Bamberger_Talk_final WT.pptx
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21/05/2013 Die Anwendung des Haager Kindesentführungsübereinkommens und der Brüssel-IIa-Verordnung in England & Wales William Tyzack Barrister Queen Elizabeth Building, Temple, London Inhalt 1. Grundlagen, Hintergrund und Verfahren 2. Zusammenspiel und Unterschiede zwischen dem Haager Übereinkommen und der BrüsselIIa-Verordnung 3. Gewöhnlicher Aufenthalt in England & Wales 4. Die Ablehnungsgründe einer sofortigen Rückgabe 1 21/05/2013 1. Grundlagen, Hintergrunde, Verfahrensweisen • Vorsicht! Dieser Bericht ist auf die Rechtssituation in England & Wales begrenzt. Schottland und Nordirland sind eigeneständige Rechtskreise. • Anzahl der Kindesentführungen aus England und Wales: 2003-04: 2012: 270 Fälle pro Jahr 500+ Fälle pro Jahr = 88%iger Anstieg außerdem 2001-11: 205%iger Anstieg der Zahl der Kinder, die in nicht-HKÜ Länder entführt wurden. Quelle: UK Foreign & Commonwealth Office (FCO) …Grundlagen, Hintergrund und Verfahren… • Das HKÜ wurde in E&W durch das ‘Child Abduction and Custody Act 1985’ (“CACA 1985”), Schedule 1 umgesetzt. Gemäß §1(3) CACA 1985 hat die Brüssel-IIa-VO Vorrang. • Rechtsbeistand (ein Rechtsanwalt) für den Kläger, von der englischen Zentralbehörde (International Child Abduction and Contact Unit) ernannt. • Das Verfahren liegt vor dem High Court in London (die höchste Erstegerichtsinstanz Englands). Eine Beschwerde geht zum Court of Appeal. • Das Verfahren beginnt mit Formular C67: http://hmctsformfinder.justice.gov.uk/courtfinder/forms/c067-eng.pdf 2 21/05/2013 …Grundlagen, Hintergrund und Verfahren… • Die meisten Fälle beginnen mit einem kurzen einseitigen Termin (ca. 30 Minuten), bei dem Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um das Kind zu finden, z.B: • – “Port Alert”: Antrag an Flughäfen und andere Grenzen, eine weitere Entführung in ein Drittland zu verhindern; – “Passport Order”: sofortige Entnahme des Reisepasses des Beklagten (und des Kindes) durch den ‘Tipstaff’ (ähnlich der Polizei); – “Location/Collection Order”: suche nach dem Kind mit Hilfe des Tipstaffs und der Polizei und (manchmal) Übertragung des vorläufigen Wohnrechtes an den Antragsteller; – weitere Maßnahmen, z.B. Ünterstützung von verschiedenen Organisationen/Behörden (Bank/Telefongesellschaften/Kreisverwaltung usw.), die Informationen des Aufenthaltsorts haben könnten. Kurze Zeit später (vielleicht ein/zwei Wochen später) gibt es einen längeren (ca. 1-stündigen) beidseitigen Termin, bei dem über die weitere Entwicklung des Verfahrens entschieden wird. …Grundlagen, Hintergrund und Verfahren… • Je nach Komplexität des Falls, dauert der Endtermin mindestens einen Tag, aber zwei, drei oder vier Tage sind nicht ungewöhnlich. • Die Beweisaufnahme findet gewöhnlicherweise nur über eidesstattliche Erklärungen statt (oder vereidigte Erklärungen, sogenannte ‚Affidavits‘) und nur selten werden Zeugen vernommen. Sachverständigenaussagen können ggf. auch eingeholt werden. • In den meisten Fällen ist das Verfahren (und wichtigerweise die Beschwerde) innerhalb von sechs Wochen beendet: HKÜ- (sowie nicht HKÜ-Kindesentführungs-) Fälle haben vor Gericht Vorrang vor anderen Fällen. • Wie immer in England ist das Verfahren ein gegnerisches und kein Ermittlungsverfahren. 3 21/05/2013 2. Zusammenspiel und Unterschiede: das HKÜ und die B-IIa-VO • Obwohl die B-IIa-VO das HKÜ verstärkt hat, gibt es in der Praxis keinen großen Unterschied, da viele der Bestimmungen der B-IIa-VO auch in HKÜ Fällen gelten. • Jedoch gibt es zwischen EU-Ländern eine höhere Aussicht auf Rückgabe, vor allem auf Grund: – der “Trumping Provision” (‘trumpfen’); und – Art. 13(b) HKÜ gilt nicht, wenn es genügende Schutzmaßnahmen gibt. Mehr über Art. 13(b) später. • Art. 11(2) B-IIa-VO (rechtliches Gehör des Kindes) und (3) (Beschluss innerhalb von sechs Wochen) gelten auch in E&W in HKÜ-Fällen. …Rechtliches Gehör des Kindes… • Normalerweise nicht direkt mit dem Richter, sondern durch einen schriftlichen Bericht eines Sozialarbeiters von CAFCASS (‘Children and Family Court Support and Advisory Service’). • Aber immer mehr direkt mit dem Richter: [14] I would like to pay tribute to the quality of the judgment below, which is lucid in thought and expression, but there are factors which give rise to my concern. The first is: to what extent did the judge hear the voice of the children? Given the age difference, the all-‐important child was obviously E. She had wriGen a leGer which is addressed ‘Dear Sir or Madam’. It is dated 16 August, and it is common ground that it was wriGen for the judge who was going to decide the case. It explains why ‘I never ever in my whole life want to go back to Canada’. [15] There is, in this branch of internaPonal family law, a growing percepPon that the judge at trial should hear the voice of the child: that is implicit from the Hague ConvenPon itself but made explicit by the United NaPons ConvenPon on the Rights of the Child 1989. Of course, the manner in which the judge hears the child is a maGer for local custom and tradiPon. In this jurisdicPon, judges in the High Court have not tradiPonally in modern Pmes heard the voice of the child directly but through the officer of the court, the Cafcass officer. That tradiPon is now under scruPny, debate and revision. The subcommiGee of the Family JusPce Council that is concerned to ensure the safeguarding of the rights of children has forcefully expressed the view that judges in this jurisdicPon should be meePng children and hearing their voice in carefully arranged condiPons; given the fact that E was seeking to communicate her views to the decision-‐maker, it is perhaps with hindsight a pity that His Honour Judge BarneG did not have the opportunity of meePng her and hearing from her own lips. Lord Justice Thorpe in Re G (Abduction: Children’s Objections) [2011] 1 FLR 1645 4 21/05/2013 … ‘Trumping’… • Gemäß Art. 11(8) B-IIa-VO, wenn das Land, in welches das Kind entführt wurde, keine sofortige Rückgabe gemäß Art. 13 HKÜ angeordnet hat, kann das Gericht des Herkunftslandes eine Rückgabe selbst anordnen. • In E&W sehen wir eine Zunahme der Anzahl der Art. 11(8)-Anträge: [9] But it perhaps raises the strategic quesPon: where, in a case governed by the Brussels regulaPon, the le]-‐behind parent fails to obtain the summary return order, and where the court in the RequesPng State has been seised prior to the abducPon, is not the simpler course for the disappointed parent simply to engage the Art 11 process and aGain an order there which must be automaPcally enforced here? Mr Anderson will say, well, it seemed right to have a go in the Court of Appeal because, if he were to succeed here, he would be enPtled to a summary order, which is even beGer than the cerPfied order under Art 11(8). That may be true in this jurisdicPon, where the Court of Appeal acts with extreme expediPon in conducPng Hague appeals. This case was only referred to me on 3 March and I immediately provided for a hearing within approximately 2 weeks. In some other jurisdicPons, where the appellate process can extend for 12 or more months, then it seems to me that the disappointed le]-‐behind parent is strategically wiser to pursue the special process that Art 11 provides rather than the appellate process in the Requested State. Lord Justice Thorpe in Re F (Abduction: Refusal to Return) [2009] 2 FLR 1023 3. Habitual Residence (gewöhnlicher Aufenthalt) • Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes ist zentral für die Rechtssprechung zur Kindesentführung: The foundaPon of habitual residence for jurisdicPon in European and indeed global internaPonal family jusPce has become increasingly important and increasingly universal. So it is really the foundaPon of jurisdicPon in all European child-‐focussed regulaPons. It is parPcularly important in establishing the basis of jurisdicPon in maGers of parental responsibility in ArPcle 8 and conPnuing ArPcles of Brussels II Revised and it forms the basis of jurisdicPon in the Maintenance RegulaPon, which provides for jurisdicPon in ArPcle 3 Lord Justice Thorpe in Re B (Children) [2012] EWCA Civ 1082 5 21/05/2013 …Habitual Residence (gewöhnlicher Aufenthalt)… • EuGH-Rechtsprechnung hat im englischen Gericht Vorrang. • Eine Veränderung des gewöhnlichen Aufenthaltes ist möglich: – nach einer kurzen Zeitperiode: z.B. Beruf des Vaters, Versuchsperiode; – nach ein paar Monaten, oder wenigen Wochen – aber mehr als 7 oder 8 Tage. Vergleich mit Ehescheidungsfällen: die Gründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes in ein paar Tagen ist in diesem Bereich ausreichend; – nur wenn beide Eltern sich einig sind. • Ungeborene Kinder haben noch keinen eigenen gewöhnlichen Aufenthalt. 4. Ablehnungsgründe Einlebung (mehr als ein Jahr nach der Entführung gemäß Art. 12 Satz 2 HKÜ) • Das Ergebnis des Art. 12 ist der Erlass der Rückgabepflicht. • Einlebung bedeutet, dass das Kind mit Sicherheit und Stabilität in der neuen Umgebung etabliert ist. • Normale Praxis in Art. 12-Fällen ist jetzt, dass das Kind unabhängig vertreten wird (nach Re M (Abduction: Zimbabwe) [2008] 1 FLR 251). 6 21/05/2013 … Ablehnungsgründe … Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung (Art. 13(a)) • Subjektiv Absicht; • Eine Feststellung von Zustimmung oder Genehmigung kann auch aus wortlosem Verhalten folgen, aber der Beweis muss klar und zwingend sein; • Zustimmung muss eindeutig sein; • Zustimmung kann für eine Zeit in der Zunkunft gegeben werden, aber zum Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens muss sie immer noch existieren. … Ablehnungsgründe … Widerspruch des Kindes zur Rückführung (Art. 13) • Zweistufiges Verfahren: (1) was sagt das Kind und (2) ist das Kind alt und reif genug, dass das Gericht seiner Ansicht gebührende Aufmerksamkeit schenken sollte. • Das Kind muss mindestens 5 oder 6 Jahre alt sein. • Eine sorgfältige Untersuchung der Ansicht des Kindes ist wesentlich: Laune, elterlicher Einfluss und die Einwirkung der Untersucher müssen in Betracht kommen. • Rechtsanwälte sind verpflichtet, den Widerspruch des Kindes zur Kenntisnahme des Gerichts zu bringen, auch gegen die Weisungen der Mandanten. 7 21/05/2013 … Ablehnungsgründe … Art. 13(b) HKÜ: schwerwiegende Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens / unzumutbare Lage • Die EGMR Entscheidung in Neulinger & Shuruk v Switzerland (App No 41615/07) wurde vom Supreme Court in Re E (Children) [2011] 2 FLR 758 in Erwägung gezogen. • Nach Neulinger gab es Bedenken, dass das Gericht von nun an in jedem Fall verpflichtet sei, das ‘Kindeswohl’ zu beachten, und dabei das HKÜSchnellverfahren beeinträchtigt würde. • Das Supreme Court hat jedoch entschieden, dass das Schnellverfahren durch Neulinger nicht beeinträchtigt worden ist, solange die Entscheidung nicht mechanisch und arbiträr ist. Der Verstoß von Art. 8 EMRK in Neulinger resultierte nicht aus dem HKÜ, sondern aus der großen Verspätung im Schweizer Gericht. … Re E… • Viele Richtlinien wurden dennoch vom Supreme Court in Re E gegeben, einschließlich: – Die Gefahr muß ‘erheblich’ sein, und nicht nur ‘echt’. – Unzumutbare Lage hängt von ‘diesem’ Kind in ‘dieser’ bestimmten Lage ab. Obwohl alltägliche Probleme geduldet werden müssen, kann Art. 13(b) auf körperliche oder psychologische Misshandlung oder Missachtung anwendbar sein. – Der Wortlaut des Übereinkommens hat eine klare Bedeutung und darf nicht überinterpretiert. – Beschützende Maßnahmen und die Benutzung des ‘Judicial Network’ sind unbedingt notwendig. 8 21/05/2013 William Tyzack 30 April 2013 Queen Elizabeth Building Temple London EC4Y 9BS tel: 00 44 207 797 7837 email: [email protected] web: www.qeb.co.uk 9