West-Syndrom - Kindernetzwerk
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West-Syndrom - Kindernetzwerk
Kindernetzwerk e.V. für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit chronischen Krankheiten und Behinderungen Krankheitsübersicht West-Syndrom KINDERNETZWERK AN ALLE BEZIEHER UND NUTZER DIESER KRANKHEITSÜBERSICHT Mit den in dieser Krankheitsübersicht enthaltenen Informationen bietet das Kindernetzwerk e.V. lediglich einen ersten Überblick über die Erkrankung, die Behinderung oder das entsprechende Schlagwort. Alle Informationen werden nach bestem Wissen – mit tatkräftiger Unterstützung unseres pädiatrischen Beraterkreises und wissenschaftlichen Fachbeirats – aus diversen Quellen ( Fachbücher, Fachartikel, Kindernetzwerk-Archiv sowie aus dem Internet ) zusammengestellt. Bei der Krankheitsübersicht wird darauf geachtet, dass die Informationen verständlich und gut leserlich geschrieben sind. Wir möchten Eltern, Betroffenen und Nichtmedizinern dadurch ermöglichen, insbesondere auch seltene Erkrankungen besser zu verstehen. Wir streben einen möglichst hohen Grad an Aktualität an, können aber wegen des rapiden medizinischen Fortschrittes nicht in jedem Fall garantieren, stets den allerneusten Stand des Wissens komplett abzubilden. Gerade deshalb empfehlen wir, sich immer an einer der zuständigen Selbsthilfegruppen zu wenden (siehe beiligende Adressen) um dort weiteres aktuelles Material anzufordern und individuelle Beratung einzuholen! Die Krankheitsübersicht ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Eine Weitergabe an Dritte ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Die Unterlagen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Inhalte der beigefügten Materialien stellen keine Bewertung von Seiten des Kindernetzwerks dar, sondern dienen der übersichtlichen Zusammenfassung vorhandener Informationsmaterialien in kompakter Form. Bei einem Teil der Krankheitsbildern liegen beim Kindernetzwerk noch umfassendere Informationen (Infopakete) vor. Näheres erfahren sie über die Geschäftsstelle. Aufgrund der Seltenheit vieler Erkrankungen ist es nicht möglich, bei allen Krankheitsübersichten ein Fallbeispiel darzustellen. Falls Sie uns dabei unterstützen möchten, nehmen sie bitte Kontakt mit dem Kindernetzwerk e.V. auf. Servicetelefon: Telefonzeiten : Internet : 0 60 21/1 20 30 oder 01 80/5 21 37 39 Mo 9-14.00 Uhr Di/Do 9-13.00 Uhr Mi 9-16.00 Uhr www.kindernetzwerk.de Kindernetzwerk e.V. – Hanauer Straße 8 – 63739 Aschaffenburg – http://www.kindernetzwerk.de Telefon 0 60 21 / 1 20 30;01 80 / 5 21 37 39 - eMail: [email protected] Spendenkonto-Nr. 924 290 - Sparkasse Aschaffenburg - BLZ 795 500 00 West-Syndrom Epilepsie mit Blitz-, Nick- und Salaam-Krämpfen (BNS-Krämpfe, infantile Spasmen) Zusammengestellt für das Kindernetzwerk von: Dr. med. Jürgen Seeger, Wiesbaden 2004 Kurzbeschreibung Es handelt sich bei der BNS-Epilepsie um eine altersgebunden auftretende generalisierte Epilepsie. Diese ist charakterisiert durch das Auftreten der folgenden Hauptsymptome: • • • Typische Blitz-, Nick-, Salaam-Krämpfe (Beschreibung s. u.) Psychomotorische Entwicklungsverzögerung oder –rückschritte Charakteristisches EEG-Muster einer Hypsarrhythmie (Beschreibung s. u.) Es gibt einzelne Patienten bei denen die Entwicklungsverzögerung auch fehlt. In 90 % der Fälle beginnt die BNS-Epilepsie im Säuglingsalter. Es gibt symptomatische Formen (auf dem Boden einer fassbaren Ursache) und so genannte kryptogene (ohne erkennbare Ursache) Formen. Mit der ständigen Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten nimmt der prozentuale Anteil der kryptogenen Formen ab (zurzeit etwa 20 bis 30 %). Bei den symptomatischen Formen kommen zahlreiche verursachende Faktoren in Frage, die ihren Ursprung sowohl pränatal, perinatal als auch postnatal haben können. Am häufigsten werden pränatale Ursachen gefunden (angeborene Hirnfehlbildungen und -entwicklungsstörungen, erbliche Erkrankungen wie z. B. die tuberöse Hirnsklerose und chromosomale Anomalien). Die BNS-Anfälle treten meist im Alter von 4 bis 9 Monaten auf und äußern sich in charakteristischer Weise (Beschreibung s. u.). Die (medikamentöse) Therapie gestaltet sich in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Störung zum Teil schwierig, die Prognose ist abhängig von der Grunderkrankung und dem Ansprechen auf die Behandlung. Häufig bleiben die Patienten in ihrer Entwicklung anhaltend retardiert und es entwickeln sich bei einem großen Teil Nachfolgeepilepsien, die ihrerseits auch wieder oft therapieschwierig sind. Symptome/Formen Die BNS-Epilepsie manifestiert sich in mehr als 90 % der Fälle innerhalb des 1. Lebensjahres mit einem Gipfel zwischen 4 und 9 Monaten. Es treten typische, charakteristische Anfälle auf, die der Erkrankung ihren Namen gegeben haben. Es kommt zu blitzartigen heftigen Kontraktionen aller Extremitäten, z. T. gefolgt von einer mehrere Sekunden anhaltenden längeren Kontraktion. • Es treten Beugekrämpfe der Halsmuskulatur auf, die zum Kopfnicken führen. • An die generalisierte Muskelkontraktion kann sich eine Phase der symmetrischen Rumpfbeugung mit Streckung der Arme anschließen, die ein Bild erzeugt, das dem orientalischen Salaam-Gruß ähnelt. An die in der Regel um die 10 Sekunden dauernden Kontraktionen schließt sich oft eine Phase des Verharrens an mit verminderter Reagibilität, die Anfälle können in lang dauernden Serien mit kurzen Intervallen von weniger als 1 Minute auftreten. • Nach dem Ende der Anfallsserien sind die Kinder dann oft verstört, weinen, sind erschöpft. Die Anfälle sind oft verbunden mit abnormen Augenbewegungen, solche können vereinzelt auch einmal einziger Ausdruck des Anfalles sein. Die Anfälle können auch seitenunterschiedlich bzw. herdförmig auftreten und weisen dann auf eine umschriebene Hirnläsion hin. Das Auftreten der Anfälle ist an den Schlaf-WachRhythmus gebunden, sie ereignen sich häufig nach dem Aufwachen oder vor dem Einschlafen. Ein Großteil der Kinder zeigt schon zum Zeitpunkt des Auftretens der Epilepsie eine Entwicklungsverzögerung unterschiedlichen Ausmaßes, nur ein kleiner Teil ist altersentsprechend entwickelt. Das Ausmaß der Entwicklungsstörung und die Auffälligkeiten bei der klinisch-neurologischen Untersuchung hängen im Wesentlichen von der zugrunde liegenden Störung ab. Diagnostik Wesentlich ist für die Stellung der Diagnose das Erkennen des klinischen Anfallsmusters. Bei einer zum Teil sehr hohen Anfallsfrequenz gelingt in der Regel die Beobachtung der Anfälle mit den oben beschriebenen Phänomenen im Rahmen der klinisch-neurologischen Untersuchung bzw. einer etwas längeren Beobachtung des Kindes. Bei niedrigerer Anfallsfrequenz, z. B. bei Beginn der Symptome, kann eine durch die Eltern durchgeführte Videoaufzeichnung hilfreich sein. Zum anderen wird die Diagnose aufgrund eines typischen und charakteristischen EEGBefundes gestellt. Dieser wird als Hypsarrhythmie beschrieben. Hierbei handelt es sich um ein EEG-Muster mit generalisierten langsamen Wellen hoher Amplitude mit eingelagerten Spikes (Spitzen). Diese Spikes verändern sich sowohl bezüglich ihrer Dauer als auch ihrer Lokalisierung ständig. Sie können zum Teil herdförmig imponieren, dann auch multifokal (aus mehreren Hirnregionen stammend) und gelegentlich auch generalisieren. Das gesamte EEG-Muster ist nie rhythmisch und gut organisiert und ist in seiner vollständigen Ausprägung praktisch nicht mit anderen EEG-Mustern zu verwechseln. Es handelt sich hierbei um ein Muster, das zwischen den Anfällen registriert werden kann und somit im Routine-EEG in der Regel aufgezeichnet wird. Zur sicheren Erfassung der Hypsarrhythmie ist die Ableitung eines Schlaf-EEG häufig nötig, da die Hypsarrhythmie sich manchmal im Wachzustand nicht zeigt. Die EEG-Ableitung während eines BNS-Krampfes kann häufig hochamplitudige generalisierte langsame Krampfwellenkomplexe, die von einer Abflachung gefolgt auch lediglich in einer Abflachung, evtl. mit überlagernder unterschiedliche Muster zeigen, Wellen bzw. generalisierte werden. Die Anfälle können sich schneller Aktivität äußern. Die klinische Untersuchung kann bereits Hinweise auf die zugrunde liegende Erkrankung geben, so weisen z. B. weiße Flecken auf der Haut in Richtung einer tuberösen Sklerose. In diesem Fall kann die sonographische Erfassung weiterer Organmanifestationen (z. B. am Herz und an den Nieren) die Diagnose bereits vor Durchführung einer bildgebenden Untersuchung des Gehirns weitgehend bestätigen. Auch bei chromosomalen Störungen oder anderen Erkrankungen mit äußeren Fehlbildungen ist die klinische Untersuchung natürlich richtungweisend. Bei der weiteren Diagnostik zur Ursachenforschung steht die Kernspintomographie des Schädels an erster Stelle. Hier können angeborene oder auch peri- bzw. postpartal erworbene Anomalien am besten erfasst werden. Es können sich Fehlbildungen der Hirnrinde sowie Entwicklungsstörungen z. B. der langen Nervenbahnen (weiße Substanz) darstellen. Weitere bildgebende Untersuchungen, die auch funktionelle Aspekte miterfassen, wie z. B. • die SPECT (Single-Photon-Emissionscomputertomographie), eine Untersuchungs-methode mit radioaktiven Isotopen, • sowie PET (Positronenemissionstomographie), eine Untersuchung, die in erster Linie den Glukosestoffwechsel mittels radioaktiver Substanzen misst, gehören nicht zur Routine und sind bislang überwiegend Einzelfällen vorbehalten. Ursachen Die BNS-Epilepsien werden in symptomatische und kryptogene eingeteilt. Bei den symptomatischen lassen sich fassbare Ursachen feststellen, bei den kryptogenen ist die Ursache nicht bekannt. Mit zunehmender Verbesserung der diagnostischen Möglichkeiten ist der Anteil der kryptogenen BNS-Krämpfe an der Gesamtgruppe in den letzten Jahren zunehmend kleiner geworden und liegt jetzt zwischen 20 und 30 %. Es gibt Hinweise, dass ein Teil dieser Patienten eine genetische Disposition hat mit familiärer Häufung. Die symptomatischen BNS-Krämpfe können ihre Ursache prä-, peri- oder postnatal haben. Zu den pränatalen Ursachen gehören Entwicklungsstörungen bzw. Fehlbildungen der Hirnrinde, die in der Frühschwangerschaft entstehen. Eine weitere große Gruppe sind die neurokutanen Syndrome oder Phakomatosen, erbliche Erkrankungen, die sich durch Symptome an unterschiedlichen Organen manifestieren. Hierzu gehören z. B. die tuberöse Sklerose und die Neurofibromatose I. Komplexe Hirnfehlbildungen können ebenso zu BNS-Epilepsien führen wie auch Chromosomenanomalien, z. B. das Down-Syndrom (Trisomie 21). Angeborene Infektionen wie die Zytomegalie oder Toxoplasmose können durch Schädigung des sich entwickelnden Gehirnes Auslöser der BNS-Epilepsie sein ebenso wie einige Stoffwechselkrankheiten. Als perinatale Ursachen einer BNS-Epilepsie kommen Sauerstoffmangelzustände in Frage, ebenso auch Hirnblutungen. Die Komplikationen im Zusammenhang mit einer Frühgeburt spielen hier ebenso eine Rolle. Als postnatale Ursachen kommen ebenso Schädigungen durch Sauerstoffmangel (z. B. Herzstillstand, Unfallfolgen) in Frage wie auch entzündlich Erkrankungen des Gehirns. Unter den angegebenen Ursachen sind die vorgeburtlichen die häufigsten mit 30 bis 45 % der Kinder, gefolgt von den um die Geburt herum erworbenen Schädigungen mit 15 bis 25 %. Wie alle diese unterschiedlichen Ursachen letztlich zu der relativ gleichförmigen klinischen und elektroenzephalographischen Manifestation führen, ist bislang nicht endgültig geklärt. Es handelt sich offensichtlich um eine unspezifische Reaktion des unreifen Gehirns auf sehr verschiedene äußere Einflüsse. Es wird vermutet, dass eine Regulationsstörung im Stoffwechsel einiger Neurotransmitter eine Rolle spielt. Auf dieser Ebene greift auch ein Teil der wirksamen Medikamente ein. Häufigkeiten Unter allen Epilepsien bei Kindern im Alter von 0 bis 15 Jahren wird die BNS-Epilepsie mit einer Häufigkeit von 4 bis 8 % angegeben. Das Neuauftreten auf 1000 Lebendgeborene wird mit 0,16 bis 0,42 angegeben. Verwandte Krankheiten/ Differentialdiagnose/Begleitfehlbildungen Eindeutige, klinisch zu beobachtende BNS-Anfälle mit dem typischen EEG-Befund der Hypsarrhythmie lassen die Diagnose sicher stellen. Differentialdiagnostisch müssen epileptische und nichtepileptische Myoklonien des Säuglingsalters abgegrenzt werden, was in der Regel durch Klinik und EEG möglich ist. Beim gutartigen Säuglingsmyoklonus fehlen sonstige Entwicklungsauffälligkeiten und es findet sich ein normales EEG. Bei der seltenen Epilepsieform der generalisierten myoklonischen Anfälle des Säuglings treten die myoklonischen Anfälle in der Regel nicht in Serien auf und es findet sich im EEG keine Hypsarrhythmie. Dem Auftreten der typischen BNS-Epilepsie können bei schwer geschädigten Kindern myoklonische Epilepsien vorangehen, die dann in eine BNS-Epilepsie übergehen. Schreckreaktionen bei irritablen Säuglingen können Blitzanfälle vortäuschen. Umgekehrt werden echte Blitzkrämpfe z. T. mit einem Zusammenschrecken verwechselt und als harmlos fehlgedeutet. Beugekrämpfe mit Zusammenkrümmen des Kindes könnten fehlinterpretiert werden als Bauchkoliken. Ein Teil der Kinder mit BNS-Epilepsien entwickelt im Verlauf bei nicht ausreichendem Ansprechen auf die medikamentösen Behandlungen eine ebenfalls prognostisch ungünstige und therapieschwierige Epilepsieform, das Lennox-Gastaut-Syndrom. Hierbei handelt es sich ähnlich der BNS-Epilepsie um ein altersgebundenes epileptisches Syndrom mit vielen unterschiedlichen zugrunde liegenden Mechanismen. Es ist gekennzeichnet durch ganz unterschiedliche Anfälle mit tonischen, astatischen, myoklonischen, tonisch-klonischen Anfällen, z. T. auch fokaler Art und auch atypischen Absencen. An Begleitfehlbildungen muss vor allem bei Vorliegen einer bekannten Grunderkrankung gedacht werden. Bei einer tuberösen Sklerose muss nach Manifestationen an Herz und Nieren sonographisch gesucht werden. Ebenso muss bei einer Neurofibromatose auf die Manifestation an anderen Organen geachtet werden. Seltene zugrunde liegende Stoffwechselerkrankungen können sich natürlich auch vielfältig an anderen Organsystemen manifestieren. Ebenso muss bei komplexen Fehlbildungssyndromen nach behandlungsbedürftigen Veränderungen z. B. innerer Organe gesucht werden. evtl. Standardtherapie: Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ursachen, die dem Bild der BNS-Epilepsie zugrunde liegen können, hat sich bis heute keine allgemein gültige Standardtherapie etabliert, die für alle Fälle als günstigste Form angesehen werden könnte. In den letzten Jahren sind durch die zahlreichen neuen Antikonvulsiva zudem weitere Behandlungsmethoden hinzugekommen, die bislang mehr oder weniger gut evaluiert sind. • Nach wie vor wird die Behandlung mit ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) bzw. mit Kortikosteroiden als eine mögliche Standardtherapie angesehen, die allerdings mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen behaftet ist. Bei konnatalen Infektionen als Ursache der Epilepsie sollten sie nicht zum Einsatz kommen. • Als Alternative hat sich Valproinsäure etabliert, die allerdings mit einem erhöhten Risiko behaftet ist, falls eine bislang nicht diagnostizierte Stoffwechselerkrankung vorliegt. • Vigabatrin wird nach wie vor als ein Mittel der ersten Wahl für Kinder mit tuberöser Sklerose zur Behandlung der BNS-Epilepsie angesehen, für die anderen Indikationen wird aufgrund der Tatsache, dass es hierunter zum Auftreten irreversibler Gesichtsfeldeinschränkungen kommt, nicht mehr zur Behandlung mit dem Präparat geraten. • Die Leitlinie der Gesellschaft für Neuropädiatrie zu diagnostischen und therapeutischen Prinzipien bei Epilepsien im Kindesalter sieht für das West-Syndrom die Gabe von Vigabatrin, Valproinsäure, ACTH bzw. oralen Steroiden, Vitamin B6, Sultiam und Topiramat als sinnvoll an. Es wird darauf hingewiesen, dass für Vitamin B6, Sultiam und Topiramat nur wenige Daten vorliegen (Stand Januar 2003). Ein umfassender Überblick zur Behandlung der infantilen Spasmen mit Stand November 2003 (Cochrane Database) kommt zu dem Schluss, dass eine optimale Behandlung nach wie vor nicht gesichert ist. Bezüglich der langfristigen psychomotorischen Entwicklung bzw. dem späteren Auftreten anderer Epilepsien konnte bislang zu keinem Medikament im Vergleich zu anderen ein Vorteil bewiesen werden. Unter den in der Übersicht verglichenen Medikamenten konnte nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin keine Überlegenheit einer Substanz gegenüber einer anderen bezüglich Reduktion der Anfälle, Rezidivrate oder Beendigung der Hypsarrhythmie gezeigt werden (bewertet wurden Vigabatrin, Valproinsäure, Hydrocortison, ACTH, Prednison und Nitrazepam, ein Benzodiazepin). Wichtig sind die frühzeitige Diagnosestellung und die umgehende und konsequente Therapieeinleitung mit dem Ziel der EEG-Sanierung und der Anfallsfreiheit. Insbesondere bei den Patienten ohne zugrunde liegende Erkrankung (kryptogene BNSEpilepsie) verschlechtert wahrscheinlich ein verzögerter Behandlungsbeginn die Prognose. Die Behandlung wird zumindest initial in der Regel unter stationären Bedingungen in einer Kinderklinik stattfinden. Die weitere Betreuung wird dann in einer neuropädiatrischen oder pädiatrischepileptologischen Ambulanz bzw. einer entsprechenden spezialisierten kinderärztlichen Praxis stattfinden. Therapieschwierige Patienten oder ungewöhnliche Verläufe können im Weiteren in einem Epilepsie-Zentrum mitbetreut werden. Unabhängig von der antikonvulsiven Behandlung der BNS-Epilepsie muss eine unter Umständen diagnostizierte zugrunde liegende Erkrankung, z. B. eine Stoffwechselkrankheit, in Abhängigkeit von den gegebenen Möglichkeiten ursächlich oder symptomatisch behandelt werden. Weitere Therapien, zum Teil noch in der Erforschung • Über die unter Standardtherapie gemachten Aussagen hinaus gibt es mittlerweile neue Erkenntnisse über eine gute Wirksamkeit von Topiramat beim West-Syndrom, evtl. auch in Kombination mit Vigabatrin. • Darüber hinaus wurde im Februar 2004 eine deutsche Studie veröffentlicht, die die Wirksamkeit von Sultiam in der primären Therapie des West-Syndroms belegt und diese mit der von Vigabatrin gleichsetzt. Eine Wirksamkeit von Pyridoxin (Vitamin B6) wird hier nicht gefunden. • Eine Arbeit aus 2004 aus den USA berichtet von einem positiven Effekt von Zonisamid, einem neuen Antikonvulsivum, das in Deutschland nicht zugelassen ist. Die Erfolgsraten liegen hier im gleichen Bereich mit den bisher verwendeten Medikamenten, sodass auch hieraus wahrscheinlich keine wesentliche Änderung des bisherigen Vorgehens resultiert. • Für Einzelfälle kommt eine epilepsiechirurgische Intervention in Frage (bei medikamentöser Therapieresistenz und einer fassbaren Läsion, z. B. im Bereich der Hirnrinde, die bei der Anfallsentstehung führend ist). In Frage kommen hierfür z. B. auch Patienten mit tuberöser Sklerose, bei denen unter Umständen zahlreiche rindennahe Veränderungen vorliegen, von denen aber eine für die Anfallsentstehung wesentlich und einer operativen Intervention zugänglich ist. Bei solchen Patienten sollte dann auch frühzeitig an eine operative Therapiemöglichkeit gedacht werden. Prognose Die Prognose sowohl bezüglich des Ansprechens der Epilepsie auf die antikonvulsive Medikation sowie auch bezüglich der motorischen und mentalen Entwicklung ist ganz wesentlich abhängig von der zugrunde liegenden Störung. Diese zugrunde liegenden Erkrankungen und deren symptomatische Behandelbarkeit sind auch wesentlicher Faktor für die in größeren Untersuchungen angegebenen Sterblichkeitsraten. Jüngere Zahlen gehen hier von einer Gesamtsterblichkeit der Kinder mit BNS-Epilepsie bis zum 3. Lebensjahr von etwa 5 % aus. Dabei liegt die therapiebedingte Sterblichkeit unter einer ACTH-Therapie zum Beispiel etwa im Bereich von 1,5 %, unter der ValproatTherapie bei nur etwa 0,1 %. Die Langzeitprognose muss leider insgesamt auch heute immer noch als ungünstig angesehen werden, wobei es durchaus auch Kinder mit normaler oder weitgehend normaler Entwicklung hierunter gibt. • Langfristig werden etwa 25 bis 30 % der Patienten anfallsfrei. • Ebenso haben etwa 25 bis 30 % eine normale oder leicht verminderte intellektuelle Entwicklung. • Die übrigen Kinder behalten eine bleibende Entwicklungsstörung unterschiedlichen Ausmaßes. • Liegt der BNS-Epilepsie keine fassbare Ursache zugrunde, so ist die Aussicht auf eine normale Entwicklung wesentlich besser (bis etwa 40 %). • Als prognostisch ungünstig einzuschätzen ist ein Beginn der BNS-Krämpfe vor dem Alter von 3 Monaten oder jenseits des 1. Lebensjahres, ein schwerer Rückschritt in der Entwicklung vor oder mit dem Beginn der Epilepsie, das Vorhandensein oder Auftreten schwerer neurologischer Ausfälle sowie ein schlechtes Ansprechen auf die antikonvulsive Medikation und ein Ausbleiben der Weiterentwicklung nach Ansprechen. • Ebenso ungünstig ist ein Wiederauftreten der BNS-Krämpfe oder der Hypsarrhythmie nach dem Absetzen der Medikamente. Bis zu 2/3 aller Kinder mit BNS-Anfällen entwickeln später andere Anfallsformen, davon ein Großteil das oben erwähnte Lennox-Gastaut-Syndrom, daneben treten fokale Epilepsien auf. Beratung der Familie Diese wird zunächst in der primär betreuenden Einrichtung, also in der Regel einer entsprechend ausgerüsteten Kinderklinik erfolgen. Die längerfristige Beratung und Begleitung der Familien erfolgt dann beim betreuenden Arzt, bei dem es sich um einen Kinderarzt mit neuropädiatrischer/pädiatrischepileptologischer Zusatzqualifikation handeln sollte (z. B. um einen entsprechend qualifizierten niedergelassenen Kinderarzt, ein sozial-pädiatrisches Zentrum oder eine Epilepsieambulanz für Kinder und Jugendliche). In Abhängigkeit von einer möglichen zugrunde liegenden genetischen Erkrankung sollte evtl. auch eine humangenetische Beratung (in einer humangenetischen Praxis oder Beratungsstelle eines humangenetischen Instituts) erfolgen. Informationsquellen Roland Besser, Gunter Gross-Selbeck (Hrsg.): Epilepsiesyndrome – Therapiestrategien, 3.Auflage, 2003, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 3-13-796203-X Hartmut Siemes, Blaise F. D. Bourgeois: Anfälle und Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen, 2001, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 3-13-127031-4 Ansgar Matthes, Hansjörg Schneble: Epilepsien, 6.Auflage, 1999, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, ISBN 3-13-454806-2 Hermann Doose: Epilepsien im Kindes- und Jugendalter, 11.Auflage, 1998, DesitinArzneimittel GmbH, Hamburg (Email: [email protected] ) Leitlinien der Gesellschaft für Neuropädiatrie: Diagnostische und therapeutische Prinzipien bei Epilepsien im Kindesalter, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 022/007, http://leitlinien.net/ Hancock E, Osborne J, Milner P.: Treatment of infantile spasms. Cochrane Database Syst Rev. 2003;(3):CD001770 BUNDESVERBÄNDE Bei folgenden BUNDESWEITEN ANLAUFSTELLEN können Sie Informationsmaterial anfordern. Fragen Sie dort auch nach Ansprechpartnern des jeweiligen Verbandes in der Umgebung Ihres Wohnortes! Falls vorhanden, sind auch Auslandsadressen mit aufgelistet. Bitte haben Sie dafür Verständnis, daß wir in Bereichen, in denen bereits bundesweite Ansprechpartner existieren, primär diesen Initiativen den Versand von Informationsmaterial und die Vermittlung spezieller Hilfen überlassen. Bei zusätzlichen Fragen können Sie sich natürlich jederzeit wieder an das Kindernetzwerk wenden! Informationszentrum Epilepsie (IZE) Deutsche Epilepsievereinigung gem. e.V. der Dt. Gesellschaft für Epileptologie Bundesgeschäftsstelle Reinhardtstr. 14 Zillestraße 102 10117 Berlin Tel.: 07 00/13 14 13 00 Fax: 07 00/13 14 13 99 10585 Berlin Tel.: 0 30/3 42 44 14 Tel.: 01 80/1 42 42 42 Hotline / Mo + Do 12-18 Uhr Fax: 0 30/3 42 44 66 e-mail: [email protected]; [email protected] Internet: www.izepilepsie.de Ansprechpartner/innen: Petra Gehle Bürozeiten: Mo-Fr 9-12 Uhr Datenbank für Epilepsien mit aktuellen Informationen zu: - Adressen von Selbsthilfegruppen und Epilepsie-Ambulanzen - Anfallsformen/Syndromen - Literaturhinweisen - Therapie/Medikamenten LiBERO - Hilfe für das Kind mit Krankheiten des Nervensystems e.V. Moorhüttenweg 2 R, c/o Ulrike Putze 38104 Braunschweig Tel.: 05 31/69 75 70 Ansprechpartner/innen: Ulrike Putze, 1. Vorsitzende ANGEBOTE: - Faltblatt - Zeitung "Libero", halbjährlich LIBERO will insbesondere Kindern mit folgenden Krankheiten helfen: - Epilepsie - Hirnfehlbildungen und -entwicklungsstörungen - Hirntumoren - Multiple Sklerose und andere chronischentzündliche Nervenerkrankungen - Schädel-Hirn-Verletzungen - Angeborene Nerven- und Muskelerkrankungen - Stoffwechselstörungen des Nervensystems e-mail: [email protected] Internet: www.epilepsie.sh Ansprechpartner/innen: Andrea Lüderitz-Aue, Anne Söhnel Bürozeiten: Mo-Do 10-15 Uhr MITGLIED IM KINDERNETZWERK ANGEBOTE: - Mitgliedszeitschrift "Einfälle" - Informationsflyer zu bestimmten Themen ABR (Advanced Biomechanical Rehabilitation) Therapie Frau Jana Neumann Alt Eschersheim 83 A 60433 Frankfurt e-mail: [email protected], [email protected] Internet: www.abr-therapie.de Selbsthilfegruppe Selbsthilfegruppe für Anfallkranke für Anfallskranke Wienerstraße 20 Otmar-Crusizstraße 24 A-8020 Graz Tel.: 00 43/3 16/91 6714 A-9500 Villach Tel.: 00 43/42 42/5 27 24 Ansprechpartner/innen: Elisabeth Horvath Ansprechpartner/innen: Manfred Brandl West Syndrome Epilepsy Action Scotland Support Group 8 Waddon Close 48 Govan Road GB-EC1V 1JN London Tel.: 0044 1252 5127 07 GB-G51 1JL Glasgow Tel.: 0044 141 427 5225 Helpline Tel.: 0044 141 427 4911 Fax: 0044 141 419 1709 o. 0044 427 7414 e-mail: [email protected] e-mail: [email protected] Internet: www.epilepsyscotland.org.uk Anlaufstelle in Großbritannien für: - Epilepsie National Centre for Young People with Epilepsy Epilepsy Foundation St.Piers Lane 4351 Garden City Drive GB-RH7 6PW Lingfield Tel.: 0044 1342 8322 43 Fax: 0044 1342 8346 39 U.S.A.- Landover MD 20785 Tel.: 001 3014 5937 00 Tel.: 001 8003 3210 00 Internet: www.ncype.org.uk Anlaufstelle in Großbritannien für: - Epilepsie e-mail: [email protected] Internet: www.epilepsyfoundation.org