Der siebenarmige Leuchter – Die Menora - Evangelisch

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Der siebenarmige Leuchter – Die Menora - Evangelisch
Predigt zum 14. Oktober 2012, gehalten in Richterswil ZH,
durch Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Zürich
Der siebenarmige Leuchter – Die Menora
Predigttext Offenbarung des Johannes 1,20
„Mit dem Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner
Rechten gesehen hast, und mit den sieben goldenen
Leuchtern ist es so: Die sieben Sterne sind die Engel der
sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die
sieben Gemeinden.“
Liebe Gemeinde
Der siebenarmige Leuchter, die Menora – Warum soll
sie ein Predigtthema in einer reformierten Kirche sein?
Da gäbe es doch sicher noch andere Dinge zum Verkündigen und Überdenken, andere Themen der Erbauung vielleicht auch.
Aber schauen Sie: Es kommt jetzt bald jene Zeit, die ich
gerne die „Marroni-Zeit“ nenne, dieses gesunde Nahrungs- und Genussmittel, das in der kalten Jahreszeit
den Magen wärmt und dem ganzen Körper Energie
spendet.
Es ist auch die Zeit der Lichter für uns; da zünden wir
gerne wieder einmal eine oder mehrere Kerzen an. Das
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ist heimelig, es lässt uns nach den schönen Sommerausflügen auf uns selbst besinnen und die Qualitäten vom
Zuhause und den vier Wänden spüren, in denen wir uns
geborgen fühlen dürfen. Man soll jeder Zeit im Jahreslauf das Gute und Schöne abgewinnen, das Kraft spendet und Freude gibt.
So ist mein Blick wieder einmal auf den siebenarmigen
Leuchter, eben die Menora der Juden gefallen, und ich
finde sie schön. Bereits in meiner Studienzeit hatte ich
mir eine solche zugelegt, und heute hab ich eine davon
zuhause in der Wohnung und eine im Büro an meinem
Arbeitsplatz in der Kirche von Sihlcity.
Das ist ein sogenanntes ergänzendes Seelsorgeangebot,
das von den Kirchgemeinden der Stadt Zürich ökumenisch betrieben wird und auch interreligiös offen ist. Die
weissgoldene Kapellentüre enthält die Symbole der fünf
Weltreligionen, das Ohm der Hindus, das Rad des Buddha, die Menora der Juden, das Kreuz der Christen und
die zunehmende Mondsichel der Muslimen.
Am Anfang hatten wir für das Judentum den Davidsstern. Da wurde immer bisschen rumgemacht daran. Er
ist leider historisch sehr belastet. Wir haben dann gemerkt, dass die Menora älter ist und haben diese hin getan.
Der siebenarmige Leuchter wird minutiös beschrieben
im zweiten Buch Mose, Kapitel 25, Verse 31 bis 39:
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„Dann mache einen Leuchter aus reinem Gold. Als getriebene Arbeit aus einem Stück soll der Leuchter gemacht werden, sein Fuss und sein Schaft, seine Kelche,
Knäufe und Blüten. Und sechs Arme gehen von seinen
beiden Seiten aus, drei Arme des Leuchters auf der einen Seite und drei Arme des Leuchters auf der anderen
Seite. Drei mandelblütenförmige Kelche sind an dem
einen Arm, mit Knauf und Blüte, und drei mandelblütenförmige Kelche an dem anderen Arm, mit Knauf und
Blüte ...“
So schön, gut und stark. Der Leuchter hat die Verwurzelung eines Baumes mit der Qualität der Blüten und dann
eben des Lichtes. Der Baum gründet in der Erde und er
wächst dem Licht entgegen. Seine Zweige bringen Blüten und Früchte hervor. Es ist Herbstzeit, Erntezeit. Wir
dürfen uns kräftigen und geniessen aus dem Füllhorn
der Gnade des Herrn, die Früchte fruchtbaren Wachstums und harter Arbeit von Menschen.
Schöpfung, Berufung, Gnade, Arbeit und Glaubenskraft
kulminieren da zu etwas Stärkendem und Kostbarem.
Die Worte der Bibel werden so sichtbar und greifbar,
essbar auch und geniessbar. Alles aus Gnade. Ich erlebe
es so.
Die Bibel vergleicht auch den Menschen mit einem
Baum, wenn etwa Psalm 1 sagt:
„Wohl dem, der seine Lust hat an der Weisung des
Herrn. Der ist wie ein Baum, an Wasserbächen ge3
pflanzt: Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und seine
Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gerät ihm wohl.“
Und dann kommt noch das schöne Lichtergeschenk der
Menora dazu, der siebenarmige Leuchter aus Gold. Wir
können denken: Für jeden Tag in der Woche ein Licht!
Ein erfahrener Jude hat mir mal gesagt: „Wir leben im
Tag.“ Er hat sich auf die Psalmenstelle bezogen: „Lehre
uns unsere Tage zählen, dass wir ein weises Herz gewinnen.“ Das heisst nicht, in den Tag hineinleben, aber
es bedeutet, mit dem Tag leben und sein Licht ausschöpfen, den Tag nutzen. „Wirket, solange es Tag,
denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann!“
ruft Jesus uns zu.
Im einzelnen Arm des Leuchters könnte sich auch der
Mensch als Lichtträger sehen. Jesus hat auch gesagt:
„Ihr seid das Licht der Welt!“ Dann ginge es um das
Seelenlicht, das wir tragen, oder auch um das Lebenslicht, das wir haben und das wir auch sein dürfen.
Und darum geht es auch, dass wir als solche nicht allein
sondern in einer Gemeinschaft aufgehoben sind, in der
Gemeinschaft der Sieben, einer Vollkommenheitszahl,
einer Zahl Gottes, denn wir sind seine Gemeinschaft,
seine Kirche.
Im Buch der Offenbarung – wir haben es im Predigttext
gehört – stellen die sieben Leuchter die sieben Gemeinden dar. Auch das ist ein schönes und tiefes Bild. Die
Gemeinden tragen das Licht des Wortes Gottes weiter.
„Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf
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meinem Wege.“ So steht es in den Psalmen aufgeschrieben.
Es ist schon enorm, dass das Wort Gottes, welches das
Licht als erste Tat geschaffen hatte – „Es werde Licht!“
– nun selbst Licht ist.
In den Gemeinden lebt das Wort Gottes, da wird es nahe
erfahrbar. Sie möchten nicht die Asche aufbewahren,
sondern die Fackel weitertragen. Das geht auf ein Wort
von Thomas Morus zurück, dem wir das einzige Gebet
um Humor in der Kirchengeschichte verdanken. Er hatte
einmal gesagt:
„Tradition ist nicht das Halten der Asche,
sondern das Weitergeben der Flamme.“
Ja, die BeGEISTerung, in der immerhin das Wort
„Geist“ steckt, die hat Flügel und ist ansteckend. Als
einzelne Gläubige, als Gemeinde, als Menschen tragen
wir das von Gott geschenkte Lebens- und Seelenlicht
frohgemut weiter, gefestigt, geborgen und mit weitem
Land vor den Füssen, bis wir einst ins andere Land sehen, wo es kein Leid, keinen Schmerz und keinen Tod
mehr gibt und das Licht uns ewig leuchtet.
Amen.
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