Gegen den Trend 2004 - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen

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Gegen den Trend 2004 - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen
GEGEN DEN TREND
TRÄUME •
ZUKUNFT • LEBEN
AEJN • Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Niedersachsen
Postfach 265 • 30002 Hannover •Telefon: (05 11) 12 41 – 5 72/-5 71 • Fax: (05 11) 12 41 – 4 92
[email protected] • http://www.aejn.de
Redaktion:
Christine Ingrid Kiem, Manfred Neubauer
Satzerfassung:
Christine Ingrid Kiem
Layout:
s •form
Druck:
Buchdruckwerkstätten Hannover
Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, Recycling
Hannover, im Januar 2004
Autoren
Ralph-Ruprecht Bartels,
Pastor, Harsum
Gottfried Labuhn,
Sozialarbeiter/Sozialpädagoge,
Propsteijugenddiakon Schöppenstedt
Martin Bauer,
Dipl.-Religionspädagoge,
Kirchenkreisjugendwart, Nienburg
Harro Lange,
Dipl.-Religionspädagoge,
Landesjugendpfarramt Hannover
Gesine Boerma,
Pastorin, Landesjugendpfarramt der
Evangelisch-reformierten Kirche, Leer
Roger Moch,
Berufsschulpastor, Rotenburg/Wümme
Christian Ceconi,
Pastor, Ehrenamtlicher der Christlichen
Pfadfinderschaft Deutschlands (CPD)
Manfred Neubauer,
Dipl.-Religionspädagoge,
Dipl.-Supervisor, Jugendbildungsreferent,
Landesjugendpfarramt Hannover
Matthias Conrad,
Kirchenkreisjugendwart, Harlingerland
Thomas Schruff,
Dipl.-Soz.Päd., Bildungsreferent,
Landesjugendpfarramt Oldenburg
Klaas Grensemann,
Kirchenkreisjugendwart, Norden
Christine Tergau-Harms,
Pastorin, Landesjugendpfarramt
Hannover
Susanne Korf,
Studentin für Diplom in den Erziehungswissenschaften, Schaumburg Lippe
Satzerfassung
Christine-Ingrid Kiem
Inhaltsverzeichnis
1_ Impressum
6_ Vorwort der Nds. Ministerin für Soziales,
Frauen, Familie und Gesundheit
7_ Vorwort der Redaktion
Die Aktion: Manfred Neubauer
9_ Die Aktion und ihr Thema
10_ Die Arbeitshilfe und ihre Zielgruppen
Sieben Themenkomplexe
in sieben Schritten
1. Themenkomplex:
Einmal komme ich ganz groß
raus!
Einmal komme ich ganz groß raus: Christian
Ceconi
14_ Wirklich super, wirklich Star? – Oder lieber
individuell träumen?
14_ Träume, Pläne, Wirklichkeiten von
Jugendlichen
16_ „Lebe deinen Traum!“ – Die Wirklichkeit ist,
was ich denke
16_ Die Story erzählen – konstruktiver Umgang
mit der eigenen (potentiellen) Biografie
17_ Mit der Idee des Konstruktivismus spielen
18_ Weiterführende Fragestellungen
19_ Materialien, Literatur
2. Themenkomplex:
Ich bin ein Unikat,
aber noch nicht fertig!
Ich bin ein Unikat: Gesine Boerma
28_ I am what I am (Gloria Gaynor)
28_ I am what I am (Karen Mulder)
30_ Who am I?
31_ Du bist ein Unikat, gewollt und
angenommen
31_ Auf den Blickwinkel kommt es an
34_ Was ich erreichen und weitergeben möchte
35_ Materialien, Literatur
Gentechnologie: Roger Moch
36_ Gott ins Handwerk pfuschen?
36_ Gentechnik kommt auf den Markt –
Leben aus der Retorte früher und heute...?
38_ Menschen sind nicht willenlose Sklaven
ihrer Gene
38_ Beginnt der Mensch heute damit, seine
Evolution in die eigenen Hände zu nehmen?
39_ Welche Eigenschaften braucht ein guter
Zuchtbulle?
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_3
GEGEN DEN TREND ’2004
Expo yourself – Ein Praxis-Projekt zum Thema
„Casting“: Matthias Conrad/Klaas Grensemann
20_ Hintergrund des Casting-Projektes –
„Wie alles begann...“
21_ Einstieg in das Projekt – „Nun aber wirklich...“
21_ Theologische Auseinandersetzung –
„Menschenbild in der Bibel und Medien“
21_ Bibelarbeit zum Thema „Menschenbild
und Medien“, 1. Mose 3:1-7
21_ Grundthesen zu „Menschenbild und
Medien“,1. Mose 3:1-7
22_ Ethik- und Moraldebatte
22_ Diskussion über die Grenzbereiche in
Kleingruppen
22_ Konsequenzen aus den Ergebnissen für
unser Casting festhalten
24_ Projektbeschreibung „Expo yourself“
(Das „Casting-Projekt“)
26_ Gedicht „Manchmal, Gott“:
Klaas Grensemann
Inhaltsverzeichnis
41_ Weiterführende Fragestellungen
41_ Quellen/Material
3. Themenkomplex:
Reise zum Mittelpunkt –
Reise zu mir
Die Reise zum Ich in Zeiten virtueller
Identitäten: Thomas Schruff
44_ Wo stehen wir heute?
46_ Verkleidungsspiele
46_ Bin ich ICH?
48_ Ich bin ICH
49_ Praxisbausteine
52_ Pädagogische Herausforderungen
53_ Materialien/Literatur
Reise zu mir – nicht ohne meinen Körper:
Christine Tergau-Harms
54_ Um mich herum sind tausend Spiegel
54_ Mein größter Feind
54_ Die fünf Säulen der Persönlichkeit
57_ Die Gefahren
57_ Wellness à la Bibel: sieben Ideen
62_ Wo der Spaß aufhört
63_ Literatur
GEGEN DEN TREND ’2004
4. Themenkomplex:
Wo bitte geht's zum Paradies?
Wo bitte geht’s zum Paradies?: Ralph-Ruprecht
Bartels
66_ Erste Einfälle
67_ Was sagen andere?
68_ Zuspitzung - Unsere biblische Tradition
69_ Farbe bekennen - Was bedeutet „Paradies”
in unserer Arbeit mit Jugendlichen
70_ Transfer, Vermittlung, Umsetzung
4_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
73_ Weiterführende Fragestellungen
74_ Materialien - Literatur
Mein persönliches Paradies/Mein Lebenstraum:
Harro Lange
78_ Mein persönliches Paradies/Mein
Lebenstraum (Eine Gegenstandsmeditation)
5. Themenkomplex:
Mir reicht's, wie geht's weiter?
Mir reichts – Wie geht´s weiter?: Susanne Korf
82_ Erstens kommt es anders und zweitens als
man denkt
83_ Es lohnt, sich zu ärgern und Kritik zu
üben!
85_ Unzufriedenheit als Anstoß für Problembewusstsein
87_ Was passiert, wenn ich den Ärger nicht los
werde?
87_ Probleme über Probleme
90_ Immer öfter – aber nicht immer!
90_ Materialien, Literatur
6. Themenkomplex:
Ziele und Träume
von Jugendlichen in Europa
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa:
Gottfried Labuhn
94_ Themenfindung – Ziele und Träume von
Jugendlichen in Europa
94_ Assoziationen zu Träumen und Zielen
95_ Umfrage zu „Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa“
96_ Ergebnisse der Umfrage
98_ Methoden für die Arbeit mit den Themen
„Träume und Ziele“
Inhaltsverzeichnis
101_ Umsetzung der Ergebnisse und Fragen, die
geblieben sind
102_ Literatur –
weitere Informationen
7. Themenkomplex:
Lebensrückblick von vorne
Lebens(t)räume – warum Lebens(t)räume als
Thema für junge Menschen?: Martin Bauer
104_ Träume sind Schäume?
104_ Du hast es selbst in der Hand
104_ Ich schulde meinen Träumen noch Leben
104_ Gott meint es gut mit Dir!
105_ Transfer, Vermittlung, Umsetzung
105_ Was bedeutet das für mich und mein Leben?
105_ Material
Lebensrückblick: Martin Bauer
106_ FAQ – Frequently aksed questions
106_ Alles hat einen Sinn
107_ Du bist verantwortlich für dein Leben
107_ Dein roter Faden in deinem Leben
107_ Transfer, Vermittlung, Umsetzung
107_ Und wie geht es weiter?
107_ Materialien/Literatur
Der rote Faden in meinem Leben: Martin Bauer
108_ Der rote Faden in meinem Leben
110_ Informationen über die Arbeit der AEJN:
Manfred Neubauer
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GEGEN DEN TREND ’2004
112_ Veröffentlichungen „Gegen den Trend“
Vorwort der Nds. Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit
In unserer sehr schnelllebigen Zeit ist es gut,
einmal innezuhalten - um Träumen und Gedanken
über die eigene Zukunft Raum zu geben.
Die Fastenaktion der Arbeitsgemeinschaft Evangelischen Jugend in Niedersachsen „Gegen den
Trend 2004- Träume-Zukunft-Leben“ greift das Bedürfnis junger Menschen auf, den eigenen Standort in der Gesellschaft zu reflektieren und bietet
Gelegenheit, eine eigene Position zu entwickeln.
Die Aktion regt in gelungener Wiese dazu an, in
Jugendgruppen und Schulklassen eine zeitgemäße
christliche Normen- und Wertedebatte zu führen.
Die vorliegende Arbeitshilfe gibt eine wertvolle
Unterstützung für eine Pädagogik ohne erhobenen
Zeigefinger. Es werden Möglichkeiten vorgestellt,
einen Diskurs mit den Jugendlichen zu Themen zu
führen, die sie selbst unmittelbar betreffen und
bewegen.
GEGEN DEN TREND ’2004
Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Arbeitshilfe in den Schulen sowie den Einrichtungen der
Kinder- und Jugendhilfe angenommen wird und
dazu beiträgt, zukunftsfähige Orientierungen für
die jungen Menschen zu entwickeln.
Dr. Ursula von der Leyen
Niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen,
Familie und Gesundheit
6_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Vorwort der Redaktion
Träume - Zukunft - Leben
Halt, Stopp! – ist die Sortierung richtig? Müsste
nicht vielmehr eine andere Reihenfolge gewählt
werden? Sollten nicht doch lieber die Zukunft und
die Zukunftserwartung von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt gerückt werden und somit
an erster Stelle stehen?
Die Redaktionsgruppe hat verschiedene Varianten
durchgespielt und unterschiedliche Reihenfolgen
diskutiert. Übrig geblieben ist die vorliegende Reihung, bei der sich die Begriffe sowohl aufeinander
beziehen als auch für sich stehen und sprechen
können „Träume - Zukunft - Leben“, und das ist
auch gut so.
Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski mahnte Kinder bei einer Veranstaltung zum Thema
„Zukunft“ im Hamburger Audimax, an der sich
tausend gespannte Kinder und viel Begleitung
tummelten: Schaltet mal ab – auch das Fernsehen.
Jagt nicht jeder schnellen Mode hinterher, entdeckt die Hängematte wieder, macht nicht alles
auf einmal. Lasst euch Zeit, lasst die Zukunft kommen, hebt euch eure Träume auf, eure unerfüllten
Wünsche.
Aber ist die Zukunft für Kinder und Jugendliche
momentan wirklich greifbar oder bleibt sie eher
abstrakt? Wir können über unsere Lebensgewohnheiten nachdenken und vortrefflich über gesellschaftliche Prozesse philosophieren, der frische
Wind des Lebens weht uns sowieso unmittelbar
um die Nase: im Hier und Jetzt, im wahren Leben.
Oder wie sagte doch Horst W. Opaschowski: „Die
Zukunft beginnt sofort – je früher, desto besser.“
Für die Redaktionsgruppe
Manfred Neubauer
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_7
GEGEN DEN TREND ’2004
Anschließend stellt er die Frage, warum Menschen
eigentlich in die Zukunft sehen wollten. Er, der
viele Begriffe im Bereich der Zukunftsforschung
prägte – wie „Erlebnisgesellschaft“ und „EventKultur“, und der die Kaufhäuser einmal als „Kathedralen des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet hat. Er
gibt die Antwort dahingehend, dass sich der Blick
in die Zukunft lohnt und zieht den Vergleich zu
einem Wetterbericht. Man sei schließlich, wenn z.
B. ein Hurrikan kommt, nicht schutzlos den Urgewalten ausgeliefert. Doch greift dieser Gedanke
bei Zukunftsvisionen nicht zu kurz? Er stellt einen
anderen Vergleich her. Er arbeite manchmal mit
ähnlichen Mitteln wie in der Modebranche, die immer schon im Herbst weiß, was die Konsumenten
im folgenden Sommer „cool“ finden werden (und
auch kaufen). Gleichzeitig wird er nachdenklich
und stellt fest: „Nicht alles, was technisch machbar ist, sollte Wirklichkeit werden.“ Und er wirkt
auch ratlos, wenn er gefragt wird: „Hört der Krieg
irgendwann auf?“
GEGEN DEN TREND ’2004
8_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Die Aktion
Sieben Themenkomplexe
in sieben Schritten
In der Reihe „Gegen den Trend“ wagen sich seit
mehr als einem Jahrzehnt PraktikerInnen aus der
außerschulischen Jugendbildung an ein Thema
heran, versuchen es unter Einbezug der Perspektive von Jugendlichen zu entfalten und geben damit
einen Impuls zur inhaltlichen Auseinandersetzung
mit einer bestimmten Thematik. Dabei wurde auf
den Praxisbezug immer besonderer Wert gelegt.
Die Sichtweise zu einem Thema war und ist dabei
individuell: aus dem Blickwinkel der Verfasserin/
des Verfassers.
In der Vergangenheit waren die Beiträge normalerweise auch in einer bestimmten Abfolge formuliert, sodass eine Wiedererkennung möglich
wurde. Die damals vorgegebene Strukturierung
ließ jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten offen.
Mit dieser Ausgabe wird erstmals die Aufbereitung und Darstellung eines Themas in einem
Siebener-Schritt ausprobiert, der wie folgt aussieht:
Erste Einfälle zum Thema
Was sagen andere? (Fundsachen, Assoziationen, Kontexte)
Zuspitzung – Thema entfalten unter einem
Blickwinkel
Transfer, Vermittlung, Umsetzung (Projektbeschreibungen, Praxisbeispiele, Gottesdienste,
Gruppenstunden, Stunden-Entwürfe)
Materialien, Literatur
Der Siebener-Schritt wird mit entsprechenden
Symbolen dargestellt, so dass in dem jeweiligen
Beitrag individuelle Zwischenüberschriften vorkommen können. Die Verfasserin bzw. der Verfasser haben den entsprechenden Beitrag mit Hilfe
dieser Struktur entwickelt.
Ziel hierbei ist es, für die LeserInnen einen
schnelleren Zugang zum Text und der Arbeitshilfe
zu schaffen und ihnen einen „Wiedererkennungswert“ zu ermöglichen. Hintergrund dafür ist beispielsweise die Erfahrung, dass einzelne Beiträge
herausgenommen und für die Praxis genutzt
werden – dies ist auch gut so. Mit Hilfe der Broschüre „Echt cool!“ aus dem vergangenen Jahr hat
beispielsweise eine Berufsschulklasse ein halbes
Jahr lang einzelne Themen bearbeitet, für sich
gewichtet und bewertet. Ihre Ergebnisse wurden
dann den Autoren als Rückmeldung zur Verfügung
gestellt. Wir wissen, dass ein solches Vorgehen
auch in anderen Arbeitsfeldern praktiziert wird,
sei es für eine Projektwoche, einen Gottesdienst,
bei einer Schulung zum Erwerb der JugendleiterInnen-Card (JuLeiCa), im Religionsunterricht oder bei
einem thematischen Teil einer Freizeit.
Die Autoren dieser Arbeitshilfe wissen, dass die
ausgewählten Themen inhaltlich aneinanderreichen können und manchmal nicht ganz trennscharf zu behandeln sind. Trotzdem hat sich die
Projektgruppe auf dieses Experiment eingelassen
und hofft, dass das Ergebnis in ähnlicher Weise
angenommen wird wie die Arbeitshilfen der vergangenen Jahre.
Die Aktion und ihr Thema
Fasten ist mehr als nur Verzichten. Mit dem Fasten
steigen Menschen aus gewohnten Verhaltens- und
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GEGEN DEN TREND ’2004
Farbe bekennen (Meinungen, Überzeugungen,
Ideen aus der Sicht der Verfasserin/des Verfassers)
Weiterführende Fragestellungen
Die Aktion
Konsumweisen aus und es eröffnen sich ihnen neue
Reflexionsmöglichkeiten. Es ist eine Zeit des Innehaltens und der Besinnung auf das eigene Verhältnis zu Gott und zur Welt. Eine heilsame Leere tut sich
auf und will mit Anregungen gefüllt werden. In der
diesjährigen Fastenzeit will die Aktion “Gegen den
Trend” der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen
Jugend in Niedersachsen (AEJN) das Thema „Träume Zukunft - Leben“ in den Mittelpunkt des Nachdenkens stellen. Mit der vorliegenden Arbeitshilfe soll
die Bereitschaft angestoßen werden, vorhandene
Werthaltungen, Verhaltensmuster und Einstellungen,
gewohnte und vielleicht sogar beliebte Gewohnheiten auf ihre Bedeutung für die eigene Lebensgestaltung zu überprüfen. Die einzelnen Artikel
geben Impulse zur eigenen Auseinandersetzung
mit den Fragen einer individuellen Lebensplanung
und Zukunftsorinentierung in unserer Gesellschaft.
GEGEN DEN TREND ’2004
Über die 40 Tage der Passionszeit hinaus erhoffen
wir uns gute Diskussionen in Schulklassen und
Jugendgruppen, in denen Jugendliche angeregt
werden, ihre persönlichen Zukunfts- und Wertekonzepte weiterzuentwickeln.
Die im biologischen Vollzug oft genug praktizierte
und der körperlichen Verfassung zunutze kommende Praxis des Fastens hat ihr Pendant im geistigseelischen Bereich gefunden. Selbst religiös nicht
engagierte Menschen können für sich einen Sinn
darin sehen, ihre Orientierung nach anderen Maßstäben zu finden als nach dem Schema “Nehmen
ist seliger als Geben” (in Umkehr zu einer in der
Christenheit verwurzelten Einstellung). Eine befriedigende Lebensgestaltung kann eben nicht durch
Egoismus und Kosten-Nutzen-Denken gefunden
werden. In der (Evangelischen) Jugend liegt das
Potential zur Veränderung, zum Ausprobieren, zum
Protest. Dies lässt sich auch für solch eine Fastenaktion nutzbar machen.
Der biblische Anknüpfungspunkt kann z. B. mit
einem Text aus der Bergpredigt benannt werden:
10_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen
wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht,
um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich ich sage euch: Sie haben ihren Lohn
dahin.
Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und
wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den
Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater,
der in das Verborgene sieht wird’s dir vergelten.
Mth.6,16-18
Der christliche Gehalt des Fastens ist die Wendung
nach innen. Wichtig ist das, was im Verborgenen,
in der eigenen Person geschieht. De Reflexion
über die eigene Existenz, über Träume, Zukunftswünsche und die persönliche Lebensgestaltung
über das, was hält und trägt, über das, was die
Beziehung zu Gott ausmacht. Dies ist oftmals von
Unsicherheiten geprägt, gleichsam eine Art Suchbewegung. Träumen bedeutet ja zumeist, dass
man seinen inneren Wünschen freien Lauf gibt,
dass man die eigentlichen Gefühle allerdings nicht
nach außen hin zeigt. Vielleicht kann Fasten auch
als Befreiung zu einem „realen Traum“ verstanden
werden, als Befreiung zu einem Selbstvertrauen,
das sich nicht verstecken muss, sondern der Zukunft mutig ins Auge sieht.
Die Arbeitshilfe (Broschüre)
und ihre Zielgruppen
Die Arbeitshilfe versucht die weit gestreute Bezugsgruppe “Jugendliche” in den Blick zu nehmen, für Orientierungsstufen-SchülerInnen bis
hin zu AbiturientInnen sollen die Unterthemen
aufgenommen, aufgegriffen, weiterentwickelt und
weitergegeben werden. Die Entfaltung der Einzelthemen geschieht jedoch nicht schematisch,
so dass nacheinander alle Schul- und Altersstufen
gleichmäßig angesprochen werden. Zum Teil ist es
auch von den zugänglichen Materialien abhängig,
Die Aktion
was hier dargeboten wird. Außerdem spielt eine
Rolle, aus welchem Bereich der Jugendarbeit bzw.
Schule der/die jeweilige Redakteur/in kommt. Das
wiederum macht (hoffentlich) den Reiz dieser Arbeitshilfe aus, dass sie von verschiedenen Seiten
her einen Zugang anbietet, dass sie in der Auswahl
des Stoffes und der Methoden dementsprechend
vielfältig ist. Einen Anspruch auf Vollständigkeit
der Themen wie der Materialien kann und will die
Broschüre nicht erheben.
Redaktion doch noch eine Menge an Eigenarbeit,
an Reflexion und an persönlicher Entscheidung
darüber, was mit welchem Material gemacht wird.
Manfred Neubauer
Die Leserschaft wird auch feststellen, dass es den
einzelnen Redakteuren nicht nur um eine sachgemäße Wiedergabe der Problematik und eine saubere Exegese der Texte geht, sondern auch darum,
eigene Ansichten zur Diskussion zu stellen. Hier
und da wird es gewiss Widerspruch geben – dies
ist bewusst einkalkuliert und kann sicher auch zu
weiterführender Bearbeitung bzw. zu Diskussionen innerhalb der jeweiligen Zielgruppe führen.
Natürlich ist es die Absicht, sowohl Jugendliche
in verschiedenen Jugendgruppen und Verbänden,
als auch Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulstufen zu berücksichtigen. Allerdings
konnte bei der jeweiligen Auswahl nicht nach
Proportionen und Quantitäten entschieden werden (also keine gleiche Menge für jede Alters- und
Zielgruppe). Vielmehr wird mit dem Dargebotenen
die Hoffnung verbunden, dass es einen größeren
Entscheidungs- und Spielraum der Verwendbarkeit zulässt, z. B., was zunächst für 13-/14-Jährige
entworfen ist, mag hier auch für 11-/12-Jährige in
Frage kommen usw.
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GEGEN DEN TREND ’2004
Diese Arbeitshilfe selbst ist vorrangig für die Hand
des Gruppenleiters/der Gruppenleiterin, des
Lehrers/der Lehrerin bestimmt. Natürlich werden
auch interessierte Jugendliche Anregendes und Interessantes finden – hofft die Redaktion –, aber die
Lektüre und Bearbeitung der jeweiligen Themen
und ihrer Materialien erfordert bei aller Sorgfalt
der Bearbeitung und der Darbietung auf Seiten der
GEGEN DEN TREND ’2004
Die Aktion
12_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
›› Einmal komme ich
ganz groß raus
Einmal komme ich ganz groß raus
Wirklich super, wirklich Star?
– Oder lieber individuell
träumen?
Erwachsenen geht das anders: Ausbildung, Beruf,
Partnerschaft und Vieles mehr bestimmen die
Möglichkeiten. Nicht selten entsteht das Gefühl,
dass nicht mehr alles geht, nicht mehr alles offen
ist.
Jugendliche hingegen spielen gerne mit Möglichkeiten. Und eben auch mit der Möglichkeit, ganz
groß rauszukommen. Die Frage ist dabei: WOMIT
ganz groß rauskommen? – Hier werden sich die
Geister scheiden (s. o.).
Träume, Pläne, Wirklichkeiten
von Jugendlichen
„Deutschland sucht den Superstar (DSDS) II“
geht ins Rennen. Seit dem 3. September 2003
wird Deutschlands Superstar 2004 gesucht. Im
ersten Jahr waren rund 10.000 Kandidatinnen und
Kandidaten dabei. Nun sind es fast doppelt so
viele. Im Frühjahr 2004 ist es dann soweit. Nach
unzähligen Hintergrundberichten, Casting- und
Auswahlshows, Jury-Statements und Michelle„Ich-hatte-351-Tage-lang-keinen-Sex“-HunzikerModerationen wird feststehen, wer Deutschlands
Superstar 2004 ist.
GEGEN DEN TREND ’2004
Das Verfahren ist einfach: Die Teilnehmenden müssen möglichst gut einen Popstar mimen und wer
nicht vom Publikum gekickt wird, kommt weiter.
Wurde nicht im alten Rom auch mit dem Daumen
über das Schicksal der Gladiatoren entschieden?
Aber groß rauskommen ist nicht immer so platt
und vordergründig. Es gibt kaum Menschen, die
nicht in ihrer Jugend fasziniert waren von ihren
Träumen. Jugend ist die Lebenszeit der großen
Ideale. Traum und Realität liegen nahe beieinander, die Lebensmöglichkeiten stehen (scheinbar
jeder/jedem) offen, kaum etwas ist wirklich festgelegt.
14_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Im Internet gibt es seit einiger Zeit Lyrikseiten,
wo Jugendliche ihr Lebensgefühl ausdrücken,
ihre Lebenswirklichkeit beschreiben können. Hier
kann man lesen, wovon sie träumen, worauf sie
hoffen.
Stärker als zuvor
Lange Zeit war ich am Boden,
viel zu lange war ich schwach.
Doch nun spür ich plötzlich etwas,
eine Kraft wird in mir wach.
Und nun werd ich wieder kämpfen,
ich reiß die Mauern um mich ein.
Ich spreng die Ketten meiner Seele,
niemals mehr mach ich mich klein.
Plötzlich hab ich keine Angst mehr,
ich lern wieder aufzustehn.
Ich vergess die schweren Zeiten,
werd nur noch nach vorne sehn.
All die Tränen werden trocknen,
all der Schmerz wird bald vergehn.
Und die Narben werden heilen,
ich werd dem Glück entgegensehn.
Einmal komme ich ganz groß raus
Ich fang wieder an zu leben,
weiß, dass ich nicht mehr verlier.
Und ich werde wieder lachen,
ich lass den Schmerz weit hinter mir.
Dann werden alle auf mich schauen,
und sie sehen, wie stark ich bin.
Ich glaub wieder an mich selber,
weiß genau, ich fall nicht mehr hin.
© Kitty-Blue 2002-2003
Quelle: http://www.lyrik.net
Hoffnung des Lebens
Das Leben
eine Ansammlung
aneinander gereihter Geschehnisse
Ein Wirrwarr von Emotion und Gefühlen
den der Mensch nie ganz zu ordnen weiß
Ein Wechselbad zwischen
Leid und Freude
Hin und her gerissen
zwischen Leidenschaft und Pflicht
Immer versuchend den richtgen Weg zu gehn
doch oftmals scheiternd
am Unverständnis der Umgebung
Auch häufig zu schnell aufgebend
und viel zu oft der Verzweiflung nahe
Doch niemals ohne Hoffnung...
© Jacintha 2002-2003
Quelle: http://www.lyrik.net
ist alles offen...
bis hin zur wendung...
© cangoroo 2002-2003
Quelle: http://www.lyrik.net
Meine Welt
Manchmal möchte ich fliehen
Fliehen in eine andere Welt
Eine bessere Welt
Doch diese ist nur ein Traum
Ein phantastischer Traum
Idealbild eines Lebens
Meines Lebens
Diese Welt ist nicht real
Wird es nie sein
Doch meine Vorstellungskraft
hält mich am Leben
© Jacintha 2002-2003
Quelle: http://www.lyrik.net
aufbruch
wer
hat schon den mut
aus dem tal
in die glückseligkeit
des gipfels zu rufen?
wir aber
haben aufgehört mit rufen,
wir sind
auf dem weg.
hoff - ist klar...
und was ist nung...?
wohl nur die endung...
doch bei hoffen...
Stephan Cibulka
Quelle: http://www.e-stories.de/gedichtelesen.phtml?8452
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_15
GEGEN DEN TREND ’2004
...HOFFNUNG...
Einmal komme ich ganz groß raus
„Lebe deinen Traum!“ –
Die Wirklichkeit ist,
was ich denke
Lebensträume und Phantasien von der eigenen
Zukunft sind ein Spiel mit den Möglichkeiten des
Lebens. Sie sind ein Spiel mit Rollen, mit den
eigenen Potentialen, mit den Eigenarten der eigenen Person. Sie eröffnen Lebensräume, weil sie in
Spielräumen die mögliche Wirklichkeit vorwegnehmen und sie auf diese Weise „denkbarer“ machen.
Ganz wie der unter Jugendlichen beliebte Spruch
„Träume nicht dein Leben – lebe deinen Traum“,
der sich von der Phantasie hin
zur Wirklichkeit bewegt.
GEGEN DEN TREND ’2004
Für die Gestaltung von Lernprozessen mit Jugendlichen ist es produktiv, von
den Voraussetzungen
des Konstruktivismus
auszugehen. Stark
verkürzt ausgedrückt
ist dieses der Gedanke:
Es gibt keine objektive
Wirklichkeit, „sondern nur
Konstruktionen »erzeugter
Wirklichkeiten«, die sich die
Menschen in ihren Köpfen
zusammenbasteln“ (B. Heckmair, Konstruktiv lernen, S. 8).
Wohlgemerkt: Es geht darum,
sich die eigene Wirklichkeit zusammenzubasteln.
Jede/r kann nur den eigenen Traum träumen, jede/
r darf seine eigene Wirklichkeit „zusammenzimmern“, weil er/sie eine persönliche Wahrnehmung
der Wirklichkeit hat. Die Medien und insbesondere
Fernsehshows wie DSDS bieten demgegenüber
eine Art „Wirklichkeit aus zweiter Hand“. Sie versuchen pauschal zu definieren, wie Leben sinnvoll
und erfolgreich wird.
16_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Demgegenüber wird es darum gehen, Jugendlichen zu helfen, Subjekt ihrer eigenen Wirklichkeitsschreibung zu werden, vor dem Hintergrund
ihrer Möglichkeiten und Ideen und im Gespräch
mit ihrem Umfeld. Die bewusste Konstruktion der
eigenen Wirklichkeit entlarvt die Funktion von
Ersatzwirklichkeiten als Masche und kann zeigen,
dass der selbstverantwortete Weg der tragfähigere ist (selbst dann, wenn er – verantwortet – der
Weg zum Superstar ist). Über die Konstruktion der
– jetzt – eigenen Wirklichkeit kann der Weg hinausgehen in die Zukunft. Was erscheint im Hinblick
auf die eigene Zukunft wirklich, was unwirklich?
Die Chance diesen Weg in einer Gruppe zu gehen
ist, dass die eigene Wirklichkeit mit der anderer
vermittelt wird und so ein gewisses Maß an Intersubjektivität entsteht. Das heißt, ein allzu großer
Realitätsverlust wird vermieden. Wichtig ist dabei,
dass eventuelle „Erdungen“ durch die Gruppe
nicht defizit- sondern potentialorientiert geschehen.
Das Spiel mit den eigenen Möglichkeiten und die
Rückmeldung anderer Jugendlicher, die wertschätzend die Potentiale der Person aufgreifen, kann
dazu verhelfen, Zukunftsgestaltung und Veränderungsprozesse im eigenen Leben nicht mit Angst,
sondern mit Neugier und Vertrauen anzugehen.
Die Story erzählen –
konstruktiver Umgang mit
der eigenen (potentiellen)
Biografie
„Mit »Stories« kann etwas ausgedrückt werden,
wofür andere Idiome ungeeignet wären. Vor allem
kann durch »Stories« die Identität eines Einzelnen
oder einer Gruppe artikuliert werden. (...) Wenn ich
sagen soll, wer ich bin, so erzähle ich am besten
meine Story. Jeder von uns hat seine unverwechselbare Story, jeder ist seine Story. Wenn einer nur
Einmal komme ich ganz groß raus
das ist, was andere über ihn sagen, ohne selbst
seine Story erzählen zu können, so ist er nicht reif,
nicht erwachsen; wenn er in konflikthaften Stories lebt, seine Story nicht akzeptieren kann, so
braucht er Hilfe, Therapie. Ein Mensch ist das, was
man zu und über ihn sagt und was er selbst über
sich erzählen kann und was er daraus mit seinem
Leben macht.“
(D. Ritschl, Zur Logik der Theologie, München
1984)
Dietrich Ritschl versteht die jüdisch-christliche
Tradition als Erzählgemeinschaft, in der Menschen ihre eigene Stories mit denen der biblischen
Überlieferung verweben. Indem sie die eigenen
Geschichten mit denen der Überlieferung erzählen
flechten sie sich ein in den großen Teppich von
Geschichten und erfahren darin sowohl Halt für ihr
Leben, als auch Sinn (z. B. als Teil größerer Muster), können aber genauso auch durch Nacherzählen Handlungsalternativen und Möglichkeiten für
sich erschließen.
Strukturell besteht hier sicher eine gewisse Nähe
zum Konstruktivismus in dem Sinne, dass Wirklichkeit beim Erzählen entsteht. Die biblische
Überlieferung stellt dabei einen Deutungsschatz
dar, der weit über das hinausgeht, was im unmittelbaren Umfeld jedem Menschen zur Verfügung
steht. Darüber hinaus reizt die Widerständigkeit
und zuweilen fremde Wirklichkeit biblischer Texte
zu konstruktiven Wagnissen. Sie sind Impulse, die
eigene Wirklichkeit zu rekonstruieren. Sie sind
Impulse, sich neue Wirklichkeiten für die Zukunft
des eigenen Lebens zu erschließen.
Einstieg ins Thema: Konstruktivismus verstehen
„Die Landkarte ist nicht das Gebiet“ – Wenn mehrere Menschen ein bestimmtes Gebiet oder einen
Diese Beobachtung reizt zum Selbstversuch.
Anhand einer Weg- oder auch Situationsbeschreibung kann die Erfahrung gemacht werden, wie
unterschiedlich Menschen wahrnehmen und
(re)konstruieren.
In der Übertragung gilt dies dann natürlich auch
für Personen. Sie sind als Anschauungsbeispiel
allerdings weniger geeignet, weil in der Regel die
geringere Distanz als Hemmschwelle wirkt, die
eigene Wirklichkeitssicht auch wirklich offenzulegen.
Zukunft konstruieren: Meine Träume und Visionen
ausdrücken – Anderen einen Einblick in meine
Wirklichkeit gewähren
1. Schritt: Die Jugendlichen bekommen unter
dem Thema „So sehe ich mich, wenn ich 40 bin“
oder zugespitzt auf die Erfolgsthematik „Einmal
komme ich ganz groß raus“ die Aufgabe, ihre
Vorstellungen, d. h. ihre gegenwärtige Wirklichkeitskonstruktion darzustellen. Je nach Alter
der Jugendlichen kann das mit verschiedenen
Techniken geschehen (z. B. Bilder malen, Symbole
kneten, Collagen erstellen). Wichtig ist nur, dass
die Ausdrucksform bildlich ist bzw. bildhaft ist.
2. Schritt: Eine Vernissage der entstandenen
Werke wird durchgeführt. Im Rahmen dieser
Vernissage hat die Gruppe die Möglichkeit, die
Bilder zu betrachten und ihre Wahrnehmungen
zu benennen. Der Schöpfer/die Schöpferin des
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_17
GEGEN DEN TREND ’2004
Mit der Idee des
Konstruktivismus spielen
Weg darin beschreiben, werden die Ergebnisse mit
hoher Wahrscheinlichkeit unterschiedlich aussehen. Unterschiedliche Wegmarken werden als
relevant oder markant angesehen, je nach Person und Erfahrungsschatz. Eine/r wird eher nach
Landschaftsmarken wie Bäumen, Bergen, Bächen
beschreiben, die/der Andere nennt beispielsweise
Tankstellen, Ampeln oder Werbetafeln als Orientierungspunkte.
Einmal komme ich ganz groß raus
Werkes hört während dieser Phase nur zu. Hilfreich ist dabei, wenn diese Phase als „Tratschen“
eingeführt wird, d. h. die/der Betroffene hat die
Gelegenheit zu lauschen, was andere über die
Sache sagen. Das ist gerade deshalb so attraktiv,
weil es diese Gelegenheit im „richtigen Leben“
nicht gibt.
3. Schritt: Die Schöpferin/der Schöpfer des
Werkes hat im Anschluss an die „Tratsch“-Phase
die Gelegenheit, sich selbst abschließend zu
äußern.
Mit Stories spielen: Eine Geschichte ist wie Klamotten, die ich anprobieren kann.
Die Bibel ist voll von Erzählungen über Helden und
große Gestalten: Mose, der mit dem Volk durchs
Schilfmeer zieht; Elia, der mit dem Baalspriester
einen Opferwettstreit ausfechtet; Petrus, der mal
als Versager, mal als Chef der jungen Christenheit
auftritt.
All' diesen Personen ist gemeinsam, dass sie große Höhepunkte erleben und bis heute durch die
Geschichten, die von ihnen erzählt werden, groß
rauskommen (Natürlich kann man auch theologisch zurückhaltender sagen: Gott kommt, indem
er sie in Dienst nimmt, groß raus.).
GEGEN DEN TREND ’2004
Ihre Stories bieten sich als Mantel für eigene
Geschichten an. Sie können dazu anregen, sie als
Geschichte des eigenen Lebens zu erzählen, d. h.
als Ich-Erzähler aus der Ich-Perspektive.
Im Prozess des Schreibens oder auch Nachspielens werden Stärken und Defizite der Person,
aber auch die mit dem „groß rauskommen“ verbundenen Gefühl erfahrbar und sichtbar. Indem
die eigenen Gefühle der historischen Person
als Trägerfigur beigelegt werden, können sie
ohne Probleme in der Gruppe diskutiert werden.
18_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Zum Beispiel:
Petrus (nach Apg 15)
„Die Situation war heikel. Im Grunde war ich ja
seinerzeit quasi offiziell vom Chef eingesetzt worden. „Auf dich will ich meine Kirche bauen“, hatte
er gesagt und ich hatte mich breitschlagen lassen.
Die anderen waren zum Teil ganz schön froh, dass
es an mir hängengeblieben war. Und ehrlich gesagt: Stolz war ich schon, auch wenn ich mir nicht
ganz sicher bin, wie er damals eigentlich ausgerechnet auf mich kam.
Alles hatte sich dann ganz gut angelassen.
Ich wurde sicherer in meinem Job und die Leitung
der Jerusalemer Gemeinde und unserer Filialgemeinden in der Umgebung klappte ganz gut.
Wir hatten unseren Laden im Griff. Tja, bis dann
vor ein paar Jahren dieser Paulus auftauchte. Er
begann wie wild unter den Ungläubigen zu missionieren und machte eine Gemeinde nach der anderen auf, „im Dialog mit euch“, wie er sagte. Aber
wenn ihr mich fragt, der reinste Wildwuchs. Der
wollte doch nur groß rauskommen. Als es dann
zum Schlagabtausch in Jerusalem kam, war ich
fest entschlossen, nun endlich unsere Ansprüche
durchzusetzen...“
Weiterführende
Fragestellungen
Interessant im Sinne eines medienkritischen
Ansatzes wäre es sicherlich, DSDS I auf die zu
Grunde liegende Wirklichkeitskonstruktion hin zu
befragen. An der Person von Daniel Küblböck ließe
sich untersuchen, wer dessen Leben konstruiert
und welche Elemente dieser Konstruktion eindeutig Fiktion der Werbemaschine sind. Ob Daniel
Küblböck sich noch als Subjekt seiner eigenen
Story empfindet? Kann er seine Geschichte erzählen oder spricht er nach, was ihm vorgesprochen
wird?
Einmal komme ich ganz groß raus
Materialien/Literatur
• Dietrich Ritschl, Zur Logik der Theologie, München 1984.
• Paul Watzlawick, Die erfundene Wirklichkeit, 16.
Aufl. München 2003.
• B. Heckmair, Konstruktiv lernen, Beltz-Verlag,
2000.
Christian Ceconi
GEGEN DEN TREND ’2004
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_19
Einmal komme ich ganz groß raus
„Expo-Yourself“ - ein PraxisProjekt zum Thema „Casting“
Hintergrund des Casting-Projektes „Wie alles begann...“
Ein Begriff geht seit nunmehr über fünfzehn Jahren
durch die Medienlandschaft: „Casting“. Ein Begriff der im Duden einfach mit „Rollenbesetzung“
erklärt wird. Das englische Wort kommt ursprünglich aus dem technischen Bereich und bedeutet „Gussteil“ oder auch „gießen“. In unserem
Sprachraum verstehen wir darunter das Vorsprechen, z. B. für die Teilnahme an Game-Shows oder
Ähnlichem.
bewundert zu werden, Anerkennung zu erhalten
und dadurch etwas Besonderes zu sein.
Die hohe BewerberInnenzahl bei den CastingShows und -Aktionen spielt genau mit den Gefühlen und Emotionen der Jugendlichen, ihre Träume
auch leben zu wollen.
Die Evangelische Jugend im Sprengel Ostfriesland
überlegte sich im Jahre 1999, welches Projekt sie
beim „Youth Camp“ in Hildesheim anlässlich der
Expo 2000 in Hannover und beim Ostfriesischen
Kirchentag in Esens konzipieren sollte.
Im Fernsehen liefen noch nicht die „SuperstarFolgen“, aber es gab sehr viele sog. Daily-Soaps.
Seit 1992 lief der „Marienhof“ (ARD) und „Gute
Zeiten schlechte Zeiten“, hinzu kam 1994 „Verbotene Liebe“ (diese Liste ließe sich noch erweitern).
GEGEN DEN TREND ’2004
Um „SchauspielerInnen“ für solche Daily-Soaps zu
gewinnen, wurden Castings veranstaltet. Auch in
kleineren Städten Ostfrieslands gab es solche Veranstaltungen. Häufig fanden diese in Autohäusern
oder auch in größeren Supermärkten statt.
Im letzten Jahr, mit dem großen Erfolg von
„Deutschland sucht den Superstar (DSDS)“/RTL)
und zahllosen weiteren vergleichbaren Showformaten („Popstars“/Pro Sieben, „Fame Academy“/
RTL2 „Deutsche Stimme“/ZDF, „Star Search“/
Sat1, um nur einige zu nennen), ist „Casting“ im
Wortschatz von Teenagern ein fester Begriff. Fast
jede/r Jugendliche wird sich zum Thema „Casting“
seine Gedanken machen und sich vielleicht sogar
überlegen, an einem solchen teilzunehmen.
Ursprünglich geht es darum, dass Menschen davon träumen „groß rauszukommen“, etwas vermeintlich Großes zu leisten und dafür von anderen
20_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Anfang 2000 erreichte diese „Casting-Welle“
ihren vorläufigen Höhepunkt. Im März 2000 startete RTL 2 die neue TV-Show „Big Brother“ (eine
Real-Life-Seifenoper). Zehn Kandidaten haben
100 Tage lang in einem Wohncontainer bei Köln
zusammengelebt. Dabei wurden sie von 28 Kameras und 60 Mikrofonen nahezu rund um die Uhr
überwacht.
Alle zwei Wochen musste ein/e Kandidat/in
gehen, aus den am Ende verbliebenen drei
TeilnehmerInnen sollten die Zuschauer eine/n
Siegerin/Sieger küren. Die Gewinnerprämie lag
bei 250.000 Mark. TV-Produzent „de Mol“ war
stolz darauf, „dass es keinen Winkel gibt, der nicht
überwacht wird“.
Einmal komme ich ganz groß raus
Die zehn KandidatInnen wurden aus über 10.000
BewerberInnen gewählt, die durch Castings ermittelt wurden. Die Serie „Big Brother“ polarisierte.
Der Journalist und Fernsehautor Wolfgang Menge
bezeichnete „Big Brother“ als „schwachsinnig und
verantwortungslos“. Kurt Beckstein (Ministerpräsident von Baden Württemberg und medienpolitischer Sprecher der SPD erwog sogar, politische
Bemühungen anzustreben, um die Serie zu verbieten (siehe Spiegel 3/2000). Psychologen warnten
vor den psychischen Gefahren der Sendung.
Durch folgende Schritte haben wir uns dem Thema
genähert:
Wir haben überregional Jugendliche eingeladen,
mit uns gemeinsam an einem Projekt zum Thema
„Casting“ zu arbeiten. Die inhaltliche Auseinandersetzung und Hinführung haben wir an drei
Wochenenden durchgeführt.
Zu Beginn haben wir einen Dokumentarfilm gesehen, der schildert, wie ein „Casting“ real funktioniert und abläuft. Kommentare der Jugendlichen
zu diesem Filmbeitrag und ihre eigenen Einschätzungen, Erfahrungen und Meinungen wurden
zusammengetragen und schriftlich festgehalten.
Es folgte die uns wichtige...
...Theologische Auseinandersetzung - „Menschenbild in der
Bibel und Medien“.
Diese geschah durch eine ausführliche Bibelarbeit,
in der es um das Menschenbild in der Bibel ging.
Diese Bibelarbeit ist im Folgenden aufgeführt.
Einstieg in das Projekt „Nun aber wirklich...“
Als Evangelischer Jugendverband wollten wir uns
dieser Thematik stellen und uns damit auseinandersetzen. Dabei hatten wir zwei Ziele: Erstens
einen christlich begründeten Standpunkt zu formulieren und gemeinsam zu erarbeiten sowie
gleichzeitig das Thema in eine Aktion einbinden,
die Jugendliche motiviert, sich mit dem Thema
„Casting“ auseinanderzusetzen.
1. Lesen von 1. Mose 3 : 1-7
Jede/r bekommt den kopierten Text.
Fragen zum Text:
• Was dachte die Schlange?
• Was wollte die Schlange?
In einer stillen Meditation die Gedanken dazu
aufschreiben.
2. Grundthesen zu diesem Abschnitt:
I. Die Geschichte erzählt nicht von „damals“ oder
„einmal“ sondern von einem „immer“. Der
Mensch tritt als freies Wesen auf. Dies wiederTRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_21
GEGEN DEN TREND ’2004
Es kann nicht Ziel sein, Castings zu verteufeln oder
gar zu verbieten, vielmehr soll dazu ermuntert
werden, sich kritisch mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dabei war uns klar, dass der Spaß
und Reiz, sich an solchen Castings zu beteiligen,
sehr groß ist. Diesen Aspekt haben wir schließlich
genutzt um unser Projekt erfolgreich durchzuführen.
Bibelarbeit zum Thema
„Menschenbild und Medien“
Einmal komme ich ganz groß raus
holt sich entwicklungspsychologisch gesehen
in jeder individuellen Lebensgeschichte.
II. Mit dieser Mündigkeit ist die Menschheit als
Ganzes und der Einzelne konfrontiert! Dem
muss sich jeder Mensch stellen.
III. Aus diesem Dilemma erwächst letztlich Ethik
und Moral.
3. Ethik- und Moraldebatte
I. Was bedeutet Ethik und Moral?
Ethik kommt aus dem Griechischen und hat zwei
Bedeutungen:
• Gewohnheit, Sitte, Brauch
• Charakter
Der Ethos-Begriff ist also stärker auf das Individuum bezogen (z. B. Berufsethos), der Moralbegriff
eher auf allgemeine Normen und Sitten (für gut
befundene Handlungserwartungen).
GEGEN DEN TREND ’2004
II. Ethik bei Kant:
Der „Kantsche Imperativ“ (vereinfacht): „Was Du
nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem
anderen zu!“
Bezogen auf Forschung/Wissenschaft und Mitarbeit in den Medien müsste der Satz lauten:
22_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
„Kein Experiment, keine Forschung mit und am
Menschen (einschließlich des ungeborenen Menschen), keine Fernseh-Show, kein Casting sollte erwogen werden, dem der Versuchleiter/Produzent
nicht auch seine nächsten Angehörigen, seine
Freunde oder sich selbst unterziehen würde!“
4. Diskussion über die Grenzbereiche
in Kleingruppen
• Beispiel „Big Brother“ oder aktuell „Deutschland sucht den Superstar“, „Fame Acadamy“
etc..
• Wo werden Grenzen überschritten?
• Auswertung in Großgruppe vorstellen.
5. Konsequenzen aus den Ergebnissen für unser
Casting festhalten
• Christliches Menschenbild: Doppelgebot der
Liebe (Matth 5.43/44): „Liebe Deinen Nächsten
wie dich selbst...“
• Übertragen der Konsequenzen auf das konkrete
Projekt.
Bei einem Casting müsste also schon die Frage
gestellt werden, was eigentlich passiert, wenn
man beim Casting durchfällt... Wie ergeht es je-
Einmal komme ich ganz groß raus
mandem, der von Dieter Bohlen heftig und derbe
kritisiert wurde? Was ist, wenn ich weiterkomme,
habe ich dann etwas erreicht, auf das ich stolz sein
kann? Wie lange wird dieser Erfolg anhalten? (Die
Siegerin der ersten Staffel von „Big Brother“ war
Alida Kurass, wer kann sich an den Namen überhaupt noch erinnern?)
Sucht man im Internet unter dem Begriff „Casting“, erhält man eine unüberschaubare Masse
von Casting-Agenturen, Casting-Trainern und
Seminarangeboten und Berichten von Menschen
die durch das Casting berühmt geworden sind. Ein
Thema, zu dem es sich zu arbeiten lohnt.
Als Weiterführung dieser inhaltlichen Vorarbeit haben wir gemeinsam mit Jugendlichen das Projekt
„Expo Yourself“ entwickelt. In dem eigens dafür
geschaffenen Logo ist das XP bei EXPO eigentlich
das griechische CHI und RO, was als Initialen für
CHRISTOS steht!
Das Projekt kann in den Grundzügen so beschrieben werden:
Ein großes Team MitarbeiterInnen schlüpft in die
Rolle eines CASTING-TEAMS für die erdachte Vorabendserie „Youthpark - Die frommen Chaoten aus
der Heinzelstrasse“.
Das Team schleust Teilnehmende in der Innenstadt
durch die einzelnen Stationen ihres „Vor-Ort-aufder-Straße-Castings“ und tut so, als würde es
sich dabei um ein echtes Casting handeln. Parallel dazu befinden sich an allen Stationen des
Castings deutlich sichtbar angebrachte Plakate,
auf denen als Contrapunkt zu dem Geschehen
kritische Kommentare zu lesen sind. Die vermeintlichen MitarbeiterInnen der Casting Agentur gehen
darauf nicht ein, die TeilnehmerInnen (TN) sollen
diese Texte aber dennoch zur Kenntnis nehmen
und bewusst irritiert werden. TN und MitarbeiterInnen entlassen sich an der letzten Station (der
AUSWERTUNG) aus ihren Rollen und reflektieren
anschließend gemeinsam das soeben Erlebte.
Die Stationen und das jeweilige Setting sind im
Folgenden aufgeführt:
(S. Tabelle „EXPO YOURSELF“)
Matthias Conrad, Klaas Grensemann
GEGEN DEN TREND ’2004
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_23
Einmal komme ich ganz groß raus
GEGEN DEN TREND ’2004
Projektbeschreibung „Expo Yourself (Das Casting-Projekt)“
Station
Inhalt
Begrüßung
An dieser wichtigen Station wird der Grundstock für das Gelingen des „gespielten“ Castings gelegt, auf dem
aufgebaut werden kann. Die angeworbenen TeilnehmerInnen müssen hier „heiß“ gemacht werden, für das, was
kommt. Dabei wird der technische Ablauf kurz umrissen, d. h. im Rahmen eines „Redeschwalls“ des „Openers“
wird vermittelt, was von den TN erwartet wird und welche Stationen in welcher Reihenfolge durchlaufen werden
sollen. Es wird besonders auf die Info-Tafeln hingewiesen, die an jeder Station zu finden sind. Die TN vermuten
nun natürlich, dass es sich dabei um Infos für das Casting „technischer Art“ handelt, dabei sind mit den InfoTafeln provokante Texte und dazu passende Bibelstellen gemeint, die den TN im Geschehen bewusst verwirren
sollen.
Fragebogen
An dieser Station warten einige (ebenfalls „coole“) MitarbeiterInnen auf die Beantwortung einiger Fragen, die
bewusst auch auf einige sehr persönliche Bereiche abzielen. Der Schnelligkeit zuliebe gibt es auch Fragen, die
nur mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden müssen und entsprechend abgehakt werden. An dieser Station
sollen die TN merken, dass sie eine Nummer unter vielen sind und nur Standards abgefragt werden. Es geht
nicht um das Kennen lernen einer Person, sondern um eine sehr oberflächliche Typisierung!
Maske
Hier ist ein wenig „Materialschlacht“ wichtig! Mindestens drei Plätze an Tisch und Spiegel mit MaskenbildnerInnen, Utensilien wie Schminke, Teintschminke, Pinsel, Schwämme, Haarspray und Bürste werden benötigt. Alle
TN werden ungefragt geschminkt. Ziel dabei ist, dass für das folgende Foto-Shooting niemand „glänzt“, also
z. B. das Gesicht gepudert wird und die Lippen etwas übertrieben rot geschminkt werden, um voller zu wirken
sollen, da Sepia- oder S/W-Fotos gemacht werden.
Foto-Shooting
Mit einer Digitalkamera auf Stativ werden die TN einzeln fotografiert. Sie werden zunächst, wie wenn man Passbilder macht, fotografiert. Dieses Foto wird dann auch ausgedruckt und mit zum Laufzettel gegeben. Danach
kommen zwei bis vier Aufnahmen, wo die TN aufgefordert werden, „ein bisschen mehr aus sich rauszukommen“: „Nun lächele mal nicht so verhalten... Oh, es wäre besser, wenn du deinen Kopf etwas anhebst, damit
dein Doppelkinn nicht zu Geltung kommt.“ Geschäftige Hektik und der Eindruck, dass mit den Fotos bestimmte
Eigenschaften „eingefangen“ werden sollen, die den TN aber nicht wirklich mitgeteilt werden.
Spontan Rollenspiel
Für das Spontan-Rollenspiel sind zwei oder drei kurze Szenen vorbereitet... Jeweils zwei oder auch drei TN
sollen anhand der Kärtchen in aller Kürze ein oder zwei Sätze TEXT auswendig lernen und nach kurzen Anweisungen eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin „spielen“. Die Spielszenen werden vermeintlich aufgezeichnet,
d.h. eine Videokamera überträgt die Bilder direkt auf einen Bildschirm für die „Regie“ und auf einen Bildschirm
im „Auswertungsbereich“, also an der letzten Station.
Fernsehansage
An dieser Station ist die Kulisse eines Fernsehstudios für die Programmansage aufgebaut. Die TN erhalten
einen originalgetreuen ANSAGETEXT für die Ansage einer Dokumentarreihe oder eines Films... Ein Computerbildschirm unter der Kamera ersetzt den Teleprompter ... bitte bei allen Stationen keine Nonsenstexte etc.
verwenden, sondern in allen Dingen ernsthaft und seriös arbeiten.
Auswertung
DIE AUSWERTUNG IST DAS EIGENTLICHE KERNSTÜCK des CASTING-PROJEKTES! Hier werden die TN nochmals
herzlich begrüßt und TEAM und TN steigen aus ihren ROLLEN (Herzlich Willkommen. „Toll, dass ihr bei unserem
CASTING-ROLLENSPIEL mitgemacht habt! Wir sind natürlich keine echte Casting-Agentur, aber wollten euch die
Möglichkeit geben, in einem geschützten Rahmen mal ein Casting zu erleben. Ihr habt verschiedene Stationen
erlebt: Fragebogen, Maske, Foto-Shooting, Spielszene, Fernsehansage. Das alles ist nun vorbei und wir sind
jetzt auch wieder Jugendliche der Evangelischen Jugend. Bevor ihr geht, möchten wir euch bitten mit uns euer
Casting-Erlebnis auszuwerten. Dazu haben wir hier Stellwände aufgebaut, an denen Fragen beantwortet werden sollen. Ihr köönt euch für die Auswertung Zeit lassen, auch könnt ihr euch hier abschminken, falls ihr das
wünscht …" So in etwa sollte der Text lauten, mit dem die TN nach dem Casting-Durchgang empfangen werden.
Grundsätzliches zum
Abschluss als Text auf
großem Plakat, oder
in Gruppen von einem
Mitarbeiter/einer
Mitarbeiter vorzulesen!
Wir als Evangelische Jugend haben dieses Casting-Rollenspiel entwickelt, um dir die Möglichkeit zu geben,
in einer Zeit, wo Casting-Shows und Talentwettbewerbe tagtäglich über den Bildschirm flimmern, in einem
geschützten Rahmen „anzuschmecken“. Wir wollen echte Castings dadurch nicht schlecht machen oder gar
verteufeln. Uns ist wichtig, allen TN weiterzugeben, dass wir es wichtig finden, sich nicht durch Casting-Shows
oder Ähnliches einschüchtern zu lassen. Nicht jeder Mensch kann ein Superstar werden, kann gleichzeitig
singen, tanzen, schauspielern etc. oder hat ein sog. „Fernsehgesicht“. Jeder Mensch ist gewolltes und wert-
Schatzkiste
In dieser Schatzkiste, eine große, edle Kiste, ist ein großer Spiegel und der Satz: „Du bist mein Schatz! Ich habe
24_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Einmal komme ich ganz groß raus
Materialien/Setting
Stumme Kommentare
Anzahl Mitarbeiter/innen
Der „Opener“ ist ein wenig „flippig“ und cool gekleidet. Er trägt, wie alle
MitarbeiterInnen des Casting-Teams eine Backstage-Karte in Folie am Schlüsselband, liest seinen Text teilweise von Kärtchen ab. Er ist freundlich und
gewinnend, er motiviert und nimmt den TN mögliche Ängste durch coole
Sprüche. Er verteilt auch Laufzettel für das Casting an alle TN.
Rolle des/der „Opener“
dreifach besetzt.
Fragebogen, Stifte, Laufzettel abhaken, Personen weiterleiten
DU entscheidest, wie viel
du von Dir preisgibst... ein
Fragebogen ist geduldig...
bist Du es auch?...
Drei bis vier Personen
Die MaskenbildnerInnen sind fröhlich und freundlich, machen jedem (!!!)
Komplimente, lassen dabei aber auch - hübsch verpackt - einige Gemeinheiten
los wie z.B. „Du hast tolle Haare, aber sie wirken etwas glanzlos..., das könnte
an deiner Ernährung liegen...“ Unterschwellig wird den TN deutlich gemacht,
dass es superwichtig ist, das eigene Aussehen den Fernseh-Standards anzupassen...
„ ...und siehe, alles (= auch
der Mensch) war sehr gut...“,
so heißt es in der Schöpfungsgeschichte. Du bist
SCHÖN, so wie du bist...
vergiss das NIE!
3 Personen
Zwei Personen: Der oder die engagierte Fotografin und ein/e oder ein Assistent/in
„wuseln“ umher, pudern die Nase der TN nach, hantieren mit Licht, sind sehr
freundlich und aufmunternd, aber unterschwellig ist diese „Aufmerksamkeit“
nur von kurzer Dauer... Die „Ecke“ oder der Raum für das Foto-Shooting ist
wie im Fotostudio eingerichtet. Ein oder zwei MitarbeiterInnen sitzen an der
Ausdruck-Station, die Passbilder werden in Größe 10 x 15 ausgedruckt (für die
Digitalkamera ist also auch ein zweiter oder dritter Speicherchip erforderlich).
Du bist ein Mensch, so voller
Farben und du hast viele Gesichter. Hier wird nur EIN Foto
von dir gemacht, eine Momentaufnahme, die DU sein sollst?
Nur ein Foto kann DICH als
Person dokumentieren? Na
ja, wenn du meinst...
3 Personen
An dieser Station geht es zu wie beim Film... die Darsteller werden kurz eingewiesen, jemand ruft „RUHE BITTE, KAMERA AB, TON AB, UND BITTE...“ Für die Spielszenen (immer die gleichen drei Sequenzen) ist eine kleine Kulisse aufgebaut
(z. B. eine Küchenszene, Dialog/Streit zwischen Mann und Frau oder Ähnliches).
Auch der Umgang mit Requisiten (z. B. Teetassen) sollte von den TN erwartet werden.
JA, Spiele, lass alles raus,
lass dich umherschicken,
schlüpf ein eine andere
Haut... aber spiele bewusst!,
d.h. lass dich nicht spielen...
4 Personen
Kulisse für die Ansage... Ansagetext schriftlich und auf Teleprompter, Kamera
auf Stativ, Beleuchtung...
Rede dich um Kopf und Kragen.
Eine Ansage beim Fernsehen
ist wichtig. Aber was hast du
WIRKLICH ZU SAGEN? Was ist
DEINE Botschaft für die Welt
„da draußen“?
3 Personen
Im AUSWERTUNGSBEREICH geht es um die REFLEXION des Erlebten. Genügend MitarbeiterInnen sollten sich hier der TN annehmen und etwas zu
Trinken oder Knabbern anbieten. Dabei lässt sich hervorragend fragen: „Wie
hat dir das Casting gefallen? Hast du die Plakate mit den „unbequemen“
Fragen bemerkt? Wie ging es dir mit diesen Fragen in deiner Rolle als CastingTeilnehmerIn?“
5 Personen
dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_25
GEGEN DEN TREND ’2004
volles Geschöpf Gottes. Gott hat uns geschaffen und angenommen, so wie wir sind. Diese Liebe gilt, auch wenn ich kein „Superstar“ bin
oder werden kann. Wir wollen dir diese Zusage mit auf den Weg geben: Du bist ein Schatz Gottes! Kein Casting der Welt, weder Engel noch
Gewalten oder andere Mächte können die von Gottes Liebe trennen! (siehe Römerbrief Kapitel 8). Wir bitten dich, das nie zu vergessen. Wir
als Evangelische Jugend stehen in unserem Tun dafür, dass diese Zusage gilt. Nun laden wir Dich noch ein, bevor du weitergehst, in Gottes
Schatzkiste zu schauen und diesen Zuspruch als Kärtchen für deine Brieftasche mitzunehmen.
Einmal komme ich ganz groß raus
GEGEN DEN TREND ’2004
Manchmal, Gott
Wenn ich von dem besonderen Tag
Träume,
An dem ich
Einmal auf der
Bühne stehe
Ein ganz
Großes Licht bin
Und hervorstrahle
Aus allen Lichtern
Ganz groß rauskomme
Und spüre
Wie besonders ich
Bin
Dann kommt mir
Der Gedanke
Dass dieser
Traum schon
Lange
Wirklichkeit wurde
An dem Tag
Als du mich
Gemacht hast
Und Tränen
Der Freude
Über meine Geburt
Von Deinem Kreuz
In die Erde fielen
So geliebt
Zu werden
Kann
Kein
Mensch
Im
Irdischen Rampenlicht
Je erfahren
Wie liebst
Du mich
Wie lieb
Ich
Dich,
Gott
Klaas Grensemann
26_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
›› Ich bin ein Unikat,
aber noch nicht fertig!
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Ich bin ein Unikat
„I am what I am“
„I am what I am...”, so lautet ein bekannter Song
von Gloria Gaynor aus dem Jahr 1983, der im September 2002 von dem Modell Karen Mulder neu
aufgelegt wurde. Dort heißt es u. a.: „Life’s not
worth a dam ‘till you can shout out I am what I am”
– das Leben ist nichts wert, wenn du nicht sagen
kannst: Ich bin was ich bin.
Können Jugendliche diesen vollmundigen Satz
„I am what I am“ einfach so für sich nachsprechen? Fernsehserien (z. B. GZSZ), Jugendzeitschriften und Casting-Shows zeigen Bilder von
erfolgreichen, hippen Jugendlichen und setzen
damit Trends.Wie fühlen sich junge Menschen,
die diesem Trend, dieser Typisierung von Jugendlichen nicht entsprechen? Junge Menschen, die
Figurprobleme haben, die nicht immer die neuesten und angesagtesten Markenklamotten tragen
können, die in computertechnischer Hinsicht nicht
auf aktuellstem Stand sein können? Briefe an das
„Dr. Sommer-Team“ und Nachmittags-Talk-Shows
zeigen die Kehrseite der Typisierung von jungen
Menschen und machen die Probleme deutlich.
Fundsachen
GEGEN DEN TREND ’2004
FUNDSACHEN Karen Mulder: I am what I am
(Original von Gloria Gaynor, 1983)
I am what I am
I am my own special creation
So come take a look
Give me the hook or the ovation
It’s my world
That I want to have a little pride in my world
And it’s not a place I have to hide in
Life’s not worth a damn
Till you can say
I am what I am
28_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
I am what I am
I don’t want praise I don’t want pity
I bang my own drum
Some think it’s noise I think it’s pretty
And so what if I love each sparkle and each bangle
Why not try to see things from a different angle
Your life is a sham
Till you can shout out
I am what I am
I am what I am
And what I am needs no excuses
I deal my own deck
Sometimes the aces sometimes the deuces
It’s one life and there’s no return and no deposit
One life so it’s time to open up your closet
Life’s not worth a dam till you can shout out
I am what I am
I am what I am
I am what I am
And what I am needs no excuses
I deal my own deck sometimes the aces sometimes the deuces
It’s one life and there’s no return and no deposit
One life so it’s time to open up your closet
Life’s not worth a damn till you can shout out
I am what I am
Oh I am
Oh I am
I am, I am, I am good
I am, I am, I am strong
I am, I am, I am worthy
I am, I am, I belong
I am
I am
Ooh ooh ooh ooh I am
I am, I am, I am useful
I am, I am, I am true
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
I am, I am somebody
Doo doo doo doo I am
I am, I am, I am
I am as good as you, ah ha
Ah ha, ooh ooh ooh ooh yes I am
Ah ah ah ah
(Text gefunden bei www.songtext.net)
Fragen an das Dr.-Sommer –Team:
Beispiel 2
Beispiel 1
Girl 13: Ich bin so hässlich
„Kein Junge mag mich, weil sie nur auf BritneySpears-Typen stehen. Ich dagegen bin dick, hässlich und einfach zu unbeliebt. Mich macht das
wirklich traurig, wenn sich alle nur für SIE interessieren. Wie soll ich einen Freund finden, wenn ich
nicht seinen Idealen entspreche?“
Dr.-Sommer-Team: „Fang an, dich selbst zu mögen!“
(Beispiele gefunden im Internet unter
www.bravo.de)
Girl 15: Alle sehen mich nur als die Kleine
„ Ich habe das Gefühl, dass mich niemand richtig
ernst nimmt. Da ich kleiner bin als meine Mitschüler, nimmt mich niemand richtig ernst. Manchmal
kommt es mir vor, als behandelten mich alle wie
ein kleines Kind, das niemand für voll nimmt.“
Dr.-Sommer-Team: „Tu selbst was für deine Größe!“
Ich kann nicht malen wie Picasso.
Ich bin nicht so schlau wie Einstein.
Ich kann nicht so gut singen wie Madonna.
Ich bin nicht so bekannt wie Steffi Graf.
ABER ICH
kann reden
kann tanzen
kann lachen
kann weinen
kann singen
wie ich rede,
wie ich tanze,
wie ich lache,
wie ich weine,
wie ich singe.
Ich bin nicht überragend.
Ich bin nicht berühmt.
Ich bin nicht reich.
Ich bin etwas ganz Besonderes.
Mich gibt es nur einmal.
Ich bin einmalig.
Gott hat mich wunderbar gemacht!
(aus: Hans-Martin Lübking:
Neues Kursbuch Konfirmation)
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_29
GEGEN DEN TREND ’2004
ABER
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Wer bin ich?
Ich habe schon so viele Rollen gespielt,
so viele Masken getragen,
ich bin mir selbst fremd geworden.
Anfangs fühle ich mich wohl,
furchtlos, überlegen und frei,
aber meistens fühle ich mich schlecht,
dann verstecke ich mich in der Rolle,
die Leute sollen nicht sehen,
dass ich unsicher bin oder feige oder traurig.
Dann sehne ich mich nach einem Menschen,
der mich ansieht und erkennt,
wie ich wirklich bin, dann habe ich die Hoffnung:
Einmal wird eine/r kommen und ja sagen zu mir,
dann bin ich frei vom Zwang der Rollen
und vom Versteckspiel
dann bin ich ich selbst,
dann werde ich glücklich sein.
Gott du kennst mich,
meine innersten Gedanken,
vor dir kann ich mich nicht maskieren,
du schaust hinter jede Maske.
Ob ich arbeite oder schlafe,
ob ich froh bin oder traurig,
du weißt meine Gedanken,
du kennst meine Hoffnungen und Ängste.
Vor dir liegt alles offen.
Es gibt keinen Ort, an dem du nicht bei mir wärst,
keine Minute, in der du mich nicht hältst.
„Meine Mutter sagt: ‚Ach komm. Ich kenn dich
doch!’
Meine Freunde sagen: ‚Komm schon, wir kennen
dich!’
Wie wollen sie mich alle kennen, wenn ich mich
selbst nicht einmal kenne?“
Sabine, 14, Sek-Schülerin.
Abschied von der Kindheit gehört auch der Ablösungsprozess von den Eltern und damit verbunden
eine Infragestellung und Auflösung von Identifikationsmöglichkeiten, die in der Kindheit von
den Eltern oder von der Umwelt übernommen
wurden.
(Zitat nach: Fend, Helmut, Die Entdeckung des
Selbst und die Verarbeitung der Pubertät, (Entwicklungspsychologie der Adoleszenz in der Moderne, Band 3) Bern 1994, 41.)
GEGEN DEN TREND ’2004
Who am I?
Die größte Herausforderung der Jugendzeit ist die
Identitätsfindung. In der Zeit zwischen Kindheit
und Erwachsensein werden die Identifikationsmuster und -figuren der Kindheit in Frage gestellt.
Der Abschied von der Kindheit geschieht als aktive
Auseinadersetzung mit der eigenen Kindheit und
den bisherigen Möglichkeiten und Grenzen. Zum
30_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
(Aus: Beten. Themenheft 21/ Nr. 6.10/
Landesjugendpfarramt Hannover)
Aus dem, was bisher selbstverständlich war, werden nun Fragestellungen:
Wer bin ich?
Wer möchte ich sein?
Für wen hält man mich?
Dabei gehen Unsicherheit, Selbstzweifel und
oftmals negative Selbstwertgefühle mit der Suche
nach der eigenen Identität einher. Einige Forscher
sprechen deshalb auch von einer „Lebenskrise“.
Bei der Suche nach der eigenen Identität und
der eigenen Rolle in der Gesellschaft spielen
für Jugendliche nun nicht mehr die Eltern oder
erwachsenen Vorbilder die Hauptrolle, sondern
sie orientieren sich mehr und mehr an den sog.
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
„Peer-Groups“, beispielsweise der Jugendclique,
der besten Freundin oder dem besten Freund. Hier
werden Probleme besprochen und hier wird gemeinsam nach Lebensmöglichkeiten gesucht.
Problematisch wird die Orientierung an den PeerGroups allerdings dann, wenn der Konformitätsdruck der Gruppe zu groß wird, d. h., wenn die/der
Einzelne dem, was in der Clique „in“ ist, nicht
entsprechen kann. Der Druck auf die Jugendlichen
wird außerdem noch von außen, z. B. durch die
von den Medien propagierte Teenager-Kultur
verstärkt. Daily-Soaps und die Musikbranche
machen Vorgaben für Mode, Accessoires, Style
usw., die den Aufbau einer eigenen Identität erschweren.
Um Jugendliche bei der Identitätsfindung zu unterstützen, ist es notwendig, ihnen ein Experimentierfeld zu gewähren, in dem sie verschiedene Rollen
ausprobieren, eigene Erfahrungen machen und
das Leben erproben können, ohne dass sie darauf
bereits festgelegt werden. Junge Menschen müssen ihre Träume von der Zukunft und dem Leben
ausprobieren können, um ihre eigene Identität
zwischen Anpassung und Abgrenzung von der
Umwelt entwickeln zu können.
Du bist ein Unikat, gewollt
und angenommen
So können Jugendliche in der Auseinandersetzung
mit sich selbst und dem biblischen Glauben erfahren, dass sie nicht die Größten und Schönsten und
Stärksten sein müssen, um bei Gott anerkannt zu
sein. Sie sind als seine Geschöpfe einzigartig und
haben als solche ihren je eigenen Wert. Weil sie
von Gott unbedingt anerkannt sind, können sie
ihre Stärken entdecken und auch lernen, mit ihren
Schwächen umzugehen. Auf der Suche nach ihrer
Identität können sie hören, von Gott angenommen
zu sein, so wie sie sind.
Auf den Blickwinkel
kommt es an
Einstieg
Zum Einstieg in das Thema eignet sich gut das Vexierbild. Die Frage zu diesem Bild „Welche Person
siehst du zuerst?“ kann überleiten zu einem Gespräch darüber, wie ich
mich sehe
und was ich
glaube, wie
mich die anderen sehen
oder wie ich
mich zeige.
In dieser Lebensphase kann der biblische Glaube
Orientierung bieten. Die Bibel erzählt in vielfältiger
Weise von der unbedingten Annahme der MenTRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_31
GEGEN DEN TREND ’2004
Zur Suche nach eigener Identität und einem tragfähigen Lebenskonzept gehören auch Selbstzweifel
und Verunsicherungen. Jugendliche möchten „in“
sein und dazugehören, erleben aber immer wieder auch das Gefühl des Ausgeschlossenseins.
Sie sind nicht immer die Schönsten Größten und
Besten, sondern müssen auch mit dem Gefühl des
Scheiterns fertig werden.
schen durch Gott (Nicht hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret
als alle Völker... , sondern weil er euch geliebt
hat. Dtn 6,7). Und immer wieder werden auch die
menschlichen Schwächen der großen Glaubensvorbilder (z. B. Petrus) herausgestellt.
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Meine zwei Gesichter
Diese Übung eignet sich eher für miteinander vertraute Gruppen.
Leitfragen
Wie zeige ich mich? Wie möchte ich von anderen
gesehen werden? Was zeige ich nicht von mir? Wie
sehe ich mich selbst?
Dauer:
45 - 60 Minuten
Material
Für jede/n Teilnehmer/in eine große Papiertüte
(Einkaufstüte), Stifte, Klebstoff, Scheren, Zeitschriften und Illustrierte, Stoffe, Pfeifenreiniger u.
a. Materialien zur Gestaltung der Papiertüten
Durchführung
Jede/r Teilnehmer/in erhält eine Papiertüte, die
restlichen Materialen werden für alle in die Mitte
gelegt. Impuls: „Wir stellen uns vor, die Außenseite der Papiertüte ist die Seite unserer Person, die
anderen sichtbar ist. Die Innenseite stellt den Teil
unserer Person dar, die wir nicht zeigen, die nur
wir sehen.“ Dabei kann auch die „Tiefe“ der Tüte
für tief unten und ganz verborgen liegende Dinge
genutzt werden.
Die Teilnehmer/innen gestalten die Tüten entsprechend dem gegebenen Impuls.
Danach stellt jede/r Teilnehmer/in ihre/seine
Tüte in der Kleingruppe (Vierergruppe oder Partnerarbeit) vor. Entweder stellt jede/r ihre/seine
Tüte selbst vor oder die Tüten werden zunächst
betrachtet und andere können Vermutungen und
Eindrücke äußern. Dazu nimmt der/die Gestalter/
in am Schluss zu seiner/ihrer Tüte Stellung.
Den Abschluss bildet ein Gespräch darüber, was
die Teilnehmenden z. B. an Ähnlichkeiten entdeckt
haben und ob sich ihr Bild von jemandem verändert oder bestätigt hat.
Gott kennt mich
Der Text „Wer bin ich“ (s. unter „Fundsachen“)
oder Ps 139 aus der Bibel werden erarbeitet.
Leitfrage:
Wie kann die Aussage „Gott kennt mich“ für die
Jugendlichen positiv gedeutet werden?
GEGEN DEN TREND ’2004
Ziel:
Vor Gott muss ich keine Maske aufsetzten. Er
kennt mich und nimmt mich an, so wie ich bin.
Mit den Augen der Liebe gesehen
Ich erinnere mich an eine Geschichte aus der
Sesamstraße: Ein kleiner Junge hat seine Mutter
verloren und fragt nun alle möglichen Leute, ob
32_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
sie seine Mutter gesehen haben. Auf die Frage,
wie denn seine Mutter aussehe, antwortet er
jedes Mal: „Sie ist wunderschön, die schönste
Mami der Welt.“ Es werden ihm nach und nach
wunderschöne Frauen gezeigt, aber keine ist seine
Mutter. Dann kommt eine unscheinbare (in der
Sesamstrasse durch eine ziemlich hässliche Monsterpuppe dargestellte), gar nicht so gut aussehende
Frau daher und der kleine Junge rennt ihr mit dem
Schrei „Das ist doch meine Mami“ in die Arme.
Diese Geschichte kann zur Verstärkung oder zur
Hinführung auf Ps 139 erzählt werden. Vielleicht
kann die Erzählung auch unterbrochen werden und
die Teilnehmer/innen stellen Vermutungen darüber an, wie denn die Mutter des Kleinen aussehen
könnte.
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Positives Feedback
Auch diese Übung ist eher in Gruppen möglich, die
miteinander vertraut sind.
Ziel:
Jede/r soll von den anderen Gruppenmitgliedern
positive Dinge genannt bekommen, die ihre/seine
Stärken oder positiven Eigenschaften herausstellen.
Dauer:
45 Minuten bei 8 – 10 Teilnehmer/innen
dort Platz und hört sich schweigend die positiven
Aussagen der anderen Gruppenmitglieder an. Dabei muss darauf geachtet werden, dass nicht doch
versteckte Kritik geübt wird. Die Aussagen könnten beginnen mit dem Satz: „Mir gefällt besonders
an dir...“
Die Runde kann abgeschlossen werden mit einer
Rückmeldung der/des auf dem Präsentationsstuhl
Sitzenden: „Wie habe ich diese vielen positiven
Äußerungen erlebt? Konnte ich sie gut annehmen?
Habe ich Neues an mir entdeckt?“
Durchführung:
Die Gruppe sitzt in Hufeisenform. Ein leerer Stuhl
steht am offenen Ende. Ein/e Teilnehmer/in nimmt
I am what/who I am
Einstieg
Was zerrt an mir?
Bildbetrachtung: Fingerabdruck mit Gesicht.
Jede/r Teilnehmer/in bekommt das Bild von Ivan
Steiger mit der Aufgabe, in die Hände zu schreiben, wer sie beeinflussen oder bestimmen möchte. Anschließend kann der Frage nachgegangen
werden, welche Marionettenfäden die Teilnehmenden am liebsten abschneiden
möchten.
Ziel:
Jede/r ist unverwechselbar, eine
ganz eigene
Persönlichkeit.
GEGEN DEN TREND ’2004
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_33
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Alternativ: Wer oder was lastet auf mir?
Lied: „I am what I am“ in Verbindung mit Ps 8, 5+6
Bildbetrachtung (Fingerabdruck, der mich runterdrückt) mit gleicher Fragestellung wie oben. Hier
kann der Frage nachgegangen werden, wer mir
ihren/seinen Fingerabdruck aufdrücken will. Auch
die Frage, welche Idole ich habe, kann eine Rolle
spielen oder auch: „Welche Figur (Fingerabdruck)
habe ich mir aufgeladen? Wem eifere ich nach? Ich
möchte gerne sein wie...“
Das Lied von Karen Mulder oder das Original von
Gloria Gaynor wird angehört, der Text an alle
Teilnehmenden verteilt und besprochen. Wenn
das Lied in der Fassung von Karen Mulder besprochen wird, könnte auch der Lebenshintergrund
der Sängerin angesprochen werden. Das Lied wird
von einem Model gesungen, das immer wieder in
verschieden Rollen schlüpfen und sich dem Modediktat unterwerfen musste. Gerade sie singt nun „I
am what I am“!
Nach Besprechung des Liedes wird das Wort aus
der Bibel, Ps 8, 5+6, dazu in Beziehung gesetzt.
Gott hat mich wunderbar gemacht. Ich bin etwas
ganz Besonderes.
Ich bin einmalig
Der Text „Ich kann nicht malen wie Picasso“ (s.
unter „Fundsachen“) wird als Karte gestaltet, die
alle Teilnehmer/innen mitnehmen können. Dabei
können die Teilnehmer/innen in die Mitte des Textes ihren Fingerabdruck aufdrucken.
Was ich erreichen
und weitergeben möchte
GEGEN DEN TREND ’2004
Neuere Untersuchungen zeigen, dass das Selbstwertgefühl bei Jugendlichen je nach Geschlecht
unterschiedlich ist. Bei Befragungen von jungen
Menschen im Alter zwischen zehn und achtzehn
Jahren hat sich gezeigt, dass Jungen in der Regel
ein größeres Selbstwertgefühl haben als Mädchen. Zwar nimmt bei beiden Geschlechtern die
Selbstzufriedenheit mit Beginn
der Pubertät ab, bei männlichen
Jugendlichen scheint sie sich aber
schneller wieder einzustellen als
bei weiblichen Jugendlichen.
Es könnte deshalb interessant
sein, einige der o. g. Übungen
(Was zerrt/zehrt an mir? Wer oder
(Grafik aus: J. Zinnecker/I. Behnken/S. Maschke/L.
Stecher: null zoff & voll busy, S. 93)
34_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
was lastet auf mir?) in reinen Jungen- oder Mädchengruppen durchzuführen und dann in einer
gemischt geschlechtlichen Gruppe zu vergleichen.
Ausgehend von der Frage nach den eigenen Prägungen kann weiterführend die Frage behandelt
werden, welche Werte, Ideale und Prägungen die
Jugendlichen an zukünftige Generationen weitergeben möchten.
Im Zusammenhang damit steht auch die Frage
nach den Zukunftsvisionen der jungen Menschen.
Dazu könnte die Sendung “Das war ihr Leben“
nachgestellt werden: Am 80. Geburtstag besucht
ein Reporter die Teilnehmenden. Sie erzählen, was
sie bis dahin erreicht und erlebt haben bzw. ursprünglich erreichen und erleben wollten.
• Riess, Richard/ Fiedler, Kirsten(Hg.): Die verletzlichen Jahre. Handbuch zur Beratung und Seelsorge an Kindern und Jugendlichen. Gütersloh
1993.
• Zinnecker, Jürgen/ Behnken, Imke/ Maschke,
Sabine/ Stecher, Ludwig: null zoff & voll busy.
Die erste Jugendgeneration des neuen Jahrhunderts. Ein Selbstbildnis. Zweite durchgesehene
Aufl. Opladen 2002.
Gesine Boerma
Materialien/Literatur
• aejn - Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen
Jugend in Niedersachsen (Hg.): Gegen den Trend
- Wettstreit statt Feindschaft. Hannover 1994
• Gudjons, Herbert: Spielbuch Interaktionserziehung.185 Spiele und Übungen zum Gruppentraining in Schule, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn/Obb. 5. Aufl. 1992.
• Kohler-Spiegel, Helga: Eine sinnvoll verlorene
Zeit. Jugendliche in ihrer Entwicklung begleiten.
In: Theo-Web-Wissenschaft. Zeitschrift für Theorie der Religionspädagogik. 1. Jahrgang 2002.
Heft. 2. S. 42-55.
• Lübking, Hans-Martin: Neues Kursbuch Konfirmation. Ein Arbeitsbuch für Konfirmandinnen
und Konfirmanden. Düsseldorf 2000.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_35
GEGEN DEN TREND ’2004
• Landesjugendpfarramt der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers (Hg.): Beten. Themenheft 21.
2. Aufl. Hannover 2000.
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Gentechnologie
Gott ins Handwerk pfuschen?
In den letzten Jahren, ja Jahrzehnten, hat sich die
Gentechnologie in rasantem Tempo weiterentwickelt. Dachte man noch vor einigen Jahren, die
Entschlüsselung des menschlichen Genoms dauere bis zum Jahre 2005 oder 2010, so gelang dies
schon im Jahr 2000 aufgrund der sich ebenfalls
rasant entwickelnden Computertechnologie. Füllten noch in den 60-/70-er Jahren riesige Computeranlagen ganze Gebäudekomplexe, so kann man
diese Speicherkapazitäten heute „in die Hosentasche stecken“. Ebenso scheint es sich mit der
Gentechnologie zu verhalten. Es gilt das Motto:
„Alles ist machbar“. Bezüglich der Gentechnologie
stellt sich hier die Frage „Darf man alles machen?“
und „Wo ist die Grenze des Machbaren zu ziehen?“.
Wenn sich Gene „verselbständigen“, wird man die
Geister, die man rief, vielleicht nicht mehr los. Eine
Vision(?), was in Forschungslaboren geschehen
könnte, liefert aktuell der Roman „Beute“ von
Michael Crichton. In ihm wird beschrieben, was
durch computergestützte Viren bei einer Züchtung
gentechnisch angerichtet werden kann.
Bei allem Segen, den die Gentechnologie z. B. bei
Erbkrankheiten wie Mukoviszidose und anderen
Krankheiten bietet, muss man wachsam bleiben
und den Forscherdrang mit strengem Auge begleiten. Wer weiß denn genau, ob nicht schon irgendwo auf unserem Planeten ein Gorillaweibchen
mit menschlichem Sperma befruchtet wurde, wie
dies in dem utopischen Film „Marys Baby“ dargestellt wird. Ist nicht (fast) alles, was Menschen
irgendwann gedacht und erdacht haben, Realität
geworden? Sollen wir also „Gott ins Handwerk
pfuschen?“
GEGEN DEN TREND ’2004
Gentechnik kommt auf
den Markt - Leben aus der
Retorte - früher und heute...?
Es war, ist und wird immer schwierig bleiben, neue
Entwicklungen und ihre Gefahren ethisch zu beurteilen. So glaubte man z. B. bei der Erfindung der
Eisenbahn, dass Menschen bei einer Geschwindigkeit von 35 km/h und mehr aus dem Zug gedrückt
würden. Gegner wollten aus diesem Grunde die
Entwicklung verhindern. Schnell merkte man dann,
dass hier ein Denkfehler vorherrschte. Beim Thema Gentechnologie ist aber zu beachten, dass sie
nicht mehr einfach gestoppt werden kann und im
Besonderen handelt es sich hier um kein rein technisches Vorhaben, sondern hier ist der Mensch
in seiner Kreatürlichkeit unmittelbar betroffen.
36_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
“Es wird ein
Mensch gemacht...
wie sonst das
Zeugen Mode war,
erklären wir für
eitel Possen...
Es leuchtet! Seht!
- Nun lässt sich
wirklich hoffen,
dass, wenn wir aus
viel hundert Stoffen
durch Mischung
- denn auf die Mischung kommt es an - den Menschenstoff gemächlich komponieren, in einen Kolben verlutieren..”
aus: Goethe, “Faust”, Zweiter Teil
Ich bin ein Unikat, aber noch nicht fertig!
Die Guten ins Töpfchen
Gentechnik kommt auf den Markt - die Forscher
bedienen die steigende Nachfrage der Mütter und
Väter in spe
Darf man Menschen züchten? Und wenn ja, wie?
Schöner, größer, intelligenter? Soll es ein Leben
ohne Krankheiten sein oder lieber gleich das
ewige Leben? In einem frühen Teilungsstadium,
wenn die einzelnen Embryonen aus nicht mehr
als zwölf Zellen bestehen, werden jedem ein bis
zwei Zellen entnommen. Deren Erbsubstanz wird
auf chemischem Weg vermehrt. Auf diese Weise
lässt sich die genetische Konstitution eines potenziellen Nachkommen feststellen, noch ehe er auf
dem Weg in den Uterus ist. Und genau in diesem
Augenblick ist eine folgenschwere Entscheidung
fällig. Dieser Embryo soll Mensch werden, jener
nicht. Egal, wie man das nennt - es ist ein Schritt
Richtung Auslese.
Jörg Albrecht/DIE ZEIT 1999 Nr. 38
Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms
Woche für das Leben 2002
Evangelische Kirche in Deutschland
Website http://www.ekd.de
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten
und zu schützen ist
Verpflichtung aller
staatlichen Gewalt.
(Artikel 1, Absatz 1,
Satz 1 GG)
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche
Unversehrtheit.
(Artikel 2, Absatz 2, Satz 1 GG)
Der Mensch entwickelt sich nicht zum Menschen,
sondern als Mensch. Jeder Versuch, einschränkende Kriterien für das Menschsein aufzustellen,
also dem einen Menschenwürde zuzubilligen und
einem anderen Menschen abzusprechen, steht im
Widerspruch zum christlichen Glauben.
Menschliches Leben darf unter keinen Umständen
nach einem planenden, Menschen züchterischen
Willen hergestellt werden. Der Mensch “von der
Stange” verstößt in tief greifender Weise gegen
die Menschenwürde und stellt einen unzulässigen
Eingriff in Gottes Schöpfung dar.
Ehem. Präses Manfred Kock (Interview mit „Rheinischer Merkur“/“Christ und Welt“ v. 23.03.2001)
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_37
GEGEN DEN TREND ’2004
Fast täglich berichten Wissenschaftler aus aller
Welt über neue
Entwicklungen
aus dem Bereich
der Genforschung
und der molekularen Medizin. Gentechnische Methoden bestimmen
immer stärker die medizinische Praxis und unseren Alltag. Schwerkranke Menschen und deren Angehörige erhoffen sich von den wissenschaftlichen
Ergebnissen Therapien zur Linderung oder Heilung
von Krankheiten, die bislang nicht geheilt werden
können. Gleichzeitig wächst die Sorge, dass sich
mit den Möglichkeiten der Gentechnik die Illusion
einer leidfreien Gesellschaft einstellt, in der es
immer weniger Raum für Kranke und für Menschen
mit Behinderung gibt.
Die Genomforschung wird unser Wissen über
den Menschen erweitern und sichern. Sie wirft
aber auch umstrittene moralische Fragen auf:
die Frage nach der Machbarkeit, der genetischen
Ausforschung, der Reduzierung des Menschen auf
seine Gene sowie der Diskriminierung und Stigmatisierung von Kranken und von Menschen mit
Behinderung. Viele befürchten, dass der “gläserne
Mensch” durch den “genetischen Fingerabdruck”
in nicht allzu ferner Zukunft Wirklichkeit werden
könnte.
Gentechnologie
Menschen sind nicht
willenlose Sklaven ihrer Gene
Erstens: Menschen kommen nicht als „unbeschriebene Blätter“ auf die Welt. Wir unterscheiden uns
in unseren Genen und daher auch in unserem Erleben. Wir haben ein angeborenes Temperament,
einen genetisch festgelegten Kern unserer Persönlichkeit. Ein und dieselbe Umwelt formt unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Weise.
Zweitens: Menschen sind keine Spielbälle ihres
“Milieus”. Wir alle suchen unsere persönliche Umweltnische. Wir gestalten unser Zuhause, unseren
Freundeskreis, unsere Arbeit nach Kräften so, dass
sie unseren Interessen und Bedürfnissen zupass
kommen.
GEGEN DEN TREND ’2004
Drittens: Menschen sind auch nicht willenlose
Sklaven ihrer Gene. Als Wesen mit Bewusstsein
und Verstand führen wir die Oberaufsicht über unser Temperament. Ein notorischer Wüterich kann
trainieren, sich selbst zu beobachten und gegen
den aufsteigenden Jähzorn anzugehen.
Die neueste Forschung auf dem Gebiet der Genetik,
der Molekularbiologie und der Neurowissenschaft
zeigt, dass viele der persönlichkeitsbildenden Eigenschaften von Geburt an vererbt sind. Das heißt,
dass viele der Unterschiede zwischen individuellen
Persönlichkeiten auf Unterschiede in den Genen
zurückgehen. Im Augenblick der Zeugung wurden
Sie aus den Genen zweier Menschen geschaffen.
Sie sind das Produkt von Generationen der Evolution - das Ergebnis zahlloser Informationen, die
über Millionen Jahre hinweg gesammelt, komprimiert und verfeinert wurden. Sie sehen aus wie
die Leute in ihrer Familie, und in mancher Hinsicht
empfinden und agieren sie auch wie sie. Bezogen
auf einige Aspekte ihrer Persönlichkeit, haben sie
so viele Wahlmöglichkeiten wie im Hinblick auf die
Form ihrer Nase oder auf ihre Schuhgröße, nämlich
gar keine. Psychologen bezeichnen diese biologi-
38_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
sche, angeborene Dimension der
Persönlichkeit als “Temperament”.
Aber nur, weil eine Person mit
einem bestimmten Temperament
auf die Welt kommt, heißt das noch
lange nicht, dass dieses Temperament durch ein
paar wenige Instruktionen oder einen simplen
Bauplan festgelegt ist. Auch heißt Temperament
nicht, dass die Menschen zu ihrer von Geburt an
bestehenden Persönlichkeit “verdammt” sind. Im
Gegenteil, eine der wunderbarsten Eigenschaften
des Temperaments ist eine von Anfang an bestehende Flexibilität, die es uns gestattet, uns an die
Hindernisse und Herausforderungen des Lebens
anzupassen. Aufwachsen bedeutet nicht nur zu lernen, wie die Welt ist, sondern auch, wie man mit sich
selbst umgehen muss. Psychologen nennen diesen
flexibleren Aspekt der Persönlichkeit “Charakter”.
Jeder besitzt die Fähigkeit, zu wachsen und sich
in jedem Stadium des Lebens zu verändern. Menschen können aus den Erfahrungen von Eltern und
Freunden lernen. Der Einzelne hat die Möglichkeit,
sich in seine Temperamentsschwächen zu fügen
oder gegen sie anzugehen. Er kann seine Temperamentsbegabungen zu seinem Vorteil nutzen oder
sie verbergen. Menschen können ihrem Bedürfnis
zu rauchen, zu trinken oder zuviel zu essen nachgeben, oder sie können ihm widerstehen. Manchmal werden sie im Laufe ihres Lebens beides tun.
(Psychologie Heute, 8/98, Dean Hammer, Peter
Copeland, S. 20)
Beginnt der Mensch heute
damit, seine Evolution in die
eigenen Hände zu nehmen?
Chip im Kopf oder Zukunft ohne Hook und Ahab
High-Tech-Prothesen im Anmarsch
Die Integration technischer Mittel in den menschlichen Körper ist bereits seit Menschengedanken
Gentechnologie
praktiziert worden. Beispiele dafür sind Hook und
Ahab, die mit Holzbeinen
als Ersatzteile ausgestattet
wurden, Gliedmaßen für die
Arbeit als Walfänger (Ahab
bzw. Hook....) Dieser Umstand zeigt, dass die technischen Hilfsmitteln schon lange verbreitet sind und
allmählich in den menschlichen Körper eindringen,
deren Teile werden und sich, sowohl funktionell
als auch formenmäßig zum Körperteil umwandeln.
2015-2019: Ehe sich Paare für Kinder entscheiden,
lassen sie ihr Erbmaterial in Computersimulationen überprüfen.
2020-2024: Alle menschlichen Organe, bis auf das
Gehirn und die Augen, können durch künstliche
Körperteile ersetzt werden.
2025-2030: Neue Gefriertechnologien zerstören
das menschliche Nervengewebe nicht mehr. Viele
lassen sich nach dem Tod statt auf Friedhöfen in
Tiefkühlhäusern einlagern und hoffen auf „Wiederauferstehung“.
Der Mensch beginnt heute damit, seine Evolution
in die eigenen Hände zu nehmen. Es ist unwahrscheinlich, dass er sich freiwillig gegen robuste
Gesundheit, ewige Jugend und eine potentiell
unbegrenzte Lebensspanne entscheiden wird.
Denn ebenso wie Menschen immer bemüht waren,
materielle und soziale Restriktionen zu überwinden, werden sie auch biologische Zwänge nicht auf
Dauer akzeptieren. Ohne Zweifel sind damit gewaltige soziale Umwälzungen und ethische Probleme
verbunden.
Quelle: http://www.stiftung.koerber.de
Mögliche Nachrichten könnten dann so lauten:
• Zelle und Chip verschmolzen
• Künstliches Auge bewegt sich mit
• Fischgehirn steuert
Roboter
• Augenhornhaut aus der
Petrischale
• Eigene Haut aus der Tube
Sieht man sich die genetischen Möglichkeiten im
Tierreich an, die zur Züchtung von bestimmten
Eigenschaften (Widerstandsfähigkeit von Pflanzen
„das dreizehnte Kotelett beim Schwein“ u. Ä.)
führen, so erscheint es nahe liegend, die Methoden und Forschungsergebnisse auch auf den
Menschen zu übertragen, zumal in der medizinischen Forschung ja alles zuerst an Tieren erprobt
wird.
Als Einstieg in das Thema „Genethik“ bietet es
sich daher an, mittels eines „Bullenkataloges“
herauszuarbeiten, welche Eigenschaften ein guter
Zuchtbulle besitzen muss. Hierzu kann man z. B.
den Semex-Bullenkatalog heranziehen (Download
unter http://www.semex-deutschland.de/semex/
index-katalog.html oder bestellt ihn per Post).
Dann bietet sich eine Gegenüberstellung an: Was
ist beim Bullen wichtig, was beim Menschen?
Besonderes Augenmerk sollte auf die Fachsprache
gelegt werden.
Welche Eigenschaften sind beim Tier sinnvoll, welche beim Menschen, wie weit darf man gehen, wo
sind die Grenzen... ?
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_39
GEGEN DEN TREND ’2004
Die zukünftige Entwicklung der Gentechnologie
wird hier skizziert:
2000-2004: Die Gentherapie wird bei immer mehr
Krankheiten erfolgreich klinisch angewendet.
2005-2009: Künstliche Muskeln lassen sich vom
körpereigenen Nervensystem steuern.
2010-2014: Viele psychische Störungen lassen sich
medikamentös beheben. Es wird immer schwieriger, nicht normal zu sein.
Welche Eigenschaften
braucht ein guter
Zuchtbulle?
Gentechnologie
Im Anschluss daran kann „Der synthetische
Mensch“ von Erich Kästner bearbeitet werden.
GEGEN DEN TREND ’2004
Beispiel aus dem Bullenkatalog:
Als STORM-Sohn aus Gypsy Grand ist SPY ein
Halbbruder zu FREELANZE. Seine Töchter entwickeln sich in der ersten Laktation zu starken,
tiefrippigen Kühen mit sehr guten Fundamenten und ordentlichen Eutern. Sie sind genügend
groß und vermitteln den Eindruck, dass sie lange
gute Arbeit leisten können. SPY ist ein AllroundTalent, der in vielen verschiedenen Herden zum
Einsatz kommen kann. Er sollte aber besonders
bei großen, langen Kühen eingesetzt werden zur
Verbesserung der Milchinhaltsstoffe, der Eutergesundheit.
40_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Professor Bumke hat neulich Menschen erfunden,
die kosten zwar, laut Katalog, ziemlich viel Geld,
doch ihre Herstellung dauert nur sieben Stunden,
und außerdem kommen sie fix und fertig zur Welt!
Man darf dergleichen Vorteile nicht unterschätzen.
Professor Bumke hat mir das alles erklärt.
Und ich merkte schon nach den ersten Worten und
Sätzen:
Die Bumkeschen Menschen sind das, was sie kosten, auch wert.
Sie werden mit Bärten oder mit Busen geboren,
mit allen Zubehörteilen, je nach Geschlecht.
Durch Kindheit und Jugend würde nur Zeit verloren,
meinte Professor Bumke. Und da hat er ja Recht.
Er sagte, wer einen Sohn, der Rechtsanwalt sei,
etwa benötige, brauche ihn nur zu bestellen.
Man liefre ihn, frei ab Fabrik, in des Vaters Kanzlei,
promoviert und vertraut mit den schwersten juristischen Fällen.
Man brauche nun nicht mehr zwanzig Jahre zu
warten,
dass das Produkt einer unausgeschlafenen Nacht
auf dem Umweg über Wiege und Kindergarten
das Abitur und die übrigen Prüfungen macht.
Es sei ja auch denkbar, das Kind werde dumm oder
krank.
Und sei für die Welt und die Eltern nicht recht zu
verwenden.
Oder sei musikalisch! Das gäbe nur Zank,
falls seine Eltern nichts von Musik verständen.
Nicht wahr, wer könne denn wirklich wissen, was
später
Aus einem anfangs ganz reizenden Kinde wird?
Bumke sagte, er liefre auch Töchter und Väter.
Und sein Verfahren habe sich selten geirrt.
Nächstens vergrößre er seine Menschenfabrik.
Schon heute liefre er zweihundertneunzehn Sorten.
Misslungene Aufträge nähme er natürlich zurück.
Die müssten dann nochmals durch die verschiednen Retorten.
Gentechnologie
Ich sagte: Da sei noch ein Bruch in den Fertigartikeln,
in jenen Menschen aus Bumkes Geburtsinstitute.
Sie seien konstant und würden sich niemals entwickeln.
Da gab er zur Antwort: „Das ist ja gerade das
Gute!“
Ob ich tatsächlich vom Sichentwickeln was halte?
Professor Bumke sprach’s in gestrengem Ton.
Auf seiner Stirn entstand eine tiefe Falte.
Und dann bestellte ich mir einen vierzigjährigen
Sohn
Erich Kästner (1899 - 1974)
Fragen dazu:
1. Firmen und Arbeitgeber suchen Arbeitskräfte,
die jung und stark sind und gleichzeitig die Erfahrung eines 40-Jährigen aufweisen. Besprecht
die Vor- und Nachteile, die es brächte, käme
man als 40-Jähriger auf die Welt.
2. Vergleicht Charlie Chaplins Zitat „Die Jugend
wäre eine noch viel schönere Zeit, wenn sie erst
später im Leben käme“ mit dem Text von Erich
Kästner.
Weiterführende
Fragestellungen
Quellen/Material
• Barth, Herrmann: Wie wollen wir leben? Beiträge zur Bioethik aus evangelischer Sicht, LVH,
Hannover 2003
• Ray Kurzweil: Homo S@piens. Leben 21. Jahrhundert – Was bleibt vom Menschen? Köln:
Kiepenheuer & Witsch, 1999
• Zeugen statt züchten
Weshalb Menschen nicht Menschen klonen
sollen
Die Zeit Nr. 4 /15. Januar 1998
• Screening auf genetische Erkrankungen: Pro
und Contra
www.stiftung-behindertes-kind.de/images/
brand.pdf
• Das Zarathustra-Projekt
Der Philosoph Peter Sloterdijk fordert eine gentechnische Revision der Menschheit
http://www.genethik.de/genethics/
zarathustra.htm
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_41
GEGEN DEN TREND ’2004
„Gilt man als Rabeneltern,
wenn man ohne Selektion
und Manipulation Kinder
haben möchte?“
Sucht Antwort darauf, wie
jemand einem behinderten
Kind erklären soll, dass es behindert ist, obwohl man dieses hätte vermeiden können.
Wurde ich geplant oder spontan geschaffen?
Wie hätten meine Eltern mich geplant?
Sind Menschen, die sich ein perfektes Kind zusammengebastelt haben, die perfekten Eltern?
Will ich alles wissen, oder nur meine Versicherung?
Krebsrisiko 60 : 40 – wer stellt mich jetzt noch ein?
Habe ich auch Angst, dass es eines Tages ein politisches Regime geben wird, das „Menschen nach
Bauplan“ produziert?
Genetisch veränderte Lebensmittel und Risiken in
der Landwirtschaft
Gefährdung des ökologischen Gleichgewichtes
Erhöhtes Allergierisiko
Gentechnikgesetz
Missbrauch des Wissens
Biologische Waffen
Verwendung von geklonten Menschen als “Ersatzteillager”
Beurteilung des genetischen Materials
Wo sind die Grenzen des technischen Fortschrittes?
Gentechnologie
• Die falsche Angst, Gott zu spielen
DIE ZEIT 1999 Nr. 38
• Die Guten ins Töpfchen
DIE ZEIT 1999 Nr. 38
• Gentechnik kommt auf den Markt die Forscher bedienen die steigende
Nachfrage der Mütter und Väter in
spe
Von Jörg Albrecht
• Woche für das Leben 2002
Evangelische Kirche in Deutschland
http://www.ekd.de
• Deutsche Bischofskonferenz
http://dbk.de
GEGEN DEN TREND ’2004
• Ich, du und die anderen:
Lehrermappe “Ich, du und die anderen”
(komplett, ohne Folien und Kopiervorlagen)
Kapitel 1: Einführung/anders sein
Kapitel 2: Gemeinsam erkennen
Kapitel 3: Miteinander leben
Kapitel 4: Voneinander lernen
Kapitel 5: Gegenseitig helfen
Folien
Kopiervorlagen
Schülerheft “Ich, du und die anderen”
http://www.agenturcafe.de/in-script/schule/
um/material-am.php
• Mythen, Monster, Mutationen - die Gentechnik
macht rasante Fortschritte.
Bloß: Wohin werden sie führen?
VON SUSANNE LIEDTKE
DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT,
30. April 1999 Nr. 18/1999
Roger Moch
42_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
›› Reise zum
Mittelpunkt Reise zu mir
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
„Die Reise zum ICH“ in Zeiten
virtueller Identitäten
Wo stehen wir heute?
Fragt man junge Menschen nach dem, was sie
ausmacht, von anderen unterscheidet, fallen die
Antworten meist bescheiden aus. Sie reagieren
mit Schulterzucken, auf Nachfragen werden Schulfächer benannt: „In Bio hab ich ´ne Eins!“
Doch fällt es uns leicht, zu sagen wer wir sind?
Wer bin ich?
Mit zunehmender Differenzierung der Lebensbezüge wurden die ICHs komplexer. Ich „bin“ in der Familie anders als bei der Arbeit, beim Sport anders,
als im Freundskreis, und Jugendliche leben diese
Unterschiedlichkeit noch stärker, sie ist fester
Bestandteil ihres Lebensgefühls.
GEGEN DEN TREND ’2004
Eine Tendenz, die schon Kindern erlernen. Eigneten sich Kinder ihren Lebensraum vor 30 Jahren
noch in wachsenden Radien um ihre Wohnung an,
erobern sie heute “Inseln“, die zueinander kaum
noch einen oder gar keinen Bezug haben. Sie
fahren zur Schule, werden von ihren Eltern „von A
nach B“ gebracht, handeln dort und lernen früh,
dass sie an jedem Ort anders sein können.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität
wird nicht geübt, sie ist weniger wichtig für das
Leben auf den „Inseln“. Wie soll unter diesen Umständen die Fähigkeit sich selbst zu reflektieren
entwickelt und erprobt werden?
Sie ist nicht einfach, „die Reise zum ICH“. Sie
beginnt heute bei der Erkenntnis „ICH bin anders,
wenn ich woanders bin und dazu muss ICH mICH
immer wieder neu inszenieren!“
Methoden und Wege sich zu inszenieren gibt es,
so lange es Menschen gibt:
• Die verblüffende Wirkung von Verkleidungen
nach „außen“ und nach „innen“ ist eine eindrückliche Erfahrung. Wie trete ich auf, wenn
ich wie angezogen bin? Wie wirke ich auf mein
Gegenüber?
• Maskenspiele, die Rolle des Hofnarrs, der durch
den Spiegel der Ironie Dinge sagen durfte, die
andere Menschen nicht auszusprechen wagten.
Wie weit kann ich mich von mir entfernen, wenn
ich eine Maske trage? Was passiert dabei mit
meiner Hemmschwelle?
• Das Telefon und die Möglichkeit, durch dieses
jemand anderes zu werden. Beinahe täglich wird
dieses „Spiel“ in Radiosendungen gespielt, wer
hat es nicht schon selbst ausprobiert, wie es ist,
als jemand anderes am Telefon aufzutreten?
Doch die klassischen Wege, sich in andere ICHs zu
verwandeln, haben ihre Grenzen. Das Geschlecht,
das Aussehen, die Stimme und das Alter sind
Eigenschaften, die sich nur mit äußerster Mühe
verändern lassen.
Viel weiter gehende Möglichkeiten eröffnet das
Medium „Internet“. Identitätswechsel erhalten
eine völlig neue Dimension und werden nur noch
durch die eigene Fantasie begrenzt: Männer
können als Frauen auftreten, Frauen als Männer,
Altersgrenzen verschwinden, Aussehen, Charakterzüge und Lebenseinstellungen sind beliebig wählund darstellbar.
44_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Online-Masken (ein faszinierender Begriff für
virtuell geschaffene Identitäten) sind heute beinahe selbstverständlich. Welchen „Nickname“ gebe
ich mir wo? Als wer kaufe ich im Internet ein, wie
heiße ich in Foren oder wie lautet meine eMailAdresse? Nehme ich meinen „Namen“ oder nutze
ich eine Online-Maske? Unzählige virtuelle ICHs
entstehen, die wir uns geschaffen haben und mit
denen wir täglich agieren.
Diese ICHs umschreiben das
eigentliche „ICH“,
z. B. wenn „UserNamen“ dem Bereich der Hobbies
entspringen oder
sie sind pragmatischer Natur, wenn
eine Frau bei einem Autokauf als
„Mann“ auftritt.
Komplexe Identitäten, wie sie z. B. in Chaträumen
oder in MUDs (Multi-User Domains), virtuellen
Räumen, in denen User beliebig viele Identitäten annehmen können, auftreten, bevölkern das
Internet. Diese Fantasieprodukte, geschaffen zur
Erweiterung der eigenen Möglichkeiten und des
eigenen Erfahrungshorizonts kommunizieren
miteinander in Echtzeit und es ist bei den Kontakten egal, wer sich hinter den Masken verbirgt. Wer
sich in offenen Chaträumen bewegt, geht nicht
davon aus, dass sein Gegenüber der-/diejenige ist,
für den der-/diejenige sich ausgibt. Es ist heute
stillschweigender Konsens, dass Online-Masken
Kunstprodukte sind.
„Ich bin ICH und ICH bin anders, wenn ich wo anders bin“, diese Aussage muss in Zeiten virtueller
Identitäten neu formuliert werden: „Ich bin ICH
und ICH bin VIELE!“
Bei der „Reise zum ICH“ tauchen neue Fragen auf:
• Was für eine Bedeutung hat das eigene ICH,
wenn man ICHs beliebig produzieren, leben, anund ablegen kann?
• Welche für Folgen hat es, wenn ICH unzählige
andere ICHs erschaffen kann und diese, anders
als vor ein paar Jahren möglich, über Monate
im direkten Austausch mit anderen ICHs leben
können?
• Ist es möglich, mit einer Generation, die den
totalen Identitätswechsel nicht verwundert zur
Kenntnis nimmt, sondern ihn lebt, über ihr ICH
zu reden?
• Ist es möglich, sich auf die Suche nach dem „realen ICH“ zu begeben und sich dabei gerade der
virtuellen ICHs zu bedienen?
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_45
GEGEN DEN TREND ’2004
Online-Masken erhalten auch eine körperliche
Gestalt. Die Schöpferinnen und Schöpfer dieser
Kunstprodukte legen das „reale ICH“ (an dieser
Stelle wird der Ausdruck „reales ICH“ problematisch) ab und treten in der Öffentlichkeit als onli-
neICH auf. Visitenkarten für diese oft mühe- und
kunstvoll geschaffenen ICHs mit einer Adresse
im Internet werden verteilt, die „reale Identität“
tritt dabei vollkommen zurück. Die Online-Masken
werden dann lebendig, erhalten „Fleisch und Blut“
gleich einer modernen Form der Schizophrenie,
einer Kunstgestalt die lebt oder wird zur beinahe
logischen Weiterentwicklung des Maskenspiels in
Zeiten der Online-Masken?
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
• Ist es möglich, die konstruierten ICHs ernst zu
nehmen und das eigentliche ICH wieder in den
Mittelpunkt zu rücken und zu stärken?
Verkleidungsspiele
GEGEN DEN TREND ’2004
„Ich lernte damals den Einfluss kennen, der unmittelbar von einer bestimmten Tracht ausgehen kann. Kaum hatte ich einen dieser Anzüge
angelegt, musste ich mir eingestehen, dass er
mich in seine Macht bekam; dass er mir meine
Bewegungen, meinen Gesichtsausdruck, ja sogar meine Einfälle vorschrieb; meine Hand, über
die die Spitzenmanschette fiel und wieder fiel,
war durchaus nicht meine gewöhnliche Hand; sie
bewegte sich wie ein Akteur, ja, ich möchte sagen,
sie sah sich selber zu, so übertrieben das auch
klingt. Diese Vorstellungen gingen indessen nie so
weit, dass ich mich mir selber entfremdet fühlte;
im Gegenteil, je vielfältiger ich mich abwandelte,
desto überzeugter wurde ich von mir selbst. Ich
wurde kühner und kühner; ich warf mich immer
höher; denn meine Geschicklichkeit im Auffangen
war über allen Zweifel. Ich merkte nicht die Versuchung in dieser rasch wachsenden Sicherheit.
Zu meinem Verhängnis fehlte nur noch, dass der
letzte Schrank, den ich bisher meinte nicht öffnen
zu können, eines Tages nachgab, um mir, statt
bestimmter Trachten, allerhand vages Maskenzeug
auszuliefern, dessen phantastisches Ungefähr mir
das Blut in die Wangen trieb.
In ihnen erst sah ich wirklich freie und unendliche
bewegliche Möglichkeiten: eine Sklavin zu sein,
die verkauft wird, oder Jeanne d’Arc zu sein oder
ein alter König oder ein Zauberer, das alles hatte
man jetzt in der Hand, besonders, da auch Masken
da waren, große drohende oder erstaunte Gesichter mit echten Bärten und vollen oder hochgezogenen Augenbrauen. Ich hatte nie Masken gesehen
vorher, aber ich sah sofort ein, dass es Masken
geben müsse. Ich musste lachen, als mir einfiel,
dass wir einen Hund hatten, der sich ausnahm, als
46_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
trüge er eine. Ich
stellte mir seine
herzlichen Augen
vor, die immer
wie von hinten
hineinsahen in
das behaarte Gesicht. Ich lachte
noch, während
ich mich verkleidete, und ich
vergaß darüber
völlig, was ich eigentlich vorstellen wollte. Nun,
es war neu und
spannend, das erst nachträglich vor dem Spiegel
zu entscheiden. ...
Das war nun wirklich großartig, über aller Erwartung. Der Spiegel gab es auch augenblicklich wieder, es war zu überzeugend. Es wäre nicht nötig
gewesen, sich viel zu bewegen; diese Erscheinung
war vollkommen, auch wenn sie nichts tat. Aber
es galt zu erfahren, was ich eigentlich sei, und so
drehte ich mich ein wenig, .... .“
Ein imposanter Text über die Wirkung von Masken und Verkleidungen aus „Aufzeichnungen des
Malte Laurids Brigge“ (Rainer Maria Rilke, 1875
- 1926).
„Es galt zu erfahren, was ich eigentlich sei ...“ Hier
wird nicht nur gefragt „wer“, sondern „was“ der
Maskierte geworden ist, eine Wirkung der Masken
auf das ICH, die selbst virtuelle Identitäten noch
nicht erreicht.
Bin ich ICH?
Online-Masken sind die logische Weiterentwicklung der Tendenz „anders zu sein, wenn man
woanders ist“. Durch das Medium „Internet“
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
wurde uns ein Instrument an die Hand gegeben,
mit dessen Hilfe sich alle Grenzen unseres ICHs
überwinden lassen. ICH kann jetzt zeitgleich VIELE
sein. Durch das Internet ist die Welt kleiner geworden, der/die Einzelne kann durch das Internet
wachsen.
Spiel lerne, VIELE zu sein und wenn ich für diese
Seiten meines ICHs offen werde, lebe ich bewusster mit mir selbst.
Online-Masken sind spannend, sie öffnen Türen,
die sonst verschlossen blieben, sie erfüllen den
Wunsch nach Spiel, nach Identitätswechsel, fördern und fordern Kreativität und Flexibilität und
sind eine deutliche Erweiterung der Erlebniswelt.
Online-Masken sind gefährlich, sie verleiten,
verführen und lenken von der Welt, in der ich
lebe, und von meinem Leben ab und indem sie mir
vorspiegeln, ICH wäre Produzent, Regisseur und
der Star, führen sie mICH in Identitätskrisen und
Einsamkeit.
Wir befinden uns inmitten einer rasanten technischen Entwicklung. Zum Vergleich: Die Gutenberg-Galaxis brauchte über 400 Jahre, bis sie alle
Bevölkerungsschichten erreicht hat, das Internet
hat sich in weniger als fünf Jahren von einer Spielwiese für ExpertInnen zu einem in beinahe jedem
deutschen Haushalt verfügbaren Medium entwickelt. Zum Bewältigen der mit technischen Entwicklungen einhergehenden Veränderungen sind
aber individuelle Kompetenzen notwendig, die uns
schon vor Jahren verloren gegangen sind. Eine brisante Kombination. Gleichzeitig befinden wir uns
schon wieder vor einem grundlegenden Wandel.
Noch schütteln wir den Kopf, wenn Online-Masken
„das Internet verlassen“. Noch ist es das „reale
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_47
GEGEN DEN TREND ’2004
Virtuelle Identitäten sind ein Teil unserer Welt
geworden. Auch wenn wir nur selten über sie
nachdenken, sind sie täglich präsent und als Teil
der Welt weder pauschal gut noch böse, weder
schwarz noch weiß. Sie sind das, was wir aus
ihnen machen. Wenn Erfahrungen aus dem virtuellen Leben in das reale Leben transportiert werden,
das ICH sie verarbeitet und nutzt, dann bereichert
die virtuelle Realität das reale Leben. Wenn ich im
Die Bedeutung virtueller Welten nimmt täglich zu,
Online-Masken bevölkern das Internet (virtuelle
Rathäuser, virtuelle Kirchen etc.). Die Welt geht
online und Menschen entdecken zunehmend die
Chancen komplexer virtueller Identitäten. Eine
fortschreitende Entwicklung in einer Zeit, in der
das ICH-Bewusstsein des einzelnen Menschen immer mehr zurück geht. Doch nur mit ausgeprägtem
Ich-Bewusstsein lassen sich die Möglichkeiten
virtueller Welten in das reale Leben integrieren.
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
ICH“, das die Mitte unseres Lebens ausmacht.
Wie real Online-Masken in ihrer Außenwirkung
sind, wie komplex die Welt, in der sie sich bewegen auch ist und wie echt sie mit „Individuen aus
Fleisch und Blut“ kommunizieren, noch besteht
eine Trennlinie zwischen „virtuell“ und „real“.
Noch ist die totale onlineWelt Fiktion. Tad Williams
zeichnet z. B. in Otherland (Otherland, Band 1 - 4,
1996 - 2002, Klett Cotta Verlag) solch ein „virtuelles Wunderland“. Doch die Bedeutung der virtuellen Welten steigt an und dass diese Entwicklung
weiter fortschreiten wird, steht außer Frage.
Eine spannende Entwicklung, wenn wir einen
Schlüsselgedanken im Focus behalten: Der uns
von unseren Eltern bei der Taufe stellvertretend
gegebene Name begleitet uns ein Leben lang,
doch unsere Möglichkeiten, uns selbst Namen zu
geben, sind durch das Medium Internet explosionsartig gewachsen. „ICH gebe mir Namen und
lebe diese Identitäten“, ICH bleibe aber auch in
Zeiten virtueller ICHs ICH. „Ich bin ICH und ICH bin
VIELE!“
GEGEN DEN TREND ’2004
Ich bin ICH
In Zeiten virtueller ICHs erhält „die Reise zum ICH“
eine völlig neue Notwendigkeit:
Früher waren Menschen durch ihren Beruf, ihren
Wohnort und die fehlende Mobilität an einen
Ort und gebunden und darauf angewiesen, sich
in allen Lebensbezügen „wieder erkennbar“ zu
verhalten, ein schlüssiges ICH zu leben. Mit der
zunehmenden Mobilität und der damit verbundenen Differenzierung der Welt begannen die ICHs
zu verschwimmen, man war anders wenn man
woanders war und man konnte dies sein, weil die
Lebensbereiche immer weniger miteinander verzahnt waren. Heute bietet das Medium „Internet“
die Möglichkeit, zeitgleich VIELE zu sein. „ICH bin
VIELE“ bezeichnet eine neue Qualität individueller
Erfahrungen, die sich nur mit einem stabilen ICHBewusstsein in das reale Leben integrieren lässt.
48_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Noch ein
zweiter Aspekt macht
die besondere Notwendigkeit von
ICH-Stärke in
Zeiten virtueller Identitäten aus.
Um die, in
der realen
Welt notwendigen
sozialen Kontakte wachsen zu lassen, ist eine
schlüssige Persönlichkeit notwendig. Freundschaften haben nur Bestand, wenn ich in einer Gruppe
als Individuum erkennbar bin, ein Mindestmaß an
Kontinuität aufweise und Konflikte aushalten kann.
In der virtuellen Welt sind Konflikte bedeutungslos. Wird eine Situation belastend, wechsele ich
die Identität und fange neu an. Hier hätte eine
Übertragung in die reale Welt fatale Folgen. Gruppenfähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz, die eng
mit der ICH-Stärke zusammenhängt. Was sagt es
über junge Menschen aus, wenn sie sich verabreden, gemeinsam etwas unternehmen wollen und
als Gruppe in ein Internet-Café gehen, um dort
nebeneinander zu sitzen und bei einem Glas Bier
zu chatten? Für die soziale Kompetenz ist in Zeiten
der Online-Masken „die Reise zum ICH“ von entscheidender Bedeutung.
„Die Reise zum ICH“ stellt für an Online-Masken
gewöhnte Menschen auf verschiedenen Ebenen
eine besondere Herausforderung dar. Je einfacher
es ist, sich der eigenen Realität durch Masken zu
entziehen, je differenzierter dabei die Rollen sind
und je stärker diese ausgelebt werden können,
desto schwieriger lässt sich das „wahre ICH“ greifen.
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Online-Masken bieten Schutz, sie machen Menschen beinahe unverletzlich, da sie beliebig
abgelegt und gewechselt werden können. Die
Auseinandersetzung mit dem realen ICH macht
verletzlich, die Herausforderung, sich dem ICH zu
stellen, wächst.
setzung, ist beinahe unmöglich zu erstellen. Bei
dieser sehr persönlichen Thematik sind die Gruppengröße, der Zusammenhalt unter den Gruppenmitgliedern, Gruppenstrukturen und viele andere
Faktoren maßgeblich für die Wahl der Methoden.
Bei der folgenden Sammlung kleiner Praxisbausteine ist deshalb bewusst nur deren jeweiliger
Rahmen vorgezeichnet. Die eigentliche Konkretisierung muss für jede Gruppe individuell geleistet werden. Wichtig bei allen Schritten ist deren
Reflektion in der Gruppe, das Reden über die
gemachten Erfahrungen.
„Ich bin ICH und ICH bin VIELE!“ Ein Ausdruck der
Individualität und Einzigartigkeit unter bewusster
Einbeziehung der Möglichkeiten, Erfahrungen und
Chancen, die durch virtuelle Identitäten möglich
werden. Diese Aussage charakterisiert, wohin „die
Reise zum ICH“ heute führe sollte.
Praxisbausteine
Eine konkrete Vorgabe zur Umsetzung einer „Reise zum ICH“ unter der eben geschilderten Ziel-
Ein Grundsatz aus der Theaterpädagogik sollte
besonders bei den Elementen integriert werden,
die mit Rollenspielen verbunden sind. Das „Entlassen“ der Teilnehmenden aus der Rolle, das Ablegen der geschaffenen Identität und die Rückkehr
zum eigenen ICH sind wichtige Schritte, die auch
das Bewusstsein für das ICH und für seine Kunstprodukte schärfen.
A. Was macht mich aus? Eine Einzelarbeit
Wann denken wir darüber nach, was uns ausmacht? Nur sehr selten, deshalb fällt es uns so
schwer, auf Fragen nach dem ICH zu antworten.
Als Einstieg in eine „Reise zum ICH“ bietet sich an,
über sich selbst nachzudenken und Eigenschaften,
die jedeN EinzelneN ausmachen als Einzelarbeit
aufzuschreiben.
Die Reflektion dieses Vorgangs selbst ist eine
mögliche Vertiefung.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_49
GEGEN DEN TREND ’2004
Dazu müssen verschiedene Kompetenzen in einer
jeweils individuellen Ausprägung entwickelt sein:
• Ein bewusstes stabiles reales ICH,
• das sich als kreativeR SchöpferIn von OnlineMasken kennt
• und das die auf diesen Wegen gemachten Erfahrungen in das reale Leben integrieren kann.
• Medienkompetenz bezüglich der Wirkung von
virtuellen Identitäten auf das ICH und auf andere
• sowie Räume, in denen Menschen geschützt ICH
sein können
Pädagogische Herausforderungen in Zeiten virtueller Identitäten!
Die Bausteine setzen an verschiedenen Punkten
an, sie decken in der Summe die eben angesprochenen Aspekte eines selbstbewussten Umgangs
mit Online-Masken ab. Es geht um Erfahrungen mit
dem eigenen ICH, um spielerische Wege, Rollen
und Verkleidungen auszuprobieren, um das Realisieren von Online-Masken und um deren bewussten Einsatz.
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
„Warum war es so schwer, das zu benennen, was
dICH ausmacht?“
Ob die Ergebnisse der Gruppe mitgeteilt werden
oder nicht, ist von der Gruppe abhängig, doch
wenn, sollte dies grundsätzlich freiwillig geschehen.
B. Masken und Verkleidungen als Einstieg
(Basteln von Masken, Spiele mit Verkleidungen)
E. Räume schaffen zum ICH-sein
ICH verkleide mich. ICH
agiere verkleidet, im
geschützten Raum oder
außerhalb.
Die Gruppe tanzt einmal
unverkleidet, einmal
verkleidet. Was passiert
dabei? Was verändert
sich?
Maskenspiele (mit
selbst gebastelten Masken?) in der Fußgängerzone, dabei beobachtet ein
Teil der Gruppe Passanten und Akteure.
Was passiert, wenn ich ICH bin? Masken aller Art
fungieren als Schutz vor Verletzungen, das Märchen vom Rumpelstilzchen mit der Aussage „Ich
weiß, wie du heißt, ich habe Macht über dich“ ist
ein klassisches Beispiel dafür.
Ein Reiz virtueller ICHs liegt in der Erfahrung, dass
ich im Schutz dieser Maske und in der Anonymität
der virtuellen Welt ICH sein kann. Was macht einen
nicht virtuellen Raum aus, in dem ich ICH sein, in
dem ich meine Maske ablegen kann? Kann eine
Gruppe einen solchen Raum schaffen?
C. Eine andere Person auslosen und aufschreiben
„Was macht diesen Menschen aus?“
JedeR von uns hat sie schon genutzt, die Möglichkeit, sich im Internetverkehr zu maskieren. Warum
habe ich eine bestimmte eMail-Adresse gewählt?
Wie wirkt mein Kundenname (z. B. bei ebay) auf
(m)ein Gegenüber? Warum habe ich im Chat nicht
mich beschrieben?
JedeR schreibt (anonym) für eine ausgeloste Person fünf ausschließlich positive Eigenschaften auf.
Die Beschreibungen werden gesammelt und an die
Adressaten gegeben.
In der Auswertung werden nicht nur die Einschätzungen betrachtet, sondern auch die Frage, was
sich verändert, wenn ich nicht für mich, sondern
für jemand anderen Eigenschaften sammle.
GEGEN DEN TREND ’2004
ausmachen würde und wie sich diese Fiktion verhalten könnte. Die so gespiegelte Person versucht,
das Beschriebene darzustellen. Dieses Spiel kann,
wenn Möglichkeiten dazu bestehen, durch Verkleidungen verstärkt werden. Oft stellt sich heraus,
dass die konträren Eigenschaften leicht zu spielen
sind, weil sie auch Teil von uns sind.
D. Was würde eine Person ausmachen, die das
genaue Gegenteil von mir ist?
(Ein Rollenspiel für fünf bis neun Personen)
Ein Gruppenmitglied tritt vor, die Gruppe überlegt,
was das charakterliche Gegenteil dieser Person
50_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
F. Online-Masken: Erfahrungsberichte
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Erfahrungsberichte einholen und erste Überlegungen sammeln, wann ich Online-Masken bewusst
verwendet habe, um ein Ziel zu erreichen, und
wann ich sie unreflektiert nutze, ohne über die
Wirkungen nachzudenken.
Wer hat schon welche Erfahrungen mit virtuellen
Identitäten gemacht? Was machte den Reiz aus?
Wo lagen die Grenzen? Wie bewusst war dieser
Vorgang oder ist er eher zufällig angelaufen und
hat sich verselbständigt? Wo lag die Motivation,
jemand anderen darzustellen?
Dieser Schritt ist ein Versuch, sich der aktiven
Rolle, die das eigene ICH bei der Erschaffung von
Online-Masken übernimmt, bewusst zu werden,
deshalb sollte dieser Aspekt auch im Mittelpunkt
der Gespräche stehen.
G. Was assoziiere ich mit... ?
H. Gründung eines Chats
Die Einrichtung eines ausschließlich der teilnehmenden Gruppe zugänglichen Chats ist bei diver-
Nach der Einrichtung des Chats und gemeinsamen
Überlegungen bezüglich der Chatzeiten schaffen
sich die Teilnehmenden Online-Masken, mit denen
sie im Chat agieren.
So sind Erfahrungen mit virtuellen Identitäten im
geschützten Raum möglich. Sei bewusst du (mit
anderem Namen), überzeugend jemand anderes. Wie kommst du (z. B. bei Rollenwechsel) als
Mann/Frau an? Was passiert dabei mit dir?
Diese sehr experimentelle Anordnung eignet sich,
um erste Erfahrungen mit der Dynamik der OnlineMasken zu sammeln, ist aber nicht zu vergleichen
mit dem Auftritt in einem offenen Chat.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_51
GEGEN DEN TREND ’2004
Eine kleine Übung, die uns deutlich macht, wie wir
durch eine unreflektierte Nutzung von Online-Masken wirken.
Im ersten Schritt werden User-Namen aus dem
Internet gesucht (ebay, offene Chaträume oder
eMail-Adressen sind gute Quellen) und aufgeschrieben. Die Gruppe diskutiert, was sie mit den
einzelnen Namen assoziiert, was sie denkt, wer
hinter dem Namen steckt.
Hier wird ein Vorgang deutlich, der in der Regel
unbewusst abläuft. Was assoziiere ich, wenn ich
User-Namen höre? Was gibt eine Person damit
bewusst oder unbewusst von sich preis oder was
soll diese Bezeichnung bei uns auslösen?
Als Nebeneffekte dieser Übung überprüfen die
Teilnehmenden ihre Gewohnheiten bei der Wahl
von User-Namen und sie werden sensibler im
Umgang mit persönlichen Informationen im Internet.
sen Anbietern (zumeist über die Einbindung in
eine eigene Internetseiten) möglich.
Falls die beteiligten Jugendlichen keine Idee für
eine Plattform haben, über die ein Chat eingereichtet werden kann, besteht eine solche Möglichkeit
z. B. bei:
www.palace4all.de
Der Palacechat existiert seit einigen Jahren und
wird ständig verbessert. Er ist sehr grafik- und
raumorientiert. Viele Jugendliche und junge Erwachsene nutzen ihn.
www.ghost-chat.de
Dieser bietet ebenfalls die Möglichkeit, eigene
Chaträume anzulegen. Hier sind die administrativen Möglichkeiten, also auch bannen, kicken etc.
sowie die Anleitung sehr gut.
Eine Übersicht über kostenlose Chats findet man
z. B. unter http://www.lightball.de/hpfeature.htm
und http://www.xdial.de/weblinks/cat.asp?Cat=5
39&SubCat=102 .
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
I. Auftritt in einem offenen Chat
Kleingruppen (vier bis fünf Personen) konzipieren
gemeinsam eine Online-Maske, mit der sie einem
Chat betreten. Die Erfahrungen und Erlebnisse
protokollieren die Teilnehmenden für sich. Wichtig
ist, dass die Gruppe gemeinsam die Maske mit
Leben füllt. Eine Gruppe Frauen könnte z. B. als
Mann auftreten oder umgekehrt.
Durch die Arbeit der Gruppe wird sehr deutlich,
dass virtuelle Identitäten geschaffen werden. Es
war ein gemeinsamer Einigungsprozess, der das
Grundmuster für die Online-Maske ergeben hat.
Wie waren die Reaktionen auf das Kunstprodukt?
Was ändert sich, wenn man (i. V. m. Rollenwechsel) als Frau/Mann im Chat auftritt?
Auswertungen in den Kleingruppen und in der
Gesamtgruppe, die den Focus auf die neuen Erfahrungen legt, die als ICH nicht möglich gewesen
wären, führen einen Schritt weiter auf der „Reise
zum ICH“.
J. Was macht mICH aus?
Eine Einzelarbeit zum Abschluss
Hat sich das Bild gewandelt?
Kann ich das, was mICH ausmacht, nun besser,
leichter oder präziser beschreiben?
GEGEN DEN TREND ’2004
Pädagogische
Herausforderungen
(Die Überlegungen auf diesen Seiten dürfen
nicht darüber hinwegtäuschen, dass es junge
Menschen gibt, denen der Zugang zum Internet
(z. B. finanziell) nicht möglich ist. Diese Jugendlichen laufen Gefahr „von der Entwicklung abgehängt zu werden“. Wer nicht in der Lage ist, das
virtuelle Rathaus oder Arbeitsamt zu besuchen,
hat heute schon deutliche Nachteile. Es ist eine
pädagogische Notwendigkeit, diesen Jugendlichen den Zugang zu virtuellen Welten zu
ermöglichen.)
52_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Am Ende des
Abschnitts „Ich
bin ICH“ sind
individuelle
Kompetenzen,
die zum bewussten Umgang mit
Online-Masken
notwendig sind,
aufgeführt.
Deren Vermittlung stellt heute
eine elementare
pädagogische
Herausforderung dar. Wo Inszenierung zum Motto wird und
Wirkung der Maßstab ist, ist es umso wichtiger,
dass bewusst agiert wird.
Der unreflektierte Umgang mit Online-Masken
kann zu Realitätsverlust, Selbstverleugnung oder
dem Rückzug aus der „realen Welt“ führen. Der
missbräuchliche Umgang mit virtuellen Identitäten kann andere schädigen. Das Verstecken hinter
Online-Masken birgt die Gefahr der Enttarnung,
die Folgen einer solchen Demaskierung sind bei
Rumpelstilzchen („Ach, wie gut, dass niemand
weiß...“) nachzulesen.
Online-Masken beinhalten eine starke pädagogische Komponente: Der reflektierte Umgang mit
diesen Möglichkeiten, eröffnet dem/der Einzelnen
Möglichkeiten, die sonst nicht erfahrbar wären.
Wie ist es als „Frau“, angebaggert zu werden?
Wie wird „Mann“ im Chat behandelt? Wie werden
Ausländer oder Homosexuelle angesprochen?
Erfahrungen, die bisher nur „Betroffenen“ vorbehalten waren, öffnen sich, das reale Leben wird
bereichert, erhält neue Facetten.
Wie sich der Umgang mit Online-Masken auf uns
auswirkt, ist von unser individuellen Medienkompetenz abhängig.
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Die pädagogische Herausforderung liegt in der
Vermittlung der Medienkompetenz. Hier bietet
sich die seltene Chance des gemeinsamen Lernens. Jugendliche haben durch ihren selbstverständlichen Umgang mit dem Medium „Internet“
eine deutlich höhere Nutzungskompetenz, als die
meisten PädagogInnen.
Die andere Seite der Medienkompetenz, die
„individuelle Medienkompetenz“ ist es, die von
Pädagoginnen und Pädagogen eingebracht werden kann. Wie geht man verantwortlich mit den
Möglichkeiten des Internets um? Wo bleibe ICH
bei der Vermischung virtueller und realer Welten?
Wie transportiere ich Erfahrungen aus der virtuellen Welt in die reale Welt? Wie verarbeite ich diese
Erfahrungen? Wie schütze ich mICH im Internet?
Doch in diesen Dialog mit Jugendlichen sollten
Pädagoginnen und Pädagogen nur treten, wenn
sie ein Mindestmaß an Nutzungskompetenz mitbringen, sie ihr Medienverhalten kennen und eine
individuelle Medienkompetenz entwickelt haben.
kennzeichnet. Der in diesem Satz zum Ausdruck
gebrachte Facettenreichtum, wird unserem Wesen
besser gerecht, als jeder Versuch, unser ICH auf
eine Dimension zu reduzieren.
Gottes Zusage „Ich habe dich bei deinem Namen
gerufen, du bist mein“ erhält durch die Beliebigkeit der Namensgebung in virtuellen Welten eine
noch tiefere Bedeutung. Es muss heute pädagogische Aufgabe sein, Räume zu schaffen, in denen Menschen ICH sein können, in denen sie die
Vielfalt des ICHs leben können, in denen sie nicht
gezwungen sind, Masken zu tragen und sich zu
inszenieren, sondern in denen die Zusage Gottes, dass jeder Mensch so angenommen ist, wie
er individuell nun mal ist, gilt: „Ich habe dich bei
deinem Namen gerufen“, bei deinem Namen ... ich
habe dich gerufen, so vielfältig wie DU bist!
Materialien/Literatur
• Sherry Turkle, “Leben im Netz - Identität in
Zeiten des Internet” (rowolt, dt. Erstausgabe
1998),(Original: live on screen, 1995).
• Das Standardwerk im Bereich der Online-Masken. Auch wenn es in der englischen Originalausgabe inzwischen 8 Jahre alt ist, bietet es
spannende Einblicke in die individuellen Auswirkungen der Computernutzung. Die mehrfach
angesprochene These „Ich bin viele“ steht im
Zentrum des 500 Seiten starken Buchs.
Thomas Schruff
„Ich bin ICH und ICH bin VIELE“ ist eine Aussage, die den Menschen von heute mehr denn je
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_53
GEGEN DEN TREND ’2004
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist es möglich,
mit Jugendlichen in einen echten Dialog über Medienkompetenz zu treten und einen gemeinsamen,
gleichberechtigten Lernprozess zu initiieren.
• “Dieses Buch beschreibt, wie sich die im Entstehen begriffene Kultur der Simulation auf unsere
Vorstellungen von Bewusstsein und Persönlichkeit, Körper und Identität, Selbst und Maschine
auswirkt” (Turkle, S. 10).
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Reise zu mir nicht ohne meinen Körper
Um mich herum
sind tausend Spiegel
Jugendliche wirken manchmal so, als fühlten
sie sich von aller Welt mit argwöhnischen Augen
angeschaut. Diese Augen sehen alles: jedes fettige Haar, jeden Pickel, jedes Fettpölsterchen. Und
sie verurteilen es scharf. Es sind nicht die Augen
anderer, es sind die eigenen Augen, die kritisch
bis in die hintersten Winkel blicken, als wären
überall Spiegel, die alles gnadenlos zurückwerfen.
Jugendliche sind manchmal unglaublich schön
und scheinen diese Schönheit gar nicht genießen
zu können. Sie wirken wie eingefroren. Keine natürliche, spontane Bewegung – so als könnte ein Haar
verrutschen und das Spiegelbild verschlechtern.
GEGEN DEN TREND ’2004
Mein größter Feind
Wenn ich in einen Spiegel seh, bin ich mir immer
wieder fremd.
Ist das wirklich mein Gesicht, meine Stimme, die
da spricht?
Wenn ich mit mir alleine bin, gibt es keine Chance
zu fliehn.
Nichts ist mehr da von all dem Schein, von dem,
was ich versuche zu sein.
Das ist der Moment, in dem
ich weiß: Ich selber bin mein
größter Feind.
Ich merke, wenn ich einsam
bin, ich kann mich selber
nicht ausstehn.
Ich schau wieder in mein Spiegelbild. Es macht mir alles
nach und verschwindet nicht.
Die Toten Hosen, CD „Kauf
mich!“, 1993
54_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Die fünf Säulen
der Persönlichkeit
Dem Körper wird viel Aufmerksamkeit gewidmet.
Aber das führt offenbar nicht unbedingt zu einem
verbesserten Körpergefühl, eher ins Gegenteil: zu
einer starken Kontrolle und auch Verachtung des
Körpers, die sich in Verkrampfung und Unnatürlichkeit ausdrückt.
Auf dem Weg in die ZUKUNFT, in ein LEBEN, in
dem TRÄUME verwirklicht werden, geht kein Weg
am Körper vorbei. Gegen vieles kann man sich
entscheiden und es hinter sich lassen – den Körper
nicht. Andersherum ist ein gutes Gefühl im eigenen Körper die beste Voraussetzung für ein Leben,
wie man es sich erträumt.
Die besondere Aufmerksamkeit für den Körper
in der Jugendzeit ist eine große Chance und Ressource für die Jugendarbeit. Grundlegend verändern kann man den Körper nicht, aber das eigene
Gefühl im Körper kann man verändern, die Wahrnehmung dafür sensibilisieren und mit einfachen
Mitteln wohltuende Körpererfahrungen ermöglichen.
Die Persönlichkeitstheorie der Integrativen
Therapie bzw. der Gestalttherapie geht davon aus,
dass die Persönlichkeit von fünf Säulen oder
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
auf die eigene Persönlichkeit ermöglichen. Dieser
Blick ist immer ressourcenorientiert. Es geht
nicht um die Defizite, sondern um die vielleicht
noch so kleinen Potentiale, die in jeder Säule vorhanden sind und die es zu nutzen und auszubauen
gilt.
Für die Entfaltung der Persönlichkeit sind alle
diese Säulen gleich wichtig, so dass in der gestalttherapeutischen Arbeit darauf geachtet wird, diese
Lebensbereiche im Blick zu haben. Meistens ist
es so, dass ein oder zwei Säulen im Vordergrund
stehen, während andere vernachlässigt werden.
Klassisches Beispiel dafür ist ein Mensch, der
so viel arbeitet und seinen Selbstwert über die
eigene Leistung definiert, dass er keine Zeit für
Beziehungen hat. Sein Körper wird nur einseitig in
Anspruch genommen und gleichzeitig mit Kaffee
und einem Mindestmaß an Schlaf zu Höchstleistungen angespornt. Wenn die Persönlichkeit sich
nur auf eine oder zwei Säulen stützt, gerät sie in
die Krise, wenn diese Säule z.B. durch Kündigung
wegbricht.
Zur Wahrnehmung der
Säule „Körper“ fragt
man nach
Zeiten von
Gesundheit
und Krankheiten bzw.
Unfällen,
nach den
Funktionen
des Körpers
(Verdauung u. Ä.)
und seiner
Entwicklung (Wachstum). Neben diesen äußeren
Daten interessiert aber vor allem, wie sie erlebt
werden und wie mit ihnen umgegangen wird, denn
das kann bei gleichen Symptomen unterschiedlich sein. Es wird gefragt, wann die Person sich in
ihrem Körper am wohlsten fühlt, was angenehm
ist, was unangenehm, was sie an sich schätzt und
in welchen Zeiten sie sich am vitalsten fühlt, auf
welche Bereiche oder Organe sie besonders achtet. Die kleinen, ganz alltäglichen Umgangsweisen
mit dem Körper geraten auf einmal ins Blickfeld
und werden in ihrer Wirkung wertgeschätzt: das
warme Duschen, der Sprint zur Bushaltestelle, der
Mief im Klassenraum oder das Parfüm der Freundin.
Die Wichtigkeit der Säulen verändert sich im Laufe
des Lebens immer wieder: Bei Krankheit steht der
Körper im Vordergrund, bei einem Verlust die sozialen Beziehungen.
In gestalttherapeutischer oder -pädagogischer
Arbeit verwendet man deshalb gerne das Konzept
der fünf Säulen zu diagnostischen Zwecken oder
auch zur Sensibilisierung der Wahrnehmung. Mit
Hilfe von Fragen werden die Teilnehmenden angeregt, über diese fünf Bereiche in ihrem Leben
nachzudenken und sie anschließend in einem
Bild oder Diagramm darzustellen. Die bildliche
Darstellung kann die fünf Säulen in unterschiedlicher Höhe oder Breite zeigen – je nach der derzeitigen Wichtigkeit, oder für jede Säule kann ein
Symbol (Turm, Drahtseil, Pflanze o. Ä.) gewählt
werden, welches ihre Bedeutung ausdrückt. Diese
Bilder sind Momentaufnahmen, die einen Blick
Die Körperweisheit der Bibel
„Wenn dich deine rechte Hand zum Abfall verführt,
so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_55
GEGEN DEN TREND ’2004
Stützen getragen wird:
• Körper
• Soziale Beziehungen
• Arbeit und Leistung
• Materielle Situation
• Werte und Sinn
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
dich, dass eines deiner Glieder verderbe und nicht
der ganze Leib in die Hölle fahre.“ (Matth. 5,29)
Die Entfremdung vom eigenen Körper und die
Verachtung seiner Bedürfnisse ist im christlichen
Abendland tief verwurzelt und wurde von biblischen Texten wesentlich mit geprägt. Mit dem Rat,
die Hand abzuhacken, wollte Jesus möglicherweise einen Gedanken ad absurdum führen, um auf
eine andere Denkweise hinzuleiten. Vermutlich
haben aber Sätze wie diese eine traurige Wirkungsgeschichte gehabt: Nicht nur im Mittelalter
war das Abhacken der Hände eine verbreitete
Strafe und konnte sich geradezu auf die Bibel
berufen. Auf subtilere Weise wurde auch Selbstbefriedigung mit diesem Satz geahndet und damit
körperliche Bedürfnisse nicht nur missachtet,
sondern auch verteufelt. „Die Hände gehören über
die Bettdecke!“
GEGEN DEN TREND ’2004
Falsch wäre jedoch, dies als DIE christliche Einstellung zum Körper anzusehen. Diese Auffassung
wurzelt im griechischen Denken, welches EINE der
Quellen ist, aus denen sich die neutestamentliche
Theologie entwickelt hat, aber eben nur eine. Die
Bibel ist in einer Zeitspanne von mehr als einem
Jahrtausend entstanden und durch verschiedene
Denksysteme beeinflusst worden. Die Wichtigkeit
von Heilungsgeschichten im Neuen Testament und
ihre detaillierte Beschreibung (auf die Erde spucken, Spucke mit Sand verrühren, Brei auf blinde
Augen streichen) macht deutlich, wie sehr körperliche Heilung zur Erlösung gehört und Erlösung
also nicht nur ein geistiges Geschehen ist. Es geht
nicht nur um das Seelenheil.
Darüber hinaus findet man im Alten Testament
eine Körperweisheit, die darauf hindeutet, dass
die problematische Spaltung von Körper, Geist und
Seele biblischen Menschen fremd war. So kann
man mit Hilfe biblischer Gedanken die Verbundenheit von Körper und Seele wieder entdecken. Wird
in der hebräischen Sprache ein Körperteil be-
56_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
nannt, so wird damit zugleich seine Dynamik und
oft auch eine Gefühlsqualität beschrieben: Arm
bedeutet Kraft, Nase meint auch Wut, in den Nieren sitzt die Gerechtigkeit und in der Gebärmutter
das Erbarmen. Diese Bedeutungen hören hebräische Menschen immer mit.
Eine nur äußerliche Wahrnehmung des Körpers,
wie sie heute verbreitet ist, ist biblischen Menschen fremd gewesen. Wenn der Liebende im Hohenlied von den schönen, taubenähnlichen Augen
der Geliebten schwärmt, schwärmt er von ihren
verliebten Blicken, die lebendig und beweglich
sind wie Tauben und Liebesbotschaften senden
wie die Tauben als heilige Tiere einer Liebesgöttin.
Auch in unserer Sprache gibt es ein verborgenes
Wissen vom Zusammenhang zwischen Körperteilen oder Organen und seelischen Zuständen:
Etwas schlägt auf den Magen oder geht an die Nieren, jemand verlässt wutschnaubend den Raum,
vor Zorn schwellen die Adern, vor Stolz die Brust,
die Galle läuft über vor Ärger, die Augen vor Trauer.
Manches ist ähnlich (Nase - Wut), manches ganz
anders als zu biblischen Zeiten.
Während für uns das Herz der Sitz der Gefühle ist
und wir das Denken im Gehirn ansiedeln, war für
biblische Menschen das Herz der Sitz der Gedanken. Wenn gerade das Herz, das durch den unter-
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
schiedlichen Herzschlag so deutlich die seelische
Situation (Aufregung, Ruhe) spiegelt, der Sitz der
Gedanken war, dann kann es die heute übliche
Trennung von (nüchternen) Gedanken und (unsachlichen) Gefühlen so nicht gegeben haben.
Überraschende Einsichten gewinnt man, wenn
man die dynamische und emotionale Qualität der
Körperteile im hebräischen Denken entschlüsselt,
und die alten biblischen Texte werden für die Entwicklung eines ganzheitlichen Körperempfindens
wertvoll.
Die Gefahren
Rund um den Körper kann man vieles tun in der
Jugendarbeit. Massagen, Körperübungen, erlebnispädagogische Spiele sind beliebt und werden
gerne eingesetzt. Manchmal überrascht es, wie
viel wir damit auslösen können, positiv oder negativ. Da bricht jemand bei einer besonderen Geste
in Tränen aus oder versteinert, ohne dass wir
uns das erklären können. Ein Grund dafür könnte
sein, dass im Körper die Erinnerungen an frühere
Erfahrungen gespeichert werden. Die Integrative
Therapie nennt dies das „Leibgedächtnis“. Bestimmte Situationen und seelische Zustände sind
mit bestimmten leiblichen Erfahrungen verbunden. Manche Gerüche rufen sofort Erinnerungen
wach, Verletzungen lösen eine Schonhaltung aus,
auch wenn sie längst geheilt sind. Es kann sein,
dass die Situation selbst (z. B. ein Streit mit dem
Bruder) nicht mehr im Gedächtnis ist, aber der
leibliche Impuls (Faust ballen) oder die leibliche
Empfindung (Schmerz in der Hand) noch vorhanden ist: Ich balle die Faust und weiß nicht, warum.
Wellness à la Bibel:
sieben Ideen
Das steigende Interesse an Wellness ist Ausdruck
des Bemühens, einen achtsamen Umgang mit dem
eigenen Leben zu lernen, einen Ausgleich gegen
Stress zu schaffen und sich körperlich und seelisch wohl zu fühlen. Aus christlicher Perspektive
könnte man sagen, dass dies der verantwortliche
Umgang mit dem von Gott geschenkten Leben ist.
So kann Wellness ein Thema des Glaubens sein.
Übrigens wird selbst von Gott erzählt, dass Gott
für Ausgleich sorgte: Am siebten Tage ruhte Gott
aus und ERQUICKTE SICH (2. Mose 31,17). Fragwürdig sind Wellnesstipps dann, wenn sie darauf
zielen, den Körper den allgemeinen Schlankheitsnormen anzupassen und das Wohlfühlen von der
Schlankheit abzuleiten.
Die im Folgenden beschriebenen Ideen für einen
Wellnesstag oder –abend verbinden Körpererfahrungen mit biblischer Körperweisheit. Je nach Situation kann die Reihenfolge verändert werden. Die
verwendeten Zutaten werden in der Bibel erwähnt
und haben meist besondere Bedeutungen.
Wellness hat nicht nur eine rein körperliche Seite,
sondern ein wesentlicher Aspekt davon ist, die
Gedanken auf angenehme Dinge zu lenken, wohltuende Bilder vor dem inneren Auge entstehen
zu lassen und damit die Körpererfahrung zu unterstützen. In diesem Fall werden biblische Bilder
vom Olivenbaum o. Ä. angeboten, auf die man sich
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_57
GEGEN DEN TREND ’2004
Es ist ein wichtiger Schutz, wenn bestimmte,
besonders schmerzhafte Erinnerungen vergessen
werden. Mit Körperübungen können sie wachgerufen werden, ohne dass die betroffene Person
damit rechnet, es will oder es steuern kann. Im
therapeutischen Prozess können das wertvolle
Momente in der Aufarbeitung eines Erlebnisses
sein - in der Jugendarbeit kann das nicht geleistet
werden. Alle Menschen haben mehr oder weniger
schmerzhafte Erinnerungen im Körper gespeichert,
nicht nur Erfahrungen von Gewalt, sondern auch
Unfälle, medizinische Eingriffe u. Ä. Sogar Mangelernährung im Mutterleib hinterlässt seine Spuren
im Körper und ist potentiell erinnerungsfähig. In
vorsprachlicher Zeit werden keine Worte, sondern
Atmosphären und Bildfetzen gespeichert.
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
bei der Anwendung konzentrieren kann. So ist es
auch möglich, Texte der Bibel aus einer anderen
Blickrichtung zu verstehen. Es ist sinnvoll, diese
Texte in der Mitte des Raumes auszulegen, damit
man sie in Ruhephasen immer wieder lesen kann.
Aufgrund der oben beschriebenen Gefahr habe ich
die Anwendungen bewusst so konzipiert, dass sie
jede Person an sich selbst durchführen kann. Dadurch bleibt die Körpergrenze der Person gewahrt
und ermöglicht ihr das Gefühl von Selbstbestimmung, sodass unangenehme oder beängstigende Erfahrungen von Ausgeliefertsein vermieden
werden können.
1. Möge Gottes Angesicht leuchten über dir:
Gesichtsmassage und Gesichtsmaske
In der Bibel hat das Gesicht eine besondere Bedeutung. Gottes Angesicht ist ein Symbol für Gottes
Hinwendung und persönliche Beziehung zu den
Menschen und leuchtet und wärmt wie die Sonne.
GEGEN DEN TREND ’2004
Von einem Zeichen auf der Stirn erzählt 1. Mose
4,15: Das Kainszeichen, das Gott selbst ihm nach
dem Mord an seinem Bruder auf die Stirn setzt,
soll ihn schützen vor der Rache anderer. In einer
Vision von Ezechiel tragen Menschen, die Reue
gezeigt haben, ein kreuzförmiges Schutzzeichen
auf der Stirn, das sie im Gericht verschonen wird.
In der Offenbarung ist es der Christusname (oder
der des Antichristen), der auf die Stirn geschrieben
wird. (Hes 9,4; Offb 14,1)
Anwendung:
Für die Gesichtsmassage etwas Traubenkernöl in
einen Eierbecher geben. Mit den beiden Ringfingern hineintupfen und in kreisförmigen Bewegung
die Stirnmitte massieren und sich dabei vorstellen,
dass dort ein Schutzzeichen ist. Von dort mit den
Ringfingern über den Augenbrauenbögen entlang
fahren, mit kreisförmigen Bewegungen die Schläfen und die anderen Vertiefungen des Gesichts
58_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
massieren: Nasenflügel, Wangen, Mundwinkel und
Kinn und wieder zurück zu den Schläfen.
(vgl. U. Pittroff, Wellness, S. 127; Musik: Wide
Blue, CD Magic & Mystery)
Für die Gesichtsmaske
• 1/2 Teelöffel Traubenkernöl
• 1 Teelöffel Joghurt
• 1 gestrichenen Teelöffel Bierhefepulver (zum
Binden)
• (1 Tropfen Mandelblütenöl (synthetisch) oder
Wacholderöl)
mischen, die Paste auf das Gesicht auftragen,
15 Min einwirken lassen und mit klarem Wasser
abspülen.
Die Verwendung von
Traubenkernöl nimmt
Bezug auf
das bekannte
Jesuswort
„Ich bin der
Weinstock,
ihr seid die
Reben. Wenn
ihr in mir
bleibt und
ich in euch,
bringt ihr viel
Frucht.“ Oft liegt der Akzent auf dem Fruchtbringen, dem Handeln. In dieser Einheit soll deutlich
werden, dass die Reben nur Frucht bringen können, wenn sie sich in der warmen Sonne ausstrecken und sich vom Regen erfrischen lassen. (Joh
15,5)
2. Du salbest mein Haupt mit Öl:
Olivenöl-Haarpackung
Olivenöl wurde zu biblischer Zeit nicht nur zum
Essen, sondern auch, gemischt mit ätherischen
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Ölen, für die Körperpflege verwendet. Nicht immer
wurden Haare gewaschen, sondern sie wurden
geölt. Dieser Brauch findet sich zum Beispiel
in dem bekannten Vers aus Ps 23: „Du salbest
mein Haupt mit Öl“. Olivenöl gilt als Schutz vor
Sonneneinstrahlung und erhält dadurch die Haut
jung.
Der Ölbaum braucht eine Generation, bis er
Früchte trägt, und wird sehr alt. In der Bibel ist er
Symbol für den Menschen, der sich auf Gott verlässt, seine Kraft aus der Tiefe zieht und deshalb
Dürrezeiten gut aushalten kann. (Ps 52,10, Jer
17,7.8)
Anwendung:
Je nach Länge der Haare ca. einige Esslöffel Olivenöl erwärmen und ins Haar massieren. Mit Frischhaltefolie abdecken, dann in Alufolie einpacken.
Noch einmal mit einem Fön wärmen, dann ein
Handtuch um den Kopf wickeln, um die Wärme zu
erhalten. Ca. 10 - 15 Min. einwirken lassen. Danach
mit Shampoo gut ausspülen.
3. Reinige zuerst das Innere des Bechers:
Biblische Düfte
Reinigung meint zum einen die Heilung von Hautkrankheiten, aber auch das Freiwerden von innerem
Schmutz und Schuld. Gott verheißt Reinigung und
ein neues weiches Herz (Vgl. Ps 51,4.7; Hes 36,25).
In Matth. 23,26 sagt Jesus: Reinige zuerst das
Innere des Bechers, damit auch das Äußere rein
wird. Er greift das nur äußerliche Reinigen und
Handeln an und macht deutlich, dass es im Wesentlichen auf das Innere und die innere Haltung
ankommt, nicht nur, dass es beides gereinigt
werden muss (wie ein Becher innen und außen),
sondern dass das Äußere rein wird, wenn man das
Innere reinigt. Dies soll mit einer Riechübung umgesetzt werden, weil das Atmen einen Austausch
zwischen Innen und Außen bewirkt. Wacholder hat
belebende, stimmungsaufhellende Wirkung. Sein
Name (Wach-Halter) geht möglicherweise auf 1.
Kön 19,4 zurück, wo erzählt wird, dass der Prophet
Elia sich nach einem Verbrechen unter einen Wacholder legte und sterben wollte, von einem Engel
jedoch davor bewahrt wurde.
Anwendung:
An einem frischen Majoranzweig schnuppern und
sich dabei vorstellen, wie der Majoran innerlich
reinigt. Das Gleiche mit einem anderen immergrünen Zweig (z.B. Thuja) wiederholen, der leicht mit
Wacholderöl eingerieben wurde.
Wer es noch biblischer mag, kann nun beide Zweige mit scharlachroter Wolle zusammen binden, in
Wasser tunken (mit Wasser bestäuben) und damit
Hände und Unterarme siebenmal besprengen, um
die Blutzirkulation anzuregen.
Danach Ohrläppchen, Daumen und große Zehen
mit Wacholderöl einreiben.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_59
GEGEN DEN TREND ’2004
Mit dem Reinigen nahmen es biblische Menschen
sehr genau, es gibt dazu detaillierte Vorschriften.
Ein Reinigungsopfer nach einem Ausschlag wird
so beschrieben: Man braucht für die Reinigung
Zedernholz, scharlachfarbene Wolle und Ysop. Zeder meint hier den Phönizischen Wacholder. Ysop
bezeichnet eine Majoranart, die buschig in Mauerspalten wächst (1. Kön 5,13, vgl. Nigel Hepper,
Pflanzenwelt, S. 26; 64). Das Büschel aus Zeder
und Ysop wird mit der roten Wolle zusammengebunden, in frisches Wasser getaucht und die zu
reinigende Person damit siebenmal besprengt
(Lev 14,6f; Nigel, S. 140). Der Priester gibt Öl (Olivenöl) in seine linke Hand, taucht die Finger der
rechten Hand hinein und sprengt damit siebenmal
„vor Gott“, den Altar vermutlich. Er taucht seinen
Finger noch einmal ins Öl und bestreicht damit das
rechte Ohrläppchen, den rechten Daumen und den
rechten großen Zeh der zu reinigenden Person, mit
dem restlichen Öl den Kopf. (Lev 14,17f.).
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
Alternativ kann man
• 1 Teelöffel Mandelöl und
• 2 Tropfen Weihrauchöl
mit einem Zahnstocher in einem Eierbecher vermischen, die Hände damit massieren, sie dann vor
der Nase zusammenlegen und den Weihrauchduft
einatmen.
Mandelbäume gehören zu den Pflanzen der Bibel,
ihre Blütenform wurde zur Verzierung von Gewändern verwendet. Weihrauch ist das stark duftende
Harz eines Strauches und wurde (und wird bis
heute) zur Reinigung und Heiligung im Tempel
verwendet.
(Musik: Coral Sea, CD Mandala, Weltbild Verlag,
Augsburg 1999)
GEGEN DEN TREND ’2004
4. Sieben Gaben des gelobten Landes:
Liebe geht durch den Magen
Die lange Zeit der
Wüstenwanderung
hat das Volk Israel nur
deshalb überstanden, weil
es die Vision von dem Ziel
hatte: dem gelobten Land, in
dem Milch und Honig fließt.
In 5. Mose 8,8 werden die
Schätze dieses Landes ausgemalt, und es sind nicht zufällig
sieben Gaumenfreuden und
zugleich gesunde, nährstoffreiche Speisen. Aus diesen sieben
Zutaten können zwei Speisen
angeboten zubereitet werden.
Sie erinnern daran, dass auch
bewusste Ernährung für leibseelisches Wohlbefinden wichtig
ist.
Unterstützend bietet es sich an, sich die Vision
vom gelobten Land vor dem inneren Auge auszumalen.
60_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Granatapfel-Trauben-Honig-Getränk mit Feigen
•
•
•
•
2 Esslöffel Joghurt mit
1Teelöffel Honig in einem 0,3l-Glas mischen
100 ml Traubensaft aufgießen
1 Esslöffel geschlagene Sahne (Land, wo Milch
und Honig fließt)
• 1 Teelöffel Granatapfelsirup über die Sahne gießen
Minifeigenscheiben oder frische Feigen in kleinen
Stücken zur Garnierung auf die Sahne geben. Mit
dem Strohhalm trinken.
Weizen-Gerste-Oliven-Knäckebrot
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
100 g Weizenvollkornmehl
100 g Gerstenflocken
2 Teelöffel Backpulver
1/2 Teelöffel Kräutersalz
12 schwarze Oliven, in kleine Stückchen geschnitten
250 g Magerquark
50 g Butter
3 Esslöffel Olivenöl
0,1 l Milch
1 Messerspitze Kreuzkümmel
Aus den Zutaten einen Teig bereiten und eine
Stunde kühl stellen. Teig ausrollen, in Rechtecke
teilen und auf ein Backblech legen. Mit der Gabel
mehrfach einstechen, mit wenigen Schwarzkümmelsamen bestreuen und bei 200 Grad ca. 20 Min
backen.
Dazu passen Oliven und Schafskäse.
5. Schöne Grüße an die Füße: Totes Meer Salz
und Zedernöl
Das mineralstoffhaltige Salz aus dem Toten Meer
wird schon seit Jahrtausenden auch zu heilenden
Zwecken verwendet. Ein Bad Salzwasser hat möglicherweise deshalb eine so wohltuende Wirkung,
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
weil das Salzwasser in seiner Zusammensetzung
dem Blutplasma ähnlich ist, sodass diese Substanzen über die Haut ausgetauscht werden können.
Die Zeder ist ein kräftiger, sehr hoher Baum mit
stark duftendem Holz. Weil Zedernöl im Heiligtum
verwendet wurde, haftet ihm ein Hauch von Heiligkeit an. Im Hohenlied der Liebe vergleicht die
junge Frau die Stärke ihres Geliebten mit einer
Zeder. (Hhld 5,1; Pittroff, Wellness, S. 74)
Anwendung:
In eine fußgroße Schale
• 4 Liter warmes Wasser und
• 1 Esslöffel Totes Meer Salz geben und die Füße
darin baden.
Für das Fußpeeling
• 1 1/2 Esslöffel Olivenöl
• 1 gestrichenen Esslöffel Totes Meer Salz
10 Tropfen Zedernholzöl mischen und die Füße damit abrubbeln. Durch das Entfernen abgestorbener
Hautschüppchen und das Öl wird die Haut samtweich. Danach mit lauwarmem Wasser abspülen.
(Musik: Langsam erwachen, CD Mystery & Meditation)
6. Auf die leichte Schulter nehmen:
Nackenmassage mit Minzöl
Auch in der Bibel kennt man diesen Zusammenhang zwischen Belastung und Last, und es gibt ein
altes Bild dafür: das Joch. Ein hölzerner Bogen, der
Auch wir benutzen dieses Bild, wenn wir davon
sprechen, dass wir uns von jemandem „vor seinen
Karren spannen lassen“.
Erlösung wird dann auf zweierlei Weise geschildert: Gott zerbricht das Joch, und auch Menschen
werden dazu aufgefordert, andere nicht unterzujochen. Jesus sagt es anders: Es bleibt ein Joch, aber
es ist leicht und ermöglicht Ruhe (Matth. 11,29).
Befreiung ist körperlich sichtbar am aufrechten
Gang: Ich habe das Joch zerbrochen und habe
euch aufrecht einhergehen lassen (3. Mose 26,13).
Auch Paulus legt Wert auf den aufrechten Stand:
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht
nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der
Knechtschaft auflegen (Gal 5,1)
Anwendung:
Etwas Minzöl in die Schultern und den Nacken
reiben. Minzöl bewirkt ein erfrischendes kühles
Gefühl auf der Haut. Die Schultern hängen lassen,
sich allmählich aufrichten. Die angegebenen Texte
dabei meditieren.
Das kühle Gefühl im Nacken kann eine leibliche
Erinnerung daran sein, dass Gott uns das Joch von
unseren Schultern nehmen will und auch darauf
achtet, dass wir aufrecht stehen und gehen können.
Tipp: Hände nach dem Einreiben mit Seife waschen, damit das Minzöl nicht versehentlich an
Schleimhäute gerät und brennt. Minzöl ist sehr
dominant im Geruch, deshalb sollte es erst am
Ende des Wellnessabends verwendet werden.
Sonst sind die anderen ätherischen Öle kaum
mehr wahrnehmbar.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_61
GEGEN DEN TREND ’2004
Die Muskulatur von Schultern und Nacken ist
durch unsere Lebensweise (viel Sitzen, wenig
Bewegung) oft besonders verspannt, die Schultern
sind eingezogen oder hängen. In unserer Sprache
drücken wir aus, dass auch seelische BeLASTung
auf den Schultern liegt: Eine Last wird auf meinen
Schultern abgeladen, ein Streit wird auf meinem
Rücken ausgetragen. Dafür muss ich mal wieder
den Kopf hinhalten.
den Rindern auf die Schultern gelegt wird, um den
Ackerpflug zu ziehen. Es ist in der Bibel auch ein
Bild für die Unterdrückung von einem Volk durch
ein anderes, dem Unterjochen.
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
7. Aufrichten zwischen Himmel und Erde:
Bewegungsmeditation
und aus dem Himmel in den Körper aufgenommen
wird.
Diese Bewegungsfolge leitet hin zu aufrechtem
Stehen und bewusstem Atmen.
• Ausgangsposition ist im Stehen, die Füße schulterbreit auseinander, Arme hängen locker herunter. Mit dem ersten Einatmen werden die Arme
seitlich bis zur Waagerechte geführt, Handflächen zeigen nach unten.
• Beim ersten Ausatmen werden die Handflächen
nach oben gedreht.
• Einatmend werden die Arme bis über den Kopf
geführt und die Handflächen zusammen gelegt.
• Diese Position wird beim nächsten Ausatmen
beibehalten.
• Nun werden die Hände bis vor die Brust geführt,
dabei einatmen.
• In dieser Position verharren und ausatmen.
• Beim nächsten Einatmen werden die Hände
waagerecht vor der Brust übereinandergelegt,
beide Handflächen zeigen nach unten.
• Beim Ausatmen werden die übereinandergelegten Hände in einem Halbkreis vor dem Körper
nach unten geführt, so dass sie am Ende vor
dem Unterleib liegen und beide Handflächen
nach oben zeigen.
Man kann die Teilnehmenden dieser Übung zu
diesen Bewegungen passende Sätze finden lassen oder Psalmworte vorgeben. So wird aus einer
Bewegungsfolge ein Gebet.
In einer Gruppe entstand folgender Text:
Jung wie ein Adler, (1)
fülle mich mit deiner Gnade. (2)
Ich bete dich an. (3+4)
Du, Gott der Liebe, (5)
bist bei mir. (6)
Du trägst mich (7)
und hältst mich. (8)
Eine Verbindung mit Psalmworten könnte so lauten:
Du hast vorzeiten die Erde gegründet, (1+2)
und die Himmel sind deiner Hände Werk. (3+4)
Neige mein Herz zu deinen Weisungen, (5+6)
und wende zu mir dein Erbarmen. (7+8)
(nach Ps 102,26; 119,36; 69,17)
Tipp: Man kann die Bewegungsfolge zu ruhiger
Instrumentalmusik ausführen, z.B. „Blick in den
Sonnenuntergang“, CD Wellness – Finde deinen Mittelpunkt, Edition Nordstern Hamburg,
www.quedmusic.de
GEGEN DEN TREND ’2004
Wo der Spaß aufhört
Ursprünglich stammt diese Übung aus dem
Tai-Chi. Man stellt sich dabei vor, dass mit den
aufsteigenden Händen die Energie aus der Erde
62_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Die größten Zuwachsraten im Bereich der Medizin
verzeichnet in Europa die Schönheitschirurgie:
15 - 20 %. Die Operierten sind zu ca. 80 % weiblich, werden immer jünger und sind zum Teil körperlich noch nicht ausgewachsen: Ein Viertel aller
Operationen wird an Frauen zwischen 15 und 25
vorgenommen. In Deutschland sind medizinisch
nicht notwendige Schönheits-OPs an Minderjährigen allerdings verboten. Prof. Mang, Präsident der
Deutschen Gesellschaft für ästhetische Chirurgie,
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
beobachtet den auffälligen Wunsch von Gymnasiastinnen, sich noch vor Schulabschluss einer OP
zu unterziehen. Besonders beliebt bei Jüngeren:
Fettabsaugen, Brustvergrößerungen, Nasenkorrekturen.
„Die körperliche Schönheit, der körperliche Ausdruck, das bodyfeeling sind heute bei den jungen
Menschen wichtiger denn je. Und niemand hätte
ein Problem damit, würde dieses feeling nicht allzu oft bedeutender als der Rest der Persönlichkeit,
interessanter als der Rest der Welt. Körper ist Kult.
Längst hat dieser neue Kult auch seine kultigen
Stätten. Zu ihnen zählen die Wellness-Tempel....“
(Werner Schulz in, Zivil 33/3, 2003, S. 19 ff ).
Literatur
• Uschka Pittroff u.a., Wellness. Die besten Ideen
und Rezepte für die Wohlfühloase zu Hause,
München 2003
• Dorothea Rahm u.a., Einführung in die Integrative Therapie. Grundlagen und Praxis, Paderborn,
3. Aufl. 1995
• Silvia Schroer, Thomas Staubli, Die Körpersymbolik der Bibel, Darmstadt 1998
• CD „Kleider machen Leute“ von Ben, 2003
• Weitere Ideen in: Wellnesspaket Bibel, hrsg. Ev.
Jugend Hannover, www.kirchliche-dienste.de/
jahrderbibel
Christine Tergau-Harms
GEGEN DEN TREND ’2004
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_63
GEGEN DEN TREND ’2004
Reise zum Mittelpunkt - Reise zu mir
64_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
›› Wo bitte
›› Gibt
es etwa
geht's zum
Paradies?
Mobbing in der Schule?
Wo bitte geht's zum Paradies?
Erste Einfälle
GEGEN DEN TREND ’2004
„Bier, Weiber, Fußball“ – die Vorstellungen einer
Gruppe junger Herren der 10. Klasse vom Paradies
waren schnell auf den Punkt gebracht. Bei anderen dauerte es länger und die Äußerungen waren
differenzierter. In der Einheit über Sterben und
Tod wurde auch die Frage nach dem „Danach“
thematisiert. So trivial sie auch sein mögen
– Vorstellungen von diesem utopischen Ort der
Glückseligkeit sind in allen Köpfen vorhanden.
Meist werden sie abgeleitet aus der Überhöhung
momentaner Glückserfahrungen („Bier, Weiber,
Fußball“) oder aus der Umkehr von negativen
Empfindungen (Streit > Harmonie, Krieg und
Gewalt > Frieden, Krankheit > Gesundheit, Tod
> Ewiges Leben). Lässt man Jugendliche auf einer
Phantasiereise in ihr Paradies eintauchen, dann
sind fast immer konkrete Vorstellungen vorhanden, wie dieser Ort aussieht und gestaltet ist:
Eine Insel, ein Strand oder eine Einkaufsstraße,
in der man umsonst einkaufen kann. Häufig wird
das eigene Zimmer genannt – der umfriedete
Raum, in dem man sich auf sich selbst zurückziehen kann.
66_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
(vgl. dazu auch die Untersuchungen von Heiner
Barz zu den sog. „auratischen Orten“ Jugendlicher
in seiner Studie von 1992 „Postmoderne Religion“,
Opladen 1992, S. 58 ff.)
All inclusive – Die Paradiese der Moderne
Letztlich sind es die Vorstellungen vom sorgenfreien Aufgehobensein im Paradiesgarten, an denen
die Urlaubsindustrie anknüpft. Bilder von Traumstränden in der Karibik wecken paradiesische
Gefühle und das „all inclusive“ – Angebot lässt ein
sorgenfreies Leben zu: Bier und Wein fließen in
Strömen und die gebratenen Tauben fliegen einem
zwar nicht von selbst in den Mund, aber das Büffet
lässt keine Wünsche offen. Problematisch ist nur
der Morgen danach: Dröhnschädel und Leberschäden zeigen, dass wir doch noch nicht reif sind für
den Dauergenuss im Garten Eden.
Die modernen Urlaubsparadiese sind Orte, an denen das Elend nichts zu suchen hat. Es sind abgegrenzte Bereiche, zu denen nur die Auserwählten
Zugang haben. Die einheimische Bevölkerung
bleibt draußen – zur gelegentlichen Besichtigung.
Wo bitte geht's zum Paradies?
Ab und zu braucht es den Kontrast, damit man
wieder merkt, wie gut es einem selber geht. Der
Genuss hat eine Feindin: die Gewohnheit. Der
Dauerspaß braucht die Unterbrechung, um wieder
Spaß zu machen. Man versteht plötzlich Wagners
Tannhäuser wenn er mitten in den Wonnen des
Venusberges singt:
Nach Freude, ach! nach herrlichem Genießen
verlangt’ mein Herz, es dürstete mein Sinn:
das, was nur Göttern einstens du erwiesen,
gab deine Gunst mir Sterblichem dahin. Doch sterblich, ach! bin ich geblieben,
und übergroß ist mir dein Lieben;
wenn stets ein Gott genießen kann,
bin ich dem Wechsel untertan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn’ ich mich nach Schmerzen.
So sehr uns die Sehnsucht nach ewiger Glückseligkeit im Herzen brennt, so unfähig sind wir als Menschen, das auch ertragen zu können. Wir brauchen
den Wechsel zwischen dem Wohlleben und dem
Kampf ums Dasein, zwischen Entspannung und
Anstrengung, zwischen Ruhe und Aufregung. Als
Sterbliche sind wir anfällig für die Krankheit der
Langeweile und die befällt uns, wenn ein – auch noch
so paradiesischer Zustand – zu lange andauert.
Was sagen andere?
Worterklärungen:
Paradies stammt aus dem altpersischen pairidaeza, was so viel wie „ummauerter Bezirk“ oder auch
„Garten“ bedeutete.
Im Althochdeutschen wird
mit „gart“ ein Kreis bezeichnet. Davon sind der
„Gürtel“ und das „Umgürten“ abgeleitet.
Ein Garten ist also ein
Bereich, der von etwas
Kreisförmigem umgrenzt und geschützt wird.
Prototyp für die orientalische Paradieserwartung
ist der sumerische Mythos von Enki und Nichursanga, der von Tilmund berichtet, dem Land der
Seligen, wo unter Menschen und Tieren Friede
herrscht, Schmerz, Leid und Alter hingegen unbekannt sind.
In seiner Sure 56, 12 spricht der Koran von den
„Gärten der Wonne“, in denen es klares Wasser,
Milch und Honig, Speisen und Wein in Hülle und
Fülle gibt.
Die Gärten der Hesperiden und die Elysischen
Gefilde sind in der griechischen Mythologie diese
Orte, an denen das Leben vollkommen wird.
Auch die Vorstellung von der „Insel der Seligen“,
die in Platons „Atlantis“ und keltischen Mythen
auftaucht, lebt von dem Moment der Abgrenzung.
Glück, Frieden und Wohlgefühl müssen geschützt
werden von den Kräften der Finsternis und des
Bösen.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_67
GEGEN DEN TREND ’2004
Paradies ist Sehnsucht. Menschen brauchen anscheinend einen Ort, an dem sich alles das befindet, was sie in ihrem Alltag schmerzlich vermissen
oder an dem das, was ihnen lieb und teuer, nicht
der Vergänglichkeit unterworfen ist, sondern ewigen
Bestand hat. Alle Religionen dieser Welt bedienen
dieses Bedürfnis mit den unterschiedlichsten Vorstellungen und Erzählungen vom Paradies.
In vielen Kulturen ist die
Vorstellung eines Paradieses eng mit dem Symbol
des Gartens verknüpft.
Das deutsche Wort Garten
meint einen eingefriedeten Bereich, einen Raum,
aus dem Negatives ausgegrenzt wird, in dem der
Friede wohnt.
Wo bitte geht's zum Paradies?
In allen Paradiesen der Menschheit sind Gerechtigkeit, Freiheit, Glückseligkeit, Harmonie und
Frieden zu finden. Dazu die Aussöhnung mit der
Natur, das friedliche Zusammenleben mit Flora
und Fauna. In allen Paradiesen fehlen das Leiden
und der Tod.
GEGEN DEN TREND ’2004
Was wir in den Traditionen der Völker und ihrer
Kulturen an Vorstellungen entdecken, lässt sich
auch aus den Lebenserfahrungen des einzelnen
Menschen erklären. Die Erfahrung der Geburt ist
das wohl einschneidendste Erlebnis im Leben
(vom Tod konnte noch keiner berichten). Aus der
Wärme und dem Versorgtsein im Mutterleib wird
man hinausgedrängt und in die kalte Welt geworfen. Fortan muss man für sich selber sorgen.
Anfangs reicht ein Brüllen aus, um Nahrung und
Zuwendung zu bekommen. Später wird es komplizierter. Kein Wunder, dass sich auch aus diesen
Erfahrungen, die jeder Mensch gemacht hat, Mythen vom paradiesischen Urzustand der Menschheit ausgebildet haben. Das ganze Leben ist erfüllt
von der Sehnsucht auf Rückkehr in die ursprüngliche Geborgenheit. Als Symbol für diese Sehnsucht
haben die Menschen das Bild des Gartens gefunden.
Hubertus Halbfass formuliert es so: „Die tatsächlichen Gärten des Orients geben unserer Mythe
ihr symbolisches Vorbild: Gott nimmt die Menschen in einen Raum der Geborgenheit, in dem sie
friedvoll leben können. Ähnliches erfährt ein Kind,
wenn es gleich nach der Geburt von der Mutter
umarmt und in der Folgezeit alle Stunden wieder
in die Arme genommen wird. Die umfangenden
Arme sind auch ein gart-Symbol. Der Wunsch, in
den Armen eines anderen aufgehoben zu sein,
ist aber nicht nur ein Kinderthema: Jeder Mensch
träumt diesen Wunsch, wenn er sich nach Liebe
sehnt – bis zu seinem Tod, ja sogar über den Tod
hinaus... Die Geschichte vom Gottesgarten, der für
die Menschen angelegt wird, sagt also: Ich, Gott,
habe euch in meine Arme genommen. Seid euch
68_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
des Schutzes und der Geborgenheit in meinen
Armen sicher.
(aus: Hubertus Halbfas, Religionsbuch für das
7./8. Schuljahr, Düsseldorf 1990, S. 186)
Zuspitzung
Unsere biblische Tradition
Die alttestamentliche Paradiesvorstellung knüpft
an die Gartentradition altorientalischer Religionen
an und führt sie weiter. In der Erzählung von Gen
2-3 wird weniger ein paradiesischer Urzustand
vorgestellt, als
vielmehr eine
Deutung der
Welterfahrungen der Gegenwart gegeben.
Der Mensch,
der im Garten
Eden unter der
Obhut Gottes
sorgenfrei
leben konnte,
hat sich selbst
aus diesem Zustand herausbewegt. Indem
er das Verbot übertrat, vom Baum der Erkenntnis
zu essen, ist er aus dem paradiesischen Urzustand
herausgefallen und muss nun die Welt zur Kenntnis nehmen, wie sie ist: mit ihren guten und bösen
Seiten. Gott wirft den Menschen aus dem Garten
hinaus und verwehrt ihm eine Rückkehr. Wenn
der Mensch erst einmal die Erkenntnis der Welt
gewonnen hat, dann ist das ein unumkehrbarer
Prozess. Es gibt keinen Weg wieder dahin zurück
– das Paradies ging durch Erkenntnis, durch Bewusstsein für immer verloren. Deswegen ist die
Vertreibung aus dem Paradies im Grunde genommen gar nicht mal in erster Linie ein Ortswechsel.
Vielmehr ist es ein Wechsel der Wahrnehmung.
Fortan wird der Garten zur Welt, die ungefiltert
Wo bitte geht's zum Paradies?
ins Bewusstsein dringt und verstanden wird. Der
Fluch, mit dem Gott den Menschen zum Abschied
belegt, ist weniger eine Verwünschung als vielmehr eine Entlassung in die Härte der Realität.
Wer diese Geschichte erzählt bekommt, weiß wo
er lebt und wie es um die Welt bestellt ist. Die
Partnerschaft zwischen Mann und Frau ist zum
Problem geworden. Die Arbeit zum Broterwerb ist
um die Komponente der Mühsal erweitert worden.
Es herrscht Feindschaft zwischen Mensch und
Natur. Und vor allem: Die Rückkehr in den paradiesischen Urzustand wird verwehrt. Der Cherubim
mit dem Flammenschwert bewacht den Eingang
zum Garten Eden. Unvergessen die Filmszene in
„Matrix“, in der der Rebell Cypher mit den Agenten
um seine Rückkehr in die Traumwelt der Projektionen verhandelt – der geträumte Biss in das saftige
Filetsteak ist ihm lieber als die Beschwernis der
erkennenden Existenz. Doch in Wirklichkeit ist die
Regression in den Urzustand absoluter Naivität
nicht möglich. Eine Erkenntnis, ein Gedanke kann
nicht wieder rückgängig gemacht werden. So hält
die biblische Erzählung in geschickter Weise fest,
was zur Situation des Menschen unabdingbar
dazugehört: Er kann die Welt erkennen und muss
sie gleichzeitig bewerten – in gut und böse, in Lust
und Schmerz, in Freud und Leid. Im Paradies gab
es weder Erkenntnis noch Bewertung und das war
gut so.
6 Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen
und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner
Am Ende wird es wieder sein wie am Anfang.
Der Friede Gottes wird die Welt durchdringen
und ein versöhntes Miteinanderleben ermöglichen.
Farbe bekennen
Was bedeutet „Paradies“
in unserer Arbeit
mit Jugendlichen?
Mit Paradiesen werden Jugendliche tagtäglich
konfrontiert. Auf dem Weg zur Schule kommen sie
an Wasser-, Bier-, Betten-, Bücher-, Bräunungs-,
Fingernagel- und sonst was für Paradiesen vorbei.
Mit ihren Eltern grübeln sie, in welchem Urlausparadies sie dieses Jahr die Ferien verbringen wollen.
In unzähligen Werbespots sind sie den Paradiesversprechungen der Werbeindustrie ausgesetzt
und müssen zusehen, dass sie ihre Wünsche unter
Kontrolle behalten.
Dabei träumen sie sich selbst in ihre eigenen Paradiese hinein, erdenken sich Welten in denen Friede
und Gerechtigkeit herrscht und die Natur wieder
intakt ist. Mit der ersten Liebe schweben sie sogar noch über das Paradies hinaus in den siebten
Himmel („If paradies is half as nice as heaven you
take me to – who needs paradies?“ sang dereinst
die Gruppe Amen Corner).
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_69
GEGEN DEN TREND ’2004
Wenn aber die Rückkehr verwehrt ist, was bleibt
dann dem Menschen, um mit der friedlosen Gegenwart fertig zu werden? Die reine Wirklichkeit
ist zu wenig, um daraus Kraft und Hoffnung zu
schöpfen. Deswegen werden Motive der Paradiesgeschichte auch wieder zu Hoffnungsbildern für
die Zukunft. So greifen die Heilsweissagungen im
Buch des Propheten Jesaja diesen Fluch Gottes
wieder auf, um die Vorstellung vom zukünftigen
Heil zu beschreiben:
Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh
miteinander treiben.
7 Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass
ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden
Stroh fressen wie die Rinder.
8 Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter,
und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken
in die Höhle der Natter.
9 Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf
meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land
wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser
das Meer bedeckt.
(Jesaja Kap.11, 6 – 9)
Wo bitte geht's zum Paradies?
Ihr Zimmer gestalten Jugendliche als einen Ort,
an dem sie sich aufgehoben und geborgen fühlen
– das eigene Zimmer ist ein Paradies, in das man
zurückkehren kann, wenn man möchte, wenn man
einmal aus der bösen Welt abtauchen muss. Auf
dem Weg in die Welt scheint man einen Ort zu
brauchen, an dem man aufgehoben ist mit seinen
Enttäuschungen und Ängsten, einen Ort, an dem
man neue Kräfte schöpfen kann. Regression ist
nicht grundsätzlich negativ zu bewerten, sie kann
auch ein notwendiges Innehalten vor dem nächsten Schritt sein.
GEGEN DEN TREND ’2004
Als Verlockung, als Traum- und Rückzugsort begegnet Jugendlichen eine Vorstellung vom Paradies. Die Frage ist, welche Vorstellungen in der
religionspädagogischen Arbeit mit Jugendlichen
thematisiert werden sollen. Sinnvoll wäre es, ein
Gegengewicht zu den regressiven Tendenzen zu
schaffen und das Paradies als einen Gedanken zu
begreifen, der Zukunft eröffnet.
Lange Zeit stand alles, was mit dem Thema Paradies zusammenhing – man denke hier z. B. an
Ewigkeit, ewiges Leben, Reich Gottes – unter dem
Verdacht der Vertröstung. Bekannt ist die These
von Karl Marx, Religion (und damit die Hoffnung
auf ein besseres Leben nach dem Tod) sei „Opium
für das Volk“. Hoffnungsbilder wie das des Paradieses sollten die Menschen von der Wirklichkeit
ablenken und ihnen den Mut und die Kraft zur
Veränderung der Verhältnisse nehmen. Natürlich
wird man sich dem sachlichen Gehalt dieser These
nicht entziehen können und in der kirchlichen Verkündigung hat es viel solches „Opium“ gegeben.
Trotzdem ist zu fragen, ob solche Hoffnungsbilder
nicht auch eine wichtige, ja, vielleicht sogar unentbehrliche Funktion haben. Leben in dieser Welt ist
immer gefährdetes Leben. Das Wissen darum ist
tief in der Menschheit verwurzelt. Die Erfahrungen
von Leiden und Sterben sind umso schmerzhafter geworden, je mehr sich die Denkfähigkeit des
Homo Sapiens ausgebildet hat. Die Vorstellungen
70_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
von einem „Danach“ sind ein Produkt menschlicher Intelligenz, die weiter fragt, auch über den
begrenzten Horizont eines Lebens hinaus. Dass
diese Vorstellungen mehr sind als nur eine Vertröstung auf ein besseres Jenseits zeigen verschiedene Religionen ganz deutlich. Der Gedanke an ein
Paradies ist immer auch verbunden mit der Frage
der Zulassung: Wer wird einmal durch die enge
Pforte hindurch dürfen? Bei den Ägyptern war es
der Gott Osiris, der die Herzen der Verstorbenen
auf seine Waage legt und mit dem Gewicht der
Maat (Wahrheit) wiegt. In der populären Form der
christlichen Paradiesvorstellung steht Petrus vor
dem himmlischen Tor und gewährt oder verweigert
den Zutritt. Im offiziellen Glaubensbekenntnis ist
es allerdings Jesus Christus selbst, der Lebende
und Tote richten wird. Der Zugang zu den ewigen
Wonnen ist geknüpft an ein entsprechendes Leben
im Diesseits. Das Leben ist wie der Aufstieg auf
einer steilen Leiter hin zum Himmel, wobei es gilt,
den Versuchungen des Lebens bzw. des Versuchers zu widerstehen. Es ist
also keineswegs
so, dass die Vorstellung eines
paradiesischen
Ortes jenseits
dieser Welt nur
vertröstenden
Charakter hat.
Es ist auch ein
Bild, das Kräfte
zur Gestaltung
des Lebens wach
ruft. In der Hoff-
Wo bitte geht's zum Paradies?
nung auf Belohnung in der Ewigkeit wird sich im
Leben jetzt darum bemüht, das Gute zu tun.
Seit Luther hat es einen nicht unerheblichen
Wandel in dieser religiösen Auffassung gegeben:
Nunmehr ist nicht die Leistung des Guten die Voraussetzung für die Aufnahme ins Paradies, vielmehr wird die Zukunft bei Gott, die als Geschenk
über den Menschen kommt, zum Antrieb, ein
Leben zu führen, das dem zukünftigen Sein schon
jetzt entspricht. Das Gute tun in der gewissen Zuversicht, dass man einmal bei Gott gut aufgehoben
sein wird.
Die Vorstellung des Paradieses ist zum einen also
ein Trostgedanke, der dem Menschen über das
Woher und Wohin des Lebens, das dem Erkennen
verborgen ist, etwas zum Glauben gibt. Aus dem
Paradies bist du gekommen und dorthin wirst du
zurückkehren – dieser Zuspruch kann zum anderen
Hoffnung wecken und damit dann auch Energien
zur Gestaltung des Lebens freisetzen.
Transfer, Vermittlung,
Umsetzung
Zum Thema „Traumort“:
Phantasiereise in mein Paradies
Mit einer Phantasiereise können die verborgenen
Bilder und Vorstellungen von Paradiesen Jugendlichen bewusst gemacht werden. Ziel könnte dabei
sein, zum einen die jeweils individuelle Prägung
der Vorstellungen wahrzunehmen, zum anderen,
die gemeinsamen Elemente in der Verschiedenheit
zu entdecken.
(Diese Phantasiereise wurde entwickelt von Sibylle Beckmann, Lehrerin am Kurt Schwitters Gymnasium, Hannover)
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_71
GEGEN DEN TREND ’2004
Wir machen uns nun auf den Weg und unternehmen eine Reise, eine Phantasiereise.
Schließt die Augen - so kann man gut träumen,
nicht schlafen.
Setz dich möglichst bequem hin und konzentriere
dich darauf, wie du deinen Körper spürst.
Fühle deine
Füße bis in die
Fußspitzen
- deine Beine
- die Schultern
- Arme und
Hände.
Du bist ganz
ruhig und entspannt.
Achte auf
deinen Atem, das Ein- und Ausatmen. Während du
so dasitzt - mit geschlossenen Augen - und deine Aufmerksamkeit ganz auf deinen Körper und
deinen Atem gelenkt hast, denkst du dich weg aus
dem Klassenraum, aus der Schule.
Du bist an einem Ort, an dem du schon immer sein
wolltest. Es ist der Ort deiner Träume, du fühlst
dich wohl und nimmst deine Umgebung intensiv
wahr: das Licht - die Farben – die Gerüche – die
Geräusche.
Mit all deinen Sinnen nimmst du diesen Ort in dir
auf. Vielleicht verweilst du an einigen Einzelheiten
auch etwas länger.
Du bewegst dich von diesem Ort fort, nimmst Veränderungen in deiner Umgebung wahr, vielleicht
begegnet dir jemand.
Du empfindest eine innere Zufriedenheit und
fühlst dich als Teil dieses Ortes. Tief in deinem
Inneren bist du dir sicher, in deinem Paradies
angekommen zu sein. Du spürst, wie du einatmest
und ausatmest.
Nach und nach verlässt du diesen Ort, du spürst,
wie du sitzt, wie deine Füße den Boden berühren,
den Stuhl, auf dem du sitzt.
Du kehrst zurück in die Klasse und machst die Augen wieder auf. Du greifst - ohne zu sprechen - zu
deinem Stift und schreibst auf, was du auf dieser
Reise gesehen, was du erlebt hast.
Wo bitte geht's zum Paradies?
Nach dieser Phantasiereise können die Jugendliche entweder Texte schreiben, in denen sie
ihre Phantasien ausdrücken (Vgl. unter Punkt
7 A die Textsammlung) oder sie können kreativ
etwas gestalten – man kann zum Beispiel an
Stelle des üblichen DIN-A-4-Bogens auch runde
Papp- oder Tortenteller (im Gastronomiebedarf
erhältlich) verteilen, die dann zu gestalten
sind.
ohne Konflikte ist, die über allen Konflikten aber
eine gemeinsame Grundlage hat, die alle verbindet: die Beziehung zu Gott. Plötzlich kann auch die
Erkenntnis wachsen, dass Paradies vielleicht auch
etwas mit Gemeinschaft zu tun hat und weniger
ein individuell-einsamer Ort der Glückseligkeit ist.
Paradies ist dort, wo Gottes Friede Menschen verbindet – das kann jetzt sein und wird hoffentlich
einmal dereinst sein.
Weiterführende Aufgabenstellung wäre dann
zunächst ein Vergleich der Ergebnisse. Welche
Vorstellungen kommen bei allen vor? Welche sind
ganz individuell? Welche Elemente alter Paradiestraditionen tauchen auf?
Zum Thema „Vertreibung aus dem Paradies“:
Den Schock der Erkenntnis erleben
GEGEN DEN TREND ’2004
Zum Thema „Urlaubsparadiese“:
Die Gemeinschaft der Heiligen als Schutzraum
und Vorgeschmack aufs Paradies
Wer kennt nicht die Abschiedsszenen bei Sommerfreizeiten der Evangelischen Jugend: Man liegt
sich in den Armen, die Tränen kullern und nur
mühsam kann man sich von denen trennen, die
in zwei oder drei Wochen zu einer Gemeinschaft
zusammengewachsen sind. Manchmal wird auch
der direkte Vergleich nicht gescheut: „Es war wie
im Paradies!“ Fragt man, was der Grund für dieses
Gefühl ist, wird in der Regel von der guten Gemeinschaft gesprochen: „Hier kann ich leben, ohne
Angst haben zu müssen. Angst nicht gut anzukommen, Angst die falschen Klamotten zu haben,
die falsche Meinung zu äußern. Ich bin akzeptiert
von den anderen.“ So brachte es jüngst eine
Teilnehmerin auf den Punkt. Christliche Gemeinschaft als Schutzraum, in dem man sich endlich
einmal entfalten darf. Auch Jugendgruppen oder
Religionskurse können zu solchen Schutzräumen
werden, in denen die Ahnung vom Paradies wieder
aufleben kann. Offene Gespräche und das gemeinsame Angewiesensein auf Vergebung lassen ein
besonderes Klima entstehen, in dem gute Gemeinschaft wachsen kann. Gemeinschaft, die nicht
72_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Auf einer Sommerfreizeit inmitten der wilden
schwedischen Natur behandelten wir mit den
Jugendlichen die Themen der Urgeschichte. Die
Vertreibung aus dem Paradies wollten wir den 45
Teilnehmenden möglichst hautnah vermitteln.
Dazu ließen wir alle sich unter einen großen weißen Fallschirm setzen, den wir am Ast eines Baumes aufgehängt hatten. Unter der großen Kuppel
saßen nun alle dicht gedrängt und lauschten der
Erzählung von der Erschaffung des Paradiesgartens. Im Hintergrund konnte man leise die „Vier
Jahreszeiten“ von Vivaldi hören. Durch die weiße
Fallschirmseide fiel ein weiches Licht - wir konnten einander wahrnehmen, aber nicht sehen, was
um uns herum war. Dann kam die Stelle mit der
Schlange und dem Apfel. Als es hieß „…und ihnen
wurden die Augen aufgetan“ änderte sich die
Musik („Titan“ von Mahler) und der Fallschirm
wurde ruckartig hochgezogen. Von einem Augenblick zum anderen konnten wir die Welt bzw.
Natur um uns herum sehen. Gleichzeitig spürten
wir, wie ein kalter Wind uns frösteln ließ (unter
dem Fallschirm war es angenehm warm gewesen).
Gleichzeitig eröffnete sich ein weiter Raum, der
zuließ, dass man weiter voneinander abrückte.
Anhand der verschiedenen Erfahrungen konnten
dann die Ambivalenz thematisiert werden, die der
Verlust des Paradieses bedeutet (Erkenntnis- und
Raumgewinn bei gleichzeitigem Verlust der Geborgenheit).
Wo bitte geht's zum Paradies?
Weiterführende
Fragestellungen
In vielen Mythen und Märchen wird die Zerbrechlichkeit des Paradieses betont. Menschen kommen immer wieder in paradiesische Zustände
– allerdings nicht für sehr lange. Bewusst oder
unbewusst werden die Gebote verletzt, die das Paradies schützen sollen. Ein schönes Beispiel dafür
ist die folgende Geschichte aus dem Kulturkreis
der Inuit:
Die Seele des Wals und das brennende Herz
Es war einmal ein dummer und gespreizter Rabe,
der zum Meer flog, weit, weit hinaus. Er flog und
blieb am Fliegen, weit und immer weiter, und als
er müde wurde und nach Land ausspähte, da war
kein Land mehr da. Zuletzt war er so müde, dass
er sich nur noch etwas über der Wasseroberfläche
halten konnte. Und als plötzlich ein großer Wal
dicht vor ihm auftauchte, wurde er so verwirrt,
dass er diesem geradewegs in den Schlund hinein
flog. Einen Augenblick blieb es dunkel um ihn herum. Es sauste und plätscherte, und als er schon
glaubte, sterben zu müssen, taumelte er in ein
Haus hinein, in ein schönes und reizendes Haus,
wo es hell und warm war. Auf der Schlafbank saß
eine junge Frau und machte sich an einer brennenden Lampe zu schaffen. Sie erhob sich, ging
freundlich auf den Raben zu und sagte: »Du bist
mir als Gast willkommen, wenn du mir nur einen
einzigen Wunsch zu erfüllen gelobst: Du darfst
niemals meine Lampe anrühren.«
Der Rabe, der nun zur Ruhe gekommen war und
seine Angst vergessen hatte, fing an, neugierig zu
werden. »Was kann das sein, dass ich die Lampe
nicht anrühren darf?« dachte er; und jedes Mal,
wenn die Frau hinausschlüpfte und er allein blieb,
bekam er immer größere Lust, sein Versprechen
zu brechen und hinzugehen, um die Lampe - nur
ein ganz klein wenig - zu betasten. Zuletzt konnte
er seine Neugier nicht länger zügeln, und als die
Frau wieder zur Tür hinausschlüpfte, sprang er
hin und berührte den Docht der Lampe. Im selben
Augenblick taumelte die Frau kopfüber zur Tür
hinein, fiel auf den Fußboden und blieb da liegen,
während die Lampe erlosch. Zu spät bereute der
Rabe, was er getan hatte; er schwankte umher in
schwarzer Finsternis; das schöne, helle Haus war
nicht mehr da. Er war nahe daran, zu ersticken.
Er irrte zwischen Speck und Blut umher, und so
heiß wurde es, dass seine Federn abfielen. Halb
erstickt taumelte er im Bauch des Wals umher, und
nun erst begriff er, was geschehen war. Die junge
Frau war die Seele der Walin. Sie schlüpfte zur Tür
hinaus in die frische Luft jedes Mal, wenn die Walin Atem schöpfen musste, und ihr Herz war eine
Lampe mit großer und ruhiger Flamme. Der Rabe
hatte aus bloßer Neugier das Herz der jungen Frau
berührt, und darum war sie gestorben. Er wusste
nicht, dass das Feine und Schöne auch zerbrechlich, vergänglich und leicht zu vernichten ist, denn
er selbst war dumm und von zähem Leben. Nun
aber kämpfte er um sein Leben in Finsternis und
Blut. Alles, was zuvor schön und rein war, war nun
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_73
GEGEN DEN TREND ’2004
Der Rabe war glücklich, dass er sein Leben gerettet hatte, und beeilte sich, ihr zu versichern, dass
er die Lampe niemals anrühren würde. Dann setzte
er sich auf die Schlafbank und wunderte sich, wie
fein und rein es in dem kleinen Hause war. Es war
ein Haus aus Walfischknochen, gebaut wie die
Wohnungen der Menschen, und alles darin war
so eingerichtet wie bei den Menschen. Aber eine
seltsame Unruhe lag über der jungen Frau; sie
saß niemals längere Zeit still; in kurzen Zwischenräumen erhob sie sich von der Schlafbank und
schlüpfte zur Tür hinaus. Es dauerte nur einen
Augenblick, dann kam sie wieder herein; aber
gleich danach war sie wieder fort. »Was macht
dich so unruhig?« fragte der Rabe. »Das Leben«,
antwortete die junge Frau, »das Leben und mein
Atemzug.« Aber diese Antwort verstand er gar
nicht.
Wo bitte geht's zum Paradies?
hässlich und übel riechend geworden. Endlich
glückte es ihm, auf dem gleichen Wege hinauszuschlüpfen, auf dem er hineingekommen war, und
da saß er nun, ein halbnackter Rabe, beschmiert
und besudelt, auf dem Rücken eines toten Wals.
Hier blieb er sitzen und lebte vom Aas, während
Wind und Wellen ihn hin und her warfen. Seine
Flügel waren zerbrochen durch Hitze und Blut, so
konnte er nicht mehr fliegen. Ein Sturm trieb ihn
endlich dem Land zu. Die Menschen sahen den
toten Wal und ruderten in ihren Booten hinaus, um
Speck und Fett zu bergen. Als der Rabe sie sah,
verwandelte er sich augenblicklich in einen Mann,
in einen kleinen, hässlichen, dunkelhäutigen und
zerzausten, struppigen Mann, der oben auf dem
Wale stand. Er sprach gar nicht davon, dass er
aus lauter Neugier ein Herz angerührt und etwas
Feines und Schönes zerstört hatte; er prahlte nur
überheblich: »Ich bin es, der den Wal getötet hat!
Ich bin es, der den Wal getötet hat!« Und er wurde
ein großer Mann unter den Menschen.
(H. Halbfas, Religionsbuch für das 7./8. Schuljahr,
Düsseldorf 1990 S. 187f.)
Es kann sich lohnen, mit Jugendlichen auf eine
Endeckungsreise zu den in dieser Geschichte
verborgenen zu gehen. Ist es doch ein merkwürdiges Paradies, das da beschrieben wird. Vielleicht
kämpfen zwei Stimmen in dem Raben miteinander,
bevor er zu der unheilvollen Tat schreitet. Was
sagen diese Stimmen?
Vielleicht denkt die Frau bei ihrem letzten Gang
nach draußen noch darüber nach, ob sie den
Raben wirklich allein lassen kann. Hat sie keine
Möglichkeit, das Licht zu schützen?
Vielleicht interviewt ein findiger Reporter den nun
mehr berühmten Mann nach einigen Jahren über
den Grund seines Erfolges. Inzwischen hat er einiges recherchiert.
Eine weiterführende Fragestellung könnte sein,
welche Beispiele es in der Geschichte und in der
Gegenwart dafür gibt, wie Menschen selber paradiesische Zustände zerstören und welche geheimnisvollen Kräfte sie dazu eigentlich antreiben.
Materialien – Literatur
GEGEN DEN TREND ’2004
A Texte von Schülerinnen und Schülern der 10
Klasse eines Gymnasiums nach der Phantasiereise zu ihrem Traumort/ihrem Paradies
(Diese Texte wurden von Sibylle Beckmann, Lehrerin am Kurt Schwitters Gymnasium in Hannover,
zur Verfügung gestellt):
1
Ich war auf einer Insel irgendwo im Mittelmeer.
Es war angenehm warm. Man hörte das Meer, die
Tiere und die Einheimischen, die auf ihren Instrumenten Musik machten. Ich ging barfuss im lauwarmen Sand entlang und genoss die Stille, die
Palmen, das gute Wetter, den blauen Himmel, die
ganze Atmosphäre. Nur nette Menschen, die mich
einluden mit ihnen zu tanzen.
74_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Wo bitte geht's zum Paradies?
2
Ich war in einer Art Wald, wo es weiße Blütenblätter von den Bäumen herabschneite. Die Bäume
waren sehr hoch und ich konnte das Moos unter
meinen Füssen spüren. Durch die Bäume hindurch
schienen Lichtstrahlen, die den ganzen Wald warm
und hell machten. In der Nähe war ein kleiner Wasserfall, der zu einem Bach wurde. In dem Wasser
sah ich Fische und Frösche. Das Wasser war warm
und angenehm kühl zugleich. Ich ging weiter den
Bach entlang und kam zu einer Biegung. Ich ging
weiter und entdeckte eine Lichtung, in der an großen Büschen Beeren waren. Ich sammelte welche
und aß sie. Sie schmeckten süßlich. Danach war
ich wieder im Klassenzimmer.
3
Ich habe zuerst an meinen bisherigen Urlaub gedacht. Ich habe nach Orten gesucht, die mir gefallen haben oder mir gefallen könnten. Ich war in
Afrika am Strand, in Spanien, an unserer Promenade am Strand, wo wir immer lagen, in den Bergen.
Ich merkte, keiner dieser Orte war perfekt. Dann
kam ich darauf, war mir wichtig ist: Strand und
Meer, warme, aber nicht heiße Temperatur. So kam
ich plötzlich auf Cuxhaven. Ich sah den Strand, die
Promenade, das Restaurant, die Leute vor mir. Ich
sah mich in frühere Zeiten versetzt, erinnerte mich.
Es war angenehm warm, aber nicht zu heiß. Es war
Betrieb am Strand, aber nicht zu voll. Ich fühlte
mich völlig frei, ohne Sorgen. Das Überlegen, das
Suchen nach dem „Paradies“ dauerte ziemlich lange, so konnte ich nicht wirklich diesen Ort genießen. So musste ich nach kurzer Zeit schon wieder
zurück.
5
6
7
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_75
GEGEN DEN TREND ’2004
4
Ich war an einem schönen kilometerlangen Strand
in Australien, dem Bonday Beach. Im Hintergrund
konnte ich die Metropole Sydney sehen, riechen
und spüren. Ich lag einfach nur im Sand und
guckte den Surfern beim Surfen zu. Ich konnte
außerdem jede Menge Leute sehen die lachten,
sangen und denen man anmerken konnte, dass sie
sich ebenfalls wohl fühlten an diesem Ort. Als ich
mich schließlich entschloss aufzustehen und den
Strand entlang spazieren zu gehen, sah ich jede
Menge Souvenirshops, in denen man viele nette
Sachen kaufen konnte. Am Ende ging ich noch
in die Innenstadt, wo man die Freundlichkeit der
Menschen ebenfalls spürte. Viele grüne Plätze und
Parks erinnern mich an meine Zeit als kleines Kind
und die Wolkenkratzer an meine Träume als Kind.
Wo bitte geht's zum Paradies?
8
Das Paradies bedeutet für mich, an einem schönen
und einsamen Ort zu sein. Irgendwo, wo man ungestört nachdenken und die Ruhe genießen kann.
An einem Ort, wo man frei ist und alles tun kann,
was man möchte und wo es keine Schmerzen,
keine Angst und auch keine Gewalt gibt. Wenn
ich das Wort Paradies höre, denke ich an weite
Wälder, die von Menschen unberührt sind und an
das Meer. Andererseits ist das Paradies auch die
Gemeinschaft mit anderen Menschen für mich, mit
denen man reden und Gefühle austauschen kann.
Das Paradies muss aber auch kein bestimmter Ort
sein, sondern man kann es auch im Alltag finden,
wenn man sehr glücklich ist zum Beispiel.
GEGEN DEN TREND ’2004
9
Ich war in einem Zimmer mit zwei Fenstern. An der
Wand sah ich Bilder und in einem Regal einen Stapel Zeitungen und Bücher. Es war warm und roch
nach Sommer. Noch jemand war im Zimmer. Doch
ich habe nur einen Schatten sehen können. Ich
sah, dass der Fernseher lief, aber ich habe nichts
gehört. Niemand hat gesprochen. Trotzdem habe
ich mich sehr wohl gefühlt.
10
Mein Zimmer ist mein Paradies. Wenn ich die
Tür hinter mir schließe, habe ich das Gefühl von
Freiheit. Ich öffne alle Fenster und kann ganz tief
einatmen, ohne Angst davor zu haben, dass ich
mich mit irgendwelchen Abgasen vergiften könnte.
Ich mache Musik an und lege mich auf den Boden.
Hier kann ich die Musik nicht nur hören sondern
auch spüren. Wenn ich die Augen schließe, fühle
76_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
ich mich manchmal, als würde ich schweben. Mein
Zimmer ist meine kleine Welt, die ich mir ganz
allein geschaffen habe, mit allen Sachen, die ich
liebe. In meinem Paradies bin ich gerne alleine.
Aber manchmal brauche ich hier auch ein bisschen
Gesellschaft. In meinem Zimmer habe ich das Sagen, ich kann tun und lassen was ich will. Das ist
etwas sehr Wichtiges für mich. Ich brauche einen
Raum, in den ich mich zurückziehen kann.
B Eine Predigt von Dorothee Sölle über die
Vertreibung als Befreiung
Der Baum der Erkenntnis und der Baum des
Lebens:
Predigt über 1. Mose 3,13-24
Liebe Schwestern, wir stehen in einer Tradition,
die uns beleidigt. Von der Rippe bis zur Hexe bis
zur “Emanze” - ein Beleidigungszusammenhang.
... Gegen diese Beleidigungstradition steht die der
Befreiung. Schiller hat den so genannten Sündenfall als den glücklichsten Moment der Weltgeschichte verstanden. Die Wörter Sünde und Fall
erscheinen im biblischen Text nicht, wohl aber das
Wort vertreiben, austreiben. Austreibung ist eine
Phase des Gebärens. Die Frucht wird ausgetrieben
aus dem Mutterleib, in dem alles mühelos da war,
Atem und Nahrung. Aber jetzt beginnt das Leben,
die Arbeit, die Mühe und die Sexualität. Adam und
Eva verlassen den Garten und kommen heraus in
die Kälte und Härte des Lebens. „Coming out“ ist
ein Wort, das in der homosexuellen Befreiungsbewegung eine große Rolle spielt. Es bedeutet, dass
Menschen ihre Sexualität nicht mehr unter erniedrigenden und zerstörerischen Umständen geheim
halten müssen. Coming out - herauskommen - ist
ein Befreiungswort. Lasst uns die biblische Tradition im Sinne des Coming out verstehen. Die
ersten Menschen kommen heraus, sie entdecken
sich selber, sie finden die Freude des Lernens, das
Glück des Schönen und die Erkenntnis. Lasst uns
Wo bitte geht's zum Paradies?
Eva loben, die das zuwege gebracht hat! Ohne
Eva säßen wir noch immer auf den Bäumen. Wir
wüssten nicht, was Erkenntnis bedeutet, ohne die
Neugier der Eva. ...
Aus: D. Sölle, Uns ist noch nicht erschienen, was
wir sein werden. dtv München 1987
Fragestellung:
Erkenntnis oder Geborgenheit – Adam und Eva haben ihren ersten Ehekrach und diskutieren heftig,
ob sie den Rat der Schlange befolgen sollen.
Ralph-Ruprecht Bartels
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_77
GEGEN DEN TREND ’2004
Unsere Situation ist, dass wir von dem Baum der
Erkenntnis gegessen haben, der Baum des Lebens
aber nicht erreichbar ist. Wir können erkennen,
Erkenntnis gewinnen, Verantwortung tragen, aber
das Leben ist nicht in unserer Hand. Das ewige
Leben ist uns verwehrt und unser tiefster Wunsch,
zurück ins Paradies zu kommen, geht darauf, auch
von dem anderen Baum zu essen und eins mit dem
Leben zu sein. Wenn Christus den Cherub, der das
Paradies bewacht, vertreibt, sodass wir wieder ins
Paradies können, wenn er heut wieder aufschließt
die Tür, so nicht in dem Sinn, dass wir dann in einer Art adamitischer Unschuld leben, sondern damit wir mehr Anteil am Leben haben und auch von
dem Lebensbaum essen. Solange wir hier sind,
haben wir Erkenntnis und kein ewiges, vollkommenes Leben. ... Gibt es eine Aussöhnung zwischen
den beiden Traditionen, der der Unterdrückung
und der der Befreiung? Ist Gott der eifersüchtig
über seine Privilegien wachende Unterdrücker
oder will er unsere Stärke, unser Wachstum, unser Coming out? Sind wir schuldig, wenn wir die
Freiheit wählen, das Risiko, die Erkenntnis, die
Fremde? Oder sind wir fähig, Menschen, Männer
und Frauen, miteinander Menschen zu werden?
Die Gesamtbotschaft der Bibel sagt, dass Gott auf
unserer Seite steht, auf unserer Seite in unserem
Herauskommen. Er flucht nicht nur, weil wir da
raus mussten. Sondern er geht mit uns. Er hilft uns
auf unserem langen Weg zur Menschwerdung. Der
schönste Vers dieser Geschichte für mich ist der
einundzwanzigste. Da heißt es: “Und Gott der Herr
machte Adam und seinem Weibe Röcke von Fellen
und kleidete sie.” Es war kalt auf der Erde und es
ist immer noch kalt. In der jüdischen Tradition gibt
es eine Lehre davon, dass Menschen Gott nachahmen sollen. Sie sollen heilig sein, wie Gott heilig
ist. Sie sollen die Werke Gottes tun, das ist, Gerechtigkeit üben. Lasst uns tun, was Gott tut. Die
Schlange hat nicht gelogen. Es ist möglich, auch
die Nackten auf dieser Erde, dieser kalten Erde,
heute zu kleiden. Dorothee Sölle, 1987
Wo bitte geht's zum Paradies?
Mein persönliches Paradies/Mein Lebenstraum
(Eine Gegenstandsmeditation)
Zeitrahmen/Dauer:
Ca. 3 Stunden, abhängig von der Gruppengröße.
Tageszeit:
Eher nachmittags oder abends und in jedem Fall ohne
Zeitbegrenzung von außen (z. B. Essenläuten o. Ä.).
Phase 2:
Gruppengröße:
Maximal 10 Personen, die sich bereits vertraut sein
sollten.
Phase 4:
Phase 3:
Phase 5:
Material:
CD-Player/Kassettenrecorder
entsprechende Meditationsmusik
Tuch
Raum:
Stuhl- oder Sitzkreis in möglichst ungestörter
Lage.
Eine Gegenstandsmeditation ist eine gute Möglichkeit, sich (angestoßen durch Gegenstände und
Symbole) über die eigenen Einstellungen, Gedanken, Gefühle, Träume und Wünsche bewusst zu
werden und darüber in einer Gruppe ins Gespräch
zu kommen.
GEGEN DEN TREND ’2004
Nach Darstellung der aufeinander folgenden 8
Phasen folgt die Beschreibung einer mit Jugendlichen im Rahmen eines Seminars durchgeführten
Gegenstandsmeditation. Ich habe eine erzählende Darstellung gewählt, weil damit die Methode
anschaulicher wird.
Phasenmodell einer Gegenstandsmeditation
Phase 1: Themenfindung
Grundsätzlich eignet sich diese Methode für den Einstieg in Themenbereiche,
78_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Phase 6:
Phase 7:
Phase 8:
deren Beurteilung von Erfahrungen und
Werthaltungen bestimmt ist und die
einen direkten Lebensbezug hat, hier:
„Mein persönliches Paradies/Mein Lebenstraum“.
Einstimmung und methodische Hinweise
(ca. 5 Minuten)
Suche nach Gegenständen, die Lebensträume symbolisieren können (ca. 1 Stunde)
Eintreffen der Gruppe im Raum sowie
Zeit zum Ankommen und Nachdenken
(ca. 10 Minuten)
Austausch über die Erfahrungen des
Suchens (ca. 10 Minuten)
Gespräch über die mitgebrachten Gegenstände (ca. 1,5 Stunden)
Auswertung (ca. 5 Minuten)
Evtl. Verabredung zur Weiterarbeit in
Form von kreativer Arbeit, Sacharbeit,
Andacht, Abschlussgottesdienst, Bibelarbeit o. Ä.
Beschreibung:
Wir hatten uns am Nachmittag zur Arbeit am
Thema „Lebensträume, die Suche nach dem Paradies?!“ verabredet.
Wichtig ist, zu Beginn wirklich nur das Nötigste
über den Ablauf zu sagen. Zu viel nimmt etwas von
der Spannung, zu wenig verunsichert und demotiviert eher. Je nach Grad der Vertrautheit in der
Gruppe wird diese Einführung sicher unterschiedlich ausfallen.
Ich habe wie folgt angefangen:
„Ihr habt jetzt eine Stunde Zeit, um für euch allein
in der Landschaft oder auf dem Gelände des Hauses, evtl. auch in eurem Zimmer, einen Gegenstand
zu suchen, der eure Lebensträume, euer Bild vom
Paradies symbolisiert.
Diesen Gegenstand bringt bitte anschließend
hierher mit. Euer Zurückkommen stelle ich mir so
Wo bitte geht's zum Paradies?
Musik angestellt, meinen Gegenstand auf das Tuch
gelegt und gewartet.
Nach und nach trudelten alle wieder ein. In Gedanken versunken legten sie ihre Gegenstände auf
das Tuch, suchten sich einen Platz im Stuhlkreis
und spürten dem nach, was sie in der letzten Stunde bewegt hatte.
vor: Ihr werdet diesen Raum verändert vorfinden,
z. B. werden die Tische weggeräumt sein... Hier
in der Mitte wird ein Tuch liegen, auf das ihr dann
bitte eure Gegenstände legt.
Ich werde leise Meditationsmusik anstellen. Ihr
setzt euch dann bitte still in den Stuhlkreis und
lasst noch einmal das Erleben der letzten Stunde
in euch nachklingen.
Was hat euch bewegt? Was ist euch durch den
Kopf gegangen?
Wenn alle da sind und ich den Eindruck habe, dass
wir weitermachen können, werde ich die Musik
ausblenden und unseren nächsten Schritt einleiten.
Sollte ich jemanden dabei in seinen Gedanken
beschneiden, nehmt es mir bitte nicht übel.
Eines ist noch wichtig: Wir brauchen nicht zu
hetzen oder in Panik zu geraten, dass die Zeit zu
knapp sehr könnte. Nach meiner Erfahrung haben
wir ausreichend Zeit.“
Ja, und dann ging es los. Einige machten sich gemeinsam auf den Weg, um sich später dann doch zu
trennen. Andere hingegen gingen gleich eigene Wege.
Für fast alle war es seit langer Zeit wieder das
erste Mal, zu erleben, mit sich selbst ganz allein zu
sein, sich bewusst auf eigene Gedanken konzentriert einzulassen, über diese nachzudenken und
Bilder und Gefühle in sich aufsteigen zu fühlen,
Erinnerungen nachzuspüren und zu versuchen, all
das mit einem einzigen Gegenstand auszudrücken.
Als ich den Eindruck hatte, dass niemand mehr etwas
sagen wollte, leitete ich die nächste Phase ein:
Symbole haben die Eigenschaft, ganz unterschiedliche Gedanken und Gefühle auszulösen. Lasst
euch in dieser Runde von den anderen Symbolen
anstoßen. Jede/r kann etwas sagen, jeder Gedanke ist erlaubt. Wenn jemand den Eindruck hat,
dass der/die VorgängerIn ausgeredet hat, ergreift
er/sie selbst das Wort.
Lasst die Gegenstände noch einmal auf euch
wirken. Löst euch von eurem eigenen Gegenstand,
denn ihr könnt nach und nach zu jedem Gegenstand etwas sagen und es fällt leichter, die Gegenstände dabei zu benennen.
Unsere Gesprächsregel heißt, dass der Anfangswortlaut immer der gleiche sein soll, damit sich
jede/r auf den Gegenstand einstellen kann.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_79
GEGEN DEN TREND ’2004
Ich habe in der Zwischenzeit den Raum verändert,
die Musik vorbereitet und bin dann ebenfalls
losgegangen, um selbst auch etwas zu suchen.
Sicher nicht mit der neugierigen Unbefangenheit
der Gruppenteilnehmerlnnen, aber ich wollte mich
nicht ausschließen, bin dann zurück, habe die
Das sachte Ausblenden der Musik war, wie es
schien, wie ein Aufwachen.
Als Einstieg haben wir uns erzählt, wie es uns
ergangen ist. Es war erstaunlich und verblüffend,
was so eine Phase des Alleinseins ausgelöst hat.
Wo bitte geht's zum Paradies?
Konkret: „Ich sehe die Zigarettenschachtel und
dazu fällt mir ein...
Der/Die Erste, der/die etwas sagt, legt damit den
Gegenstand der ersten Runde fest und alle Assoziationen beziehen sich in dieser Runde auf die
genannte Zigarrettenschachtel.
Jede/r kann etwas sagen, niemand ist dazu gezwungen.
Zusatz: Gegenstandsmeditation (konfrontativ)
Man kann die eben beschriebene Meditation noch
gut weiterführen:
a) Konfrontation mit einem Kreuz
Sie stellen nach der Austausch-Phase ein Kreuz
mitten in die Gegenstände und eröffnen eine neue
offene Gesprächsrunde mit der Frage:
„Was ändert sich mit/in euch, nachdem ich das
Kreuz hineingestellt habe?
Wenn niemand mehr etwas sagt, hat der/die
Besitzer/in der Zigarettenschachtel Gelegenheit,
dazu zu sagen, was sie/er sich gedacht hat, was
ihm durch den Kopf gegangen ist, was die Assoziationen der anderen in ihm/ihr ausgelöst haben
und greift den Faden wieder auf: „Ich sehe den
Stein und dazu fällt mir ein...“
Ihr werdet eine Menge über eure eigenen Symbole
und damit über euch erfahren und ich denke, das
bringt weiter und eröffnende Gedanken.
Nun standen die anderen Symbole im Mittelpunkt
- ein buntes Sammelsurium von Gegenständen:
Ast mit trockenen Blättern - Blätter - ein Stein Abfall - ein Häufchen Sand - eine Stück Holz Alupapier - Steine - einzelne trockene Blätter
GEGEN DEN TREND ’2004
Über 1,5 Stunden haben wir so Gedanken und
Assoziationen ausgetauscht. Die Atmosphäre
wurde durch die meditative Dichte immer offener
und vertrauter und hielt sich bis in die Auswertung.
So sehr hatte diese Methode etwas in Gang gesetzt und angestoßen, hatte motiviert und auf das
Thema eingestimmt, dass eine ideale Ausgangslage entstand, in der wir nun intensiv weiter an und
mit dem Thema: „Lebensträume/Mein persönliches Paradies“ gearbeitet haben.
80_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
b) die Gegenstände und das Tuch bleiben liegen
(Neueinstieg nach einer Pause siehe oben)
Sicher haben die Teilnehmenden dann schon mehr
inneren Abstand, aber die Konfrontation mit dem
Kreuz wird die religiöse und geistliche Dimension
des Themas herausfordern.
Harro Lange
›› Mir reicht's Wie geht's weiter?
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
Erstens kommt es anders
und zweitens als man denkt.
Mir reicht’s! Kein Wunder, denn eigentlich sollte
es nur ein kurzer Aufenthalt in der Klinik sein.
Seit ich im Rollstuhl sitze, gehören regelmäßige
Untersuchungen zu meinem Leben. Einmal alles
durchchecken lassen und gut, vielleicht vier Tage
lang... Eine gute Gelegenheit zu lesen, mich aufs
neue Semester vorzubereiten, Jugendarbeit weiter
zu denken usw. Und dann? Aus den geplanten
vier Tagen wurden geschlagene drei Wochen…
Ja, sicher, natürlich bedauerten die Ärzte, dass
da so einiges schief gelaufen war. Alles Kleinigkeiten, aber die genügten, um mich außer Gefecht
zu setzen. Nachdem der erste Ärger verflogen war,
wurde ich sarkastisch, das half mir ein wenig.
GEGEN DEN TREND ’2004
Aber je länger ich lag, desto mehr grübelte ich.
Die Situation, in der ich mich befand, zog mich
runter, ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Zum
Schluss schaffte ich kaum noch, einen klaren
Gedanken zu fassen. Ich konnte mich nicht einmal
mehr aufregen. Ich hätte zwar allen Grund gehabt,
zu Meckern, hab’s aber nicht getan. Denn was
sollte das ändern? Was geschehen ist, ist geschehen und lässt sich nicht mehr rückgängig machen.
Und ewig werde ich ja nicht in der Klinik liegen
müssen. Mit Aufregen mache ich es auch nicht
besser.
Oder?
Mensch ärgere dich nicht! Das ist nicht nur der
Name eines uns allen bekannten Spiels, sondern
spiegelt auch einen Teil unserer Erziehung wider:
„Es lohnt sich nicht, sich zu ärgern.“ Aufregen und
was sagen? Damit würde sich auch nichts ändern.
Lohnt es sich denn aber wirklich nicht? Kann man
mit Ärger nicht auch anders umgehen? Muss es
nicht eigentlich so sein, dass wir mit unserem Ärger so umgehen, dass er uns nicht runterzieht und
dass wir ihn loswerden?
Klar gibt es immer wieder Situationen, an denen
man nichts ändert, egal wie sehr man sich darüber
aufregt und ärgert. Doch manchmal kann man
dadurch mehr bewegen, als man denkt. Diese
Bitte, in ein Gebet gefasst, bringt es gut auf den
Punkt:
GOTT gebe mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit,
das eine vom anderen zu unterscheiden.
Woher soll ich nun aber wissen, was sich ändern
lässt und was nicht? Vorhersagen sind da meist
schwierig und zur Weisheit oder zu Erfahrungswerten, auf die ich zurückgreifen kann, komme ich
nur, wenn ich mich immer wieder daran probiere.
Nicht jede Erfahrung ist dabei positiv, deshalb gehört auch eine große Portion Mut dazu, es immer
wieder neu auszuprobieren.
Die Erfahrung allerdings, etwas ändern zu können,
sich nicht weiter über etwas ärgern zu müssen,
lohnt diesen Versuch. Denn auch dann gibt es immer noch genug Situationen, die sich nicht ändern
lassen. Es dauert dann gerade bei den Dingen, die
sich nicht ändern lassen, noch verflixt lange, bis einem die Gelassenheit gegeben ist, sie hinzunehmen.
Beginnen wir einmal mit einer Situation, die auf
den ersten Blick recht „harmlos“ erscheint, mit
einer alltäglichen Kleinigkeit.
82_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
In einer SMS simst mir Dirk
diesen Satz: „Ich gehe am Samstag mit Britta auf die Fete.“ Was
passiert nun? Meine Gedanken
bleiben daran hängen und es gibt
nichts Wichtigeres, als mir darüber Gedanken zu machen, was
mich an diesem Satz so aufregt:
„Hatte Dirk nicht mir versprochen, abends vorbeizukommen? Wollten wir uns nicht einen richtig
gemütlichen Abend machen? Warum hat er mir
nichts gesagt? Und warum ausgerechnet mit Britta? Die konnte ich noch nie leiden. Aber das ist ja
auch wieder typisch für Dirk...“, usw. usw. usw.
Wenn der erste Ärger verflogen ist, bleibt Zeit für
ein genaueres Hingucken. Die erste Frage wäre, ob
das eine Situation ist, über die sich das Aufregen
überhaupt lohnt. Das hängt i. d. F. sicherlich von
der Beziehung ab, die ich zu Dirk habe: „Ist er ein
Kumpel oder will ich was von ihm oder... ?“
Und es hängt damit zusammen, wie ich ihn einschätze. Ist er ein vergesslicher Typ und hat einfach nicht daran gedacht, dass wir verabredet
waren? Oder hat er mich schon öfter absichtlich
hängen gelassen? Oder hat er noch nicht gemerkt,
wie sehr ich ihn mag?
Wenn ich dann feststelle, dass es mich zu Recht
ärgert, ist die nächste Frage, wie ich reagiere.
Zählt es zu den Dingen, die sich ändern lassen
oder muss ich Dirk so hinnehmen, wie er ist?
Schaffe ich es, so zu reagieren, dass wir hinterher
noch immer befreundet sind? Oder falte ich ihn bei
unserem nächsten Treffen so zusammen, dass es
ihm richtig schlecht geht? Oder sage ich gar nichts
und schlucke es runter?
Ein anderes Extrem ist, dass man sich bei jeder
Kleinigkeit aufregt und anfängt, sofort zu meckern,
„Meckern als Hobby“ sozusagen. Das Problem
dabei ist dann nur, dass das selten als Motivation
genutzt wird, etwas an der Situation zu ändern.
So verschallt auch angebrachte Kritik ungehört
im Raum, weil die Person ja sowieso immer etwas
auszusetzen hat.
Als Wunschgedanken habe ich ein miteinander
Umgehen im Hinterkopf, das dabei hilft, die Ärger-Situation abhaken zu können. Dass ich mit
demjenigen, über den ich mich geärgert habe,
anschließend wieder genauso unbelastet umgehen kann wie zuvor. Und dass ich es nahezu ausschließen kann, dass eine solche Situation wieder
vorkommt.
Es lohnt, sich zu ärgern
und Kritik üben!
Und dann gibt es da noch ganz andere Sachen,
über die man sich aufregen könnte. Es vergeht
sicherlich kein Schuljahr, ja wahrscheinlich nicht
einmal eine Woche, in der man sich nicht z. B. über
eine Lehrerin oder einen Lehrer aufregen kann.
Genau wie in der Clique, der Familie, dem Verein,
übers Fernsehen, beim Konfirmandenunterricht…
Welche Dinge kann ich ändern, welche hingegen
nicht? Wo sind mein Aufregen und mein Ärger angebracht und wie gehe ich damit um?
Auch das weite Feld der Politik, sei es im In- oder
Ausland, bietet ein reichhaltiges Angebot an Reibungsfläche. Bestes Beispiel dafür war der IrakTRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_83
GEGEN DEN TREND ’2004
Es gibt immer eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie
man auf eine Situation reagieren kann. Nicht alle
Menschen nutzen die Gelegenheit, die belastende Situation zu klären und manchmal ist es auch
gar nicht so leicht, eine richtige Entscheidung zu
treffen. Doch alles einfach nur runterzuschlucken,
ist auch keine Lösung. Spätestens, wenn man
Bauchschmerzen bekommt, ist es höchste Zeit,
den Ärger loszuwerden. Es fällt nicht immer leicht,
solche „Aufreg-Situationen“ auszuräumen, selbst
wenn ausschließlich Missverständnisse die Grundlage bilden.
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
Krieg im Frühjahr 2003. Das Vorgehen der USA ist
auch im Nachhinein nicht verständlich.
Die vielen Menschen, die sich darüber aufregten,
die ihre Kritik äußern wollten, fanden verschiedene Plattformen und Foren. Es gab etliche Veranstaltungen in allen Gesellschaftsschichten, die den
Krieg zum Thema hatten, Protest-Mails wurden
nach Washington geschickt und es gab weltweit
große Demonstrationen.
GEGEN DEN TREND ’2004
Leider war der Frust hinterher fast noch größer.
Denn es befiel einen der
böse Verdacht, dass das
alles nichts gebracht hat.
So viele Menschen, die sich
berechtigt aufgeregt haben und das auch zum Ausdruck gebracht haben. Dennoch hat sich die USA
davon augenscheinlich nicht beeinflussen lassen,
es gab trotzdem Krieg. War damit alles umsonst?
Eine Morgenandacht von Pfarrerin Annette Bassler
aus Ober-Olm (Deutschlandfunk) zeigte mir einen
anderen Aspekt:
„Millionen von Menschen rund um den Globus
sind in diesem Jahr auf die Straße gegangen und
haben gewaltlos gegen den Krieg im Irak demonstriert. Doch der Krieg ist gekommen. Tausende
von Männern, Frauen und vor allem Kindern sind
unschuldig diesem Krieg zum Opfer gefallen. Sind
getötet oder verstümmelt worden oder starben
auf der Flucht vor den Bombardements. Und jetzt,
nach dem Krieg, geht das Morden weiter.
Vor wenigen Wochen ist eine Frau durch Deutschland gereist, die den Krieg im Irak aus nächster
Nähe miterlebt hat. Seit mehr als vierzig Jahren
lebt und arbeitet Ruth Pfau als Lepraärztin in Pakistan. Als die Unruhen losgingen, riet man ihr, das
Land zu verlassen. Wie damals, beim Ausbruch des
Krieges in Afghanistan. Aber sie blieb. „Wir waren
wirklich nervös gewesen,“ erzählte Ruth Pfau an
einem Abend in Mainz. „Vor dem Irak Krieg hatten
84_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
wir diese Serie von Terrorangriffen auf christliche
Institutionen in Pakistan, völlig unsinnige Terrorangriffe, Todesopfer in einer Schule, einem Armenkrankenhaus, einer Menschenrechtsorganisation.
Wir hatten große Angst, dass sich die Übergriffe
ausweiten würden, dass die Leute in Pakistan den
Islamisten glauben würden, die sagten: Alle Weißen, alle Christen wollen den Krieg, alle sind wie
die Amerikaner. Die Bevölkerung in Pakistan war
sehr aufgeregt, als der Krieg begann. Es gab riesige Demonstrationen mit antiamerikanischen Sprüchen. Aber nichts geschah, keine Übergriffe, keine
Gewalt. Warum? Ruth Pfau wurde ganz aufgeregt,
suchte den Blickkontakt zu den vielen jungen
Leuten im Saal, von denen sie wusste, dass sie
auf Friedensdemonstrationen waren. „In Pakistan,
sagte sie, da kaufen sich die Leute – zu allererst
einen Fernseher. Noch bevor sie sich eine Toilette
einbauen lassen, kaufen sie sich einen Fernseher
und informieren sich, was in der Welt passiert.
Und als die Bombardements im Irak begannen und
gleichzeitig in der ganzen Welt Menschen auf den
Straßen für den Frieden demonstrierten, da hingen
die Pakistani vor den Fernsehgeräten und konnten
es kaum glauben. Aber sie konnten es sehen: Die
Hetze der Islamisten hatte nicht gestimmt. Nicht
alle Weißen wollen Krieg, nicht alle Christen sind
für Gewalt gegen Muslime.“ Und dann schaute
Ruth Pfau in die Runde und sagte: “Ihr habt mit
Euren Demonstrationen einen historischen Bergrutsch ausgelöst! Es lohnt sich, sich für das Rechte einzusetzen - es gibt eine Kettenreaktion des
Guten, wie es eine Kettenreaktion des Bösen gibt.“
Der Mut, nicht zu resignieren, sondern gewaltlos
weiterzukämpfen, das ist wie eine ansteckende
Gesundheit. Es macht stark, der großen Vision
Jesu zu folgen. „Selig die Gewaltlosen, denn sie
werden das Erdreich besitzen.“ Auch wenn man
lange Zeit nicht sieht, wofür es gut sein soll, es lohnt
sich. Sagte Ruth Pfau. Es lohnt sich, es lohnt sich.“
Diese Andacht hat mir noch einmal bewusst
gemacht, wie wichtig nicht nur eine Aktion ist,
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
sondern sich später auch anzusehen, ob sich
etwas verändert hat. Und zugegeben, meist sieht
das Ergebnis anders aus, als man erwartet.
Unzufriedenheit als Anstoß
für Problembewusstsein
Ärgern kann sich jeder. Die Unzufriedenheit kann
dabei ein Anstoß sein, sich eines Problems bewusst zu werden. Der Umgang mit Ärger und Kritik
wird mit ein bisschen Übung einfacher, denn es
lässt sich die Erfahrung machen, dass sich etwas
verändern lässt, angefangen bei zwischenmenschlichen Problemen, über Unzufriedenheit mit Organisationen und Institutionen bis hin zu sich
verändernden gesellschaftlichen Strukturen.
Deshalb hat das
Erlernen vom
Umgang mit Problemen auch einen festen Platz
in der Erziehung. Erwachsene möchten den Nachwuchs zu Selbständigkeit
und Eigenverantwortlichkeit erziehen. Dazu gehört
auch das Erlernen der Fähigkeit, sich eine eigene
Meinung zu bilden und diese auch vertreten zu
können. Solange sich die Nachwachsenden widerspruchslos mit ihrer Meinung in das bestehende
Gesellschaftssystem einreihen, kommt es auch
nicht zu Schwierigkeiten.
Dabei kann Veränderung, die auf neuen Sichtweisen basiert, ja durchaus positiv sein. Eine wichtige
Vorrausetzung dafür ist aber die Bereitschaft zum
gegenseitigen Dialog, zum Zuhören und Verstehen auf allen Seiten, die Bereitschaft sich mit den
jeweils anderen Meinungen auseinander zu setzen
und gemeinsam eine neue Position zu entwickeln.
Ansonsten ist schon der Versuch, seine eigene
Meinung einzubringen so frustrierend, dass man
es das nächste Mal lieber gleich lässt.
Nützlich ist eine Grundhaltung, die Ärger und Konflikt nicht ausschließt, sondern es möglich macht,
Problemsituationen problemlos begegnen zu
können. Gemeinsam über bestehende Probleme
zu reden, beugt Stress vor. Gute Lösungsstrategien zu entwickeln, ist ein wichtiges (Lern-)Ziel für
den Umgang miteinander. Es sollte im Unterricht
auf jeden Fall stattfinden, auch wenn das Zeit in
Anspruch nimmt.
Immer Ärger mit Jesus
So wie wir Jesus in der Bibel kennen lernen,
scheint er zunächst mit Ärger nicht viel zu tun zu
haben. Drei Stellen seien hier aber angeführt, in
denen sich Jesus zum Aufregen, zum Ärgern ganz
unterschiedlich verhält.
In der ersten Situation (Joh 2,13-17) ist es Jesus
selbst, der sich nicht nur aufregt, sondern auch
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_85
GEGEN DEN TREND ’2004
Wenn die nachwachsende Generation allerdings
andere Perspektiven zu bestehenden Werten und
Normen hat, tritt das auf, was man einen klassischen Generationskonflikt nennt. Die „alte“ Generation möchte ihr System erhalten, die „neue“
selbiges verändern. Wird aber die neue, andere
Meinung wirklich ernst genommen, wird überhaupt danach gefragt? Es ist doch bequemer, so
weiter zu machen wie immer und die Fäden nicht
aus der Hand zu geben.
In den 60-er Jahren führte dieser Generationskonflikt zur Studentenrevolte, bei der die damals
nachwachsende Generation sich ihr Mitbestimmungsrecht erkämpft hat. Im Laufe der Zeit allerdings haben sie sich mehr oder weniger in genau
das System integriert, das sie früher kritisiert hat
haben. Von der heute nachwachsenden Generation
wird jetzt wiederum erwartet, dass sie sich bitte
ins System einreiht, am besten mit einer eigenen
Meinung, die von der bestehenden nicht abweicht.
Das gleiche Prinzip wiederholt sich.
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
laut wird. Als er zum Passahfest nach Jerusalem
kommt, befinden sich eine Reihe Händler und
Geldwechsler im Tempel. „Ihr macht ja eine Räuberhöhle aus diesem Gotteshaus. Ihr habt hier
nichts zu suchen!“ Es platzt ihm sozusagen der
Kragen und er jagt die Händler ziemlich rabiat aus
dem Tempel. Die Jünger erschrecken darüber und
einem Jüngern fällt dazu ein Prophetenwort ein:
„Der Eifer für dein Haus wird mir den Tod bringen.“
An anderer Stelle ist Jesus bei Simon zum Essen
eingeladen (Lk 7,36-50). Eine junge Frau nähert
sich Jesus. Weinend salbt sie seine Füße und
trocknet sie mit ihrem Haar und küsst sie. Jesus
hielt sie nicht davon ab. Sein Gastgeber sagt zwar
nichts, regt sich innerlich aber doch auf. Er denkt:
„Wenn Jesus wirklich ein Prophet wäre, wüsste er
auch, dass diese Frau eine Sünderin ist. Dann würde er sich auch nicht mit ihr abgeben.“ Das passt
nun gar nicht in sein Bild von ihm.
GEGEN DEN TREND ’2004
Jesus bemerkt den Unmut sehr wohl und erzählt
Simon ein Gleichnis: „Ein Gläubiger hatte zwei
Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen
schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht
bezahlen konnten, schenkte er’s beiden. Wer
von ihnen wird ihn am meisten lieben?“ Simons
Antwort: „Ich denke der, dem er am meisten geschenkt hat.“
Daraufhin erklärt Jesus Simon, wie hoch er schätzt,
dass die Frau seine Füße gesalbt hat, mit ihren
Haaren getrocknet und geküsst hat. Simon hatte
zum Empfang ja weder sein Haupt, noch seine
Füße gesalbt. Für Jesus war klar: „Ihre vielen
Sünden sind ihr vergeben, denn sie hat viel Liebe
gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt
wenig.“
In diesem Abschnitt wird deutlich, dass Jesus in
Ärger-Situationen gerne als Vermittler auftritt. Er
schafft es, durch seine Art Verständnis zu wecken.
Er schafft es, demjenigen, der sich ärgert, einen
86_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Spiegel vorzuhalten. Außerdem kommt bei ihm
noch eine weitere Dimension zu tragen: Vergebung.
Die dritte Stelle soll deutlich machen, wie sehr
sich Jesus selbst zum Ärgernis macht. Er hatte ein
Talent, an den Sichtweisen der Menschen beständig zu rütteln, die zur damaligen Zeit das Sagen
hatten. Er versuchte in Erinnerung zu bringen,
dass Gott es gut mit allen Menschen meint, die an
ihn glauben: ohne Vor- oder Gegenleistung.
Ob bei ihm am Anfang auch das Aufregen stand,
erfahren wir nicht, ein großes Stück Unzufriedenheit war anfangs jedoch bestimmt dabei. Doch
wenn er anfängt zu reden, stellt sich das Gefühl
ein, dass er genau weiß, wovon er redet. Viele
beeindruckt er damit zutiefst.
In den Seligpreisungen bringt er auf den Punkt,
wer sich glücklich nennen darf. Sie kommen in der
Bergpredigt bei Matthäus 5, 3-12 vor, aber auch in
der Feldpredigt bei Lukas 6,20-23. Hier sind aber
zusätzlich diejenigen nachgeschoben, denen es
nicht so gehen wird (24-26).
Glücklich seid ihr Armen, denn ihr werdet Gottes
Reich besitzen.
Glücklich seid ihr, die ihr jetzt hungern müsst,
denn Gott wird euren Hunger stillen. Glücklich
seid ihr, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet bald
vor Freude jubeln! Glücklich seid ihr, wenn euch
die Menschen hassen; wenn sie von euch nichts
wissen wollen und euch verachten; wenn sie euch
beschimpfen und Schlechtes über euch erzählen,
nur weil ihr zu mir gehört.[…]
Doch wehe euch, ihr Reichen! Ihr habt euer Glück
schon auf Erden genossen.
Wehe euch, ihr Satten! Ihr werdet Hunger leiden.
Wehe euch, die ihr jetzt sorglos lacht! Ihr werdet
weinen und jammern.
Wehe euch, die ihr jetzt von allen umschmeichelt
werdet, denn die falschen Propheten waren schon
immer beliebt.»
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
So verwundert es vielleicht auch nicht, dass die
Letzteren, die hier genannt werden, ungern hörten,
welch tiefen Eindruck Jesus damit bei großen Teilen der Bevölkerung hinterließ. Sein wachsender
Einfluss wurde Grund für seine Kreuzigung, doch
auch diese konnte nicht verhindern, dass seine
Worte nicht nur gehört wurden, sondern etwas
in Bewegung setzten. Bei der Konfrontation mit
seinem Wort kommt man auch heute nicht umhin,
Stellung zu beziehen.
Was passiert, wenn ich den
Ärger nicht los werde?
Wie wichtig es ist, rechtzeitig
zu lernen mit dem eigenen
Ärger umzugehen, merkt man
besonders oft erst dann, wenn
es schon zu spät ist. Je älter man
wird, desto mehr Erfahrungen
sammelt man darin, dass Situationen so verbaut sind, dass sie sich
nicht mehr ändern lassen: Freundschaften, die zerbrochen sind, Orte, die man meidet und
mit dem einen oder anderen möchte man vielleicht
sogar gar nichts mehr zu tun haben…
Und das sind nur die „ganz normalen“ Fälle. Außerdem zähle ich notorische Nörgler dazu, also
diejenigen, denen man deswegen nicht richtig
zuhört, weil sie immer etwas zu meckern haben,
damit aber nicht wirklich etwas bewegen möchten.
Die andere Seite ist die Aggression. Doch auch
hier ist so, dass ein Wort von außen nötig ist.
Wenn man Glück hat, reicht es zu sagen: „Ich verstehe, dass du so wütend bist. Aber dein um dich
schlagen, löst dein Problem nicht.“
Doch denjenigen einfach „nur“ zu verstehen, hilft
selten weiter, er muss es selber verstehen. Sein
harter aggressiver Abwehrpanzer muss geknackt
werden. Inzwischen gibt es dazu interessante
Konzepte. Eins davon nennt sich AAT: Anti-Aggressivitäts-Training. Es bezieht sich auf jugendliche
Gewalttäter. Unter diesem Stichwort gibt es im
Internet jede Menge Infos.
Probleme über Probleme
Bei den Ideen für die Umsetzung beziehe ich mich
nicht ausdrücklich auf „Schule“ oder „Gemeinde“.
Es sind generelle Ideen, die sich sicher gut ausbauen und erweitern lassen. Wichtig ist mir nur,
dass ausgehend von der Frage „Wie reagiere ich?“
(auf die Beispiele, über die man sich aufregen
kann) bis hin zur Aktion möglichst alle Schritte
vorkommen.
Es wird auch vermutlich nicht so sein, dass jede
Schülerin und jeder Schüler just bei diesem Thema einen Grund hat, sich aufzuregen. Je besser
der Gruppenzusammenhalt ist, desto leichter fällt
auch der Überblick über Spannungen; der Ärger
lässt sich geradezu riechen. Nicht immer ist im
Stundenplan Zeit dafür eingeplant. Eine schnelle
Reaktion kann aber Schlimmeres verhindern.
I. Einstieg
Als Einstieg bringt das Lied „Kein Zurück“ von
Wolfsheim (2003) viele Aspekte auf den Punkt.
Das Lied ist zumindest hervorragend geeignet,
eine nachdenkliche Atmosphäre zu erzeugen. Und
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_87
GEGEN DEN TREND ’2004
Auch Depression kann das Ergebnis sein, wenn
man Ärger nicht los wird. Man sieht keine Möglichkeit, mit dem Problem umzugehen, zieht sich
zurück und lässt niemanden mehr an sich heran.
Erlebte Enttäuschungen machen es noch schlimmer, es ist erforderlich, dass Hilfe von außen
kommt. Deshalb ist es so nötig, gerade diejenigen
im Auge zu behalten, die nicht laut mitdiskutieren,
die sich dorthin zurückgezogen haben, wo ihnen
nichts mehr weh tut. Dietrich Bonhoeffer drückt
das so aus: „Das Wort, das hilft, kann man sich
nicht selber sagen.“
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
es spiegelt die Enttäuschung wider, dass man so
oft das Gefühl hat, es ließe sich nichts ändern.
(Text s. unter 7. Material/Literatur)
GEGEN DEN TREND ’2004
II. Zum Warmwerden
Stell dir vor: Du musst dich über jemanden ärgern
und regst dich richtig heftig auf. Du sagst: Mir
reicht’s! Wie geht es dir dann damit? Wie gehst
du damit um? Damit es ein
bisschen konkreter wird, ist
ein Beispiel wie das von Dirk
und Britta ganz hilfreich.
Oder eben ein anderes, mit
dem die Gruppe etwas anfangen kann.
Die Liste an möglichen Reaktionen könnte wie
folgt aussehen:
• Ich ärgere mich bis zum Umfallen.
• Ich werde so richtig sauer und gereizt.
• Ich erzähle jedem, den ich zufällig treffe, wie
doof ich das fand.
• Das nächste Mal, wenn ich sie/ihn sehe, mache
ich sie/ihn rund.
• Ich fresse das Ganze in mich rein und werde
unausstehlich.
• Ich nehme mir das sehr zu Herzen und werde
traurig.
• Ich bekomme Bauchschmerzen davon und verkrieche mich.
• Ich mache gar nichts, denn das bringt ja sowieso
nichts.
• Ich bespreche mit meiner besten Freundin ausführlich, was das soll.
• Ich schlafe erstmal eine Nacht drüber, damit ich
mich abreagiere.
• Ich beschließe, dass es mir egal sein kann.
• Ich greife zum Telefonhörer und frage nach.
• …
III. Arbeitsphase
In einem Stationslauf mit Beispielen verschiedener
Situationen oder auch anhand der erarbeiteten
88_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Liste soll darüber nachgedacht werden soll, was
Auslöser der Aufregung ist, wie man darauf reagieren kann und ob das eine Situation darstellt,
die sich durch Aufgebrachtheit überhaupt ändern
lässt.
Die unterschiedlichen Sprüche (Aphorismen)
sollen einladen, verschiedene Sichtweisen über
Ärger-Situationen einzunehmen und zu durchdenken.
Beispiel 1: Die große Klassenfahrt nach Berlin
steht vor der Tür. Lara, Sabine und
Nicole freuen sich darauf schon lange.
Kurz vor der Fahrt entscheiden sich
Nicoles Eltern gegen ihre Teilnahme.
Als Lara und Sabine wiederkommen,
hängen sie nur noch miteinander rum
und erzählen sich gegenseitig ihre
Geheimnisse. Nicole lassen sie links
liegen.
Beispiel 2: Peter will in Ruhe für seine Klassenarbeit lernen. Er weiß, dass er eine gute
Note braucht. Seine kleine Schwester
kann es aber nicht lassen, laut Musik
zu hören, den Fernseher einzuschalten
und ins Zimmer zu stürmen, weil sie
irgendwas Wichtiges braucht.
Beispiel 3: Der Kühlschrank im Gemeindehaus
ist für alle Gruppen zugänglich. Doch
immer, wenn der Kühlschrank dreckig
ist, weil z. B. jemand Milch verschüttet hat oder Lebensmittel schimmelig
geworden sind, wird ausschließlich
dein Jugendkreis dafür verantwortlich
gemacht und soll den Kühlschrank
säubern.
Beispiel 4: Beim letzten Kaffeeklatsch kam das
Gespräch auf die neuen Vorkonfirmanden und wie sie sich daneben benom-
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
men hätten. Patricks ist einer von
ihnen. Als seine Mutter nach Hause
kommt und ihn deswegen zur Rede
stellt, ärgert er sich. So stimmt das
doch gar nicht.
•
•
Beispiel 5: Du bist einkaufen und hast gerade
ein tolles Geschenk gefunden. Du bist
sicher, dass du genau dieses haben
willst. Als du Geld von deinem Konto
abheben möchtest, streikt der Automat, da du nicht genug Geld auf dem
Konto hast. Dir fehlen genau drei Euro.
•
•
•
Beispiel 6: Mit dem alten Klassenlehrer seid ihr
prima klar gekommen. Er hat sich für
euch so richtig eingesetzt. Der neue ist
immer nur am Motzen und ihr habt das
Gefühl, ihm gar nichts recht machen zu
können.
Bespiel 7: Der neue Jugendkreis
läuft prima an und es
macht dir Spaß hinzugehen. Wenn nur Steffi
nicht wäre. Die ist so
richtig altklug, meint
immer, alles besser wissen zu müssen
und besteht auch noch darauf, dass
das gemacht wird, was sie will.
…
IV. Arbeitsphase II
In der nächsten Phase soll es darum gehen, eigene Situationen zu sammeln, über die man sich
aufregt. Daran ließe sich ein Gedankenaustausch
anknüpfen, wie sich darauf reagieren lässt, so
dass es sich zum Guten wendet.
V. Aktionsphase
Je nachdem, um welche Situation es gehen soll
und ob man mit der ganzen Klasse arbeitet oder
in Gruppen, ist die Liste der Möglichkeiten lang.
Nicht alles davon kann im Unterricht passieren, die
Anfänge jedoch allemal:
• Texte verfassen, in denen ausgedrückt wird, worüber man sich ärgert und wie man reagiert (z.
B. in Form von Gedichten, Tagebucheinträgen,
Demo-Schildern, eines Theaterstücks, Songtextes oder Hörspiels)
• zu Gesprächen einladen
• Gottesdienste selbst gestalten
• eine Talkshow besuchen
• Räume umgestalten
• eine Protestveranstaltung organisieren usw.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_89
GEGEN DEN TREND ’2004
Sprüche und Weisheiten
• Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt
werden, kann man ein schönes Muster legen!
• Chancen präsentieren sich mit Vorliebe in der
Maske von Unannehmlichkeiten.
• Das Kriegsbeil ist erst begraben, wenn man
nicht mehr weiß, wo es liegt.
• Alles nun, was euch die Leute tun sollen, das tut
ihnen auch! (Mt. 7,12)
• Der Mensch ist nur dann wahrhaft Mensch,
wenn er der Selbstbeherrschung fähig ist
•
und auch dann nur, wenn er sie ausübt.
(Ghandi)
Wir mögen Menschen, die frisch heraus sagen,
was sie denken – falls sie dasselbe denken wie
wir. (Mark Twain)
Wer sich nicht verändert, hat nicht gelebt. (Chinesisches Sprichwort)
Die Bibel gebietet uns, unsere Nächsten zu lieben und auch die Feinde zu lieben; wahrscheinlich deshalb, weil es in der Regel dieselben
Leute sind. (G. Chesterton)
Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der
Blickrichtung. (Antoine de Saint-Exupéry)
Ich kann nicht sagen, ob es besser wird, wenn es
anders wird; aber eines ist gewiss: es muss anders
werden, wenn es gut werden soll. (Lichtenberg)
Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in
deinem Auge? (Mt. 7,3)
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
Gremienarbeit
Mitarbeit in Gremien. Da kann zum Einsatz
kommen, was ich an Problemlösungsstrategien ausgeknobelt habe, sei es in der Schule als
Klassensprecher/in oder in kirchlichen Gremien
(z. B. Landesjugendkammer).
Hier wird man mit Tatsachen konfrontiert, über
die es sich aufregen lässt. Es sind aber auch
andere da, mit denen man sich darüber austauschen und aktiv werden kann. Es bleibt dabei
auch immer spannend, sich mit den Meinungen
anderer auseinander zu setzen und dabei zu erleben wie aus unterschiedlichen Meinungen etwas
Effektives erwächst, worauf man stolz sein
kann.
Aber es können eben auch Situationen dabei sein,
bei denen aus dem Ärger leider nichts Positives
erwächst. Diese Fälle machen aber auch deutlich,
dass der Versuch immens wichtig ist, über einen
Konflikt ins Gespräch zu kommen und ihn (wenn
es irgend geht) auch auszuräumen. Alles andere
kann verheerende Auswirkungen haben, womit
niemandem gedient ist.
GEGEN DEN TREND ’2004
Immer öfter aber nicht immer!
Lernen, mit „Aufreg-Situationen“ so umzugehen,
dass etwas Gutes daraus erwächst, ist das eine.
Aber das geht nicht ständig. Es muss auch Zeiten
geben, in denen kein Problem gelöst werden will.
Woher aber die Gelassenheit nehmen, manches
als unfertig oder unveränderbar hinzunehmen?
Ich selbst bin bemüht, an dieser Stelle zu arbeiten.
Ich bemerke, wie ich auf eine Rückzugsmöglichkeit angewiesen bin, auf Zeiten im Leben, in denen
ich nicht in der Verantwortung stehe, an einem
Problem arbeiten zu müssen. In denen ich beruhigt sagen kann: heute nicht! In denen ich darauf
vertrauen darf, unter Gottes Schutz zu stehen
und Luft zu holen. Das ist Thema vieler Meditati-
90_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
onen und Bücher. Für mich
ist das „Loccumer Brevier
– Verstehen durch Stille“
ein hilfreiches Buch. Es ist
eine Zusammenstellung von
Erfahrungsberichten, Gedichten, Gebeten und Gedanken,
die mir helfen, zur Ruhe zu kommen und meine
Gedanken zu ordnen. Für jede/n sind es jedoch
ganz eigene, persönliche Texte, die dieses fördern
können, hier ein Beispiel von Sören Kierkegaard,
S. 47:
„Alles, was in einem Menschen gut ist, ist von
Anfang an Stille, und so wie Gott im Verborgenen
wohnt, so wohnt auch das Gute bei einem Menschen im Verborgenen.
Jede Entscheidung, die in ihrer tiefsten Bedeutung
gut ist, ist still, denn sie hat Gott als Mitwisser.“
Materialien, Literatur
KEIN ZURÜCK (Wolfsheim, 2003)
Es geht kein Weg zurück...
Weißt du noch, wie’s war?
Kinderzeit... wunderbar...
Die Welt ist bunt und schön
Bis du irgendwann begreifst
Dass nicht jeder Abschied heißt
Es gibt auch ein Wiedersehen
Immer vorwärts, Schritt um Schritt...
Es geht kein Weg zurück!
Was jetzt ist, wird nie mehr ungeschehen
Die Zeit läuft uns davon
Was getan ist, ist getan
Was jetzt ist, wird nie mehr so geschehen
Es geht kein Weg zurück...
Es geht kein Weg zurück...
Ein Wort zuviel im Zorn gesagt
‘N Schritt zu weit nach vorn gewagt
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
Schon ist es vorbei
Was auch immer jetzt getan
Was ich gesagt hab’, ist gesagt
Und was wie ewig schien, ist schon Vergangenheit
Immer vorwärts, Schritt um Schritt
Es geht kein Weg zurück
Was jetzt ist, wird nie mehr ungescheh’n
Die Zeit läuft uns davon
Was getan ist, ist getan
Was jetzt ist, wird nie mehr so gescheh’n
Ach und könnt’ ich doch nur ein einz’ges Mal
Die Uhren rückwärts drehen
Denn wieviel von dem, was ich heute weiß
Hätt’ ich lieber nie gesehen!
Es geht kein Weg zurück...
Es geht kein Weg zurück...
Es geht kein Weg zurück...
Dein Leben dreht sich nur im Kreis
So voll von weggeworfener Zeit
Deine Träume schiebst Du endlos vor Dir her
Du willst noch leben irgendwann
Doch wenn nicht heute, wann denn dann...?
Denn irgendwann ist auch ein Traum zu lange her
Immer vorwärts, Schritt um Schritt
Es geht kein Weg zurück
Was jetzt ist, wird nie mehr ungeschehen
Die Zeit läuft uns davon
Was getan ist, ist getan
Was jetzt ist, wird nie mehr so geschehen
REVOLUTIONÄRE BOTSCHAFT
aus: Zukunft wagen. Neue Texte und Gebete für
junge Menschen. GTB, 1982
Endlich einer, der sagt:
„Selig sind die Armen!“
und nicht:
Wer Geld hat, ist glücklich!
Endlich einer, der sagt:
„Liebe deine Feinde!“
und nicht:
Passt euch jeder Lage an!
Endlich einer, der sagt:
„Was nützt es dem Menschen,
wenn er die ganze Welt gewinnt!“
und nicht:
Hauptsache vorwärts kommen!
Endlich einer, der sagt:
„Wer an mich glaubt,
wird leben in Ewigkeit!“
und nicht:
Was tot ist, ist tot.
GEBET
herr
hilf mir
meinen großen mund zu halten
bis ich weiß
was ich sagen will
amen
Susanne Korf
Text: Peter Heppner
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_91
GEGEN DEN TREND ’2004
Gleichzeitig mit Refrain:
Ach, und könnt’ ich doch nur ein einz’ges Mal
Die Uhren rückwärts drehen
Denn wie viel von dem, was ich heute weiß
Hätt’ ich lieber nie gesehen!
GEGEN DEN TREND ’2004
Mir reicht's - Wie geht's weiter?
92_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
›› Ziele und Träume
von Jugendlichen
in Europa
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
Ergebnisse, Methoden
und Erkenntnisse aus einem
Deutsch-Polnischen Projekt
Es gibt Menschen,
die den ganzen Tag arbeiten,
andere, die den ganzen Tag träumen,
und schließlich diejenigen,
die eine Stunde träumen,
die Ärmel hochkrempeln
und sich ihre Träume erfüllen
In den Jahren 2000 bis 2002 hat eine Gruppe der
Ev. Jugend der Propstei Schöppenstedt gemeinsam mit einer Partnergruppe vom Fellowship of
orthodox youth in Poland ein Projekt mit dem
Titel „Ziele und Träume der Jugend im vereinten
Europa“ durchgeführt. In diesem Beitrag werden
Ergebnisse beschrieben, die Einstellungen und
Meinungen von Jugendlichen zu diesen Themen
wiedergeben. Außerdem wird über das Projekt
berichtet.
Themenfindung Ziele und Träume von
Jugendlichen in Europa
GEGEN DEN TREND ’2004
Es ist nicht immer leicht,
junge Menschen zu motivieren, sich mit einem abstrakten Thema auseinander
zu setzen. Neben den methodischen und didaktischen Ansprüchen ist die
Auswahl des Themas von großer Bedeutung für
die Motivation. Je näher das Thema an der Realität der Jugendlichen liegt, umso leichter wird es
angenommen.
Die Beschäftigung mit den eigenen Zielen ist, ob
bewusst oder unbewusst, für alle Jugendlichen
schon allein deshalb ein Thema weil die persönliche Berufswahl zum Nachdenken über die persönlichen Ziele führt.
94_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Träume können sehr schnell dazu kommen, wenn
die Ziele sehr hoch sind und unrealistisch erscheinen. Es geht hierbei weniger um das nächtliche
Traumgeschehen, sondern um die eigenen Lebensträume.
Das Projekt wurde gefördert von der RobertBosch-Stiftung aus Mitteln des Förderprogramms
„Junge Wege in Europa“. Bei dem Titel liegt nah,
dass auch Europa im Projektthema Platz finden
musste. Europa ist eine sehr wichtige Realität sowohl für Deutsche als auch für unsere polnischen
Nachbarn. Auch deshalb ist die Kombination von
Zielen und Träumen mit Europa sinnvoll, allerdings
nicht immer einfach zu bearbeiten. Im Projektverlauf wurde der Bereich „Europa“ immer kleiner.
Das wird auch an den hier beschriebenen Ergebnissen deutlich.
Assoziationen
zu Träumen und Zielen
Welche Assoziationen haben Jugendliche zu Träumen und Zielen? Bei einer spontanen Sammlung
von Ideen und Assoziationen unter Jugendlichen
ab 15 Jahren im November 2003 ergaben sich folgende Ergebnisse:
Was fällt mir zum Thema Träume ein? Meine Träume
• ein glückliches Leben
• ein Jahr im Ausland
• Neuseeland oder Kanada
• Ägyptologie
• eine Insel
• Abitur
• Ich finde es total doof, wenn
jemand sagt, Träume sind Schäume
• Australien, Kanada, Neuseeland
• Ferrari-Modena 360 Spider
• Superkräfte
• Einen tollen Job
• der Beginn einer neuen Wirklichkeit
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
•
•
•
•
•
•
•
•
•
BMW Z3, Lamborghini oder Bugatti
schönes Leben
meine Ziele verwirklichen
viel Geld und schönes Leben
einen netten Mann kennen lernen
guter Beruf
ein Basketballstar zu werden
ein langes Leben
eine Familie
Was fällt mir zum Thema Ziele ein? - Meine Ziele
• Beruf und Familie
• Abitur und Studium
• gutes Abi
• neue Freunde kennen lernen
• Schulabschluss und Führerschein
• glückliches, zufriedenes und fröhliches Leben zu
haben
• meine Träume zu verwirklichen
Spaß haben
• Zufrieden und glücklich sein
• in möglichst viele verschiedene Länder reisen
• viel lernen
Führerschein bestehen
gute Karriere
nicht sitzen bleiben
schönes Leben
disziplinierter zu werden
meine Träume zu erfüllen
das Beste aus jeder Situation zu machen
mein Berufsziel zu verwirklichen
interessanter Beruf, mit dem man viel Geld verdienen kann
einen Job kriegen
Vor der ersten gemeinsamen Begegnung aller Projektmitglieder gab es wenig gemeinsame Vorgaben. Klar war nur, dass das Projekt eine Umfrage
enthalten sollte und dass es eine Veröffentlichung
im Internet geben sollte.
Die Methode „Umfrage“ hat für ein internationales
Projekt mehrere Vorteile:
1. Sprachbarrieren werden überwindbar. Gleichlautenden Fragebögen in unterschiedlichen
Sprachen ermöglichen es polnischen Teilnehmern, deutsche Fragebögen auszuwerten und
umgekehrt.
2. Es gibt auf jeden Fall ein Ergebnis.
3. Teilnehmende mit weniger ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten können gut in die
Projektarbeit integriert werden.
Entscheidend für die Beschreibung der Projektarbeit in dieser Arbeitshilfe ist, dass hier ganz
konkret Meinungen von Jugendlichen zum Themenbereich der Arbeitshilfe genannt werden
können. Die Basis hat hier also eine Stimme. Das
erscheint bei so einem eher theoretischen Thema
sehr wichtig.
Die Projektgruppe „Umfrage“ hatte es sich zum
Ziel gemacht, Jugendliche in Deutschland und in
Polen über ihre Träume und Ziele hinsichtlich ihrer
gemeinsamen europäischen Zukunft zu befragen. Im ersten Projektabschnitt wurde ein Fragebogen mit 18 Fragen zu den Themen „Ziele...“,
„Träume...“ und „Zukunft in Europa“ entwickelt.
Dieser Fragebogen wurde an ca. 50 deutsche und
38 polnische Jugendliche verteilt und von ihnen
ausgefüllt. Im zweiten Projektabschnitt im Februar
wurden die ersten Fragebögen ausgewertet. Dabei
stellte sich heraus, dass die Summe der Informationen viel zu hoch war. Die Auswertung wurde
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_95
GEGEN DEN TREND ’2004
Bei diesen Ergebnissen wird deutlich, dass Ziele
und Träume von jungen Menschen sehr viel
miteinander zu tun haben und sich zum Teil aufeinander beziehen. Es fällt auch auf, dass Abitur/
Beruf z. T. bei Träumen genannt wird, obwohl
es doch eher ein selbstverständliches Ziel sein
sollte.
Umfrage zum Thema
„Ziele und Träume von
Jugendlichen in Europa“
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
im dritten Projektabschnitt fortgeführt. Aus den
vorliegenden Daten wurden einige Fragen gefiltert,
zu denen eine Arbeitsgruppe den Versuch unternommen hat, Ergebnisse zu gewinnen.
Natürlich ist es im Verlauf eines solchen Projekts
nicht möglich, eine wissenschaftlich-empirische
Umfrage zu erstellen. Dies war jedoch auch nicht
beabsichtigt. Beim Blick auf die Ergebnisse sollte
klar sein: Die Ergebnisse sind nicht wissenschaftlich. Sie können nicht als Spiegel der Meinung
der Jugend in beiden Ländern gewertet werden.
Allerdings lassen sich Tendenzen aufzeigen, die
meines Erachtens auch für eine breitere Masse
zutreffen.
Die Umfrage-Ergebnisse können z. T. mit Daten
verglichen werden, die in der Shell-Studie erhoben
wurden. Bei Fragen zur persönlichen Berufsausbil-
GEGEN DEN TREND ’2004
Was sind Deine persönlichen Ziele
96_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
dung, den Werteorientierungen und zu Europa gibt
es m. E. keinen Widerspruch zu den Ergebnissen
dieser Umfrage.
Es bleibt noch anzumerken, dass dieses Projekt,
bei der die Umfrage erarbeitetet wurde, von der
Robert-Bosch-Stiftung eine besondere Auszeichnung für den Verlauf und die Ergebnisse erhalten
hat: Es gehörte zu den 15 besten Projekten.
Ergebnisse der Umfrage
Die drei wichtigsten Ziele der Deutschen sind:
glücklich werden, die Welt kennen lernen und einen Schulabschluss machen. Die drei wichtigsten
Ziele der Polen sind: glücklich werden, die Welt
kennen lernen und Wissen haben. Auffällig ist,
dass 37 % der Polen den Glauben stärken wollen,
hingegen nur 6 % der Deutschen.
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
Glaubst Du, dass es realistisch ist, diese Ziele zu erreichen?
Bei beiden Gruppen ist der Anteil derer, die
glauben, dass es realistisch ist, ihre Ziele zu
erreichen, erfreulicherweise relativ hoch.
Im Folgenden sind Visionen für ein vereintes Europa aufgeführt. Teilst Du eine Vision oder wie sieht
Deine Vision aus?
lichen wurde das Verschwinden der Grenzen und
das nähere Zusammenrücken aller Menschen in
Europa häufigste Vision ist.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_97
GEGEN DEN TREND ’2004
Die Visionen der deutschen Jugendlichen für ein
vereintes Europa sind das Verschwinden der Grenzen und der Vorurteile. Bei den polnischen Jugend-
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
Glaubst Du, dass Du durch ein vereintes Europa Vorteile bei der Verwirklichung Deiner Ziele hast?
Bei dieser Frage wird deutlich, dass sowohl
polnische als auch deutsche Jugendliche
Vorteile durch ein vereintes Europa bei der
Verwirklichung der eigenen Ziele sehen. Allerdings fällt diese positive Sicht bei den polnischen Jugendlichen sehr viel deutlicher aus.
GEGEN DEN TREND ’2004
Methoden für die Arbeit
mit den Themen „Träume
und Ziele"
Zu Beginn der Projektarbeit zum Thema „Ziele und
Träume von Jugendlichen in Europa“ gab es mit
allen Projektbeteiligten ein Brainstorming zu Inhalten und Arbeitsgruppen, die sich für die Arbeit
an diesem Thema eignen. Dabei kam eine Vielzahl
von Vorschlägen zusammen:
• Zeitung erstellen
• Theaterstück erstellen
• Gesprächsrunde mit Deutschen und Polen
• Internetseite über Projekt
• Diskussionsforum im Internet
• Umfrage-Fragebogen (Meinungen über „Träume, Ziele und Wünsche in Europa“)
• Interview
• Fotoausstellung
• gemeinsame Traumreisen
• Fotoausstellung im Internet
• Kunst: Bild/Plakat, Collage, Plastik Skulptur
• Comic erstellen
• Quiz - Wissen über Europa
• Film (see and make)
• Manifest (schreiben und veröffentlichen)
• Das Wort „Traum“ (und/oder „Ziel“) in alle
Sprachen Europas übersetzen
98_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
• Buch, Berichte, Artikel zum Thema sammeln
• Eine Liste, auf der Jede/r einen Traum, ein Ziel
aufschreibt
• kurzer Film – „Gehen meine Träume und Ziele
zusammen?”
• Lied dichten
• Zeichnen, Sticker herstellen
• Traumbäume/Zeitkapsel
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
• Aufsätze und Gedichte schreiben
• Fest feiern
Zwei während des Projekts angewandte Methoden, die sich gut für die Gruppenarbeit oder als
Einstig in das Thema eignen:
Lautlose Thesendiskussion zum Thema:
„Ziele und Träume“
Diese Methode eignet sich sowohl für kleinere als
auch für größere Gruppen. Dreizehn zum Teil widersprüchliche Thesen werden auf Din-A-4-Zetteln
aufgeschrieben und an eine Leine gehängt. Beim
Vorbeigehen soll jeder Teilnehmer/jede Teilnehmerin seine/ihre Meinung zu der entsprechenden
These schreiben und auf die Meinungen der anderen Gruppenmitglieder eingehen. Bei der Auswertung im Gruppengespräch können die kontrovers
diskutierten Thesen noch einmal genannt und die
unterschiedlichen Standpunkte von den Gruppenmitgliedern erläutert werden. Bei großen Gruppen
bietet es sich an, Thesen jeweils mehrfach aufzuhängen und die Gruppe bei einer Auswertung in
Kleingruppen aufzuteilen. Durch diese Methode
kommen die Gruppenmitglieder dem Thema näher.
Sie lernen unterschiedliche Standpunkte kennen
und haben es leichter, sich eine eigene Meinung
zu bilden.
Traumreise zum Thema: Träume
Zum Einstieg in das Thema „Ziele und Träume“
kann eine Traumreise durchgeführt werden.
Dabei sollte, wie bei allen Meditationen und
Traumreisen, auf die richtigen Rahmenbedingungen geachtet werden (Freiwilligkeit, Raumgröße,
Stimmung und Atmosphäre in der Gruppe, Tageszeit, Akzeptanz und Bereitschaft sich auf die
Traumreise einzulassen). Eine weiche Unterlage
und meditative Begleitmusik sind ebenfalls sehr
hilfreich.
Bei einer Traumreise liest eine Person den Text laut
und deutlich vor und achtet dabei auf ausreichende Pausen zwischen den Sätzen und Absätzen.
Nach Beendigung einer Traumreise bietet sich eine
Programmpause an, damit die Teilnehmenden ausreichend Zeit haben, wieder ganz in die Ausgangssituation zurück zu kommen. Am besten eignen
sich Traumreisen für längere Aktionen, Freizeiten
oder Fahrten.
Text zu einer Traumreise:
Ich möchte dich zu einer Reise einladen.
Dazu ist es gut, wenn du dich ganz bequem hinlegst.
Spüre, wie dein Körper den Boden berührt.
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_99
GEGEN DEN TREND ’2004
Die Thesen:
• Das Wichtigste im Leben ist, dass man Arbeit
hat, egal welche!
• Wer keinen Mut zum Träumen hat, der hat auch
keine Kraft für eine bessere Welt zu kämpfen!
• Wichtig für ein zufriedenes Leben ist, dass du
das, was du tust, auch gerne tust.
• Jemand ohne Ziel ist wie ein Schiff ohne Hafen.
• Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen
Traum.
• Ohne Geld läuft im Leben gar nichts. Deshalb ist
das Allerwichtigste, dass du ein großes Einkommen erwirtschaftest.
• Der Weg ist das Ziel.
• Ein erfülltes Leben hat wenig mit Geld zu tun.
• Wozu Ziele setzen, wenn schon klar ist, dass die
Verwirklichung eine Utopie bleibt?
• Sorge dich nicht um das was kommt, denn der
Herr (Gott) wird dir helfen.
• Das Leben besteht aus Arbeit und Mühsal. Auch
Träume helfen nicht.
• Im Leben sind Ziele wichtiger als Träume!
• Wer seine Träume verwirklichen will, sollte
zunächst lernen, einmal aus ihnen zu erwachen.
(André Siegfried)
GEGEN DEN TREND ’2004
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
Nimm wahr, wie schwer dein Körper auf dem Boden liegt.
Spüre zuerst deine Hände und Arme, dann deine
Beine und Füße, deinen Po und Oberkörper und
zum Schluss deinen Kopf.
Spüre deinen Atem.
Atme einmal ganz bewusst tief ein und wieder
aus.
Wiederhole das ein paar Mal.
Du fühlst, wie dein Körper immer leichter wird.
Schon berührst du nicht mehr den Boden und
verlässt schwebend diesen Raum. Die Schwerelosigkeit nimmt dich mit.
Du wirst immer leichter und steigst immer
höher.
Du siehst die Häuser unter dir immer kleiner werden, bis du sie kaum noch wahrnimmst.
Dafür siehst du nun ganz deutlich die unterschiedlichen Landschaften, Wiesen, Felder, Wälder und
Seen.
Gelegentlich siehst du Häuser, klein wie Streichholzschachteln.
Doch die Dörfer werden immer seltener.
Du kommst in eine unbewohnte Gegend.
Die Sonne taucht alles in ein goldenes Licht.
Du siehst einen großen Baum und beschließt, ihn
dir genauer anzusehen.
Unter dem Baum steht ein Haus, das du von weitem gar nicht gesehen hast.
Die Haustür ist offen und deine Neugier ist geweckt.
Du stehst wieder auf dem Boden und betrittst das
Haus.
Die große Diele ist hell erleuchtet und einladend.
Es gibt nur eine Tür.
Auf dieser Tür steht in großen Buchstaben MEINE
TRÄUME.
Die Tür lässt sich leicht öffnen und schon stehst du
im nächsten Raum.
Er ist eine Galerie mit vielen Bildern.
Du trittst auf das erste Bild zu.
Darüber steht in großen Buchstaben TRÄUME FÜR
MEIN LAND.
100_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Du betrachtest das Bild.
Schließlich gehst du weiter.
Das nächste Bild hat die Überschrift TRÄUME FÜR
MEINE KIRCHE.
Auch hier bleibst du eine Weile stehen und betrachtest das Bild.
Das nächste Bild, das du dir anschaust hat den
Titel TRÄUME FÜR MEINE FAMILIE.
Am Ende der Galerie hängt ein sehr großes Bild
unter dem MEINE EIGENEN TRÄUME zu lesen
ist.
Dieses Bild betrachtest du sehr gründlich.
Nach dem du alles auf dem Bild gesehen hast,
siehst du dich nochmals in der Galerie um.
Du bemerkst den Ausgang und trittst in den Sonnenschein.
Ein leichter Wind ist aufgekommen.
Er zieht an deinen Kleidern und du beginnst wieder zu schweben.
Langsam steigst du höher und höher.
Mit einem letzten Blick nimmst du Abschied von
dem großen Baum und dem Haus. Wieder siehst
du die unterschiedlichen Landschaften unter dir
dahinziehen. Allmählich wird die Landschaft immer bekannter, Häuser tauchen in deinem Blickfeld auf.
Du siehst das Haus, von dem aus du zu deiner
Reise aufgebrochen bist.
Ein Fenster steht offen.
Du schwebst hindurch und lässt dich langsam auf
dem Boden nieder.
Du spürst wie dein Körper Kontakt mit dem Boden
aufnimmt.
Du fühlst unter deinen Armen und Beinen, deinem Po und Oberkörper, den Teppich auf dem du
liegst.
Du spürst Deinen Atem.
Du atmest langsam ein und aus.
Langsam wirst du wacher.
Du beginnst, Finger und Zehen zu bewegen.
Während du dich streckst, spürst du noch einmal
deinen Körper ganz deutlich.
Du öffnest die Augen.
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
Umsetzung der Ergebnisse
und Fragen, die geblieben sind
Nachdem die Ergebnisse der Umfrage zusammengetragen wurden, stellt sich natürlich die Frage
der Umsetzung. Eine Fragebogenaktion ist eine
Bestandsaufnahme, die sich unter Umständen
auch als Einstieg in die Arbeit mit dem Thema „Ziele und Träume“ eignet. Ebenso die Methoden, die
oben beschrieben sind. Es sollte immer die Frage
im Blick sein, wie persönliche Ziele und Träume
verwirklicht werden können. Dabei bietet sich m.
E. auch manchmal ein einfaches Gruppengespräch
an, wenn die Gruppe dazu in der Lage ist und das
Setting stimmt.
Weitere gute Methoden, um über Wünsche, Ziele
und Träume zu sprechen, finden sich im Internet
in einem Unterrichtsvorschlag für Religionslehrer
in Bayern unter: www.zum.de/Faecher/evR2/
BAYreal/9/9.4/zieleich.htm.
Im Projekt haben wir uns in anderen Arbeitsgruppen, in thematischen Einheiten für alle Projektteilnehmer und in Gruppengesprächen auch mit der
Frage auseinander gesetzt, wie Ziele und Träume
erreicht werden können.
Die Frage nach Gott
Was bedeutet die Verwirklichung von Zielen
im Hinblick auf unterschiedliche finanzielle
Hintergründe?
Die Richtung der persönlichen Träume ist schon
sehr stark abhängig von der persönlichen und
auch von der finanziellen Lebenssituation. Das
wurde in dem Projekt mit deutschen Jugendlichen aus einem reichen Land und polnischen
Jugendlichen aus einem eher armen Land an
verschiedenen Stellen deutlich. Auch innerhalb
Deutschlands, wenn man nicht mit so einer
homogenen Projektgruppe arbeitet, können die
Ergebnisse (abhängig von der sozialen Situation)
sehr unterschiedlich sein. Die Beschäftigung
mit Zielen und Träumen von Jugendlichen
in aller Welt könnte aber auch ein Ansatz sein,
sich über Ungleichheit und Ungerechtigkeit auseinander zu setzen und für die Überwindung der
Ungerechtigkeit zu arbeiten (z. B. Eine-Welt-Arbeit).
Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen/
Frauen und Männern
Natürlich spielt auch das Geschlecht bei der
Festlegung der Ziele und Träume eine Rolle. Bei
der Auswertung der Fragebögen der deutschen
Befragten haben wir auch nach Geschlechtern
getrennt. Dieser Weg wurde leider zwischendurch
verlassen, weil die Fülle der Informationen uns
erschlagen hat und die polnischen Daten leider
nicht geschlechtsspezifisch eingegeben wurden.
Bei der Beschäftigung mit dem Thema „Ziele und
Träume“ sollte aber auf jeden Fall die Geschlechtlichkeit berücksichtigt werden (Gender Mainstreaming).
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_101
GEGEN DEN TREND ’2004
Der Glaube an Gott und an Jesus Christus kommt
bei den befragten Jugendlichen aus Deutschland
im Zusammenhang mit Träumen und Zielen im
Unterschied zu den polnischen Jugendlichen kaum
vor. Obwohl der Fragebogen schon auf die reale
Zukunft ausgerichtet war, macht mich diese Tatsache stutzig. Entweder waren die Fragen so gestellt,
dass der Glaube (obwohl für den Einzelne/die
Einzelne wichtig) nicht abgefragt wurde oder der
Glaube ist insgesamt nicht so wichtig im Leben
von Jugendlichen in Deutschland. In der Shell-Studie (S. 143) sehen immerhin 38 % der befragten
Jugendlichen den Gottesglauben als wichtig an.
Das bedeutet, dass auf jeden Fall noch einmal
nachgehakt werden kann. In thematischer Arbeit
mit Jugendlichen über „Ziele“ und „Träume“ sollte
der Blick auch auf die Frage des Glaubens gerichtet werden.
Ziele und Träume von Jugendlichen in Europa
Literatur/
Weitere Informationen
Weitere Informationen über das Projekt finden sich
auf der Webpage: www.togetherineurope.org.
Weitere ausführlichere Informationen (z. B. Umfrageergebnisse) sind leider nicht publiziert, können
aber bei der Ev. Jugend der Propstei Schöppenstedt [email protected] abgefragt
werden.
Dieser Beitrag wurde unter zur Hilfenahme des
Projektberichts verfasst:
• Projektbericht - Ziele und Träume der Jugend im
vereinten Europa in Deutschland und in Polen,
U. Heuser, G. Labuhn
Schöppenstedt, 2002
• Jugend 2002 – 14. Shell Jugendstudie
M. Albert, Prof. K. Hurrelmann
Frankfurt/Main, 2002
Interesierte an deutschen/osteuropäischen Gruppen finden weitere Informationen bei der RobertBosch-Stiftung: Förderprogramm Junge Wege
in Europa www.bosch-stiftung.de/foerderung/
und beim Deutsch-Polnischen Jugendwerk
www.dpjw.de
GEGEN DEN TREND ’2004
Gottfried Labuhn
102_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
›› Lebensrückblick
von vorne
Lebensrückblick von vorne
Lebens(t)räume
Warum Lebens(t)räume als
Thema für junge Menschen?
Junge Menschen sollen eigentlich gerade in der
Zeit des Erwachsenwerdens die Realität kennen
lernen und festen Boden unter den Füßen gewinnen. Spinnerte Ideen haben sie eh genug, diese
müssen nicht noch gefördert werden. Aber es geht
nicht darum, irgendwelche „Wolkenkuckusheime“
zu bauen oder Jugendlichen mit dem schnellen
Schuss auf den nächsten wilden Trip zu verhelfen.
Das Thema „Lebens(t)räume“ ist in doppelter
Hinsicht für Jugendliche relevant. Zum einen geht
es darum, dass Jugendliche sich in einem Entwicklungsstadium befinden, in dem sie Lebensräume
abschreiten, sich aneignen sollen und müssen. Ihr
Leben wird zu einer persönlichen „Landnahme“,
dazu will das Thema sie ermutigen und begleiten.
GEGEN DEN TREND ’2004
Gleichzeitig ist das Thema
aber auch so etwas wie
eine persönliche Haltung
und Einstellung zum
Leben. Es geht um eine
persönliche Rollenfindung.
Heraus aus Zweifel und
Neid den anderen gegenüber, weg von Größenwahn und Rollenfixierung, hin
zu einem Leben in gesellschaftlicher und kirchlicher Verantwortung.
Träume sind Wegweiser zu „Not–wendenden“
Veränderungen/Kurskorrekturen. Lebensträume
öffnen jungen Menschen Perspektiven über den
bisherigen Erfahrungshorizont hinaus. Sie erweitern das „platte“ und vordergründige Leben um
eine weitere Dimension. Sie können Verschlossenes öffnen und Festgefahrenes verändern. Menschen können weiten Lebensraum erahnen, wenn
sie einmal die Botschaft ergreift, die da sagt, dass
sie nicht so bleiben müssen, wie sie bis heute
geworden sind.
104_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
Träume sind Schäume?
• Welche Träume habe ich von meinem Leben?
• Welche Ideale/Vorbilder habe ich?
• Woher bekomme ich meine Lebensentwürfe
(Eltern, Großeltern, Freunde, Medien...)?
• Was tue ich dafür, dass meine Träume Wirklichkeit werden?
• Was kann ich real daran tun? Habe ich es selbst
in der Hand?
• Was passiert, wenn Lebensträume zerplatzen
wie Seifenblasen?
• Wie werde ich dann mit dem „Versagen“ fertig?
Du hast es selbst in der Hand
•
•
•
•
•
•
Jede/r ist seines Glückes Schmied.
Jede/r hat das Leben selbst in der Hand.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Man muss sich durchsetzten im Leben.
Nur nicht auf der Looser-Seite stehen.
Hauptsache Spaß - ich lebe jetzt!
Ich schulde meinen Träumen
noch Leben
• Meine Träume sind für uns und unser Leben
wichtig, weil sie die Umsetzung, unseren Antrieb und unsere eigene Lebensenergie stärken.
• Träume erhalten mich am Leben.
• Etwas erreichen, aber nicht um jeden Preis.
• Scheitern einplanen und an mögliche Alternativen denken.
• Leben unter den Schutz/Segen Gottes stellen
und die Ziele nicht verbissen aus eigenem Antrieb heraus erreichen wollen.
• Vertrauen darauf, dass Gott es gut mit mir
meint.
Gott meint es gut mit Dir!
Im ersten Kapitel der Bibel wird uns in der Schöpfungsgeschichte berichtet, wie Gott die Welt und
Lebensrückblick von vorne
die Menschen sieht. Dort wird uns berichtet, wie
Gott sich das Verhältnis zu den Menschen vorstellt
und was daraus geworden ist. Die erste menschliche Tat in der Bibel ist eine Gewalttat. Kain erschlägt seinen Bruder Abel. Diese Geschichte gibt
Auskunft darüber, was geschieht, wenn sich der
Mensch dem Bedürfnis nach Aneignung von Lebensraum ungehindert hingibt. Es endet im Streit
untereinander. Es entstehen Neid und Zweifel, bis
hin zur Verzweiflung.
Zweifel entsteht dort, wo
es mehr als eine Möglichkeit zu leben gibt. Ich bin
gefordert mich zu entscheiden, wie mein Leben
verlaufen soll:
ein Leben mit oder ohne
Gott. Es ist dir gesagt
Mensch, was gut ist, heißt es an anderer Stelle der
Bibel. Aus der Bibel, den Zehn Geboten und dem
Gebot der Nächstenliebe heraus wissen wir genau,
was wir zu tun und zu lassen haben.
Transfer, Vermittlung,
Umsetzung
An der Decke des Raumes hängt ein Traummobile
mit verschiedenen Aufschriften:
Meine/Mein Traumfrau/-mann sollte...; Wenn ich
meinen Traumberuf hätte, dann wäre ich...; Meine Traumreise ginge nach...; Ein Traum für mein
Leben wäre, wenn ich...; Mein Traum für diese Welt
wäre... usw.
Einführung ins Thema
Jede/r Teilnehmerin/Teilnehmer erhält Traumwolken von seinem Leben in folgenden verschiedenen
zeitlichen Altersstufen: 16-18, 19-21, 22-25, 26-30
und 30-35 Jahre. Aufgabe ist es, in die jeweiligen
Traumwolken eigene Vorstellungen und Träume
vom eigenen Leben zu schreiben. Jede/Jeder
Teilnehmerin/Teilnehmer füllt für sich alleine die
Traumwolken aus. Im Hintergrund kann leise meditative Musik laufen.
Die Traumwolken werden in Kleingruppen vorgestellt und untereinander abgeglichen: Gibt es
ähnliche Lebensentwürfe? Worin unterscheiden
sich die Lebensentwürfe von denen der anderen?
Ähnlichkeiten und Unterschiede werden miteinander diskutiert bzw. nach möglichen Hintergründen
für die Übereinstimmung gefragt.
Was bedeutet das für mich
und mein Leben?
• Welche Träume haben andere?
• Gibt es für mich jetzt Träume, die ich noch nicht
gekannt habe?
• Habe ich Alternativen für meine Träume gefunden?
• Wie hoch ist der Anteil an materiellen bzw. ideellen Träumen?
• Gibt es Unterschiede zwischen den Träumen von
Mädchen und Jungen?
Material
• Ausreichend viele Traumwolken, Stifte
• Rundholzstäbe und Wäscheklammern, Bindfaden für das Mobile
• CD-Player/Kassettenrecorder, Hintergrundmusik
die zum Träumen anregt
Martin Bauer
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_105
GEGEN DEN TREND ’2004
Träume gehören zu unserem Leben dazu. Wer
keine Träume, keine Illusionen mehr hat, dessen
Leben ist eintönig und grau geworden. Träume wirken einerseits kompensatorisch, in dem sie Erlebtes des Tages in der Nacht verarbeiten und somit
für unser seelisches Gleichgewicht sorgen. Zum
anderen haben Träume eine Botschaft für uns. Sie
geben/sind Wegweisung und Entscheidungshilfe
für unser alltägliches Handeln.
Lebensrückblick von vorne
Lebensrückblick
Wer sein Leben nicht nur einfach so lebt, wird sich
früher oder später im Leben die Fragen nach dem
„Sinn des Lebens“ stellen. Spätestens, wenn wir in
unserem Leben erstmalig mit dem Tod und somit
der Endlichkeit des Lebens konfrontiert werden,
stellt sich für viele von uns die Frage nach dem Sinn
des Lebens, nach dem „Wohin...“ und „Woher...“.
Aber auch ohne diesen traurigen Anlass kann es
von Zeit zu Zeit sinnvoll sein, sich seiner eigenen
Lebensperspektiven bewusst zu werden. Was
habe ich in meinem Leben bisher erreicht, was
sind meine Ziele, was möchte ich in meinem Leben
noch erreichen? In manchem erkenne ich erst im
Rückblick auf die erlebte Situation einen Sinn und
kann meine Erfahrungen daraus für mein weiteres
Leben ziehen und umsetzen. Manche Dinge im Leben passieren mir immer wieder. Ich gerate immer
in ähnliche Situationen, in denen ich mich immer
wieder gleich verhalte. Oder ich begegne immer
wieder Menschen mit einer ähnlichen Persönlichkeit. Oder ich widme mich einer bestimmten Aufgabe in meinem Leben und erkenne im Rückblick
im wieder Gleiches. Manches zieht sich wie ein
„roter Faden“ durch mein Leben. Häufig ist mir dieser Faden im Alltag gar nicht bewusst, sondern ich
sehe ihn erst im Rückblick, in der Reflexion meiner
erlebten Lebenssituationen.
GEGEN DEN TREND ’2004
Die nachstehenden Übungen sollen eine Möglichkeit des Rückblicks auf unser eigenes Leben geben
und die verschiedenen damit verbundenen Fragestellungen ermöglichen.
FAQ - Frequently aksed
questions?
• Woher komme ich?
• Wo gehe ich hin in meinem Leben?
• Welchen Sinn hat mein Leben für mich und für
andere?
106_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
•
•
•
•
•
•
•
•
Das kann doch nicht alles gewesen sein!
Wo ist meine Aufgabe?
Ich alleine kann ja doch nichts tun.
Ich bin etwas wert, so wie ich bin!
Wo finde ich in meinem Leben Orientierung?
Wer oder was gibt mir in meinem Leben Halt?
Wie ist mein Leben bisher verlaufen?
Was möchte/kann ich ändern?
Alles hat einen Sinn!
Die Bibel
• Du bist etwas wert.
• Dein Leben soll gesegnet sein.
• Du bist gerechtfertigt allein aus Gnade.
• Du bist das Salz der Erde, das Licht der Welt.
Meinungen
• Du kannst alleine gar nichts bewirken.
• Du schaffst es sowieso nicht.
Lebensrückblick von vorne
• Man muss das Leben eben leben wie es kommt.
• Der Sinn des Lebens bleibt uns verborgen.
• Der Sinn des Lebens liegt in Haus, Familie, Kinder, Arbeit, Reichtum.
Du bist verantwortlich
für dein Leben
•
•
•
•
Du alleine kannst etwas bewirken.
Du bist auf dieser Welt wichtig.
Dein Leben steht unter dem Segen Gottes.
Von Zeit zu Zeit innehalten und Rückschau halten auf mein Leben.
• Hilfreich mein Tun und Handeln an eigenen Normen und Wertvorstellungen überprüfen.
• Aus dem Segen Gottes Gutes und Schlechtes
gleichermaßen annehmen können.
• Sicher sein, dass mein Leben nicht umsonst
gelebt wird.
Dein roter Faden
in deinem Leben
• Lebenskurve zeichnen
• Roter Faden in meinem Leben
Und wie geht es weiter?
• Wo entdecke ich nicht nur „rote Fäden“ in meinem Leben?
• Wer webt sie?
• Wo „beißt manchmal die Maus den Faden ab?“
• Wo hänge ich manchmal am „seidenen Faden?“
• Wer oder was gibt mir in meinem Leben Halt,
wenn ich meinen „roten Faden“ verloren habe?
• Mit Behinderungen muss man rechnen. Was ist,
wenn in meinem Leben nicht alles so geradlinig
verläuft?
• Wo können Fäden für ein starkes Miteinander
geknüpft werden?
• Ist mit dem Tod alles aus?
• Kann ich mein Leben ohne Gott leben?
Materialien/Literatur
• Helena Rimmele; Christa Straub
Zwischen 18 und 30
Werkstattbuch für die Arbeit mit jungen Erwachsenen
Herder Verlag Freiburg 1993
• Josef Griebseck
Durchatmen
Herder Verlag Freiburg 1993
• Praxisentwürfe junge Erwachsene
Band 1: Lebensträume
Ev. Jugendwerk in Württemberg
Calwer Verlag Stuttgart 2. Auflage 1996
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_107
GEGEN DEN TREND ’2004
Mit der Taufe hat uns Gott einen „roten Faden“ in
unserem Leben gegeben. Fest auf das Wort aus
Jesaja 45 „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ weiß ich mein Leben fest in
Gottes Hand. Gott kennt mich bei meinem Namen
und er wird mein Leben nicht umsonst gelebt sein
lassen, egal wie lange es dauert.
Ich lebe mein Leben in der Verantwortung vor
Gott, vor meinen Mitmenschen und vor mir selbst,
genauso, wie es uns in den Geboten und im Leben
Jesus benannt und vorgelebt worden ist. Sicher
weiß ich um mein Versagen in diesem Bemühen,
aber ich weiß auch um die Rechtfertigung allein
aus der Gnade Gottes, der mein Leben immer wieder neu macht und mir mein Versagen und meine
Verfehlungen durch und in Jesus Christus vergibt.
Ich weiß mein Leben in Gottes Hand, er ist mein
„roter Faden“ für mein Leben.
Transfer, Vermittlung,
Umsetzung
Lebensrückblick von vorne
Der rote Faden in meinem Leben
Material
• Arbeitsblatt „Der rote Faden in meinem Leben“
• Ausreichend rote Wolle für die TeilnehmerInnen
• Klebstoff/Unterlagen
• Biografiekarten für Lebenskurven
• Lebenswegmeditation aus 18 - 30
Transfer
Lebenskurve zeichnen oder mit Naturmaterial
legen.
GEGEN DEN TREND ’2004
Die TeilnehmerInnen erhalten die Möglichkeit, ihre
Lebenskurve in Form einer Fieberkurve aufzumalen
oder mit Zetteln und Naturmaterialien zu legen.
Dazu kann es hilfreich sein, die TeilnehmerInnen
in einer kleinen „Phantasiereise“ an die einzelnen Stationen eines, auch ihres, Lebensweges zu
führen.
Die Teilnehmenden liegen oder sitzen entspannt,
halten die Augen geschlossen.
Ich gehe die einzelnen Stationen eines Lebensweges langsam durch:
Geburt - In welche Familie hinein, in welche Situation wurde ich geboren? – Meine Kindheit, die ersten Jahre – Kindergarten – Freunde/Freundinnen
– Mein erster Schultag – Grundschulerlebnisse
– Schulwechsel – Konfirmation – Tanzstunde
– Pubertät – erste/r feste/r Freundin/Freund
– Schulbildung/-abschluss – Berufswunsch/-wahl
– persönliche positive, oder auch negative Erlebnisse – Personen, die auf dem Weg für mich eine
Rolle gespielt haben.
Welche Bilder, Personen, Erfahrungen, Erinnerungen steigen auf?
Anschließend erhalten die TeilnehmerInnen ausreichend Zeit (45 Min.), ihren Lebensweg zu gestalten.
Leise Musik im Hintergrund kann die Phase unterstützen.
Nach einer kurzen Pause erfolgt der Austausch in
der Gruppe. Je nach Gruppengröße Kleingruppen
108_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
(mit maximal vier Personen) bilden. Die TeilnehmerInnen erhalten eine Stunde Zeit um ihre Ergebnisse untereinander vorzustellen.
Lebensrückblick von vorne
Material:
• Stifte
• Blätter für die „Fieberkurve“
• Legematerial für den Lebensweg:
- Verschiedenfarbige Tücher
- Holzkugel, Ringe, Plättchen, Holzstäbe
- Muscheln, Steine, Zapfen, Äste
- Tonscherben, Spiegelscherben, Nägel
- Murmeln, Wolle, Schnur, bunte Papierstreifen,
Zeitungen usw.
Transfer
Der „rote Faden“ in meinem Leben
Alle TeilnehmerInnen erhalten einen kurzen roten
Faden.
Die Hintergrundgeschichte zu der sprichwörtlichen
Bedeutung des „roten Fadens“ wird erzählt:
Die Bedeutung des „roten Fadens“ geht auf die
englische Marine zurück. Die königliche Flotte
hatte alle Taue und Stricke so geflochten, dass
ein roter Faden durch das Ganze ging. So wurde
deutlich, dass diese Taue/Stricke der königlichen
Marine gehörten.
Die Redensart bedeutet für uns heute, dass sich
etwas wie ein „roter Faden“ durch eine Sache bzw.
(i. d. F.) durch unser Leben zieht.
Mit dem kurzen Stück roten Fadens“ kann ein kurzer Austausch unter folgenden Fragestellungen/
Gedanken erfolgen:
Solch ein „roter Faden“ kann eine Idee bzw. Handlungsmuster in meinem Leben sein und mein
Tun bestimmen. Die Farbe „rot“ ist die Farbe des
Aufbruchs, die Farbe der Liebe. Die Farbe „rot“ will
erobern, verändern, aufbrechen.
Anschließend erhalten die TeilnehmerInnen ein
DIN-A3-Blatt mit dem Schriftzug: “Der rote Faden in meinem Leben“, ausreichend rote Wolle,
eine Unterlage sowie Klebstoff (am besten Uhu).
Jede/r TeilnehmerIn soll nun seinen Gedanken
zum „roten Faden“ seines Lebens nachgehen und
ihn mit der Wolle auf dem Blatt fixieren. Man kann
am Anfang und Ende den Faden etwas überstehen
lassen, um zu versinnbildlichen, dass das Leben
einen Anfang und ein Ende außerhalb des „roten
Fadens“ hat.
Material:
• Kurze rote Wollfäden
• Lange rote Wollfäden für den Satz
• Blätter mit dem Schriftzug „Der rote Faden in
meinem Leben“
• Ausreichend Klebstoff (2 TeilnehmerInnen: eine
Tube Uhu)
• Arbeitsunterlagen
Martin Bauer
GEGEN DEN TREND ’2004
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_109
Informationen über die AEJN
GEGEN DEN TREND ’2004
Zur Arbeit der aejn
In der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen
Jugend in Niedersachsen (aejn) haben sich 10 Jugendverbände aus den 5 Landeskirchen, den Verbänden eigener Prägung und den Freikirchen 1959
zusammengeschlossen, um u. a. gemeinsame
Belange bei staatlichen, kirchlichen und sonstigen
öffentlichen Stellen zu vertreten. Am 05.12.2003
kam es zur Vereinsgründung, mit dem Ziel, als
gemeinnützig anerkannter Verein die Interessenvertretung wahrnehmen zu können. Wesentliche
Grundlage der verbandlichen Jugendarbeit sind
weiterhin Jugend-, Projekt- und Aktionsgruppen.
Sie haben wechselnde inhaltliche Schwerpunkte und sind Teil der Freizeit, die Jugendliche und
junge Erwachsene gemeinsam gestalten, in der
sie soziale Aktionen durchführen und sich mit
religiösen, politischen und gesellschaftspolitischen Fragen auseinander setzen. Hinzu kommen
Seminare, Wochenendfreizeiten, Zeltlager, internationale Jugendbegegnungen, Jugendgottesdienste und offene Angebote für nicht organisierte
Jugendliche. Ein nicht unerheblicher Anteil der
Aktivitäten wird mit öffentlichen Mitteln gefördert.
1.486 Freizeiten bzw. Bildungsmaßnahmen (davon
731 Freizeiten, 28 Internationale Begegnungen
und 615 Bildungsmaßnahmen) haben die zehn
Mitgliedsverbände der aejn im Jahr 2001 durchgeführt. Darüber hinaus 209 Sonderveranstaltungen
wie Jugendtreffen, Projekttage oder Jugendnächte.
An diesen Veranstaltungen nahmen 50.385 Personen (davon 27.268 weiblich und 23.117 männlich)
teil. Mit mehr als 34.000 TeilnehmerInnen bei 731
Freizeitmaßnahmen dürften die evangelischen
Jugendverbände zu den größten Anbietern im
Jugendhilfebereich in Niedersachsen zählen. Dazu
müssen eine Vielzahl von weiteren Freizeiten der
örtlichen Ebene gerechnet werden, die von dieser
Statistik nicht erfasst wurden.
Bei einer Auflistung der Altersstruktur ist erkennbar, dass bei den genannten Veranstaltungen
110_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
22.012 Jugendliche aus dem Segment der 14 bis
18-Jährigen stammen, 8.513 Personen waren zum
Zeitpunkt der Erhebung zwischen 19 und 26 Jahre
alt, 7.385 Teilnehmende waren älter als 27 Jahre.
12.475 Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren nahmen
an Freizeiten teil.
Die Mitgliedsverbände zählten 17.104 Ehrenamtliche, die für die unterschiedlichsten Angebotsformen der Jugendarbeit aktiv tätig waren, 53,2 %
davon sind weiblich, 46,8 % männlich.
Diese Statistik weist nur ein Teilsegment der Angebotsvielfalt der Jugendverbände aus. Regelmäßig
stattfindende Gruppenzusammenkünfte, Projekte
oder Wochenendveranstaltungen kommen noch
dazu.
Fazit: Jede Mark, die den Mitgliedsverbänden der
aejn vom Land Niedersachsen oder anderen öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellt wird, ist
gut angelegt. Verwendungsnachweise werden den
zuständigen Stellen zur Überprüfung regelmäßig
vorgelegt.
Dazu kommen die Kinder und Jugendlichen,
die sich regelmäßig in Gruppen und Projekten,
häufig wöchentlich oder 14-tägig treffen. Allein
im Bereich der Ev. Jugend der Hannoverschen
Landeskirche gibt es mehr als 3.540 Kinder- und
Jugendgruppen.
Zur Arbeit Ehrenamtlicher
Ehrenamtliches Engagement ist nach wie vor die
tragende Säule der Jugendarbeit und insbesondere der Jugendverbandsarbeit. Jugendverbände
werden seit ihrer Gründung von Ehrenamtlichen,
d. h. von freiwilligen und unbezahlten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen und gestaltet.
Mit ihrem Engagement sichern sie das gesamte
Verbandsleben von regelmäßiger Gruppenarbeit
über die Leitung von Bildungs- und Freizeitmaß-
Informationen über die AEJN
nahmen bis hin zur politischen Vertretung. Es sind
Ehrenamtliche, die Projekte, Freizeiten und die
alltäglichen Angebote erst möglich machen. Nach
der oben erwähnten Aktivitätenübersicht der aejn
wurden 17.104 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter gezählt.
Die Mitgliedsverbände der aejn haben Strukturen
und Rahmenbedingungen geschaffen, damit junge
Menschen
• durch religiöse, allgemeine und politische Bildung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden,
• ihre Interessen innerhalb ihres eigenen Jugendverbandes artikulieren,
• ihre Bedürfnisse und Anliegen in der kirchlichen
und politischen Öffentlichkeit vertreten.
Dies wird auch in den formulierten Standards
„Bildung ist mehr! –Thesen zum Bildungsbegriff
der aejn“ deutlich. In ihnen wird der Bildungsauftrag der Jugendverbandsarbeit beschrieben,
das Bildungsverständnis dargelegt und in sechs
Thesen (Bildung als Orientierung, Bildung als
Beheimatung, Bildung und Dialog, Bildung und
Beteiligung, Bildung und der Erwerb von sozialer
und politischer Kompetenz und Bildung gestaltet
Gesellschaft) formuliert, welches Grundverständnis Ausgangspunkt ist. Als Grundlage dafür dient
die Überzeugung, wie sie z. B. in der Präambel der
Ordnung für die ev. Jugendarbeit in der Ev.-luth.
Landeskirche Hannovers formuliert ist:
Manfred Neubauer
Evangelische Jugend in der Ev.-Luth. Landeskirche
in Braunschweig
Dietrich-Bonhoeffer-Str. 1, 38300 Wolfenbüttel
Fon: 0 53 31/8 02 - 5 65, Fax: 0 53 31/8 02 - 7 15
[email protected], http://www.ajab.de
Evangelische Jugend
in der Ev.-Luth. Landeskirche Hannovers
Archivstr. 3, 30169 Hannover
Fon: 05 11/12 41 – 4 28, Fax: 05 11/12 41 – 9 78
[email protected], http://www.ejh.de
EJO – Evangelische Jugend in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg
Haareneschstr. 58, 26121 Oldenburg
Fon: 04 41/77 01 – 4 06, Fax: 04 41/77 01@ – 4 99
[email protected], http://www.ejo.de
Evangelische Jugend in der Ev.-Luth. Landeskirche
in Schaumburg-Lippe
Kirchweg 4 a, 31700 Heuerßen
Fon: 0 57 25/9 13 – 5 53, Fax: 0 57 25/9 13 – 5 58
[email protected], www.laju-sl.de
Ev.-Ref. Jugend in der Evangelisch-Reformierten Kirche
(Synode Ev.-Reformierter Kirchen in Bayern und
Nordwestdeutschland)
Saarstr. 6, 26789 Leer
Fon: 04 91/91 98 – 2 10/-2 11, Fax: 04 91/91 98 - 2 40
[email protected]
Länderjugendwerk Niedersachsen/Bremen
der Evangelisch-methodistischen Kirche
Lambertistr. 44, 26121 Oldenburg
Fon: 04 41/8 85 90 85, Fax: 04 41/7 78 14 56
www.kjw-nord.de, [email protected]
Gemeindejugendwerk
Niedersachsen-Ostwestfalen-Sachsen-Anhalt (GJW)
Hermann-Löns-Park 7, 30559 Hannover
Fon: 05 11/9 54 97 40, Fax: 05 11/9 54 97 41
[email protected], http://www.gjw-nos.de
CVJM in Niedersachsen
Auf dem Brink 10, 26849 Filsum
Fon: 0 49 57/ 82 15, [email protected]
Niedersächsischer Jugendverband
„Entschieden für Christus“ (EC) e. V.
Archivstr. 3, 30169 Hannover
Fon: 05 11/12 41 – 9 01, Fax: 05 11/12 41 – 9 78
www.ec-niedersachsen.de
Kreisjugendarbeit der Freien Evangelischen Gemeinden
im BFEG in Niedersachsen
Neue Str. 9, 37581 Bad Gandersheim
TRÄUME - ZUKUNFT - LEBEN_111
GEGEN DEN TREND ’2004
„Ev. Jugendarbeit will allen jungen Menschen das
Evangelium von Jesus Christus in ihnen gemäßer
Weise bezeugen, sie mit der biblischen Botschaft
in ihrer Lebenswirklichkeit begleiten und sie
ermutigen, in der Nachfolge Jesu Christi als
mündige Christen kirchliches Leben mitzugestalten und Verantwortung in der Welt wahrzunehmen.“
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend
in Niedersachsen (AEJN)
Archivstr. 3, 30169 Hannover
Fon: 05 11/12 41 – 5 72/-5 71, Fax: 05 11/12 41 – 4 92
[email protected], http://www.aejn.de
Veröffentlichungen „Gegen den Trend“
Gegen den Trend 2003
Echt cool!
Gegen den Trend 1997
Surfen in die Zukunft
Gegen den Trend 2002
Respekt
Gegen den Trend 1996
Kick, Fun & Thrill
Gegen den Trend 2001
Zwischen Begeisterung und Gewalt
Gegen den Trend 1995
Fasten und Teilen
Gegen den Trend 2000
Von Helden und anderen Lichtgestalten
Gegen den Trend 1994
Wettstreit statt Feindschaft
Gegen den Trend 1999
Navigation braucht Orientierung
Gegen den Trend 1993
Gewalt - gewaltfrei leben
Gegen den Trend 1998
Erfolgreich leben
Gegen den Trend 1992
40 Tage ohne …Verzicht ein Gewinn
-
Cool sein - eine Annäherung
Miteinander wird's cool
Wir tragen zu viele Masken
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider
deinen Nächsten
- Umfrage: „Cool und Uncool - Was denken
Jugendliche über den christlichen Glauben?”
- …
-
Respekt! Anstößige Annäherung an das Thema
Jugend ohne Respekt?
Gibt es etwa Mobbing in der Schule?
„Hallo, wie geht es Dir?“ - Respekt vor
Menschen mit Behinderung
- Was der 11. September 2001 mit Respekt zu
tun hat?
- …
-
Jugendgewalt - Wie, wo, warum?
Faszinosum Gewalt
Wie wirkt Musik?
Die Welt zertrümmern?!
Gewaltbereite Mädchen
Sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen
Gewalt und Jungen
…
- Helden - Begleiter auf dem Weg zur eigenen
Persönlichkeit
- Filmhelden in Aktion
- Star Trek - Raumschiff Enterprise
- Stars - Helden in der Musikszene
- Martin Luther King
- Vom General zum Friedensheld - Yitzchak Rabin
- …
GEGEN DEN TREND ’2004
- Orientierung
- Vom Gebot zur Geschichte - Orientierung
als Prozeß
- Innerer Kompaß und Orientierungslosigkeit
- Global + Ratlosigkeit = Angst
- Lebensaufgaben im Jugendalter
- Wertehammer
-…
Erfolg, was ist das für mich
- Jeder ist seines Glückes Schmied? Von
Leitbildern und Idolen
- Stell Dir vor, Du stellst Dich vor, und keiner
stellt Dich ein!
- Warum immer nur zu kurz kommen? Frauen
und Erfolg
- …
-
Alle Ausgaben sind als Kopie für einen Preis von 3 5 zzgl. Porto erhältlich.
112_TRÄUME -ZUKUNFT - LEBEN
-
-
-
Runter von der Oberfläche
Ich-Styling
Kreativ sein im Internet
Die Computergesellschaft
Kommunikation
Zukunft in der Bibel
von der Schiffsschaukel zum Euro-Disney
Trends
Tanzen ist Trumpf
Beziehungskisten
Erleben gegen den Trend
Erlebnispädagogik - Rettungsanker in
schwieriger Zeit?
Option für die Schwachen
Jugend und Teilen
Macht teilen
Zeit - teilen statt totschlagen
Arbeit teilen
Geld/Besitz teilen
…
- Die Aktion
- Versuch einer Ist-Stands Beschreibung
- Individuum und Gemeinschaft - Ich suche
mich noch
- Individuum und Gemeinschaft - „Es ist nicht
gut, dass der Mensch allein sei...”
- Werte und Orientierungen
-…
-
Die Aktion
Gewalt in der Schule
Gewalt in der Freizeit
Gewalt in den Medien
- Fasten - ein leibliches Fest und ein religiöses Ereignis
- Thema Alkohol
- Thema Süßigkeiten
- Thema Medienkosum

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