Sonne, Meer und Gegenwind

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Sonne, Meer und Gegenwind
Radtour Danzig – Riga ■ REISE
Magische
Stunden: auf
Sandwegen
durch Alleen
im früheren
Preußen
Sonne, Meer
und Gegenwind
Die Landschaft zwischen dem polnischen Danzig und dem lettischen Riga ist wunderschön.
Aber kann man sie auch genießen, wenn man die 550 Kilometer mit dem Rad fährt?
BRIGITTE WOMAN-Mitarbeiterin Anna M. Löfken hat es ausprobiert
F O T O S SABINE STEPUTAT
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BRIGITTE
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Mousse T.
Musik-Produzent
E
igentlich fürchte ich
mich nicht vor Män­
nern. Aber vor Frank
und Hartmut habe ich
Angst. Die beiden sehen mit ihren
über 70 Jahren ziemlich harmlos
aus, doch bei unserer Vorstel­
lungsrunde im Danziger Hotel
offenbaren sie sich. Ganz beiläu­
fig erzählen die beiden Hobby­
radler, wo überall auf der Welt sie
schon auf Tour waren: Uganda,
Senegal, Südafrika (Frank aus
Berlin), Nordkap, über die Alpen
und eben mal nachts von Nieder­
Die Sonne scheint, und Gdansk,
wie die Stadt auf Polnisch heißt,
füllt sich mit fröhlichen Men­
schen. Eine Ferienprozes­
sion
drängt sich über die Hafenmole,
Softeis in der einen Hand, Mann,
Freund oder Kind an der anderen.
In den Lokalen an der Motlawa
summt es, auf dem Wasser kreu­
zen Boote, die zu den Ostseesträn­
den fahren. Auf Yachten feiern
Jugendliche Partys. Wir bummeln
an Patrizierhäusern vorbei, die
in der Langgasse wie Bewerbe­
rinnen für einen Schönheitspreis
Hunde kläffen, als wir uns am
nächsten Morgen auf den Weg
machen. Rund 550 Kilometer
werden wir in zwölf Tagen ra­
deln, durch vier Länder: Polen, die
russische Exklave Kaliningrad,
Litauen und Lettland.
Sobald wir Danzig hinter uns ge­
lassen haben, versinke ich in der
Landschaft. Ringsum Wiesen mit
Klatschmohn, der sich im Wind
wiegt, und Weizenfelder, so weit
das Auge reicht. Wir radeln vorbei an Storchennestern, in denen
der Nachwuchs mit hungrigen
Am Wasser gebaut
Der alte Hafen von Danzig
und das Städtchen
Frombork mit dem über
600 Jahre alten Dom
sachsen nach Berlin (Hartmut
aus Soltau). Worauf habe ich
mich hier eigentlich eingelassen?
­Meine Radtour-Erfahrungen sind
eher lokal, meine Kon­dition ist
mäßig. Egal, ich vertraue auf das
Ver­sprechen von Tourguide Peter,
alle aus der ­elfköpfigen Gruppe
gut gelaunt von Danzig nach Riga
zu führen. Und auf das E-Bike, das
ich mir ausgesucht habe.
Tagsüber hat es so entspannt an­
gefangen. Meine Freundin Sabine
und ich schlenderten durch Dan­
zig. Jetzt, im Sommer, ist es warm.
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nebeneinanderstehen. Tore füh­
ren in Kopfsteinpflastergassen,
zu kleinen Secondhand-Shops, zu
Cafés mit selbst gemachtem Ku­
chen. In der Frauengasse drängt
sich ein Bernstein-Laden neben
dem anderen.
Überall ertönt Musik in der alten
Hansestadt, Geigen- und Harfen­
klänge, die Bässe einer E-Gitarre.
Es sind Studenten, die sich solo
oder als Miniband ein paar Zlotys
verdienen und uns – schöner Auf­
takt für unsere große Fahrt – in
Hochstimmung versetzen.
Schnäbeln auf die Eltern wartet.
Durch Dörfer, in denen die Zeit
nicht zu vergehen scheint. Hinter
Holzfensterläden hängen Spit­
zengardinen, an grauen Haus­
wänden blühen Stockrosen.
Die meisten Dächer sind krumm
und schief. In den Gärten wach­
sen Kohl und Möhren, Gurken,
Petersilie. Wer es zu etwas Geld
gebracht hat, schmückt seine Ga­
rageneinfahrt mit Pflastersteinen
und den Vorgarten mit Rasen und
Koniferen. Unsere Wege sind mal
Schotter- und Buckelpisten, mal
EuRe Bombe galt auch mir.
Vor zehn Jahren zündeten rechtsradikale Terroristen in Köln eine Nagelbombe. 22 Menschen wurden verletzt. Viele Wunden blieben.
Dieser Anschlag des sogenannten „NSU“ war ein Angriff auf uns alle und unsere Demokratie. Aber wir stehen zusammen. Gegen Rassismus.
Und laden zu Kulturfest und Kundgebung nach Köln ein, vom 7. – 9. Juni. Seien Sie dabei, wie auch unsere Erstunterstützer: Gruner + Jahr,
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GTB GmbH, IG Keupstraße, IG Metall, Osmab Holding AG, Prime Productions GmbH, Sparkasse KölnBonn, Stadt Köln, Amadeu Antonio
Stiftung, Mario Rispo. Mehr Info: www.birlikte.info
alte Panzerstraßen, unzählige
Schlaglöcher inklusive. „Hallo
Deutschland“, ruft uns ein Mann
mit nacktem Oberkörper über
den Zaun zu und winkt so lange,
bis wir in einem Wäldchen verschwunden sind.
M
eine Angst, Frank und
Hartmut könnten ein
Tempo vorlegen, das
mich zur Schnappatmung zwingt,
erweist sich schon in den ersten Tagen als unbegründet. Ganz
im Gegenteil. Frank plaudert so
wie sie sich auf ihrem schwarzen
Rahmen nennt. Bei Gegenwind
hört dieses E-Bike gern mal auf,
mich anzuschubsen, und lässt
mich ordentlich strampeln.
Dass alle bei guter Laune bleiben,
liegt auch an Arnim, unserem
zweiten Reiseleiter. Er macht die
besten Picknicks zwischen Ural
und Pommerscher Bucht und erzählt uns Anekdoten und Geschichten. Wie in Nida (Nidden),
dem bekannten Badeort auf der
Kurischen Nehrung mit ihrer saharagleichen Dünenlandschaft,
alte Reichsstraße von Elblag (Elbing) zur Sommerresidenz des
letzten deutschen Kaisers bei Kadyny (Cadinen), einem bescheidenen Herrenhaus mit kleinem
Park, das nicht besichtigt werden
kann. Wir erkunden Frombork
(Frauenburg), ein Städtchen mit
Dom in nordischer Backsteingotik. Neben einer Säule liegt das
Grab von Nikolaus Kopernikus,
eine goldene Madonna lächelt wie
eine Königin hinab auf die Besucher. Wir klettern den Glockenturm hinauf und werden belohnt
Sonne beschützen, über uns der
Himmel, so blau und hoch wie
nirgendwo auf der Welt, da kann
ich den Schmerz der Vertriebenen
besser verstehen.
In ihrem Buch „Bilder, die langsam verblassen“ schrieb Marion
Gräfin Dönhoff, die in Ostpreußen auf einem Gut aufwuchs und
alles verlor: „Ich kann mir nicht
vorstellen, dass der höchste Grad
der Liebe zur Heimat dadurch
­dokumentiert wird, dass man sich
in Hass verrennt gegen diejenigen, die sie in Besitz genommen
Hin-Gucker Anna Löfken
radelt voraus auf der
­Kurischen Nehrung, Haus
in Nida, Picknicktisch,
­Kaliningrads Promenade
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HELLO
SUMMER!
a­ müsant auf der Fahrt über sein
Leben und seine Lieben, dass ich
alle Anstrengungen vergesse.
Hartmut prescht nie vor und gibt
mir Tipps, wie ich beim Fahren
meine Kräfte schonen kann.
Auch die anderen Mitradler, zwei
Paare aus Nord- und Süddeutschland, Bruder und Schwester aus
Hamburg und eine Single-Frau
aus dem Rheinland, sind Team­
player und passen sich dem
­Gruppenrhythmus an. Wenn hier
überhaupt jemand zickt, dann
ist es mein Rad, meine „Gazelle“,
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wo wir das Sommerhaus von
­Thomas Mann besuchen. Es ist
ein Holzhaus mit Traumblick auf
das Haff. In einer kleinen Kammer unterm Reetdach schrieb
der Nobelpreisträger an „Joseph
und seine Brüder“. Er war mit
­seiner Familie Anfang der drei­
ßiger Jahre nur dreimal hier, bevor er in die Schweiz emigrierte.
­Danach fiel das Haus Hermann
Göring in die Hände.
Deutsche Geschichte begleitet
uns fast überall auf unserer VierLänder-Tour. Wir fahren über die
mit einem Blick auf das Frische
Haff. Ich muss an die tausende
Flüchtlinge aus den deutschen
Ostgebieten denken, die am Ende
des Zweiten Weltkrieges hier
elendig auf dem Eis erfroren oder
im Bombenhagel der russischen
Armee starben.
Wir sind keine Heimweh-Touristen. Keiner von uns sucht hier
Spuren seiner Familie. Doch als
wir durch das ehemalige Ostpreußen fahren, über diese langen Alleen, die uns mit ihren grünen
Armen voller Eichenlaub vor der
haben, und dass man jene verleumdet, die einer Versöhnung
zustimmen.“ Wenn sie an Ostpreußen denke, dann sei sie sich
sicher, dass es noch genauso unvergleichlich schön sei wie damals, als es ihre Heimat war.
„Vielleicht ist dies der höchste
Grad der Liebe: zu lieben, ohne
zu besitzen.“
Kaliningrad ist ziemlich hässlich.
Hohe ­Betonbauten aus der Sowjetzeit bröseln mehr oder weniger
vor sich hin. Und dort, wo das
alte Königsberger Schloss stand,
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ragt ein Geisterhaus, das „Dom
Sowjetow“, in den grauen Himmel. In den siebziger Jahren sollte hier die Stadtverwaltung ein­
ziehen, doch schon während der
Bauzeit drohte der Komplex
­einzustürzen. Die russische Regierung habe bereits vor Jahren
versprochen, das Schloss wiederaufzubauen, hören wir von Ta­
mara, unserer Reisebegleiterin in
der russischen Exklave. „Uns geht
es hier eigentlich gut“, sagt die
ehemalige In­genieurin, „wir können nicht klagen. Im übrigen
Wir sind froh, Kaliningrad zu verlassen. Freuen uns über die nahe
Ostsee, die in hohen Wellen an
lange Sandstrände rollt, und auf
das Städtchen Klaipeda (Memel)
in Litauen. Letzte Sonnenstrahlen begleiten uns auf der Fähre,
die uns in die Hafenstadt bringt.
S
tudenten sitzen draußen
vor alten Speichern am
Fluss Dane, ziehen lachend
vorbei am Ännchen-von-TharauBrunnen am Theaterplatz und
weiter durch die Gassen der Alt-
und unsere Beine ausstrecken,
auf einer Wiese, betupft mit dem
Blau der Kornblumen, dem Pink
der wilden Wicken. An Seen, wo
das Schilf leise raschelt und ein
Fasan aus der Deckung flattert.
Wenn uns eine Dorfkirche auf­
geschlossen wird und wir vor dem
Altar knien, der liebevoll mit
­Heiligenbildchen und Kerzen geschmückt ist. Wenn wir durch
Wälder rollen, wo an Lichtungen
schon mal ein Autofahrer steht,
um mit Cappuccino für R
­ adler
und Wanderer ein kleines Ge-
Riga feiert. Das ­Leben. Den Sommer. Die Bars und Kneipen haben
ihre Fenster geöffnet, M
­ usik
schallt heraus, Pop und Jazz, Folk
und Blues. Wir steuern den Livenplatz an, auf dem große Zelte
aufgebaut sind wie in einem Biergarten. In einem spielt eine
Rockabilly-Band ihre schnellen
Rhythmen, über den Holztisch
rutschen Bierkrüge in unsere
Richtung. Ein Schluck, und
schon schnappt sich Sabine den
lachenden Frank, sie fegen im
Discofox über die Tanzfläche.
­
Eigentlich wollten wir weiter­
­
ziehen, zu den schnörkeligen
Jugendstilhäusern. Aber jetzt
­
schalten wir einfach einen Gang
runter und bleiben. Klatschen
und rocken und feiern mit.

Feier-Abend
Im Sommer ist in den
Clubs von Riga viel los.
Ruhiger geht es in den
Gassen der Altstadt zu
GUT ZU WISSEN
Die geführte Fahrradreise wird vom Radreisespezialisten
„Die Landpartie“ (Tel. 04 41/570 68 30, www.dielandpartie.de)
in Zusammenarbeit mit dem ADFC angeboten. Sie ist Teil einer
außergewöhnlichen Tour von Hamburg nach St. Petersburg:
1. Abschnitt: Hamburg – Danzig
2. Abschnitt: Danzig – Riga
3. Abschnitt: Riga – St. Petersburg
Die Abschnitte können auch einzeln gebucht werden.
Die Unterkünfte sind meist schlicht, das Gepäck wird befördert,
ein Begleitbus sammelt müde Radler ein.
Tagesetappen: zwischen 33 und 75 Kilometern.
Preis: ab 1495 Euro, inkl. Halbpension und Eintrittsgeldern. Für das
reichhaltige Picknick wird gesammelt. Tourenräder 90 Euro,
E-Bikes 180 Euro. Termine für die Radtour Danzig – Riga: 2. bis 15.
Juli, 12. bis 25. Juli und 2. bis 15. August 2014.
Extratipp: Veranstaltungen in der diesjährigen Kulturhauptstadt
Riga unter www.riga2014.org.
Zur Vorbereitung: der DuMont-Bildatlas „Baltikum“ (8,50 Euro);
Marco-Polo-Reiseführer „Polen“ (11,99 Euro).
Deutsche Bank
„Ein Kredit soll mir gute
Konditionen bieten.
Und�sich meinem Leben
anpassen.“
stadt, von Fachwerkhäusern gesäumt. In der Friedrichspassage
gibt es nach 19 Uhr keinen Platz
mehr in den Lokalen, die Gäste
sitzen Ellbogen an Ellbogen, während deftige Kost auf den Tischen
steht: Teigtaschen mit Pilzen,
Kartoffelklöße mit Fleischfüllung. Dazu ein frisch gezapftes
Svyturys, ein Bier aus einer der
ältesten Brauereien der Stadt.
Es sind aber eher die stillen Momente, die diese Tour so einmalig
machen. Wenn wir mit roten Köpfen irgendwo in der Natur sitzen
schäft zu machen. Wenn wir den
„Berg der Kreuze“ besteigen, ein
nationales Heiligtum im katho­
lischen Litauen. Ein Hügel mit
­ungezählten Kruzifixen, ein Dickicht aus Holz und Eisen, aus
Plastik und Radfelgen, über und
über behängt mit Rosenkränzen
und Papierblumen. Jedes eine
Fürbitte, ein Wunsch, ein Dank,
eine Abbitte. Unter sowjetischer
Besatzung wälzten Planierraupen alles nieder. Einige Nächte
später waren die ersten Kreuze
wieder auferstanden.
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Foto: Corbis
Russland ist so viel mehr Wehmut und Armut.“
An Lebensmitteln mangelt es in
Kaliningrad nicht. Im Su­permarkt
Viktoria türmen sich Melonen,
Tomaten und Kirschen. Würste
und frisch geschlachtete Hühner
liegen auf der Fleisch­theke. Brot
kommt duftend aus dem Ofen.
In meinem Warenkorb landet eine Saunamütze für Männer mit
rotem Sowjetstern und ein
­
Klatschheft: Auf dem Titelblatt
lächelt Putin, der „schönste Bräutigam Russlands“.
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