FC SCHALKE 04 - Ultras Gelsenkirchen

Transcrição

FC SCHALKE 04 - Ultras Gelsenkirchen
Ausgabe 08 / Saison 15/16 • Hannover 96 • Auflage: 1.500 / gegen freiwillige Spende
Termine
10.12.2015, 21:05 Uhr
Asteras Tripolis - FC Schalke 04
Stadio Theodoros Kolokotronis
12.12.2015, 9:00 Uhr
UGE Stand Weihnachtsmarkt
Bahnhofstraße Gelsenkirchen
FC SCHALKE 04
Zwischen Mythos, Titeln und Tränen.
13.12.2015, 15:30 Uhr
FC Augsburg - FC Schalke 04
Arena Augsburg
18.12.2015, 20:30 Uhr
FC Schalke 04 - TSG Hoffenheim
Arena AufSchalke
Fotos: UGE
Herausgeber „Blauer Brief“:
Ultras Gelsenkirchen e.V.
Daimlerstraße 6
45891 Gelsenkirchen
www.ultras-ge.de
[email protected]
V.i.S.d.P.: Zoran Stanisavljevic
Themen in dieser Ausgabe:
Einleitung +++ Rückblick FC Schalke 04 e.V. - FC Bayern München AG +++ Rückblick FC Schalke 04 e.V. - APOEL Nicosia
+++ Rückblick Bayer 04 Leverkusen GmbH - FC Schalke 04 e.V. +++ Interview: Vorsänger Teil VI +++ aUsGEholt - jetzt
wird’s kritisch! +++ Gedankenaustausch +++ Zurück zu den Wurzeln - Italien +++ Gemischte Tüte +++ Nordkurve singt
Glückauf Schalker,
die sportliche Situation rund um unsere Königsblauen ist derzeit leider nicht wirklich zufriedenstellend. In
der Bundesliga sind wir bereits seit fünf Spielen ohne Sieg. Der Mannschaft kann man allerdings kaum einen
Vorwurf machen, da die Einstellung zumindest immer gepasst hat. Mit dem mehr als mühsamen 1:0 gegen
Nicosia konnten wir das Achtelfinale in der Europa Leauge fix machen und werden so zumindest in einem
Pokalwettbewerb überwintern.
Am heutigen Abend heißt der Gegner Hannover 96. Nach zuletzt starken Gegnern, wo man im Vorfeld auch mit
einem Punkt zufrieden gewesen wäre, gilt heute die Devise: “Drei Punkte sind Pflicht!” Damit dies gelingt sind
natürlich auch wieder alle Schalker auf den Rängen gefordert, ihr Maul aufzubekommen. Um die Mannschaft
direkt beim Betreten der Arena zu pushen, wird es heute eine große Choreographie in der Nordkurve geben.
Damit diese gelingt ist es von immenser Bedeutung, dass ihr die Anweisungen auf dem Choreo Flyer genaustens
befolgt. Nur wenn jeder Einzelne mitzieht, kann die Choreo ein ausdrucksvolles Gesamtbild ergeben. Lest euch
den Flyer, den ihr beim Betreten der Nordkurve bekommen habt, deshalb gründlich durch. Ganz wichtig ist an
dieser Stelle nochmals zu erwähnen, dass die Choreo möglichst lange oben gehalten wird!
Geschlossen und laut zum Sieg! Ausruhen könnt ihr euch Samstag und Sonntag.
Dass Fußball doch nicht immer das Wichtigste ist, mussten wir in letzter Zeit am eigenen Leib erfahren. Wie jeder
mitbekommen haben sollte, war ein aktives Mitglied der Schalker Fanszene spurlos verschwunden. Nach einigen
Wochen des Hoffens und Bangens kam vor ein paar Tagen die erlösende Nachricht: Jens ist wieder aufgetaucht
und befindet sich derzeit in ärztlicher Behandlung. Vielen Dank an alle Schalker, die die Vermisstenanzeige
verbreitet haben und bei der Suche beteiligt waren!
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Wir wünschen Jens eine baldige Genesung und dass er so schnell wie möglich wieder zusammen mit uns die
Spiele des FC Schalke 04 besuchen kann!
Auch Willi Koslowski möchten wir an dieser Stelle gute Besserung wünschen. “Der Schwatte” stürzte letzte
Woche unglücklich und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Hoffentlich konnte er mittlerweile das
Krankenhaus wieder verlassen und befindet sich auf dem Weg der Besserung.
Am 12. Dezember 2015 ist es wieder so weit – dann werden wir gemeinsam mit dem Schalker Fanprojekt auf
dem Gelsenkirchener Weihnachtsmarkt unter dem geläufigen Motto “ULTRAS für GE” vertreten sein. Neben der
populären Tombola, bei der erneut Artikel aus den Fanlagern Schalke, Skopje, Enschede und Nürnberg verlost
werden, wird es wie immer frische Leckereien passend zur Jahreszeit geben. Kommt ab 9:00 Uhr morgens mit
der Familie an unserem Stand vorbei und leistet eure persönliche Unterstützung für unsere Stadt, wir spielen erst
am darauffolgenden Tag in Augsburg. Über die anschließenden Spenden an uns nahestehende Einrichtungen
werden wir natürlich in Kürze über die bekannten Kanäle berichten.
Ihr haltet zum wiederholten Male eine prallgefüllte Ausgabe des Blauen Briefs in den Händen. Neben den
obligatorischen Spielrückblicken gibt es in dieser Ausgabe auch einen etwas anderen Spielbericht. Ein junger
Schalker aus Nordirland hat sich vor einigen Wochen unserem “Vorwärts Nordkurve” Projekt angeschlossen
und es sich nicht nehmen lassen, seinen Tag rund um das München-Spiel aus seiner Sicht zu schildern. Auf den
nächsten Seiten informieren wir euch über die aktuelle Lage in Nürnberg, Enschede und Skopje. Als nächstes
findet ihr eine Rückmeldung auf das Thema “Copy kills Ultra” aus der letzten Ausgabe. Desweiteren erwarten
euch der letzte Teil unseres umfangreichen Vorsänger Interviews und eine kritische Auseinandersetzung mit der
aktuellen Sicherheitspolitik in der “aUsGEholt” Rubrik. In der “Italien” Rubrik blicken wir auf Geschehnisse im
Mutterland der Ultras, stellen das Fanzine “Supertifo” vor und berichten von dem Spiel “AC Pisa 1909 - Robur
Siena”. Den würdigen Abschluss bildet wie immer die “Gemischte Tüte”.
Viel Spaß beim Lesen!
FC Schalke 04 e.V. - FC Bayern München AG 1:3 (1:1)
Zum ersten Spiel nach dem bundesligafreien Wochenende machte ich mich früh morgens per Auto auf den Weg
durch das teilweise schon schneebedeckte Deutschland. Der Spieltag stand in der medialen Berichterstattung
und großen Teilen der Öffentlichkeit ganz unter den Eindrücken der Länderspielpause. Wie stark man von den
Geschehnissen in Paris und Hannover betroffen oder gar verängstigt ist, dürfte stark unterschiedlich sein.
Von Fans, die deswegen zu Hause bleiben, war zumindest in der Arena nichts zu sehen. Eine tiefergehende
Betrachtung dieser Thematik findet ihr im aUsGEholt-Text der heutigen Ausgabe.
Kommen wir zur Partie des Tages. Der Club 75 war, auch dank zahlreicher Unterstützung aus Nürnberg und
Enschede, brechend voll. Auf dem Weg zum Stadion verbreitete sich dann kurz vor der Ankunft die Info, dass
München in relativ großer Anzahl ohne Polizeibegleitung vor die Nordkurve gelangt war. Vor dem Stadion kam
es erst zu einzelnen Auseinandersetzungen mit bereits anwesenden normalen Schalkern. Danach gab es einen
Schlagabtausch mit dem I-Block von der einen Seite und unserem gerade ankommenden Haufen von der anderen
Seite. Als Konsequenz daraus gab es bei den Bayern entkleidete Oberkörper, qualmende Schuhsohlen und blaue
Augen. Die knapp 200 Münchner und Bochumer wurden anschließend eingekesselt, mussten ihre Personalien
abgeben und erhielten einen Platzverweis für Gelsenkirchen. Sie verpassten damit auch das Spiel, weswegen
keine Fahnen der aktiven Gruppen hingen und es auch keine koordinierte Unterstützung gab. Dementsprechend
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schlecht war auch die Stimmung im Gästeblock, der trotz des Sieges nur vereinzelt und kurz nach den Toren zu
hören war. Nichtsdestotrotz muss man den Münchenern eingestehen, dass es noch nicht viele Szenen geschafft
haben, in so großer Zahl vor der Nordkurve aufzutauchen.
In Folge des Polizeieinsatzes mussten wir auf den Eingang hinter der Gegengerade ausweichen, weswegen sich
die Ankunft im Stadion etwas verspätete. Allgemein bildeten sich aufgrund der verschärften Sicherheitskontrollen
recht lange Schlangen vor den Eingängen.
Im Oberrang der Nordkurve hing wie immer anlässlich des Todestages von Charly Neumann am 11. November
die „Charly unvergessen“ -Fahne. Zum Anpfiff kommentierte das Spruchband „Tönnies nimm endlich deinen
Hut…dann wird auf Schalke alles wieder gut!“ prägnant die Personalie unseres Aufsichtsratsvorsitzenden.
Nachdem er erfreulicherweise in der Öffentlichkeit etwas in den Hintergrund getreten war, trumpfte er in der
Diskussion nach den Vorfällen in Paris in altbewährter Manier mit einem populistischen und unsinnigen Wunsch
nach Nacktscannern in der Bundesliga auf. Weitere Spruchbänder gab es während des Spiels in Richtung der
Fußballverbände und den Herren Rummenigge, Beckenbauer und Winterkorn im Rahmen der allseits bekannten
Korruptionsaffären. Zudem wurde vor Spielbeginn ein neues Lied ausprobiert, welches einen ganz guten ersten
Eindruck hinterließ. Solltet ihr das Lied noch nicht kennen, findet ihr den Liedtext am Ende dieser Ausgabe.
Im Gegensatz zu der anfangs sehr stark aufgelegten Nordkurve startete die Schalker Mannschaft dann zu
verhalten in das Spiel, was die Bayern leider schon in der 9. Minute mit einem Gegentreffer bestraften. Stellten
sich viele Fans wohl schon auf ein typisches Spiel gegen den Tabellenführer ein, glich Max Meyer ein paar
Minuten später überraschenderweise aus. Der Jubel über das Tor, das durchaus haltbar aussah, war entsprechend
brachial. Dank des Torhüters der Bayern und seiner provokanten Gesten in Richtung Nordkurve zu Beginn des
Spiels kam zu der Freude über das Tor auch Spott über seinen Fehler dazu. „Neuer ist nervös“ schallte es durch
das Rund. Auch die Stimmung in der Arena nahm danach wieder an Fahrt auf. Bis zur Halbzeit hielt die blauweiße Mannschaft gut mit und ich ging mit dem Gefühl in die Pause, dass einiges drin war. Leider sollte sich
diese Hoffnung nicht bewahrheiten. In der Mitte der zweiten Hälfte ging Bayern in Führung und dominierte
danach auch das Spiel. Die Unterstützung der Nordkurve war bis zu diesem Zeitpunkt schon merklich schlechter
geworden. Nach der Führung und dem endgültigen Siegtreffer später war die Luft dann komplett raus. Am Ende
verabschiedeten wir, in einem leider schon sehr leeren Stadion, die junge Mannschaft, die ihr Bestes gegeben
hatte und leider abermals nicht dafür belohnt wurde.
Der Rückweg und der weitere Abend gestalteten sich relativ ereignislos. Zurück blieb man mit dem Gedanken,
dass an diesem Tag vielleicht doch mehr drin gewesen wäre.
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Spezial: Rückblick aus der Sicht eines Schalkers aus Nordirland
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, hat sich vor Kurzem unser erstes Mitglied aus Nordirland dem “Vorwärts
Nordkurve” Projekt angeschlossen. Über 1.000 Kilometer legt der junge Schalker für die Besuche unserer
Heimspiele zurück. Grund genug, ihm hier eine Plattform zu bieten, um uns seine Eindrücke vom Heimspiel
gegen Bayern München zu schildern. Da wir den Text möglichst authentisch belassen wollten, haben wir uns
dazu entschlossen, ihn im Original abzudrucken.
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Hi, I’m 19 years old and I come from Northern Ireland. In July 2008 I watched the friendly game between Schalke
and Glasgow Rangers and I was instantly really impressed with the Schalke team and how they played football,
also the Arena AufSchalke looked like such a great stadium. I decided I wanted to know more about Schalke so
I started learning about the wonderful history of the club, when the 08/09 bundesliga season I began watching
all of the Schalke games on the TV or internet. Finally two seasons ago I was old enough to get a bank card
and a part time job, as soon as I could afford it I booked my first trip to watch Schalke in the arena. The game I
decided to go to was Schalke against Hertha, this was a very special experience for me finally getting to stand in
the Nordkurve and sing all the chants to make my support for the club vocal. Last season I could only afford to
go to four Schalke games as I was studying at college and not getting much money. This season so far I’ve been
to five Schalke games and I decided to join the Vorwärts Nordkurve project in October after reading about it on
the Ultras Gelsenkirchen website I really agreed with the values of the project
My journey started at 01:30 on the Saturday morning when I got the bus from my town in Northern Ireland to
Dublin airport, I arrived there at 05:00, I then had a two hour wait until my flight which ended up being delayed
until 07:30. I arrived at Düsseldorf airport at 10:00 and an hour later I got the train to Gelsenkirchen. When I
arrived in Gelsenkirchen I got some food and then went to the hotel.
A few hours before kick off I went to the club where I met up with some friends and it was really nice to see so
many people there having a good time. Then it was time for us to go to the arena, unfortunately it took us a bit
longer to get into the arena because the police blocked our route. I was standing in N4 and was really looking
forward to the game thinking we could get a good result. When we conceded early I thought it was going to be
another big defeat but the team came back and when we scored there was euphoria in the arena, in the end I
think Bayern just got a bit lucky.
After the game I went back to the club where I got some food and met some great people who showed me
around the club and told me about the history of the Ultras Gelsenkirchen, this really showed me how much
great work the group does for our fan scene and Gelsenkirchen. The next morning was the worst part of the trip
which was waking up at 07:00 to start the 1300km journey back home.
Rückblick FC Schalke 04 e.V. - APOEL Nicosia 1:0 (0:0)
Europapokalspiele Donnerstags um 19 Uhr sind Fluch und Segen zugleich. Segen insoweit, dass man frühzeitig
wieder zu Hause ist, was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass man sich nach Feierabend spurten muss, um
pünktlich in der Arena zu sein. Ich habe das große Glück, dass mein Büro gleichzeitig mein zu Hause ist, sodass ich
ganz entspannt nach erledigter Arbeit aufbrechen konnte, um gegen 17 Uhr am Club einzutreffen. Noch schnell für die
nächste Busfahrt angemeldet und die ersten Experten begrüßt ging es auch schon zum Stadion.
An der Nordkurve angekommen fielen zunächst die Bullenwannen auf. Nachdem die Münchener fünf Tage zuvor
unerkannt bis vor die Nordkurve kamen, verfiel die Staatsmacht mal wieder in blinden Aktionismus. Einen Angriff
der heutigen Gästefans war zumindest auszuschließen. Wie in den letzten Euro League Spielen, war die Arena
20 Minuten vor Anpfiff noch erschreckend leer. Bis 19 Uhr waren es dann schließlich doch 43.000 Zuschauer.
Der blau-weiße Anhang startete mit einem ordentlichem “Vorwärts Schalke” in den internationalen Abend.
Unsere Elf auf dem Rasen legte ebenso ordentlich los und erspielte sich Chance um Chance. Die erste Halbzeit
kann man sicherlich sowohl auf dem Rasen wie auf den Rängen als solide bezeichnen. Vorallem die ersten
30. Minuten waren für die Umstände entsprechend gut. Hüpf- und Klatscheinlagen bei “FC Schalke 1904”
beziehungsweise “Gelsenkirchen Schalke” ergaben ein ansprechendes Bild und eine annehmbare Lautstärke.
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Was fehlte war ein Tor für die Königsblauen. So sollte es mit 12:2 Ecken für uns, aber leider torlos in die Halbzeit
gehen. Hälfte zwei erwies sich leider als wesentlich schlechter. Auf dem Rasen gelang es unserer Mannschaft
weiterhin nicht, den Ball im Gästetor unterzubringen und es entstand gar die ein oder andere Großchance für
Nicosia. Die Nordkurve verfiel zunächst, wie schon beinah üblich nach der Halbzeit, in Lethargie und jeder sang
mehr oder weniger vor sich her. Besser wurde es erst wieder als der mittlerweile schon bekannte Wechselgesang
mit dem restlichen Stadion erklang. Hierbei war eine Steigerung bei jedem Durchgang erkennbar. Schön, dass
sich diese spontan entstandene Variante fest verankert.
Als sich die meisten bereits mit einem ernüchternden 0:0 abgefunden hatten, fiel das erlösende 1:0 durch
Eric Maxim Choupo-Moting. Dennis Aogo hätte einige Minuten später gar noch auf 2:0 erhöhen müssen. Den
Handelfmeter vergab er allerdings kläglich. Trotz vier Minuten Nachspielzeit passierte danach aber nichts mehr
und die Knappen konnten das Ticket für die K.O. Runde lösen.
Zu den Gästen gibt es nicht viel zu berichten. Der Gästeblock war zu weniger als 50 Prozent gefüllt. Ab und an
versuchten die Fans wohl sich Gehör zu verschaffen, in der Nordkurve ist aber nichts angekommen.
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SV Bayer 04 Leverkusen GmbH - FC Schalke 04 e.V. 1:1 (0:0)
Spiele in Leverkusen gehören für mich aufgrund der sportlichen Brisanz zu den besseren Auswärtsspielen.
Auch dieses Mal wäre ein Sieg extrem wichtig gewesen. Wegen Problemen bei der Deutschen Bahn ging es
statt mit einer Regelverbindung mit dem Sonderzug nach Leverkusen. Hatte der Verein noch Tage vorher auf
extra gründliche Einlasskontrollen hingewiesen, waren diese gleich nervig wie immer. Dass man bei Spielen in
Leverkusen eine der gründlichsten und übertriebensten Einlasskontrollen der Liga über sich ergehen lassen muss,
dürfte hier jeder Leser bereits leidvoll am eigenen Körper erfahren haben. Passend dazu ist sicher die Tatsache,
dass der Sportdirektor Rudi Völler direkt nach den Anschlägen in Paris personalisierte Eintrittskarten wie in Italien
gefordert hat. Die Absurdität dieses Vorschlages muss ich wohl nicht weiter erläutern.
Nachdem man dann schließlich den Block betrat, testeten wir noch zwei neue Lieder. War die Mitmachquote
beim ersten Lied noch nicht wirklich zufriedenstellend, kam die abgeänderte Version von „Wir geh’n mit dir auf
jede Reise…“ dagegen gut an. Auch in Zukunft werden wir stetig versuchen, unser Liedgut zu erweitern. Dabei
ist es die Aufgabe der ganzen Kurve, sich beim Testen von neuen Liedern reinzuhängen und Neuem gegenüber
aufgeschlossen zu sein. Den Text des zuerst getesteten Liedes findet ihr am Ende des Blauen Briefes. Was noch
erwähnt werden muss, ist die Blockaufteilung der Nordkurve. So haben sich in Leverkusen zu viele Personen in
den unteren Teil der Kurve gequetscht, anstatt sich richtig und vernünftig im ganzen Block zu verteilen. Vorallem
Schalker, die erst kurz vor Anpfiff den Block betreten, sollten sich lieber einen Platz an freien Stellen im oberen
Teil des Blockes suchen, anstatt sich nach unten zu drängeln. In Zukunft sollte man darauf vermehrt achten, da
ein viel zu voller unterer Teil des Blockes nicht hilfreich für eine gute Stimmung ist.
Wir zeigten noch ein Spruchband für unseren Bruder Henner, der Anfang der Woche wieder aufgetaucht ist. Die
genauen Umstände wurden bereits in der Einleitung erläutert. Schön, dass du wieder da bist, Opa! Zum Anpfiff
präsentierten wir noch einige Utensilien der Leverkusener Fanszene. Um es vorweg zu nehmen: Es war das
einzige, was mir von der Heimszene noch in Erinnerung bleibt. Der Auftritt war einfach nur schlecht.
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Zurück zur Nordkurve Gelsenkirchen: Im Gästeblock war die Stimmung in der ersten Halbzeit in Ordnung, auch
wenn es nicht viele Ausreißer nach oben gab. Einer der Lichtblicke war sicher der mittlerweile allseits bekannte
Wechselgesang mit den anderen Tribünen. Da in Leverkusen traditionell viele Schalker im Heimbereich Platz
nehmen, führten wir diesen auch mit der Leverkusener Gegengerade durch. Beim ekstatischen Torjubel zum 1:0
merkte man förmlich, wie wichtig dieses Tor und dieses Spiel für Schalke war. Leider waren die letzten 20 Minuten
unserer Kurve unwürdig. Dabei spielten sicherlich auch das spannende Spiel und das Anrennen der Leverkusener
Mannschaft auf unser Tor eine Rolle. Trotz allem muss gerade in so einer Situation von der Nordkurve mehr
kommen. Verteilte Fahnen und Doppelhalter wurden dauerhaft eingesetzt und somit hinterließen wir zumindest
optisch über das gesamte Spiel einen guten Eindruck. Leider kassierte unsere Elf kurz vor Schluss noch den
Ausgleich und somit ging es mit einem Punkt und ohne weitere Vorkommnisse in die Stadt der 1.000 Feuer.
Unter Freunden
Ultras Nürnberg
Aktuelle Lage:
Es läuft rund am Valznerweiher. Erst ein Heimsieg gegen Braunschweig durch einen späten Treffer von Burgstaller
und letzte Woche gab es sogar einen 4:0 Erfolg beim Gastspiel auf dem Kiez. Dadurch steht der 1. FC Nürnberg
derzeit nur zwei Zähler hinter St. Pauli und dem Relegationsplatz. Hoffen wir, dass die Erfolgsserie beim Heimspiel
gegen Paderborn heute ausgebaut werden konnte.
Des Weiteren hat sich die „Max-Morlock-Stadion Jetzt!“ Kampagne zurück gemeldet. Zum Ende des Jahrs läuft
nämlich der Vertrag mit Grundig aus und sogar ein CSU-Politiker hat den Begriff des Max-Morlock-Stadions ins
Gespräch gebracht. Zwar nur als gesponserte Variante, jedoch dürfte es für den FCN sehr schwierig werden,
nochmal vom Namen abzuweichen, wenn der Name Max-Morlock erst einmal darin vorkommt. Deshalb könnte
eine solche Option durchaus als Etappensieg gewertet werden, wenn es denn dazu kommt.
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Vak-P Enschede
Aktuelle Lage:
Die katastrophale Niederlagenserie hält weiter an. Nach einer satten 5:0 Klatsche bei Feyenoord Rotterdam gab
es im Heimspiel letzte Woche ebenfalls eine Niederlage. Twente verlor gegen den direkten Abstiegskonkurrenten
3:1 und befindet sich weiterhin auf dem drittletzten Platz mit nur neun Punkten aus 14 Spielen.
Zu allem Überfluss tauchte im Vorfeld der Partie letzte Woche auch noch ein Dokument im Internet auf,
welches die Verantwortlichen vom FC Twente in arge Bedrängnis bringen dürfte. So soll eine niederländische
Investmentgesellschaft illegalerweise in Entscheidungen des Vereins miteinbezogen gewesen sein.
Dem niederländischen Fußballverband KNVB wurden auf dessen Nachfrage bereits vor einiger Zeit nur
ein unvollständiger Vertrag zwischen Twente und der Investmentgesellschaft übermittelt. Dies wird die
Vereinsverantwortlichen nun in Erklärungsnot bringen. Es scheint nämlich so, dass der übermittelte Vertrag
unvollständig war und der im Internet erschienene der originale Vertrag ist. Falls sich das Dokument als echt
herausstellen sollte, wäre als Strafe sogar ein Lizenzentzug möglich.
FC Twente – Willem II 1:3 (1:3)
Da unsere Elf erst am Sonntag bei den Pillendrehern in Leverkusen antreten sollte, galt es für mich, unsere
Freunde aus Enschede im Kampf gegen den Abstieg bei dem wichtigen Duell gegen Willem II zu unterstützen.
Welch Brisanz dieses Spiel zu bieten hat, verriet im Vorfeld ein Blick auf die Tabelle. Tilburg und Twente sind
direkte Tabellennachbarn und so wäre ein Sieg natürlich goldwert. Nachmittags noch Kaffee und Kuchen bei den
Eltern genossen, ging es dann am frühen Abend Richtung Enschede.
Das Supportershome hatte bereits geöffnet und war ordentlich gefüllt. Dazu sei gesagt, dass das Home an
diesem Tag für Jedermann zugänglich war, um gemeinsam Stärke zu beweisen, dass dieser Club nicht untergehen
wird. Die Stimmung war sehr ausgelassen und so gab es schon vor Anpfiff den ein oder anderen Pogo inklusive
Bierdusche und alle hofften auf ein gutes Spiel und natürlich drei Punkte.
Zuvor sollte allerdings die Choreo zum 50-jährigen Bestehen des FC Twente im Fokus stehen. Diese umfasste
das ganze Stadion. Über alle Tribünen gab es Fahnen, Pappen und kleinere Blockfahnen zu sehen. Leider war das
Stadion nicht sehr gut besucht und so konnte kein geschlossenen Bild im Stadion erzeugt werden. Das Bild in der
Kurve hingegen war sehr nett anzusehen.
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Sportlich gibt es leider nichts erfreuliches zu berichten. So ging auch dieses Spiel mit 1:3 vollkommen verdient
verloren und die sportliche Krise spitzt sich weiter zu. Zwei verletzte Spieler des Vereins standen bei den Jungs
von Ultras VAK P im Block und beteuerten immer wieder, dass sie es einfach aktuell nicht besser können. Naja.
Nach dem Spiel quatschten wir noch ein bisschen mit den sichtbar enttäuschten Jungs, bevor wir uns doch recht
zeitig auf den Weg nach Gelsenkirchen machten.
Komiti Skopje
Aktuelle Lage:
Außer der sportlichen Situation gibt es aus Mazedoniens Hauptstadt nichts außergewöhnliches zu berichten. So
verlor Vardar in der Liga überraschend bei Turnovo, konnte letzte Woche jedoch 2:0 gegen Renova gewinnen.
Da Shkendija patzte führt Vardar nun mit vier Punkten Vorsprung die Tabelle an. Im Pokal gab es im Hinspiel
in Tetovo leider eine sehr bittere 3:0 Niederlage gegen Shkendija. Im Rückspiel vor zwei Tagen musste deshalb
schon eine kleine Sensation her.
In der Handball Champions League ist Vardar durch eine weitere Niederlage in Polen bei Tauron Kielce auf den
fünften Tabellenplatz abgerutscht. Beim morgigen Spiel gegen Kopenhagen gilt es deshalb endlich wieder zu
punkten, um das Weiterkommen in die KO-Runde nicht zu gefährden.
Interview Vorsänger Teil VI
Mit diesem Teil endet das Vorsänger Interview. Wir möchten uns
bei allen beteiligten Personen und Gruppen für dieses ausführliche
Interview und die Unterstützung bei der Ausarbeitung dessen
bedanken! Teil V endete mit einer Aussage von Eboln, dass die Szene
aufpassen muss, wohin der Weg der Ultras führt. An dieser Stelle
steigen wir mit der Antwort von Kanne wieder ein.
Was du ja jetzt ansprichst, damit ist ja schon die ein oder andere Szene auf die
Nase gefallen. Da gibt es zum Beispiel eure Freunde aus Frankfurt. Die waren
stimmungsmäßig mal das non plus ultra in Deutschland und jeder hat auf sie
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geblickt und gedacht: “Wahnsinn! Egal wo sie gespielt
haben, es war immer ein hammer Support. Aber dann
gab es irgendwann den Punkt, da machte es den
Anschein, als ob UF als Gruppe den Fokus anders
gelegt hat und man sich nur noch auf die Riot Schiene
konzentriert hat. Im Stadion hat man dermaßen
abgebaut, dass man regelrecht enttäuscht war. Da gab
es Spiele in Frankfurt, da hat sich jeder von uns
gefragt: “Was ist mit den Jungs passiert?”
Stimmungstechnisch ging nicht mehr viel. Das hat sich
zwar wieder ein bisschen geändert, aber so war
zumindest der Eindruck.
Sehe ich ein bisschen anders. Wenn ich in Frankfurt
bin, bin ich selten enttäuscht. Und sie haben auch,
glaube ich, immer noch das Potential, jeden in
Deutschland und vielleicht in Europa an die Wand zu
singen. Das haben sie gerade europapokalmäßig auch
gezeigt. Aber ja, natürlich ist die Gefahr immer da und
das gibt es auch bei so einer kleinen Gruppe wie der
unsrigen, dass halt irgendwie zehn Leute gerade mehr
mit pumpen beschäftigt sind, als sich Gedanken um
die nächste Choreo zu machen. Das ist überall so und
das ist wirklich eine Gefahr, mit der man dann auch
sehr offen umgehen muss und auch versuchen muss,
die Leute wieder ins Boot zu holen. Damit das keine
Eigendynamik bekommt. Und es dann, wie bei euch,
auch wenn es vielleicht andere Hintergründe hatte,
eine Abspaltungen gibt. Ich meine gerade für eine
kleine Kurve wäre das tödlich.
EBOLN:
Aber das ist selbst bei einer Kurve wie unserer nicht
spurlos an uns vorbeigegangen. Da zerbrechen
Freundschaften und dann hast du dann auf einmal die
Nummer, dass der eine sagt: „Ey, das ist mein bester
Kumpel“ oder „Das war Jahrelang mein Ding, der ist
jetzt da und was mach jetzt ich? Was sagst du, wenn
ich mit rüber gehe?“ Und die ganze Scheiße halt. Das
hat halt vielen von uns schlaflose Nächte bereitet und
ich bin heilfroh, dass wir die ganze Nummer relativ gut
überlebt haben. Also es war jetzt nie so, dass wir das
jetzt alles in Frage gestellt haben. Aber es waren schon
keine lustigen Momente, sag ich mal. Und ich mein
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das habt ihr ja auch erlebt. Und das ist glaube ich auch
schon ein Problem, was sich in den nächsten Jahren
häufen wird. Ich glaube halt diese ganzen Feinde,
Polizeistaat und auch die ganze Nummer ist alles
existent und passiert auch. Aber wir machen es uns
auch als Ultragruppen selbst nicht einfach. Diesen
Leistungsdruck zu halten, wo in den letzten Jahren
einfach dieser Faktor Straße halt immens dazu
gekommen ist. Wo ich auch sage, da bescheißen wir
uns ja auch medial mal seit Jahren halt komplett. Wo
wir immer schreiben, dass es nicht mehr geworden ist.
Das ist halt kompletter Blödsinn. Es ist ja so, dass es
mehr geworden ist. Wenn ich jetzt nur Nürnberg sehe,
was da abgeht, was du da für einen Haufen stehen
hast. Ich sag nicht, dass ich das scheiße finde aber ich
habe es auch schon mal besser gefunden. Also ich
fand es auch schon mal geiler, und wenn du halt siehst
wo der Weg hinführt am Ende. Wenn ich denk, wie
viele wir jetzt schon draußen stehen haben und jetzt
kommen dann noch welche durch den Vorfall in Wien
dazu. Das ist alles nicht so lustig. Gut, wir können das
in der Kurve kompensieren von der Masse, weil da
rücken dann halt Jüngere nach. Also von außen sieht
man es ja nicht. Ich mein gut, dann hast du da so ein
paar Professoren wie dich (Menne), die sitzen halt da
und schauen sich Bilder an und sagen: „Ja, in Nürnberg
waren aber auch mal paar bessere Leute gestanden“.
Aber das sehen halt nur solche Leute, aber die Leute
im Stadion, die merken das ja nicht.
Ich werde auf jeden Fall jetzt die nächsten Wochen
eine Feinanalyse machen und dann einen Artikel im
Erlebnis Fußball schreiben dafür. Da kannst du Gift
darauf nehmen! Nein, aber natürlich ist die Gefahr mit
den Freundschaften da. Das wollte ich nochmal
aufnehmen. Wir hatten diese Situation ja wirklich
schon. Das war, als wir uns entschieden haben von
Sachsen weg zu gehen und unser eigenes Ding BSG
Chemie zu machen. Es war so, dass die Leute des
sogenannten Direttivo das ein halbes Jahr vorher
schon wussten und da geheim daran mitgearbeitet
haben. Was aber niemand erfahren durfte, weil es
nicht klar war, wie das Ganze genau funktionieren soll.
Kennt ihr ja sicherlich auch, dass es solche internen
Projekte gibt. Und dann haben wir von einem Tag auf
den anderen den jüngeren Leute oder auch der
nachfolgenden Generation beziehungsweise der
Gruppe gesagt: „Hier, so und so sieht es aus ab
Sommer. Wir wollen, dass alle mitgehen, es gibt
eigentlich auch keine andere Variante.“ Aber es war
eine seltsame Situation: Wir hatten das allerletzte
Spiel dann. Für den Verein ging es auch noch um den
Klassenerhalt, was als Aufstieg verkauft wurde wegen
einer Ligareform. Aber eigentlich war es nur ein
Klassenerhalt und unsere Jungschen haben halt
gejubelt bei den Toren und wir standen da und haben
uns gedacht: “Ja ist mal Abpfiff jetzt.” Und das war
schon eine krasse Zerreißprobe, wo es auch hätte sein
können, dass wirklich Freundschaften zerbrechen, wie
du es halt vorhin gesagt hast. Und da bin ich wirklich
sehr glücklich und froh drüber, dass wir tatsächlich bei
damals so 40–45 Mitgliedern plus Jugend nur eine
Person verloren haben, die das damals nicht mitgehen
wollte und die auch, bei allem Respekt, jetzt nicht mal
ein Zahnrad war oder so. Solche Sachen sind, und
genauso ist es eben halt auch mit der Gewalt, wirklich
eine ganz große Gefahr, auch für die ganze so
genannte Szene.
EBOLN:
Ja dieses Gewaltding. Ich will da ja auch gar nicht
großartig drüber reden, ich war ja auch nicht
unbeteiligt. Aber ich hab halt schon so das Gefühlt,
dass das Ganze halt einfach an die Wand fährt. Das ist
halt so.
Weil ja auch der Staatsapparat die Schraube immer
noch mal enger gedreht.
EBOLN:
Du verlierst das immer. Das hab ich ja auch immer
gesagt.
Aber auf der anderen Seite reden wir seit zehn Jahren
davon, dass das Ende der Szene gekommen ist. Wir
reden eigentlich seit vor der WM 2006, dass die
Repression immer krasser wird und, ok jetzt gibt ist
das Hooligan Elbflorenz-Urteil, was definitiv noch für
einige Gruppen Konsequenzen haben wird. Da
brauchen wir nicht drum herum zu reden. Also gerade
wir in Sachsen sind da sehr schwer von betroffen. Aber
Sachsen ist ja eh nochmal eine eigene Geschichte für
sich. Obwohl, Bayern ist jetzt wahrscheinlich auch
nicht besser. Aber ja im Endeffekt reden wir schon
lange darüber und trotzdem geht es eigentlich immer
wieder weiter.
EBOLN:
Es geht nicht nur weiter, es wird immer besser. Ich bin
da voll bei dir, weil ich glaube auch nicht, dass uns der
Staat zerstört. Weil wir auch zu wichtig und zu groß
geworden sind und die Vereine wissen das auch. Das
siehst du ja jetzt an Hannover zum Beispiel ganz klar.
Das ist schon ein Faktum, was da ist. Und Deutschland
ist einfach zu bürokratisch, um das auch dann am
Ende komplett zu zerschlagen. Wie du schon sagtest,
wir dachten nach der WM ist alles vorbei. Aber wenn
du siehst, was seit 2006 passiert ist. Das hat sich ja
verdoppelt beziehungsweise multipliziert an Szenen.
Ich hab damals, das müsste ungefähr die Zeit gewesen
sein, ein Interview für eure Freunde aus Dortmund
gegeben, da habe ich Stadionverbot gehabt. Da haben
die mich damals gefragt, was das wichtigste ist für
eine Ultrasgruppe ist.
Und ich hab damals gesagt, das wichtigste ist für
eine Ultrasgruppe, dass wir gesellschaftlich in allen
Bereichen bekannt sind und da Einfluss haben. Ob es
jetzt positiv oder negativ ist, ist vollkommen wurscht.
Vor zehn Jahren hat niemand was mit Ultras anfangen
können. Wenn du jemand gefragt hast: „Was sind
Ultras?“, wusste keiner was es ist. Heute weiß jede
Großmutter, was es ist, weil es halt überall steht. Und
das ist ein Funken der uns, ob es positiv oder negativ
ist, immer zuspielt. Die Bullen werden immer Leute
von uns einsperren. Und es wird auch passieren, dass
die mal auf kleinere Szenen, wie eure, draufgehen,
das wird passieren. Aber ich glaube nicht, dass solche
größeren Szenen, ich sag mal wie bei uns, dass die
halt zerstört werden. Ich glaube halt wirklich, dass
das Problem innerhalb der Gruppen liegt. Weil ich
zum Beispiel, als ich damals 2000 UN mitgegründet
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habe, nicht unbedingt im Sinn hatte, dass ich jetzt
am Ende irgendwie im Jahr 2015 halt eine Horde
16/17 -Jähriger hab, die nichts anders wollen, als mit
Holzlatten Bullen anzugreifen.
Da habe ich kein Bock drauf, weil das ist halt so eine
Nummer. Ich bin jetzt kein Oberlehrer, um Gottes
Willen. Aber ich hab kein Bock, dass aus dem, was ich
da gemacht habe, irgendwann mal einer liegen bleibt.
Und das ist halt, was ich meine. Ich rede nicht davon,
dass die Bullen uns einsperren.
Aber mir geht es halt darum, dass ich diese
Gewaltnummer nicht dahin bringen will, wo ich
halt irgendwie so Tendenzen seh, die halt passieren.
Weil ich halt sag, diese 15/16-Jährigen definieren
sich ja. Also wenn du jetzt halt 16 Jahre alt bist und
du kommst in so eine Gruppe, dann musst du viele
Choreos malen, um den Stellenwert zu kriegen,
als wenn du beim Derby hingehst und dem ersten
Schickeristen eine auf die Fresse haust. Nachdem du
den Schickeristen auf die Fresse haust, kennt dich bei
uns jeder. Und dann bist du gleich wer. Da musst du
viele Choreos malen, um das anders zu schaffen. Und
da muss ich sagen, dass finde ich nicht cool. Und das
ist auch so ein Ding, wo ich nicht mit einverstanden bin.
Da hast du auf jeden Fall Recht. Wobei ich da auch
wieder so eine Anekdote zu habe: Da sind wir nach
Jena gefahren und hatten keine Zugtickets und da
kommen die Bullen rein und sagen, ihr müsst euch
jetzt Tickets kaufen. Und da werden die halt von
14-Jährigen ausgelacht. Da sage ich mir: “Wir haben
es geschafft.” Das ist halt auch was, was ich den
Leuten trotzdem rüberbringen will. Sich zu sagen, dass
man einem Bullen, obwohl er eine Uniform hat und
vom Gesetz her stärker ist und auch physisch, ich dem
erstmal irgendwie den Wind aus dem Segel nehmen
kann. Was diese gesellschaftliche Anerkennung
angeht, du hast da Recht, dass dies wahrscheinlich
dafür sorgen wird, dass es Ultras noch lange geben
wird. Zumindest eine Vorstufe zu Ultras, ob es jetzt
meine ist, ist eine andere Geschichte. Aber ich war
erschrocken, als mir zum ersten mal jemand geschickt
hat, dass im Kreuzworträtsel stand: „Extreme Fans 14
Ultras“. Also ich hab nicht so Bock auf Bürgerlichkeit.
Ich hab das damals auch in diesem ZDF Interview auch
gesagt. Dass es halt für Ultra auch immer bedeutend
ist, sich von diesem bürgerlichen Scheiß abzuheben
und da gehört halt Gewalt bis zu einem gewissen
Punkt dazu. Auch ohne, dass ich will, dass da jemand
liegen bleibt und, dass es noch nicht passiert ist,
ist eigentlich ein Wunder. Weil es kann halt immer
passieren, ein Schlag reicht und du fällst blöd und dann
ist es halt vorbei. War ja jetzt auch irgendwie dieser
Fall in Bielefeld glaub ich. Von diesem Bremer Typen,
der irgendwie ein Jahr im Koma lag, oder ein halbes
Jahr im Koma lag. Das ist natürlich von niemandem
das Ziel. Und es ist scheiße! Wo wir auch immer
versuchen dann auch den Jugendlichen mitzugeben,
was irgendwie auch die Werte unserer Gruppe sind.
Dass wir kein Bock auf Waffen haben, dass wir kein
Bock auf Hausbesuche haben und in der Regel auch
niemand noch einen drüber gewischt kriegen soll,
wenn er bereits am Boden liegt. Aber natürlich gibt
es da auch so Mechanismen, die dann greifen in
so einer Situation mit Adrenalin und sowas. Aber
nichtsdestotrotz würde ich wirklich sagen, ich scheiß
halt auf Bürgerlichkeit. Denn ich scheiß halt auch auf
Anerkennung. Wenn ich ein Bild bei Facebook poste
und ein Mädel, dass ich frisch kennengelernt habe mir
dann erst einmal ein schockierten Smiley schickt und
fragt, was sind das denn für Leute und kann es sein,
dass du ein Hooligan bist, dann feier ich das halt ab.
Dann mache ich davon ein Screenshot und schick das
meinen Freunden aus Frankfurt und wir lachen uns
alle kaputt.
Weil diese Ablehnung einfach dazu gehört und für
mich gehört auch dazu, dass sich Leute, wenn wir
über den Hauptbahnhof laufen, erschreckt umdrehen
und denken, oh scheiße ich glaub ich geh jetzt besser
einen anderen Weg. Das ist jetzt nicht besonders
aufgeklärt, nicht besonders modern, wahrscheinlich
auch ein bisschen elitär aber es gehört für mich
einfach dazu. Und schließt trotzdem für mich nicht
aus, dass ich nächste Woche mit 40 8-jährigen
Flüchtlingskindern den ganzen Tag verbringe und mit
denen Fußball spiele und Graffitis male. Das ist für
mich auch so eine Ambivalenz die Ultra halt ausmacht.
Ich wollte eigentlich irgendwann mal einen riesigen
Text schreiben, vielleicht auch zu wissenschaftlich für
Ultras an sich, mit dem Thema “Dialektik der Ultras.”
Und das ist halt genau so eine Sache, die da für mich
eine Rolle spielt. Dass man halt, auf der einen Seite
diese sozialen fast emanzipatorischen Sachen hat und
auf der anderen eben wie ein Höhlenmensch eine
Tankstelle klarmacht.
Zum Schluss ein paar Worte zum Thema
Stimmung, um in der abschließenden Runde
vielleicht nochmal darzustellen, was euch dazu
bewegt hat an dem Gespräch teilzunehmen.
Schließlich ist es nicht so üblich, dass sich
verschiedenste Szenen aus Deutschland an
einen Tisch setzen und offen über solche
Themen sprechen.
Stimmung ist neben Geschlossenheit, Mentalität
und dem Tifo inklusive Choreos das wichtigste und
markanteste, was eine Kurve ausmacht. An ihrer
beständig guten Stimmung wird sie gemessen. Nur
wer über Jahre einen guten Support abliefert, genießt
auch den Respekt.
Ich finde die Idee zu diesem Interview sehr
ansprechend. Es ist interessant, sich auszutauschen
und Ansichten anderer zu lesen. Vor allem über das
grundlegende Element Stimmung.
Darüber hinaus genießen die UGE trotz aller Rivalität
bei uns Respekt. Ein weiterer Grund hier mitgemacht
zu haben.
EBOLN:
Dennis hat mir ja gesagt, dass er das machen will und
mich gefragt, ob ich kommen kann und ich hab ihm
dann gesagt, dass es nicht ganz einfach ist bei mir. Vor
allem halt irgendwelche festen Termine, weil ich
beruflich immer diese Scheiße da hab. Aber ich hab
dann auch gesagt, dass ich das schon gerne machen
würde. Dann hat er mir gesagt, dass einer aus Stuttgart
kommt, Chemie kommt und ich fands halt auch ganz
interessant mal mit denen zu reden. Und ich fands
auch merkwürdig, dass ich gefragt wurde ob ich
komme, weil ich halt auch nicht mehr diese Rolle hab,
in der Gruppe, die ich halt noch vor ein paar Jahren
hatte. Aber der (Dennis) hat sich schon seinen Teil
dabei gedacht. Und ich finds auch ganz interessant,
halt mal mit jemandem anderen zu sprechen, weil ich
mein so hast ja nie die Chance, dass du jetzt mal einen
von einer anderen Gruppe da sitzen hast. Ich hätte
jetzt auch gerne einen Stuttgarter da gehabt, wäre
auch interessant gewesen halt irgendwie. Ich fands
einfach ganz spannend und deswegen habe ich das
halt eingeschoben und hab halt gesagt ich mach da
natürlich mit. Weil ich hab eh nicht so viel Zeit in
meinem Leben, mir da so Gedanken zu machen und
ich kann das halt immer so ganz gut abrufen, wenn
man in so einer Gesprächsrunde ist, weil ich mir in
mein restlichen Zeit schon über private Sachen den
Kopf mach. Da seid ihr noch anders drauf. Ihr könnt die
ganze Zeit drüber nachdenken. Ist bei mir leider nicht
mehr so, und ich genieß es dann eigentlich schon, dass
ich mich dann auch mal wieder mal drauf besinn und
das bringt mich auch in eine Welt zurück, in der ich
schon leider nicht mehr so drin bin, wie ich es
eigentlich sollte. Das sind eigentlich die Hauptgründe
und deswegen fand ich es bis jetzt eigentlich ganz
cool.
Also meine beiden Hauptgründe als Ossi sind, zum
einen mein grenzenloser Narzissmus und der andere
ist das kostenlose Zugticket hier her. Natürlich hat
Basti schon Recht. Die Möglichkeit irgendwie sowas
zu haben ist halt relativ gering. Mario hat mich halt
gefragt. Ich bin eh relativ offen für solche Geschichten.
Zumindestens und das ist halt auch was für mich, für
Szenen, die ich respektiere. So und ich respektiere
sowohl Schalke, als auch Nürnberg, wahrscheinlich
hätte ich auch Stuttgart respektiert. Ich hätte mich
jetzt nicht mit Braunschweig an einen Tisch gesetzt
zum Beispiel, die für mich halt irgendwie einen
anderen Weg von Ultra oder Supportern verkörpern.
Oder keine Ahnung auch Fürth, Dortmund und so
weiter. Und hier ist es halt so, dass ich mich da dann
doch relativ gut aufgehoben gefühlt habe und wusste:
“Okay das könnte eine coole Runde sein. Und wenn
es keine coole Runde ist, dann war ich zumindest mal
im Westen.” Aber nichtsdestotrotz, ziehe ich da jetzt
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ein positives Fazit raus, also auch die Tatsache, dass
wir eigentlich vom normalen Thema immer wieder
abgedriftet sind, zeigt ja wie viel wir zu sagen haben.
Auch, wenn ich da ein sehr engstirniger Mensch bin
und dann auch manchmal sage, naja die anderen
Gruppen sind für mich eigentlich keine Ultras und ich
da, Copyright bitte, so darwinistisch eingestellt bin,
was Ultragruppen angeht. Dann genießt man es
natürlich trotzdem, in so einer Runde zu sein und
einfach sich auszutauschen. Und vielleicht zu
reflektieren und durch die ein oder andere Aussage auch
was mitzubekommen, so einen Gedankenanstoß wo man
jetzt sagt: “Okay. Vielleicht gibt das nochmal neuen
Input.” Das spielt auf jeden Fall auch eine große Rolle
Abschließende Worte, in meiner perfekten Ultra
Gruppe sind Männer und Frauen.
Ich glaub die Runde hat ja gezeigt, dass man sich in
vielen Themen und in vielen Bereichen sehr einig und
ähnlich ist. Wie gewisse Sachen ablaufen, oder wie
man sich Sachen vorstellt. Trotzdem gibt’s immer mal
wieder kleinere Unterschiede zwischen den einzelnen
Szenen, was dann vielleicht halt durch die Geschichte
der Kurve oder des gesamten Vereins geprägt ist. Die
Runde fand ich natürlich auch sehr ansprechend.
Es war interessant, dass Menne hier war und
entsprechend für Chemie gesprochen hat. Dass du
hier warst (Basti), ich glaube mit einer der ältesten und
längsten Vorsänger, die es mittlerweile in Deutschland
gibt. Was ja auch in der Form glaub ich mit einzigartig
in Deutschland ist. War mega stark und interessant für
uns. Und wird auch für die Leser des Blauen Briefes
sehr interessant sein. Wir sind im Gegensatz zu dir
ja dann wie Babys auf dem Zaun. Du bist da jetzt
schon der Opa. Da kann man nur den Hut vor ziehen,
dass man das dann so viele Jahre durchgezogen hat,
beziehungsweise auch immer noch am Ball ist. Weil es
gibt ja leider Gottes auch die Geschichte, dass viele
Leute an dem Punkt und an dem Alter angekommen
sind, wo du auch schon bist und im Gegensatz zu dir
das Handtuch geschmissen haben. Aber du machst
nach deinen eigenen Möglichkeiten immer noch
weiter und bleibst am Ball.
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Generell möchte ich noch eins zur Entwicklung unserer
Kurve sagen. Ich glaub, dass wir aufpassen müssen,
was auch meiner Meinung nach eine allgemeine
Entwicklung ist, bei Ultras in Deutschland, dass viele
neue und jüngere Leute, die neu dazu kommen nicht
mehr wegen dem Fußball und Schalke den Weg in die
Kurve finden oder generell ins Stadion gehen und mal
Ultras werden oder werden wollen, sondern wegen
dem ganzen Erlebnis. Wegen dem Drumherum was
geboten wird, sei es Choreos, sei es Pyrotechnik, sei
es Randale, die Stimmung oder sonstige Geschichten.
Darüber habe ich mich gestern auch schon mit dem
Menne unterhalten.
Auf jeden Fall, sehe ich das sehr kritisch und gefährlich,
weil das was einen in den jeweiligen einzelnen
Vereinen und Gruppen zusammengeführt hat und
zudem gemacht hat, was wir sind, Ultras, ist der Verein.
Was bringt es uns, wenn wir uns in der Kurve nur selbst
feiern und das Spiel und der Verein einem scheiss egal
sind. Dann können wir hier in Gelsenkirchen auch alle
in die “Alte Hütte” gehen und einen drauf machen und
brauchen nicht ins Stadion gehen. Der Verein, Schalke
ist das ausschlaggebende. Und da ist im Moment, so
sehe ich das zu mindestens auch in unserer Gruppe, da
mache ich mir wahrscheinlich keine Freunde mit, eine
Entwicklung, die ich sehr kritisch und negativ sehe
und stark hinterfrage. Frag die jungen Leute mal nach
den fünf bekanntesten Spielern der Vereinsgeschichte
oder nach fünf Eurofightern, die den größten Titel des
Vereins gewonnen haben, da scheitern die meisten
dran. Und das ist traurig und eine Entwicklung, die mir
zu denken gibt.
Das Endspiel 97 habe ich übrigens im Radio gehört. Im
Bett, weil ich es nicht gucken durfte, weil ich noch zu
jung war.
Ich denke, ich brauch da nicht mehr großartig
ausholen. Kanne hat ja schon viel gesagt.
Ich fand es einfach nochmal wichtig, nach diesem
Interview im Ya Basta, was mich ziemlich fasziniert
hat, auf einer anderen Plattform das Thema Support
und Stimmung ausführlich zu thematisieren. Weil wir
ja auch hier schon an einigen Punkten angesprochen
haben, dass es an einigen Stellen, vielleicht auch
innerhalb der jeweiligen Gruppe zu kurz kommt und
der Stellenwert, sich mit anderen auszutauschen
nicht jedem bewusst ist. Gut, mit unseren Freunden
ist das immer noch was anderes, weil wir uns da
eigentlich im regen Austausch befinden. Aber ich finde
es jetzt auch gut, dass jemand von Chemie den Weg
hierhin gefunden hat. Weil man immer irgendwas
mitnimmt auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Also
ich persönlich nehme immer irgendwelche Sachen mit.
Und ich weiß auch, warum ich den Basti gefragt hab
ob er hierhin kommt, weil er, wie Kanne schon gesagt
hat, nun mal mit 15 oder fast 16 Jahren auf dem Zaun
einer der ältesten Vorsänger in Deutschland ist, wo
man eigentlich nur den Hut vor ziehen kann.
EBOLN:
Ja, ich bin dann der Letzte. Was ich noch sagen will,
was mir eigentlich schon sehr wichtig ist, das hast du
gerade gut gesagt, die Stimmung oder das Singen, bei
einem Fußballspiel, egal wo es jetzt ist, für mich
definiert das eigentlich in allen Bereichen dieses
Fanleben schon in einer komprimierten Form. Weil ich
sag, wir gehen ja zum Fußball, wir lassen das alles
außen vor, die ganze Straße und die Choreographie.
Die Choreographie, du arbeitest natürlich lang dafür
und, die erscheint dann im besten Fall für fünf
Minuten. Aber wir stehen ja dann 90 Minuten da,
einmal in der Woche im besten Fall halt. Wir singen da
eben für unsere Passion, für unseren Verein und auch
für uns. Das darf man nicht vergessen, weil das
natürlich schon so ist. Ich glaub das definiert schon
sehr viel von dem was wir an der ganzen Sache lieben.
Und das hat auch oftmals so ein Stiefmütterliches, die
Leute sagen „Naja die singen da“, aber ich glaube,
dass da auch wirklich dieser Fußball, diese Emotionen
nach außen am besten transportiert werden können.
Wenn du eine Kurve hast mit 10.000 Leuten, die singt
oder du hast ein „You’ll never walk alone“ und alle
geilen sich halt an der England Hymne auf. Wenn alle
dann singen, glaube ich, dass das am Ende, für die
meisten Menschen, die im Stadion sind, vom Spiel mal
abgesehen, das Wichtigste ist und das größte Erlebnis
bringt. Mir war es eigentlich immer am allerwichtigsten,
dass halt alle singen und auch daran Spaß haben zu
singen. Weil es macht eben einfach auch Spaß, vor
allem, wenn du einen Sinn dahinter siehst. Ich mein,
wir machen das alle lang genug und wissen, dass es
nicht oft so ist, dass du mit deinen Gesängen
irgendwas auf diesem Feld beeinflusst. Das musst du
natürlich den “Normalos” verkaufen, dass du da
irgendwas bewirkst. Aber die Momente wo das
wirklich passiert, die kannst du an einer Hand
abzählen. Also ich kann mich an eine Szene erinnern,
da sind wir wieder bei Frankfurt, aber die Frankfurter
haben es einmal geschafft beim Pokalspiel gegen uns.
Es kam zum Elfmeterschießen und da habe ich dann
am Ende gesagt, das Publikum in Frankfurt hat dieses
Elfmeterschießen gewonnen, weil die halt so gepöbelt
und geschrien haben. Und du hast richtig gesehen,
dass es unsere Spieler verunsichert hat. Also den
Eindruck habe ich gehabt. Das sind seltene Momente.
Aber was wir machen ist einfach da zu sein, Spaß und
Freude zu haben und das aufs Feld und auf die
anderen Tribünen zu transportieren. Ich glaube, dass
das das Wichtigste ist und alles andere ist Beiwerk.
Das ist auch gut, aber jetzt auch die Gewaltnummer,
das ist wieder so Special Interest und die Choreografie,
kann helfen zu dem Ganzen. Pyrotechnik kann helfen,
aber eigentlich ist Pyrotechnik nur ein Mittel zum
unterstreichen, weil es bringt ja nichts, wenn du eine
Bengalfackel zündest und keiner singt, das
unterstreicht das Ganze nur.
Aber Bengalen kitzeln manchmal noch 20 Prozent
mehr raus.
EBOLN:
Bringt auf jeden Fall mehr dazu. Aber, wenn die
Bengalfackel brennt und keiner singt, dann ist die
Fackel auch wirkungslos. Von daher ist das immer
noch ein wichtiges Thema. Ich mein, wir sind jetzt hier
Vorsänger, und natürlich sagen wir, dass das Singen
das Wichtigste ist. Das ist so wie bei einer Band, wo
der Gitarrist sagt er ist das Wichtigste und der Sänger.
Ist natürlich Quatsch, aber stimmt in dem Moment
halt. Das ist das Wichtigste und ich glaub, dass sich
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viele drauf besinnen sollten zu schauen, dass die Leute
singen. Was sie singen ist meiner Meinung nach
zweitrangig. Hauptsache sie singen und haben Spaß
daran zum Fußball zu gehen. Ich glaube, wenn wir das
gewährleisten, stärkst du damit auch deine Szene,
weil das auch die Leute auf den Tribünen und die
Offiziellen sehen. Das bringt auch was. Ich glaub, dass
das viel hilft. Und deswegen ist für mich Stimmung im
Stadion immer noch das wichtigste. Eigentlich kann
ich eine Ultra Gruppe nur an der Stimmung halt
wirklich qualitativ bemessen. Ich kann auch eine
kleinere Szene daran bemessen, ich kann natürlich
jetzt nicht eine kleinere Szene mit AS Rom vergleichen,
das ist klar. Aber es kann auch bei Chemie Leipzig eine
super Stimmung sein und ich sag: „Ey geil was die mit
3.000 Leuten machen.“ Und daneben kann eine Kurve
mit 60.000 Leuten sein und die machen nur scheiße und
ich sag: “Chemie war geil und Rom war scheiße!”
Bayern war scheiße!
EBOLN:
Bayern ist meistens scheiße!
aUsGEholt -jetzt wird´s kritisch
Drei Wochen sind nun nach den schrecklichen
Terroranschlägen in Paris vergangen. Bis zu diesem
Spieltag begleiten uns die Nachwehen dieser Tat. Einerseits
ist es immer noch das Thema in den Medien, von denen
besonders die Boulevardpresse ununterbrochen die Angst
in der Bevölkerung schürt, und anderseits bemerkt man an
den Spieltagen deutlich das andere Auftreten der Bullen
oder am eigenen Leib die genaueren Durchsuchungen an
den Eingängen. Ob das nun alles wirklich gerechtfertigt ist,
können wir nicht beurteilen. Die Fans in den Stadien scheint
es zumindest nicht vom Besuch abzuhalten. Die Stadien
sind immer noch ausverkauft und auch die Stimmung ist die selbe. An dieser Stelle fängt es aber an absurd zu
werden, denn dass die Stimmung die selbe ist, scheint nicht allen zu gefallen. Einerseits wird gefordert, sich
nicht von den Anschlägen einschüchtern zu lassen und weiter seine „Freiheit“ zu leben, anderseits sollte man
doch aber bitte die üblichen Rituale beim Fußball wie beispielsweise Schmähgesänge lassen. Bei Asamoahs
Abschiedsspiel ging es so weit, dass sich der Moderator für die gelöste Atmosphäre in der Arena entschuldigte,
da sie als respektlos angesehen werde könnte. Dabei war genau diese Atmosphäre so viel wichtiger und eine
bessere Ansage als jedes Facebookprofilbild es je sein kann.
Was Schmähgesänge mit Respektlosigkeit gegenüber den Opfern von Paris zu tun haben sollen, erschließt sich
uns ebenso nicht. Und warum soll es dann drei Wochen später wieder ok sein? Genauso wenig wie das Zünden
von Pyrotechnik? Klar, die Gefahr einer Massenpanik ist aktuell größer, daher sollte man sich Dämlichkeiten
wie Böller gerade jetzt sparen. Bengalos werden dann aber gerne mal mit in den Topf geschmissen. Bietet sich
ja an, dass auch nochmal zu verunglimpfen. Dass die Bullen nun offen noch schwerer bewaffnet durch die
Gegend ziehen dürfen, soll dann aber der Sicherheit und Beruhigung der Menschen dienen? Der Lauf eines
Maschinengewehrs wirkt sicherlich bedrohlicher als eine leuchtenden Fackel.
Auf der anderen Seite ist sich im Zuge der Aufarbeitung der Anschläge keiner der Sicherheitsfanatiker zu schade,
die absurdesten Forderungen zu stellen. Da fordert die französische Polizei, die es selber zum Teil verkackt hat,
noch mehr Möglichkeiten zur Überwachung. Dass der mutmaßliche Drahtzieher die Anschläge in einem ISISMagazin quasi schon Monate zuvor angekündigt hatte, hat wohl für die Überwachungsspezialisten nicht gereicht.
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Lieber noch mehr Überwachung, wie die Vorratsdateispeicherung. Oh, die gibt es in Frankreich schon? Na, das
hat ja was gebracht. Der Schrei nach noch mehr Überwachung, die immer mehr die Privatsphäre der Menschen
eingrenzt, fand nach den Anschlägen kaum Kritik und wird dementsprechend von den Organen genutzt. Für
diesen Artikel habe ich zum Beispiel ewig gesucht, um überhaupt etwas Kritisches zu finden. Ein Zitat von Sascha
Lobo passend zu den Forderungen habe ich dennoch gefunden, welches ich euch nicht vorenthalten möchte, da
es so wunderbar das unverschämte Verhalten von Staat und Polizei deutlich macht: „Wir finden die Nadel im
Heuhaufen nicht, also brauchen wir mehr Heu.“.
Uns Fussballfans direkter betreffend sind die Forderungen von solchen Experten wie Tönnies und Holzhäuser,
die allen Ernstes in bester Stammtischmanier Nackt- oder Fingerabdruckscanner an den Eingängen fordern.
Natürlich werden solche Diskussionen auch gleich genutzt, um Fankarten nach italienischem Vorbild wieder ins
Gespräch zu bringen. Unabhängig davon, dass gerade Nacktscanner bei Stadien mit über 50.000 Besuchern
nicht mal ansatzweise umsetzbar wären, würden all diese Dinge sowieso keinen Anschlag wirklich verhindern
können. Aber in der Geschichte wurden schon immer gerne Krisenzeiten dazu genutzt, um kritische Gesetze
oder Forderungen durch zu bringen. Genau aus diesem Grund muss jeder aufpassen, dass jetzt nicht auf einmal
solche Vorschläge durchgewunken werden. In Frankreich zum Beispiel sind jetzt bis Mitte Dezember gar keine
Gästefans mehr erlaubt (offizielle Begründung ist die Überbelastung der Polizei), Verlängerung dieser Maßnahme
möglich. Als ob die paar Gästefans in Frankreich das Problem sind.
Wir sind uns der Sensibilität dieses Themas bewusst und wollen in keiner Weise die Anschläge verharmlosen.
Aber keine Angst der Welt rechtfertigt es, das eigene Recht auf Privatsphäre, Reisefreiheit oder Meinungsfreiheit
aufzugeben. Weder im Stadion noch sonst irgendwo.
Gedankenaustausch
Hier die erste Antwort zum Thema “Copy kills Ultra”. Wie immer an dieser Stelle auch der Hinweis, dass jeder
auf diesen Text antworten oder auch ein eigenes neues Thema unter [email protected] einsenden kann.
Als ich den Text zu Copy Kills Ultra gelesen habe, hat es sofort in meinen Fingern gejuckt und somit beglücke ich
euch mit meinem Senf zum Thema.
Ich halte die These, dass nur wenige Gruppen in Deutschland es geschafft haben, sich eine eigene Identität zu
verleihen, für gewagt, ja sogar falsch.
Die eigene Identität ergibt sich für mich allein aus dem eigenen Handeln, welches ja immer wieder durch äußere
Faktoren beeinflusst wird. Sie ergibt sich aus dem Umgang mit den Problemen und täglichen Herausforderungen
des Gruppen-/Vereinslebens. Jedes Land, jede Region, jede Stadt und jeder Verein haben Eigenheiten, welche
das Handeln, Auftreten und Verhalten der Gruppen/Kurven beeinflussen und ihnen so eine eigene Identität
verleihen, die sie am Ende doch von anderen unterscheiden. Jede Subkultur hat ihre eigenen Regeln, Riten
und Erscheinungsbilder, die sich zwangsläufig verbreiten und somit temporär zur Mode werden. Diese grenzen
uns aber auch von anderen Subkulturen und gesellschaftlichen Gruppen ab, was durchaus gewollt ist und gibt
uns Ultras ja auch wieder eine gemeinsame Identität. Unabhängig davon, ob man jetzt jede aktuelle Welle
mitschwimmen muss.
Eine aktuelle Modeerscheinung in Reihen der Ultras, welche in der Auflistung von Dennis fehlt, ist der schon
fast zwanghafte Drang in einigen Bereichen alles immer nur neu erfinden und immer so komplett anders sein zu
wollen, als alle Anderen.
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In vielen Bereichen unserer Bewegung werden sich Dinge bei anderen Gruppen abgeschaut, die sich dort
bewährt haben. Macht doch auch Sinn, wenn es die eigene Gruppe weiterbringt. Oder würde jemand freiwillig
auf Rechtshilfen, Kurvenflyer oder gar eigene Räumlichkeiten verzichten, nur weil andere Gruppen jene
Errungenschaften zuerst genutzt haben? Warum soll das beim Tifo und dem Liedgut anders sein?
Schauen wir auf unsere Vorbilder aus Italien, so ist jedem bewusst, dass dort sämtliche Kurven das fast identische
Liedgut zum Besten geben. Gleich verhält es sich in Griechenland, Argentinien, ja eigentlich weltweit. Lediglich
Roter Stern würde mir jetzt als vertretbares Gegenbeispiel einfallen. Sampdoria Genua und ihr hundertfach
kopiertes Fahnenmuster im Bereich der optischen Gestaltung der Kurven. Das wars dann aber auch schon.
Die Lieder die hier von Frankfurt und Stuttgart kopiert wurden, sind selber ja nur Kopien. Frankfurts klassische
Kurvenhits sind von den Melodien her fast eine eins zu eins Kopie jener Liste, die man als Audiofiles auf der
Internetseite der Fossa Dei Leoni von Milan rund um die Jahrtausendwende finden konnte. Wirklich eigenständig
war da nur wenig. Auch die Stuttgarter haben sich ihre Inspirationen größtenteils in den Kurven anderer Länder
oder bei befreundeten Gruppen geholt. Warum muss man sich jetzt zwanghaft davon lösen, um “real” zu sein?
Mir persönlich ist eine gute einfache Kopie, die von der gesamten Kurve getragen wird lieber, als ein selbstgebauter
Mehrzeiler, der am Ende rüberkommt wie gewollt und nicht gekonnt. Auch damit kann man die eigene Identität
in die Welt tragen. Dann nämlich, wenn tausende Blaue dem Gegner ein “Blau und Weiss ein Leben lang” ins
Gesicht rotzen, obwohl grad der Pokal die falsche Seite ansteuert. Dann wenn ein ganzes Stadion auf den Sitzen
steht und ein magischer Moment eine schon tausendfach gesungene und gehörte Melodie, welche auch als
Wechselgesang schon zuvor zu sehen war, unweigerlich zu einer unsterblichen Erinnerung in unsere Köpfe und
Herzen meißelt.
Diese Momente unterscheiden uns von anderen Gruppen und Vereinen. Das ist ein Teil der Schalker Mentalität
und unserer eigenen Identität. Wenn gute Ideen, die aus der eigenen Feder stammen, jene Momente herbeiführen
ist das wunderbar. Jedoch halte ich nichts davon, das auf Biegen und Brechen herbeiführen beziehungsweise
erzwingen zu wollen, nur um sagen zu können, dass wir anders sind als Andere. Denn das sind wir so oder so.
Kevin
Zurück zu den Wurzeln - Italien
Die Italienrubrik ist wieder prall gefüllt. Neben der schon obligatorischen Gemischten Tüte war eines unserer
Mitglieder wieder in Italien unterwegs und hat danach das Erlebte verschriftlicht. Etwas größer geworden ist
diesmal die Buchvorstellung, die sich ausführlich mit den überregionalen Fanzines in Italien beschäftigt. An dieser
Stelle möchten wir uns noch mal für die vielen positiven Rückmeldungen für diese Rubrik bedanken, was uns
motiviert, weiter viel Arbeit hier rein zu stecken.
Gemischte Tüte Italien
Die Liga in Italien bleibt nach wie vor spannend. Die Attentate von Paris blieben auch hier nicht folgenlos, so
werden die Zuschauer im Zuge schärferer Kontrollen im Eingangsbereich seitens der Polizei nun in vielen Stadien
mit Metalldetektoren überprüft. Insgesamt wurde in Italien durch die Geschehnisse jedoch keine neue Debatte
um Sicherheit rund um Stadien entfacht.
Prato: Im Zuge der Initiative „il Prato ai Pratesi“ hat der, von Fans des Vereins zusammengesetzte, Fonds
Orgoglio Pratese fünf Prozent der Anteile des AC Prato für 9.000 Euro übernommen. Der Fonds erhält somit
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einen Sitz und eine Stimme im Verwaltungsrat des Vereins. Die Anteilsübernahme des hauptsächlich von älteren
Fans unterstützten Fonds ist der erste Schritt in Prato, der Fans mehr Mitspracherechte im Verein ermöglichen
soll, und ist ein Beispiel dafür wie in Italien in einigen Orten Fans wieder versuchen, das Zepter im Innenleben
des Vereins in die Hand zu nehmen.
Palermo: Beim Heimspiel am 12. Spieltag gegen Chievo kam es erneut zu einer Abspaltung in der Curva Nord.
Im Jahre 2013 hatten sich mehrere Gruppen entschieden sich vom Oberrang in den Unterrang der Kurve zu
begeben. 2014 fanden sich im Oberrang, unter anderem, die Gruppen Brigate Rosanero und Warriors Ultras
hinter einem neuen Ultras Palermo 1900 Banner wieder. Daraufhin büßte die Kurve nicht nur ihren alten Charme
ein, sondern es gab immer wieder Unstimmigkeiten, weshalb einige in den Unterrang zu den Ultras Curva Nord
abwanderten. Hier kam es nun zur Teilung rund um UCN und Borgo Vecchio Sisma, während die wenigen Reste
der Ultras Palermo 1900 nach wie vor im Oberrang beheimatet sind. Beim Spiel gegen Chievo kam es dann zu
der völlig absurden Szenerie, dass über 90 Minuten hinweg voneinander unabhängig von vier verschiedenen
Positionen aus supportet wurde. An drei Stellen aus der Curva Nord und außerdem in der Curva Sud durch die
Ultras Curva Sud.
Lucca: Die Polizei von Lucca hat für das Serie D Spiel zwischen Viareggio und GhiviBorgo vom 29. November ein
Verbot des Ticketverkaufs an Bewohner der Gemeinden Viareggio, Camaiore und Massarosa ausgesprochen, um
eventuelle Zusammenstöße zwischen Fans beider Vereine zu verhindern. Der Präsident von Viareggio zeigte sich
ob dieser Entscheidung enttäuscht, hatte aber Verständnis für die Entscheidung der Polizei.
Imperia: Der Aufruf der Fanszene von Imperia #vogliamomatuzianialderby, um den verhassten Fans von
Unione Sanremo den Besuch des Spiels zwischen Imperia und Sanremo am letzten Novemberwochenende zu
ermöglichen blieb leider erfolglos. Die Polizei schloss Auswärtsfans aus Gründen der öffentlichen Ordnung von
diesem Spiel aus. In einer längeren Stellungnahme wurde der Aufruf damit begründet, dass „ein Derby ohne
gegnerische Fanszene kein Derby ist. Weil die beiden bunten Kurven nicht zu sehen undenkbar ist. Weil ein
Derby ohne die Anwesenheit beider Fanszenen so ist, wie alleine Liebe zu machen. Weil ein Derby ohne die
Anwesenheit beider Fanszenen so ist, wie eine schöne Frau ohne T..... .“ Immerhin stellte Sanremo seinen Fans
einen Livestream des Spiels auf der Homepage zur Verfügung, damit diese das Spiel wenigstens im Internet
verfolgen konnten.
San Benedetto: Die Sambenedettese und die Vereinigung Noi Samb haben eine Plattform gegründet, auf
welcher der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Fans und Verein gefördert werden soll, um Restriktionen
und Sanktionen zu vermeiden, die dem Verein wirtschaftlich oder in seinem Ansehen schaden könnten. Während
eine Dialogplattform hierzulande vielleicht üblich ist, ist dies im Moment in Italien eher eine Ausnahme.
La Spezia: Einen Erfolg konnten Fananwälte vor dem Berufungsgericht von Genua erzielen. Das Urteil, das
einen jungen Fan mit acht Monaten Hausarrest und 8.000 Euro Strafe belegt hatte, weil er sich im Zuge einer
Auslandsreise nicht an seine Meldeauflagen gehalten hatte, wurde aufgehoben. Das Gericht gab den Anwälten
vollumfänglich Recht. Der junge Fan hatte vor einer geplanten Städtereise bei der örtlichen Polizei darum
gebeten, für das Wochenende von seiner Pflicht sich bei der Wache zu melden befreit zu werden, was ihm jedoch
verwehrt wurde. Das Berufungsgericht stellte fest, dass die Behörde hierzu nicht berechtigt war, und hob die
Strafe auf, da bewiesen sei, dass der junge Mann bei einem Auslandsaufenthalt ohnehin nicht die Spiele von La
Spezia besuchen konnte.
Avezzano: Der am 15. November ausgesprochene Boykott der Curva Nord Avezzano wurde auch am letzten
Spieltag fortgesetzt. Übermorgen wird die Curva Nord allerdings das Auswärtsspiel in Scoppito besuchen.
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Torre Annunziata: In einer langen Stellungnahme der Curva Sud Torre Annunziata mit dem Titel „Schande“,
gaben die Gruppen Savoia Supporters 1985, Bronx 80058, Ultras Oplontini und UCS ihren Rückzug aus dem
Stadion bekannt. Neben der angestauten Wut über ständige Repressionen, Verbote, Medienhetze, politischen
Aktionismus und einem Handeln der Institutionen, welches im Widerspruch zu den verfassungsrechtlich
garantierten Rechten wie der Meinungsfreiheit oder der Bewegungsfreiheit steht, wird auch die aus „Dieben“
zusammengesetzte Vereinsführung und der Bürgermeister dafür verantwortlich gemacht. Diese fahre einen
untragbaren vereinspolitischen Kurs und werde von dem ansonsten völlig abwesenden und „nur noch zu
verachtenden“ Bürgermeister toleriert. Man investiere so viel in den Verein und doch kämen von allen Seiten
nur Stiche ins Herz zurück. Aus diesen Gründen habe man die Maßnahme bis auf unbestimmte Zeit getroffen.
Triest: Die Curva Furlan Trieste erklärte vor einigen Wochen in ihrer Stellungnahme noch einmal ihre starre
Protesthaltung im Zuge der Führungskrise im Verein. Im Sommer 2014 stand der Verein ohne Geld und ohne
Besitzer da, bis in letzter Sekunde mit Pontrelli ein Investor präsentiert wurde. Dieser missfiel den Fans von
Anfang an, sodass die Vereinigung Centro di coordinamento, welche die Rechte am alten Vereinswappen hält,
diese nicht freigab. Da bis heute keine seriösen Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden konnten, die den Club
tatsächlich weiter brächten, werde der Protest fortgesetzt. Die Entscheidung, die historische Marke nicht den
neuen Besitzern zu überlassen, habe sich als richtig erwiesen. Des Weiteren forderte die Curva Furlan Trieste,
die lokalen Politiker sechs Monate vor der Kommunalwahl auf, endlich bei der Suche nach einer tragbaren
Vereinsführung aktiv zu werden.
Genua: In der letzten Ausgabe hatten wir über mehrere Genua Fans berichtet, die mit einer Geldstrafe belegt
worden waren, weil sie das Auswärtsspiel ihrer Mannschaft in Friaul trotz Verbot besucht hatten. Nun erklärte
die Associazione Club Genoani, dass man die Hälfte der Strafe übernehmen werde, um die Fans zu unterstützen.
Catanzaro: Mitte November kam es in Catanzaro zu einem Treffen zwischen den Ultras 73 und dem Eigentümer
des Vereins Giuseppe Cosentino, in dem es um die ungewisse Zukunft des Vereins ging. Hatte der Besitzer zuvor
noch den Plan, den Verein im Sommer wieder abzugeben, ließ er sich im Gespräch zu einem ewigen Treueschwur
hinreißen, wie die Gruppen mitteilten. Die Fans, die bis dahin vor allem ein Ende seiner Regentschaft erhofft
hatten, gaben ihm nun eine zweite Chance unter der Bedingung, dass es radikale Veränderungen im Umgang
mit den Fans geben müsse.
Saronno: In der vergangenen Ausgabe hatten wir von einer Auseinandersetzung zwischen der Fronte Ribelle
des FBC Saronno und Fans von Legnano berichtet. Hierbei wurde ein örtliches Blumengeschäft beschädigt.
Nun besuchte eine Abordnung der Fronte Ribelle den Blumenladen und entschuldigte sich dafür, dass der
Ladenbesitzer als unbeteiligter in die Auseinandersetzung verwickelt wurde, und ersetzte zudem die Schäden
mithilfe einer gesammelten Kollekte.
Sportliche Situation: Auf sportlicher Ebene konnte
sich Inter Mailand vor zwei Wochen durch ein 4:0
gegen Frosione an die Spitze der Tabelle setzen,
weil AS Rom und der AC Florenz jeweils nicht über
ein 2:2 gegen Bologna beziehungsweise Empoli
hinauskamen. Allerdings verlor Inter Mailand am
vergangenen Montag das verrückte Spitzenspiel
gegen den SSC Neapel mit 2:1 und gab somit seine
Tabellenführung im direkten Duell ab. Da Florenz
gegen Sassuolo unentschieden Spielte, hielt sich Inter
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in der Tabelle jedoch auf Platz zwei vor Florenz und AS Rom. Juventus Turin kommt derweil immer weiter in
Fahrt, so konnte man am 13. Spieltag den AC Mailand mit 1:0 und letzte Woche Palermo mit 3:0 besiegen und
war bei Redaktionsschluss auf Platz fünf und somit tatsächlich in Tuchfühlung mit dem internationalen Geschäft.
Abgeschlagenes Schlusslicht der Serie A mit gerade ein mal sechs Punkten ist aktuell Hellas Verona. Am heutigen
Spieltag trifft unter anderem Lazio auf Juventus, während Inter morgen ein Heimspiel gegen Genua austrägt.
Fanzines in Italien:
Nachdem wir in den vergangenen Ausgaben die ersten Bücher vorstellen konnten, richtet sich dieses Mal der
Blick auf die überregionalen Fanzines in Italien. Ähnlich wie lange Zeit in Deutschland (BFU und Erlebnis Fußball),
gibt es in Italien zwei Hefte, die regelmäßig erscheinen und sich mit unserer Bewegung auseinandersetzen.
Zudem haben wir noch mal Massimo von den Fighters Gruppo Roma angefragt, ob er nicht noch ein paar kurze
Sätze zu Fanzines in Italien sagen kann. Im Übrigen kann man mit etwas Glück das ältere und bedeutendere Heft
„Supertifo“ auch in manchen deutschen Bahnhofszeitungsläden entdecken und kaufen.
Kurzinterview:
Was kannst du uns zu Fanzines in Italien sagen?
Das Supertifo war das einzige Fanzine, was auch in den 80er Jahren überall verbreitet war. Auch wir haben einige Male
dafür etwas geschrieben. Früher war es auch eine Tauschplattform, in der Fans Dinge angeboten und verkauft haben.
Dazu gab es dann nach und nach immer mehr gute Berichte, was bis zum Ende der 90er Jahre anhielt. Früher war es die
einzige Plattform, um sich auszutauschen und Informationen zu kriegen. Handy oder Internet gab es ja noch nicht. Wie
es heute ist, kann ich nur schwer beurteilen, aber man hört, dass in letzter Zeit dort auch immer mehr rechte Gruppen
zu Wort kommen und es schlechtere Berichte gab, was natürlich etwas „stinkt“.
Hattet ihr bei Juve einen eigenen Kurvenflyer oder ein Heft?
Ja, es gab schon mal kleinere Flyer, aber sehr einfach. Das war zur damaligen Zeit ganz anders als heute,
und besonders in Deutschland, wo es so einen hohen Stellenwert hat. Es gab nur selten und ganz einfache
selbstgebastelte Flyer. Auch wir als Gruppo Roma haben ein zwei mal versucht, etwas zu schreiben, uns aber in
der Regel dafür keine Zeit genommen.
In Deutschland gibt es mittlerweile eine Fülle an Hoppingheften oder ähnlichem, gab oder gibt
es etwas Vergleichbares in Italien?
Nein, so etwas war und ist mir nicht bekannt, ich kannte immer nur das Supertifo. Bei einigen größeren Vereinen
gab es zumindest halbwegs regelmäßige Flyer. Ich kann mich zum Beispiel an einen Flyer vom AS Rom erinnern,
aber an ganze Hefte nicht. Also nach meiner Kenntnis, es kann natürlich sein, dass irgendwo so etwas erschien.
Vorstellung „Supertifo“:
Die erste Ausgabe vom Supertifo erschien vor 30 Jahren im Jahre 1985. Das Fanzine beschäftigt sich mit und
konzentriert sich seit Beginn auf Einblicke und die Vertiefung der italienischen (und ausländischen) Ultra–Kultur.
Im Mittelpunkt steht hier ganz klar der Fußball, aber auch bei anderen Sportarten wie zum Beispiel beim
Einshockey wird in regelmäßigen Abständen über das Treiben auf den Rängen berichtet.
Auf in der Regel knapp über 125 Seiten in Farbe, findet der Leser eine Mischung aus Fotogalerien der
verschiedenen Kurven aus Italien, Spielberichten, Bildern von Choreographien, Reportagen und Interviews mit
unterschiedlichen Ultra–Gruppen.
Im Heft wird versucht einen Überblick beziehungsweise Abriss über das zu geben, was sich an den vergangenen
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Spieltagen in und um die jeweiligen Kurven sowie Gruppen ereignet hat. Supertifo erschien zu Beginn monatlich
und zu seiner Hochzeit sogar alle 14 Tage. An jedem gut ausgestatteten Kiosk des Landes ist das Heft neben
Gazzetta und Co. zu erwerben.
Des Weiteren ist das Heft Vorbild für verschiedene Fanzines und Magazine in diversen anderen Ländern Europas.
Auch hierzulande hatte das Heft einen maßgeblichen Anteil daran, dass sich die erste Generation der Ultras in
Deutschland einen ersten Blick über den Tellerrand auf das beeindruckende Schauspiel in den italienischen Kurven
verschaffen konnte. Somit prägten die Bilder von Choreographien, Zaunfahnen, Vorsängern mit Megaphon und
diverse andere Bestandteile des italienischen Tifos, gerade in den Anfangsjahren der Ultrakultur, maßgeblich die
Entwicklung unserer Kurven und Gruppen.
Aufgrund der italienischen Sprache hat wahrscheinlich niemand auch nur ein Wort der geschriebenen Zeilen im
Heft verstanden, trotzdem wurde stundenlang vor den Bildern gesessen und die ersten Eindrücke von „Ultra“
sprichwörtlich aufgesogen. Um noch ein Mal die Bedeutung dieses mittlerweile drei Jahrzehnte alten Heftes zu
untermauern: Es gibt Veröffentlichungen im Supertifo, welche Geschichte geschrieben haben. Publikationen und
Stellungnahmen, welche noch heute in den Köpfen der Tifosi vorhanden und tief verwurzelt sind.
Die letzten schwierigen und teilweise existenzbedrohenden Jahre für Ultras in Italien gingen jedoch auch nicht
spurlos an dem Stellenwert und der Bedeutung des Supertifos vorbei. Oftmals veraltet und nicht mehr up to date,
wirkte das Supertifo zeitweise nur noch wie eine reine Sammlung von Fotos. Die Informationen und das jeweilige
Bildmaterial wurden oftmals schon an anderer Stelle deutlich früher veröffentlicht. Die rasende Entwicklung vom
Internet sowie Youtube und Co. taten ihr Übriges dazu bei, dass das Heft kurz vor dem kompletten Aus stand.
Aktuell steht das traditionsreiche Fanzine vor einem Comeback. So erscheint das Heft seit September diesen
Jahres wieder monatlich an den Kiosken in Italien.
Vorstellung „fans magazine“:
Das Fanzine, “fans magazine” aus Salerno, informiert schon seit 1997 „als Stimme der Ultras“ über die
italienische und ausländische Ultra’ und Fußballszene. Neben dem Vertrieb des Heftes an Zeitungskiosken, in
seiner mittlerweile 342. Auflage, unterhält die Truppe auch eine Internetseite mit Neuigkeiten, Videos, Fotogalerie
und einem Shop. Im letzteren sind Marken und Artikel aller Art erhältlich und versorgt Ultras schon seit 1988
(damals noch analog) mit Fahnen, Banner, Shirts, Pyro und Choreo Material. Der später erweiterte Shop
(mittlerweile digital) bietet nicht nur einen Archivverkauf der bisher erschienen Magazine an, sondern auch
Comichefte, Klamotten, Musik und vieles mehr.
Das Heft und die Internetseite berichten in Artikelform über Geschehnisse rund um die Stadien und den Sport,
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hier auch mit „breaking news“ aus einigen Ländern, sogar gesammelt unter Landeskategorien (Italien, England,
Südamerika, Griechenland, Balkan, Spanien und Portugal, Weltweit sowie verschiedene Sportarten).
Während die Internetseite jedoch sich darauf verständigt kurze und schnelle Informationen zu liefern, werden
Themen, Spielberichte (Hoppingberichte) ausführlicher und bebildert abgearbeitet, in dem regelmäßig
erscheinenden Magazin. Die Kosten für ein Heft belaufen sich auf wenige Euro und es erscheint in der Regel
alle 14 Tage.
AC Pisa 1909 – Robur Siena 1:2 (0:1), 15.11.2015
Es ist Gang und Gäbe, dass sich an den Länderspielwochenenden der ein oder andere Schalker in Italien verläuft.
Da ein orangener Vogel bereit war, meine Freundin und mich praktisch vor der Haustür abzuholen und uns für
äußerst schmale Euros für diesen Zeitraum nach Pisa zu verfrachten, nutzen wir wieder einmal die Gelegenheit,
das Land zu besuchen, welches wir nicht nur wegen der Fankultur lieben.
Neben den Spielen zwischen Livorno und Vicenza sowie Spezia und Cagliari, wurden eine Menge Pizza und Pasta
gegessen und einiges an Sehenswürdigkeiten in der Toskana abgegrast. Mein absolutes Highlight dieses Trips
war aber das Aufeinandertreffen von AC Pisa und Robur Siena in der Girone B, der dritten italienischen Liga.
Als ein Element dieser Italienrubrik möchte ich euch hierzu im Folgenden die erlebten Eindrücke im und um das
Stadion schildern.
Das Abendprogramm des Sonntags war ein wirklicher Kracher. Da können die Zeilen dieses Berichts mit wirklich
relevanteren Darstellungen gefüllt werden als den Infos, dass Robur Siena ein im letzten Jahr neugegründeter
Verein als Nachfolger des Konkurs gegangenen AC Siena ist oder, dass an der Seitenlinie von AC Pisa mittlerweile
Gennaro Gattuso die Strippen zieht und mit dem Club in die Serie B aufsteigen möchte.
Das Stadion von Pisa – das Stadio Arena Garibaldi – ist der absolute Wahnsinn. Es ist fast 100 Jahre alt und
mitten in der Stadt, unweit des Schiefen Turms von Pisa, welcher hinter dem Gästeblock zum Vorschein tritt,
gelegen. Während einige europäische Stadien sich ein Baujahr des frühen 20. Jahrhunderts auf die Fahne
schreiben, dank einiger Umbaumaßnahmen jedoch nichts mehr mit dem ursprünglichen Bau gemeinsam haben,
zeichnet sich hier ein anderes Bild. Es wirkt als sei seit der Eröffnung nichts mehr an dieser Stätte getan worden.
Sitzschalen auf der Gegengerade komplette Fehlanzeige, eine nicht mehr funktionstüchtige Anzeigetafel und
zwei Kurven, die diese Bezeichnung auch wahrlich verdient haben.
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Mit über 7.000 Menschen hatte sich eine stattliche Anzahl
für ein Drittligaspiel im Stadio eingefunden. Siena hat mich
an diesem Abend nicht vollständig überzeugen können.
Von den ungefähr 400 Tifosi beteiligten sich gut zwei Drittel
am Support. Positioniert wurde sich hinter einer „Noi non
Tesserati“-Fahne der Ultras Siena. Hätte dieser Gastauftritt
bei einem der beiden vorangegangen Spiele stattgefunden,
wäre er mir wohl positiver aufgefallen. Das Durchschnittsalter
von sicherlich über 30 Jahren konnte letztendlich mehr
überzeugen als die Lautstärke. Einige ansprechende Melodien
wurden vorgetragen, waren jedoch nur nach den Treffern im
gesamten Stadion zu hören. Insgesamt ging Siena im Kontrast
zur Heimkurve doch sang- und klanglos unter.
Diese zeigte nämlich am heutigen Abend par excellence, was den unterklassigen Fußball in Italien auszeichnet.
Die Kurve der heimischen Tifosi schmückte eine große Zaunfahne mit der Aufschrift „Legati Ai Valori Del
Passato…Uniti Lottiamo Ancora Oggi“. Übersetzt bedeutet das in etwa „Für die Werte der Vergangenheit
kämpfen wir gemeinsam noch heute“. Sorgte schon dieser Anblick dafür, dass sich die ersten Haare auf den
Armen aufstellen wollten, brachten mich die ersten
Spielminuten auf Wolke sieben. Pünktlich zum Anpfiff
legte die Curva mit der ersten Melodie des heutigen
Abends los und gleichzeitig stieg hinter der gesamten –
kürzlich gelobten – Zaunfahne gemäß der Stadtfarben
roter Rauch empor. Ganz stark! Der koordinierte Einsatz
von Pyrotechnik ist heutzutage durch Entwicklungen
im Land, die dem treuen Leser unserer Rubrik bereits
bestens bekannt sind, alles andere als regelmäßig.
Umso schöner ist es dann natürlich, von einem solchen
Anblick überrascht zu werden.
Der Trommler der Sconvolts Pisa versteht definitiv sein Handwerk und erzeugte zu den Cori der Ultras in der Curva
erstklassige Rhythmen. Regelmäßig stieg auch die Gegengerade ein, welche heute fleißig den Schiedsrichter und
die gegnerischen Spieler bepöbelte. In den Gesängen fand neben der Liebe zum eigenen Verein auch der Hass
auf den Erzrivalen Livorno Erwähnung.
Ein alleinstehendes Highlight war der Beginn des Spiels keinesfalls. Immer wieder wurden nette Melodien in
starker Lautstärke gemeinsam mit der einen oder anderen Fackel auf dem Boden vorgetragen. Zudem wurden
verschiedene Spruchbänder gezeigt und durch dahinter brennende Fackeln hervorgehoben, die unter anderem
den bekannten Artikel 9 und den Tod von Gabriele Sandri, der sich zu dieser Zeit jährte, zum Inhalt hatten.
Auch nimmt die Curva Nord Pisa häufig zu politischen Themen Stellung. So wurde sich beispielsweise am
heutigen Abend mit den Menschen solidarisch gezeigt, denen eine Zwangsräumung ihrer Wohnungen droht.
Das Vorgehen der Polizisten gegen die Bürger, die für ihr Recht auf Wohnung die Tage zuvor in der Stadt mit
Protesten kämpften, wurde scharf kritisiert. Die Ultras aus Pisa sind generell sehr stark in sozialen Kämpfen, die
ihre Stadt (aber auch darüber hinaus) betreffen, involviert. Diese enge Verzahnung von sozialen Themen und
dem Geschehen in der Kurve war ein weiteres eindeutiges und schönes Merkmal dafür, dass man sich gerade am
Ursprung unserer Bewegung befand.
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Mir gefiel der Auftritt durchweg gut, sodass eigentlich nur noch ein Tor fehlte, um hier etwas richtig Starkes
daraus zu machen. Leider fiel dieses dann jedoch unverdient auf der falschen Seite.
Zur zweiten Halbzeit hatten wir unseren Standort auf der Gegengerade gewechselt und sind relativ dicht an die
Heimkurve herangegangen, um die Atmosphäre hier noch besser aufnehmen zu können. Passend hierzu begann
der zweite Abschnitt mit einer heftigen Druckphase sowohl von der Mannschaft als auch der Kurve. Endlich fiel
ein Treffer für die Blau-Schwarzen, aus dem ein klasse Torjubel und lauter Gesang des Stadions, sowie Fackeln in
der Kurve und im Innenraum folgten. In dem Moment hätte die Uhr auch stehen bleiben können, das hätte ich
mir noch lange angeschaut. Leider verließen die Mannschaft einige Minuten später etwas die Kräfte, der Druck
nahm ab und gleichsam auch die Lautstärke der Gesänge. Mitte der zweiten Hälfte plätscherte das Geschehen
nun eher etwas vor sich daher. Ein weiterer Treffer der Gäste zur 1:2 Führung sorgte für Ernüchterung. Erst in der
Schlussphase nahm das Geschehen nochmal ordentlich Fahrt auf und auch wenn Pisa letztendlich nicht mehr
zum Ausgleich kam, wurde die Mannschaft von der Kurve gefeiert.
Ich war mit dem Spiel rundum zufrieden. Sehr viel Luft nach oben war hier heute wirklich nicht geboten. Ein etwas
anderer Spielverlauf hätte sicher für ein noch besseres Erlebnis gesorgt, aber auch so war es für mich absolut top und
die netten Eindrücke konnten bei zwei weiteren Pizzen und der letzten Nacht dieser netten Tour verarbeitet werden.
Gemischte Tüte
Baden-Württemberg/NRW:
Leider konnte sich in zwei Bundesländern die Polizeilobby zumindest vorerst gegen eine Kennzeichnungspflicht
für Polizisten durchsetzen. In Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen steht die Einführung zwar im
Koalitionsvertrag und wurde länger geplant, soll aber nun doch nicht kommen.
Als Fußballfan trifft man naturgemäß oft auf Einsatzhundertschaften, die das Ziel der Kennzeichnung werden
sollten. Bei einem Machtmissbrauch der Polizisten ist man dabei in der Regel ohnmächtig, da diese sich hinter
ihrer Anonymität verstecken können. Ein trauriges Beispiel dafür ist das Heimspiel gegen Saloniki vor zwei Jahren.
Insofern wäre die Einführung einer anonymen Kennzeichnung ein längst überfälliger Schritt, um Grundrechte der
Bürger zu wahren und Polizeibeamte für ihr Handeln verantwortlich zu machen. Die Argumente gegen eine neue
Regelung vonseiten der Gewerkschaften und diversen Politikern sind dabei die immer gleichen. Mit ihnen verhält
es sich wie mit schlechten Witzen, sie werden nur nerviger, je öfter man sie wiederholt. Man müsse der Polizei
doch vertrauen und durch eine Kennzeichnung nicht die Polizisten persönlich gefährden, waren auch in BadenWürttemberg und NRW wiedermal Hauptargumente. Jedem Polizisten unbegrenzt Vertrauen auszusprechen ist
absurd, da es Jahr für Jahr zu zahlreichen Fehlverhalten im Dienst kommt und dies Konsequenzen haben muss. Dazu
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muss man die jeweiligen Täter aber erstmal identifizieren können. Eine persönliche Gefährdung von einzelnen
Polizisten durch eine Kennzeichnung mit einer Nummer ist so gut wie auszuschließen und ein ebenso unsinniges
Argument. Durch eine Zahlenkombination auf der Uniform persönliche Informationen herauszubekommen ist
schließlich nicht machbar. Dass diese Gefahr nicht wirklich besteht, haben auch Erfahrungen in Bundesländern
gezeigt, die eine Kennzeichnungspflicht bereits eingeführt haben.
Solange die Polizeigewerkschaften sich also so geschlossen gegen eine Kennzeichnung wehren, sollten sie sich über ein
Misstrauen gegenüber der Polizei, insbesondere den Hundertschaften, nicht beschweren oder gar wundern.
Magdeburg:
Beim Spiel vom 1. FC Magdeburg gegen die Zweitvertretung von Union Berlin im Dezember 2014 kam es zu
einer mehrstündigen Polizeikontrolle von 254 Magdeburg Anhängern. Gegen alle kontrollierten Fans wurde
im Anschluss Anzeige erhoben und ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen. Nun wurden die ersten
Verfahren eingestellt, da den Betroffenen kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, weitere Einstellungen
werden wohl folgen. Die entsprechenden Stadionverbote werden laut der Fanhilfe Magdeburg aufgehoben.
Schön, dass die Gießkannentaktik der Polizei vor Gericht letztendlich keinen Bestand hatte. Was dagegen bleibt
sind 254 Fans, die zu Unrecht vor den Toren standen.
München:
Es ist klar, dass man in der Fanszene von 1860 seit Jahren alles andere als erfreut darüber ist, seine Heimspiele in
der Arena in Fröttmaning auszustragen. Jetzt ging eine außerordentliche Mitgliederversammlung bei den Löwen
gar so weit, einen Antrag zum Auszug aus der Arena mit 154 zu 126 Stimmen zu verabschieden. Der geplante
Umzug soll dabei bereits zur Saison 2016/2017 vollzogen werden. Dabei ist unklar, ob der Antrag überhaupt
umgesetzt werden muss. Nicht das Präsidium des eingetragenen Vereins, sondern die Geschäftsführung sei laut
einem Vereinsjuristen für solche Entscheidungen zuständig. Von vielen Fans wird die Heimat von 1860, das
Grünwalder Stadion, favorisiert. Bei einem Gespräch mit dem Münchner Oberbürgermeister vor wenigen Tagen
hat dieser zwar einer Renovierung zugestimmt, allerdings ist seiner Meinung nach nicht mehr als eine Kapazität
von 20.000 Zuschauern machbar.
Österreich:
Auch in Österreich bewirkt ein Stadion, genauer genommen ein Stadionname, massive Proteste durch Fans. Nach dem
Abriss des Hanappi-Stadions baut Rapid Wien ein neues Stadion, welches nach einer Versicherungsagentur benannt
wird. Deswegen wurde von der aktiven Fanszene von Rapid die Kampagne „Weststadion“ ins Leben gerufen. Dabei
möchte man alle Möglichkeiten nutzen, um zu verhindern, dass der Sponsorenname der Allianz in den Köpfen der
Menschen verankert wird. Um den wahren Namen „Weststadion“ dabei so präsent wie möglich zu halten, wurden
bereits Zaunfahnen gepinselt und Fanartikel hergestellt, selbst ein Weststadionbier gibt es. Darüber hinaus hat man
das Ziel, dass Rapid nach Ablauf der Frist für die Namensrechte im Jahr 2026 offiziell im Weststadion spielt. Weitere
Informationen über die Kampagne inklusive Youtube Video bekommt ihr auf www.weststadion.at.
Kroatien:
Der Kampf zwischen den berüchtigten Ultras aus Zagreb, den Bad Blue Boys, und der Vereinsführung von
Dinamo, den Gebrüdern Mamic, schreibt ein neues Kapitel. Nachdem die beiden Brüder bereits im Sommer für
einige Tagen hinter Gittern landeten, bevor sie auf Kaution entlassen wurden, kehrten die Bad Blue Boys für das
Spiel gegen den Erzrivalen aus Split in ihr Stadion zurück. War nach elf Tagen die Hoffnung auf ein Verschwinden
der korrupten Machthaber bereits verflogen, kam es im vergangenen Monat zu einer erneuten Verhaftung
des Präsidenten Zdravko Mamic, seines Sohnes und des geschäftsführenden Präsidenten des kroatischen
Fußballverbandes. Aufgrund des Verdachts auf Veruntreuung, Steuerhinterziehung und Bestechung sei unter
anderem auch das Haus Mamics untersucht worden. Interessierte Personen können im Internet ein Haufen
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Material zu den Vorwürfen finden, die hier den Rahmen sprengen würden. Von Verkäufen vielversprechender
Talente zur persönlichen Bereicherung an den Transfererlösen bis zum willkürlichen Aussperren der ungeliebten
Torcida aus Split ist alles dabei.
Hält sich wegen der korrupten Strukturen die Hoffnung auch in Grenzen, dass dieses Mal ein nachhaltiger Schlag
gegen die Verbands- und Vereinsführung gelingt, können nur weiter die Daumen gedrückt werden, dass auf lange
Sicht die Bad Blue Boys und weitere unter dem Einfluss der Sippe leidenden Gruppen den Kampf gewinnen werden.
Türkei:
Während der Saison 2013/2014 wurde in der Türkei das Passolig-System eingeführt. Die Passolig-Karte ist eine
Kreditkarte der türkischen Aktif Bank, die fortan gleichsam als Fankarte genutzt werden und die Eintrittskarten
ersetzen sollte. Die persönliche, mit Foto versehene Karte war fortan für den Stadionbesuch verpflichtend.
Die Kritik der Fans bezog sich nicht nur auf die Personalisierung der Tickets und dem damit verbundenen Sammeln der
Daten durch dieses System, sondern ebenso darauf, dass Erdogan, unter dem der entsprechende Paragraph eingeführt
wurde, Nähe zur Aktif Bank nachgesagt wird, für die dadurch etliche neue Kreditkartenkunden winkten.
Wegen eines Verstoßes gegen die Persönlichkeitsrechte der Fans hat kürzlich das türkische Verfassungsgericht Passolig
nach Klage der türkischen Fanvereinigung “Taraf-Der” für verfassungswidrig erklärt. Da im Rahmen des PassoligSystems den Vereinen die Weitergabe von persönlichen Daten erlaubt war, sah das Gericht hier eine Verletzung
grundlegender Menschenrechte. Das Gericht für Verbraucherrechte, welches die Frage an das Verfassungsgericht
weitergab, wird am 9.Dezember entscheiden, ob Passolig endgültig abgeschafft wird. Möge dieses System den Fans in
der Türkei in Zukunft erspart bleiben und die Rückkehr der Anhänger in die Stadien ermöglichen.
Nordkurve singt
Am vierten Mai gegründet, wurd´s du mein Verein -
Fussballclub Schalke, werd immer bei dir sein!
Wir reisen durch Städte und Dörfer dieser Welt Fussballclub Schalke, denn du bist das was zählt!
Melodie: The Kinks - Death of a Clown
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