Qualitäts- journalismus - Frankfurter Presseclub
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Qualitäts- journalismus - Frankfurter Presseclub
Ausgabe Das Magazin 2015 des F R A N K F U R T E R P R E S S E C L U B S SCHWERPUNKT Q ualitätsjournalismus Regional verankert. International agierend. Der Helaba-Konzern. Als europäische Regionalbank setzt sich der Helaba-Konzern nachhaltig für die Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt und der Region ein. Dazu gehört auch die gezielte Förderung von Wirtschaft, Sport, Kultur, Bildung und Sozialwesen. Ein Engagement, das uns zu einem starken Partner macht. www.helaba.de Banking auf dem Boden der Tatsachen. 1 Editorial Werner D’Inka, Präsident des Frankfurter PresseClubs und Mitherausgeber der FAZ Handwerk und Professionalit ä t Einen Pudding an die Wand zu nageln ist ganz einfach. Jedenfalls verglichen mit dem Versuch, „Qualität“ im Journalismus zu definieren. Denn woher die Maßstäbe beziehen? Die Vorstellungen darüber gehen weit auseinander. Schnell fallen Begriffe wie Politische Willensbildung, Den Mächtigen auf die Finger sehen, Wahrheit, Wächteramt. Völlig zu Recht, aber so plausibel der Bezug auf demokratietheoretische Normen ist, so hat er doch so seine Tücken. Wer Qualität ausschließlich normativ begründet, kommt nämlich nicht um den Rekurs auf Prinzipien herum, die außerhalb des Journalismus liegen und die der empirischen Prüfung nicht ohne weiteres zugänglich sind. Und was ist zum Beispiel mit „Neon“? Oder mit „11 Freunde“? Zur politischen Willensbildung oder zur Partizipation tragen diese Zeitschriften so gut wie nichts bei. Sind sie deshalb Schund? Natürlich nicht. Hier kommen die Publikumserwartungen ins Spiel. Vom Standpunkt ihrer Leser bieten „Neon“ und „11 Freunde“ Qualitätsware, und dagegen ist gar nichts zu sagen. Taugt also der ganze normative Ansatz nichts? Zumindest hat er seine Grenzen, weil er von vornherein große Segmente aus der Qualitätsdebatte ausgrenzt. Müssen wir stattdessen also einen funktionalen Zugang wählen? Ungefähr so: Qualität ist, was die Erwartungen des Publikums erfüllt? Die streuen ganz erheblich, wie wir wissen. Genau darin liegt wiederum das Elend der funktionalen Sichtweise: Wenn alles Qualität sein kann, wenn es nur den Publikumsbedürfnissen entspricht, wird der Qualitätsbegriff letztlich entkernt. Dann ist im äußersten Fall alles irgendwie „Qualität“. Deshalb spricht alles für einen handwerklich-professionellen Zugang. So bekommen wir festen Boden unter die Füße. Denn über diese Kriterien lässt sich unter Kundigen Einvernehmen erzielen: gründliche Recherche, Faktenprüfung, Vielfalt der Themen, der Sichtweisen und der Darstellungsformen sowie das Bemühen, Entwicklungen in ihrem Zusammenhang verständlich zu machen – um nur einige zu nennen. Kein Zweifel, im Journalismus kommt es zu Nachlässigkeiten, handwerklichen Fehlern und Fehleinschätzungen wie in anderen Berufen auch, zumal unter dem Zeitdruck des Tagesjournalismus. Deshalb ist eine gesunde Skepsis gegenüber dem, was täglich gedruckt, gesendet und online gestellt wird, durchaus angebracht. Wer allerdings von „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ redet, müsste schon die Mühe aufbringen, anhand von nachprüfbaren Kriterien zu belegen, wann und wo gegen sie verstoßen wird. Doch das macht Arbeit. Auf einem Marktplatz „Lügenpresse“ zu skandieren ist viel einfacher. 2 Inhalt Das ClubJahr Mitglieder versammlung Forum Highlights 4 20 24 Auch 2015 heißt es „Come together“ im FPC. Ehrengast Bernhard Vogel genießt das Gespräch und ein kühles Bier Titel: Zackaria Bergadi, Samer Ghanem und hazelnut_2630 – iStock 3 Clubreise Baltikum Schwerpunkt Qualitätsjournalismus Die Seitenwechsler 30 44 80 Q ualitätsjournalismus Im April reisten der FPC und die Mitglieder des Forums Deutscher PresseClubs durch die baltischen Staaten Während die einen den Qualitätsjournalismus verteidigen, bezichtigen andere die Branche als „Lügenpresse“. Die Medien kämpfen an vielen Fronten Fotos: Rainer Rüffer 4 Kommunikationsort Frankfurter PresseClub Das Club-Jahr Z w i s ch e n o r g a n i s i e r t e r Kriminalität und d e m W a h r h e i t s g e h a lt von Social-MediaQuellen Ein Abend mit FR-Chefredakteurin Bascha Mika rundet das Clubjahr 2014 ab 6 Kommunikationsort Frankfurter PresseClub Als der Frankfurter PresseClub 1980 gegründet wurde, startete er als Treffpunkt und Impulsgeber für die Menschen und Macher der Medienbranche. Man traf sich entspannt bei Wein und Wasser mit interessanten Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur, debattierte und ließ sich anregen – ganz nach dem Vorbild eines englischen Clubs. Über 30 Jahre später haben sich die Medienlandschaft und das Arbeitsleben von Journalisten gravierend geändert. Das hat sich zuletzt auch im Clubleben bemerkbar gemacht, so dass sich der FPC 2013 zu einer Neupositionierung entschloss. Die Neuausrichtung hat das vergangene Clubjahr geprägt. Trotzdem gab es in dieser Umbruchphase ein kleines, fein ausgewähltes Programm, das spannende Gäste in den Club holte und einen Blick auf gesellschaftliche und medienrelevante Themen warf. Thomas Roth machte den Auftakt als Ehrengast des Neujahrsempfangs. Er erzählte über seine Zeit als ARD-Korrespondent in Südafrika, als Studioleiter in New York und seinen Job als „Mister ‚Tagesthemen‘“. MENSCHEN IM KRIEGSGEBIET Berichtet Roth aus der Ferne alltäglich über das gegenwärtige, oft erschütternde Weltgeschehen, ist Rupert Neudeck die meiste Zeit seines Lebens dort vor Ort, wo Menschen in Not sind – in Somalia, Vietnam oder wie zuletzt an der türkisch-syrischen Grenze. Der Philosoph, Journalist und Friedensaktivist war im April zu Gast im Club. Er sprach mit seinem Kollegen Christoph Maria Fröhder über Menschen, die vor Krieg und Elend flüchten, und die Pflicht, den Notleidenden zu helfen. Die beiden Journalisten kennen sich aus der Zeit, als sie in den 1970ern jeweils aus Vietnam berichteten: Neudeck für den Deutschlandfunk und Fröhder als Auslandskorrespondent für die ARD. In Vietnam nahm Neudecks tiefgreifendes Engagement für Menschen in Kriegsgebieten seinen Anfang. Die Missstände, die er dort sah, bewegten ihn sehr. Gemeinsam mit seiner Frau und einigen Freunden rief er deshalb die Initiative Cap Anamur ins Leben, die heute – 35 Jahre später – als gemeinnütziger Verein Cap Anamur – Deutsche Not-Ärzte e.V. weiterhin weltweit Hilfe leistet. Damals beschloss Neudeck, einen Frachter, die „Cap Anamur“, zu chartern und die sogenannten Boat People im Chinesischen Meer zu retten, die vor dem brutalen Regime in Vietnam und den Folgen des chinesisch-vietnamesischen Krieges flohen. Das war 1979. Nicht überall stieß sein Engagement auf Zuneigung. Einige unterstellten ihm, dass sein Handeln Flüchtlinge nach Deutschland anziehe. Die Bundesregierung beschloss sogar im Juli 1982 einen Aufnahmestopp, der den Helfern die Hände fesselte, so dass sie ihre Arbeit vorübergehend einstellen mussten. Durch prominente Unterstützung aber, beispielsweise von Heinrich Böll, konnten kurz darauf wieder Rettungsaktionen durchgeführt werden. Der Brückenschlag zu aktuellen Krisengebieten war schnell gemacht, denn das erschütternde Leid der Menschen, die vor einem Krieg fliehen, bleibt stets dasselbe. Doch mit dem Bürgerkrieg in Syrien hat das damit verbundene Elend einen neuen Höhepunkt erreicht. Als Neudeck zu Gast im FPC war, stand der Terror der IS-Milizen noch nicht im Vordergrund. Zu diesem Zeitpunkt allerdings war die Not der Menschen in Syrien nicht mehr zu übertreffen. Neudeck berichtete, dass die Flüchtlingswelle so groß sei wie bei keinem der vergangenen Konflikte der letzten 20 Jahre. Acht Millionen Menschen seien seit 2013 auf der Flucht, die Hälfte der syrischen Bevölkerung. Wer mittellos sei oder keine reichen Verwandten im Ausland habe, strande in 38 Lagern entlang der türkisch-syrischen Grenze. Mit dem Publikum diskutierte er darüber, ob die internationale Politik nichts aus vorangegangenen Konflikten gelernt hätte. Und wie man mit einer Diktatur umgehen könne. Denn Fakt ist, dass unter Baschar al-Assads Regime unterschiedliche Konfessionen zusammenleben konnten. Die Religionsvielfalt war geschützt. Es war von Anfang an klar, dass in der Opposition auch al-Qaida-Ableger aktiv waren. Jetzt aber sagen inzwischen immer mehr Menschen im Kriegsgebiet, dass das Überleben wichtiger sei als das, worauf sie vorher gesetzt hätten: Demokratie, Menschenrechte, Freiheit nach über fünfzig Jahren. DER EURO UND DIE KRISE Während viele Menschen in Teilen der Welt um ihr blankes Leben fürchten müssen, beschäftigt sich die Europäische Union mit der Krise um den Euro, die an ihren Grundfesten rüttelt. Seit der Einführung ist die gemeinsame Währung umstritten. „Einige Länder sehen im Euro den Garanten für den Bestand der gesamten EU, andere beklagen sich über die volkswirtschaftlichen Belastungen, die ihnen der Euro und die Einhaltung der damit verbundenen ‚Stabilitätskriterien‘ aufbürde“, so das Forum für Qualitätsjournalismus, das gemeinsam mit der Hessischen Zentrale für politische Bildung im April den „FQJ.salon – Der Euro in den Medien“ im FPC ausrichtete. Auf dem Podium diskutierten Michael Best von der Deutschen Bundesbank, Peter Ehrlich, Europäische Zentralbank, Dr. Rainer Hank, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, und Robert von Heusinger, DuMont Redaktionsgemeinschaft, über die Rolle der Medien in der Eurodiskussion. O R G A N I S I E RT E K R I M I N A L I T Ä T Egbert Bülles schilderte ebenfalls im April, wie sich organisierte Kriminalität inmitten der Gesellschaft ausbreitet. Der ehemalige Oberstaatsanwalt hatte im Oktober 2013 sein Buch „Deutschland, Verbrecherland? Mein Einsatz gegen die organisierte Kriminalität“ herausgebracht, in dem er Insidertipps aus der Unterwelt veröffentlichte. Über 30 Jahre hat Bülles in Köln gegen Mafia- 17 2013 »Wir sparen lieber am Konservierungsmittel. Nicht an der Wirkung.« What is Precious to you? Das ist clariant: sPezialchemie, Die Werte schafft Wahre Schönheit kommt von innen. Deshalb arbeiten wir daran, auch Kosmetik schonender zu machen. So auch Velsan® SC: Der effiziente Wirkverstärker spart bis zu 50 % Konservierungsmittel. Und besteht zu 100 % aus natürlichen Rohstoffen, wie Weizen oder Mais. Das ist uns wichtig. what is precious to you? www.clariant.com 8 Kommunikationsort Frankfurter PresseClub Zu Gast im FPC: Hessens stellvertretender Ministerpräsident Tarek Al-Wazir banden, Rockergangs und Drogenkartelle gekämpft und ist auch jetzt, nach seiner Pensionierung, gegen das Verbrechen aktiv. Das Publikum lauschte gespannt seinen lebendigen Ausführungen über Enkeltrick, Einbruchserien oder den Frauenhandel. Prostitution, Menschen- und Drogenhandel sind auch in Frankfurt Themen, die unter anderem den Hells Angels zugeschrieben werden. HR-InfoPlanungschefin und FPC-Vorstandsmitglied Anke Knafla, die als Moderatorin durch den Abend führte, hatte einen kurzen ARDEinspieler zur organisierten Kriminalität der Rockergang vorbereitet. Bülles warnte in diesem Zusammenhang, dass die kriminellen Netzwerke längst grenzüberschreitend tätig und außerdem sehr erfindungsreich seien. Ermittlungsbehörden hätten im Gegenzug das Problem, dass sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Unter den Gästen waren auch Mitglieder vom Bund der deutschen Kriminalbeamten, darunter Kriminalkommissare. Sie bestätigten Bülles Schilderungen und plauderten selbst aus ihrem Alltag. Der Abend wurde lang und endete lauschig im Garten von „Herrn Franz“. TA R E K A L - WA Z I R Ü B E R D I E S C H WA R Z - G R Ü N E K O A L I T I O N Im September war dann Tarek Al-Wazir zu Gast im Club. Gerhard Kneier, FPC-Vizepräsident und freier Journalist, übernahm die Rolle des Gastgebers und sprach mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten über die schwarz-grüne Koalition. Vor der gemeinsamen Regierungsarbeit gab es heiße Kontroversen zwischen CDU und den Grünen. Jetzt zeigen beide Parteien, dass sie durchaus harmonieren können. Der Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung in Hessen sprach sehr offen über alle angesprochenen Themen, darunter die schwarz-grüne Zusammenarbeit, die ersten Monate seines Wirkens im neuen Regierungsamt, der Frankfurter Flughafen, die Verkehrspolitik in Hessen auf Schiene und Straße. Vieles aus dem eigenen Programm haben die Grünen durchsetzen können. In Sachen Energiewende und Förderung der erneuerbaren Energien streitet Al-Wazir gemeinsam mit CDU-Ministerprä- 9 Über Fakes in den Social-Media-Angeboten referiert der Multimediajournalist Konrad Weber sident Bouffier gegen SPD-Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Für die Verkehrswende in Hessen konnten die Weichen gestellt werden. Ziel sei es, eine umweltgerechte, klimaschonende Mobilität auszubauen und damit die Lebensqualität der Menschen zu verbessern sowie den CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken. Mit Priska Hinz als Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Hessen werde der Ökolandbau stärker fokussiert. Ob es gelingen wird, den Fluglärm bei längerem Nachtflugverbot zu reduzieren, wird der Sommerflugplan 2015 zeigen. Bemerkenswert war, dass Al-Wazir im FPC bereits auf die Ergebnisse des Fraport-Gutachtens für den Bau des dritten Terminals auf dem Frankfurter Flughafen einging, obwohl diese von Fraport erst am nächsten Tag auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurden. Prompt berichtete die „Frankfurter Neue Presse“ in der Ausgabe des nächsten Tages. Es gibt also auch exklusive Vorabinfos im Frankfurter PresseClub. V O M WA H R H E I T S G E H A LT DER NACHRICHTEN IM NETZ Welche Tools für Journalisten im Alltag nützlich sind, um den Inhalt von Social-Media-Angeboten zu verifizeren, darüber gab im Oktober Konrad Weber Auskunft. Der Multimediajournalist arbeitet beim Schweizer Radio und Fernsehen und hat sich auf die Verbindung von neuen Medien mit vertrauten Formen der Berichterstattung spezialisiert. 2013 hat das Branchenmagazin „Schweizer Journalist“ Weber zum „Newcomer des Jahres“ gekürt. Wie Falschnachrichten in den sozialen Netzwerken ihre Runden drehen, zeigt das Beispiel #GazaUnderAttack. Über diesen Hashtag waren in Twitter im Juli 2014 Fotos verbreitet worden, die angeblich die verheerenden Folgen israelischer Angriffe zeigten. BBC recherchierte, dass viele Fotos nicht nur vor dieser Zeit, sondern auch in anderen Ländern entstanden waren. Dass Social-Media-Quellen kritisch zu überprüfen sind, steht außer Frage. Weber zeigte in seinem Vortrag, wie es geht: Beispielswei- 10 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b se gelte es zu klären, wer hinter einem Twitter- oder FacebookAccount steckt und ob die Profile authentisch sind. Anke Knafla, die in das Werkstattgespräch einführte, war überrascht, wie wenig Zuspruch dieses aktuelle Thema fand. Unter den wenigen Gästen waren es vor allem die Fotojournalisten, die sich bereits umfassender dem Sujet gewidmet hatten. ROBOTER ALS JOURNALISTEN Dass hinter einer Nachricht ein Mensch als Verfasser steht, ist in Amerika seit 2010 nicht mehr sicher. Damals erzeugten erste von Computerlinguisten programmierte Algorithmen auf Basis von Zahlen und Daten eine einfache Meldung über ein Baseballspiel. Mittlerweile etabliert sich Roboterjournalismus in den USA: Finanzberichte oder Meldungen zu Erdbeben werden automatisch generiert. Auch in Deutschland wird Roboterjournalismus Fuß fassen, das ist nur eine Frage der Zeit. Bereits jetzt sind zwei Unternehmen intensiv damit zugange, entsprechende Angebote auf dem deutschen Markt einzuführen. Eines davon ist „text-on“. Geschäftsführer Cord Dreyer war Ende Oktober zu Gast im Club und unterhielt sich mit HR-Multimediaredakteur Jan Eggers über Möglichkeiten des automatisierten Journalismus. Die Software von „text-on“ wurde in einem Think Tank erdacht und gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Kommunikation entwickelt, da die amerikanischen Systeme nicht ohne Weiteres für den deutschen Markt adaptiert werden konnten. Cord Dreyer, früher Chefredakteur und Geschäftsführer der Nachrichtenagentur dpad, sagte, dass sich das System beispielsweise für einen Zahlenreport für Kliniken eigne. Die Algorithmen seien schneller in der Lage, Zahlen in einen lesbaren Text zu verwandeln. Bild oben: Jan Eggers, Multimediaredakteur HR Bild unten: Cord Dreyer, Geschäftsführer „text-on“ Zufriedenheit garantiert. Das kostenlose Girokonto – jetzt mit Zufriedenheitsgarantie*. e: eitsgaranti denh Mit Zufrie + * zum Start efallen* bei Nichtg Jetzt in Ihrer Filiale oder unter www.commerzbank.de * Kostenlos nur bei privater Nutzung und ab mind. 1.200 € monatl. Geldeingang, sonst 9,90 € je Monat. Startguthaben 50 € erst nach 3-monatiger Kontonutzung (mind. 5 Buchungen über je 25 € oder mehr) und nur, wenn seit 24 Monaten kein Zahlungsverkehrskonto bei der Commerzbank besteht. Zahlung 50 € bei Nichtgefallen erst nach regelmäßiger Kontonutzung über mind. 1 Jahr (mind. 5 monatl. Buchungen über je 25 € oder mehr) und nachfolgender Kontokündigung unter Angabe von Gründen binnen 15 Monaten nach Kontoeröffnung. Details und Voraussetzungen unter www.girokonto.commerzbank.de Angebotsänderungen vorbehalten. Stand: März 2015. 12 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b FPC-Vorstandsmitglied Anke Knafla im Gespräch mit FR-Chefredakteurin Bascha Mika Wie immer, wenn es darum geht, dass Maschinen die Arbeit von Menschen übernehmen, wird das Interesse von ambivalenten Gefühlen begleitet. So war es auch an diesem Abend. Das Publikum war dem Thema gegenüber aufgeschlossen und trotzdem skeptisch. Cord Dreyer machte deutlich, dass Roboterjournalismus nicht den Biojournalismus ersetzen werde. Denn eines könne die Technik nicht: einen lesenswerten, überraschenden Text produzieren – zumindest noch nicht. WEITER SO, FR Der Abend mit Bascha Mika im November schloss das Clubprogramm für 2014 ab. Zahlreiche Gäste hatten sich eingefunden, um die Chefredakteurin der „Frankfurter Rundschau“ zu sehen. Die langjährige „taz“-Chefredakteurin war im Frühjahr angetreten, um die „FR“ wieder stärker sichtbar zu machen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn die „Frankfurter Rundschau“ musste bislang einige Krisen überstehen und landete nach der Insolvenz bei der FAZITStiftung, unter deren Ägide auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die „Frankfurter Neue Presse“ erscheinen. Mika will beweisen, dass Qualitätsjournalismus eine Zukunft hat, und die „Frankfurter Rundschau“ als traditionelle Zeitung und universelles Medium mit Angeboten aus allen gesellschaftsrelevanten Bereichen ausrichten. Und auch die vielen langjährigen Abonnenten, die an diesem Clubabend da waren, bestärkten sie darin, die FR als linksliberales Blatt mit überregionalem Anspruch und starkem regionalem Standbein weiterzuführen. S t e ph a n i e A u r e l i a R u n g e Freie Redakteurin für Public Relations. [email protected] „„Frankfurt spielt in der Champions League der Weltmessen. Weil wir Partner wie den Flughafen haben.“ Wolfgang Marzin Vorsitzender der Geschäftsführung, Messe Frankfurt GmbH Im vergangenen Jahr machten rund 38.000 Aussteller und 2,2 Mio. Besucher Frankfurt zum weltweiten Marktplatz, von dem auch das Gastgewerbe, der Einzelhandel und viele andere profitieren. www.ja-zu-fra.org #jazufra 14 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Erinnerung an eine friedl i ch e R e v o l u t i o n 2 0 1 5 i s t e s e i n V i e rt e l j a h r h u n d e r t h e r , d a s s s i ch d a s g e t e i l t e D e u t s ch l a n d w i e d e rv e r e i n t h at . Für d e n FPC Ereignis i n e m p fa n g s d e n z u r a g e n d e n e i n g u t e r Mittelpunkt s t e l l e n Köpfe e i n z u l a d e n Grund, u n d d i e s e r Zeit Neujahrs d e r a l s d a m a l i g e h e rv o r Ehrengast : Professor Dr. Bernhard Vogel 1992 b i s 2003 v o n d e s Freistaates Thüringen w i r t s ch a f t l i ch e n m i t g ewirkt d e s e i n e n h at u n d d a s a l s Um- Ministerpräsident a m u n d p o l i t i s ch e n Ausbau . „Wer die Vergangenheit nicht kennt…“ Über die Wiedervereinigung zu sprechen, ohne auf die Geschichte davor und die demokratische Entwicklung in Deutschland einzugehen – das ist kaum möglich. Und so näherte sich Vogel in seiner Ansprache dem Thema zunächst mit einem Zitat von Golo Mann: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und wird die Zukunft nicht in den Griff bekommen.“ Er erinnerte an den Auslöser des Ersten Weltkriegs und das Bestreben, eine demokratische Verfassung zu schaffen. Aus Mangel an genügend Demokraten scheiterte die Bewegung, so Vogel, letztlich an Hitler, der anders als immer behauptet keinesfalls die Macht ergriffen habe, sondern vielmehr freiheitlich vom Volk gewählt wurde. Was dann kam, ist bekannt: „Hitler wollte den Krieg und hat ihn mutwillig vom Zaun gebrochen“, sagte Vogel. „England und Frankreich, die die Entwicklung hätten erkennen können, haben zu lange gezögert.“ Dass es während der zerstörerischen Diktatur einen Freiheitswillen gegeben habe, habe der 20. Juli 1944 gezeigt. Gemeint war das missglückte Attentat von Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Das Ende des Nationalsozialismus erfolgte doch erst am 8. Mai 1945, „dem Tag der totalen Niederlage – es war aber auch ein Tag der Befreiung, wie es 1985 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Bundestag ausdrückte.“ Freiheit vor Einheit – Einheit in Freiheit Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs habe der Westen Deutschlands die zweite Chance genutz, sich mit Frankreich auszusöhnen und eine Demokratie aufzubauen. Diese Ziele seien zunächst wichtiger gewesen als die Wiedervereinigung mit Ostdeutschland. Vogel erinnerte an Konrad Adenauers Politik, die Freiheit vor Einheit stellte. Deren Bestätigung sei gewesen, dass letztlich durch die friedliche Revolution der ostdeutschen Bevölkerung die Einheit in Freiheit erreicht wurde. Damit sei auch Lenins These widerlegt worden, dass die Deutschen zur Revolution unfähig seien. Der sowjetische Revolutionsführer hatte behauptet, dass die Deutschen vor dem Sturm auf die Gleisanlagen erst eine Bahnsteigkarte lösen würden. Die Mauer fiel am 9. November 1989, und ein Jahr später konnte die Wiedervereinigung gefeiert werden. „Möglich wurde dies nur, weil Michael Gorbatschow sein Militär zurückhielt“, vervollständigte Vogel die geschichtlichen Ereignisse. Mit der deut- 15 schen Vereinigung sei zudem die Grundlage für das heutige Europa geschaffen worden. „Es war die Voraussetzung, dass nicht nur Nord-, West- und Südeuropa zusammengefunden haben, sondern auch Osteuropa sich anschließen konnte.“ gründen wolle, genau beobachtet werden müsse. Eine Gründung sei zwar legitim, „aber die Geschichte hat gezeigt, was passiert, wenn man sich nicht rechtzeitig zu wehren weiß“. An dieser Stelle rief er die jüngere Generation auf, sich beherzter politisch zu engagieren. Er schloss mit einem Zitat von Johannes Rau: „Die junge Generation ist nicht verantwortlich für die deutsche Vergangenheit, aber für das, was sie aus ihr macht.“ Nach diesem geschichtlichen Abriss des Politikers, der den Zweiten Weltkrieg als Kind erlebt und später die Geschichte Deutschlands wesentlich mitgeprägt hat, Fotos: Rainer Rüffer Von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft Beide deutschen Teile zusammenzuführen, sei keine leichte Aufgabe gewesen: „Es gab zwar ein Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, ein Ministerium für gesamtdeutsche Antworten gab es nicht“, scherzte Vogel. Ostdeutschland und seine Infrastruktur mussten aufgebaut werden. Die Mehrheit des Volkes würde weiterhin positiv über die Wiedervereinigung denken: 77 Prozent der Menschen im Osten und 62 Prozent im Westen. 30 Prozent der heute erwachsenen Bevölkerung wurden nach 1980 geboren. Für sie sei die Wiedervereinigung lediglich ein Teil der Geschichte. 70 Prozent aber wurden von den unterschiedlichen Systemen geprägt. Die Menschen in der damaligen DDR haben versucht, unter der Regierung eines Unrechtsstaates rechtschaffen zu leben. „Dafür muss man diesen Menschen Hochachtung zollen.“ Sie hätten darüber hinaus gelernt, dass Wohlstand hart erarbeitet sein will. Heute gebe es sie, die blühenden Land- FPC-Geschäftsführerin Monica Weber-Nau und Clubpräsident Werner D’Inka begrüßen Bernhard Vogel und den hessischen Regierungssprecher Michael Bußer. Bernhard Vogel beeindruckte die Gäste des Neujahrsempfangs mit seiner Rede zur Wiedervereinigung Deutschlands vor 25 Jahren Es galt, ein Gerichtssystem nach demokratischen Grundsätzen zu schaffen und das Bildungssystem zu ändern. „Die Leute wollten Englisch lernen, aber es gab keine Lehrer.“ Und ostdeutsche Politiker hätten lernen müssen, die Bevölkerung demokratisch zu regieren. Anders als von Günter Grass prophezeit sei die Wiedervereinigung nicht gescheitert. Es sei gelungen, Industrielandschaften zu schaffen – ein Verdienst der Treuhand, so betonte Vogel, auch wenn sie damals in die Kritik geraten sei. „Selbstverständlich würden wir bei einer zweiten Vereinigung vieles besser machen.“ Fehler seien aber unvermeidbar gewesen, und er stehe zu ihnen. schaften, wenn auch nicht überall. Aber das sei auch im Westen so. Noch bis 2019 laufe der Solidarpakt II. Vogel plädierte für eine weitere Verlängerung, die aber beiden Teilen Deutschlands zukommen sollte. Beobachten und sich engagieren Am Ende seiner Rede ging der ehemalige thüringische Ministerpräsident auf die aktuellen politischen Ereignisse ein. Dass sich ausgerechnet in Dresden Pegida formiere, dort, wo es kaum Ausländer und noch viel weniger Muslime gebe, sei absurd. Ein ernsthaftes Gespräch mit den Rädelsführern käme bei ihren Parolen kaum infrage. Darüber hinaus mahnte Vogel, dass die Partei, die sich aus dieser „Bewegung“ neu wartete feines Fingerfood am Buffet. Bei Wein, Bier und leckeren Spießchen hatten die Gäste Gelegenheit, mit dem Ehrengast persönlich zu sprechen – oder mit anderen illustren Gästen wie dem hessischen Staatssekretär und Regierungssprecher Michael Bußer, der mit seiner Kollegin Elke Cezanne den Neujahrsempfang besuchte. Für den FPC bedeutete dieser Abend den Startschuss zur nächsten Clubsaison: mit neuem Programm, abwechslungsreichen Formaten und spannenden Gästen. S t e ph a n i e A u r e l i a R u n g e Freie Redakteurin für Public Relations, [email protected] 16 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Foto © AdrianHancu – iStockphoto.com Je suis Charlie – o d e r l i e b e r n i ch t ? Anlass für die Debatte um Meinungsfreiheit und Pressefreiheit und ihre möglichen Grenzen war der mörderische Akt gegen die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris am 7. Januar 2015, durch den zwölf Menschen ums Leben kamen. Die satirischen Zeichnungen über den Propheten Mohammed gelten als Grund für den Terrorakt. Doch was sind die Konsequenzen? Werden die Medien in Zukunft aus Angst vor Fanatikern aller Couleur die Griffel fallen lassen und nur noch Unverfängliches bringen? Und umgekehrt: Ist es nicht mal an der Zeit, darüber nachzudenken, dass Menschen verschiedener Religionen und Kulturen auch unterschiedliche Empfindungen haben? Sollte der Staat in Zukunft Gotteslästerung und die Beleidigung verschiedener Gruppen (Juden, Muslime, Behinderte, Homosexuelle, Frauen . . . ) unter Strafe stellen? Tausende waren daraufhin mit dem Ruf „Je suis Charlie“ auf die Straßen von Paris und anderswo gegangen, um gegen den Anschlag auf die Redaktion und für Pressefreiheit zu demonstrieren. In der ersten Reihe der Pariser Demonstranten die internationale Politik. Auch in Deutschland war Alarmstimmung in den Redaktionen, vor allem nachdem auch noch kurz danach ein Brandanschlag auf die „Berliner Morgenpost“ verübt worden war – von wem auch immer. Diese und weitere Fragen standen im Zentrum einer Veranstaltung, zu der wir die Karikaturisten Greser & Lenz sowie die Rechtanwältin der Satirezeitung „Titanic“, Gabriele Rittig, geladen hatten. Moderator war FPC-Präsident und FAZ-Mitherausgeber Werner D’Inka. „Sind Sie Charlie?“, war seine Frage an Achim Greser, und der antwortete prompt: „Ich bin Achim“. Auch sein Partner Heribert Lenz verneinte und machte klar, dass sie den „Charlie-Hype“ nicht mitgemacht hätten. Veranstaltung a m i m FPC 2.Februar 2015 Gabriele Rittig meinte, nun komme noch mehr Arbeit auf Rechtsanwälte zu, denn nun müsse jeder Witz noch gründlicher auf mögliche Missverständnisse abgeklopft werden. Die Angst, die aktuell bei einigen Kollegen herrsche, nannte Greser „Hosenscheißertum“. Gabriele Rittig wiederum machte deutlich, dass die Gesetze zum Schutz gegen Volkverhetzung und Beleidigung ausreichten und man keinen § 166 StGB (Gotteslästerung) benötige. Das Publikum beteiligte sich mit großer Vehemenz an der Debatte. Man ging davon aus, dass der Anschlag auf das französische Satiremagazin keine Konsequenzen in den Redaktionen haben würde, sicher war man sich allerdings nicht. MONI C A WEBER - NAU Geschäftsführerin FPC. [email protected] WIR MACHEN NACHHALTIGKEIT ZU EINEM VERSPRECHEN. Nachhaltigkeit ist für uns ein elementarer Teil unseres Werteverständnisses und fester Bestandteil unseres Geschäfts zugleich. So sind wir beispielsweise zentraler Finanzierer der Energiewende, prüfen Kredite systematisch auf Nachhaltigkeit und bauen langfristige Bindungen zu unseren Kunden, Partnern und Mitarbeitern auf. Die Ratingagentur oekom research zeichnet dafür die gesamte DZ BANK Gruppe erneut mit dem oekom Prime Status, der höchsten Auszeichnung für nachhaltiges Engagement aus. Erfahren Sie mehr unter » www.nachhaltigkeit.dzbank.de 18 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Wer s ch o s s a u f Veranstaltung a m i m FPC 12. März 2015 Am 17. Juli 2014 wurde über der Ost ukraine der Malaysia-Airlines-Flug MH17 durch eine Luftabwehrrakete abgeschossen. 298 Menschen fanden dabei den Tod. Mehrere Monate trug das Berliner Recherchebüro Correctiv gemeinsam mit dem „Spiegel“ und dem niederländischen „Algemeen Dagblad“ Fakten zusammen und wertete Indizien aus. Maßgeblich daran beteiligt war Macus Bensmann, der die Recherche arbeit und das Ergebnis Anfang März 2014 im Frankfurter PresseClub vorstellte. Er sei ein unerschrockener Journalist, sagte Rouven Schellenberger zur Einführung. Bensmann gehe der Wahrheit auf den Grund und habe deshalb beinahe sein Leben eingebüßt. Das war 2008, als er in Kasachstan brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt wurde. Wenige Jahre zuvor hatte er als einer von wenigen Augenzeugen das Massaker im usbekischen Andischan miterlebt, als Staatschef Islam Karimow Hunderte Menschen bei einer Demonstration erschießen ließ. MH17? seitig die Schuld. Im Internet kursierten Bilder über den Abschuss und den möglichen Hergang, darunter unglaublich viele Fälschungen. Die Niederlande waren mit der Aufklärung beauftragt, doch der Bericht ließ keine Rückschlüsse zu, wer geschossen hatte und die Schuld für den Tod der Menschen trug. Der Weg durch die Indizienkette Dass es sich bei der Waffe um eine BUKRakete handelte, wurde bereits kurz nach der Katastrophe vermutet. BUK ist ein in der Sowjetunion entwickeltes mobiles Flugabwehrraketensystem, mit dem vor allem Panzer am Boden geschützt werden sollen. Sie zerstören Flugzeuge in großer Höhe, bevor diese die Bodentruppen angreifen können. Um sich Gewissheit zu verschaffen, suchte das Rechercheteam einen Militärexperten, der die Ursache für die Schäden an den Flugzeugtrümmern identifizierte. Danach waren Kampfflugzeuge ausgeschlossen, und es schien eindeutig, dass eine BUK-Rakete in fast 10.000 Metern Höhe explodiert war und das Flugzeug gezwungen hatte, durch einen tödlichen Splitterhagel zu fliegen. Wo aber war die BUK-Rakete hergekommen? Über 20 Jahre berichtete Bensmann aus Zentralasien: für die ARD, für „Financial Times Deutschland“ und „taz“. Seit Juli 2014 war er für Correctiv unterwegs und hat mit neuen und alten Recherchemethoden die Wahrheit über den Abschuss der MH17 akribisch zutage befördert. Eigentlich hätten die spektakulären Ergebnisse im Januar die Titelstory für den „Spiegel“ werden sollen. Dann aber kam „Der Anschlag auf die Freiheit“ – Charlie Hebdo – dazwischen. Und so blieben die rekonstruierten Ereignisse in der Öffentlichkeit kaum bemerkt. Bensmann schilderte zunächst die Ausgangssituation, die das Rechercheteam vorfand: Der Westen und die Ukraine machten Russland und die Separatisten für den Abschuss verantwortlich – und umgekehrt. Die Kriegsparteien hatten sich positioniert und gaben sich gegen- Im Gespräch: Marcus Bensmann und Rouven Schellenberger Hier kam die vorangegangene Recherche von Bellingcat zur Hilfe. Das internationale Investigativ-Team um den englischen Journalisten Eliot Higgins hatte durch zahlreiche Spuren im Internet und in sozialen Netzwerken einen Konvoi einer BUK-Einheit ausgemacht. Vor allem waren Fotos, Videos und Einträge interessant, die vor dem 17. Juli veröffentlicht wurden. Hier konnte Bensmann davon ausgehen, dass sie nicht manipuliert worden waren. Um aber eindeutig das Material zu verifizieren, war eine Vor-Ort-Recherche nötig. Zwölf Tage lang suchte Bensmann die Stellen auf, an der die BUK-Einheit vorbeigekommen war, verglich Bilder mit der Situation vor Ort und befragte Zeugen. Danach war der Konvoi in der westrussischen Stadt Kursk gestartet. Später war die BUK-Einheit von der ostukrainischen Stadt Donetzk über Zuhares und Tores nach Snizhne gefahren. Menschen aus einem Vorort der Stadt Snizhne gaben an, gehört zu haben, wie die tödliche Rakete aufstieg, ebenso einen lauten Knall in der Luft. Keiner der Zeugen wollte sich zu erkennen geben. Die Menschen seien sehr ängstlich. Tag für Tag würden sie mit russischer Propaganda beschallt, sagte Bensmann. Fotos: Rainer Rüffer 19 Marcus Bensmann (Correctiv) präsentiert die Rechercheergebnisse zum Abschuss der MH 17 über der Ostukraine Ziviler Flugverkehr als Schutzschild Bereits im Juni hätte die NATO wissen müssen, dass der Raum über der Ostukraine Kampfgebiet und für den zivilen Flugverkehr zu gefährlich war, so Bensmann. Zu diesem Zeitpunkt hatte das USAußenministerium erklärt, dass russische Panzereinheiten die Grenze zur Ukraine überschritten hatten. Russland und die Separatisten dementierten. Spätestens nachdem ein Kampfhubschrauber, eine Antonow-Militärmaschine und zwei Kampfjets der Ukraine zwischen dem 12. und 16. Juli abgeschossen worden waren, hätte der Luftraum gesperrt werden müssen. So aber wirkten die zivilen Flüge wie Schutzschilde. Das verdeutlichte eindrucksvoll eine Animation, mit der das Rechercheteam die Flugbewegung über dem Raketenabschussgebiet nachzeichnete. Daten dafür sind im Internet frei zugänglich und basieren auf fälschungssicheren Transpondercodes. Noch am 17. Juli waren aus allen Himmelsrichtungen zivile Maschinen über Flug MH17 Die Suche nach der Wahrheit Das Correctiv versteht sich als gemeinnütziges Recherchebüro, das den Bürgern durch innovativen, investigativen und aufklärenden Journalismus Zugang zu Informationen geben will. Die Reportage zum Abschuss der Malaysia-Airlines-Maschine hat das Correctiv unter mh17.correctiv.org in vier Sprachen veröffentlicht, in Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch. Die Aufbereitung der Recherche und ihrer Ergebnisse ist ein modernes Meisterstück: multimedial, mit Animationen, Ton- und Filmsequenzen, Fotomaterial und kunstvollen, comicartigen Slides, die Etappen der Recherche festhalten. die Ostukraine geflogen – darunter auch Linien der Lufthansa. Eine Nachfrage dort ergab, dass die Bundesregierung bis dahin keine Warnung herausgegeben hatte. Eine Woche später, am 24. Juli, wurden nur noch russische Flugzeuge registriert, die ihre Route nicht geändert hatten. Wäre die Ukraine für den Raketenabschuss verantwortlich gewesen, hätte das russische Ministerium sicher die eigenen Fluggesellschaften gewarnt – diese Vermutung liegt zumindest nahe. Am Ende der spannend aufgeschlüsselten Indizienkette stand allerdings immer noch eine Frage: Warum werden diese ermittelten Fakten fast ignoriert? Im Publikum saß Christoph Maria Fröhder, selbst investigativer Journalist und Krisenreporter. Er berichtete, er habe sich beim Pressebüro des Auswärtigen Amtes darüber informiert, ob sie von diesen Ergebnissen wüssten. Dort sei man bis zu diesem Zeitpunkt ahnungslos gewesen, hätte ihm aber versichert, dass ein Bericht an entsprechenden Stellen weitergeleitet werden würde. Das war zwar keine Antwort, aber aufschlussreich. S t e ph a n i e A u r e l i a R u n g e Freie Redakteurin für Public Relations. [email protected] 20 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b E i n G e n e r a t i o n s w e ch s e l Fotos: Rainer Rüffer b a h n t s i ch a n Der FPC-Vorstand 2015 (v. l.): Vizepräsident Gerhard Kneier, Präsident Werner D’Inka, Anke Knafla, Michaela Schmehl, Ehrenpräsident Werner Holzer, Neuzugang Arnd Festerling, Schriftführer Nikolaus Münster, Schatzmeister Dr. Michael Auge Mitgliederversammlung 2015 Unruhig war diese Mitgliederversammlung. Womöglich lag es am gespannten Interesse, wie sich der Club im vergangenen Jahr entwickelt hat – und wie er sich weiter ausrichten wird. Vor allem die Wahl der Beisitzer brachte Bewegung in den Abend.Denn anstatt der erwarteten drei gab es plötzlich fünf Kandidaten. Entsprechend der Agenda begann die Versammlung mit dem Bericht des Präsidenten. Werner D‘Inka präsentierte einen Rückblick auf die gelaufenen Aktivitäten, etwa den Neujahrsempfang 2014, als „Mr. ‚Tagesthemen‘“ Thomas Roth offen über seine Sicht auf die Medien und ihre Rolle bei der Affäre um Christian Wulff sprach. Weitere prominente Gäste wie Rupert Neudeck, Tarek Al-Wazir oder Bascha Mika besuchten den Club. Professor Bernhard Vogel knüpfte beim Neujahrsempfang 2015 an die Tradition an. Seine Rede ist auf der FPC-Website abrufbar. Der Club widmete sich spannenden Branchenthemen, die das journalistische Geschäft begleiten: darunter die Verifizierung von Social-Media-Inhalten oder Roboterjournalismus. In diesem Zusammenhang scherzte D’Inka, er habe kürzlich an der Tür einer Redaktion ein Plakat gesehen mit der Aufschrift: „Mich kann keine Maschine ersetzen, es sei denn, sie trinkt Rotwein.“ Durch das hochwertige Programm, das der FPC insgesamt biete, rechne sich die Mitgliedschaft durchaus, schloss er seinen Rückblick ab. Neues Veranstaltungsformat In diesem Jahr werden Gäste wie Eintracht-Trainer Thomas Schaaf und der neue Polizeipräsident der Stadt Frankfurt, Gerhard Bereswill, erwartet. Es wird eine gemeinsame Reise mit anderen deutschen Presseclubs geben, bei der junge Journalisten gefördert werden. Aktuell plant der Club, am hessischen Jungjournalistentag 2015 mitzuwirken. Außerdem zeige der 2014 beschlossene Plan, wie der FPC in die Zukunft geführt werden könne, erste Ergebnisse. Mit den FPC-Netzwerkveranstaltungen wurde ein neues Format ins Leben gerufen, das ein breiteres und jüngeres Publikum anspricht. Erster Gast: Sascha Lobo. Der schillernde Blogger und Buchautor wurde im Frankfurter Exotarium empfangen. „Allein der Ort macht neugierig, und die Gesprächsform ist außergewöhnlich, weil sie dem Gast eine gute Portion Spontaneität abfordert“, sagte D’Inka. 2014 bereinigt Verluste aus 2012 Nach dem Bericht des Präsidenten folgte der des Schatzmeisters Dr. Michael Auge. Die präsentierten Zahlen untermauerten die aktuellen Entwicklungstendenzen des Clubs. Im vergangenen Jahr sanken die Zahl der Mitglieder – sowohl der einzelnen als auch der korporativen – und damit die daraus generierten Einnahmen. Ebenso war das Vermietungsgeschäft 2014 rückläufig. Im Vergleich zu 2013 hat sich das vergangene Jahr allerdings positiv entwickelt. Mehr noch: Rückblickend auf das Umzugsjahr 2012, das hohe Einbußen mit sich brachte, konnten nun Verluste bereinigt werden. Dennoch ist der Club noch nicht aus den unruhigen Fahrwassern heraus. Es gilt weiter, behutsam mit den Ressourcen umzugehen. Die Kassenprüfer Barbara Nickerson und Dr. Sven Matthiesen bescheinigten dem Vorstand und der Geschäftsführung eine ordentliche Buchführung und satzungsgemäße Mittelverwendung. Sie empfahlen die Entlastung des Vorstands, und die Mitglieder folgten dem Rat. Beide Kassenprüfer stehen auch für 2015 wieder zur Verfügung. Akklamation und Geheimwahl Für die Wahl des Vorstandes hatte sich Werner Holzer, FPC-Ehrenpräsident, als Wahlleiter zur Verfügung gestellt. Da der 21 gesamte Vorstand, außer Rouven Schellenberger, sich erneut zur Wahl gestellt hatte, wurde mit den Mitgliedern die Zustimmung per Akklamation vereinbart. Schellenberger hatte sich aufgrund seiner zweiten Vaterschaft gegen eine neue Kandidatur ausgesprochen. Er dankte den Mitgliedern für das entgegengebrachte Vertrauen und den Vorstandskollegen für die gute Zusammenarbeit. Als eine der treibenden Kräfte hinter den FPC-Netzwerkveranstaltungen würde er selbstverständlich für dieses Format weiterhin beratend zur Seite stehen. An seiner Stelle kandidierte der Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“ Arnd Festerling. Die Akklamation verlief bei der Wahl des Präsidenten, seines Vize, des Schatzmeisters und des Schriftführers wie erwartet: Werner D’Inka, Gerhard Kneier, Dr. Michael Auge und Nikolaus Münster wurden einstimmig wiedergewählt. Für die Wahl der Beisitzer meldeten dann aber überraschend zwei weitere Mitglieder ihre Kandidatur an: Corina Socaciu und Joachim Franz. Die 34-jährige freie Journalistin, die aktuell bei der FR mitarbeitet und in der Vergangenheit unter anderem bei der Bundesbank berufliche Erfahrung gesammelt hatte, sagte, dass die gute Atmosphäre im Club sie zu diesem Schritt ermuntert habe. Socaciu hatte bereits die erste FPC-Netzwerkveranstaltung moderiert. Sie wisse, wie wichtig Netzwerke für Journalisten seien und wolle mit ihrem Erfahrungsschatz die Zukunft des FPC mitgestalten. Joachim Franz, Redakteur und langjähriges Mitglied, warb damit, sich für die Belange älterer Mitglieder einzusetzen. Die Abstimmung über die Beisitzer erfolgte geheim mit Stimmzetteln. Es gab eine Enthaltung, und ein Stimmzettel war ungültig. Mit den meisten Stimmen wurde ZDF-Redakteurin Michaela Schmehl wiedergewählt, gefolgt von Anke Knafla, Planungschefin von hr-Info. Dritter im Bunde ist künftig Arnd Festerling, der sich letztlich mit sechs Stimmen Vorsprung vor Corina Socaciu den Beisitz sichern konnte. „Ein guter Start für Corina Socaciu. Ihr Wahlergebnis hat gezeigt, dass sich auch viele ältere Kollegen für eine junge Zukunft entschieden haben“, sagte Monica Weber-Nau. Sie wird übrigens im März kommenden Jahres die Leitung der Geschäftsführung aufgeben. Den Staffelstab über den Vorsitz im Forum Deutscher Presseclubs, den sie 16 Jahre innehatte, hat sie bereits dem Nürnberger Presseclub übergeben. Wie gesagt: Die Fahrwasser sind immer noch etwas unruhig, aber der Club ist auf dem Weg in fruchtbares Terrain. Die 2014 angestoßene Neuausrichtung ist in vollem Gang. Mit dem Engagement junger Journalisten und neuen Veranstaltungsformaten vollzieht sich im Club allmählich ein Generationswechsel, den die Älteren mit ihrem tiefgreifenden Wissen und gewachsenen Netzwerken begleiten. Es bleibt also spannend. S t e ph a n i e A u r e l i a R u n g e Freie Redakteurin für Public Relations. [email protected] www.rentenbank.de Man kann auch ohne große Worte eine der sichersten Banken der Welt werden. Selbst wenn es nicht jeden Tag in der Zeitung steht: Die Rentenbank gehört zu den sichersten Banken der Welt und verfügt über Triple-A-Ratings der drei wichtigsten Rating-Agenturen. Gerade heutzutage zahlt sich höchste Bonität eben aus, wenn es um die Unterstützung von Unternehmen in einer der wichtigsten Branchen Deutschlands geht: der Land- und Ernährungswirtschaft. Die Mittel für unsere Förderprogramme nehmen wir an den internationalen Finanzmärkten auf – mit anhaltendem Erfolg. Deshalb können wir sagen: Der Bulle steht uns näher als der Bär. 255b150_RB_Zeitung_190313.indd 1 19.03.13 12:45 22 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b E x t e r n e V e r a n s ta lt u n g e n 2014 Pressekonferenzen ADAC e.V. Allianz Global Bayerische Landesbank BHF Bank Bundesverband Deutscher LeasingUnternehmen e.V. Bundesverband Öffentlicher Banken BZ.Comm GmbH Deutsche Leasing AG Dialog Lebensversicherung AG Europäische Investitionsbank Faktum GmbH Freenet AG Gesellschaft für das Stiftungswesen mbH Hans-Peter Jourdan IFM Immobilien AG Incity Immobilien AG Jürgen Girullat Hausverwaltung GmbH Korean Air Recommind GmbH Verband baugewerblicher Unternehmen Verband der Chemischen Industrie Verband der Vereine Creditreform e.V. Volks- Bau- und Sparverein FFM eG WEG & Immobilienverwaltung S ch u l u n g e n / T a g u n g e n / Workshops Better Orange IR & HV AG Beunings LMP Rainer Brenner Augenoptik GmbH CBRE GmbH CMS Hasche Sigle Dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hessen e.V. EnBW Vertrieb GmbH Engel und Zimmermann AG Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Hering Schuppener Consulting Hessischer Rundfunk ISM Global Dynamics GmbH IST GmbH Kliemt & Vollstädt Schiller Institut e.V. Script Corporate + Public Communication GmbH SMA Solar Technology AG 27 & More e.V. Meetings Commerzbank AG Deutsche Bank Alumni DFL Liga Travel GmbH Linklaters Roche Pharma AG Ticona GmbH Der Frankfurter PresseClub im Palais Livingston Seit Februar 2012 residiert der Frankfurter PresseClub im Westend der Stadt. Dort, in der Ulmenstraße 20 / Ecke Kettenhofweg, hat er seine Räume im Palais Livingston, im Volksmund „Pferdestall“ genannt. Dort vermietet der FPC seine Räume für Pressekonferenzen, Vortragsveranstaltungen, Workshops und andere Events. Neben namhaften Unternehmen treffen sich hier regelmäßig Vereine, Verbände, Parteien und Arbeitsgemeinschaften. Raumanfragen an: [email protected]. Regelmässige Treffen Vereine/Parteien BPW Frankfurt CDU Westend Rotary Palmengarten AG Westend Vortrags/ B u ch v o r s t e l l u n g e n / Weitere Events AG DOK ALG Fitness Ballwanz Immobilien GmbH & Co. KG Benner Holding BPW Frankfurt Business Angels e.V. Deutsch-Britische-Gesellschaft Deutsch-Französische Gesellschaft FFM e.V. Freunde Frankfurts Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik Deutsche Public Relations Gesellschaft e.V. die medienanstalten DJV Hessen Forum Qualitätsjournalismus Frauen in der Immobilienwirtschaft e.V. Friedrich-Naumann-Stiftung Graf von Westphalen Instituto de Empresa S.L. MIT Frankfurt Novo Argumente Verlag GmbH Schweiz Tourismus SPD Ortsverein Westend Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main Vereinigung liberaler Juristen Vereinigung türkischer Ingenieure und Architekten e.V. Wiley VCH Verlag GmbH & co. KGaA Working Moms e.V. v e r a n s ta lt u n g e n Geben oder Nehmen? In guten Partnerschaften gilt: Geben und Nehmen. Die Messe Frankfurt und die Region Rhein-Main ergänzen sich perfekt: Wir vereinen eine hervorragende Infrastruktur mit herzlicher Gastfreundschaft, erstklassigen Veranstaltungen und weltweiter Vernetzung. Eine attraktive Kombination, welche die Welt zu unseren Messen und Kongressen bringt – und so einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung von Stadt und Region leistet. Frankfurt und die Messe: eine starke Partnerschaft mit Zukunft. www.messefrankfurt.com 24 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Forum-Highlights Im Jahr 2000 begannen die Presseclubs D e u t s ch l a n d s , s i ch i m F o r u m D e u t s ch e r P r e s s e C l u b s zusammenz u s ch l i e s s e n . 2 0 1 5 g e hören über 20 Presseclubs dazu. U n t e r s ch i e d l i ch e r können die einzelnen Clubs kaum sein. Da gibt es welche, die eine eigene Geschäftsstelle haben mit Geschäftsführung, die die Belange von mehreren 100 Mitgliedern koordinieren, Veranstaltungen organisieren und ihre Räume für Pressekonferenzen, Hintergrundgespräche oder auch Workshops und Klausurtagungen vermieten. Da gibt es auch die Clubs mit weniger als 200 Mitgliedern, die für ihre Veranstaltungen selbst Räume extern anmieten müssen. Allen aber ist eines gemeinsam: Sie wollen Plattform sein für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die Gelegenheit suchen, mit Gleichgesinnten zusammenzukommen. 2015 übernahm der Nürnberger Presseclub die Geschäftsstelle des Forums, die 15 Jahre lang vom FPC geführt wurde. Auf den folgenden Seiten berichten einige der Forumsmitglieder über ihre Highlights der letzten Saison. Augsburger Presseclub Das Tempo macht den Unterschied Fotos von Klaus Rainer Krieger Eine Rotte Wildschweine musste herhalten, um am 12. November 2014 im Augsburger Presseclub den Unterschied in der Arbeitsweise zwischen Print- und Onlineredaktion zu erklären. Sascha Borowski, seit 2009 Leiter der Onlineredaktion der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ (AZ), wählte ein tagesaktuelles Beispiel. Der 43-Jährige ist Mitglied im Deutschen Presserat und zudem Mitgründer und Betreiber von Internethilfsportalen wie „dialerschutz.de“ und „Computerbetrug.de“. Im Clubdomizil Georgenkeller sprach Borowski über das Thema „Online statt Print? Social Media verändern auch die Zeitungswelt“. Acht Wildschweine hatten in der Nacht einen Ausflug in die Stadt Augsburg unternommen und allerlei Unheil angerichtet. Als Zeitungsjournalist hätte er seine Arbeitsweise in Sachen Wildschweinberichterstattung gründlich und mit dem Fokus auf 18 Uhr ausgerichtet, so Borowski. Ein ganz anderes Tempo habe das Borstenvieh ihm als Onlinejournalisten abverlangt. Schon kurz nach dem Erhalt einer ersten Polizeischnellmeldung per Twitter sei die Recherche auf Hochtouren gelaufen – vor allem über soziale Netzwerke. Bereits gegen 9 Uhr sei ein erster Bericht auf der Internetseite der AZ zu lesen gewesen, der bis Mittag vier Mal weitergedreht, aktualisiert wurde. Es sei das Arbeitstempo, das den Unterschied zwischen Print und Online ausmache. Zur bewährten journalistischen Recherche bei Sprechern von Polizei und Feuerwehr komme das Arbeiten in Echtzeit, das Arbeiten mit den Usern des eigenen Onlineportals, vor allem über Facebook und Twitter. Schnell stand die Frage nach der journalistischen Sorgfalt „bei Online“ im Raum. Borowski räumte ein, dass es dabei Probleme gebe. Kommunikation laufe oft über Facebook statt übers Telefon. Es sei aufwendig, Hinweise unbekannter Mitteiler zu prüfen. Am Ende gelte: Richtigkeit geht vor Geschwindigkeit. Borowski sieht trotz aller Vorteile für Online eine gute Zukunft für Print. Sein Rat an junge Einsteiger in den Journalismus: Besinnung auf journalistisches Handwerk und auf Qualität, gepaart mit Kenntnissen in Sachen Vernetzung und soziale Netzwerke. Alfred Schmidt und Sascha Borowski (rechts) Aufmerksame Zuhörer im Georgenkeller, dem Domizil des Augsburger Presseclubs Natürlich war die Wildschweinstory kein abendfüllendes Thema. Unter der Gesprächsführung von Alfred Schmidt, dem Leiter der Zeitungs-Stadtredaktion der AZ und stellvertretenden Vorsitzenden des Presseclubs, wurden die vielfältigen Aspekte von Online/Print lebhaft diskutiert. Für Interessierte nachzulesen unter www.presseclub-augsburg.de/cms/website. php?id=/de/index/rueckblick/2014/onlinezeitung.htm Seit August 2014 hat der Augsburger Presseclub eine neue Führungsspitze. Vorsitzender ist nun Wolfgang Bublies, seine Stellvertreter sind Alfred Schmidt und Sandra Strüwing. Unter dem Motto „Neue Zugpferde ran“ hatten die langjährigen Vorstandsmitglieder Dieter Baur und dessen Stellvertreter Peter Richter und Charly Rauch nicht mehr kandidiert. Den Vorstand komplettieren nach wie vor Schatzmeister Ruppert Möhler und Schriftführer Klaus Utzni, ferner zehn weitere Beisitzer. Details zum neuen Vorstand und zum Club unter: http://www.presseclub-augsburg.de/cms/website. php?id=/de/index/rueckblick/2014/mitgliederversammlung.htm Michael Siegel 25 Bonner Medien-Club Wider den Stachel... Der Neujahrsempfang, der traditionell im Funkhaus der Deutschen Welle – gleich neben dem Langen Eugen – stattfindet, ist nicht nur für den BMC und seine mehr als 250 Mitglieder ein Höhepunkt des Clublebens. Die Gästeliste liest sich wie ein Who’s who des gesellschaftlichen und politischen Lebens der Bundeshauptstadt a. D. Man trifft dort nicht nur ehemalige Bundesminister, Abgeordnete jedweder politischer Coleur oder Vorstände der Bonner DAX-Giganten Post und Telekom; auch all jene, die in Bonn „Rang und Namen“ ha- ben (oder zu haben glauben . . . ), sind Gäste des Clubs. „Es gibt in Bonn keine vergleichbare Veranstaltung“, sagt denn auch ein in Protokollfragen kompetenter Experte. Dem ist unsererseits nichts hinzuzufügen. Dass „die Presse“ über die Preisverleihung berichtet, versteht sich (fast) von selbst; neben den lokalen Blättern und Rundfunk- und Fernsehanstalten berichten auch mehrere überregionale Medien. Ein „Sahnehäubchen“ im Reigen der Veranstaltungen war – darauf sei an dieser Stelle hingewiesen – die Verleihung des Bröckemännchens an den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, dessen Laudator „Genosse Franz“ (Müntefering) war: Köstlich, wie die beiden sich nahezu liebevoll neckten und Anekdoten zum Besten gaben, die einem die Tränen vor Lachen in die Augen trieben. Ach so: Wissen Sie eigentlich, wer oder was das Bröckemännchen ist? Ende des vorletzten Jahrhunderts hatten die Bonner (linksrheinisch) eine gleichnamige Steinfigur samt nacktem Hinterteil an den Beueler Brückenkopf (rechtsrheinisch) angebracht – aus Protest gegen die Weigerung Bremer Presse-Club Alles neu macht tatsächlich der Mai Doch jetzt ist er da, der Clash der Generationen. Und das hat dem Club der erste Vorsitzende Theo Schlüter eingebrockt. Mit Charme und Witz und etwas Budget im Veranstaltungsportemonnaie machte er sich auf die Nachwuchssuche – und wurde fündig. Seit Mai besteht der Vorstand des Bremer Presse-Clubs aus vier Vorstandsmitgliedern unter 50 – im Nachfolgenden frei nach Theo Schlüter „die Jungen“ genannt – und drei alten Hasen. Angetreten, um den alten Club in Bremens ältestem Viertel aufzumischen, haben die Jungen eine neue Internetseite in Auftrag gegeben – was der alte Vorstand zugegebenermaßen auch schon angedacht hatte. Der Bremer Presse-Club hat jetzt ein Facebook-Profil und einen Twitter-Account und bei Veranstaltungen mitunter eine Gruppe junger Politikstudenten im Publikum. Diskussionen gab es, klar! Muss man denn unbedingt Veranstaltungseinladungen per Post und umständlich die Briefe an alle Mitglieder schicken? Gibt doch E-Mails. Aber ja, man muss. Sonst fühlt sich schnell mal ein Gründungsmitglied ausgeschlossen. Muss man einen Neujahrsempfang machen? Ja, man muss. Aber muss man denn eigentlich twittern? Ja, auch das muss man. Und braucht es wirklich einen eigenen Podcast, mit dem Titel „Clubgeflüster“ und einem vielleicht ein bisschen protzigen Logo (Löwe auf Salonmöbel)? Nein, das braucht es nicht unbedingt. Aber es macht Spaß! Genauso wie die Veranstaltungen, mit denen wir in Zukunft noch mehr Nachwuchsjournalisten und Medieninteressierte ins Haus locken wollen. Wir Jungen haben uns vom Schatzmeister über den korrekten Ablauf einer Vorstandssitzung aufklären lassen (es gibt eine Tagesordnung, an die hat man sich zu halten; ein Protokoll bedarf zwingend einer Anwesenheitsliste; Dinge können vertagt werden), die alten Hasen haben von uns im Gegenzug eine Facebook-Schulung bekommen. Im Oktober hat der Bremer Presse-Club all das mit einem rauschenden Fest gefeiert, mit dabei waren Volontäre des Bremer „Weser-Kuriers“ und von Radio Bremen, Ressortleiter und Redakteure, auch einige Sympathisanten wie der ehemalige Senator Josef Hattig wurden gesichtet. Und da zeigt es sich, dass so eine Verjüngungskur doch etwas ganz Wunderbares ist. Nicht immer. Aber oft. Kathrin Aldenhoff des preußischen Staates und der damals selbstständigen Stadt Beuel, sich an den Baukosten der 1898 eröffneten Brücke zu beteiligen. Am 14. Mai 2015 ist es übrigens egal, ob Sie von links oder rechts des Rheins nach Bonn kommen. Die dem Forum angehörenden Presseclubs sind herzlich zur Jahrestagung im Schatten des ehemaligen Parlaments- und Regierungsviertels eingeladen. Der Tagungsort liegt linksrheinisch . . . Bernd Leyendecker Presseklub Bremerhaven-Unterweser Mit Riesen-Röhren im Aufwind Foto: Wilfried Moritz Vereine sind in den vergangenen Jahren wohl zu den letzten Orten geworden, in denen der vielzitierte Generationenkonflikt nicht vorkommt. Schlicht und ergreifend deshalb, weil die Mitglieder von Vereinen sich meist schon deutlich jenseits des Rentenalters befinden. Nun war der Bremer Presse-Club in der Vergangenheit auch von diesem Phänomen betroffen: Neujahrsempfänge liefen in ihren gewohnten Bahnen ab, altehrwürdige Institutionen hielten ihre Sitzungen in den Räumen im historischen Bremer Schnoor-Viertel ab. Foto: Barbara Frommann Norbert Blüm hat es, Haribo-Chef Hans Riegel hat es. Und Johannes B. Kerner hat es auch: das Bröckemännchen. Seit 1999 verleiht der Bonner Medien-Club (BMC) im Rahmen seines Neujahrsempfangs eine Kopie des Kobolds an Persönlichkeiten, die in guter rheinischer Manier „wider den Stachel löcken“. 2014 hatte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, den Preis erhalten, am 20. Januar 2015 bekam ihn die ehemalige ÖTV-Vorsitzende und EU-Kommissarin Monika Wulf-Mathies. Die Laudatio hielt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Werksbesichtigung beim „Windgipfel“: Der Presseklub Bremerhaven-Unterweser bestaunt die erste der Riesenröhren, die bei Steelwind Nordenham GmbH gebaut werden Gigantische Stahlkonstruktionen zum Bau von Windparks im Meer sind für die Mitglieder des Presseklubs Bremerhaven-Unterweser ein vertrauter Anblick. Denn die OffshoreWindindustrie mit ihren riesigen Anlagen ist in der Region an der Wesermündung zu einem neuen wirtschaftlichen Standbein geworden. Eine hoffnungsvolle Entwicklung, die der Presseklub mit Vorträgen, Diskussionen und Betriebsbesichtigungen unter dem Motto „Windgipfel“ begleitet. Doch die sechste Auflage dieser alljährlichen Veranstaltung im Oktober 2014 übertraf noch einmal alle Superlative. In Nordenham-Blexen auf der niedersächsischen Seite der Wesermündung konnten die „Windgipfel“-Teilnehmer eine riesige Röhre bestaunen: den weltweit größten Gründungspfahl für Offshore-Windräder. Im neuen Werk der Steelwind Nordenham GmbH entstehen seit Herbst 2014 fast 1000 Tonnen schwere und 71,80 Meter lange „Mega-Monopiles“ mit einem Durchmesser von 7,80 Metern. Die Ungetüme werden als Fundamente für Offshore-Kraftwerke in den Meeresgrund gerammt. Durch den Bau von 80 Stahlbeinen dieses Typs ist das Unternehmen in den nächsten eineinhalb Jahren ausgelastet. Für die Produktionsstätte investierte der saarländische Mutterkonzern Dillinger Hütte, Deutschlands älteste Aktiengesellschaft, rund 175 Millionen Euro. Der strukturschwache Unterweserraum ist durch die Ansiedlung dieses „Juwels und Schlüsselunternehmens der Windenergiebranche“ (so Nordenhams Bürgermeister Hans Francksen) im Aufwind. Immerhin schafft der Jobmotor Steelwind zunächst 130 neue Arbeitsplätze, in drei Jahren sollen es 300 sein. Im Programm des Presseklubs Bremerhaven-Unterweser ist der „Windgipfel“ seit Jahren eine feste Größe – neben so bewährten Reihen wie „Talk maritim“ mit prominenten Gesprächspartnern aus der Region und dem „Fischgipfel“, der die positive Entwicklung der Fischwirtschaft beleuchtet. Der im Februar 2014 gewählte Vorstand mit der neuen Vorsitzenden Anke Breitlauch will zudem mehr als bisher aktuelle Medienprobleme zur Diskussion stellen. Den Anfang machte eine vielbeachtete Veranstaltung über die Zukunft der Zeitung mit dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Journalisten-Verbands, Michael Konken, und dem Dortmunder Zeitungsforscher Horst Röper. Fazit des Abends: Trotz sinkender Printauflagen und zunehmender Onlineverbreitung muss für die gute alte gedruckte Zeitung nicht das Totenglöckchen geläutet werden. Wilfried Moritz 26 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Internationaler PresseClub München Jährlich zwei außergewöhnliche Highlights in München Beide sind kommunikativ und sozialethisch engagiert und blicken bei ihren Besuchen im Club auf das vergangene Jahr zurück, geben aber auch einen Ausblick auf die anstehenden Themen – oft mit Blick auf die globalen Probleme. So verdeutlicht Bedford-Strohm die Auswirkungen des Klimawandels und des internationalen Waffenhandels. Mit Verweis auf die aktuellen Unruhen in Kambodscha plädiert er auch für einen fairen Handel besonders im Textilbereich, wo in den produzierenden Staaten die Arbeiter ausgebeutet werden. In einem so reichen Land wie Deutschland müsse jeder in Würde altern können, betonen Marx wie Bedford-Strohm. Weitere Schwerpunkte im immer voll besetzten Club sind die Themen Gerechtigkeit, Rente, Energiewende, die europäische Flüchtlingspolitik und die Christenverfolgung in der Welt – besonders in den islamischen Ländern. Überhaupt: Was bedeutet Toleranz gegenüber anderen Religionen? Gesprächsthema ist natürlich auch der innerkirchliche Diskurs: Welche Auswirkungen hat zum Beispiel die scharfe Kritik von Papst Franziskus an der Römischen Kurie? Fotos von Hans Schwepfinger Es ist eine seit Jahrzehnten gepflegte Tradition im Internationalen PresseClub München, das Veranstaltungsjahr mit dem Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, ausklingen zu lassen. Ebenso traditionell beginnen die Veranstaltungen im neuen Jahr mit dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Und nun sind auch noch beide Wahlmünchner jeweils zu den höchsten Repräsentanten ihrer Kirche in Deutschland gewählt worden: Seit dem Jahr 2014 ist Reinhard Marx Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Heinrich Bedford-Strohm Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Umso dankbarer sind wir, dass trotz noch voller werdender Terminkalender beide Kirchenmänner diese Tradition beibehalten wollen. Erzbischof Reinhard Marx und Ruthart Tresselt, Vorsitzender PC München Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm Beim Blick auf die Vorbereitungen zum 500. Reformationsjubiläum 2017 stellt sich auch die Frage: Welchen Fortschritt macht die Ökumene? Wird es nicht nur ein großes internationales Glaubensfest, sondern auch ein ökumenisches? Reinhard Marx hat sinngemäß immerhin schon gesagt, “. . . auch die Katholiken können von Luther lernen … “ In den sich anschließenden Fragerunden können selbstverständlich alle noch offenen aktuellen Themen angesprochen werden. Zum Abschluss der Diskussionsrunde lädt der PresseClub noch zu persönlicher Kommunikation bei Münchner Weißwurst, Brez’n und Bier ein. Alles in allem sind das von den 250 bis 300 Veranstaltungen im Jahr zwei außergewöhnliche Höhepunkte. Ruthart Tresselt Presseclub Nürnberg Ein hohes Gut Gegründet wurde der Nürnberger Presseclub am 11. April 1990, derzeit zählt er rund 360 Mitglieder. Im Jahr 2014 wurden rund 30 Veranstaltungen in eigener Regie mit den Marken „Presseclub im Gespräch“ und „Presseclub unterwegs“ durchgeführt. Wir bieten in der Regel zweimal im Monat ein Forum für den Gedankenaustausch zu aktuellen Themen mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Sport, Kultur und Medien. Dies ist auch ein Angebot für die lokalen und regionalen Medien. Zahlreiche Themen und Gäste sind Anlass für die Berichterstattung. Das Domizil unseres Clubs ist der Marmorsaal der Nürnberger Akademie, die 1892–97 als Gewerbemuseum im Stil eines neobarocken Schlosses erbaut wurde. Seit 1997 befinden sich dort die Veranstaltungsräume unseres Clubs. In unseren Räumlichkeiten fanden 2014 knapp 200 Veranstaltungen statt, die von unserem Team betreut wurden. Dieter Barth Fotos von Dieter Barth Der Nürnberger Presseclub fördert und unterstützt alle Aktivitäten zur Wahrung der Menschenrechte, insbesondere der Meinungs- und Pressefreiheit. Dies ist auch ein vorrangiges Anliegen unserer Partnerschaft mit dem Journalistenverband Antalya. Im Jahr 2014 konnten wir den 10. Jahrestag der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde im Rahmen eines sehr bewegenden Festaktes in Antalya feiern. Dort wurde uns sehr deutlich vor Augen geführt, welch hohes Gut wir mit dem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland haben und dass wir nicht nachlassen dürfen, dieses Recht auch wehrhaft zu verteidigen. Auch deshalb ist der Internationale Tag der Pressefreiheit, der jährlich am 3. Mai begangen wird, für uns ein gesetzter Termin, an dem wir das hohe Gut in den Mittelpunkt einer eigenen Veranstaltung stellen. Prof. Dr. Johanna Haberer am 3. Mai 2014 mit Vorstandsmitglied Alexander Jungkunz bei der Diskussion „Die Verbindung zwischen Reformation und Pressefreiheit“ Die Delegation des Nürnberger Presseclubs wird von Antalyas Oberbürgermeister Menderes Türel (Mitte) im Rathaus von Antalya empfangen Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen Wann ist ein Geldinstitut gut für Deutschland? Wenn es versteht, dass unser größtes Kapital die Umwelt ist. Sparkassen fördern eine nachhaltige Entwicklung. Mit einem breiten Beratungs- und Finanzierungsangebot übernehmen sie gemeinsam mit ihren Kunden Verantwortung für eine ökologisch, wirtschaftlich und sozial vernünftige Lebensweise. Das ist gut für die Umwelt und für die Lebenschancen zukünftiger Generationen. www.gut-fuer-deutschland.de Sparkassen. Gut für Deutschland. 28 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Fotos Presseclub Wiesbaden Presseclub Wiesbaden Auch mal schön, sich selbst zu feiern Journalisten sollten dabei sein, ohne dazuzugehören; sie sollten sich mit keiner Sache gemein machen, nicht mal mit einer guten. Und sie sollten den Leuten nicht immer ihre Sicht der Dinge aufzwingen, vor allem sich nicht so wichtig nehmen. Alles richtig. Und manchmal darf es doch ein wenig anders sein. So könnte man den Umstand interpretieren, dass der Presseclub Wiesbaden sein Jubiläum zum zentralen Ereignis seines Programms im Jahr 2014 erklärt. Und das auch noch bei gerade mal 25 Jahren Geschichte; Hirnforscher behaupten, dass die Pubertät da erst zu Ende gehe – bei manchen Menschen. Bei aller Koketterie: Angesichts der zahlreichen Grauund Weißschöpfe im Konferenzsaal des Nassauer Hofs konnte man am 14. März bei den Teilnehmern auf diese Idee nicht kommen. Immerhin befanden sich viele Mitglieder der ersten Stunde neben zahlreichen Würdenträgern unter den 150 Gästen der Feier. Das heißt, für Verklärung blieb wenig Raum, zu viele Zeitzeugen waren anwesend. Klaus Bresser, Wahl-Wiesbadener und damals Chefredakteur des ZDF, hatte abgeraten. „Das Letzte, was Journalisten brauchen, ist ein Presseclub.“ Dass er später dazustieß und noch gerne Gast im Erdgeschoss der Villa Clementine an der Wilhelmstraße ist, belegt die Anziehungskraft einer Idee, mit der der Mitleiter der Niederlassung Wiesbaden der Dresdner Bank, Gustav A. Schaeling, in den späten 80er Jahren eine Gruppe Pressesprecher und Journalisten infizierte. Die Entstehungsphase muss angesichts der vielen weinseligen Sitzungen – meist im Entenkeller des Nassauer Hofs – so kurzweilig ausgefallen sein, dass Schaeling den legendären Satz prägte, um diesen Spaß nicht zu beenden, dürfe man jetzt bloß den Club nicht gründen. Es geschah aber doch. Gott sei Dank. Die Gründer (linkes Bild, von links nach rechts): Peter Rudolph, Gustav A. Schaeling, Monika Schwarz (damals noch Ritter), Hilmar Börsing, Wolfgang Zeller. Festredner Jan Fleischhauer („Der Spiegel“, Bild Mitte). Der Vorsitzende Stefan Schröder vor den Gästen der Jubiläumsfeier (rechtes Bild) Sonst hätten ein Vierteljahrhundert später die denkwürdigen Ausführungen von „Spiegel“Autor Jan Fleischhauer, der den Festvortrag hielt, nie einen Adressaten gefunden. Launig rechnete der Kollege mit den Hypertrends der Branche von Social Media bis Echtzeitjournalismus ab. Freudig und offenbar einsichtig applaudierten die Zuhörer, als ihnen Fleischhauer vorwarf, dass gerade die Journalisten, und vor allem die bei Zeitungen, das eigene Produkt schlechtschrieben. Beruhigend stellte er aber fest, dass er bei seinen Recherchen festgestallt habe, früher sei beileibe nicht alles besser gewesen. „Oder“, fragte er rhetorisch in den Saal, „fanden Sie diese penetrante Duzerei zwischen Politikern und Journalisten sympathisch?“ Stefan Schröder PresseClub Regensburg Geteilte Freude über die Rückkehr als Bischof Frisch, jugendlich, freundlich sind die Prädikate, die Stefan Oster, dem bei seinem Auftritt im Regensburger PresseClub noch jüngsten Bischof Deutschlands, medial gesehen vorauseilen. Für die Insider keineswegs eine Überraschung. Er ist schließlich in Regensburg aufgewachsen. Einige kennen ihn noch von damals als dynamischen und kritischen Radiokollegen, der in der Welterbestadt sein journalistisches Handwerk erlernt und dort auch sehr weltlich gelebt hat, ehe er sich der geistlichen Welt zuwandte. Er ist angesichts alter Kampfesbrüder etwas zwiespältig im Umgang mit ihnen – zwischen unkompliziert-freundschaftlich und dem Amt geschuldeter Distanz. Doch Oster geht mit einem offenen Lächeln darüber hinweg, zückt zum Auftakt des Gesprächs alte Insignien seiner Radiokarriere und räumt offen ein, immer noch erstaunt um sich zu blicken, ehe er realisiere, dass die jubelnden Menschen ihn, den Bischof, meinen. Ja, und die Wohngemeinschaft in seinem Passauer Bischofssitz hat bundesweit Staub aufgewirbelt. Dass er mit zwei Frauen und einem Mann zusammenwohne, habe nichts mit fröhlichem Studentenleben zu tun. „Meine Mitbewohner teilen mein Interesse an einem geistlichen Leben, das allein zu pflegen schwieriger ist als in Gemeinschaft.“ Er verschließt sich auch nicht dem Unbill des Alltags, die Wohnung sauber zu halten und zu kochen, wenn es die Zeit als amtierender Bischof zulässt. Der Bischofsbesuch im Dezember 2014 ist ohne Zweifel ein Höhepunkt in der fast 40-jährigen Geschichte des Regensburger PresseClubs. Nicht immer sind die Mitglieder so gespannt auf den Dialog wie beim Passauer Bischof, aber immer interessiert, mit den Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten direkt ins Gespräch zu kommen. Wie mit der Bayerischen Sozialministerin Emilia Müller und dem Leiter der Bayerischen Staatskanzlei Marcel Huber, die sich die PresseClub-Türklinke in die Hand geben für die phänomenale Neuigkeit, dass man im Zentrum bayerischer Machtfülle auch nach vielen Jahren immer noch staunt über die wachsende Flut an Asylbewerbern. Und vor lauter Staunen immer wieder vergisst, wenigstens Wohnungen für die Menschen bereitzustellen. Oder ihnen schnell Klarheit über Verbleib oder Abschiebung zu verschaffen. Für die Mitglieder des PresseClubs wie des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg ist es ein Segen, dass beide Vereine sich in den letzten Jahren nähergekommen sind. Der Club ist zwar seit 1994 Mieter in dem stattlichen Altstadthaus des Künstlervereins. Aber so richtig gemeinsam läuft es erst kurze Zeit, seit die Künstler die Journalisten beim Umbau der Räume unterstützen, die ihnen selbst wieder für Vernissagen und Ausstellungen zur Verfügung stehen. Und seit Künstler wie Alexander Stern oder Heiner Riepl den PresseClub als Forum nutzen können, um mehr über ihre Arbeiten zu erzählen. Vielleicht kommt mit KUNO eine weitere Facette des Clublebens hinzu. Die Stiftung Kinder UNi Klinik Ostbayern hat es tatsächlich geschafft, aus dem Nichts über zehn Millionen Euro an Spenden zu sammeln, um Kindern in Ostbayern eine Krankenversorgung erster Güte zu verschaffen. Damit sich das nie mehr ändert, haben die Stiftung und der PresseClub einen Plan, der 2015 vielleicht noch umgesetzt wird. In den fast 40 Jahren ist der PresseClub Regensburg zu einer Institution gereift, die aus der Region nicht mehr wegzudenken ist. Leider haben auch Institutionen Sorgen, weil Mitglieder generell weniger werden, junge Menschen meinen, ohne solche Vereinigungen auszukommen, und große wie kleine Firmen als die finanziellen Pfeiler der Clubfinanzierung nach der Rasenmähermethode sparen, anstatt die Netzwerke geschickt zu nutzen. Das alles wird die PresseClubs so wenig wegrasieren, wie es das Fernsehen bei der Zeitung erfolglos versuchte. Denn „solange man mit einem Fernseher keine Fliege erschlagen kann, wird man die Zeitung brauchen!“ Ludwig Faust Fotos Tino Lex Wer hofft, dass sich so viel persönliche Offenheit auch auf barmherzige Lösungen einiger Probleme der Kirche überträgt, muss vorerst schlucken. „Die vor Gott geschlossene Ehe ist unauflöslich, sogar wenn es zu Gewalt zwischen den Partnern kommt.“ Menschen, die nach der Scheidung wieder geheiratet haben, will er nicht vor dem Altar zum Empfang der heiligen Kommunion sehen. Es sind nur zwei der vielen Fragen, die Menschen bedrängen, die Bischof Oster aber unerbittlich mit Zitaten aus der Heiligen Schrift kontert. Dann lässt er wieder Taten sprechen, zeigt Transparenz bei den Finanzen in seinem Bistum und weist auch Bürgermeister in ihre Schranken, die gegen Asylbewerber wettern, denen er in einem Wallfahrtsort in kirchlichen Gemäuern Obdach gewährt. Der freundlich lächelnde junge Bischof von Passau Stefan Oster kennt bei Glaubensfragen kein Pardon (Bilder links). Der PresseClub Regensburg unterstützt die Kollegen bei der Wanderausstellung „World Press Photo“ mit einer Veranstaltung in den Regensburg Arcaden (Bild rechts) Lösungen, die wirken. Gemeinsam mit unseren Auftraggebern und Partnern. Wir entwickeln Wir lassen uns daran messen, dass unsere Arbeit dauerhaft wirkt. Die Nachhaltigkeit unserer Arbeit beruht auf dem Prinzip einer dialogorientierten Zusammenarbeit mit unseren Auftraggebern und Partnern. Gemeinsam fördern wir gesellschaftlichen Wandel weltweit. Mehr Informationen unter: www.giz.de 30 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Tallin ESTLAND RUSSISCHE FÖDERATION Riga LETTLAND LITAUEN RUSSISCHE FÖDERATION Vilnius WEISSRUSSLAND D i e b a l t i s ch e V i e l fa lt e r l e b e n POLEN I n f o r m at i o n s r e i s e d e s F P C f ü r d i e M i t g l i e d e r d e s F o r u m s D e u t s ch e r PresseClubs vom 23.–30.4.2014 UKRAINE Foto © Rhoberazzi – iStockphoto.com 31 Vilnius – Litauen l i t a u i s ch : L i e t u va 32 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Mit einer Lufthansa-Maschine aus Frankfurt am Main landen wir, eine Reisegruppe von 30 Erwachsenen aus verschiedenen Städten Deutschlands und der Schweiz, gegen 14 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen der litauischen Hauptstadt Vilnius (litauisch Vilniaus oro uostas), dem größten von vier internationalen Flughäfen in Litauen. Dort werden wir empfangen von Maija, unserer Reiseleiterin für die kommenden acht Tage. Maija ist Lettin und ganz offensichtlich auch des Litauischen mächtig. Das Litauische gehört wie das Lettische zu den baltischen Sprachen, es gilt in vielen Eigenschaften als besonders archaisch und daher der rekonstruierten indogermanischen Ursprache besonders nahestehend. Noch ahnen wir nicht, um wie viele Informationen reicher wir durch die umfassenden Kenntnisse Maijas über die drei Länder des Baltikums in gut einer Woche sein werden. am 1.1.2015 auf dem Programm. Lettland hat den Euro, wie wir erfahren, gerade zum 1.1.2014 eingeführt. In Estland erfolgte der Währungswechsel schon 2011. Erste Handlung der meisten Teilnehmer ist der Wechsel von Euro in Litas (100 Litas sind rd. 30 Euro). Die Umstellung auf den Euro steht für Litauen als das letzte Land des Baltikums erst Da seit Mitte des 13. Jahrhunderts der Deutsche Orden mit seinem Expansionsdrang im Baltikum sowohl das Großfürstentum Litauen als auch das Königreich Polen bedrohte, entschied sich Unsere erste Busfahrt führt uns in rund 30 Minuten zum Hotel Congress am Fluss Neris, welcher im Norden von Weißrussland entspringt und schließlich bei Kaunas in die Memel mündet. Anders als Estland und Lettland können die Litauer stolz auf eine Eigenstaatlichkeit im Mittelalter zurückblicken. Ausdruck dafür ist ihre im 14. Jahrhundert begründete neue Hauptstadt Vilnius. Großfürst Gedeminas lud 1323 Menschen allen Glaubens in seine junge Hauptstadt. Sie hatte über Jahrhunderte viele Namen – die Litauer nannten sie Vilnius, die Polen Wilno, die Juden Wilne, Russen und Deutsche Wilna. Der Frankfurter PresseClub organisierte im April 2014 für die Forums-Mitglieder eine 10-tägige Reise durch Estland, Lettland, Litauen. Die baltischen Staaten zeigten sich bei herrlichem Sonnenschein von ihrer besten Seite. Reisesplitter Inge Büttner-Vogt In Vilnius holt uns Maija, unsere Reiseführerin, ab, und sehr bald schon nach dem Einchecken begeben wir uns durch Vilnius mit seiner barocken Vielfalt. Wir besichtigen die St.-Peter-und-Paul-Kirche. Ich suche nach Maria Magdalena, die für mich eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Weltgeschichte und Forschungsobjekt ist. Hier komme ich auf meine Kosten. In der St.-Kazimir-Kirche erwartet uns dann ein kraftvolles Orgelkonzert. In Klaipeda an der Ostsee führt uns beim abendlichen Bummel der Weg zum Ännchen-von-Tharau-Denkmal. Die 16 Strophen des berühmten Liedes aber kann keiner von uns singen. Am folgenden Morgen setzen wir dann auf einer Fähre über. Der Weg zu unserem Ziel, der Kurischen Nehrung, die das kurische Haff von der Ostsee trennt, führt kilometerlang an Birken- und Kiefernwäldern entlang. Ein Gespräch mit der Naturschutzbeauftragten Ausra Feser aber kann nicht stattfinden. Sie muss bei der Bekämpfung eines Waldbrandes dabei sein. Wir sehen die schwarzen Rauchwolken wie einen Riesenpilz am Himmel. Unser nächster Halt ist das Sommerhaus der Familie Thomas Mann in Nidden. Drei Sommer von 1930 bis 1932 hat die Familie hier verbracht. Als Thomas Mann 1932 ein Paket mit einem angekokelten Exemplar seines Romans „Buddenbrooks“, für den er 1929 den Literatur-Nobelpreis erhalten hatte, zugestellt wurde, verließ die Familie das Haus in Nidden und kehrte nie wieder zurück. Die Einheimischen nannten das Domizil damals „Onkel Toms Hütte“, Göring, der das Haus 1939 beschlagnahmte, nannte es Jagdhaus Elchenhain. Das Haus, im Niddener Fischerstil gebaut, reetgedeckt und in den Farben Rot, Weiß und Niddener Blau gehalten, macht einen gemütlichen Eindruck. Von der Terrasse geht der Blick übers Meer. Seit 1996 ist es lettisch-deutsches Kulturzentrum. Wir bummeln durch die Mann-Ausstellung, müssen allerdings feststellen, dass die Originaleinrichtung nicht mehr vorhanden ist. Am nächsten Morgen geht es nach Siauliai. Unser Weg führt uns über den Berg der Kreuze. Maija erklärt uns, dass es Tradition sei, dass Hochzeitspaare hierherkommen, um sich ewige Treue zu schwören. Der Berg der Kreuze mit über 50.000 großen Exemplaren, die sich über eine Fläche von etwa einem Hektar verteilen, ist sehr beeindruckend. Die Zahl der Kreuze erhöhte sich vor allem nach dem Unabhängigkeitskampf Litauens gegen Russland 1989/90. Maija erzählt von Tod und Vertreibung, Lager und Unterdrückung und davon, dass in der Vergangenheit immer wieder alle Kreuze vernichtet wurden. Erst nach der Wende blieben sie stehen und erobern sich nun den Hügel und die Umgebung und erinnern an die Toten des Unabhängigkeitskampfes der Litauer. Wir kommen in Riga, der lettischen Hauptstadt, an, der Heimat unserer Reiseführerin, seit 2014 Kulturhauptstadt. Die lettische Jugendstilstadt ist geprägt von den Architekten Konstantin Peksens und Michael Eisenstein. In der Mittagspause treffen wir Anna Muhka, Leiterin des Bereiches internationale Kontakte/Stiftung Riga. Sie hat deutsche Wurzeln und spricht hervorragend Deutsch. Stadt, Staat und Gemeinde, so erfahren wir, geben viel Geld für soziale Projekte aus. Man geht an Brennpunkte, fragt die Bewohner nach ihren Wünschen und bringt sie dazu, ihr Umfeld (hier Höfe) zu gestalten und zu verschönern. Durch diese vielen gemeinsamen Projekte wird der Zusammenhalt intensiv gefördert. Am nächsten Tag fahren wir Richtung Estland. Maija erzählt uns auf dem Weg die Geschichten von Münchhausen, dessen Schloss auf dem Weg liegt. In der Burgruine Turaida hören wir die Legende vom Mädchen Rose, von Treue, Opfer, Liebe und Tod. Wir bummeln im Skulpturenpark, dessen Granitmonumente ebenfalls Märchen, Sagen und Legenden darstellen. Ein lebendiger Froschkönig hüpft uns in den Weg und wird sofort umringt: „Wer von den Mädels noch keinen Prinzen hat, vortreten zum Küssen“, heißt es, doch da flieht der Frosch, verfolgt von einem Blitzlichtgewitter. Nach dem Mittagessen wandern wir durch das Hochmoor, das bekannt ist für seine außergewöhnliche Vegetation. Wir lernen einiges über Moltebeeren (bei uns Cranberrys) und Moosbeeren. Dann ein letzter Blick von einem Aussichtsturm über die flache, schier unendliche Weite. Als Nächstes erreichen wir die estnische Hauptstadt Tallinn. Wir besuchen das 2003 gegründete MarzipanMuseum. Tallin, das einst Reval hieß, rühmt sich ebenso wie Lübeck, Wiege des Marzipans zu sein. Beide Städte feiern 2015 gleichzeitig 200 Jahre Marzipanherstellung. Marzipan galt einst nicht als Süßigkeit, sondern als Medizin, unter anderem gegen Nervosität und Kopfschmerzen. Doch nicht nur Marzipan dient der Heilung. Dies erfahren wir in der 1422 zum ersten Mal erwähnten „RathausApotheke“. Dort finden wir neben deutschen Zertifikaten Arzneimittel wie gepresste Heilpflanzen, eingelegte Igel und „sonnengetrocknete Hundefäkalien“ aus dem 18. Jahrhundert. Am Tag darauf besuchen wir das „Sängerfeld“, wo alle fünf Jahre ein Fest mit 30.000 Sängern und 100.000 Gästen stattfindet. „Wenn der Este nicht singt, hält er den Mund . . . “, heißt es, und wir lernen, dass es eine „Singende Revolution“ gab. Sie ermöglichte es den Esten, letzten Endes die Sowjetherrschaft abzuschütteln. Professor Rein Veidemann, Freiheitskämpfer, Journalist und Buchautor, erzählt von der Menschenkette, die am 23. August 1989 von Litauen nach Tallinn reichte. Es war auch seine Sternstunde, als zwei Millionen Menschen eine 600 km lange Menschenkette bildeten und sein Freiheitslied sangen oder hörten. Nach einer Woche geht es wieder nach Hause. Und wir haben eines gelernt: Die Länder des Baltikums zusammenzufassen, ist zwar üblich, wird aber den unterschiedlichen Ländern und ihren Bewohnern nicht gerecht. Dies hat uns auch unsere Reiseführerin Maija Baltmane deutlich gemacht. I n g e B ü t t n e r - V o g t ist Mitglied im Presseclub Wiesbaden Sie war 35 Jahre beim ZDF. Ihrer Aussage zufolge legte sie nach ihrer Pensionierung mit dem Schreiben richtig los. Für eine nachhaltige Mobilität Fortschrittlich. Innovativ. Nachhaltig. Busse und Bahnen bewegen die Stadt – rund um die Uhr. Dabei fühlen wir uns nicht nur für Ihre Mobilität verantwortlich, sondern auch für das Klima unserer Stadt. Mitmachen? Einfach einsteigen. RMV-Servicetelefon 069 / 24 24 80 24 www.rmv.de /RMVdialog 34 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b der litauische Großfürst Jogaila, eine Allianz mit Polen einzugehen. Er heiratete die polnische Thronerbin Hedwig von Anjou, womit die polnisch-litauische Union begründet wurde. PolenLitauen brachte dem Orden im Jahre 1410 in der Schlacht bei Tannenberg eine schwere Niederlage bei. Das Land wurde in der Folge reformiert und christianisiert. Ab dem 15. Jahrhundert erlebte Vilnius eine lange wirtschaftliche und kulturelle Blüteperiode, aber gleichzeitig fand ihre allmähliche Polonisierung statt. Im 16. Jh. entwickelte sie sich zum Zentrum der Orgelmusik, 1579 wurde auf der Basis des JesuitenKollegiums die Universität Wilna gegründet (Alma academia et universitas Vilnensis societatis Jesu). Damit blickt die Universität von Vilnius auf eine mehr als 430-jährige Geschichte zurück und gehört zu den ältesten Hochschulen Mitteleuropas. Gleichzeitig wurde Vilnius zum wichtigsten Zentrum jüdischer Kultur in Nordeuropa und erhielt seinen Beinamen Jerusalem des Nordens. Italienische Baumeister schufen ab dem 16. Jahrhundert zahlreiche barocke Bauwerke. Die Kazimir-Kirche (litauisch Švento Kazimiero bažnyčia) ist eine der bedeutendsten Kirchen der Stadt Vilnius. Sie ist der erste Vertreter des Baustils des Barock in der litauischen Hauptstadt, der mit den Jesuiten in den fernen Nordosten Europas kam. Namenspatron der Kirche ist der heilige Kazimir, der Schutzpatron Litauens. In diesem Ambiente dürfen wir am Ankunftstag um 19 Uhr ein wunderbares privates Orgelkonzert erleben. ARCHITEKTONISCHES GESAMTKUNSTWERK Vilnius, die Hauptstadt Litauens, ist ein Gesamtkunstwerk der verschiedenen architektonischen Epochen: Barock, Gotik, Renaissance, Klassizismus und Jugendstil vereinen sich hier zu einem harmonischen Stilmix. Heute zählt die Altstadt von Vilnius zu den größten in Osteuropa – 1994 wurde sie zum UNESCOWelterbe erklärt. Aufgrund der über 50 Kirchen der Stadt trägt Vilnius auch den Beinamen Rom des Ostens. Man sieht von fast jedem Ort aus in der Stadt mindestens vier Kirchtürme. Der sehenswerte Präsidentenpalast nahe der Universität von Vilnius war vormals Bischofssitz. Mit dem Vorstoß der deutschen Wehrmachtstruppen nach Litauen im Jahr 1941 begann das Ende der jüdischen Geschichte in Vilnius. Das Ghetto Vilnius, damals deutsch Ghetto Wilna, war ein nationalsozialistisches Ghetto in der Altstadt der litauischen Hauptstadt, in das die deutschen Besatzer die jüdische Bevölkerung sperrten. Das Ghetto bestand aus zwei Teilen, dem Großen und dem Kleinen Ghetto, die voneinander durch die Niemiecka Straße (jiddisch Deitsche Straße, litauisch heute Vokiečių gatv) getrennt waren. Der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Vilnius betrug 1931 28 Prozent bzw. 55.000 Personen. Die meisten von ihnen wurden ermordet, zum großen Teil im nahe Vilnius gelegenen Ponar, heute ein Vorort der Stadt. Mit dem Abriss der ältesten Synagoge Wilnas 1949 verschwand ein jüdisches Kapitel der litauischen Hauptstadt. Nur noch Reste des jüdischen Viertels im nahen Umkreis der Zydu gatve, der Judengasse, sind erhalten geblieben. Nach dem Orgelkonzert in der Kazimir-Kirche steht ein gemeinsames Abendessen im Lokal „Prie katedros“ nahe dem Nationalen Drama Theater auf dem Plan. Wir haben alle Hunger und nutzen das Abendessen, um uns in der Reisegruppe gegenseitig bekannt zu machen. Die Philologin Nida Matiukaite der Universität Vilnius hat es angesichts der fortgeschrittenen Tageszeit und des langen Tagesprogramms schwer, die verdiente Aufmerksamkeit zu erhalten. Wir lernen eine Besonderheit der litauischen Sprache kennen: -aite, die litauische Namensendung für unverheiratete Frauen. V O N H A U P T S TA D T Z U H A U P T S TA D T Am nächsten Morgen beginnt nach dem Frühstück unsere baltische Rundreise: Nur 30 Kilometer von Vilnius entfernt liegt die alte Hauptstadt des Landes: Trakai mit ihrer Inselburg als Wahrzeichen Litauens. Die Festung im Galve-See wurde nie von den Feinden eingenommen. In den Gemäuern der Wasserburg ist heute eine historische Ausstellung über die Großfürsten und die Geschichte Trakais zu sehen. Von Trakai fährt uns der Bus vorbei an Kaunas – von 1920 bis 1940 die provisorische Hauptstadt Litauens – in die litauische Hafenstadt Klaipėda, bis 1920 die nördlichste Stadt Deutschlands. Klaipėda ist zugleich die älteste Stadt Litauens. Gegründet wurde die drittgrößte Stadt des Landes im Jahre 1252 unter dem deutschen Namen Memel. Der gleichnamige Fluss, in antiker Zeit Teil des Handelswegs Bernsteinstraße von der Ostsee zum Mittelmeer, mündet in einem Delta in das zur Ostsee gehörende Kurische Haff. Der Name leitet sich her von dem zur indogermanischen Sprachfamilie gehörenden Volksstamm der Kuren, deren Name „Schnell zu See“ bedeutet. „ÄNNCHEN“ SINGEN, BIERCHEN TRINKEN Bei unserer Ankunft in der Hafenstadt klappt die Zimmervergabe im Hotel Amberton Klaipėda Hotel wieder hervorragend. Unsere Zimmer in diesem ungewöhnlichen K-förmigen Hochhaus sind eher futuristisch kühl, bieten aber eine grandiose Aussicht über das Hafengelände auf die Kurische Nehrung (Neringa). An die Flucht Königin Luises vor Napoleon über die Kurische Nehrung nach Memel, 1807, erinnert eine Tafel am ehemaligen Rathaus. Das historische Gebäude wurde während der Napoleonkriege, von 1807–1808, vorläufig vom König von Preußen, Friedrich Willhelm III, und seiner Frau Luise bewohnt. Das Wahrzeichen der Stadt ist in der Mitte des Theaterplatzes ein Springbrunnen mit einer Skulptur von „Ännchen von Tharau“. Das Denkmal mit dem kleinen Mädchen wurde 1912 zum Gedenken an den in Klaipėda geborenen deutschen Dichter und Schriftsteller Simon Dach errichtet. Ann war das Mädchen, in das er sich auf den ersten Blick verliebte. Obwohl sie mit einem anderen Mann verlobt war, widmete ihr Simon Dach das Gedicht „Ännchen von Tharau“ und ein gleichnamiges Lied, welche beide noch heute in Deutschland, der Schweiz und Österreich bekannt sind. Während des Zweiten Weltkrieges verschwand die Skulptur auf mysteriöse Weise und wurde 1990 durch eine Initiative der Bevölkerung und der Gäste rekonstruiert. Fotos: Roswitha Haager-Fischer, Rainer Rüffer 35 Erinnerung an die Toten des litauischen Unabhängigkeitskampfes: Berg der Kreuze bei Siauliai In Klaipėda/Memel befinden sich außerdem zwei historische Postämter – das eine in einem kleinen Altstadthaus, das andere (Jugendstil und mit einem bekannten Glockenspiel) in der Neustadt. Der Skulpturenpark ist sehenswert und dem Anschein nach ein beliebter Aufenthaltsort. Diesen und auch den drauffolgenden Abend verbringen wir in einigen der zahlreichen Lokale in der Friedricho Pasažas (Friedrich-Passage). Das doch recht touristische Ambiente wird aufgewogen durch die Tatsache, dass wir bei angenehmen Temperaturen im Freien sitzen können. Auch das Bier leistet für die meisten Teilnehmer unserer Gruppe einen guten Beitrag zu einem entspannten, schönen Abend. W E LT E R B E U N D T H O M A S M A N N Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Bus zur Autofähre, die uns von Klaipėda über das Haff auf die Kurische Nehrung bringt. Die Landzunge misst insgesamt 98 km, 52 km befinden sich auf litauischem Gebiet und 46 km in der Kaliningrader Oblast. Eingeschlossen wird die Nehrung im Westen von der Ostsee und an der östlichen Küste vom Kurischen Haff, die breiteste Stelle beträgt knapp vier Kilometer. Der Nationalpark gehört zum UNESCO-Welterbe. Vogelschwärme fliegen über uns – hier in der Gegend befindet sich die größte Kormorankolonie des Landes, die leider den Wald stark in Mitleidenschaft zieht. Überwiegend tote Bäume ragen hier in den Himmel. Von Maija hören wir über die Bemühungen der Naturschutzbehörden, die Kormoranpopulation in Zaum zu halten, indem die Vögel in der Brutzeit durch Lärm von ihren Nestern ferngehalten werden. Auch Elche sind noch auf der Nehrung beheimatet, wir haben das Glück, einen dieser scheuen Vertreter zu Gesicht zu bekommen. Maija erzählt die Geschichte, wonach Elche aussehen wie Pferd, Esel, Hirsch und Kuh gleichzeitig. Bei Nida besuchen wir das Thomas-MannHaus. In diesem hoch gelegenen Anwesen hielt sich der Nobelpreisträger während der Sommermonate der Jahre 1930 bis 1932 auf. Kurz darauf ist Juodkrantė (Schwarzort) erreicht. Diese sehr ursprünglich gebliebene Naturlandschaft aus Kiefernwäldern und Sanddünen auf dem schmalen Landstreifen, der das Kurische Haff von der Ostsee trennt, ist einzigartig. Die mächtigen weißen Wanderdünen zählen zu den größten Europas, die Hohe Düne von Nida etwa hat ein 60 m hohes Plateau. Die barocke Altstadt von Vilnius ist ein UNESCO-Weltkulturerbe, ebenso wie die Dünen auf der Halbinsel Kurische Nehrung. Das Restaurant „Nidos seklycia“ befindet sich auf der Kurischen Nehrung am Ende des Fischerdörfchens Nida in traumhafter Lage zwischen den einzigartigen Parnidzio-Dünen und dem Kurischen Haff. Die Rote-Bete-Suppe ist so lecker, dass wir sie gern zur Nachahmung empfehlen. Leider kommt es während unseres Aufenthalts auf der Nehrung zu einem Waldbrand, dem viele Hektar Wald zum Opfer fallen. Das geplante Treffen mit einer Vertreterin der Naturschutzbehörde muss daher leider entfallen. AUF NACH LETTLAND! Der Berg der Kreuze (lit. Kryžių Kalnas), Litauens Nationalheiligtum und der wichtigste Wallfahrtsort des Landes, erhebt sich am Fluss Kulpe bei der Stadt Siauliai (dt. Schaulen). Die vielen kleinen und großen Kreuze aus Holz oder Metall symbolisieren auch den Kampf gegen Sowjetmacht und Okkupation und sind ein beeindruckender Anblick. Der Großteil der Litauer (80 Prozent) ist, wie Maija erläutert, römisch-katholisch und gehört der Katholischen Kirche in Litauen an. Anschließend passieren wir fast unbemerkt die lettische Grenze. Wir besichtigen das Schloss Rundāle (auch: Schloss Ruhenthal, lettisch Rundāles pils), ein seit 1920 im Staatsbesitz befindliches Barockschloss in der lettischen Region Semgallen nahe der Stadt Bauska. Nach dem Vorbild des französischen Schlosses Versailles gestaltet, wird es oft als das „Versailles des Baltikum“ bezeichnet. Das dreiflüglige und zweistöckige Schloss beherbergt auf fast 7000 Quadratmetern 138 Zimmer und Säle und verbindet die einmalige Architektur des Barock mit den Einflüssen des Rokoko. Der Schlosspark ist ebenfalls im französischen Stil angelegt, der Besuch der Parkanlage lohnt sich. Wir stärken uns stilvoll im Schlossrestaurant, bevor wir die Weiterfahrt antreten. Am frühen Abend erreichen wir Lettlands Hauptstadt Riga, die europäische Kulturhauptstadt 2014. Der Check-in im Albert (Einstein) Hotel ist einmal mehr sehr gut organisiert. Foto © Leonardo Patrizi – iStockphoto.com 36 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Riga – Lettland l e t t i s ch : L at v i j a 37 Sogleich erkunden einige von uns auf eigene Faust die Umgebung. Es herrscht ein lebhaftes Treiben in den breiten Straßen und auf den großzügigen Plätzen der Altstadt (Vecriga), in die wir von der Neustadt aus über grüne Parkanlagen mit Stadtkanal gelangen. Zahlreiche Cafés und Restaurants laden hier auch im Freien zum Verweilen ein, und wir genießen bei sonnigem Wetter und angenehm frühsommerlichen Temperaturen das südländische Flair der Hauptstadt. Wir essen in der Nähe des Marktplatzes (Rātslaukums) zu Abend. Offensichtlich bereitet die Rechnung mit dem noch ungewohnten Euro (hier eingeführt am 1.1.2014) einige Schwierigkeiten, denn die Abrechnung verlangt uns viel Geduld ab. Rīga ist ein kulturelles Kleinod, was wir am folgenden Morgen erleben. Staunend durchstreifen wir ganze Straßenzüge, die sich im Glanz des Jugendstils präsentieren. In der lettischen Hauptstadt gibt es ca. 800 Jugendstilgebäude. Die meisten befinden sich in der Neustadt von Riga, in der Alberta iela und im sogenannten Stillen Zentrum beziehungsweise im Botschaftsviertel, wo jedes Gebäude sehenswert ist. Mit Recht wird Riga die Hauptstadt des Jugendstils genannt. Um das alles für zukünftige Generationen zu erhalten, ist das historische Zentrum von Riga in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen worden. In Riga, der mit rund 700.000 Einwohnern größten und bevölkerungsreichsten Stadt des Baltikums, begegnen sich die Vergangenheit und das moderne Leben unmittelbar. Genau diese Kombination macht die Stadt so lebendig und faszinierend. Die Geschichte der Hansestadt reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück, und besonders die Altstadt östlich der Düna (lettisch: Daugava) ist auch aufgrund des relativ intakt gebliebenen historischen Stadtgefüges ein Zeugnis verschiedenster Epochen. Dazu gehören das prächtige Schloss, heute Residenz des lettischen Staatspräsidenten, das Schwedentor, die St.-Petri-Kirche, die Gildehäuser und gegenüber das berühmte und eigentümliche Katzenhaus, auf dessen Dachtürmchen zwei aus Kupfer gegossene Katzen mit Buckel und aufgestellten Schwänzen stehen. Das Gebäude – ein reicher Kaufmann hat dieses Haus errichten lassen, und weil man ihn nicht in die Gilde aufnehmen wollte, ließ er provokativ die Katzen, die die Ecken seines Haus begrenzen, so drehen, dass deren Hintern in die Richtung seiner Widersacher zeigten – war einstmals skandalös berühmt und löste sogar einen Gerichtsprozess aus. Zum Mittagessen treffen wir uns im Restaurant „Kaļķu Vārti“ am schönen und belebten Livenplatz mit Anna Muhka, einer Vertreterin der Stiftung Riga 2014, die das Programm für das Kulturhauptstadtjahr organisiert. Anschließend besuchen wir die mittelalterliche Domkathedrale, einen der ältesten sakralen Bauten Lettlands, von außen ein architektonisches Meisterwerk aus Romanik, Gotik und Barock. Der Domplatz (Domalaukums) hat mit den vielen Straßencafés eine wunderbar südländische Atmosphäre. Der historische Rathausplatz wird von der reich verzierten Fassade des SchwarzhäupterHauses, originalgetreu im gotischen Stil nach dem Vorbild aus dem Jahre 1334 wieder aufgebaut, dominiert. Es diente sowohl den Kaufleuten der Hansestadt als auch der vorwiegend deutschen Bürgerschaft Rigas für Zusammenkünfte. Auch das Okkupationsmuseum – es ist der Zeit von 1940 bis 1991 gewidmet, als Lettland 1939/40 von der Roten Armee, 1941–1944 von der Wehrmacht und danach als Lettische Sozialistische Sowjetrepublik wieder von der Sowjetunion besetzt war – und der große Markt nahe der Daugava stehen auf unserem Programm. Während des Ersten Weltkrieges dienten die Gebäude des Zentralmarktes als Flugzeughallen für die Luftschiffe der kaiserlichen deutschen Armee, woher die Bezeichnung Zeppelin- bzw. Luftschiffhallen stammt. 1998 wurde die Fläche des Zentralmarktes Riga in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Am Abend haben wir Karten für „Three Meetings“ (Trīs tikšanās), ein Ballett in der Lettischen Nationaloper. Das weiße Haus mit dem griechisch anmutenden Säulenentrée ist schon seit 1923 in Betrieb, durchschnittlich werden hier pro Saison sechs Neuinszenierungen einstudiert, die das Gleichgewicht zwischen den beiden Genres Oper und Ballett wahren. Die Anfänge der Oper in Riga sind bereits im 18. Jahrhundert zu suchen, als im Herzogtum Kurland die ersten musikalischen Aufführungen stattfanden und die erste reisende Operntruppe auftauchte. Im Jahr 1782 wurde das Gebäude als das Städtische Deutsche Theater eingeweiht, wo sowohl Theater- als auch Opern- und Ballettaufführungen stattfanden. Einige Jahre arbeitete hier auch der berühmte deutsche Komponist Richard Wagner. Im Unterschied zu Litauen ist seit der Reformation die evangelisch-lutherische die wichtigste Konfession im westlichen und im zentralen Teil Lettlands, wie auch in Estland. BEGEGNUNG MIT MÜNCHHAUSEN Von Riga geht die Reise zunächst in das Landesinnere in Richtung Gauja-Nationalpark. Nahe der Stadt Sigulda – auch bekannt durch eine olympische Bobbahn – besichtigen wir die aus roten Ziegeln rekonstruierte Burgruine Turaida (das Wort bedeutet in der Sprache des alten Volkes der Liven „Gottesgarten“) und den zum Museumsreservat gehörenden weitläufigen Skulpturengarten. Von der Burg genießen wir einen spektakulären Ausblick auf das Gauja-Tal. In besonderer Erinnerung bleibt uns der Laden mit den feinen lettischen Leinenwaren. Einige Schals und Ponchos in wunderbaren Farben und guter Qualität treten von hier die Reise nach Deutschland an. Eine willkommene Abwechslung bietet nachfolgend der Abstecher an den feinsandigen, aber muschelarmen Ostseestrand von Lauču Akmens. Die oft fotografierten Findlinge haben gigantische Ausmaße und hätten ganz gewiss Obelix erfreut. Auf unserem weiteren Weg nach Estland staunen wir bei Dunte über die Begegnung mit Baron von Münchhausen auf seiner Kanonenkugel. Der Ort entstand um das ehemalige Landgut (lett.: Duntes muiža) des livländischen Adelsgeschlechts von Dunten, aus dem Jacobine von Dunten hervorging. Sie heiratete im Jahre 1744 in der Kirche zu Pernigel (heute: Liepupe) den Baron Münchhausen. Mit ihm lebte sie hier bis 1750. Aus dieser Zeit stammen einige seiner abenteuerlichen Geschichten. 1750 zogen sie auf sein Gut in Bodenwerder, wo Jacobine 1790 und der Baron 1797 starb. Foto © Sean Pavone – iStockphoto.com 38 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Tallinn – Estland e s t n i s ch : Eesti 39 Die Reisegruppe auf Besichtigungstour Entlang der Bernsteinküste passieren wir die estnische Grenze und erreichen am frühen Nachmittag die Dünen von Rannametsa. Auf Holzstegen laufen wir über den Lehrpfad durch einen Dünenkieferwald und das Moor Tolkuse bis zum Turm. Hier zeigt uns Maija die zu dünnen Fäden reduzierten „Stämme“ der vitaminreichen Moosbeere, mit denen die Pflanze flach über Torfmoospolster rankt. Danach geht die Fahrt weiter nach Pärnu, der heimlichen Sommerhauptstadt Estlands am Golf von Riga. Da wir die Stadt aber nur passieren, bleiben uns die Strandpromenade, der lange Sandstrand und der dem Ort nachgesagte südländische Charme leider verborgen. Im Vorbeifahren: Holzhäuser und die orthodoxe Kathedrale von Pärnu. Nach Ankunft in Tallinn und Einchecken im Kreutzwald Hotel am frühen Abend unternehmen wir einen ersten Bummel durch die mittelalterliche Stadt. Hier in Estland, wo eine finno-ugrische Sprache gesprochen wird, die dem Finnischen und dem Ungarischen verwandt ist, gelangt auch Maija an ihre sprachlichen Grenzen. Dies gilt jedoch keineswegs für ihr unerschöpfliches Wissens über die interessanten Details und Besonderheiten der jeweiligen Region. Estland, das sich selbst Eesti nennt, ist der nördlichste Staat des Baltikums. Das Land wird deshalb bereits zu Nordeuropa gezählt. Estland hat Zugang zur Ostsee und knapp 4.000 km Küstenlinie sowie rund 1.500 vorgelagerte Inseln und Inselchen. Bedingt durch den Finnischen Meerbusen gibt es enge Beziehungen zu Finnland. Durch die Hanse gab es auch kulturelle Verbindungen zu Deutschland. Das Land ist wie auch die beiden anderen baltischen Republiken sehr waldreich. Mehr als 40 Prozent des estnischen Staatsgebietes sind von Wald bedeckt. Der häufigste Laubbaum ist die Birke, ein vielbesungenes Motiv in estnischen Volksliedern und Gedichten. In Estlands Wäldern gibt es neben Hirschen und Rehen auch noch Braunbär, Luchs und Wolf. STRASSE AUS EIS Ein einzigartiges saisonales Highlight Estlands ist die Eisstraße westlich von Tallinn, die 26 km über die gefrorene Ostsee vom Festlandhafen Rohuküla auf die Insel Hiiumaa führt. Die Verbindung über die in kalten Wintern zugefrorene Ostsee darf von Autofahrern genutzt werden, wenn die Eisschicht mindestens 25 cm dick ist. Die Eröffnung der Eisstraße ist immer ein großes Ereignis, vor allem für die circa 10.000 Bewohner der Insel Hiiumaa. Die temporäre Ostsee-Autostraße hat vor allem einen großen praktischen Vorteil: Statt zweieinhalb Stunden mit der Fähre braucht man mit dem Auto nur eine halbe Stunde. Die Bewohner der Insel Hiiumaa benutzen diese natürliche Brücke insbesondere am Wochenende gerne. Aufbruch und Modernität können dem Charme der im 10. Jahrhundert gegründeten und gleichfalls dem Weltkulturerbe zuzurechnenden Hauptstadt Tallinn (ehemals Reval) glücklicherweise nichts anhaben. Am folgenden Tag erkunden wir mit Maija den Domberg, die orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale – nicht zuletzt ein Symbol der Unterdrückung –, die Nikolaikirche und die Gildehäuser und erreichen schließlich das historische Rathaus. Der Rathausplatz, ohne Zweifel der Mittelpunkt des städtischen Lebens, ist gepflastert mit stilechten Bürgerhäusern, netten Cafés, originellen Restaurants und schönen Geschäften. Wir tauchen ein ins Mittelalter, indem wir das einzige noch erhaltene im gotischen Stil gebaute Rathaus Nordeuropas besuchen, 1404 erbaut in der heutigen Form. Der „Alte Thomas“,die Männchen-Wetterfahne auf dem Rathaus, wude zum Symbol der Stadt. Die ehemalige Stadtmauer ist fast vollständig erhalten und teilweise begehbar. Die massiven Türme mit ihren roten Dächern sind gut sichtbar, insbesondere die „Dicke Margarete“ und der „Lange Herrmann“ überragen die Altstadt. 40 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Das Ferienhaus der Familie Mann in Nida (Litauen), im Volksmund „Onkel Toms Hütte“ genannt Den letzten gemeinsamen Abend verbringen wir mit einer Vertreterin der Tourismuszentrale Estlands an langen Tischen im spärlich beleuchteten Lokal „Olde Hansa“ inmitten der Altstadt. Das Essen, welches nach und nach in verschiedenen Schüsseln die Tische erreicht, ist nicht sofort eindeutig identifizierbar, aber wohlschmeckend. Den späteren Abend verbringen die Fußballfans unter uns in einem der mit TV ausgestatteten Lokale. Wir erleben leider das Champions-League-Aus des FC Bayern im Heimspiel gegen Real Madrid. An unserem letzten Tag steuern wir morgens außerhalb Tallinns das Katharinental mit dem prächtigen Barockschloss an, das Peter der Große 1718 für seine Frau Katharina I. erbauen ließ. Wir sehen die Hafen- und Olympiaregion Tallinns, 1980 wurden im Rahmen der Sommerspiele in Moskau die Segelwettbewerbe ausgelagert, sowie stadtnahe Strände mit Blick auf die estnische Hauptstadt. Das Sängerfeld mit der berühmtesten Bühne Estlands gilt seit der „Singenden Revolution“, als musikalisch gegen die Sowjetmacht demonstriert wurde, als Symbol der Würde und der Freiheit Estlands. Die Bezeichnung „Singende Revolution“ drückt die Stimmung aus, als sich das kleine Land von der Sowjetunion zu lösen versuchte, und wurde von westlichen Journalisten übernommen. Sie wird bis heute von den Historikern verwendet, wenn sie die Periode der nationalen Bewegungen im Baltikum Insekten, auf ewig eingeschlossen in Bernstein aus Estland Der sichere Weg zu mehr Flexibilität. Mit unserer „Strategischen Partnerschaft“ können Sie auch ohne eigenen Bilanzkreis die vielfältigen Möglichkeiten des Energiemarktes aktiv nutzen. Wir beraten Sie gerne und zeigen Ihnen den Weg zu mehr Flexibilität. Weitere Informationen erhalten Sie hier: Tel. +49 I 69 I 3003 222 www.gas-union.de Mit Sicherheit mehr Energie. 42 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b St.-Peter-und-Paul-Kirche in Vilnius 1987 bis 1991 und den Kampf um Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit charakterisieren. Wir treffen den in Pärnu geborenen Literaturwissenschaftler, Journalisten, Autor, Dozenten und Politiker Rein Veidemann, der diese Periode politisch aktiv mitgestaltet hat, und lassen uns diese Form des Widerstands erklären. Von 1988 bis 1992 war Veidemann Mitglied des Vorstands der estnischen Volksfront und Mitglied des estnischen Obersten Rates von 1990 bis 1992. In Erinnerung bleibt uns sicher der von ihm beschriebene Baltische Weg – eine Menschenkette, die die drei Staaten in ihrem Wunsch nach Freiheit verbindet und im UNESCO-Weltdokumentenerbe bewahrt ist. Mit dem endgültigen Zerfall der UdSSR 1991 rief Estland seine Unabhängigkeit aus. Heute lehrt der Professor für Literatur und Kultur an der Universität von Tallinn. Nach diesem Treffen geht es weiter nach Saku, auf den traditionellen Hof Esko. Dabei handelt es sich um einen Betrieb mit ökologischem Anbau, und wir dürfen den selbst produzierten estnischen Käse und ein sehr wohlschmeckendes Milchgetränk kosten. Unsere Reise durch die baltischen Staaten geht zu Ende, und wir alle sind voll von interessanten Erlebnissen und Eindrücken. Mit besonderer Dankbarkeit verabschieden wir uns von unserer wunderbar kommunikativen und wissensreichen Reiseleiterin Maija, die uns während der gesamten Zeit in unterhaltsamer Weise mit Informationen über Länder und Menschen des Baltikums versorgt hat. Der Abschied fällt schwer. Wir hatten eine sonnenverwöhnte, vielfältige und spannende Reise, die uns einen tiefen Einblick, sowohl in die wechselvolle Geschichte der drei baltischen Länder als auch in die Gegenwart und Zukunftsperspektiven dieser Region, vermittelt hat. Die Speicherkarten der zahlreich mitgeführten Kameras sind gut gefüllt. Zweifellos sind sowohl die Natur- als auch die Kulturliebhaber in den mit Natur- und Weltkulturgütern so reich ausgestatteten Ländern des Baltikums voll auf ihre Kosten gekommen. Von Tallinn treten wir schließlich am frühen Abend den Heimflug nach Frankfurt an. Nun können wir die Uhren wieder eine Stunde zurückstellen. Auf Wiedersehen! Nägemiseni ( Uz redzesanos ( Iki pasimatymo ( e s t n i s ch ) l e t t i s ch ) l i t a u i s ch ) H i l d e R i ch t e r - D i k k a y a Stadt Frankfurt. [email protected] Baltikumabend Blühende Landschaften... Das Baltikum bleibt auch jetzt, rund ein Jahr nach der Reise des Frankfurter PresseClubs und des Forums Deutscher PresseClubs, eine spannende Region. Dies wurde bei der Clubveranstaltung deutlich, in deren Verlauf man die Reise noch einmal Revue passieren ließ. Der seit Monaten anhaltende Ukraine-Konflikt hat einmal mehr den Blick auf die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen geschärft. Jasper von Altenbockum, FAZ-Nachrichtenchef Innenpolitik, der für die FAZ von Skandinavien aus auch über die baltische Region berichtete, zog Bilanz. Die größte Minderheit der Länder sei die der Russen, die 30 Prozent der Bevölkerung stellen. Schon 2004, als die drei baltischen Staaten der EU und der NATO beitraten, kam von Russland immer wieder politisches Sperrfeuer. So wird die Normalisierung der baltisch-russischen Beziehung wesentlich von der Fähigkeit der Länder abhängen, mit ihren sozialen und regionalen Ungleichheiten fertigzuwerden. Doch es besteht Hoffnung. Denn in den letzten Jahren haben die Länder eine rasante wirtschaftliche Entwick lung erlebt. War zunächst die Wirtschaft binnen eines Jahres um zwei Prozente eingebrochen, stehen die Länder heute durch eine radikale Sparpolitik besser da als viele europäische Staaten. Dies bestätigte auch Rüdiger von Rosen, Honorarkonsul von Lettland. In seinem Beitrag zur wirtschaftlichen Situation zeigte er, dass Lettland durch einen schnellen und harten Schnitt heute, im Gegensatz zu Griechenland, mit einem wirtschaftlichen Aufschwung punkten könne. Griechenland, so Wirtschaftsexperte von Rosen, habe sechs Jahre zögerlich die Sparmaßnahmen durchgezogen, und die EU habe es geduldet. Das Ergebnis sei bekannt. Lettland hat als letzter der drei Staaten den Euro eingeführt. Dass die drei Länder nicht nur mit guten Wirtschaftsdaten punkten können, sondern auch mit ihren Landschaften, den sorgsam restaurierten Städten und ihrer Kultur, demonstrierte der FPC mit einem Fotobeitrag, der unterlegt mit baltischer Musik den Daheimgebliebenen große Lust auf eine Reise durch die drei Staaten machte. MONI C A WEBER - NAU Geschäftsführerin FPC. [email protected] www.facebook.com/FrankfurterSparkasse Unser Leben, unsere Stadtkultur, unsere Frankfurter Sparkasse „Sich um das Gemeinwohl der Mitbürger zu kümmern fordert viel private Initiative und Unterstützung. Und die bekommen wir von der Frankfurter Sparkasse.“ Die Stiftung der Frankfurter Sparkasse zeigt ebenfalls Engagement – in Kultur, Kunst und Bildung. Clemens Greve | Geschäftsführer der Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlößchen Kundenverbindung seit 1989 44 Qualtätsjournalismus Schwerpunkt Qualitätsjournalismus Die Redaktion des FPC-Magazins widmet sich in dieser Ausgabe dem Qualitätsjournalismus, dem Begriff der Lügenpresse und der Tatsache, dass seit Jahren über die Krise der Medien diskutiert wird. Das Internet hat dafür gesorgt, und zwar in zweifacher Hinsicht. Zum einen spielen nun über die sozialen Plattformen auch solche Menschen mit, die zwar keine Journalisten sind, aber sich dennoch berufen fühlen, ihre Meinung zu allen erdenklichen Themen kundzutun. Zum anderen haben die traditionellen Medien durch die Digitalisierung der Branche einen massiven Einbruch ihrer Einnahmen zu verzeichnen, denn Anzeigenkunden sind längst abgewandert in diesen Bereich. Den Trend konnten die traditionellen Medien nicht auffangen, denn sie sahen nicht früh genug, dass die Zukunft der Informationsbranche im Netz stattfindet. Entsprechend bauten sie viel zu spät ihre Onlineredaktionen aus, und, was fast noch schlimmer war und ist: da die Netzgemeinde es gewohnt ist, Informationen im Netz kostenlos zu erhalten, geht nun viel Kraft und Geld in die Rolle rückwärts. Ein Zugewinn durch die Nutzer der Onlineportale war und ist zurzeit nicht in Sicht. Parallel verlieren die traditionellen Medien – vor allem die Printmedien, aber auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen – Leser und Zuschauer. Auf eine andere Weise problematisch sind die Meinungen, die inzwischen von Hinz und Kunz im Netz gepostet, getwittert, also herausposaunt werden. Besserwisser, ja Hetzer nehmen einen immer größer werdenden Raum ein und sorgen dafür, dass die Glaubwürdigkeit des Journalismus in Gefahr gerät. Das Unwort „Lügenpresse“ aus der Nazizeit feiert seine Wiedergeburt, und das Vertrauen in die traditionelle Berichterstattung, die inzwischen auch von einzelnen Journalisten niedergeschrieben wird, stirbt einen schrillen Tod. Allerdings sind nicht alle Journalisten der Auffassung, dass das Internet den Beruf bedroht, „sondern die Journalisten selbst sind es, die zunehmend jegliche Seriosität im Umgang mit politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen verweigern“. Das ist die Meinung des Journalisten C h r i s t i a n B o m m a r i u s . In seinem Beitrag für das FPC-Magazin geht er weit zurück in die Vergangenheit, um das zu belegen. S t e p h a n H e b e l , der unter anderem als politischer Autor für die „Frankfurter Rundschau“ schreibt und als Jurymitglied mitverantwortlich ist, dass das Wort „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014 gekürt wurde, wirft ebenfalls einen kritischen Blick auf die Zunft. Jenseits aller Keulen, die hüben wie drüben geschwungen werden, also jenseits von allen pauschalen Verunglimpfungen, ließen sich aufseiten der Berichterstatter durchaus Gründe zur Selbstkritik finden, meint der Autor. Beide Artikel geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder, aber sie sind wichtige Diskussionsbeiträge zur Lage der Medien in Zeiten der Digitalisierung, der Meinungsvielfalt in einer SCHWERPUNKT Demokratie und ihren zwangsläufigen Verwerfungen. Weitere Beiträge unseres Themenschwerpunkts Qualitätsjournalismus beleuchten alternative Finanzierungsmöglichkeiten, etwa durch Stiftungen ( T h o m a s G e h r i n g e r ) oder durch Crowdfunding ( C h r i s t i a n S ä l z e r ), die Bedingungen eines nachhaltigen Journalismus ( J o a c h i m W i l l e ) und neue journalistische Darstellungsformen im Netz ( J u l i a n B e c k ). MONI C A WEBER - NAU Qualtätsjournalismus Foto © micha360 – iStockphoto.com 46 Gründe zur Selbstkritik Der Vorwurf der „Lügenpresse“ ist absurd. Andererseits besteht für Journalisten und Journalistinnen durchaus Anlass, sich an die eigene Nase zu fassen. Von S t e ph a n H e b e l 47 A m A n f a n g d e s J a h r e s 2 0 1 5 erklärte eine unabhängige Jury, der vier Sprachwissenschaftler sowie eine Journalistin und ein Journalist angehörten, den Begriff „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014. In ihrer Begründung verwies die Jury nicht nur darauf, dass es sich um einen „Kampfbegriff“ handle, der nicht zuletzt „auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien“ diente. Sie betonte auch: „Dass Mediensprache eines kritischen Blicks bedarf und nicht alles, was in der Presse steht, auch wahr ist, steht außer Zweifel.“ Aber gerade eine „fundierte Medienkritik“ werde durch Pauschalurteile wie „Lügenpresse“ erschwert. Die Reaktionen kamen prompt, und sie kamen keineswegs nur aus jenen Kreisen, die mit den „Halt die Fresse, Lügenpresse“ schreienden Pegida-Demonstranten sympathisieren. Die folgenden Zitate stammen allesamt von Nutzern des Internetportals „NachDenkSeiten“, das sich – gegründet von zwei langjährigen Sozialdemokraten – als aufgeklärt linke, medienkritische Stimme versteht. Dort konnte man – neben einer sachlich vorgetragenen Kritik von Mitherausgeber Albrecht Müller an der Unwort-Entscheidung – unter anderem Folgendes lesen: „Die Entscheidung für Lügenpresse als Unwort stellt sich schützend vor eine abgehobene und arrogante Journalistenkaste, die es eigentlich hart zu kritisieren gilt. Die offenbare Gleichschaltung auf Natokurs, das Unterdrücken von Informationen, bewusste Falschmeldungen und Übertreibungen – es ist unübersehbar das die Presse ihre Aufgabe in der Gesellschaft vergessen und verraten hat.“ Oder: „Es beweist etlichen wieder einmal, dass ,die Presse‘ zu keinem Dialog bereit ist, sondern sich mit Nazi-Keulen einmauert – sehr traurig!“ Oder kürzer: „Es geht jetzt wohl um den Endsieg der Meinungsmacher.“ Pauschale Absprechung der Wächter-Aufgabe Interessant ist an diesen Reaktionen nicht nur, dass inzwischen auch auf der linken Seite des politischen Spektrums manch einer die „Nazi-Keule“ zu spüren glaubt, wenn er sich mit historischen Tatsachen konfrontiert sieht. Interessant ist vor allem auch zweierlei: Da ist erstens die Bereitschaft, der Presse die Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Wächter-Aufgabe pauschal und vollständig abzusprechen. Und zweitens der Hauch von Verschwörungstheorie, der da mitschwingt. Der Journalist und Medienkritiker Walter von Rossum hat dieser Logik des Verdachts erschreckend deutlich Ausdruck gegeben: „Wenn man in dieser Situation ,Lügenpresse‘ zum Unwort des Jahres erhebt, dann klärt man nichts, sondern trägt weiter zur Verunklärung der Lage bei. Aber vielleicht ging es darum ja.“ Eine fantasievolle Vorstellung ist das: Nicht nur, dass die NATO, die Bundesregierung, die Banken oder wer auch immer die Medien zur „Verunklärung der Lage“ verdonnert. Auch die Sprachwissenschaft stellt sich, in Komplizenschaft mit „Lohnschreibern“ wie der diesjährigen Gastjurorin Christine Westermann, in den Dienst der Volksverdummung. Das ist absurd. Aber fatal ist auch die unter manchen Journalistinnen und Journalisten verbreitete Neigung, die Sache unter Verweis auf skurrile Wutausbrüche auf sich beruhen zu lassen. Wenig nützlich ist es auch, einfach nur väterlich besorgt zu reagieren, wie zum Beispiel Bernd Ulrich in der „Zeit“: „Wenn die Umfragen nicht täuschen, dann stehen zurzeit zwei Drittel der Bürger, Wähler, Leser gegen vier Fünftel der politischen Klasse, also gegen die Regierung, gegen die überwältigende Mehrheit des Parlaments und gegen die meisten Zeitungen und Sender. Aber was heißt stehen? Viele laufen geradezu Sturm.“ Es ging damals um den Ukraine-Konflikt, und Ulrich fiel als Antwort auf den Ärger nichts Besseres ein, als genau das zu wiederholen, was manche Leserinnen und Leser offenbar erst auf den Plan gerufen hatte: „Was mich daran am meisten irritiert, das sind jedoch nicht die Mehrheitsverhältnisse, sondern die Argumente. Schließlich geht es hier nicht um das Für und Wider von Mindestlohn oder Atomkraft, es geht um den Konflikt zwischen einem aggressiven Autokraten und den westlichen Demokratien.“ Genau so wollen es, um beim Ukraine-Beispiel zu bleiben, offensichtlich viele Menschen nicht sehen. Und das sind keineswegs nur solche, die sich darauf verlegt haben, sowohl den demokratischen Charakter der westlichen Länder als auch den autokratischen Charakter des Putin-Regimes rundweg zu bestreiten. Unzufrieden waren mit der Ukraine-Berichterstattung – und sind mit vielem anderen in den Medien – auch differenziert denkende Zeitgenossen. Zumindest sie, die Nachdenklichen, sollten uns dazu veranlassen, uns an die eigene Nase zu fassen. Jenseits pauschaler Verunglimpfungen lassen sich Gründe zur Selbstkritik nämlich durchaus 48 Q u a l t ä t s j o u r n a l i s m u s finden. Drei Aspekte sollen hier kurz beschrieben werden: die teils problematische Nähe zwischen Politikbetrieb und Korrespondenten im politisch-medialen Komplex Berlins; die organisatorische und ökonomische Verfasstheit unserer Medien; und schließlich die Rolle der digitalen Kommunikation. stellt, seit die SPD sie in der großen Koalition hat verschwinden lassen. Und häufig entsteht mit all dem nicht nur bei böswilligen Mediennutzern der Eindruck, der Journalismus decke vielleicht das im etablierten Politikbetrieb gerade vorhandene, nicht aber das gesellschaftliche Meinungsspektrum ab. Anpassung und Herdenverhalten Wer es aus besonders berufenem Munde braucht, sei an Richard von Weizsäcker erinnert, der schon 1992 sagte: „Zu beobachten ist nun doch, dass die Medien sich der durch die Parteien … vorgegebenen Rangordnung der Fragestellungen immer mehr anpassen. … Ob Kandidaten gegeneinander kämpfen oder ob da ein Außenseiter es gewagt hat, gegen das öffentlich bekundete Interesse seiner Partei aufzustehen, das findet immer große Beachtung. … Wenn es dagegen um eines der großen Probleme unserer Zeit geht, muss man sich gehörig anstrengen, um die Aufmerksamkeit der berichtenden und kommentierenden Medien dafür zu gewinnen.“ Erstens: Der Ort, an dem Politikberichterstattung in Deutschland entsteht, lässt sich als eine Art Kontakthof beschreiben, in dem Regierende und Volksvertreter ihre Geschäfte mit denjenigen anbahnen, von denen sie eigentlich kontrolliert werden sollten. „Geschäfte“, das heißt nicht, dass da jemand mit Geld bestochen würde. Die Leistung der einen besteht darin, Informationen zu liefern. Die anderen garantieren im Gegenzug die gewünschte öffentliche Aufmerksamkeit. Sie, die Korrespondentinnen und Korrespondenten, können sich wiederum einen Vorteil im immer härter werdenden Konkurrenzkampf ihrer Medien erhoffen, wenn ihnen immer mal wieder jemand etwas steckt oder in aller Verschwiegenheit einen „Hintergrund“ liefert, an dem sich recherchieren lässt. Wer sich beim Lesen dieser Beschreibung dabei ertappt hat, all das für das Normalste der Welt zu halten, ist in Gefahr, das eigentlich wichtigste „Kapital“ des Journalismus zu vernachlässigen: die Distanz zum Gegenstand seiner Berichterstattung. Niemand stellt in Zweifel, dass die Kolleginnen und Kollegen in Berlin ihr Bestes tun, diese Distanz zu wahren. Aber von außen scheint doch nicht zu übersehen, dass sich im ständigen, oft vertrauten Austausch bestimmte Gewohnheiten, Routinen und ungeschriebene Regeln bilden. Dass Sichtweisen auf die Berichterstattung abfärben, die eigentlich keine journalistischen sind. Jedenfalls solange es nicht darum geht, jemanden über eine Affäre stürzen zu lassen. So entsteht eine Art Herdenverhalten. Mal geben Journalisten Politikern Ratschläge, wie sie das Wahlvolk am besten betrügen – so zum Beispiel Markus Feldenkirchen während des Wahlkampfes 2013 im „Spiegel“ der SPD: „Die große, erfolgreiche Illusion des 98er-Wahlkampfs bestand darin, dass Lafontaine und Schröder den Wählern einredeten, mit ihnen bekämen sie beides auf einmal: soziale Gerechtigkeit und Innovation, Tradition und Moderne. Steinbrück und Gabriel hätten das Spiel wiederholen können.“ Mal herrscht erstaunlich weitgehende Einigkeit zu einzelnen politischen Forderungen, wie etwa bei der Frage nach Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Vermögende, die kaum jemand mehr Darauf hätte Bernd Ulrich in seinem schon zitierten Beitrag eingehen können. Tatsächlich herrschte vor allem zum Beginn der Ukraine-Krise – und herrscht teilweise bis heute – medial ein konfrontativer Ton vor. Die wenigen Politiker, die den Westen zur unermüdlichen Entspannungsarbeit ermunterten, wurden sozusagen wortreich belächelt. Und selbst Außenminister Frank-Walter Steinmeier dürfte sich gewundert haben, wie spät manche Medien den deeskalierenden Teil seiner Politik wenigstens zur Kenntnis nahmen. Noch einmal: Der oder die Einzelne hat es unter den herrschenden Konkurrenzbedingungen schwer, zumal man im politisch-medialen Komplex auch schnell zum Außenseiter werden kann. Aber die Auseinandersetzung mit der Frage, wie journalistische Distanz zu halten oder wieder zu gewinnen sei, dürfen wir uns alle nicht ersparen. Was spricht gegen von der Gesellschaft getragene Medien? Das Stichwort „Konkurrenzbedingungen“ führt zum zweiten Punkt. Er betrifft direkt nur die Medien in Privatbesitz, strahlt allerdings auf die Qualität des Journalismus insgesamt aus. Es geht um die privatwirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse der meisten Zeitungen und eines großen Teils der elektronischen Medien. Es kann immer wieder erstaunen, auf wie viel Ablehnung schon vorsichtige Überlegungen stoßen, die „Vierte Gewalt“ durch öffentliche Unterstützung abzusichern. So gibt es für Heribert Prantl an dieser Stelle nichts zu diskutieren: „Die deutschen Zeitungen 49 brauchen kein Staatsgeld. Sie brauchen aber Journalisten und Verleger, die ihre Arbeit ordentlich machen.“ Tatsächlich hat ja schon der Begriff „Staatsgeld“ – siehe die Anmerkungen zum ideologischen Herdenverhalten des politischen Journalismus – für die meisten einen negativen Beiklang. Und natürlich wünscht niemand ein System, in dem „der Staat“ sich einfach als Verleger betätigt. Aber weder Prantl noch andere Skeptiker können erklären, warum die Abhängigkeit von betriebswirtschaftlichen Kalkulationen und letztlich von der Zahlungsbereitschaft der Anzeigenkunden besser sein soll als eine öffentlichrechtliche Absicherung. Dagegen wird gern das wenig einladende und nach Parteilogik funktionierende Gremienwesen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeführt. Aber wer sagt, dass sich von der Gesellschaft getragene Medien nicht auch besser, ja: basisdemokratischer organisieren ließen? Es war Jürgen Habermas, der die Risiken der privatwirtschaftlichen Organisationsform schon zu seiner Frankfurter Zeit treffend beschrieb: Im Zeitalter der bürgerlichen Emanzipation seien zwar „die Einrichtungen des räsonnierenden Publikums gegenüber Eingriffen der öffentlichen Gewalt dadurch gesichert (gewesen), dass sie sich in der Hand von Privatleuten befanden. Im Maße ihrer Kommerzialisierung und der ökonomischen, technologischen wie organisatorischen Konzentration sind sie aber während der letzten hundert Jahre zu Komplexen gesellschaftlicher Macht geronnen, so dass gerade der Verbleib in privater Hand die kritischen Funktionen der Publizistik vielfach bedrohte.“ 45 Jahre später, im Jahr 2007, skizzierte Habermas dann die naheliegende Konsequenz: „Wenn es um Gas, Elektrizität oder Wasser geht, ist der Staat verpflichtet, die Energieversorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, schrieb er 2007 in der „Süddeutschen Zeitung“. „Sollte er dazu nicht ebenso verpflichtet sein, wenn es um jene andere Art von ,Energie‘ geht, ohne deren Zufluss Störun- Die Energiewende. Der Schlüssel für eine bessere Zukunft. Energie für alle, ohne die Umwelt zu belasten: Das ist das Ziel der Energiewende. Sie ist lokal, denn der Strom wird nicht besser, wenn er über lange Leitungen kommt. Nur weniger. Grüne Netze, grüne Produkte, grüne Erzeugung. Das muss gut ineinander greifen. So gestaltet Süwag die reale Energiewende. www.suewag.com/energiewende 50 Q u a l t ä t s j o u r n a l i s m u s gen auftreten, die den demokratischen Staat selbst beschädigen?“ Als Organisationsformen brachte Habermas neben einmaligen Subventionen „Stiftungsmodelle mit öffentlicher Beteiligung oder Steuervergünstigungen für Familieneigentum“ ins Spiel. In Zeiten der deutlicher werdenden Entfremdung zwischen den Medien und großen Teilen ihres Publikums sollte man vielleicht auf den großen Vertreter der Frankfurter Schule hören. Erweiterte Kommunikationsräume Mit dem ökonomischen Druck, dem sich privatwirtschaftlich organisierte Medien ausgesetzt sehen, hängt natürlich auch der dritte Punkt zusammen; die digitale Revolution. Das Internet hat einerseits die Verlage eines großen Teils ihrer Anzeigenerlöse beraubt (und die Verlage haben viel zu spät begriffen, was da auf sie zukam). Andererseits stellt das Netz an den Journalismus existenzielle Fragen, bis hin zu derjenigen nach seiner Notwendigkeit. Die anfangs zitierten Anwürfe gegen die „Lügenpresse“ stellen ja nur den weniger appetitlichen Teil dessen dar, was mit der Ausbreitung digitaler Kanäle möglich geworden ist. Dazu gehören neben (oft auch fundierter) Leser- oder Nutzerkritik die Entstehung alternativer Informationsquellen wie Blogs oder die Eins-zueins-Berichterstattung durch Laien auf Twitter und Co. Autoren und Redaktionen haben noch viel zu lernen, bis sie mit diesen erweiterten Kommunikationsräumen adäquat umgehen können. Adäquat heißt allerdings nicht, ihnen das Feld zu überlassen. Wir müssen uns den Kritikern stellen, wenn möglich ohne die oben zitierte Überheblichkeit der „Zeit“. Wir müssen uns auch daraufhin überprüfen, ob wir die journalistische Distanz wirklich ausreichend wahren. Aber wir dürfen auch so selbstbewusst sein, darauf hinzuweisen, dass selbst die schärfsten Kritiker sich auf Recherchen und Einschätzungen professioneller Journalisten stützen, wenn es um verlässliche und glaubwürdige Informationen geht. Wenn der Qualitätsjournalismus sich selbstkritisch diesen Aufgaben stellt, dann ist er alles andere als überflüssig – und kann den Vorwurf der „Lügenpresse“ umso besser entkräften. Auch hier können wir uns an Jürgen Habermas halten: „Ich betrachte die Einführung der digitalen Kommunikation – nach den Erfindungen der Schrift und des Buchdrucks – als die dritte große Medienrevolution. Mit diesen jeweils neuen Medien haben immer mehr Personen zu immer vielfältigeren und immer dauerhafter gespeicherten Informationen einen immer leichteren Zugang gefunden. Mit dem letzten Schub hat auch eine Aktivierung stattgefunden – aus Lesern werden Autoren“, sagte er im vergangenen Jahr der „Frankfurter Rundschau“. Aber: „Das Netz … zerstreut. Denken Sie an die spontan auftauchenden Portale, sagen wir: für hochspezialisierte Briefmarkenfreunde, Europarechtler oder anonyme Alkoholiker. … Den in sich abgeschlossenen Kommunikationsräumen fehlt das Inklusive, die alle und alles einbeziehende Kraft einer Öffentlichkeit. Für diese Konzentration braucht man die Auswahl und kenntnisreiche Kommentierung von einschlägigen Themen, Beiträgen und Informationen. Die nach wie vor nötigen Kompetenzen des guten alten Journalismus sollten im Meer der digitalen Geräusche nicht untergehen.“ Wir müssen sie allerdings auch sorgfältig pflegen. S t e p h a n H e b e l schreibt als politischer Autor unter anderem für die „Frankfurter Rundschau“ und ist ständiges Mitglied der Jury zum Unwort des Jahres, einer von der Gesellschaft für deutsche Sprache unabhängigen Initiative. Sein neues Buch: Deutschland im Tiefschlaf. Wie wir unsere Zukunft verspielen. Westend Verlag, Frankfurt am Main, 240 Seiten, 16,99 Euro. [email protected] Wir gestalten Lebensräume … … als Wohnungsunternehmen für 120.000 Mieter an 139 Standorten in Hessen … als Entwicklungsunternehmen für Kommunen und Unternehmen in Hessen und darüber hinaus Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt Jens Duffner · Pressesprecher · Untermainkai 12/13 · 60311 Frankfurt am Main Tel. 069 6069 -1321 · Fax 069 6069 -51321 · [email protected] www.naheimst.de >> Ideen für die Zukunft Innovative Stadt- und Projektentwicklung Mit aktuell rund 190 Projekten an 115 Standorten zählt die NH ProjektStadt zu den aktivsten Dienstleistern in Hessen. Wir bieten Kernkompetenzen für Kommunen: >> Stadtentwicklung >> Projektentwicklung >> Consulting NH | ProjektStadt EINE MARKE DER UNTERNEHMENSGRUPPE NASSAUISCHE HEIMSTÄTTE | WOHNSTADT www.nh-projektstadt.de Qualtätsjournalismus Foto © ChiccoDodiFC – iStockphoto.com 52 Der Mangel an Journalismus ist dramatisch Die deutsche Presse fällt nicht gern aus der Rolle. Noch weniger begreift sie die Pressefreiheit als Verpflichtung zur Kontrolle. Und wenn es um die Rendite geht, dann hört für manchen Verleger von heute der „Spaß“ auf, Von C h r i s t i a n B o m m a r i u s 53 E s g i b t k a u m e i n e n J o u r n a l i s t e n in Deutschland, der nicht jederzeit die Krise der Medien beklagt. Aber es gab und gibt keine Krise der Medien, es gab und gibt nur eine Krise des Journalismus. Nicht das Internet bedroht den Beruf, sondern die Journalisten selbst sind es, die zunehmend jegliche Seriosität im Umgang mit politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen verweigern. Einigen ausgezeichneten, profund und kritisch berichtenden Zeitungen und Anstalten steht die immer größer werdende Masse der Blätter und Sender gegenüber, die den Husten eines Fernsehquizmasters zum Tagesthema machen und den Beitrag über eine Talkshow für politische Berichterstattung halten. Soeben hat eine Studie der Otto Brenner Stiftung den deutschen Medien in der Berichterstattung über die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds Totalversagen vorgeworfen, weil sie jahrelang den Angaben der Behörden gutgläubig vertraut und auf eigene Berichterstattung verzichtet hatten. Das Ergebnis war bekanntlich, dass die Deutschen immer wieder mit Nachrichten über die neuesten „Döner-Morde“ bei ausländerfeindlicher Laune gehalten wurden, statt von rechtsterroristischen Verbrechen zu lesen. Wenn die Medien sich zunehmend nur noch als Nachrichtenübermittler und als Gestalter von Unterhaltungsprogrammen verstehen, dann hat das weder mit Kritik noch mit Kontrolle zu tun; von den Journalisten verlangt das alles, nur keine eigene Haltung. Aber das ist keine Überraschung in einem Land, in dem die Maxime eines früheren Fernsehmoderators zum Leitwort des nach ihm benannten „Hanns-Joachim-Friedrich-Preises für Fernsehjournalismus“ werden konnte: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemeinmacht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Kein Politiker und kein Wirtschaftsführer hätten den für sie „guten Journalisten“ besser definieren können. Es fehlt in Deutschland nicht an Medien und erst recht nicht an Journalisten, aber der Mangel an Journalismus ist dramatisch. Und der Ernst der Lage ist daran zu erkennen, dass der Journalismus das keineswegs als Mangel empfindet. Selbst der Ernst der eigenen Lage ist ihm Hekuba, wie ihm alles Ernste Hekuba ist, nur nicht der Spaß, die Breaking News, die Gefälligkeit und die Rendite – bei ihr hört der Spaß selbstverständlich auf. Der Journalismus aber hat schon lange vorher aufgehört. Nichts gegen Journalismus, der Spaß versteht, aber alles gegen einen Journalismus, der alles, auch sich selbst nur noch als Spaß versteht und erst wieder bei der Rendite ernst macht. Das aber ist die Lage. Sie wird bestimmt von Verlagsmanagern, die genauso gut in Würsten, Intimspray oder Derivaten machen könnten und entsprechend den Schutz der Pressefreiheit für ein Wirtschaftsgrundrecht halten, sie wird bestimmt von Chefredakteuren, deren Bildungsniveau nur als Abgrund anzusprechen ist und die von Recherche nur wissen, dass es sich um ein Fremdwort handelt, das sie nicht in der Zeitung lesen möchten. Sie wird folgerichtig bestimmt von immer mehr sogenannten Journalisten, die irgendwann irgendwie irgendwas „mit Medien“ zu machen wünschten – der Erfolg ihrer Bemühungen sollte Anlass sein, über Beschränkungen der Berufswahlfreiheit in Deutschland nachzudenken. Doch es wäre dreist zu behaupten, früher sei alles besser gewesen. Nur einmal, vor gut 52 Jahren, ist die deutsche Presse so richtig aus der Rolle gefallen. Es war das erste Mal, und vermutlich beschwören Journalisten deshalb bis heute so leidenschaftlich die Erinnerung daran, wenn sie – was sie gerne tun – auf Podien sitzen und öffentlich über die Ethik der Medien reflektieren. Kommt ihre Rede auf dieses erste Mal, hellen sich die Mienen der Journalisten auf, ihre Augen glänzen fiebrig, und den Saal, das Studio oder was sonst auch immer sich mit Wortwolken zur Medienethik bedampfen lässt, durchweht die Stimmung von Andacht und Weihe. Und ihre Rede kommt so unvermeidlich darauf, wie wohl auch der senile Ex-Weltmeister im Komasaufen selbst nach Jahrzehnten sein Publikum immer und immer wieder mit prickelnden Details seines frühen sportiven Triumphs zu verzücken versucht. Einmalig, rufen die Journalisten dann, einmalig, wie die Tagespresse der Bundesrepublik damals vor 52 Jahren so richtig aus der Rolle gefallen ist, einmalig, wie Zeitungskommentatoren damals nicht schrieben, was andere sagten, und nicht sagten, was sie woanders gelesen hatten, sondern tatsächlich kommentierten, einmalig, wie den Redakteuren damals dämmerte, dass in einer Zeitung nicht nur Informationen stehen müssen, sondern sogar eigene Gedanken Platz finden dürfen. Und einmalig auch, dass dieses Geschehen von einem einmaligen Ereignis bewirkt worden ist: der Spiegel-Affäre. Nur vergessen die erinnerungsbesoffenen Journalisten an dieser Stelle zuverlässig zu erwähnen, dass die Rolle, die die bundesdeutsche Presse in der Spiegel-Affäre spielte, bis heute von ihr nicht gern und darum nur sehr selten gespielt zu werden pflegt. Denn die deutsche Presse liebt es ganz und gar nicht, aus der Rolle zu fallen. Deshalb hat 1962 niemand damit gerechnet, schon gar nicht die Bundesregierung, die Bundesanwaltschaft, das Bundeskriminalamt und der Militärische Abschirmdienst. Weder Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) noch Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU), nicht einmal der Herausgeber und Chefredakteur des „Spiegel“, Rudolf Augstein, dürfte vorausgesehen haben, welche Folgen ein Beitrag im Hamburger Nachrichtenmagazin haben würde. Mit einem Artikel über die mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr („Bedingt abwehrbereit“) begann nicht nur die größte politische Affäre in der Geschichte der jungen Bundesrepublik, die Augstein und leitende Redakteure des Magazins vorübergehend einen Gefängnisaufenthalt, dem „Spiegel“ jedoch den Ruf eintrug, „Sturmgeschütz der Demokratie“ zu sein, und bis heute als wahre Geburtsstunde einer selbstbewussten, kritischen, freiheitsbewussten deutschen Presse gilt. Über Nacht schien sie erkannt zu haben, dass Redaktionen keine Filialen staatlicher Institutionen sind, Zeitungen keine Verlautbarungsblätter der Regierung und das Wort der Presse nicht im Sold des Staates steht, sondern im Dienst des Grundgesetzes. 54 Qualtätsjournalismus Tageszeitungsredakteure und Verleger auf den Barrikaden – das hatten die Deutschen lange nicht gesehen. Barrikaden hatten deutsche Journalisten bei Gelegenheit professionell beglotzt und beschrieben, aber von einem eigenen Aufenthalt dort vorsorglich abgesehen. Die Gründe, warum sie dreizehn Jahre nach Gründung der Bundesrepublik plötzlich den Mut dazu fanden und sich dem Staat öffentlich entgegenstellten, hat Paul Sethe, nach dem Krieg einer der Gründungsherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, genannt: „Die besonderen Begleitumstände des Vorgehens gegen den Spiegel waren nur möglich, weil einige mächtige Leute uns noch immer für ein Volk von geborenen Untertanen ansehen. Sie müssen heute einsehen, dass sie sich getäuscht haben. Offensichtlich wollen zahllose Deutsche wirklich freie und aufrechte Staatsbürger sein, und sie verlangen, dass dieser Wille respektiert wird.“ So war es. Und eben das war der Affront. Eine Presse, der bewusst war, dass sie nicht dem Staat, sondern der Gesellschaft zu dienen hat, die das Wort nicht den Regierenden, sondern der Kritik an den Regierenden zur Verfügung stellt, hatte die Bonner Republik bis dahin nicht gekannt. Dieses Bewusstsein war nicht neu, nur war es den deutschen Journalisten in den vergangenen hundert Jahren verloren gegangen. Ohne das Bewusstsein hätte es vor 1848 keine politisch fungierende Öffentlichkeit in Deutschland gegeben. Sie wurde von der Presse begründet – von Journalisten wie Johann Georg August Wirth („Die freie Presse ist die Schutzwehr der Völker gegen die Tyrannei der Machthaber“) und Philipp Jakob Siebenpfeiffer –, das Bürgertum wäre auch ohne sie ausgekommen. Das gilt erst recht für die Zeit nach der gescheiterten Revolution von 1848, als das Bürgertum sich dem Staat unterworfen, ihm die Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen Interessen überlassen und im Gegenzug auf die Durchsetzung der politischen Demokratie verzichtet hatte. Die politisch fungierende Öffentlichkeit war damit Sache der Presse; nicht das Bürgertum, sondern Journalisten und Publizisten wie Johann Jacoby, Heinrich Heine und Ludwig Börne gerieten damit in direkte Konfrontation mit dem Staat. Die Unterdrückung der Pressefreiheit war nicht nur Symptom, sondern Synonym für Demokratieverweigerung. Daran änderte sich nichts, nachdem der Reichstag 1874 im Reichspressegesetz formal die Pressefreiheit zugestanden hatte. In der Unterdrückung der freien Presse setzten die staatlichen Instanzen fortan weniger auf Verbote, vielmehr auf Manipulation und Vorenthalten von Informationen durch ein System staatlicher Pressestellen. Reichskanzler Bismarck, ein herausragender Stratege manipulativer Öffentlichkeitsarbeit, schloss am 10. Juni 1869 einen Geheimvertrag mit Wolffs Telegraphischem Bureau (W. T. B.), der ersten Nachrichtenagentur in Deutschland, mit dem er seinen Einfluss auf Nachrichtenauswahl und -gestaltung sicherte. So wurde die deutsche Presse, so hat sie sich auch selber zugerichtet, bis ein Schoßhund im Vergleich mit ihr wie ein Dobermann erscheinen musste und selbst Kaiser Wilhelm II. den Mut zur Häme fand. In einem Brief an seinen Onkel, den britischen König Edward VII., feixte er, zwar sei die Presse in Deutschland und in England gleichermaßen „greulich“, aber in Deutschland habe sie wenigstens nichts zu sagen. Das traf nicht ganz den Kern. Das Wenige, das die deutsche Presse bis 1914 vielleicht noch zu sagen gehabt hätte, kam ihr als Jubelschrei über die Lippen, als Deutschland das neutrale Belgien überfiel und damit den Ersten Weltkrieg begann. Selbst die renommierte, vergleichsweise selbstbewusste „Frankfurter Zeitung“ stellte sich jetzt ohne zu zögern als Verlautbarungsorgan der Reichsregierung zur Verfügung: „Wir werden siegen, denn wir müssen siegen.“ N a ch d e m v e r l o r e n e n K r i e g , mit Gründung der Weimarer Republik und der endlich gewährleisteten Pressefreiheit wäre eine gute Gelegenheit für Journalisten und Verleger gewesen, sich auf die Anfänge in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu besinnen und sich als unentbehrliches demokratisches Moment der jungen Republik zu begreifen. Und natürlich hat es solche Zeitungen, solche Journalisten und solche Verleger auch gegeben, zum Beispiel die „Weltbühne“ mit Siegfried Jacobsohn, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky oder das „Berliner Tageblatt“ mit dem Chefredakteur Theodor Wolff, für das unter anderem Alfred Kerr, Erich Kästner und Alfred Polgar schrieben, oder auch die „Vossische Zeitung“, das älteste Blatt Berlins, in dem einst schon Theodor Fontane veröffentlicht hatte und in den Zwanzigerjahren der berühmte Gerichtsreporter Paul Schlesinger („Sling“) und der Feuilletonist Monty Jacobs publizierten. Aber das waren Ausnahmen, Glanzlichter in stockdunkler Nacht, winzige Oasen, die im Übrigen die Verwüstung und Versteppung der Presselandschaft nur umso deutlicher hervortreten ließen. In dieser Landschaft konnte nichts wachsen und gedeihen, kein Widerspruch gegen Feinde der Weimarer Republik, kein Widerstand gegen die Zersetzung der Demokratie. Zutreffend resümierte Alfred Frankenfeld, in den 20er Jahren Journalist und Politiker, später Chefredakteur im Dienst des Axel Springer Verlags: „Der Freiheitsanspruch der Presse… hat sich letzten Endes nur in verhältnismäßig wenig Organen bis zuletzt bewährt. Die Masse der deutschen Zeitungen hat, innerlich schon weitgehend ausgehöhlt, dem neuen Regime, wenn auch mit Vorbehalten, gehorcht. Eine gewisse ‚innere‘ Gleichschaltung war der äußeren vorangegangen.“ Wenn die deutsche Presse jemals ein schlechtes Gewissen gehabt haben sollte, dann war es nach dem Zusammenbruch der NSDiktatur 1945. Niemals waren den deutschen Journalisten die Erinnerungen an die Anfänge der Presse und ihre demokratische Funktion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, niemals war das Bewusstsein des späteren Versagens im Kaiserreich, im Ersten Weltkrieg und schließlich in der Weimarer Republik gegenwärtiger als in den Jahren nach 1945. Der von den westlichen Alliierten verordnete demokratische Neubeginn bot eine Gelegenheit, sich mit sich selber auszusöhnen und endlich selbstbewusst die demokratische Aufgabe wahrzunehmen, an der man hundert Jahre lang gescheitert war. Über Nacht waren die – von den Alliierten mit 55 Lizenz versehenen – neuen Tageszeitungen bevölkert von begeisterten Demokraten. Darunter waren viele junge Journalisten, die nicht nationalsozialistisch vorbelastet waren, aber eben auch etliche frühere Lohnschreiber der NS-Diktatur. Deren bruchloser Übergang in die Demokratie verlangt eine Erklärung. Über die stupende Anpassungsfähigkeit deutscher Journalisten hat der Jurist und Journalist Sebastian Haffner Ende der Dreißigerjahre zu Protokoll gegeben: „Viele Zeitungen verschwanden von den Kiosken – aber viel unheimlicher war, was mit den übrig gebliebenen geschah. Man erkannte sie nicht mehr recht wieder. Man ist gewöhnt, mit einer Zeitung wie mit einem Menschen zu verkehren, nicht wahr, man hat im Gefühl, wie sie auf bestimmte Dinge reagieren, was sie sagen und wie sie es sagen wird. Sagt sie plötzlich das Gegenteil von allem, was sie gestern gesagt hat, verleugnet sie sich völlig und zeigt sie ganz entstellte Züge, so entgeht man nicht einem Gefühl von Irrenhaus. Dies geschah.“ Niemand hat die Gelenkigkeit und Rapidität, mit der die überwältigende Mehrheit der deutschen Journalisten den Wechsel von der Weimarer Demokratie in den Nationalsozialismus hinter sich brachte, mehr beeindruckt als die deutschen Journalisten selbst. Das Gefühl, diesen katastrophalen Bruch in der Geschichte dank artistischer Flexibilität persönlich bruchlos, ja mopsfidel überstanden zu haben, war offensichtlich so beglückend, dass es nach Wiederholung verlangte. Sie ereignete sich nach 1945 in der Bundesrepublik, deren Entdeckung des kritischen, demokratisch eingewurzelten Journalismus sich, von prominenten Ausnahmen abgesehen, vor allem Journalisten zuschreiben durften, die die Leser bereits als bewährte Dienstleister der nationalsozialistischen Publizistik kannten. Dazu zählte beispielsweise Werner Höfer, langjähriger Gastgeber des ARD-„Frühschoppens“, der als Schreibknecht Josef Goebbels’ einem wegen Wehrkraftzersetzung hingerichteten jungen, bereits leidlich bekannten Pianisten höhnisch nachgerufen hatte: „Gerade Prominenz verpflichtet!“ Dazu zählte der Herausgeber und Chefredakteur des Stern, Henri Nannen, der in der Abteilung „Südstern“ der SS-Standarte Kurt Eggers erste journalistische Erfahrungen gesammelt hatte. Dazu zählten auch die beiden früheren SS-Offiziere Georg Wolff und Horst Mahnke – beide hatte Augstein beim „Spiegel“ eingestellt, Wolff hatte ursprünglich Chefredakteur, Mahnke Leiter des persönlichen Büros Augsteins werden sollen. D a s w a r d i e L a g e d e r d e u t s ch e n P r e s s e n a ch 1 9 4 5 : In den Redaktionen saßen Seite an Seite gewendete Nazis und unbeleckte junge Redakteure. Den einen hatte in der Vergangenheit die Moral gefehlt, die anderen vermissten in der Gegenwart Erfahrung. So kam man einträchtig zusammen und begeisterte sich für den neuen demokratischen Staat, genauer gesagt: für seine Institutionen. Die liebte die Presse schon damals mehr als ihre Verpflichtung zur Kontrolle der Institutionen. Wenn heute von den Medien als „Vierter Gewalt“ die Rede ist – und auf jedem einschlägigen Symposion ist von kaum etwas anderem die Rede –, dann ist das ungewollt die bedrückende Wahrheit: Die Medien gesellen sich den drei Staatsgewalten, zu deren Kontrolle sie verpflichtet sind, gut gelaunt als vierte im Bunde hinzu. Sowohl vor als auch nach der „Spiegel-Affäre“ hat ein großer Teil der „Vierten Gewalt“ vor den drei anderen Gewalten die Waffen gestreckt – die hysterische Angst vor den Kommunisten und deren Verfolgung in den ersten Jahrzehnten der Republik hat die Presse eher gefördert als kritisch betrachtet. Selbst der vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterte Versuch Adenauers, sich sein eigenes Staatsfernsehen zu schaffen und wie einst Bismarck die Bevölkerung nach Gusto mit Nachrichten zu beliefern, wurde mit eher wohlwollendem Desinteresse betrachtet. Daher damals die Bestürzung der Regierenden, als es die deutsche Presse wagte, ein Mal, ein einziges Mal, in der „Spiegel-Affäre“ aus der Rolle zu fallen. Als das Bundesverfassungsgericht im Sommer 1966 sein berühmtes „Spiegel-Urteil“ verkündete, lehnte es nicht nur – mit vier zu vier Richterstimmen – die Verfassungsbeschwerde Augsteins gegen das Vorgehen der Sicherheitsbehörden ab, zugleich bescheinigte es der Presse eine entscheidende Funktion in der Demokratie: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. … In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“ Schon damals haben nur wenige Journalisten begriffen, dass die so beschriebene Pressefreiheit nicht nur das Recht ist, über Politik zu berichten, sie zu moderieren und hier und dort mit einem Leitartikel zu bedenken. Sie ist die Verpflichtung zur Kontrolle. Die aber setzt Kenntnis, Unabhängigkeit und die Bereitschaft zur Kritik voraus. Vielen gemein ist das Unvermögen, Journalismus nicht als Dienstleistung am Kunden, sondern als Dienstleistung an der Gesellschaft zu begreifen, die auf die Leistung nicht etwa deshalb Anspruch hat, weil sie dafür bezahlt, sondern weil das Grundgesetz ihn ihr verschafft. Die Freiheit der Presse ist nicht deshalb besonders geschützt, weil die Verfassung die Renditeerwartungen von Unternehmen heben und Leistungsverweigerern ein neues Betätigungsfeld als Chefredakteure erschließen wollte, sondern weil die demokratische Gesellschaft ohne den freien Fluss der Information, ohne deren professionelle Aufarbeitung und kritische Kommentierung nicht bestehen kann. Wenn das nicht verstanden wird – und immer weniger wollen es verstehen –, dann ist es nicht einmal mehr ein Lippenbekenntnis, sondern eine Lüge, wenn Journalisten – wie es in diesem Jahr für ein paar Tage schauerliche Mode war – beteuern: „Je suis Charlie.“ C h r i s t i a n B o m m a r i u s ist Chefkommentator der DuMont Redaktionsgemeinschaft und schreibt für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“. 2008 erhielt er den Otto Brenner Preis. [email protected] Qualtätsjournalismus Foto © konradiew – iStockphoto.com 56 Wenn Themen vom Qualitätsjournalismus hat viele Facetten. Dazu gehören Sorgfalt, Gründlichkeit und die Bereitschaft, Themen nicht für den Augenblick eines Trends, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg und von den unter schiedlichsten Seiten zu beackern. Kurz: Qualitätsjournalis mus muss auch nachhaltig sein. Das gilt erst recht, wenn er sich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt. Von J o a ch i m W i l l e Himmel fallen W a l d s t e r b e n ? Was war das noch einmal? Gab es das überhaupt? War doch nur von den Medien geschürte Ökohysterie der frühen 1980er Jahre. Katastrophenjournalismus. UmweltMedienhype. Die Bäume stehen doch noch. Der Wald ist grün geblieben. Ja die Forstfläche in Deutschland wächst sogar, und es kann mehr Holz geschlagen werden denn je. erreichten, was „nachhaltigen Journalismus“ ausmacht: Sie schufen eine breite Informationsbasis, trafen den Nerv der Zeitgenossen – und trugen maßgeblich zu dem öffentlichen Druck bei, der bewirkte, dass die Politiker schnell konkrete politische Maßnahmen ergriffen. Die Vierte Gewalt funktionierte. Der saure Regen wurde eingedämmt. Heute glauben das viele: Nicht der saure Regen ließ damals die Bäume sterben. Es waren die Journalisten, die einigen Forstexperten und Umweltverbänden mit ihren übertriebenen Kassandra rufen auf den Leim gegangen waren. Doch das ist falsch. Das Waldsterben war nicht bloß ein emotional aufgeladenes Medienereignis, eine Hysterie ohne wirkliche Faktenbasis, wie einige Kritiker später behaupteten. Es ist zwar richtig: Die Journalisten haben damals und danach bei diesem Thema auch Fehler gemacht. Es gab Übertreibungen, und viele der Schreiber und Redakteure verloren nach dem „Hype“ zu schnell wieder das Interesse. Aber sie Waldsterben: Journalisten machten einen guten Job Forstwissenschaftler hatten das Katastrophenszenario, dass der Wald großräumig absterben könnte, erstmals 1979 aufgestellt. Die Medien griffen es etwa ab Mitte 1981 auf. Sofort entbrannte eine breite öffentlichen Debatte. Das Waldsterben war über Jahre ständig in Presse und Rundfunk, es avancierte zum „Umweltproblem Nummer eins“, so eine dpa-Umfrage vom Sommer 1982. Reportagen über dürre Wipfel, Baumgerippe, kahle Hügel, wo vorher Wald gewesen war, flammende Kommentare. Das Nachbarland Tschechoslowakei mit seinen vielen schwefelspeienden 58 Qualtätsjournalismus Super-GAU in Tschernobyl: Mär vom „Restrisiko“ der Atomtechnologie entlarvt Braunkohlemeilern und wegrasierten Erzgebirgswäldern lieferte einen drastischen Blick in die Zukunft. Die Journalisten warnten vor flächenhaft wegbrechenden Waldbeständen, vor einer drohenden „Säuresteppe“. Manche vergriffen sich auch gewaltig in den Metaphern, wenn sie von einem „ökologischen Hiroshima“ oder gar einem „ökologischen Holocaust“ (Zitate aus dem „Spiegel“ von 1983) schrieben. Die Politik reagierte schnell. Für Kohlekraftwerke wurden bereits 1983, nur zwei Jahre nachdem das Problem erstmals Schlagzeilen gemacht hatte, Schwefelfilter vorgeschrieben. Autos mussten ab 1984 sukzessive mit Katalysatoren ausgerüstet werden. Die Schwefeldioxid-Emissionen, Hauptquelle des sauren Regens, Ende der 1970er Jahre satte acht Millionen Tonnen pro Jahr, sanken deutlich. Inzwischen sind es nur noch rund 0,5 Millionen Tonnen. Dadurch wurde ein Fortschreiten der Schäden gestoppt, das „Waldsterben“ abgewendet. Zwar weiß man heute, dass auch waldbauliche Fehler – zu viele Monokulturen, nicht an den Standort angepasste Baumarten – und möglicherweise bereits der Klimawandel eine Rolle beim Waldsterben spielten, das später in „Neuartige Waldschäden“ umgetauft wurde. Doch keine Frage: Ohne die Maßnahmen zur Luftreinhaltung gäbe es den Wald, wie wir ihn kennen, nicht mehr. Unter dem Strich bleibt: Die damals aktiven Journalisten, ihre Zeitungen, Magazine und Rundfunkhäuser haben einen guten Job gemacht. Die Anfänge des Umweltjournalismus Das Waldsterben war der erste Öko-GAU, der zu einem solchen Megathema avancierte. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten hatte es „Umweltjournalismus“ im engeren Sinnen ja noch gar nicht gegeben. Umwelt- und Naturzerstörung war ein Nischenthema. Industriegifte im Abwasser, Schaumberge auf Flüssen, Luftverschmutzung durch Kohlemeiler und Stahlwerke – das interessierte die Betroffenen und, wenn es gut ging, die Journalisten vor Ort. Bundesweite Aufreger erzeugte das nicht. Die Situation änderte sich in den 1970er Jahren. Die Initialzündung für den Umweltjournalismus kam 1972 mit der Berichterstattung über den Report „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome, und den Nachbrenner lieferte die erste Ölkrise, die im Jahr danach die Voraussagen zur drohenden Knappheit der Rohstoffe zu bestätigen schien. Die Ökologie- und die Ressourcenkrise wurden so bedeutsam, weil sie die Grundfesten des Wirtschaftens zu erodieren drohten. Es ging nicht mehr „nur“ um Umweltprobleme, die die rasant steigende Nutzung der Rohstoffe auslösen würde, sondern auch um ökonomische und soziale Folgen dieser Entwicklung. Die Journalisten, die diese Themen aufgriffen, waren die Ersten, die sich um eine „ganzheitliche Sicht“ auf die Welt bemühten. Sie bewegten sich erstmals in dem Grenzbereich zwischen Ökonomie, Natur, Sozialpolitik und Technik, sie übten ein Querschnittsdenken, das den Umweltjournalismus prägt und ihn bis heute auch besonders anspruchsvoll macht. Es war bereits eine Berichterstattung über „Nachhaltigkeit“, bevor dieses inzwischen inflationär gebrauchte Wort – durch die Brundtland-Kommission („Our Common Future“, 1987) – überhaupt in den allgemeinen Sprachgebrauch Eingang fand. Eine Ausbildung für einen solchen Querschnittsjournalismus hatte niemand, wie auch. Es war „learning by doing“, mehr oder minder erfolgreich. Schleichender GAU Das nachfolgende Jahrzehnt brachte die erste Hochzeit des Ökojournalismus. Das „Waldsterben“ war nur der Auftakt gewesen. Die Themen lagen auf der Straße. Genauer: Fielen vom Himmel. Luftverschmutzung und Wintersmog, Ozonloch und Klimakata strophe. Es gab einen „Rhein-GAU“ mit tonnenweise toten Fischen kieloben, Folge eines Brandes beim Sandoz-Konzern in Basel. Dazu giftige Holschutzmittel und Dioxin in der Muttermilch. Und, nicht zu vergessen, den Super-GAU in Tschernobyl, der die Mär vom „Restrisiko“ der Atomtechnologie als solche entlarvte und der Anti-AKW-Bewegung und der Idee der „Energiewende“ zusätzlichen Schub gab. Der Umweltjournalismus entwickelte sich, wurde Mainstream. Er ging auch zunehmend in die Tiefe, hellte Hintergründe auf, sah sich gefordert, Lösungen zu suchen und darzustellen. Trendsetter war Horst Sterns Umweltmagazin „Natur“, das 1980 auf den Markt kam. Das Verbrauchermagazin „Ökotest“ folgte fünf Jahre später. Tageszeitungen begannen, Umweltseiten mit Ratgebercharakter zu drucken, Rundfunksender richteten regelmäßige Umweltsendungen ein, teilweise wurden eigene Umweltredaktionen gegründet. Die Voraussetzungen waren da: Die Actziger hätten zur breiten Startrampe für einen Nachhaltigkeitsjournalismus werden können. Wurden sie aber nicht. Denn was dann kam, bedeutete den schleichenden GAU für das Projekt. Es war grotesk: Die Wissenschaftler trugen in den 1990er Jahren immer mehr Erkenntnisse über die Gefahr des Klimawandels zusammen, die Vereinten Nationen veranstalteten in Rio einen „Erdgipfel“ zur nachhaltigen Entwicklung, und die erneuerbaren Energien begannen, noch zaghaft, aber immerhin, ihren Siegeszug. Doch gleichzeitig schwand das Interesse an Umweltfragen. Das historische Großereignis Wiedervereinigung ließ wenig Spielraum für andere Themen. Die Grünen, die Wahlkampf mit Klima statt Einheit machten, bekamen die Quittung dafür. Sie flogen aus dem Bundestag. Der Mainstream der Medien folgte dem Trend, steuerte nicht gegen – einmal abgesehen von Publikationen wie der links-alternativen „taz“ oder der „Frankfurter Rundschau“. Bei der „taz“ hieß (und heißt bis heute) das zweite Ressort nicht „Wirt- Foto © Dragunov1981 – iStockphoto.com 60 Qualtätsjournalismus schaft“, sondern „Wirtschaft und Umwelt“, und die FR profilierte sich mit einer 1992 zum Rio-Gipfel neu gegründeten wöchent lichen Umweltseite. Sonst aber hieß es bei den meisten Verlegern, Chefredakteuren und vielen Journalisten am Desk: Was ist schon eine Klimakatastrophe gegen Kohls „blühende Landschaften“? Sich mit den ökologischen Langfristthemen zu beschäftigen, erschien unattraktiv. Karrierefördernd auch nicht. Die „neuartigen Waldschäden“ lagen zwar weiter auf hohem Niveau, aber sie mutierten zum Fall fürs Vermischte. Wenn sie nicht gleich ganz unter den Tisch fielen. Nachhaltiger Journalismus? Fehlanzeige. Das war der Tiefpunkt? Nein. Noch nicht. Es ging noch schlimmer. Um wegweisende Konzepte wie die ökologische Steuerreform (Umwelt verteuern, Arbeit verbilligen!), die damals entwickelt wurden, kümmerte sich nur eine Handvoll übrig gebliebener Ökospezialisten unter den Journalisten. Als die Ökosteuer dann Politik wurde, ging es in den Medien zwar zur Sache, aber mit dem Holzhammer. Statt über das Konzept und seine Vorteile für Ökologie und Arbeitsmarkt aufzuklären, hämmerten die Medien den „Fünf-Mark-Sprit“ der Grünen in die Schlagzeilen. Die Ökopartei hätte es bei der Bundestagswahl 1998 beinahe unter die Fünf-Prozent-Marke gedrückt. Die „Benzinwut“-Kampagne der „Bild“-Zeitung folgte später demselben Schema. Das war der Höhepunkt des Anti- Umwelt-Journalismus. Erholung nach dem Tiefpunkt Die Nullerjahre brachten eine allmähliche Erholung von diesem Absturz in die mediale Irrelevanz, und diese hat sich, freilich mit Schwankungen, bis heute fortgesetzt. Zwei Hauptgründe gibt es dafür. Erstens: Themen wie Windkraft- und Solar-Boom, Atomausstieg, Stromnetzausbau, aber auch Nachhaltigkeit in Unter nehmen etablierten sich zunehmend in den Wirtschaftsressorts. Es war zwingend: Wenn Solarfirmen (wenn auch nur vorübergehend) zu Börsenstars werden, die Energiewende das Geschäftsmodell der traditionellen Energiekonzerne bedroht und die Strompreise explodieren, kann eine Berichterstattung darüber gar nicht unterbleiben. Der zweite Grund: Mit dem Klimawandel etablierte sich ein neues „Megathema“ (die Hamburger Journalistikprofessorin Irene Neverla), am ehesten noch vergleichbar mit dem „Waldsterben“, dieses an Bedeutung, Komplexität und Dauerhaftigkeit aber bei weitem übertreffend. Die Prognose ist klar: Das Thema wird für Jahrzehnte bleiben, weil die Dramatik der Folgen der Erderwärmung unausweichlich zunimmt – durch mehr Extremwetterereignisse, stärkere Hitzewellen, mehr Überschwemmungen, größere Flüchtlingsströme – und Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darauf reagieren müssen. Zwar wird es auch hier Aufs und Abs geben, wie beim Klimahype 2007, der den Friedensnobelpreis für Al Gore und den UN-Klimarat IPCC brachte, gefolgt von der Depression nach dem Kopenhagener Klimagipfel-Flop von 2009. Doch verschwinden wird das Thema garantiert nicht. Nachhaltigkeitsjournalismus zwischen Aufbruch und Ressourcenknappheit So stellt sich die Frage: Ist der heutige Journalismus ausreichend gewappnet, um dieses Megathema, das mit fast allen anderen Umweltaspekten von Artensterben über Energiewende bis Ressourcenschwund verknüpft ist, auch angemessen zu bearbeiten? Die Antwort ist: Ja und nein. Einerseits sind die Voraussetzungen derzeit besser als jemals zuvor. Die Berichterstattung über Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit hat unübersehbar zugenommen. So greifen die klassischen Medien, Zeitungen, Magazine, Rundfunk und TV, diese Themen heute häufiger auf als jemals zuvor – einfach weil ökologische Umweltbezüge in fast allen Feldern auftauchen, egal ob es um Finanzmärkte, Energieversorgung, Produktinformation, Stadtplanung oder Erziehung geht. Alte und neue Spezialpublikationen behandeln das Thema auf hohem Niveau: „Natur“, „Öko-Test“, „Zeo2“ und „Greenpeace Magazin“. Hinzu kommen die Onlineangebote, durch die sich die Möglichkeiten zur Information gerade auch über „grüne“ Themen gigantisch vermehrt haben. Es geht von Hardcorejournalismus zu Klimawandel und Ökologie, wie ihn die Redaktion von „klimaretter.info“ betreibt, über verbraucherorientierte Onlinemagazine wie „utopia.de“, Biokostportale und CO2Rechner bis hin zu den professionell gemachten Angeboten der Umweltverbände. Der Kommunikationsforscher Professor Gerd Michelsen von der Leuphana Universität Lüneburg verweist auf die Chancen „neuer experimenteller Formen und Medien, die Fragen der Gerechtigkeit, des guten Lebens, neuer Wirtschaftsformen und ökologischer Grenzen thematisieren“. Der Umweltjournalismus ist dadurch viel breiter, vielfältiger, bunter, interaktiver geworden. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn auf der anderen Seite gibt es viele Defizite – alte, die nicht behoben wurden, und neue, verursacht durch den digitalen Umbruch im Mediengeschäft. Die Kritik trifft erstens die Journalisten selbst – wegen mangelnder Professionalität und Kontinuität. Sie behandeln Umwelt-, Naturschutz- und Energiewendethemen vielfach immer noch so, als habe es 20 Jahre Debatte über die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – nicht gegeben: eindimensional, zugespitzt, tendenziös. Eher auf der Suche nach „Krise“ und „Katastrophe“ statt nach Aufklärung, Hintergrund, positiven Entwicklungen. Ein schlagendes Beispiel: Wenn Journalisten über die „Explosion“ der Strompreise durch das EEG berichten, dabei aber die ungedeckten Umweltkosten der konventionellen Energien konsequent ausblenden, die durch die Energiewende verringert werden sollen, haben sie ihren Job verfehlt. Das immerhin ließe sich ändern, im Sinne eines nachhaltigen Journalismus. Durch einen neuen Blick auf die Themen, und, natürlich, eine bessere Aus- und Fortbildung. Vorbild sind hier Großbritannien und die USA, wo es gut etablierte Studiengänge zum Umweltjournalismus gibt. Deutschland hat hier großen Nachholbedarf, doch immerhin geht die Entwicklung mit Angeboten an 61 Hochschulen in Lüneburg, Darmstadt und Ansbach in die richtige Richtung. Die professionelle Herausforderung für Journalisten, die sich den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit widmen wollen, ist freilich hoch. Sie müssen bereit sein, sie über lange Strecken zu verfolgen und „dran“ zu bleiben, denn positive wie negative Entwicklungen brauchen hier erfahrungsgemäß besonders viel Zeit. Waldschäden entwickeln sich über Jahrzehnte, zwischen dem Beginn des Anti-AKW-Protests und dem Atomausstieg liegt ein halbes Jahrhundert, und Klimawandel, Klimaschutz und Energiewende sind Themen ganz ohne Verfallsdatum Das zweite große Defizit ist umso schwieriger zu korrigieren. Denn die aktuelle Medienkrise macht vor dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsjournalismus natürlich nicht halt. Die Realität sind Redaktionen mit Minimalbesetzung, Zeitknappheit, Unterhaltungsorientierung, verringerten Recherchekapazitäten, zusammengestrichenen Reiseetats und vor allem Gehältern und Honoraren, die bei vielen „neuen“ Medien kaum noch zum Leben reichen. Das alles ist keine gute Basis, um „nachhaltigen“ Journalismus zu machen. Zwar gibt es alternative Medienprojekte, die ganz oder zum großen Teil auf Crowdfunding oder Stiftungsgeldern basieren, und Journalisten, die trotz schlechter Bezahlung hervorragende Arbeit leisten, weil sie für „ihr“ Thema“ brennen. Es existiert eine große Vielfalt von Ideen, um den Geldmangel und andere Knappheiten auszugleichen, bis hin zu Couchsurfing-Angeboten als ge- zielter Hilfe für Auslandsreporter. Die Zweifel, dass das auf Dauer gutgeht, sind groß. Denn (Selbst-)Ausbeutung von Journalisten ist auf Dauer auch alles andere als nachhaltig. Es geht kein Weg daran vorbei: Die Medienkrise muss gelöst werden, wenn hochwertiger, rercherche- und analysestarker Journalismus eine Zukunft haben soll, ob durch Onlinebezahlmodelle, stiftungsfinanzierte Publikationen, besagtes Crowdfunding oder andere Konzepte. Doch Verlage und andere Medienhäuser, Chefredakteure und Ressortleiter sind gut beraten, nicht nur diese Nachhaltigkeit in den Blick zu nehmen. Für einen zukunftsweisenden Journalismus ist auch eine neue Gewichtung der Themen entscheidend, und die müssen sie organisieren. Sie müssen dafür sorgen, dass die Redaktionen das Befassen mit der (nicht) nachhaltigen Entwicklung des Globus, der Staaten, Gesellschaften und Ökonomien als Schwerpunkt begreifen. Denn ohne Expertise auf diesem Feld werden künftige Krisen nicht erklärbar sein. Und, genauso wichtig: Ohne sie wird die gesellschaftliche Informationsbasis fehlen für eine gute Politik und ein gutes Leben. J o a c h i m W i l l e ist Umweltjournalist, geboren 1956. Er war fast 30 Jahre lang Redakteur, Ressortleiter und Reporter bei der „Frankfurter Rundschau“. Seit 2012 arbeitet er als freier Autor für die FR, das Onlinemagazin klimaretter.info und andere Publikationen, darunter „Bild der Wissenschaft“ und Fachzeitschriften. Er ist mehrfach mit Journalistenpreisen ausgezeichnet worden. [email protected] 1/2 Seite quer: 225 x 150 mm inkl. Anschnitt Persönlichkeit auf Reisen Das Reisen haben wir nicht neu erfunden. Aber wir nehmen für uns in Anspruch, Ihre Reise zu einem persönlichen Erlebnis zu machen. Spannende Begegnungen mit Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Kulturen und Einblicke in den Alltag der Menschen geben unseren Reisen eine nachhaltige Wertigkeit. Ihre Wünsche und unser Wissen, Ihre Interessen und unsere langjährige Erfahrung vereint zu einem besonderen Erlebnis. Fachreisen Informationsreisen Pressereisen Incentives Veranstaltungen Mondius Travel GmbH I www.mondius.de I Tel. 089 4576 9990 I E-mail [email protected] 62 Qualtätsjournalismus Die Dynamik der Schwärme Crowdfunding ist in aller Munde. Was verbirgt sich hinter dem alternativen Finanzierungsmodell für Projekte aller Art? Und funktioniert es wirklich so gut? Von C h r i s t i a n S ä l z e r 63 Martin Schmitz-Kuhl (l.) und sein schwarmfinanziertes Buchprojekt „Bookster“ D a s s i m A p r i l 2 0 1 5 das Buch „Bookster Frankfurt“ mit Porträts aus der hiesigen Buchbranche erschien und die Theaterinstallation „Der große Krieg und die Frauen“ Wirklichkeit wurde, dass gleichzeitig das erste Album der Band Viola Tamm aufgenommen wurde und im Sommer im Deutschen Filmmuseum neue Medienkompetenz-Workshops stattfinden – hinter all dem stecken die Schwärme. Oder englisch: die Crowds. Die vier Kulturprojekte hatten es im Herbst 2014 mit 24 anderen in die letzte Runde der Crowdfunding-Initiative kulturMut der Aventis Foundation geschafft. Einige Wochen lang traten 28 Projekte aus dem Rhein-Main-Gebiet im Wettbewerb um Fördergelder gegeneinander an. Also sammelten sie Unterstützer und von diesen Geld ein. Die Projekte, die am meisten Unterstützung fanden und den selbst gesteckten Zielen am nächsten kamen, hatten es geschafft: Die Aventis Stiftung legte den Fehlbetrag zur beantragten Finanzierung drauf. Die Schwärme hatten ihr Werk getan. Demokratisches Versprechen Der Begriff Crowdfunding und die aus den USA stammenden Konzepte schwirren seit einigen Jahren durch die kreativen Branchen des Landes. Die Idee: Wer für ein Projekt oder eine Gründung Geld benötigt, macht sein Anliegen im Internet publik und versucht, Unterstützer zu finden. Statt des einen großen Geldgebers sollen viele Förderer gefunden werden, deren kleine Beträge sich summieren. Das ist das Prinzip des Schwarms. Meist erhält der Unterstützer, „Funder“ genannt, eine Gegenleistung. Diese Gegenleistung kann, je nach Projekt, verschiedene Formen annehmen: Wer etwa das Buch „Bookster Frankfurt“ mit 22 Euro unterstützt hatte, erhielt ein Exemplar, sobald es erschienen ist. Er hatte also nicht gespendet, sondern sich an einer Vorfinanzierung beteiligt. Wer eine Band unterstützt, bekommt eine Konzertkarte, wer die Entwicklung eines Computerspiels fördert, kann sich wünschen, dass eine Figur in dem Spiel nach seinem Vorbild gestaltet wird. In gewisser Weise greift Crowdfunding alte Prinzipien des Genossenschaftsmodells auf, allerdings in deutlich unverbindlicherer Form und auf der Höhe der digitalen Zeit. Denn alle Crowdfunding-„Aktionen“ werden über das Internet abgewickelt. Das sorgt auch für Transparenz: Auf den entsprechenden Websites kann man sich jederzeit über den Stand der Aktion informieren, etwa darüber, wie lange sie noch läuft, wie viel Geld bereits eingebracht wurde. Und es macht das Ganze für die Funder komfortabel. Das Handling einer solchen Aktion hingegen ist durchaus aufwendig. Es braucht eine Präsenz im Web mit entsprechenden Funktionen, sichere Bezahlfunktionen müssen eingerichtet sein. Vor allem aber muss jede Aktion Aufmerksamkeit erzielen, um in den Weiten des Internets auch wahrgenommen zu werden. Daher haben sich übergreifende Plattformen gebildet, über die eine Vielzahl von Projekten abgewickelt wird. Manche haben sich auf Start-ups spezialisiert, andere auf Kulturprojekte. Für kreative Projekte läuft inzwischen die große Mehrheit der Aktionen über StartNext, das 2010 als erste deutsche Crowdfunding-Plattform in Dresden gegründet wurde. Ein guter Zeitpunkt, gelten doch 2010 und 2011 als die Durchbruchsjahre für Crowdfunding in Deutschland. Einen Schub löste das „Stromberg“-Projekt aus: Um einen geplanten Kinofilm zu der erfolgreichen TV-Serie zu drehen, startete die Kölner Firma Brainpool das bis dato größte deutsche Crowdfunding-Projekt: Binnen drei Monaten sollten eine Million Euro gesammelt werden. Tatsächlich war die Summe bereits nach einer Woche zusammen. Inzwischen sind viele auf den Zug aufgesprungen und zahlreiche Projekte Wirklichkeit geworden. Auch Journalisten sind von dem Konzept angetan. Die Wucht, mit der sich die Idee verbreitet, hat viel mit einem ideellen Mehrwert bzw. einem demokratischen Versprechen zu tun: Der Starter kann dank der Schwärme Projekte unabhängig vom Wohlwollen eines Chefredakteurs oder Produktionsleiters verfolgen und umsetzen. Und der Unterstützer kann mitbestimmen. Genau darin liegt der Clou des Crowdfunding: Der Willen der Vielen setzt sich über die Willkür der Mächtigen hinweg, es geht um Freiheit, Unabhängigkeit und Mit- bzw. Selbstbestimmung. Manchmal ist der Schwarm nur eine Herde Doch ist das wirklich so? Angesichts des Hypes geraten die Schattenseiten leicht aus dem Blick. So verbirgt sich hinter den gern zitierten Erfolgsaktionen eine enorme Zahl gescheiterter Projekte. Auch sind Plattformen bereits wieder vom Netz gegangen oder dümpeln vor sich hin. Einige mussten sich mit dem Vorwurf 64 Qualtätsjournalismus auseinandersetzen, erfolglose Aktionen auf den Portalen unsichtbar gemacht und damit den Gesamteindruck geschönt zu haben. Dass manche Hoffnung sich als überzogen erwiesen hat, könnte auch an dem fehlleitenden Bild des Schwarms liegen. Dieses suggeriert, dass man nur etwas Fischfutter ins Wasser werfen muss, und schon würde eine Masse hungriger Fischer an die Oberfläche schießen. Im Fall des „Stromberg“-Films war das genau so. Kaum war die Aktion gestartet, begannen die sozialen Netzwerke zu vibrieren. Das funktionierte allerdings nur, weil die Voraussetzungen geradezu ideal waren: Die TV-Serie hat Millionen hoch identifizierter Fans. Über eine solch große, treue und gut aktivierbare Community verfügen allerdings nur die wenigsten Projekte. In Wirklichkeit entwickeln Aktionen nur in Ausnahmen eine solche Dynamik. Und statt eines Schwarmes hat man es mitunter eher mit einer Herde zu tun, die man treiben muss. Diese Erfahrung hat auch der Journalist Martin Schmitz-Kuhl gemacht, der sich mit dem Buchprojekt „Bookster Frankfurt“ bei der Crowdfunding-Initiative der Aventis Stiftung beteiligt hat: „Von sich aus sind nur wenige zum Unterstützer geworden. Vielmehr musste ich in meinen Netzwerken kräftig wirbeln und immer weiter wirbeln.“ Tatsächlich gibt es ja nicht allzu viele Menschen, die sich einfach mal so auf Crowdfunding-Plattformen umschauen. Hinter den anonymen Vielen stecken oftmals eher die eigenen Kontakte, Freunde, Bekannten oder gar Angehörige. Trotz der angebotenen Gegenleistung kann Crowdfunding durchaus den Charakter einer privaten Bitt- und Bettelrunde annehmen. Ein Krisensymptom Genau hierin zeigt sich eine strukturelle Entwicklung: Die Digitalisierung hat die Schwarmfinanzierung möglich gemacht. Nötig aber wurde sie durch einen Wandel der „kulturellen Produktionsbedingungen“, nämlich die Krise bisheriger Finanzierungsformen. Was früher die öffentliche Hand oder Unternehmen, seien es Verlage oder Produktionsfirmen, bezahlt haben, sollen nun diejenigen übernehmen, mit denen man bei Facebook oder XING befreundet ist, einmal Visitenkarten ausgetaucht hat oder gar früher zusammen zur Schule gegangen ist. Insofern: Nicht immer gibt die Qualität eines Projektes den Ausschlag, sondern die Mobilisierungsfähigkeit der Netzwerke. In diesem Sinne entpuppt sich Crowdfunding als strukturelles Outsourcing: Wo öffentliche Gelder immer knapper sind, Kulturförderungen gekürzt werden, Redaktionen ausgedünnt werden und aus vielen Festanstellungen prekäre freie Tätigkeiten geworden sind – in solchen Zeiten bietet Crowdfunding den ersehnten Strohhalm, um Projekte überhaupt noch angehen zu können. Hinzu kommt, dass Kreative – seien es Journalisten, Sänger oder Autoren – beim Crowdfunding zum Gesamtunternehmer werden. Über ihre kreative Leistung hinaus organisieren sie nun auch die Finanzierung ihrer Arbeit und übernehmen das nötige Marketing. Martin Schmitz-Kuhl erzählt: „Von der Darstellung des Projektes bis zur aktiven Ansprache potenzieller Unterstützer – letztlich habe ich mich einige Wochen nur darum gekümmert, die Aktion zum Laufen zu bringen und am Laufen zu halten.“ Ohne Zweifel hat das Crowdfunding eine partizipative und demokratische Note. Indem es den Kreativen in verschärfter Form zum Manager seines Erfolges macht, ist es jedoch auch zutiefst neoliberal. Haben früher Redaktionen ihren beschäftigten Journalisten Recherchereisen bezahlt, sammeln heute freie Journalisten mittels Schwarmfinanzierung Geld ein, in der Hoffnung, den Beitrag dann an Redaktionen verkaufen zu können. Das Risiko des Scheiterns trägt kein Verlagshaus, sondern der Einzelne. Auch beim Crowdfunding ist also nicht alles Gold, was glänzt. Es ist ein Krisensymptom und bislang ein Nischenphänomen. Das heißt gleichwohl nicht, dass es nicht Dynamiken in Gang gesetzt hat, die viele neue Erfahrungen, Experimente, Gründungen und Projekte möglich gemacht haben. C h r i s t i a n S ä l z e r ist Journalist und Gesellschafter der Frankfurter Agentur Schwarzburg. [email protected] Büro Frankfurt Tel. 069 / 27 22 07 87 Büro Kronberg Tel. 06173 / 32 42 860 Wilhelm-Leuschner-Str. 12 60329 Frankfurt am Main Dieselstraße 6 61476 Kronberg / Ts. Firmenfeiern - Individuelle Familienfeiern - Themenbüfetts Menüs - Fingerfood & Canapès - Service & Bedienung Seminarräume ... und vieles mehr. Festliche Empfänge Gemeindefeiern Fordern Sie unseren Katalog an! [email protected] mf www.marthas-finest.de Foto © rotofrank – iStockphoto.com Die Nische macht mobil Crowdfunding und Journalismus – eine Allianz für mehr Qualität? Eine Zwischenbilanz. Von C h r i s t i a n S ä l z e r 66 Q u a l t ä t s j o u r n a l i s m u s M i t K r a u t r e p o r t e r ging es richtig los. 2013 gründete Sebastian Esser, bis dato Chefredakteur des Online-Medienmagazins „V.i.S.d.P.“, die gleichnamige Crowdfunding-Plattform, auf der ausschließlich journalistische Projekte nach Unterstützern suchen konnten. Getreu dem Motto „Entdecke und ermögliche unabhängigen Journalismus“ konnten Autoren Themen für Artikel vorschlagen und Leser entscheiden, ob sie die Erstellung des Artikels finanzieren wollten. Wurde die angegebene Finanzierungsschwelle erreicht, begann der Autor mit der Erstellung des Artikels. Die Sache lief gut, unter allen deutschsprachigen Plattformen entwickelte sich Krautreporter am dynamischsten. Von dem Erfolg ermutigt, haben ähnliche Portale die Netzbühne betreten. Diese ermöglichen vor allem freien Journalisten, Themen aufzugreifen, für die sie aus den Verlagshäusern kein Go bekommen hätten. Machen die Schwärme mit, können sie Geschichten un- abhängig von Auflagen, dem vermeintlichen Zielgruppeninteresse oder Kosten-Nutzen-Kalkül verfolgen. Im Dezember 2014 startete auch das stiftungsfinanzierte Portal Correctiv – es präsentiert etwa eine umfassende investigative Geschichte über die Hintergründe des Flugzeugabschusses MH17 über der Ostukraine, die im März 2015 im FPC vorgestellt wurde) – eine Crwodfunding-Plattform, in Zusammenarbeit mit StartNext. Krautreporter schlug im Frühjahr 2014 einen neuen Weg ein. Inspiriert von dem Erfolg von „De Correspondent“ aus den Niederlanden, wandelte sich Krautreporter von einer CrowdfundingPlattform zu einem mittels Crowdfunding finanzierten Onlinemagazin. Dem von den Medien vielbeachteten Projekt gelang es, bis zum Stichtag am 13. Juni 15.000 Abonnenten zu gewinnen, die pro Jahr 60 Euro zahlen. 900.000 Euro kamen so zusammen, allerdings „Warum glauben wir, dass es Krautreporter braucht? Weil vielen Medien Klicks wichtiger sind als Geschichten. Weil niemand mehr den Überblick behalten kann, wenn die Welt nur noch in Eilmeldungen erklärt wird. Weil Werbung nervt. Weil sich auch in seriösen Online-Medien der Boulevard ausbreitet.“ Krautreporter 67 auch durch das Engagement einiger Großspender. Am 24. Oktober wurde das Krautreporter-„Magazin“ freigeschaltet. Magazin in Anführungszeichen, weil Krautreporter nicht wie im Print üblich in Ausgaben erscheint, sondern chronologisch neue Beiträge hinzugefügt werden, vorrangig lange Reportagen. betreiben und anbieten. Statt sich von immer schmaleren Spielräumen in den Verlagsredaktionen einhegen und mit spärlichen Honoraren abspeisen zu lassen, wird das eigene Projekt gewagt. Das journalistische Crowdfunding und die neuen Magazine sind also nichts anderes als eine Antwort auf die allgemeine Medienkrise. Damit steht Krautreporter keineswegs alleine, längst ist eine Reihe anderer schwarmbasierter Magazin gestartet (siehe Übersicht). Die Konzepte sind durchaus unterschiedlich, sowohl hinsichtlich des thematischen Zuschnitts als auch in den jeweiligen Finanzierungsmodellen. Während die Beiträge bei einigen Magazinen kostenfrei für alle Nutzer zugänglich sind, muss man bei anderen bezahlen oder Abonnements abschließen. Gleichwohl gibt es auffällige Gemeinsamkeiten: Alle Magazingründer und -macher betonen den Reiz der Unabhängigkeit und wollen Qualitätsjournalismus Zentral ist hierbei die Rolle der digitalen Technik. Auf ihr basiert die Mobilisierung und Organisierung der Schwärme. Sie ermöglicht aber auch das eigenständige Publizieren. Tatsächlich sind vor allem Onlineprojekte auf den Weg gebracht worden. Das Spannende dabei ist, dass diese den Onlinejournalismus rehabilitieren bzw. neu erfinden wollen. Während das Internet die journalistischen Erzählweisen bislang beschleunigt hat, sind die Magazine bemüht, ihm wieder Ruhe zu verschaffen. In bewusster Abgrenzung zum Infojournalismus, der in möglichst leicht verdaulichen Häppchen „Der aufklärende Journalismus steht vor großartigen Zeiten. Wir können ihn zum Nutzen der Gesellschaft bürgernäher gestalten.“ David Schraven, Correct!v 68 Qualtätsjournalismus Auf Crowdfunding basierende Onlinemagazine Aus der einstigen Crowdfunding-Plattform wurde 2014 durch die bislang größte journalistische Crowdfunding-Kampagne in Deutschland das Krautreporter-Magazin. Das Autorennetzwerk produziert jeden Tag sorgfältig recherchierte Reportagen, Porträts und Erklärstücke, die frei zugänglich sind. Mitglieder unterstützen Krautreporter mit fünf Euro im Monat, als Gegenleistung haben sie Zugriff auf exklusive Inhalte und ePub- oder Audioversionen. krautreporter.de Noch über die frühere Plattform Krautreporter hat Gründer Sebastian Jasper Fabian Wenzel einen Startbetrag für das Magazin Weeklys gesammelt, das im März 2014 gestartet ist. Unter dem Motto „Weeklys gibt der Reportage Raum im Digitalen“ erscheint jeden Freitag eine lange Lesegeschichte von Reportern aus ganz Europa. Als Leser kann man einzelne Volltexte kaufen oder Abos für ein bestimmtes Kontingent abschließen. Die Hälfte der Erlöse der Geschichten gehen an die Urheber. weeklys.eu Ebenfalls Anfang 2014 lief das Crowdfunding für das Wissenschaftsmagazin Substanz – auch hier mit Erfolg, die Aktion brachte die erwünschte Anschubfinanzierung. Mit dem Anspruch, „Wissenschaft neu zu erzählen“, erscheint jede Woche ein neues Feature, für den Zugang muss man zahlen. Neben den Einnahmen durch Abos finanziert sich Substanz auch durch Werbung. www.substanzmagazin.de In dem auf globale Reportagen konzentrierten Magazin Sieh die Welt erscheint jeden Montag eine neue Geschichte – kostenfrei für alle Nutzer zugänglich. Finanziert wird das Ganze über Spendenabos: Wer das Magazin mit festen Beträgen unterstützen, erhält einen Gegenwert, von der Mitgliedschaft in einem Ehrenclub bis zu einem Exemplar einer HardcoverVersion mit den besten Geschichten. siehdiewelt.com Journalistische Crowdfunding-Plattformen deepr journalism ging im Frühjahr 2014 an den Start. Auf der Plattform schlagen Autoren Themen für Artikel vor. Dann entscheiden die Leser durch ihre finanzielle Unterstützung, ob aus dem Vorschlag ein Artikel wird. Die Artikel sind nur für die Funder zugänglich, also nicht öffentlich sichtbar. Durch die Unterstützung erwirbt man quasi exklusive Leserechte. godeepr.com/de Im Dezember 2014 startete Correctiv. Recherchen für die Gesellschaft. Der Fokus dieser von Correctiv in Zusammenarbeit mit StartNext betriebenen Crwodfunding-Plattform liegt auf investigativem Journalismus. Erfolgreiche Recherchen und Geschichten werden an Zeitungen, Magazine sowie Radio- und Fernsehsender weitergereicht. Da Correctiv eine gemeinnützige Organisation ist, können Unterstützer ihre Finanzierung als Spende geltend machen. www.correctiv.org StartNext ist die größte Crowdfunding-Plattform für kreative Projekte in Deutschland. Das Motto: „Kreativität gemeinsam finanzieren.“ Das 2010 gegründete Start-up hat heute zehn Mitarbeiter in Dresden und Berlin. Aus der Vielzahl an gleichzeitig laufenden Aktionen kann man sich über die Kategorienauswahl alle journalistischen Projekte anzeigen lassen. www.startnext.de 69 serviert wird, setzen sie ausnahmslos auf lange Lesetexte und Reportagen für interessierte Leserschaften. Es sind also Versuche, sich den Raum für die Geschichten hinter den Eilmeldungen zurückzuerobern. Auffällig ist auch, dass dabei mit den Möglichkeiten des digitalen Publizierens experimentiert wird. Wie lassen sich Nutzer aktiv einbinden, wie können auch lange Geschichten digital funktionieren, wie werden Bilder, Videos oder Animationen eingesetzt? Bei dem Wissenschaftsmagazin „Substanz“ etwa erscheint jeden Freitag eine Geschichte in einem neuen Designkonzept. Ob das gutgehen kann? Die Schwarmfinanzierung hat die Projekte und die Veröffentlichung von Beiträgen zwar möglich gemacht, ein tragendes Finanzierungskonzept ist sie allerdings selten. Der Selbstausbeutungsgrad ist hoch und angemessene Bezahlung für die Autoren (noch) die Ausnahme. Hinzu kommt, dass Krautre- porter mit dem Schwenk von der Plattform zum Magazin ein ganz neues Crowdfunding-Experiment gewagt hat. „Traditionell“ basiert nicht nur die journalistische Schwarmfinanzierung darauf, Unterstützer durch ein bestimmtes Thema zu begeistern, sei es eine Dokumentation über die Situation in Flüchtlingsheimen, sei es eine Reportage über die Folgen der Fußball-WM in Brasilien. Der Inhalt war es, der zu Unterstützung bewegen sollte. Bei den Magazinen ist das anders: Hier geht es darum, über das konkrete Thema hinaus unabhängigen Qualitätsjournalismus zu fördern. In der aktuellen Aufbruchsstimmung hat das ganz gut funktioniert. Wie groß aber die Masse derjenigen ist, die guten Journalismus so zu schätzen wissen, dass sie ihn auf Dauer tragen wollen und können, wird sich erst noch zeigen. Das wird nicht zuletzt davon abhängen, inwiefern es den Magazinen gelingt, den selbst erhobenen Ansprüchen auch zu genügen. Die Fallhöhe ist beträchtlich. „Wir wollen die Luxusschokolade sein, von der man sich ein Stück zum Wochenende gönnt.“ Georg Dahm, Substanz C h r i s t i a n S ä l z e r ist Journalist und Gesellschafter der Frankfurter Agentur Schwarzburg. [email protected] Qualtätsjournalismus Foto © jaminwell – iStockphoto.com 70 Journalismus In Zeiten knapper Kassen müssen andere Finanzierungs modelle her, wenn Qualitätsjournalismus eine Zukunft haben soll. Wie in den USA springen auch in Deutschland verstärkt Stiftungen in die Bresche. Was tut sich konkret auf dem Gebiet des stiftungsfinanzierten Journalismus? Wie wichtig ist der Aspekt der Gemeinnützigkeit? Und sind die bisher realisierten Modelle auch langfristig tragfähig? Ein Überblick. Von T h o m a s G e h r i n g e r 71 fördern? Journalismus wird privat oder ö f f e n t l i ch - r e ch t l i ch f i n a n z i e r t , doch in Zeiten der Zeitungskrise nimmt die Idee einer dritten Säule Formen an. „Gemeinnütziger Journalismus“, sagt David Schraven, „ist extrem wichtig für die Entwicklung unserer Gesellschaft.“ Schraven leitet das Recherchebüro Correctiv in Essen und Berlin. Der Träger ist eine gemeinnützige GmbH, die Anschubfinanzierung in Höhe von drei Millionen Euro kam im vergangenen Jahr von der Brost-Stiftung, die sich aus dem Vermögen der ehemaligen WAZ-Gründer Anneliese und Erich Brost speist. „Wir sind kein Gewerbebetrieb. Es ist nicht unser Ziel, möglichst viel Umsatz zu erzielen. Gerade aus dieser Logik wollten wir raus“, erklärt Schraven, der zuvor für das Investigativ-Ressort in der Funke (zuvor WAZ-)Mediengruppe verantwortlich war. Die Unabhängigkeit von Correctiv sei vertraglich garantiert. Die BrostStiftung entsende einen Vertreter in den Aufsichtsrat, „der vor allem unsere Zahlen kontrollieren muss. Und das ist mir sehr recht“, sagt Schraven. Durch Quartalsberichte werden die Geldgeber zwar auf dem Laufenden gehalten, aber Details über Recherchen würden darin nicht preisgegeben. Abseits der Marktlogik Recherche kostet Zeit und Geld, investigative Recherche ist so teuer, dass sich das immer weniger Medienhäuser leisten wollen – oder können. Die „Logik“ von Correctiv weicht in der Tat von den deutschen Marktgepflogenheiten ab. Die bisher veröffentlichten Storys wurden gemeinsam mit anderen Redaktionen recherchiert, und die Ergebnisse danach weiteren Medienhäusern kostenlos zur Verfügung gestellt. „Wir verstehen unsere Arbeit nicht als Konkurrenz zu etablierten Medien, sondern als Ergänzung“, heißt es im Code of Conduct unter dem Stichwort „Selbstverständnis“. Zuletzt waren Correctiv-Autoren an der Suche nach den Schuldigen des Abschusses von Malaysia-Airlines-Flug MH17 über der Ukraine beteiligt – gemeinsam mit „Spiegel“ und „Algemeen Dagblad“ aus den Niederlanden. Laut Schraven haben diese Geschichte unter anderem Medien in den USA, in Malaysia, der Ukraine und Polen 72 Qualtätsjournalismus übernommen. Mit der „Zeit“, „Zeit online“ und der Funke Mediengruppe wurde eine Recherche über multiresistente Erreger in Krankenhäusern realisiert. Correctiv veröffentlicht die Geschichten auch auf eigenen multimedial aufbereiteten Onlineseiten und liefert interessierten Verlagen auf Abruf („Steal our Story“) Kurzfassungen. So profitieren klassische Medien von alternativen Finanzierungsmodellen im Journalismus. Dem gemeinnützigen Verein bringt das keinen Cent, und Werbung findet sich auf den Webseiten auch nicht. „Ärgerlich“ findet Schraven allerdings, wenn Verlage, wie geschehen, Texte abdrucken, ohne auf Correctiv und die andernorts geleistete Recherche zu verweisen. Ist das die Zukunft des Journalismus? Müssen Stiftungen oder gar der Staat für die wirtschaftlich angeschlagenen Medienhäuser einspringen, weil die ihren gesellschaftlichen Aufgaben nicht mehr in ausreichendem Maße nachkommen wollen – oder können? Diese Vorstellung gewinnt in Deutschland an Boden, wenn auch in einem eher mäßigen Tempo. Der Philosoph Jürgen Habermas stellte den „Gedanken der Subventionierung von Zeitungen und Zeitschriften“ in einem Essay im Mai 2010 in der „Süddeutschen Zeitung“ in den Raum, nannte ihn allerdings selbst „gewöhnungsbedürftig“. Eine argwöhnische Beobachtung des Marktes sei geboten, „weil sich keine Demokratie ein Marktversagen auf diesem Sektor leisten kann“. 2011 forderte die Medienökonomin Marie Luise Kiefer eine öffentliche Finanzierung des Journalismus, sprich: aus Steuermitteln. Bedeutsamer als Modellflug Bisher gilt die Förderung von Journalismus allerdings nicht einmal als gemeinnützig. In Paragraph 52 der Abgabenordnung werden allerlei „gemeinnützige Zwecke“ aufgeführt, die den betreffenden Vereinen steuerliche Vorteile bescheren. Darunter in Punkt 23 die Förderung „des Amateurfunkens, des Modellflugs und des Hundesports“ – eine etwas kuriose Zusammenstellung in einem Satz. „Da muss etwas passieren“, erklärt Schraven. „Journalismus ist gesellschaftlich bedeutsamer als Modellflug.“ Damit das Recherchebüro Correctiv, die Stuttgarter Wochenzeitung „Kontext“ oder der Autoren-Blog Carta als Non-Profit-Medien anerkannt werden konnten, mussten die jeweiligen Vereine oder Gesellschaften zwangsläufig auf andere als gemeinnützig anerkannte Zwecke ausweichen, auf die „Förderung von Kunst und Kultur“ etwa oder die „Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung“. So sagt Schraven denn auch: „Wir sind kein journalistisches Büro im eigentlichen Sinne. Wir setzen uns für Bildung und Aufklärung ein.“ Correctiv veranstaltet Schulungen und gibt Lehrbücher heraus, „nicht weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen“, betont der gelernte Journalist Schraven. Dass ein gemeinnütziger Journalismus die Medienlandschaft umkrempeln oder gar zum Retter aus der Krise werden könnte, ist nicht zu erwarten. Aber die Anerkennung könnte innovativen Projekten den Start und das Überleben erleichtern. Darauf hofft auch der Verein Netzwerk Recherche (NR) und verweist auf „Alternativmedien, die vermutlich ohne die Krise nie entstanden wären: lokale Online-Zeitungen und Stadtteilblogs, Independent-Magazine, Crowdfunding-Projekte, investigativ arbeitende Recherchebüros und manches mehr“. Nach einer NR-Fachtagung im November 2014 wurde die „Initiative Nonprofit-Journalismus Deutschland“ aus der Taufe gehoben, die die steuerliche Anerkennung von journalistischen Projekten als gemeinnützig fordert. Die Unterstützung durch acht Organisationen und zwei Einzelpersonen, die den Aufruf bisher unterschrieben haben, lässt allerdings nicht auf ein überbordendes Interesse in der Branche schließen. Netzwerk Recherche will das Thema weiter vorantreiben, wie Geschäftsführer Günter Bartsch bekräftigt. Zurzeit sei dies aus Kapazitätsgründen jedoch nur „auf Sparflamme“ möglich. Die Frage der Gemeinnützigkeit Politischer Rückenwind könnte aus Nordrhein-Westfalen kommen: Die FDP-Fraktion im Landtag hatte die rot-grüne Landesregierung aufgefordert, lieber eine Bundesrats-Initiative zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu ergreifen, statt eine Stiftung zur Förderung des lokalen und regionalen Journalismus ins Leben zu rufen. Die Stiftung wurde beschlossen, doch auch für den FDP-Vorschlag gab es in den anderen Fraktionen Sympathie – und am 26. Februar dazu eine Anhörung im Landtag. Derweil nimmt die unter beträchtlichen Geburtswehen im Herbst 2014 auf den Weg gebrachte NRW-Stiftung Vielfalt und Partizipation demnächst ihre Arbeit auf. Verleger und Verfassungsrechtler hatten gegen die ursprünglichen Pläne der Landesregierung wegen mangelnder Staatsferne Bedenken geäußert, am Ende wurde die Stiftung unter dem Dach der Landesanstalt für Medien (LfM) angesiedelt. Weil die LfM sich jedoch größtenteils aus Rundfunkbeiträgen finanziert, darf die mit jährlich 1,6 Millionen Euro ausgestattete Stiftungsarbeit keinesfalls auf direktem Weg der Printbranche zugutekommen. Nach dem politischen Eiertanz hat nun die Vorbereitungsphase begonnen. Und die besteht laut LfM-Direktor Jürgen Brautmeier erst einmal in Grundlagenarbeit: „Wir beobachten den Markt, analysieren die bestehenden Angebote und entwickeln Handlungsempfehlungen.“ Erste Gutachten dazu seien in Auftrag gegeben worden. „Wir drücken nicht irgendjemandem Geld in die Hand für irgendein Projekt“, sagt Brautmeier. Inwieweit die Stiftung, die ein Expertennetzwerk aufbauen und auch als „Think Tank“ fungieren soll, mit Förderprojekten direkt in den Markt eingreift, ist noch nicht absehbar. Brautmeier hofft, Projekte und Wettbewerbe gemeinsam mit anderen Stiftungen anstoßen zu können, betont aber: „Wir wollen und können nicht in deren Revier wildern.“ Dieses Revier ist ohnehin überschaubar. Laut einer Untersuchung der Uni Dortmund und der Berliner Stiftung Active Philanthropy vom Frühjahr 2011 förderten 78 deutsche Stiftungen journalistische Programme und Projekte – 78 von insgesamt 17.372. Wie viel Geld da insgesamt fließt, weiß niemand so genau. „Einige Millionen, wahrscheinlich zweistellig, werden es sein“, vermutete Volker Lilienthal, der an der Universität Hamburg die RudolfAugstein-Stiftungsprofessur für Qualitätsjournalismus innehat, auf der erwähnten NR-Tagung. Nur wenige, zum Beispiel die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung oder die Friedrich-Ebertsowie die Konrad-Adenauer-Stiftung, widmen sich den Medien oder der Medienpolitik in eigenen Schwerpunktprogrammen. Man lässt forschen oder veranstaltet Tagungen. In den Genuss 73 von Fördermitteln kommen ansonsten vor allem Einzelpersonen, über Nachwuchs-Akademien, Stipendien und Preise. Mittlerweile werden auch Recherchebüros wie Correctiv oder andere innovative Projekte unterstützt. Überschaubare Stiftungsaktivitäten Aktiv sind dabei vor allem Stiftungen, die ihren Ursprung selbst in der Medienbranche haben. So stößt man häufig auf die RudolfAugstein-Stiftung, die auch Correctiv 35.000 Euro spendet, damit in diesem Jahr erstmals „Fellowships für Datenjournalismus“ ausgeschrieben werden können. Auch den „Krautreportern“ war die 2005 gegründete Stiftung behilflich. Als das CrowdfundingProjekt im vergangenen Sommer händeringend um Abonnenten warb, trug die Rudolf-Augstein-Stiftung 50.000 Euro bei, womit sie auf einen Schlag 1000 Jahresbeiträge finanzierte. Die „Krautreporter“-Abos gab sie kostenlos an Journalistinnen und Journalisten in Ausbildung weiter. Geschäftsführer Sebastian Esser bezeichnet dieses Stiftungsengagement heute als „entscheidenden Schub“ für das ambitionierte Projekt, das dann im Herbst an den Start gehen konnte. Im Einzelfall kann also mit vergleichsweise bescheidenen Summen eine beträchtliche Wirkung erzielt werden, doch dass Stiftungen nun stärker als bisher den Fokus auf Journalismus richten würden, lässt sich nicht erkennen. Jedenfalls scheiterte der Versuch, ein Bündnis von Stiftungen zu schaffen, die sich gemeinsam unter einem Dach für die Sicherung von Qualitätsjournalismus engagieren. Die Initiative der BMW Stiftung Herbert Quandt, der VWStiftung und der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik führte immerhin zu zwei Gesprächskreisen in den Jahren 2011 und 2012. „Es war durchaus Interesse vorhanden, aber das blieb eher diffus. Die Initiative hat sich totgelaufen“, resümiert Christian Möller von der Hamburger Wirtschaftsethik-Stiftung. Die Zurückhaltung der Stiftungen habe auch „gute Gründe“, denn bei der Analyse der Probleme sei man noch unsicher. „Funktioniert der Markt wirklich nicht mehr? Dürfen wir da überhaupt eingreifen? Und wie regelt man zum Beispiel die Unabhängigkeit der Redaktionen? In Deutschland fehlt im Vergleich etwa mit den USA noch die Not, der Wille und die Konsequenz“, sagt Möller. Aber selbst in den USA, in denen es bereits ein ganzes Netz von investigativen Recherchebüros gibt, fällt das Engagement von Stiftungen trotz des dramatisch eingebrochenen Printmarkts vergleichsweise bescheiden aus. Auf jährlich 100 Millionen Dollar, 0,2 Prozent des Gesamtspendenvolumens von 44 Milliarden Dollar, schätzte die bereits zitierte Studie der Uni Dortmund und von Active Philanthropy den dortigen Umfang der Stiftungsmittel für Medienprojekte. Aufwind erhielt die Idee vom stiftungsfinanzierten Journalismus jedoch durch den Erfolg des 2008 gegründeten Recherchebüros ProPublica, das ähnlich wie Correctiv gemeinnützig ist, anfangs fast ausschließlich von einer einzigen Stiftung (Sandler) finanziert wurde und seine Storys zum Teil gemeinsam mit anderen Medienpartnern recherchiert und kostenlos zur Verfügung stellt. 45 Männer und Frauen arbeiten zurzeit im Newsroom an Geschichten, die bisweilen auch von renommierten Medienhäusern wie der „New York Times“ übernommen werden. Nicht zuletzt zwei Pulitzer-Preise haben dazu beigetragen, dass Pro Publica die Abhängigkeit von der Sandler-Stiftung dank weiterer Wohltäter stark reduzieren konnte. Kombinierte Finanzierungsmodelle Für Stephan Weichert ist ProPublica ein „role model“ mit Signalwirkung. Der Professor für Journalismus an der (privaten) Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg rechnet mit einem Umdenken bei deutschen Stiftungen in den nächsten Jahren. „Journalismus entwickelt sich wahrscheinlich zu einem toten Gewerbe, mit dem nicht mehr viel Geld verdient werden kann“, sagt er. Doch Journalismus sei ein Kulturgut. Weichert zählt seit Jahren zu den Verfechtern der Gemeinnützigkeit und stiftungsfinanzierter Modelle. Und ging auch mit einem eigenen Beispiel voran. 2009 gründete er gemeinsam mit anderen den gemeinnützigen Verein für Medien- und Journalismuskritik, der sich über Spenden finanziert und seit Anfang 2012 das Debattenportal Vocer betreibt. Auf den Webseiten findet man in verschiedenen Dossiers zahlreiche Texte, doch als das Portal für Medienkritik im Netz hat Vocer nicht eingeschlagen. Man habe festgestellt, dass man sich anders aufstellen müsse, sagt Weichert. So setzt Vocer seit 2013 mit einem „Innovation Medialab“ ebenfalls auf Nachwuchsförderung – und damit auf eine klassische Form der Stiftungsarbeit. Junge Frauen und Männer werden ein halbes Jahr lang in einer digitalen Lehrredaktion ausgebildet, die Kooperation mit Medienpartnern wie „Spiegel online“, „Meedia“ oder „Süddeutsche.de“ ermöglicht eine Anbindung an die Praxis. Für junge Journalistinnen und Journalisten sind all die von Stiftungen ermöglichten Stipendien und Ausbildungsangebote wichtige Starthilfen, doch anschließend wartet ein immer kleiner werdender Stellenmarkt. Und eine Medienwelt, in der es mit einer angemessenen Bezahlung häufig hapert. Gemeinnützige Gesellschaften sind schon gesetzlich dazu verpflichtet, „keine unverhältnismäßig hohen Vergütungen“ zu zahlen. Correctiv zahlt den zurzeit 14 fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Schravens Angaben „angemessene Gehälter“, nicht nach Tarif, sondern „eher drüber“. Schraven und seine Kollegen wollen außerdem auch für freiberufliche Kolleginnen und Kollegen eine Struktur schaffen, die ihnen ermöglichen soll, über einen längeren Zeitraum an großen Geschichten zu arbeiten. Correctiv hat deshalb nach dem Vorbild von Plattformen wie StartNext (Schraven: „Bin ich Fan von“) ebenfalls begonnen, Recherchethemen per Crowdfunding zu finanzieren. Als Zielsummen wurden für die bisher sechs vorgeschlagenen Projekte, je nach zu erwartendem Aufwand, zwischen 2000 und 4500 Euro angesetzt. „Die Resonanz ist unglaublich“, sagt Schraven. Innerhalb weniger Wochen seien insgesamt 15.000 Euro eingesammelt worden, vier Recherchen sind finanziert. Die Kombination aus Stiftungsgeldern, Beiträgen von Mitgliedern (bei Correctiv sind es zurzeit 200) und Crowdfunding hält Schraven für zukunftsweisend: „Auf lange Sicht wird es nicht reichen, nur ein Modell zu verfolgen.“ T h o m a s G e h r i n g e r arbeitet als freier Journalist in Köln. [email protected] 74 Qualtätsjournalismus Online kann mehr Foto © rzoze19 – iStockphoto.com 75 Geschichten können im Internet auf eine Art und Weise erzählt werden, wie es sonst nirgends möglich ist. Damit eröffnen sich auch neue Möglichkeiten für den Qualitäts journalismus – sowohl was die Informationstiefe betrifft als auch in puncto Lesevergnügen. Wer Daten visualisieren, Infografiken erstellen oder eine Reportage als Scrollytelling umsetzen möchte, der braucht dafür entsprechende Tools. von J u l i a n H e c k Scrollytelling Spätestens im Jahr 2012 fing alles an – und zwar mit „Snow Fall“ (nyti.ms/1dQ0jHo), einem Feature der „New York Times“ über ein Lawinenunglück in den USA. Das Besondere daran ist nicht die Geschichte selbst, sondern die technische Umsetzung. Statt auf einer Seite einfach nur Text mit Bildern und gegebenenfalls Videos oder Audioelementen zu mischen, verfolgt „Snow Fall“ den Ansatz des sogenannten Scrollytellings. Geschichten, die auf diese Weise umgesetzt werden, werden oft komplett aus der eigentlichen Umgebung des Mediums ausgelagert – zum Beispiel auf eine Subdomain – und erhalten ein Layout, das genau zur Geschichte passt und sich über die gesamte Breite ausdehnt, statt mit Bannern und anderen Beitragsteasern am Rand abzulenken. Das zentrale Element ist, dass der Nutzer nur nach unten scrollen muss (deshalb „Scrol- 76 Qualtätsjournalismus lytelling“, die Ableitung vom Storytelling), um in dem Beitrag fortzufahren. Dabei kommen die nachfolgenden Elemente – seien es Texte, Bilder und Grafiken, Audio- oder Video-Elemente – auf den Leser quasi zugeflogen und spielen teilweise auch automatisch ab. Eine Art Zeitleiste für den Artikel bietet zusätzlich Orientierung. Selbstverständlich können all diese Beiträge auf den meisten Geräten konsumiert werden, sie sind also mobiloptimiert beziehungsweise responsiv, das heißt technisch so gestaltet, dass sie auf die Anforderungen des jeweiligen Endgerätes reagieren. Scrollytelling zeigt: Onlinejournalismus kann mehr. Während jeder Kanal seine eigenen Vorzüge hat, ist es im Internet eben die Kombination verschiedener Medienformate. Eine Diskussion Print versus Online – man erinnere sich an die Hoodie-JournalismusDebatte rund um Onlinespezialist Stefan Plöchinger und die SZ-Chefredaktion – ist deshalb Quatsch. Vielmehr geht es darum, wie auf welchen Kanälen qualitativ hochwertiger Journalismus produziert werden kann. Und das funktioniert nun mal online mindestens genauso gut wie auf Papier. Schließlich zählt überall in erster Linie der Inhalt. Erst dann folgt die Darstellung, die von den technischen Möglichkeiten im Netz profitiert – zum Beispiel in Form von Scrollytelling. Damit beim Scrollytelling wirklich jedes Detail passt, ist mehr notwendig als der Journalist, der die Recherche macht und die Geschichte journalistisch umsetzt. Hinter „Snow Fall“ steckt die Arbeit eines 16-köpfigen Teams. Klar, dass diese Ressourcen im Alltagsgeschäft nicht vorhanden sind. Zwar gibt es auch im deutschsprachigen Raum erste Scrollytelling-Projekte, zum Beispiel von ZEIT Online über das 100-jährige Jubiläum der Tour de France (bit.ly/1j4tINl). Eigenen Aussagen zufolge haben daran aber zwei Dutzend Akteure mitgearbeitet: Reporter und Datenjournalisten, Foto-, Video- und Entwicklungsredakteure, Designer und Programmierer. Weil sich das keine Redaktion dauerhaft leisten kann und freie Journalisten oder Gründer kleiner Onlinemagazine auch kein Budget für ein so großes Team besitzen, gibt es einige Tools, mit denen solche oder ähnliche Multimediareportagen erstellt werden können. Zwei dieser Tools sind Pageflow und Aesop. Datenjournalismus Scrollytelling ist natürlich nicht die einzige neue Darstellungsform im Netz. Regelrecht zum Trend geworden ist Data Driven Journalism – auf Deutsch: Datenjournalismus. Zugegeben: Der Umgang mit Daten ist im Journalismus nicht ganz neu. Schon immer haben Journalisten Daten in ihren Beiträgen verarbeitet. 77 Datenjournalismus allerdings nimmt Zahlen in den Fokus und diese manchmal sogar zum Anlass, überhaupt eine Geschichte zu finden. Zahlen können nämlich jede Menge inhaltliches Material für einen Beitrag hergeben, sei es ein öffentlicher Haushalt oder andere Statistiken, die beim näheren Anschauen mehr sind als eine Zahlenwüste. Wikileaks oder die Offshore-Leaks sind da natürlich die extremsten Beispiele. Aber auch andersherum kann eine Geschichte entstehen. Man steht vor einer bestimmten Frage oder Thematik, deren Beantwortung eine Auseinandersetzung mit Daten – manchmal mit jeder Menge Daten – erforderlich macht. Ein schönes Beispiel ist die Geschichte der „Berliner Morgenpost“ über die Strecke der Buslinie M29 (bit.ly/1y8dvjm). Als User sitzt man quasi am Steuer und fährt die gesamte als Film ablaufende Strecke ab. Anhand verschiedener Aspekte wie Einkommen, Migration oder Airbnb-Ferienwohnungen hat die „Morgenpost“ Haltestelle für Haltestelle die Unterschiede innerhalb Berlins aufgezeigt – und zusätzlich in ein Scrollytelling-Format verpackt. Nun sind solche und ähnliche Beispiele mit hohem Aufwand verbunden und mit geringen Ressourcen kaum zu bewerkstelligen. Es gibt aber durchaus Fälle, in denen Datenjournalismus auch im Kleinen sinnvoll erscheint. Etwa wenn der kommunale Haushalt in seine Einzelteile zerlegt wird oder die Top 100 der Twitter-Persönlichkeiten an Follower-Zahlen und Tweets gemessen grafisch dargestellt werden. Solchen kleinen wie großen datenjournalistischen Projekten liegt vor der Visualisierung in aller Regel eine Excel-Tabelle zugrunde, die – falls nicht schon aus irgendeiner Quelle vorhanden – selbst erstellt werden muss. Diese Tabelle kann dann mit cleveren Tools in eine Grafik umgewandelt werden. Ob Torten- oder Balkendiagramm, Länderkarte oder auf eine andere Art und Weise – interaktive Grafiken passen Nutzer individuell nach ihren Wünschen und Bedürfnissen an. Zum Beispiel mit Datawrapper. Infografiken Wer sich im Netz bewegt, der tut das meist nicht stundenlang auf der immer gleichen Seite. Stattdessen schnappt man überall ein bisschen auf und hüpft von A nach B nach C. Es ist also von hoher Bedeutung, Inhalte ansprechend und knackig aufzubereiten, um möglichst viele Nutzer abzufangen. Neben aufsehenerregenden Bildern oder reißerischen Überschriften sind Infografiken – noch etwas extremer als reine Diagramme oder Ähnliches – eine Möglichkeit, Informationen übersichtlich und 78 Qualtätsjournalismus interessant visuell zu verpacken. Vor allem in den sozialen Netzwerken werden die oft etwas längeren Infografiken gerne geteilt und verbreitet, weil sie leicht zu verstehen sind. Aber wie lassen sich solche Visualisierungen technisch herstellen? Erscheint es auf den ersten Blick so, als ob die vielen Bilder und Grafiken, welche die Zahlen und anderen Fakten innerhalb der Infografik schmücken, aufwendig konstruiert werden müssen, versteckt sich dahinter oft ein simpel zu bedienendes Tool. Zwar sind erklärende Grafiken per se nichts Neues. Aber die Art und Weise, wie sie in aller Regel ausschauen (nämlich eine lange Vertikale mit vielen grafischen Elementen) und wie simpel sie hergestellt werden können, machen sie zu einem beliebten Stilmittel. Thematiken mit vielen Daten und Fakten lassen sich somit verständlich darstellen. Mit Tools wie Infogr.am oder Canva lassen sich Infografiken wie im Baukastensystem erstellen: Text- oder Bildelemente können beliebig hin- und hergeschoben und skaliert werden. Einige Standardgrafiken zum Ausschmücken von Informationen stehen meist schon zur freien Benutzung zur Verfügung. terten Schlagwörtern Datenjournalismus und Multimedia-Storytelling auch immer wieder Begriffe wie Explanatory Journalism, Augmented Reality (AR) oder Immersive Journalism (bit.ly/1figfkI) auf. Sind das alles bloß irgendwelche Modewörter und exotische Formen, oder spielen sie tatsächlich eine große Rolle? Und: Haben sie eine Zukunft? Die Frage lässt sich heute noch nicht beantworten, weil es zum einen eine Frage der Verbreitung von technischen Mitteln ist (werden etwa AR-Brillen wie die Oculus Rift der breiten Masse zugänglich sein oder nicht?) und weil es zum anderen davon abhängen wird, welches Verständnis wir von Journalismus haben oder entwickeln werden. Journalistische Beiträge mit Augmented Reality, also einer virtuellen Realität durch entsprechende Brillen, und mit Immersive Journalism, am Computer nachinszensierten Nachrichten, sind streitbare journalistische Genres. Während die einen darin innovative Aufbereitungsmöglichkeiten sehen, können andere damit nichts Journalistisches anfangen. Über die Qualität lässt sich hier allerdings noch gar keine Aussage treffen, da die praktischen Beispiele noch derart überschaubar sind, dass eine Beurteilung nie nachvollziehbar zu belegen wäre. Neuer Journalismus Wenn wir von einem „neuen Journalismus“ sprechen mit all den Optionen, die dieser bietet, dann tauchen neben den schon erläu- Anders verhält es sich beim Explanatory Journalism, also einem erklärenden Journalismus. Dieser ist nicht wirklich neu – vor Jahrzehnten wurde eine Kategorie des Pulitzer-Preises danach benannt 79 Datawrapper Infografik-Tools Was? Das Netzwerk Journalism++ und das Bildungswerk der Zeitungen ABZV haben das Open-Source-Tool Datawrapper (datawrapper.de) entwickelt, das sie als Basisversion kostenlos und mit umfangreicheren Funktionen, zum Beispiel der Einbindung in eine Website, oder für Teams kostenpflichtig zur Verfügung stellen. Damit sind Grafiken jeglicher Art leicht und anpassungsfähig erstellbar. Was? Infografik Tools gibt es eine Menge, die sich nicht wesentlich unterscheiden und neben einem kostenfreien Basis-Account einen oder mehrere kostenpflichtige Pro-Accounts anbieten. Da wären zum Beispiel Infogr.am (infogr.am), PiktoChart (piktochart.com), Easel.ly (easel.ly) oder Canva (canva.com). Pro: Datenvisualisierungen sind auf Basis einer Datentabelle kinderleicht möglich. Pro: Alle Tools funktionieren nach einer Art Baukastenprinzip und sind damit meist intuitiv bedienbar. Frei verfügbare Grafiken und Elemente sind für den Anfang ausreichend. Contra: Schon die WebsiteEinbindung erfordert einen kostenpflichtigen Account. Kenntnisse für das Anlegen einer Tabelle werden vorausgesetzt. Contra: Wer regelmäßig Infografiken erstellt und mehr Icons benötigt oder wen das Tool-Logo stört, der braucht eine kostenpflichtige Version, die dann teilweise richtig ins Geld geht. Pageflow Aesop Was? Pageflow (pageflow.io) ist ein Tool für multimediales Storytelling bzw. Scrollytelling. Die Agentur Codewise hat es gemeinsam mit dem WDR erstellt und als Open Source zur freien Verfügung gestellt. Wer selbst keinen Server hat, kann auf das kostenpflichtige Hosting zurückgreifen. Für das „Mini-CMS“ (CMS = Content Management Sytstem) ist es von Vorteil, ein paar Programmierkenntnisse zu haben. Was? Aesop (aesopstoryengine.com) ist im Gegensatz zu Pageflow kein eigenes CMS, sondern ein Plug-in für WordPress. Das Tool ist somit in die normale WordPress-Umgebung eingegliedert und lässt sich vergleichsweise einfach bedienen. Je nach verwendetem Theme wird der Beitrag jedoch nicht in voller Breite dargestellt. Pro: Das Tool ist sehr umfangreich und auch für den professionellen Einsatz ausreichend. Contra: Ganz ohne Programmierkenntnisse kommt man bei kostenpflichtigen Varianten nicht aus. –, und einige würden sagen, Journalismus ist immer erklärend. Es existieren nun allerdings neue Medienformate abseits traditioneller Medienhäuser, die diesen vielleicht etwas verloren gegangenen erklärenden Journalismus zu ihrer Hauptaufgabe machen. Da wären zu nennen Vox.com von Ezra Klein, der für sein Medien-Start-up die „Washington Post“ verlassen hat. Oder Nate Silver mit seinem Start-up FiveThirtyEight.com. Beide haben gemeinsam, Inhalte so aufbereiten zu wollen, dass sie von Grund auf verständlich sind. Damit ist gemeint, dass nicht ständig nur das Update berichtet wird, sondern der Gesamtzusammenhang dargestellt wird. Auch Datenjournalismus oder Infografiken können hier eine Rolle spielen. Explanatory Journalism ist ein alter Hut, der durch die digitalen Möglichkeiten neu geformt wird. Fazit Onlinejournalismus kann mehr, wenn Journalisten mehr können. Allerdings ist dafür nicht zwingend tiefes technisches Know-how erforderlich. Stattdessen lohnt es sich, Informationen darüber einzuholen, welche Tools der Markt bietet. Mit deren Hilfe können sich auch Digitalanfänger in die Welt der Datenvisualisierungen, Infografiken und des Multimedia-Storytellings begeben. Klar ist aber auch, dass mit den Erfahrungen die Bedürfnisse und Ansprüche wachsen, denen die kostenlosen Basisversionen oft nicht mehr Pro: Das Plug-in ist schnell installiert und einsatzbereit. Für Anfänger ein gutes Experimentierfeld. Contra: Ohne ein Aesop-eigenes Theme läuft nicht alles reibungslos und ohne Fehler. Nichts für professionelle Ansprüche. gerecht werden. Soll es technisch einwandfrei, ohne Ecken und Kanten, ohne fremdes Entwicklerlogo und etwas komfortabler sein, dann ist der Griff ins Portemonnaie nicht vermeidbar. Aber die Investitionen lohnen sich – nicht nur für das Auge. Auch mit Blick auf Qualitätsjournalismus im Sinne von Recherchetiefe und Informationsgehalt sowie einer neuen Lese- bzw. Rezeptionsqualität eignen sich die vorgestellten Werkzeuge prima. Sie bilden den „alten“ Journalismus nicht bloß im Netz ab, sondern formen ihn und passen ihn an die neue Umgebung an. Somit könnte er sogar für junge, vermeintlich lesefeindliche Nutzer wieder interessanter werden und einen neuen Anreiz schaffen. Bei all den Vorteilen darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass diese neuen Formen eine große Herausforderung für Verlage darstellt – vor allem finanziell. Wenn aber der Journalismus mit diesen Mitteln auf eine neue Ebene gehoben wird, dann könnten sich diese Investitionen lohnen. Denn was wäre ein Onlinejournalismus, der mehr kann, aber nicht mehr macht? J u l i a n H e c k ist freier Journalist und Dozent. Er schreibt für Fachmagazine über die Themen Medien, Technik und digitale Wirtschaft und ist bundesweit als Trainer und Dozent tätig. 2013 wurde er vom „Medium Magazin“ unter die „Top 30 bis 30“-Nachwuchsjournalisten gewählt. [email protected] 80 J o u r n a l i s m u s u n d P R D i e S e i t e n w e ch s l e r I m m e r m e h r W i r t s ch a f t s journalisten verlassen B r a n ch e u n d g e h e n in die PR – aus unters ch i e d l i ch e n M o t i v e n Foto: Deutsche Bundesbank die Ein eingespieltes Team: Bundesbankchef Jens Weidmann (l.) und sein Kommunikationschef, der frühere Wirtschaftsjournalist Michael Best, auf dem Weg zur Pressekonferenz. 81 Frank Bremser Michael Best hat beim Hessischen Rundfunk (hr) Karriere gemacht: Vom Hörfunk- und Fernsehreporter hat er sich zum Redaktionsleiter ARD-Aktuell, zum Programmgruppenleiter Fernsehen Wirtschaft und Fernsehen Aktuelles des hr hochgearbeitet. Zuletzt war er Leiter der hr-Börsenredaktion und das Gesicht der ARDBörsenberichterstattung. Trotzdem hat Best den öffentlich-rechtlichen Sender im Herbst 2011 verlassen, um Kommunikationschef der Bundesbank zu werden. „Ich wurde von der Bundesbank persönlich angesprochen und habe Präsident Weidmann kennengelernt“, erinnert sich der 57-jährige. „Für mich war schnell klar, dass die Chemie stimmt.“ Branchenkenner werten Bests Wechsel als klaren Aufstieg: Best habe sich nicht nur finanziell verbessert, sondern auch aus der Karrieresackgasse beim hr befreit und sich mehr Einfluss und neue Gestaltungsspielräume gesichert. Best selbst beschreibt die Anziehungskraft der neuen Position so: „Als unabhängige Institution hat die Bundesbank ein dem öffentlichrechtlichen Rundfunk verwandtes Selbstverständnis. Ihre Themen stehen infolge der Schuldenkrise im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Das hat mich gereizt.“ Mit Jens Weidmann an der Spitze hat sich die Zentralbank geöffnet, was auch mit Chefkommunikator Best zu tun hat, dessen Credo ist, „mit Journalisten so umgehen, wie man es sich selbst als Journalist immer gewünscht hat: Nicht mauern, nicht abtauchen, nicht verschleiern, sondern offenlegen, erklären, argumentieren.“ Über eine Rückkehr in den Journalismus denkt der frühere ARD-Börsenblogger nicht nach: „Ich hatte eine großartige Zeit. Aber das Neue ist so interessant und anspruchsvoll, dass ich nicht zurückblicke.“ Während Best seine Position beim hr aus freien Stücken aufgegeben hat, fiel die Entscheidung für die PR bei anderen Wirtschaftsjournalisten in den letzten Jahren eher unfreiwillig: Über 400 Journalisten hatten durch die Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“ ihren Job verloren, gut 300 fest angestellte Journalisten durch die beiden Pleiten der dapd. Das Aus für die G+J-Wirtschaftsmedien („FTD – Financial Times Deutschland“, „Capital“, „Impulse“, „Business Punk“ und „Börse Online“) spülte noch einmal 350 Kollegen auf den sogenannten „freien Markt“. Einer von ihnen war Frank Bremser, zuletzt Redakteur Märkte im Jochen Mörsch FTD-Finanzressort Frankfurt: „Nach dem Ende der FTD fiel ich erst mal in ein Loch“, erzählt der 38-Jährige. „Ich war journalistisch da angekommen, wo ich mich hundertprozentig wohlfühlte, und nun hatte ich die Stelle verloren.“ Den ersten Impuls, aus Angst und Verunsicherung einfach irgendeine Stelle anzunehmen, unterdrückt Bremser, wechselt stattdessen in die Transfergesellschaft, wo er in Ruhe auch die Möglichkeiten eines Kommunikationsjobs auslotet: „Ich hatte immer schon gesagt: Irgendwann mache ich das, irgendwann probiere ich PR aus. Nun war der richtige Zeitpunkt.“ Seit August 2013 arbeitet Bremser als Pressesprecher bei der Deutschen Asset & Wealth Management und ist zufrieden mit dem Job. Wenngleich die Lernkurve steil war: „Wenn man aus der relativ freien Umgebung einer Redaktion kommt, ist die Umstellung auf die sehr klaren, festen Strukturen einer Konzernpressestelle schon groß.“ Jochen Mörsch ist heute ebenfalls in der PR tätig: Der frühere Leiter des Geldressorts der G+J-Wirtschaftsmedien wurde zunächst Ressortleiter Finance & Economy und Mitglied der erweiterten Geschäftsführung von Script Communications. In dieser Funktion beriet er vom Standort Frankfurt aus Agenturkunden in Sachen Unternehmenskommunikation. Seit Januar dieses Jahres wiederum ist Mörsch Leiter des Bereichs Interne & Externe Kommunikation beim Bankhaus Sal. Oppenheim in Köln. Nach sechs Jahren in der Mainmetropole hatte es ihn „zurück zu Familie und Dom“ gezogen, wie er sagt. Der Kontakt zu seinem ersten Arbeitgeber nach der journalistischen Laufbahn war damals über einen Headhunter zustande gekommen. Die Entscheidung für die PR fiel trotz des vorausgegangenen Stellenverlusts bewusst: „Nach 13 Jahren im Journalismus war es an der Zeit für einen Seitenwechsel. Mir war die unternehmerische Facette wichtig. Und ich wollte auch einmal überprüfen, ob die Vorurteile, die Journalisten gegenüber PR-Agenturen haben, zutreffen. Ergebnis: Die meisten sind falsch.“ Journalisten, die in die PR wechseln, rät Mörsch, nicht so zu tun, als seien sie immer noch Journalisten – weder den Ex- noch den neuen Kollegen gegenüber: „Es heißt schließlich nicht umsonst Seitenwechsel. Das vergessen manche, auch weil die Unterschiede kleiner sind, als viele annehmen. Denn es geht auch 82 K o m m u n i k a t i o n s o r t F r a n k f u r t e r P r e s s e C l u b Tim Bartz in der PR-Arbeit um Kommunikation, gute Recherche und das Setzen von Themen. Allerdings ist vieles naturgemäß langfristiger angelegt als bei einer Tageszeitung.“ Einer, der nach der FTD-Pleite ebenfalls in die Kommunikation gewechselt ist, mittlerweile aber wieder als Journalist arbeitet, ist Tim Bartz. Der frühere Leiter des FTD-Finanzressorts war im Mai 2013 als Director zu Hering Schuppener gegangen, nur fünf Monate später jedoch wieder ausgestiegen, um nun als FrankfurtKorrespondent für das „manager magazin“ zu arbeiten. Den Kommunikationsjob will er dennoch nicht als Notnagel verstanden wissen. Schließlich habe er eine Menge gelernt: „Unter anderem dass ein PR-Job nur etwas für Leute ist, die ihr Ego hintanstellen und sich voll auf die Mandanten einlassen können: Wer sich nicht auf die Zunge beißen kann, sollte es lassen“, sagt der 44-Jährige. Dass viele, gerade ältere Kollegen die Seiten wechseln, findet Bartz angesichts der fortwährend schrumpfenden Branche ein völlig rationales Verhalten: „Je älter die Kollegen, desto eher die Neigung, den vermeintlich sicheren Hafen anzusteuern. Wobei es Wirtschaftsjournalisten gewiss leichter haben, einen gut bezahlten Job in der Kommunikation zu finden als zum Beispiel Politikjournalisten.“ Vor allem Agenturen für Finanzkommunikation, Versicherungen und Banken haben in den letzten Jahren vermehrt Wirtschaftsjournalisten in ihre Kommunikationsabteilungen geholt. So ist Michael Best nicht der erste Journalist in den Diensten der Bundesbank. Christine Claire Graeff Auch sein Vorgänger Benedikt Fehr kam einst als anerkannter Bankenkorrespondent von der FAZ. Ein gutes Beispiel für „kommunikative Aufrüstung“ ist auch die Europäische Zentralbank (EZB), die sich seit Amtsantritt der früheren Brunswick-Partnerin Christine Claire Graeff als Generaldirektorin Kommunikation Anfang 2013 gezielt mit Topjournalisten verstärkt: Uta Harnischfeger (früher FTD), Rolf Benders (zuvor „Handelsblatt“) und Stefan Ruhkamp (zuletzt FAZ) sind nur einige Beispiele. Zu den Personalien äußern mochte sich die EZB nicht. Und auch die Exjournalisten schweigen lieber. In einem früheren Interview mit dem „prmagazin“ hatte Graeff ihre Personalauswahl jedoch so begründet: „Wir wollen aktiver kommunizieren und uns mehr der Bevölkerung erklären. Deshalb stärken wir die journalistische Kompetenz.“ Auch Rüdiger Scharf ist nach einer Karriere im Journalismus (u. a. bei „Bild“ und der „Berliner MoPo“) 2002 auf die Unternehmensseite gewechselt. Heute koordiniert der 52-Jährige die regionale Pressearbeit für die DAK-Gesundheit. Daneben arbeitet er als Dozent in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten und PR-Fachleuten. Sein aktuell am besten gebuchtes Seminar heißt „Seitenwechsel: Vom Journalisten zum erfolgreichen Pressesprecher“. Den Run auf seinen Kurs erklärt sich Scharf mit der „Zeitungskrise“ und dem Aus diverser Medien. Den Wunsch nach einem besseren Verdienst oder mehr Verantwortung hat er bislang von keinem seiner Kursteilnehmer als Motiv, in die PR zu gehen, gehört: „Einige hatten gerade ihren Job verloren oder befürchteten 83 Rüdiger Scharf Michael Inacker einen Stellenabbau in der Redaktion. Andere wollten geregelte Arbeitszeiten, bei denen Wochenendeinsätze nicht mehr die Regel sind. Wieder andere wollten sich einfach über die ,andere Seite‘ informieren und herausfinden, ob auch dieser Job interessant ist.“ Freie Mitarbeiter, Redakteure, Ressortleiter, Reporter, CvD aus allen Mediengattungen kommen in Scharfs Kurs. Hier lernen sie in zwei Tagen die Basics der PR. Doch nicht für jeden ist ein Wechsel ratsam, sagt der Coach: „Wer als Journalist Themen nicht länger nur hinterherjagen, sondern sie selbst setzen will, sollte den Seitenwechsel wagen. Wer seine Erfüllung hingegen im Schreiben findet und schon bei der Einladung zu einer Besprechung oder Abstimmungsrunde Pickel bekommt, sollte lieber in der Redaktion bleiben.“ Der Prototyp des Seitenwechslers ist Michael Inacker. Der Mitgründer der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, Vizechefredakteur von „WirtschaftsWoche“ und „Handelsblatt“ war auch schon Public-Affairs-Leiter von Daimler und Metro-Kommunikationschef. Seit einem geplatzten Wechsel zu Siemens ist er Vorstandsmitglied der Kommunikationsberatung WMP EuroCom von Ex-„Bild“-Chef Hans-Hermann Tiedje. Nicht alle Journalisten sehen Inackers Seitenwechsel wie er als „Bereicherung für ein Journalistenleben“. Viele werten sie als Verrat an der journalistischen Sache. Das sieht Inacker wiederum nicht so: Ob Journalist oder PRler – letztlich stelle sich doch jeder in den Dienst seines Arbeitgebers, wenngleich mit einem Unterschied: „Journalisten sollten dem Gemeinwohl verpflichtet sein, als Kommunikator vertritt Dietrich Holler man ein Partikularinteresse, das aber letztlich immer auch Teil der gesamtgesellschaftlichen Debatte ist und prinzipiell und definitiv nichts ethisch Verwerfliches darstellt. Ein Unternehmen schafft Arbeitsplätze, zahlt Steuern – und wirkt somit an der positiven Entwicklung der Gesellschaft eines Landes mit.“ Auch wenn es mit Michael Inacker nur einen gibt, der mehrfach „zwischen den Welten“ hin- und hergewechselt ist, sind die Grenzen zwischen Journalismus und PR durchlässiger geworden. „Das eiserne Gesetz, wonach es aus der PR keinen Rückkehr in den Journalismus gibt, gilt so nicht mehr“, ist sich Dietrich Holler sicher, der nach sieben Jahren als Chefredakteur der „Agrarzeitung“ heute als Bereichsleiter Kommunikation die Interessen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Frankfurt vertritt. Für Holler (48) müssen sich Journalisten, die in die PR wechseln, ohnehin nur über eines klarwerden: „Stehe ich mit dem Herz und mit dem Kopf hinter dem, was ich tue – das heißt hinter dem Thema und der Art zu kommunizieren?“ Für sein Themengebiet ist sich Holler da ganz sicher. K at y W a lt h e r i s t f r e i e Medienjournalistin in Frankfurt. k a t y. w a l t h e r @ g m x . d e 84 D e r V o r s t a n d , d i e G e s c h ä f t s f ü h r u n g , d a s I m p r e s s u m Impressum Ausgabe Das Magazin 2015 des F R A N K F U R T E R P R E S S E C L U B S D e r V o r s ta n d SCHWERPUNKT Q ualitätsjournalismus das magazin Frankfurter PresseClub WERNER HOLZER Ehrenpräsident WERNER D’ÍNKA Präsident GERHARD KNEIER Vizepräsident NIKOLAUS MÜNSTER Schriftführer Mitherausgeber der FAZ Freier Journalist Leiter Presseamt Stadt Frankfurt © Frankfurter PresseClub e.V. Herausgeber: Frankfurter PresseClub gegr. 1980 Vereinsregister. Nr. 73 VR 7632 Anschrift Ulmenstraße 20 60325 Frankfurt am Main Tel.: 069/288800 Fax: 069/295803 [email protected] www.frankfurterpresseclub.de Präsident Werner D’Inka (Mitherausgeber FAZ) Vizepräsident Gerhard Kneier (Freier Journalist) Geschäftsführerin und Chefredakteurin Monica Weber-Nau (V. i. S. d. Presserechts) DR. MICHAEL AUGE Schatzmeister MICHAELA SCHMEHL Beisitzerin ARND FESTERLING Beisitzer ANKE KNAFLA Beisitzerin Leiter Information und Kommunikation des Sparkassen- und Giroverbands Hessen-Thüringen Redakteurin ZDF Mittagsmagazin Chefredakteur „Frankfurter Rundschau“ Diplom-Journalistin, Planungschefin hr-iNFO D i e G e s ch ä f t s f ü h r e r i n Autorinnen/Autoren Christian Bommarius, Inge Büttner-Vogt, Thomas Gehringer, Stephan Hebel, Julian Heck, Hilde Richter-Dikkaya, Stephanie Aurelia Runge, Christian Sälzer, Katy Walther, Monica Weber-Nau, Joachim Wille Gestaltung & Konzeption büro bockenheim agentur für konzeptionelles design Adalbertstraße 10a 60486 Frankfurt am Main Tel.: 069/970617-0 [email protected] Redaktionelle Betreuung, Korrektorat und Schlussredaktion Dr. Michael Behrendt Text & Konzeption [email protected] MONICA WEBER-NAU Geschäftsführerin T: 069 288800 [email protected] Druck Henrich Druck + Medien, Frankfurt am Main Anzeigen Odo-Ekke Bingel Tel.: 06173/608606 Fax: 06173/608603 [email protected] Erscheinungsweise Jährlich, kostenlos Deutsche Bank the-brandspace.de Für 70.000 Besucher ein Erlebnis. 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