Entscheidung zwischen alternativen Modellen: Modelldifferenztest

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Entscheidung zwischen alternativen Modellen: Modelldifferenztest
Analyse von Strukturgleichungsmodellen mit LISREL – Version Februar 2010
Dipl.-Psych. Christina Werner und Prof. Dr. Karin Schermelleh-Engel – Goethe-Universität Frankfurt
Entscheidung zwischen alternativen Modellen:
Modelldifferenztest
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Ausgangssituation
Bei der Prüfung einer Fragestellung mit Strukturgleichungsmodellen genügt es im einfachsten
Fall, ein einziges – hypothesenkonformes – Modell aufzustellen, an Daten zu überprüfen und
anhand des Modellfits über die Hypothese zu entscheiden. In vielen Fällen kann man sich aber
nicht darauf beschränken, nur ein einziges Modell zu analysieren, sondern sollte verschiedene
alternative Modelle analysieren und die Ergebnisse vergleichen, beispielsweise in folgenden Situationen:
• Das eigene“, hypothesenkonforme Modell paßt zu den Daten, aber es gibt noch ein kon”
kurrierendes Modell auf der Basis anderer Hypothesen, das eventuell die Zusammenhänge
erklären könnte. Dieses möchte man widerlegen (es sollte schlechter passen“ als das eigene
”
Modell).
• Man hat verschiedene, alternative Modelle, die alle theoretisch plausibel sind. Nur ein unterschiedlich guter Modellfit gäbe einen Anhaltspunkt, welches dieser Modelle vorzuziehen
ist.
• Das ursprüngliche, hypothesenkonforme Modell paßt schlecht zu den Daten. Man hat es
modifiziert, und möchte zeigen, daß die Modifikation zu einem besseren Modellfit führt.
Konkret könnte man z. B. solche Modelle miteinander vergleichen:
• Ein Modell mit einem zusätzlichen Pfad gegenüber einem ansonsten identischen Modell
ohne diesen Pfad: Besteht zwischen zwei latenten Variablen ein Effekt oder nicht? Besteht
ein direkter Effekt einer ξ-Variable auf eine η-Variable, oder nur ein indirekter Effekt?
• Ein Modell, das einen Zusammenhang zwischen zwei latenten Variablen enthält, verglichen
mit einem Modell, das keinen Zusammenhang zwischen diesen Variablen zuläßt: Sind die
Faktoren ξ1 und ξ2 korreliert oder nicht?
• Ein Modell mit einer zusätzlichen Ladung einer manifesten Variable auf einer latenten
Variable, gegenüber einem Modell ohne diese Ladung: Ist die manifeste Variable x1 ausschließlich ein Indikator der latenten Variable ξ1 , oder mißt sie auch Aspekte einer anderen
latenten Variable ξ2 ?
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Analyse von Strukturgleichungsmodellen mit LISREL – Version Februar 2010
Dipl.-Psych. Christina Werner und Prof. Dr. Karin Schermelleh-Engel – Goethe-Universität Frankfurt
Eine Entscheidung zwischen alternativen Modellen ist einfach, wenn zwischen den Modellen
ganz klare Unterschiede in den Gütekriterien des Modellfits bestehen, oder wenn ein fraglicher
Parameter sowohl insignifikant ist (|t| < 1.96 ) als auch deskriptiv (in der vollständig standardisierten Lösung) einen vernachlässigbaren Wert (nahe Null) aufweist.
In vielen Fällen sind die Unterschiede im Modellfit aber nicht so eindeutig, oder man möchte
ein möglichst objektives Kriterium für eine Entscheidung zwischen Modellen haben. Hierzu gibt
es die Möglichkeit, verschiedene Modelle mit Hilfe eines χ2 -Modelldifferenztests zu vergleichen. Der Test sagt aus, ob ein gegebenes Modell signifikant besser oder schlechter zu den Daten
paßt als ein alternatives Modell.
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Voraussetzung
Voraussetzung für den χ2 -Modelldifferenztest ist, daß es sich bei den beiden Modellen um sog.
hierarchisch geschachtelte Modelle (nested models) handelt, das heißt, daß eines der
beiden Modelle durch Fixieren von Parametern aus dem anderen hervorgeht. Dies ist beim
Vergleich alternativer Modelle sehr oft der Fall, z. B. in den oben beschriebenen Situationen, in
denen ein Modell lediglich
• einen zusätzlichen Pfad im Strukturmodell
• eine zusätzliche Ladung in einem Meßmodell
• eine zusätzliche Korrelation/Kovarianz zwischen latenten Variablen
enthält, der/die im anderen Modell nicht gegeben, also auf Null fixiert ist.
Nicht möglich ist mit diesem Test der direkte Vergleich von (nicht hierarchisch auseinander
hervorgehenden) Modellen, die unterschiedliche Parameter enthalten, z. B. ein Modell, in dem
x1 als Indikator der latenten Variablen ξ1 dient, verglichen mit einem alternativen Modell, in
dem x1 statt dessen Indikator von ξ2 ist. Für diesem Fall gäbe es folgende Alternativen:
• Test der nicht hierarchisch geschachtelten Modelle jeweils gegen ein gemeinsames Obermodell, in das alle zu vergleichenden Modelle geschachtelt sind. Beispiel: Für die Frage,
ob x1 Indikator der latenten Variablen ξ1 ist oder statt dessen Indikator von ξ2 , würde
das gemeinsame Obermodell beide Ladungen (x1 sowohl auf ξ1 als auch auf ξ2 ) enthalten. Die beiden interessierenden, zu vergleichenden Modelle könnten dann jeweils mittels
Modelldifferenztests gegen dieses Obermodell getestet werden. Würde man idealerweise
feststellen, daß sich nur für ein Modell ein signifikanter Unterschied gegenüber dem gemeinsamen Obermodell ergibt, kann über diesen Umweg auch zwischen den nicht geschachtelten
Modellen entschieden werden.
• Deskriptiver Vergleich anhand von Kriterien, die sich für nicht geschachtelte Modelle eignen, z. B. AIC (Akaike Information Criterion). Damit ist aber keine Signifikanzprüfung
möglich.
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Dipl.-Psych. Christina Werner und Prof. Dr. Karin Schermelleh-Engel – Goethe-Universität Frankfurt
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Durchführung
Zur Durchführung des Modelldifferenztests muß die Differenz der χ2 -Werte der beiden fraglichen Modelle gebildet werden, sowie die Differenz der Freiheitsgrade der beiden Modelle.
Bei vielen Vergleichen unterscheiden sich die beiden Modelle lediglich um einen Parameter, in
diesem Fall ist also die Differenz der Freiheitsgrade 1.
χ2diff = χ2k − χ2g
und dfdiff = dfk − dfg
Dabei bezeichnet k das kleinere“ Modell mit weniger Parametern und daher mehr Freiheits”
graden, g das größere“ Modell mit mehr Parametern und daher weniger Freiheitsgraden.
”
Dieser χ2diff -Wert mit Freiheitsgraden dfdiff kann dann von Hand – LISREL bietet dies leider
nicht automatisch – mit Hilfe einer χ2 -Tabelle auf Signifikanz geprüft werden.
Ist der Wert signifikant, so weist das größere“ Modell mit mehr frei zu schätzenden Parame”
tern eine signifikant bessere Anpassung an die Daten auf als das kleinere“ Modell, in dem die
”
fraglichen Parameter fixiert sind. Es lohnt“ sich also, diese Parameter mit zu schätzen und sich
”
für das größere“ Modell zu entscheiden. Ist der Wert dagegen nicht signifikant, besteht kein
”
Unterschied in der Anpassung der beiden Modelle an die Daten, so daß die fraglichen Parameter
fixiert werden können, also das kleinere“ Modell angenommen werden kann.
”
Modelldifferenztests für hierarchisch geschachtelte Modelle haben grundsätzlich die gleichen
Stärken und Schwächen wie gewöhnliche χ2 -Tests, die einzelne Modelle für sich testen: Die Ergebnisse sind direkt abhängig vom Stichprobenumfang, so daß in hinreichend großen Stichproben
auch triviale Unterschiede signifikant werden.
Literatur
Bollen, K. A. (1989). Structural equations with latent variables. New York: John Wiley & Sons.
Kline, R. B. (1998). Principles and practice of structural equation modeling. New York: Guilford.
Schermelleh-Engel, K., Moosbrugger, H., & Müller, H. (2003). Evaluating the fit of structural equation models: Tests of significance and descriptive goodness-of-fit measures. Methods of Psychological Research Online, 8 , 23–74. Available from http://www.dgps.de/
fachgruppen/methoden/mpr-online/
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