Shropshire

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Shropshire
DAS SHROPSHIRE-SCHAF
DIE LEBENDEN RASENMÄHER
Erst mit ihrer Hilfe wurde
die Produktion von Biochristbäumen in Österreich erfolgreich: Shropshire Schafe
fressen das Gras zwischen
den Bäumen, die jungen
Spitzen der Bäume lassen
sie aber unberührt.
ShropshireSCHAFE
Fotos: F. Linsbod, Spenger, Gutlederer
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ls Ferdinand Linsbod
vor zehn Jahren die ersten Shropshire-Schafe
nach Österreich holte,
hielten ihn heimische
Schafzüchter für verrückt: Eine Schafrasse, die die zarten Triebe in den Christbaumkulturen verschmähte – unmöglich, so etwas konnte es nicht geben. Schließlich sind die Spitzen der Nadelbäume für Schafe so etwas wie Schokolade für Kinder – ein wahrer Leckerbissen!
„Um unsere Christbaumkulturen
vom Gras frei zu halten, mussten
wir früher Herbizide einsetzen“, berichtet der 35-jährige Landwirt aus
Nussbach in Oberösterreich. „Doch
das bringt eine Reihe von Nachteilen: Es kostet Geld, belastet die Umwelt und den Menschen und hinterlässt hässliche braune Flecken in
den Kulturen.“ Jahrelang suchte er
nach einer umweltfreundlichen
und wirtschaftlichen Möglichkeit
seine Christbaumkulturen und den
großen Obstgarten mit Apfel-, Birnund Nussbäumen vom Gras zu befreien.
Die Lösung fand er schließlich
durch Zufall. „Ich las im Internet,
dass man in Neuseeland eine Schafrasse entdeckt hat, die Bäume in
Ruhe lässt.“ Linsbod zögerte nicht
lange und kaufte in England 21
A
Gräser und Kräuter
sind ihre Lieblingsspeise: Shropshires
sind unkompliziert
zu halten.
Stück der hierzulande noch unbekannten Shropshire-Schafe. Er ging
ein großes finanzielles Risiko ein –
„allein der Transport kostete mich
rund 65.000 Schilling“ – und wurde
für seinen Mut belohnt.
Was kein Schafexperte für möglich gehalten hatte, trat ein.
Helfer für Biochristbaumproduzenten
Die Shropshire-Schafe weideten
in den Christbaumkulturen das Gras
ab, bissen aber die Zweige nicht an.
Auch in seinen Obstgärten, die bis
jetzt mühsam gemäht werden mussten, konnte Linsbod die Schafe grasen lassen, denn die Tiere ließen die
Rinde der Bäume unberührt.
Shropshire Schafe wurden zum ersten Mal im
19. Jahrhundert in den englischen Grafschaften
Shropshire und Staffordshire gezüchtet. In dieser rauen Gegend hatte die Schafhaltung schon immer eine
große Bedeutung. Von England aus wurde es in alle
wichtigen schafhaltenden Länder (USA, Kanada, Australien, Neuseeland) exportiert. Im englischen Mutterland und in Übersee wird das Shropshire vor allem
wegen seiner Fleischqualität geschätzt. Shropshire
Schafe eignen sich ausgezeichnet zur Kreuzung mit
anderen Schafrassen. Auf dem europäischen Kontinent blieben sie bis vor kurzem unbekannt.
Shropshire Schafe sind
einfach zu halten, denn
sie stellen geringe Anforderungen an ihre Umwelt. Da sie äußerst robust sind, genügt im Winter
ein einfacher Stall. Von April bis zum ersten
Schneefall bleiben die Schafe im Freien. Während
der Vegetationsperiode ernähren sich die Tiere
ausschließlich von Gräsern und Kräutern.
Der Erfolg sprach sich rasch herum, vor allem unter den Züchtern
von Biochristbäumen. „Heute sind
Shropshire Schafe in österreichischen Christbaumkulturen die gängigste Methode das Gras in Schach
zu halten“, erklärt Linsbod. Auch
am Biobauernhof von Familie Spenger in Grimmenstein (NÖ) tummeln
sich Shropshire Schafe zwischen
den Christbäumen. „Früher mussten
wir zwei- bis dreimal im Jahr händisch mähen, das war schon sehr arbeitsaufwändig“, berichtet Biobauer
Spenger. Heute genügt ein Reinigungsschnitt pro Jahr.
Positive Begleiterscheinungen:
Die Grasnarbe wird durch das Abweiden sehr dicht, die Bäume werden gedüngt und lästige Nagetiere
wie Mäuse suchen das Weite. „Die
Schafe zertreten ihre Gänge, irgendwann reicht das den Mäusen und sie
wandern aus“, schmunzelt Linsbod.
Fleischqualität
wird geschätzt
Shropshire-Pionier
Ferdinand Linsbod mit
seinen Schafen
Auch die Besitzer größerer Obstund Hausgärten bzw. von Flächen,
die nicht mehr intensiv bewirtschaftet werden, halten ShropshireSchafe als „lebende Rasenmäher“.
„Sie kaufen die Lämmer im Alter
von ca. 20 Wochen und behalten sie
während der Vegetationsperiode
von Mai bis Oktober.“ Wer die Schafe nicht den Winter über durchfüttern will, verkauft oder schlachtet
sie für den Eigenbedarf.
Andere wie Ferdinand Linsbod
oder Familie Spenger züchten die
Shropshire Schafe. Insgesamt gibt
es in Österreich derzeit rund 50
Shropshire-Züchter, die sich zur
„Austrian Shropshire Sheep Society“ zusammengeschlossen haben.
„Die Nachfrage ist groß“, betont
Linsbod. „Denn mittlerweile schätzt
man in Österreich das Shropshire
auch wegen seiner Fleischqualität.
Ihm fehlt der typische, nicht von jedem geschätzte Schafgeschmack.“
Linsbod arbeitet aber schon am
nächsten Projekt. Zusammen mit
Weinbauern will er herausfinden,
ob sich Shropshire-Schafe auch dazu eignen, das Gras zwischen den
Reben abzufressen. Vor allem für
steile Lagen würden sich die Schafe
als „Rasenmäher“ anbieten. „Die
Weinstöcke verschonen sie“, weiß
Linsbod bereits. „Die Frage ist noch:
Wie hoch müssen die Trauben hängen, damit sie diese nicht erwischen?“
Ursula Mauritz
INFORMATIONEN:
Austrian Shropshire Sheep Society,
Geisenheim 24, 4632 Pichl bei Wels,
✆ 0 72 47/85 06 23, Internet: www.igv.at
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