.
TW: Im Masterplan ist Eurogate ein wesentliches Element. Von der dynamischen
Form als konsequente architektonische
Antwort auf den Bogen des Holzhafens
und von einem städtebaulichen Zeichen
war immer die Rede. Damit sollte ein
Stück Unverwechselbarkeit für Duisburg
geschaffen werden. Kann man damit rechnen, dass Eurogate in der geplanten oder in
einer gleichwertig unverwechselbaren
Form kommt?
Steffen: Die Entwicklung des Innenhafens
ist geprägt durch die Umnutzung der vorhandenen denkmalwerten Substanzen und
durch Neubaumaßnahmen. Wenn man die
momentane Entwicklung in der Speicherzeile sieht, erkennt man schon die Kraft des
Standortes. Gleichzeitig gibt es spannende
Neubaumaßnahmen auf der Nordseite.
Abschluss dieser Entwicklung wird der Bau
des Eurogate im Holzhafen sein. Dieser
Wettbewerbsbeitrag von Foster, der 1991
mit dazu geführt hat, dass er den ersten
Wettbewerbspreis bekam, ist unverändert
interessant. Es ist ein städtebauliches Symbol für den Strukturwandel, der hier geschaffen werden soll. Wir sind im Moment
dabei, die notwendigen Anträge für Erschließung und Baureife der Fläche über
eine Ziel-2-Förderung zu beantragen, um
damit die Voraussetzungen für die Realisierung des Bauvorhabens zu schaffen.
TW: Muss die Fläche noch planerisch in
Angriff genommen werden?
Steffen: Die Entwicklung des Projektes
muss noch planungsrechtlich abgesichert
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Arbeiten am Innenhafen: Das 13 000 Quadratmeter umfassende Verwaltungsgebäude der alltours flugreisen gmbh ist ein Element der 3 000
realisierten von 5 000 geplanten Dienstleistungsarbeitsplätzen.
Foto: Friedhelm Krischer
werden. Das Gebäude wird in das Wasser
hineingebaut. Wir werden das Gebäude
südlich angrenzend an die Schifferstraße,
die deshalb an Bedeutung gewinnt, als
Überbauung des Wassers den Konturen des
Holzhafens anpassen.
TW: Schönheit kostet Geld. Die Grachten
und der aufgestaute Ostteil des Hafens machen viel vom Reiz des Gebietes aus. Wie
Freizeit am Innenhafen: Die in diesem Jahr eröffnete Marina Duisburg bietet 133 Liegeplätze zwischen sechs und 20 Metern Länge.
Foto: Norbert Schinner
dass der Duisburger Innenhafen unter verschiedenen Aspekten Modellcharakter hat.
Modellhaft ist sicherlich, dass wir vorlaufend die gesamte öffentliche Infrastruktur
gebaut haben, die zum großen Teil mit Fördermitteln der EU und des Landes Nordrhein-Westfalen realisiert worden ist und
dass wir damit erst die Voraussetzung für
privatwirtschaftliches Engagement schaf-
fen konnten. Wir haben bisher in die vorlaufende öffentliche Infrastruktur rund 60
Millionen Euro investiert. Das war die Voraussetzung für ein Privatinvestment von
über 300 Millionen Euro. Insgesamt werden über 500 Millionen Euro privatwirtschaftliche Investitionen getätigt werden.
TW: Die angefallenen Investitionskosten
belasten also nicht den privaten Bauherrn.
Aber was ist mit den Betriebskosten?
Steffen: Wir haben einen marktüblichen
Grundstückspreis, der durch die Investitionen nicht berührt wird. Die Folgekosten
werden, wie bei allen anderen öffentlichen
Flächen, zunächst von der Stadt getragen.
Wir werden aber mit den Grundstückseigentümern privatrechtlich noch absichern,
dass der erhöhte Pflegeaufwand von den
Anliegern anteilig getragen wird. Die Anspruchsgrundlage dafür ist generell durch
die Kaufverträge gegeben. Die entsprechenden Kostenberechnungen werden derzeit vorgenommen.
TW: Sehen Sie die Innenhafen-Planung
hinreichend in die allgemeine Stadtentwicklungs-Planung integriert? Ist insbesondere erkennbar, wann und wie die Verknüpfung der Kultur- und Freizeit-Funk-
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Duisburger Innenhafen mit Modellcharakter
hoch waren die Kosten für den Bau dieser
Wasseranlage? Wer trägt die Amortisation
der Investitionskosten und die Betriebskosten?
Steffen: Bei der Investitionssumme für die
Wasserbaumaßnahmen in Höhe von rund
vier Millionen Euro muss man beachten,
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tionen des Innenhafens mit dem Leben in
der City auch außerhalb von Sonderveranstaltungen gelingt?
Steffen: Der Innenhafen bildet den nördlichen Abschluss der Innenstadt. Eines der
wesentlichen Ziele der Stadtentwicklung
muss deshalb die Verzahnung des Innenhafens mit der weiteren Entwicklung der Innenstadt sein.
lungsschwerpunkte – diese Verbindung attraktiver zu gestalten, damit dieser Weg
dann auch angenommen wird. Wir brauchen mehrere Wegachsen, die attraktiv gestaltet sind. Es wird nicht nur „einen“ Weg
zum Innenhafen geben. Wir müssen von
der Innenstadt von verschiedenen Punkten
diese Wegachsen wie Finger in das Stadtgebiet hineinlegen. Diese Achsen müssen so
Wachsendes Interesse der Gastronomie
TW: Aber wie kann man die dazwischliegenden Staßenzüge überwinden?
Steffen: Das ist sicherlich in der bestehenden Form ein Problem. Die Frage ist, wie
man diese Verzahnung noch verbessern
kann. Ein Ansatz dafür ist die Entwicklung
einer „Kulturmeile“, die sich im Grunde
quer durch den Innenhafen – also vom
Museum Küppersmühle über den Garten
der Erinnerungen über das Kultur- und
Stadthistorische Museum über die Königstraße – letztlich zum Lehmbruckmuseum
zieht. Diese Kulturmeile soll sich zu einer
Flaniermeile und Promenade entwickeln.
Die Frage wird weiter sein, welche Nutzungen in den Bereich des Innenhafens führen.
Wenn ich den Bereich der Münzstraße
sehe, dann ist das ein klassischer Ansatzpunkt, um über eine Verlängerung der Einkaufsstraße eine Verzahnung zum Innenhafen zu erreichen. Da sehe ich aber noch
Handlungsbedarf.
TW: Der Duisburger, der sich zwischen
Stadttheater und Kuhtor aufhält, geht aber
in der Regel nicht über das Schwanentor
zum Innenhafen. Das ist gegen seine Laufrichtung. Müssen nicht die Zugänge durch
das Wasserviertel und über den Kuhlenwall
attraktiver werden?
Steffen: Es gibt jetzt schon Grünflächen,
die ideale Wegeverbindungen sind. Der
neue Baumpfad, der den Kuhlenwall mit
dem Innenhafen verbindet, ist ein guter
Ansatzpunkt. Wenn Sie die schöne Verbindung vom Stadttheater über Moselstraße/
Angerstraße sehen, ist das ebenfalls eine
sehr interessante Verbindung zum Innenhafen. Der Weg durch das schöne Wohngebiet ist allerdings für einen Besucher
noch nicht so spannend. Es wird darauf ankommen – und das ist einer der Entwick-
attraktiv sein, dass sie von Fußgängern und
Radfahrern angenommen werden.
TW: Multifunktionalität war so etwas wie
ein Zauberwort des Masterplans. Damit
war „Leben rund um die Uhr“ gemeint. An
normalen Abenden tut sich die Gastronomie zur Zeit aber noch recht schwer. Ist ein
Zeitpunkt absehbar, wann eine Art „Break
Even Point“ erreicht ist?
Steffen: Es ist immer schwierig, einen
Schwellenwert zu nennen. Ich denke aber,
dass es jetzt schon gelungen ist, den Innenhafen mit Leben zu füllen. Ich registriere
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ein wachsendes Interesse der großen Anbieter im Gastronomie-Sektor, ihre Lokale in
Richtung Innenhafen zu verlagern. Wir haben mit den vorhandenen Restaurants und
denen, die in Kürze kommen werden,
genügend attraktive Lokale. Das Geschäft
läuft zwar sicherlich noch nicht „rund um
die Uhr“ gleichbleibend gut. Aber inzwischen hat sich immerhin gezeigt, dass der
Innenhafen von allen Schichten der Bevölkerung angenommen wird, auch zu unterschiedlichen Zeiten. Insbesondere am Wochenende ist der Innenhafen samt seiner
Flaniermeile zum SzeneTreffpunkt avanciert. Es wird trotzdem wichtig sein, den
Innenhafen auch in den nächsten Jahren
mit einem intensiven Veranstaltungsmarketing, das konsequent von uns betrieben
wird, weiter gut zu positionieren. Er muss
sich als Ort für Freizeitgestaltung noch weiter etablieren. Wir sind nicht am Ziel, aber
auf einem guten Weg.
TW: Kommt der Innenhafen auf Dauer
ohne Einzelhandelsbetriebe aus, die den
täglichen Bedarf der Bewohner und Büronutzer abdecken?
Steffen: Für die Nahversorgung gibt es
Ansätze, die weiter ausgebaut werden. Ein
typisches Beispiel ist das Gebäude „Wehrhanmühle“, das eine Concierge-Versorgung mit Dingen des täglichen Bedarfs bietet. Ansonsten gibt es in einem Radius von
400 Metern alle Geschäfte, die man für die
Nahversorgung braucht.
TW: Wer am Innenhafen bestimmte
Punkte anfahren will, hat heute schon oft
Probleme, sein Fahrzeug abzustellen. Ist die
Situation des fließenden und des ruhenden
Verkehrs zufriedenstellend gelöst – insbesondere wenn man auf den geplanten Endstand mit Eurogate schaut?
Steffen: Wir haben bereits sehr früh ein
Verkehrskonzept einschließlich einer Lösungsmöglichkeit für die Stellplatz-Situation präsentiert, das damals stark kritisiert
worden ist, weil wir die Besucherzahlen,
die tagtäglich zu erwarten sind, aufgezeigt
haben. Es gibt gegenwärtig natürlich ein
Problem durch die Baustellen, die zu einer Störung führen. Mit den bereits im
Bau befindlichen Stellplätzen werden wir
nach meiner Überzeugung eine zufriedenstellende Lösung bekommen. Das bedeutet aber nicht, dass jeder vor dem Gebäude, dass er gerade besuchen will, zu
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Foto: Foster
jeder Zeit automatisch den notwendigen
Stellplatz bekommt. Wir werden aber beispielsweise mit einem Parkhaus, das auf
der Nordseite gebaut wird, für diese
Fläche den Bedarf abdecken. Außerdem
ist mit Abschluss der Bauarbeiten an der
A59 unter der Autobahnbrücke eine sehr
große Stellplatzanlage vorgesehen. Im Fall
Eurogate soll im Gebäude selbst der
Stellplatzbedarf für seine Besucher abgedeckt werden. Ein Problem ergibt sich
natürlich in der Speicherzeile, weil die Gebäude keine Tiefgaragen haben. Aber auch
für diesen Bereich gibt es ganz konkrete
Baumaßnahmen, die in Kürze realisiert
werden.
TW: Welche Kernprojekte werden in nächster Zeit angegangen?
Steffen: Im nächsten Jahr werden mit drei
sehr großen Projekten über 50 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche neue
Büroflächen geschaffen. Das ist ein enormes Volumen und mehr, als im letzten Jahr
in Duisburg im gesamten Stadtgebiet an
Büroflächen vermietet worden ist. Derartige Bauvorhaben werden erst gestartet,
wenn die entsprechenden Abschlüsse von
Mietverträgen vorliegen. Es ist ein gutes
Zeichen, dass der Innenhafen trotz der allgemeinen Probleme am Büroflächenmarkt
nach wie vor sowohl von Investoren als
auch von Nutzern angenommen wird. Wir
werden mit diesen drei Projekten auf der
Nordseite eine Vervollständigung des
städtbaulichen Bildes erreichen. Mittelfristig werden wir mit Eurogate den städtebaulichen Abschluss auf der Nordseite realisieren.
TW: Die Innenhafen Entwicklungsgesellschaft ist ein Kind der IBA. Gibt es einen
Zeithorizont für das Ende der Entwicklungsarbeit? Wird die Gesellschaft dann
aufgelöst?
Steffen: Die Arbeit der Gesellschaft ist sicherlich zeitlich befristet. Es macht wenig
Sinn, eine Entwicklungsgesellschaft mit einem abzusehenden zeitlichen Ende auf
Dauer bestehen zu lassen. Man muss dazu
aber die weitere Entwicklung abwarten.
Die Realisierung der anstehenden Projekte
wird noch einen mittelfristigen Zeithorizont umfassen. Aber ein kalkulierbares
Ende ist in Sicht.
Das Interview führte
Max Pannenbecker ■
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Kultur am Innenhafen: Der Garten der Erinnerung, links im Hintergrund das Jüdische Gemeindezentrum.
Foto: Friedhelm Krischer
Blick auf die Speicherzeile des Innenhafens mit der dahinterliegenden hochwertigen
Wohnbebauung.
Foto: Dirk Soboll
Eurogate als Modell.