Polit-Talk als Form demokratischer Öffentlichkeit? - Tectum

Transcrição

Polit-Talk als Form demokratischer Öffentlichkeit? - Tectum
Steffen Eisentraut
Polit-Talk
als Form demokratischer
Öffentlichkeit?
Steffen Eisentraut
Polit-Talk als Form
demokratischer Öffentlichkeit?
„Sabine Christiansen“ und „Hart aber fair“ im Vergleich
Tectum Verlag
Steffen Eisentraut
Polit-Talk als Form demokratischer Öffentlichkeit?.
„Sabine Christiansen“ und „Hart aber fair“ im Vergleich
ISBN: 978-3-8288-9490-7
Tectum Verlag Marburg, 2007
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Widmung
Dieses Buch möchte ich meiner Mutter widmen,
die mir auf meinem bisherigen Weg stets den Rücken gestärkt hat.
Außerdem danke ich meiner Freundin Jessi dafür,
dass sie auch in schwierigen Zeiten an meiner Seite steht.
Geleitwort
Am 26. Juni 2007 wurde Sabine Christiansen zum letzten Mal ausgestrahlt,
symptomatisch staatstragend mit einer Sendung, in der die Moderatorin
als einzigen Gast den amtierenden Bundespräsidenten Horst Köhler befragte. Damit ging ohne Zweifel eine wichtige Ära der politischen Kommunikationskultur in der Berliner Republik zu Ende. Sie hatte begonnen
im Jahr 1998, als die ehemalige Tagesthemen-Frau Christiansen mit ihrer
Talk-Runde Erich Böhmes relativ erfolgreichen Talk im Turm auf Sat 1
beerbte. Auf dem Sendeplatz gleich nach dem sonntäglichen Tatort gelang es der ARD, eine politische Institution zu schaffen, die den Diskurs
des Landes durchaus so nachhaltig prägte, dass einige Politiker hier
schon ein „Ersatzparlament“ beklagten, in dem kommunikativ mehr
Weichenstellungen erfolgten als im Bundestag.
Es scheint kein Zufall, dass die Christiansen-Ära über weite Strecken
einher ging mit der Amtszeit von „Medienkanzler“ Gerhard Schröder.
Der hatte mit einer amerikanisierten Politainment-Kampagne im Herbst
1998 das Kanzleramt erobert und 2005 nach den vorgezogenen Bundestagswahlen das politische Feld verlassen. Die Modernisierung von
Wahlkämpfen und Politikinszenierung einerseits, die weitgehende Verlagerung der politischen Debatte aus den traditionellen politischen Institutionen heraus und in die Unterhaltungsforen des Fernsehens hinein,
das war die Signatur der Zeit.
Mit Hart aber fair erblickte dann schon 2001 ein neuartiges Talk-Format
die Fernsehwelt, das sich als durchaus zukunftsfähige Alternative zum
repräsentativen Diskurs der politischen Eliten bei Christiansen erwies.
Und es erscheint wiederum kein Zufall, dass Hart aber fair im Herbst
2007 just in dem Moment vom dritten Programm des WDR-Fernsehens
in die Prime Time des Ersten aufrückte, als Christiansen abgedankt hatte. Das WDR-Format ist journalistischer, mit mehr solider Recherche unterfüttert und gestaltet, aber auch streitlustiger inszeniert. Die politischen Akteure werden hier mit unangenehmen Fakten und eigenen früheren Positionen ebenso konfrontiert wie mit den hartnäckigen Nachfragen des Vollblutjournalisten Frank Plasberg. Während Christiansens Ritual mit den immergleichen Runden am Ende bei sinkenden Quoten eher
der allgemeinen Politikverdrossenheit Vorschub zu leisten schien, fühlten sich die Zuschauer in Plasbergs Talk „auf Augenhöhe“ mit den Politikern offenbar zunehmend besser aufgehoben, zumal hier auch partizipative Elemente in die Sendung integriert wurden.
Die Studie von Steffen Eisentraut entwickelt eine zweifache Fragestellung. Zum einen soll geklärt werden, in welcher Form und mit welchen
Mitteln bei Sabine Christiansen und Hart aber fair politische Öffentlichkeit
inszeniert wird. Zum anderen wird gefragt, inwiefern diese Sendungen
Funktionen demokratischer Öffentlichkeit wahrnehmen und ggf. sogar
neue Potentiale erschließen können.
Eisentraut referiert die einschlägige Forschung und gibt einen Abriss zur
Geschichte der Talk-Formate im Fernsehen, um dann in den folgenden
Abschnitten systematisierend die Charakteristika von Talksendungen
und politischen Talks zu bestimmen. Die Funktionen und Wirkungen
werden aus der je unterschiedlichen Perspektive von politischen Akteuren, Produzenten und Zuschauern geklärt, um schließlich vor dem Hintergrund demokratietheoretischer Normen die Möglichkeiten des Talks
zwischen „moderner Agora“ und „falschem Plebiszit“ aufzuspannen.
Im analytischen Teil folgt der Verfasser weniger einem etablierten methodischen Paradigma, sondern entwickelt eigenständig eine Kombination aus politischer Kommunikationsanalyse und medienwissenschaftlicher Untersuchung audiovisueller Texte. Die Pointe dieser Verbindung
liegt darin, dass die bislang oft vernachlässigte ästhetische Ebene der Inszenierung von Talksendungen in den Mittelpunkt gerückt und damit
ein beachtlicher eigenständiger Beitrag zur Forschungsdiskussion erbracht wird. Eisentraut untersucht nicht nur Figuren- und Gesprächkonstellationen sowie die jeweilige Rolle der Moderatoren, sondern ausführlich auch die ästhetische Gestaltung des Vorspanns, die Studiodekoration und die Beleuchtung, die Sitzanordnung von Gästen und Publikum, die Kameraeinstellungen und -perspektiven, Struktur und Funktion von Einspielfilmen u.v.m. Eine vergleichende Analyse sowie ein Fazit
runden den materialorientierten Teil der Arbeit ab. Besonders aufschlussreich ist dabei der Vergleich der beiden Formate, in dem etwa
herausgearbeitet wird, dass auf der einen Seite das farbästhetische Design der Christiansen-Sendung mit dem Zielimage einer Sachlichkeit
und Neutralität nach Art von Nachrichtensendungen in deutliche Spannung tritt zum Schaukampfcharakter der oft plakativ geführten Diskussionen, während die Konstellation bei Hart aber fair geradezu umgekehrt
angelegt ist: Ein aggressiv-dynamisches Design steht hier einer eher
sachorientierten, über die Einspieler auch durchaus faktengesättigten
Diskussion gegenüber. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die demokratietheoretisch begründeten Potentiale der Sendungen durchaus
unterschiedlich einzuschätzen sind.
Die Einbeziehung der ästhetischen Ebene bedeutet einen deutlichen
Schritt über die bislang vorliegende Literatur zu politischen Talk-Shows
hinaus. Es ist zugleich ein Schritt zur Integration von sozial-, kommunikations- und medienwissenschaftlichen Perspektiven, wie sie angesichts
der bisherigen Arbeitsteilung und nebeneinander verlaufender Diskurse
zwischen den Fächern und Paradigmen dringend gefordert scheint.
Erst eine solche integrative Perspektive vermag die komplexe Realität
öffentlicher politischer Kommunikation in der medialen Erlebnisgesellschaft angemessen komplex zu analysieren.
Andreas Dörner
1
EINLEITUNG ..................................................................7
2
THEORETISCHER TEIL .............................................14
2.1
Bisherige Forschung ................................................................14
2.2
Die Geschichte des Fernseh-Talks .........................................16
2.2.1
Die USA als Geburtsort des Fernseh-Talks............16
2.2.2
Die Entwicklung des Fernseh-Talks
in Deutschland ...........................................................19
2.3
Charakteristika der Talkshow................................................23
2.4
Was macht eine Talkshow zur „politischen“ Talkshow? ..27
2.5
Zur Rolle des Moderators .......................................................31
2.6
Talkshowisierung der Politik –
Funktionen und Wirkungen...................................................32
2.7
2.8
3
2.6.1
Polit-Talks aus Sicht der Teilnehmer ......................32
2.6.2
Polit-Talks aus Sicht der Produzenten....................36
2.6.3
Polit-Talks aus rezipientenorientierter Sicht .........37
Politische Talkshows – moderne Agora
der Öffentlichkeit oder falsches Plebiszit? ...........................42
2.7.1
Zum Begriff der Öffentlichkeit ................................42
2.7.2
Medien- und Talköffentlichkeit...............................45
2.7.3
Kritische Diagnosen versus Suche
nach Potenzialen ........................................................46
Zwischenfazit............................................................................53
ANALYTISCHER TEIL ...............................................56
3.1
Erklärung der Vorgehensweise..............................................56
3.2
Analyse der politischen Talkshow Sabine Christiansen.......58
3.2.1
Fakten zu Moderatorin und Sendung ....................58
3.2.2
Studio-Setting .............................................................59
3.2.3
Dramaturgischer Aufbau der Sendung..................60
3.2.4
Titelsequenz ................................................................61
3.2.5
Begrüßung und thematische Einführung ..............63
3.2.6
Vorstellung der Diskussionsteilnehmer.................67
3.2.7
Filmeinspieler .............................................................69
3.3
3.4
3.2.8
Gespräch......................................................................73
3.2.9
Weitere Elemente .......................................................79
Analyse der politischen Talkshow Hart aber fair .................80
3.3.1
Fakten zu Moderator und Sendung........................80
3.3.2
Studio-Setting .............................................................81
3.3.3
Dramaturgischer Aufbau der Sendung..................82
3.3.4
Titelsequenz ................................................................82
3.3.5
Begrüßung und thematische Einführung ..............84
3.3.6
Vorstellung der Diskussionsteilnehmer.................86
3.3.7
Gespräch......................................................................88
3.3.8
Filmeinspieler .............................................................92
3.3.9
Weitere Elemente .......................................................95
Abschließender Vergleich von Sabine Christiansen
und Hart aber fair ......................................................................97
4
SCHLUSS .....................................................................101
5
Abbildungsverzeichnis..............................................105
6
Literaturverzeichnis....................................................109
6.1
Internetressourcen..................................................................114