Erkrankungen der Brust in der Stillzeit - Leitlinien
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Erkrankungen der Brust in der Stillzeit - Leitlinien
Erkrankungen der Brust in der Stillzeit - Leitlinien Dr. med. Michael Scheele Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Mitglied der Nationalen Stillkommission Deutschlands SAFE-Mentor [email protected] Milchstau (Stauungsmastitis) Symptome • Rötung, Fieber, grippeartiges Gefühl • lokale Verhärtung und Schmerzen in der Brust Milchstau Ursachen • Fehlender Milchspendereflex, z.B. durch Stress, Schlafentzug etc. Einflüsse auf den Milchspendereflex (n. M. Abou-Dakn) Kreislauf der gestörten Milchbildung Abou-Dakn Milchstau Ursachen • Fehlender Milchspendereflex, z.B. durch Stress, Schlafentzug etc. • Mechanische Behinderung der Milchentleerung einzelner Bereiche (Anlegefehler, zu enger BH, Verschluss eines Milchgangs etc.) Milchstau Ursachen • Fehlender Milchspendereflex, z.B. durch Stress, Schlafentzug etc. • Mechanische Behinderung der Milchentleerung einzelner Bereiche (Anlegefehler, zu enger BH, Verschluss eines Milchgangs etc.) • Übermäßige Milchproduktion (sehr selten!) Milchstau Therapie • Schonung der Mutter • häufiges Anlegen in günstiger Position Milchstau Therapie • Schonung der Mutter • häufiges Anlegen in günstiger Position • sanfte Massage zur Anregung des Milchspendereflexes • eventuell Verschluss eines Milchganges durch Überhäutung oder Fettpfropf („weißes Bläschen“) : zusätzlich heiße Kompressen, Massieren, Öffnen • und wie bei initialer Brustdrüsenschwellung Entleeren der Brust bei fehlender Erleichterung durch Stillen • Reduzieren des mechanischen Drucks (Prolactinrezptoren durch Blut weniger erreichbar) • FIL (Feedback Inhibitor of Lactation) • Serotoninvermittelte negativen Rückkopplung s s Serotonin s - Hemmung s Rezeptor Serotoninvermittelte negative Rückkopplung Nach dem System der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) werden Leitlinien in drei Entwicklungsstufen von S1 bis S3 entwickelt und klassifiziert, wobei S3 die höchste Qualitätsstufe der Entwicklungsmethodik ist. Die methodische Qualität einer S3-Leitlinie ist dementsprechend höher einzuschätzen als die einer S2- oder S1-Leitlinie. Die überwiegende Mehrheit (knapp 70 %) aller Leitlinien der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sind S1-Leitlinien. Leitlinien: Initiale verstärkte Brustdrüsenschwellung Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: Aufgrund der unzureichenden/fehlenden Datenlage kann derzeit der Einsatz folgender Verfahren hinsichtlich einer Nutzen-Schaden-Abwägung nicht beurteilt und daher derzeit keine Empfehlung für oder gegen sie ausgesprochen werden: - Auflage von Kohlblättern - Auflage von Kühlkissen -Auflage von Quark -Tiefdruckmassage -Massagen nach Plata Rueda oder Mamet - Retterspitz - Akupunktur - Therapeutischer Ultraschall Leitlinien: Initiale verstärkte Brustdrüsenschwellung Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: Trotz der Schwellung der Brust soll eine regelmäßige Entleerung der Brust erfolgen. Eine Brustwarzenverletzung ist zu vermeiden. (KKP). Bei Vorliegen einer starken Schwellung im Bereich der Areola kann die Reverse Pressure Softening Technik eingesetzt werden, um ein korrektes Anlegen des Kindes zu erleichtern (KKP). Nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. Ibuprofen) können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden (KKP). Aufgrund langjähriger Erfahrungen aus der Praxis können die Auflagen von Kühlkissen, Kohlblättern oder Quark sowie die Anwendung einer Tiefdruckmassage zur symptomatischen Behandlung eingesetzt werden (KKP). Mastitis puerperalis Symptome • lokale Rötung und Überwärmung • teilweise hohes Fieber (nicht immer Zeichen für eine bakterielle Entzündung) • Symptome wie bei Milchstau und keine Besserung nach konsequenter Therapie innerhalb 24-spätestens 48 Stunden • Veränderung der Milchzusammensetzung Mastitis puerperalis Häufigkeit: ca. 10% in BRD (WHO) in den ersten 12 Wochen pp Auch ohne Mastitis gibt es hohe Keimzahlen in der Muttermilch(3,5% gesunder Mütter = Streptokokken B in hoher Zahl). Symptome einer Mastitis gibt es auch ohne hohe Keimzahlen in der MM ! Erreger : • Staphylokokkus aureus(>90%) • Staphylokokkus epidermidis • ß-hämolysierende Streptokokken B • selten: Streptokokken A, Streptokokken pneumoniae, E. coli Community-associated MRSA (CA-MRSA) • 63 – 67% aller puerperalen Mamaabszesse in USA • Typischerweise keine Multiresistenzen gegenüber Antibiotika (Clindamycin, Aminoglykoside, Chinolone oft wirksam) • Unwirksamkeit üblicherweise verwendeter Antibiotika (z.B. Cephalosporine) Bei unwirksamer üblicher Antibiotikatherapie an CA-MRSA denken! Eindringen der Keime in die Brust Mastitis puerperalis Ursachen Vor allem: • Problematische initiale Brustdrüsenschwellung • Milchstau • Wunde Brustwarzen Weitere Gründe: • Mangelnde Hygiene (Hände Personal, Hände Mutter, Nasenrachenraum Kind, Haut) • Brusttrauma – Druck, Schlag, Stoß, Verletzung, Massage • Diverse Infektionen – Baby, Familie Leitlinien: Wunde Brustwarzen Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: 1. Es kann derzeit keine Empfehlung für oder gegen eine topische Anwendung von hoch gereinigtem Lanolin oder Muttermilch in der Therapie wunder Brustwarzen ausgesprochen werden (0). Anhand der langjährigen Erfahrungen aus der Praxis kann die topische Verwendung von Muttermilch oder hoch gereinigtem Lanolin empfohlen werden (KKP). Dennis et al (2012)RCT (N= 151): die topische Anwendung einer Dreifachkombination aus Mupirocin, Miconazol und Betamethason (ohne Erregernachweis) führt zu keiner stärkeren Verringerung der Brustwarzenschmerzen und Verkürzung der Heilungszeiten als die topische Anwendung von hoch gereinigtem Lanolin (EK1b). Alkoholische Lösungen, Cremes oder Salben auf Paraffinbasis sollen aufgrund der Nutzen-Schaden-Abwägung nicht empfohlen werden (KKP). Leitlinien: Wunde Brustwarzen Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: 2. Auf den Einsatz von Brusthütchen zur Therapie wunder Brustwarzen kann verzichtet werden (0). Zwingen starke Anlegeschmerzen zu einer Stillpause an der betroffenen Brust, sollte die Brust (so häufig wie vorher gestillt wurde) manuell oder mechanisch entleert werden (KKP). 3. Aufgrund der unzureichenden bzw. fehlenden Datenlage kann derzeit der Einsatz folgender Verfahren hinsichtlich einer Nutzen- und Schadenabwägung nicht beurteilt werden (0): - Auflage von Kompressen zur feuchten Wundheilung (Hydrogel- Kompressen, Multi-Mam-Kompressen) - Auflage von Teebeuteln (z.B. mit Salbei) - Soft-Laser-Therapie (low level laser) - Verwendung von Stilleinlagekonstruktionen zur Hohllagerung der Mamille Leitlinien: Infizierte Wunde Brustwarzen Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: 1. Infizierte Brustwarzen stellen ein hohes Risiko für eine Mastitis dar und sollten antibiotisch therapiert werden (B). 2. Eine systemische Applikation von Antibiotika ist der topischen Anwendung vorzuziehen (B). 3. Vor Beginn einer kalkulierten Antibiotikatherapie soll Material zur mikrobiologischen Untersuchung gewonnen werden (KKP) . Mastitis puerperalis Ursachen Vor allem: • Problematische initiale Brustdrüsenschwellung • Milchstau • Wunde Brustwarzen Weitere Gründe: • Mangelnde Hygiene (Hände Personal, Hände Mutter, Nasenrachenraum Kind, Haut) • Brusttrauma – Druck, Schlag, Stoß, Verletzung, Massage • Diverse Infektionen – Baby, Familie Hände des Personals Übertragung der Keime auf die mütterliche Brust Leitlinien: Milchstau und Mastitis Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: 1. Eine regelmässige Brustentleerung ist bei Mastitis (A) und bei Milchstau (KKP) zur Entlastung des Drüsen= gewebes essenziell. Ggf. soll die Brust manuell oder mechanisch entleert werden (KKP). Physikalische Maßnahmen können angewendet werden (KKP). Das Ausstreichen blockierter Areale der Brust bei Milchstau oder Mastitis kann zur Therapie angewandt werden. Dabei ist jegliche Anwendung eines für die Mutter unangenehmen Drucks zu vermeiden (KKP). Nichtsteroidale Antiphlogistika können als analgetische Maßnahme eingesetzt werden (KKP). Leitlinien: Milchstau und Mastitis Evidenz- und konsensbasierte Therapieempfehlungen: 2. Aufgrund der unzureichenden bzw. fehlenden Datenlage kann derzeit der Einsatz folgender Verfahren hinsichtlich einer Nutzen-SchadenAbwägung nicht beurteilt werden (0): - Akupunktur - Homöopathie - Vibration 3. Die bakterielle Mastitis soll antibiotisch therapiert werden (A). Forschungsbedarf: Probiotika vs Antibiotikum Für die kalkulierte Antibiotika-Therapie sind die wichtigsten Erreger (S. aureus, beta-hämolysierende Streptokokken) zu berücksichtigen (KKP). Vor Beginn einer kalkulierten Antibiotika-Therapie soll Material zur mikrobiologischen Untersuchung gewonnen werden (KKP). Eine infektionsbedingte Mastitis ist kein Grund zum Abstillen (KKP). Mastitis puerperalis Therapie • ausreichend Flüssigkeit, Vitamin C • Antibiotikum : Cephalosporin, Oxacillin, Flucloxacillin, Ampicillin + Clavulansäure, Clindamycin Puerperaler Mamma-Abszess Ursache: Achtung! Behandlungsfehler? ( 11% der Mastitiden) Symptome: • • klinisch Induration und Fluktuation Nachweis durch Sonographie Therapie: • Sonographisch gesteuerte Punktion (Drainage mit lokaler Antibiotikaspülung), Antibiose systemisch. In 70% der Fälle erfolgreich. • Chirurgische Inzision und Einlage Lasche/Streifen Kein Abstillen indiziert! Bei Wunsch der Mutter Weiterstillen ermöglichen oder vorübergehend abpumpen. Zustand nach „Ausmassieren“ und 6 W. Erythromycin wg. Mastitis 5 W. später : jetzt nur noch kleines Pflaster 2Std. Nach Eröffnung wieder gestillt Soor der laktierenden Mamma Oberflächliche Soor-Infektion • Mamillen und Areola perlmuttartig glänzend, rosa- bis pinkfarben, schuppig, rissig, mit kleinen Bläschen oder weißlichen Belägen Soor der laktierenden Mamma Oberflächliche Soor-Infektion •Mamillen und Areola perlmuttartig glänzend, rosa- bis pinkfarben, schuppig, rissig, mit kleinen Bläschen oder weißlichen Belägen • Juckreiz oder Brennen der Mamillen • beim Baby evtl weißliche Beläge im Mund, auch Windeldermatitis Therapie: lokale Behandlung von Mutter und Kind mit Antimykotikum (z. B. Miconazol, Clotrimazol oder Nystatin) Soor der laktierenden Mamma Soor-Infektion der Milchgänge • oft keine äußerlich erkennbaren Zeichen • stechende oder brennende Schmerzen in einer oder beiden Mammae während oder nach dem Stillen • Problematik der Muttermilchkultur Therapie: beim Kind: lokales Antimykotikum (Miconazol-Gel) bei der Mutter: systemisch (z. B. Fluconazol oral 400mg initial, dann 2x100mg tgl. für mindestens 2 Wochen bzw. bis Symptomfreiheit von 1 Woche) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected]