Die Ökonomie von Glücksspielen

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Die Ökonomie von Glücksspielen
Die Ökonomie von Glücksspielen
Teil III: Lotterien
Dr. Ingo Fiedler
30.04.2013
Geschichtlicher Hintergrund
• Sehr alte Form des Glücksspiels
• Lotterien als Finanzierung z.B. für
– Bau der großen Mauer
– Aufbau der Kolonie Virginia
– Gründung der Universität harvard
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Charakteristika von Lotterien
(grundlegend)
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•
•
•
•
Ziehung von z.B. Zahlen
Ziehungswahrscheinlichkeit gleichverteilt
Anzahl an Losen mit z.B. Zahl
Preis für Lose
Lose der gezogenen Zahl gewinnen
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Charakteristika von Lotterien
(erweitert)
• Ziehung mehrerer Zahlen
• Kombination von Losen gewinnt höhere
Preise
• Formal (U = Nutzen, p = Warhscheinlichkeit, X = Payoff):
– U1 = p1 * X1
– U1,2 = p1 * p2 * X1,2
– X1,2 > X1
– U1,2,3 = p1 * p2 * p3 * X1,2,3
–…
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Anwendungsbeispiele in Deutschland
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Tombola
Lotto 6 aus 49
Spiel 77
Super 6
Eurojackpot
Keno
Glücksspirale
Klassenlotterien (NKL, SKL)
Fernsehlotterien (ZDF Aktion Mensch, ARD
Fernsehlotterie)
• Gewinnsparen
• Onlinelotterien
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Charakteristika deutscher Lotterien
•
•
•
•
Niedrige Auszahlungsquote
Keine (kaum) Einflussmöglichkeit auf Gewinn
Geringe Spielgeschwindigkeit
Hohe Jackpots
– Geringer Einsatz
– Sehr hoher gewinn
– Extrem geringe Gewinnwahrscheinlichkeit
• Staatliche Monopolanbieter (außer
Gewinnsparen von Banken und Sparkassen)
• Hohe Bedeutung für den Staatshaushalt
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Der Markt für Offlinelotterien in
Deutschland
• Konzentration auf Angebote des Deutschen
Lotto-Toto-Blocks (DLTB) mit 77%
Marktanteil
• Wichtigste Produkt: Lotto 6 aus 49 (50%
Marktanteil
• 2002-2006: Stagnierung der Einnahmen
• Seit 2007 Rückgang der Einnahmen
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Der Markt für Offlinelotterien in
Deutschland II
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Ausgaben für Lotterien in der EU
Lotterieausgaben pro Kopf pro Jahr in der EU in €
Dänemark
Finnland
Griechenland
Zypern
Spanien
Italien
Österreich
Schweden
Irland
Malta
Frankreich
Großbritannien
Luxemburg
Deutschland
Belgien
Portugal
Niederlande
Ungarn
Polen
Slowakei
Slowenien
Tschechien
Estland
Litauen
Lettland
248
228
227
225
209
204
185
166
151
142
138
120
116
100
98
89
56
44
14
14
12
11
10
8
0
0
50
100
150
200
250
300
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Probleme durch Lotterien
• Sucht (nur geringfügig ausgeprägt)
• Fehlentscheidungen durch:
– Überschätzung der Gewinnwahrscheinlichkeit
• Illusion of control (Langer and Roth 1975)
• 75% of all gamblers believe that winnings occur in cycles and
events are not independent (Australian Productivity Commission 2010)
• 32% of all problem gamblers think it is possible to win money
consistently (Australian Productivity Commission 2010)
• People overestimate low prababilities (Barseghyan et al. 2013)
– Überschätzung des Nutzens aus Gewinn eines Jackpots
• People assume the same marginal utility of money as in their
current situation
• Regressivität: Arme Schichten spielen verhältnismäßig
mehr  Umverteilung von arm zu reich (z.B. Beckert/Lutter 2008&2009)
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Überschätzung kleiner Wahrscheinlichkeiten
Y-Achse: Geschätzte Wahrscheinlichkeit
X- Achse: Tatsächliche Wahrscheinlichkeit
[Barseghyan et al. 2013]
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Sozial optimale Ausschüttungsstrukturen
von Lotterien
• Wenig Kleingewinne
• Keine Jackpots
• Viele mittelgroße Gewinne
Lotterie mit geringem Suchtpotential und
sozial erwünschter Auszahlungsstruktur
Ausschüttungsanteil
Lotterie mit Suchtpotential und sozial unerwünschter
Auszahlungsstruktur
Ausschüttungsanteil
Gewinnwahrscheinlichkeit
Gewinnwahrscheinlichkeit
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Gründe gegen Kleingewinne
• Kleingewinne dienen als Reinforcer („Verstärker“)
und damit dem Konditionierungsprozess
• Ohne Kleingewinne (Primer) kaum Spielteilnahme 
Jackpot-only funktioniert nicht
• Oftmals direkter Wiedereinsatz – damit kein „echter“
Gewinn
• Kleingewinne
– Erhöhen Suchtpotential
– Erhöhen Verluste
– Verringern Zeit bis zur Sucht
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Reinforcing und Matching Law
• Matching Law: Tiere und auch Menschen wählen
zwei Wahlmöglichkeiten im Verhältnis zu der
relativen Frequenz des Reinforcements [Herrnstein
1961]
– B1/B2 = R1/R2
– B := Rewards/Reinforcements received from an
alternative
– R := Responses
• Rewardhöhe und Verzögerung sind entscheidend:
– B1/B2 = A1/A2 * D2/D1.
– A := Amount,
– D := Delay
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Gründe gegen Jackpots
• Werbung mit Jackpots
– Verzerrt Wahrnehmung der Gewinnchancen
– Second-order-Reinforcement (indirekte Belohnung
durch Beobachtung) [Petry 2005].
• Fast-Gewinne
– Tendenz Fast-Gewinne in Gewinne zu
transformieren [Skog 2005]
– Als second-order reinforcers
• Jackpots als Verkauf von Hoffnung auf
Statussprung
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Ausschüttungsstruktur Lotto 6 aus 49
Auszahlungsstruktur beim Lotto "6 aus 49"
0.5
0.45
Aussschüttungsanteil
0.4
0.35
0.3
0.25
0.2
0.15
0.1
0.05
0
1
2
Jackpot
3
4
Mitlere Gewinne
5
6
7
Kleingewinne
8
16
Historische Ausschüttungsstruktur
Lotto 6 aus 49
17
Historische Jackpothöhe 6 aus 49
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Eurojackpot
• Lotterie im europäischen Verbund
• Ergänzung (Substitution?) des Lotto 6 aus 49
• Einnahmerückgänge als Begründung für
Erlaubnis
• Höherer Jackpot, mehr Kleingewinne,
weniger mittlere Gewinne
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Ausschüttungsstruktur Eurojackpot
Auszahlungsstruktur beim Eurojackpot
0.5
0.45
Aussschüttungsanteil
0.4
0.35
0.3
0.25
0.2
0.15
0.1
0.05
0
1
2
Jackpot
3
4
5
6
Mitlere Gewinne
7
8
9
10
11
12
Kleingewinne
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(Angebliche) Gründe für das
Staatsmonopol bei Lotterien
• Kanalisierungshypothese: Durch das Angebot von Lotterien wird
die Nachfrage nach Glücksspielen in „ungefährlichere“ Bahnen
geleitet
– Kritik:
• Kann genauso bei privaten Anbietern funktionieren
• Nimmt an, dass Lotterien und z.B. Spielautomaten Substitute sind; dies ist
nur sehr bedingt richtig
• Reduzierung des Suchtpotentials, da
– Geringeres Gewinninteresse
– Mehr Kontrollmöglichkeiten
– Kritik:
• Lotterien sind das suchtungefährlichste Glücksspielprodukt
• Ausreichend, um solch einen starken Markteingriff zu rechtfertigen?
• Reduzierung von Betrug und Manipulation
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Tatsächlicher Grund für das
Staatsmonopol bei Lotterien
Staatseinnahmen
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