ausland - Neue Zürcher Zeitung

Transcrição

ausland - Neue Zürcher Zeitung
Ülene
Äjer Leitung
Provinzparteitage in China
als sie vor der «Kulturrevolution» besaßen. Diese
gemeinsame Führungsstruktur für Partei, Staat1
Parteitage
und Armee, die eine Konzentration auf der Ebene
Kx. Reihum werden jetzt in China
Dezentralisierung
der Provinzen mit einer gewissen
der Provinzen abgehalten und neue leitende Par- verbindet,
hat natürlich auch mit der fortgesetzten
teiorgane, Provinzzentralkomitees und Partcisekre' «Vorbereitung
Kriegsfall»
zu tun.
auf einen
täre bestimmt. Damit tritt der auf dem 9. Parteitag
im April 1969 beschlossene Aufbau einer völlig
neuen, muoistischen Partei in seine letzte entscheidende Phase. Die damit verbundene «Parteirektifikation», die Ausschaltung der Anhänger des ge-
stürzten Liu Schao-tschi und die Aufnahme «jungen
Blutes», hat lange gebraucht und scheint auf Hindernisse gestoßen zu sein. Nach einem Leitartikel
in «Rcnmin Ribao» vom 31. Januar werden gegenwärtig in allen 29 Provinzen und selbständigen
Großstädten Chinas Parteitage durchgeführt oder
vorbereitet. .Sie sollen bis zum Sommer abgeschlossen sein, genauer bis zum bereits groß angekündigten SO'Jahr-JubHälim der Kommunistischen Partei Chinas am 1, Juli,
Das Prozedur«;
Maos Erwartungen
Parteiorganisationen
neugeschaffenen
haben nach «Rcnmin Ribao» als wichtigste Aufgabe, «die Tradition des Vorsitzenden Mao von
Generation auf Generation zu überliefern». In den
ersten Beschlüssen der Provinzkomitees wurde
gleichlautend die Förderung der ideologischen
Schulung herausgestrichen. Besonders die neuen
führenden Funktionäre sollen sich ernsthafter dem
Studium der Mao-Tsetung-Idccn widmen und
sich vor Ueberhebllchkelt in acht nehmen. In
Kiangsi wurde in einem besonderen Parteierlaß
befohlen, die höheren Kader müßten sich zwei
Monate, die mittleren Kader einen Monat und
die unteren Kader zwei Wochen im Jahr zur
Die
Arbeit in Fabriken und Volkskommuncn begeben.
Auf diese Weise soll verhindert werden, daß der
neue Parteiapparat verbürokratisiert und die neuen
Funktionäre ebenso zu «roten Mandarinen» fern
Bereits haben sieben Provinzen und eine Großstadt Parteitage abgehalten, nämlich Hunan
(24. November bis 4. Dezember), Kiangsi (18. bis
26. Dezember), Kwunglung (18. bis 26. Dezember), Kiangsu (19. bis 26. Dezember), Schanghai
(4. bis 10. Januar), Liaoning (9. bis 13. Januar),
Tschckiang (20. bis 28. Januar) und Anhwei
(15. bis 31, Januar). Es hat wohl auch symbolische
Bedeutung, daß Maos Heimatprovinz Hunan, die
jetzt als eigentliche Wiege des Kommunismus in
China gilt, mit der Abhaltung ihres Parteitags
voranging und daß drei weitere Provinzen ihre
Parteitage ausgerechnet am 26. Dezember, dem
Geburtstag Maos, abgeschlossen haben. rD e Ablauf dieser Parteitage folgte einem ähnlichen
Schema, das vermutlich auf dem zweiten Plenum
des Zentralkomitees im September festgelegt
wurde. Nach der Auswahl der Delegierten, deren
Prozedur allerdings nicht genau beschrieben wird
und die angeblich in einer «breiten Diskussion
von oben nach unten und von unten nach oben»
stattgefunden haben soll, versammelten sich die
Delegierten, meist über tausend, in der Provinzhauptstadt. Sie hörten den Rechenschaftsbericht
einer sogenannten «Kerngruppe», die bis zum
Parteitag für die Parteiarbeit zuständig war. Nach
«hitzigen Diskussionen» wählten sie das Zentralkomitee der Provinz, das als «Dreierverbindung
von Alten, Mittclalten und Jungen» vorgestellt
wird. Das Zentralkomitee ernannte dann ein
Ständiges Komitee sowie die Parteisekretäre und
deren Stellvertreter. Die neuen Komiteemitgliedcr
mußten von der Parteiführung in Peking bestätigt
werden.
Militär und Parteikader
Spitze der Provinzen getreten waren, übernehmen
jetzt also auch die Leitung ihrer Parteiorganisationen. In der Mehrheit handelt es sich bei diesen
neuen Sekretären um Militärführer und alte Parteikader, die gegenwärtig in den Provinzen gemeinsam das Heft in der Hand halten. In Nanking, Kanton und Shenyang wurden die Kommandanten der mehrere Provinzen umfassenden
Militärregionen, die bereits die Revolutionskomitees von Kiangsu, Kwangtung und Liaoning leiten,
zu Ersten Sekretären der Provinzparteien ernannt.
]n Anhwei übernahm der Chef der Politischen
Generalabteilung der Volksbefreiungsarmee, Li
Teh-scheng, die Leitung des Provinzparteikomitees. Auch wenn in den meisten der bisher gebildeten Provinzsekretariate die Armee eine Mehrheit besitzt, kann doch nicht geradewegs behauptet werden, daß die Partei jetzt überall vom Militär
beherrscht werde. In Hunan wurde der frühere
Provinzsekretär Hua Kuo-feng zum Ersten Sekretär ernannt. In Schanghai haben sich die dort herrschenden «radikalen Revolutionäre» behaupten
können; unter den sieben neuen Sekretären ist nur
ein Militär, der Kommandant der Garnison, zu
finden. Sonst aber ist es den «Roten Garden»
nicht gelungen, in den neuen Provinzorganisationen Einfluß zu gewinnen. Unter den neuen Provinzparteifunktionären läßt sich wenig «junges
Blut» feststellen. Die einzige Ausnahme ist bisher
Mao Yuan-hsin, ein Neffe des Parteivorsitzenden,
der sich als «revolutionärer Rebell» in der Armeeingenieurakademie in Harbin hervorgetan hatte
und jetzt Stellvertretender Sekretär der Provinz
Liaoning geworden ist.
Sonntag-, 7. Fcbrunr 1971
der Massen werden, wie es die in der «Kultur
revolution» zerschlagene Parteiorganisation an
geblich unter dem Einfluß von Liu gewesen war
Die neuen Parteiorgane sind bestrebt, di
Fäden der Kontrolle wieder in ihre Hand zi
bringen. In den Reden auf den Provinzparteitagei
wurde gefordert, vor allem den Einfluß der Parte
in der Wirtschaft zu stärken. Eine weitere Aufgab
der neuen Provinzorganisationen ist die Vorberei
tung des 4. Nationalen Volkskongresses, der nocl
im Laufe dieses Jahres einberufen werden soll. In
der Pekinger Parteizeitung wird verlangt, daß de
Wiederaufbau der Provinzparteien mit Energi
fortgesetzt werden müsse, und sie gibt zu, daf
auf dem weiteren Weg noch manche Schwierig
keilen und Auseinandersetzungen zu erwartci
seien. Ob die neuentstchendß Partei wirklieh dem
Bilde Maos entspricht und ob sie tatsächlich di
führende Rolle in der «Diktatur des Proletariats»
nach Maos Erwartung auch gegenüber der Staats
Verwaltung, der Wirtschaft, den Intellektuellen
und nicht zuletzt der mächtigen Armee zu spielci
vermag, wird sich erst zeigen, wenn die in erster
Umrissen sich abzeichnende neue Macht- um
Führungsstruktur auf allen Ebenen voll zur Wir
kung gelangt.
Im Armenhaus der westlichen Hemisphäre
legt und dazu erklärt:
Plakat, auf dem «Papa Doc» die Hand auf die Schulter seines Sohnes Jean-Claude
Nachfolger
«Dies ist der junge Führer, den ich euch in meiner Botschaft vom 2. Januar 1971 als meinen
.'
..','...".".".
.
»Ti>
-
verkochen haj\e.»
Terror und Elend in Haiti
R.F.L. Port-au-Prince, im Januar
r e kürzeste Weg von Mexiko zw'.hisel
D
Hispaniola führt über Yucatan und Jamaica. Das
Flugzeug ist bis auf den letzten Platz mit mexikanischen Feriengästen besetzt, welche die kalte
Hochplateau
Jahreszeit auf dem mexikanischen
zu einem Abstecher nach dem heißen Merida
archäologischen
nützen, vor
Schätzen
mit seinen
Ausflug
.
.,
...
.
,
,
.
,.
(dagegen ist die Unabhängigkeit schon eine Selbstverständlichkeit, und das Interesse der Jamaicandr1,' Vor allem der sich augenscheinlich verstärkenden- Mittelschichten, gilt zuvorderst der Wirt-
36)
Errichtung eines belgischdeutschen Naturschutzparkes
gh. Brüssel, 4. Februar
Die belgische Oeffentlichkeit widmet der soeben
in CcmUnd (Eifel) erfolgten Unterzeichnung zweier
belgisch-deutscher Abkommen über die Errichtung
eines gemeinsamen Naturschutzparkes, Hohes VennEifel, von 2300 Quadratkilometern Ausdehnung besondere Aufmerksamkeit. Eines der beiden Abkommen
regelt die Tätigkeit einer belgisch-deutschen Raiinipkinungskommission. Das andere Abkommen befaßt sich
mit der künftigen Verwaltung des Naturschutzparkes.
Da der Naturschutz in der Bundesrepublik in denKompetenzbereich der Länder gehört, wurde dieses Abkommen mit den Regierungen der beiden Bundesländer, die im Belgien grenzen, mimlieh NordrhelnWcstfalen und Rheinland-Pfalz, abgeschlossen. Es ist
Belgien mit einem deutdas erstemal seit 1870, daß
schen Einzelstnat einen Vertrag abschließt.
Die Bedeutung des Abkommens über die gemein-
belgisch-deutschen Grenzsame Regionalplanung im
gebiet wird in Brüssel besonders unterstrichen. 13er
Vertrag wird nämlich die Grundlage einer neuen
Verkchrsstriiktur im Gebiet zwischen Belgien, dem
südlichen Rheinland und ganz SUdwestdcutschlaml
bilden, Auf belgischer wie auch auf deutscher Seite
Verbindung Antwerpens
wünscht man eine direkte
und LUttichs mit dem Rhein-Main-Gebiet über die
Hunsrück,
wodurch
die überlasteten
Eitel und den
Verkehrsadern des Rhcintales abwärts von Mainz
benötiyt
Bau
einer SchnellDer
würden.
nicht mehr
straße von Verviers, das an rd e Autobahn Aachen
Antwerpen gelegen ist, nach Malmedy und Prüm mit
Stuttgart
einer Weiterführung nach Frankfurt und
belgischcrscits bereits bewilligt,
ist vorgesehen und
übrigens
Verbindung
auch
würde
worden. Eine solche
belgischen
den Verkehr zwischen der Schweiz und den
weitgehend begünstigen.
-
an die karibische
allem aber zu einem
Küste Mexikos, wo in den letzten Jahren ein
Ferienplatz nach dem anderen entstanden ist. Es
heißt, daß dieser Landstrich mit seinen kleinen,
der Küste vorgelagerten Inseln schon bald dem
Modebad Acapulco den Rang ablaufen werde.
In Merida hat sich unser Jet fast vollständig
geleert, obwohl die Fluggesellschaft von Mexiko
anfliegt.
aus nur zweimal wöchentlich Jamaica
Doch das Interesse der Mexikaner an den Antilgering,
nicht zuletzt auch deshalb, weil wesen.
len ist
diese Kette von Natur aus paradiesischer Inseln
Auch der Süden Jamaicas und die Umgebung
nur teilweise dem iftero-amerikanischen Zivili- der Hauptstadt fänden im Tourismus Entwicksationsbereich angehört. Wenn nun der Latein- lungsmöglichkeiten; doch entstehen hier vor
amerikaner diesen Bereich verlassen will, dann allem auf lokalen Rohstoffen basierende Indueher, um London und Paris als Kingston oder strien. Die wichtigsten Produktionsbranchen sind
gegenwärtig Bauxitabbau und AluminiumerzeuPort-au-Prince einen Besuch abzustatten,
gung; doch es expandiert auch die LeichtinduDynamik und Schlumperei in Jamaica
strie. Dagegen scheint in der Landwirtschaft eine
Stagnation eingetreten zu sein. In den
Zum letzten Mal war ich in Jamaicas Haupt- gewisse
ErzeugKingston
vor einem halben Jahrzehnt, zu Supermärkten der Hauptstadt, wo dieangeboten
stadt
jungen lokalen Industrien
einem Zeitpunkt demnach, als die Verleihung der nisse der
Unabhängigkeit an diese 11 000 Quadratkilo- werden, stellt man mit Erstaunen fest, wie verhältnismäßig breit das einheimische Angebot ist.
meter große Insel durch die britische Krone
keineswegs
noch nicht allzuweit zurücklag und immer wie- An ausländischen Waren dominieren
der in den politischen Debatten auftauchte. Heute nord- oder lateinamerikanische, sondern britische
:..lV.-j.,;\..«fe--.:.-.i...1
"T tsimmmT&?zzx&mmz>.*zrit*i
.a ^..ujj!».^
<tPapa Doc»
Der Regierungspalast des Präsidenten auf Lebenszeit, Dr. ined. Frangois Duvalicr, genannt
üs
Mitglied des
Produkte: Jamaica ist schließlich
Commonwealth.
Die karibische Insel mit dem Linksverkehr
und dem Fünfuhrtee als Institutionen, den dun,
kelhäutigen Bobbies und dem dünnen Kaffee
ist
freilich keineswegs problemlos. Die Kampagnen
durchzur Familienplanung, die hier systematisch
geführt werden, haben zwar den Bevölkerungsdruck schon etwas vermindert (die Zuwachsrate
liegt zurzeit unter 3 Prozent im Jahr
für kariniedrige Quote); doch
bische Verhältnisse eine
gibt es weiterhin breite Bevölkerungsschichten,
die am Rande des Existenzminimums leben, denn
die Arbeitslosigkeit .ist immer noch endemisch,
niedrig. Es
und die Grundlöhne sind sehr
herrscht Not an Schulen, an Lehrpersonal, an
qualifizierten Kräften für die Dienstleistungssektoren, unter anderem für die aufstrebende
Hotelleric.
In Jamaica trifft man allerdings nur selten auf
Bettler, und von der Trostlosigkeit karibischer
Elcndsquartiere ist in Kingston, wenn man zwischen Armut und Elend zu unterscheiden vermag, nur wenig zu verspüren. Doch wird es noch
viele Jahre dauern, ehe die Obere Stadt mit ihren
neuen Wohnquartieren, den Banken, Läden und
Hotels der Hauptstadt das Siegel aufgedrückt
laben wird. Vorerst herrscht das alte, koloniale
Kingston vor
mit Hafendunst, Kitschläden,
vlenschengewimmel und tropischem Verfall;
schlampig, anachronistisch
und liebenswert.
Am Flughafen von Kingston findet man nach
der Abfertigung keine Auskunftspersonen mehr,
und die Lautsprecher sind heiser. Um Genaueres
über unseren verspäteten Anschluß nach Haiti
,u erfahren, wagen wir uns aufs Flugfeld und
intlcn auch glücklich das Flugzeug, auf das wir
einzige am
warten. Ein Polizist, anscheinend der
latze, hat uns bei der Suche uninteressiert zuge-
schaft.'^
Man ist im vergangenen halben Jahrzehnt,
Wege zu
so glaubt, der Beobachter, auf dem
relativem
wirtschaftlicher Stabilität und
weitergekommen.
gutes
Im
Stück
Wohlstand ein
in Montcgo Bay, Ocho
Norden des Landes
Rios, Port Antonio
ist der Ausbau von Touristikzentren in vollem Gange, und man kalkuliert
Kingston, mit
in den Regierungskontoren von
der Zeit sogar am Touristikboom der Europäer
partizipieren
zu können;
als exotisches Reiseziel
denn Jamaica hat nicht nur ein paradiesisches
folglich
ganze Jahr
fast
das
Klima und bietet
hindurch alle erdenklichen sommerlichen Erholungsattraktionen; es hat auch ein stabiles, an
britischen Traditionen ausgerichtetes Gemein- sehen
Konzentration der Macht
Wichtiger als die Frage der Rolle der Armee
dürfte die Tatsache einer deutlichen Konzentration der Macht in den Provinzen Chinas sein.
Die meisten der neuen Provinzsekretäre gehören
bereits dem 1969 gewählten Zentralkomitee der
Gesamtpartei an. Der Erste und der Zweite Sekretär
von Shanghai, Tschang T s c h iu an o- und Yao
Wen-yuan, sowie die Leiter der Provinzkomitees
von Kiangsu, Hsu Shih-yu, und von Liaoning,
zwei mächtige und alteingesesTschen Hsi-Iien
gehören auch dem
,
sene Militärbefchlshaber
Peking
an. Die ncugebildeten ParteiPolitbüro in
sekretariate sind auch bedeutend kleiner als die
Provinzapparate vor der «Kulturrevolution»;
hatte zum Beispiel Kanton früher 16 Sekretäre,
zeigt sich nun
so sind es jetzt nur noch fünf. Es
auch immer deutlicher, daß die Leitung der für
die Provinzadminislration zuständigen Revolutionskomitees mit der Führung des Parteiapparats
und zum Teil auch mit dem Kommando der
Militärregionen und -bezirke in einer Hand vereinigt worden und das frühere Nebeneinander von
parallelen Hierarchien weggefallen ist. Mit dieser
neuen Organisationsform erhalten die Provinzen
Eigengewicht,
mehr Selbständigkeit und größeres
Nr. 6t (Fcrnnusgabe Nr.
Nordsechiifcn
Es überraschte nicht, daß die neuernannten
Provinzparteisekretäre mit den Führern der In der
«Kulturrevolution» eingesetzten Revolutionskomitecs identisch sind. Jene Männer, die in den
Machtkämpfen der «Kulturrevolution» an die
061/05
AUSLAND
..
Wiedersehen mit Port-au-Prince
Nicht so ungezwungen geht es auf dem
Aeroport Frangois Duvalier» von a
P uo -r t 'rince zu, den wir nach knapp cinstündigem
"lug erreichen. Im dunkeln machen wir bewaffnete Zivilisten aus, Gewehr im Anschlag. Im
'lughafengebäude wimmelt es von Geheim>olizei; unter den Wartenden vor dem Paßschaler sehen wir einige Fluggäste, die verängstigt an
hren Papieren nesteln. Blicke bohren sich uns
n den Nacken . .
Vor fünf Jahren stand an der Stelle des kleinen, funktionalistisch-cleganten Flughafengebäudes eine schmutzige Wellblechbarackc. Vor fünf
ahren rumpelten wir in einem uralten Taxi über
Geröll der Stadt zu; jetzt scheint uns das Taxi
moderner, und die Straße ist jedenfalls asphaltiert
Ergebund sauber. Das sind die ersten sichtbaren
nisse der «Revolution Duvalieriste», das heißt der
Frangois
einstigen
Landarztes Dr.
lerrschaft des
Juvalier, der in den vierziger und fünfziger Jähhervorragendsten schwarzen Inlelleken zu den
uellen Haitis gezählt wurde, 1957 nach Scheinvahlcn als «Mann des Volkes» die PräsidentAmtsperiodj
chaft übernahm und sich 1964 die
auf Lebenszeit» verlängern ließ. Ein weiteres
Zeugnis der Duvalicr-Acra finden wir später im
legierungsviertel am Hafen: es ist das neue
lauptquartier des Roten Kreuzes, ein kleines
rehitektonisches Schmuckstück. Schließlich gibt
s noch einen Neubau im Stadtzentrum, in dem
ie Steuerbehörde untergebracht wurde.
Ansonst hat sich im halben Jahrzehnt seit
em letzten Besuch in der Hauptstadt nach
ußen hin nichts geändert. Ein Gang durch die
genauso wie seinerzeit
zum
traßen wird
pießrutenlauf zwischen aufdringlichen Bettlern,
bgerissenen Polizeispitzeln und Gaffern, die
nach ausgiebiger Beäugung der ungewohnten
Hcichgcsichter
uns Schimpfwortc nachrufen,
vlan blickt in der Straße am besten zu Boden,
chon um den dahinplätschernden Abwässern ausveichera und die offenen Kanalisationsschächtu
06
6
Süimtng, 7. Februnr 1971
Nr.
61 (Foroaiisgabe
Nr,
AUSLAND
36)
rechtzeitig überspringen zu können, oder flüchtet
vor dem haitischen Alltag in die zwei, drei
Kunstgalerien. Dort knnn man immer noch herrliche Objekte primitiver Kunst erstehen oder
Kuhgegenstttnda des synkretistlschen Vocloti, um
dessen Wiedergeburt wie um die Ndgrttfide sich
Duvalier jahrzehntelang verdient gemucht hat,
Seine dumulige Tribüne war das Intellcktucllcnblatt «Lcs Griotx», das es heute noch gibt
allerdings zu einem inhaltlosen OffizialismusBlättchcn herabgesunken.
Monopolkapitalist Donald Duck
Wo ist der Schnee vom verpumgeiimi Julu-V
'
-
In blutigen Süuberungcn hat «Papa Doc», der
in den letzten Jahren seine Residenz kaum noch
verlassen hat, die tatsächlichen oder potentiellen
Feinde der «Revolution Ditvalieriste» dezimiert.
Den unzähligen gegen ihn angezettelten Attentaten ist er, dem Wunderkräfte nachgesagt werden
und der sich auch nur «magisch», das heißt
schwarz, kleidet, entgangen; mehr als ein Dutzend Revolten und Invasionsversuche hat er zerschlagen, zuletzt einen Guerilla-Kern der wenigen
hauptsächlich im Exil anzutreffenden
haitischen Kommunisten. Die Armee ist
zuentmachtet; ihr in Mexiko
mindest vorderhand
und den Vereinigten Staaten ausgebildeter Stabschef, Oberst Claude Raymond, ein Verwandter
Duvaliers, war noch vor kurzem als «Kronprätendent» des kranken, 64jährigen «Papa Doc» genannt worden. Doch schließlich entschied sich der
«President ä vic» für den Legitimismus und damit für seinen eigenen Sohn Jean-Claude, einen
zwanzigjährigen Playboy lokalen Formats. Tn
einer Neujahrsansprache gab Duvalier
der sich
angeblich 1964 halte zum Kaiser ausrufen lassen
wollen
das Signal zur Dynastisierung der
«Revolution Ditvalieriste», die von einem willfährigen, von «Papa Doc» selber ernannten «Parlament» inzwischen schon Gesetzeskraft erhalten
hat.
Seitdem der Herrscher im letzten November
einen Gehirnschlag erlitten hat, spricht mancherlei dafür, daß er bald das Zeitliche segnen wird.
Jean-Claude Duvalier, der sich bisher die Zeit
als Sportwagenfahrer auf Haitis ungepflastertcn
Straßen vertrieb, wird freilich nach menschlichem
Ermessen keine lange Zukunft im Palais National
von Port-au-Princc beschieden sein. Bestenfalls
wird er bis zu seinem Sturz zum Spielball der
haitischen Streitkräfte, das heißt Raymonds
falls dieser nicht etwa selber vorher noch unter die Räder geraten sollte.
,
Cussius
gegen den
Schwedens empörte «Sportfreunde» beschäftigen
sich zurzeit mit rd e Abfassung von Leserbriefen.
Ursache ist die Weigerung der beiden Televisionkanälc, den bevorstehenden Boxkampf um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht zwischen Cassius
Clayund Joe Frazier zu übertragen. Das Fernsehen begründete den Entscheid damit, daß Boxen
zu rd e unerwünschten Sorte Von «Unterhaltitngsgewali» gehöre, weswegen man auf die Sendung
,
verzichten wolle. Es gibt freilich ein stärkeres Argument, nämlich daß der schwedische Reic(hs(ag vor
langer Zeit dqs
Berufsboxer! in Schweden
nicfit allzu
,
,
verboten hat.
.,
Die geharnischten Reaktionen jener Fernsehzuschauer, welche in ihrem Lchnstuhl zu nächtlicher
Stunde die aus Madison Square Garden
.
mitralkr
C7cr;|tfen
technischen Akribie übermittelten Haken und
nicht missen wollen, halten dem gegenüber, der
Reichstag habe zwar das Berufsboxen verboten, .nicht
aber die Ucbertragung im Fernsehen und die Referate darüber im Radio. Und was das schöne Wort
«Unterhaltungsgewalt» betreffe, so sei sein Gebrauch
durch die Fernsehdirektion ein Hohn angesichts der
Kriminal- und Wildwestfilme, welche die Television
täglich ausstrahle. In jenen Streifen wimmle es von
Brutalitäten, während bei einem Boxkampf Handschuhe, Regeln und ein Richter vorhanden seien
und das Ziel immerhin nicht darin bestehe, den
Gegner umzubringen. Es gibt aber in dieser Diskussion einen Punkt, rd e in seiner allgemeinen Problematik über den fraglichen und vielleicht fragwürdigen Ringkampf hinausweist: Wieweit nämlich
die Monopolinstitution Fernsehen den Wunsch eines
offenbar doch beträchtlichen Teils ihrer Konzessionäre ignorieren kann und darf. Viele erklären nämlich in ihren Schreiben, sie protestierten gegen diese
Art von Zensur, mit welcher die Leiter des Fernsehens sich zu Sittenwächtcrn des ganzen Volkes
aufspielten. Man weist im übrigen auf Dänemark
hin, dessen Television die Begegnung übernimmt,
und beneidet, wie so oft, die Bewohner des südlichen Landesteils Schonen, welche die Sendungen
des dänischen Fernsehens empfangen können.
Die Propaganda politischer Extremisten erscheint
immer dann am wenigsten gefährlich, wenn sie in
ihrem wesensmäßig tierischen Ernst sich selber ad
absürdum führt und lächerlich wird. Das Museum
für moderne Kunst in Stockholm zeigt hiefür gegen
wältig ein Praehtbeispiel: Ausgestellt wird das Ergebnis einer Untersuchung, die über den gesellschaftspolitischen Hinteigrund der «Comic Strips» durchgeführt worden sein soll. Da, wie es heißt, diese
Serienzeichnungen mehrheitlich aus den Vereinigten
Städten, stammten, steht es für die Veranstalter fest,
daß sie die Ansicht der «herrschenden Klasse» in
ilei) USA spiegeln', Mit einem gewissen Recht kritisiert, man jene BllÜ^eschichte'n, in denen der amerikanische «Supemian» nach bewährtem Muster, mit
Faust und Feuerwaffe die als phantastische Fiktion
erdachten und doch so simplifizierten Weltkonl'likle
löst, Stories, deren einfältige J:mies-Bond-McnUililät
die Rolle des heimtückischen Feindes automatisch
dem schlitzäugigen Asiaten zuschiebt.
Allein, das wollte den auf ideologische Belehrung erpichten Ausstellern , nicht genügen. Und so
verfielen sie auf die überaus glänzende Idee, Walt
Disneys Tiergeschichten nach Motiven zu durch
forschen, welche das Unwesen des «amerikanischen
Monopolkapitals» entlarven könnten. Herhalte
n
muß
nun der unselige Donald Duck, der vornehmlich
in jenen Szenen vorgefühlt wird, in denen er Schätzen oder Banknoten nachjagt. Donald Duck, besitzt
er ist ein Ausbeuter; Donald Duck
eine Fabrik
rät seinen Jungen, zu arbeiten und Geld zu verer ist ein autoritärer Unterdrücker; Donald
dienen
Duck unternimmt eine Reise in Afrika und trifft
er ist ein Imperialist, ein
dabei nuf Kannibalen
Kolonialist und ein Rassist dazu. Die brave Ente
tüchtig
lassen,
Federn
muß
was ihrer weiteren Karriere aber Vermutlich nicht schaden wird. Um das
an Verhältnisblödsinn grenzende Maß voll zu machen,
konfrontiert die Ausstellung Donald Ducks Ausflüge
nach Afrika mit Photogrnphien aus südafrikanischen
Gefängnissen, seine Abenteuer in Südamerika mit
-
-
dem Bild des sterbenden Chc Guevara
.
.
Gesittete Agitation
Im Sommer wie im Winter wiederholt sich jeweils am Samstag in den Einkaufszentren Stockholms das gleiche Bild: Vor den Läden stehen vereinzelt Jugendliche mit Plakaten und Transparenten,
mit denen sie die geschäftig dahineilenden Hausfrauen zur Solidarität mit dem Victcong, zur Verurteilung des Rassismus aufrufen oder ihnen nahelegen, den «US-Imperialismus» zu bekämpfen. Zeitungen mit dem entsprechenden Inhalt werden zum
Kauf angeboten, Flugblätter verteilt, und hier und
dort schüttelt der eine oder andere gebieterisch eine
SparbUchse und verlangt eine Gabe zur finanziellen
Unterstützung irgendeiner Guerillaqrganisation, Von
Aufmerksamkeit unter den Passanten kann kaum
gesprochen werden; fast
niemand bleibt bei den
Plakatträgcrn stehen, äußerst selten nur rückt jemand
mjt ejner Münze heraus.. Durch einen eigenen Arbeitseinsatz am freien Samstag etwa wäre den
jungen Revolutionären gewiß ein reicherer Erfolg
beschieden. Aber sie stehen nun einmal lieber frierend herum/ wohl um die Bürger direkt zu beeinflussen, klappern mit ihren Büchsen und verziehen
sich erst gegen zwei Uhr nachmittags, wenn die
Geschäfte schließen und das Einkaufszentrum sich
entvölkert.
Stockholms «Ilyde Park Corner» befindet sich
beim Konzerthaus, am Fuße der mächtigen Hochhausblöcke von Hiiiorgct in der Stadtmitte. Im
Gegensatz zum Londoner Treffpunkt aller Amateurrhetoriker erklettert hier aber niemand eine leere
Bananenkiste oder ein Bierfaß, um von oben herab
seine Ansichten zu verkünden,' Beim Hötorget versammelt man sich in kleinen Gruppen um die hochgehaltenen Transparente und diskutiert leidenschaftslos deren Parolen. Hier gibt eS nuch Jugendliche,
die mit rd e Tafel «Stoppt die Linksextremisten!»
herumziehen und für die Wiederbelebung der arg
strapazierten schwedisch-amerikanischen Freundschaft
werben. Einige Meter von ihnen entfernt, in guter
Nachbarschaft, erläutern Maoisten, warum und wie
die westliche Welt zerschmettert werden soll. Doch
sie alle verhalten sich gesittet und sprechen leise;
es wäre ja ungehörig, jemanden durch laute Reden
zu stören.
;
Diadochenkämpfc in Sicht?
Doch Raymond steht seinerseits unter Kontrolle und Druck: Die verhältnismäßig gut bewaffnete Präsidentengarde ist ihm zwar formal
unterstellt; doch sie führt unter der Leitung bedingungsloser Untergebener Duvaliers gleichwohl
ein Eigenleben. Der Polizeichef von Port-auPrince, Franck Romain, einer der gefürchtetsten
Terroristen, dürfte sich nach «Papa Docs» Hinschied wahrscheinlich gleichfalls zum höchsten
Staatsamt berufen fühlen. Seine 2000 Bewaffneim
ten verfügen nicht nur über Waffen, sondern
Gegensatz zum Gros der Armee, der Duvalier
nicht traut
auch über Munition. Schließlich
g
noch Luc
könnte in der Thronfolgerrechnun
Desir den Wirt spielen, der zwar als kaum richtig
alphabetisierter Schläger offenbar keinen präsidcnticllcn Aspirationen anhängt, doch mit den
von ihm kommandierten Scharen der gefürchteten
Tontons Macoutcs, einer Mischung von Strauchdieben, Wegelagerern und Geheimpolizei, bei inneren Auseinandersetzungen das letzte Wort haben könnte.
Gefallen sind dagegen die Chancen des heutigen haitischen Botschafters in Paris, Oberstleutnant Max Dominique, des Schwiegersohns
Duvaliers, der sich 1967 in eine Palastrevolte verwickelt sah, die vielen Offizieren das Leben kostete. Duvaliers Tochter möchte ihm die Präsidentschaft zuschanzen; doch nach den Massencrschicßungen im Fort Dimanche, mit denen Dugibt es
valier die Episode von 1967 abschloß,
unter den Militärs und den Politikern in Port-au«Dominique-Klan»
mehr
und
Princc keinen
«Papa Doc» hat schließlich auch schon sein
-
Machtwort gesprochen. Dahin sind auch die
Chancen des ehemaligen Finanzministers Clovis
Desinor, eines nach außen hin rabiaten Duvalieristen, in dem einige Beobachter einen «Mann
Washingtons» vermutet hatten.
An den Diadochenkämpfen, die Haiti mit dem
Ableben des Diktators erwarten, dürften freilich
neben den Emporkömmlingen des Duvalierismus
nur einige wenige Beamte und Intellektuelle teilnehmen, die dreizehn Jahre «Papadokratie» zu
überleben wußten. Die Möglichkeit eines Volksaufstands, den Duvaliers Verschwinden auslösen
könnte, wird von fast allen Beobachtern als ganz
gering bezeichnet; denn das unbeschreibliche
holend, in dem die Bevölkerung lebt, hat den
Haitianer vollständig abgestumpft. Die kleine, politisch denkende Bevölkerungsschicht, die intellektuell und existenticll über den Durchschnitt
hinausragte, wurde dagegen korrumpiert und dem
System einverleibt, falls sie nicht Kampf und
Tod oder das Exil wählte . .
Was kommt nach Duvalier? Was wird sich in
einem Lande ändern können, dessen Bevölkerung
schon immer geknechtet, verelendet, unseit anderthalb Jahrter Diktatoren vegetierend
zehnten von der kläglichen Substanz zehrt, die
in Haiti bei Duvaliers Machtantritt vorzufinden
war? Welche Hoffnung hat ein Fiinf-MillioncnVolk, das zu 90 Prozent aus Analphabeten besteht, größtenteils außerhalb des Geldwirtschqftszyklus lebt, ein Pro-Kopf-Einkommen von rund
50 bis 70 Dollar im Jahr ausweist und von sage
Äf|cr,3ritimj)
Von deutscher Selbstzerstörung
Brief aus Stockholm
A, O. Stockholm, Ende Januar
An die Schulstunden, In welchen man hätte
lernen sollen, daß Schwedens Ostseeklima im Winter
zwar strenge Kulte, aber wenig Niederschlag bringe,
erinnert sich der schlechte Gcogruphicschüler eist
im Land« selbst. Die Versicherung der Einheimischen, daß eine über 50 Zentimeter dicke Schneedecke in Mittclschweden eher selten sei, will zu den
Haitische Gcsslerhütt;
alpinen Vorstellungen von einem harten Winter
Vorstellungen, die man in Mitteleuropa auf
Wir hüben im Außenministerium vorgesprochen, und Außenminister Rene Clialmers, einer Skandinavien gewöhnlich unbesehen übertrügt
der wenigen Ucberlcbendcn aus Duvaliers alter durchaus nicht pussen. Der letzte Monat, ohne
Garde, hat uns mit einigen unverbindlichen Lie- Schnee und mehrheitlich mit Temperaturen knapp
benswürdigkeiten abgespeist. Auch wenn man zu über null Grad, galt aber selbst für die
Stockden Regierenden gehört, so scheint es, hält man holmer als kleine Sensation, ßüsc Zungen (Auslänsich in Haiti von ausländischen Journalisten lern; der, natürlich) behaupten, die Schweden verfügten
denn «Papa Doc» sammelt über alle und jeden über ein freundliches Sommer- und ein abweisendes
Winlergesieht; und der Winter währt bekanntlich
Material, und er schlägt überraschend zu.
länger in diesen Breitengraden. Das ständig
naßSo bleibt der Beobachter sich selber überlassen und gibt sich touristischen Eindrücken hin. kalte Wetter und die Dunkelheit ließen freilich die
Spötter den mürrischen Ausspruch
Zeuge
Auspeitschung
meisten
dieser
wird
der
eines kleinen
Er
Mädchens auf offener Straße durch die «Police tun, die Kulte wäre ihnen letztlich doch lieber.
louristique»
Neben dem allgemeinen Mißmut gibt es einige,
es halte das Verbrechen begangen, den Berichterstatter flüsternd um eine Münze die sozusagen professionell griesgrämig sind: die
zu bitten. Er beobachtet die Wachablösung von Pelzliätidler beispielsweise und die Skifabrikanten,
Geheimpolizisten vor seinem Hotelzimmer. Als er deren Verluste in die Millionen gehen. Von dem
in einem Park des Reiterstandbild des haitischen in Schweden so populären Laiifilau/ ist diesmal
Jean- buchstäblich keine Spur. Manchmal, wenn die Kälte
Freiheitshelden
und
Kaisers
ersten
Jacques Dessalines betrachten will, wird er von für einige Tnge zunimmt, bevölkern Schlittschuhzugefrorenen Seen zwischen den weit
verjagt:
Polizisten
der Eintritt in den Park ist fahrer die
untersagt; denn er liegt anscheinend Duvaliers'' ausgedehnten Stockholmer Parkanlagen, doch soTemperatur
auch,
bald
die
erneut steigt, wird dieses VerResidenz zu nahe. Verboten ist es
das
Trottoir vor dem Präsidentenpalais zu betreten, gnügen zu gefährlich. Die Stockholmer Stadtverwaltung hat vom bisherigen Verlauf dieses Winters
Palais,
zudem,
verboten ist es
bei dem
vor dessen
Eingang vier Panzerwagen ,und zwei Fliegcrab- allerdings eine von der allgemeinen völlig abweichende
wehrgeschülzc postiert sind, stehenzubleiben. Auffassung: sie teilte schon Mitte Januar mit, daß
sie im Vergleich mit dem vergangenen Jahr für
Verboten ist es, an der Kaserne im Stadtzentruni Schneeräumungsarbeiten
vorbeizugehen. Brüllende Soldaten scheuchen den
rund fünf Millionen Kronen
weniger ausgegeben habe. Und sollte eins Meer vor
Eingang
Berichterstatter vom
eines «Musee ethnologiquc» fort, ehe er noch die hinter der Ein- dem Stockholmer Freihafen bis Mitte Februar nicht
so könnte der dort Hegende Eisbrecher
fahrt abgeprotzten Geschütze richtig ausmachen zufrieren, unbeansprucht
bleiben, was rd e Stadt an
n
kann. Auf den Nummernschildern aller Autos weiterhi
prangt nichtsdestoweniger der auf Touristen ge- Ersparnissen eine weitere Million einbrächte.
münzte Slogan: «Haiti
Perle des AntiUes» . .
Reichstag
CIny
Einsetzung eines Kronprinzen
durch «Papa Doc»
Steile
und schreibe 308 Aerzten betreut wird? Ein Volk,
das in den Statistiken zwar mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 35 Jahren figuriert,
jedoch zum Verkümmern verurteilt ist
durch
Hunger und Krankheiten: von 1000 Neugeborenen
erleben nur 655 das-erste Lebensjahr! Wird diese
Misere sich dadurch beheben lassen, daß nach
einem psychopathischen «Präsident ä vie» einer
seiner Henkersknechte oder auch -- so unwahrein demokratischer
scheinlich es klingen mag
?
Exilhaitianer die Macht übernimmt
Das ist zu
bezweifeln.
Kleine Auslaiidiiachrichten
Ankunft CliichesterR in NicnroRua.
San Juan dvl
Norte, 4. Febr. (ap) Der britische Einmannsegler Sir
Francis Chichestcr ist am Mittwoch in San Juan del
Norte in dem mittelamerikanischen Staat Nicaragua
eingetroffen. Er war am 12, Januar von Bissau in
Portugiesisch-Guinea gestartet, um eineu neuen Rekord für Solo-Atlantiküberquerungen aufzustellen.
Dieses Ziel hat er nicht erreichen können; die 6S00
Kilometer lange Reise hat er jedoch gut überstanden.
Bergung einer liombe aus dem Bodensec.
Friedrichshafen, 4. Febr. (dpa) Eine 50 Kilogramm
schwere Phosphorbombe aus dem Zweiten Weltkrieg
ist am Donnerstag bei Friedrichshafen aus dem
Bodensec geborgen und entschärft worden. Nach
Angaben der Polizei hatte ein Sporttaucher die über
einen Meter lange Bombe amerikanischer Herkunft
entdeckt. Phosphorbomben dieser Art wurden 1945
Mengen über Friedrichshafen abgeworfen.
in großen
Ch. M. Der Staatssekretär des Reichskanzlers
Stresetnann, Werner, Freiherr von Rhelnbaben, hat
im biblischen Alter zur Feder gegriffen, um politische Memoiren zu schreiben, die nun eben auch
in einer Paperback-Ausgabe erscheinen*. Als Zeuge
aus grauer Vorzeit, da man noch als junger Marineoffizier zum Hofball ins Berliner Schloß kommandiert und von Großherzoginnen zum Tanz befohlen
wurde oder den wegen einer zu engen Husarciuiniforrh in Ohnmacht gefallenen König Edward VII.
in einer Loge liegend erspähen konnte, bannt er in
längeren oder kürzeren Porträtskizzen nochmals die
Schatten historischer Persönlichkeiten nufs Papier,
die er von nah oder fern als Zeitgenosse agieren sah:
Kaiser Wilhelm II., der elegante, aber leichtfertige Fürst ßillow, der am Kanzlerbornierte Betlimann
der
sessel klebende, brave und etwas
Hollweg, der gioßbärllg-chauvinistischc Admlral
von Tirpitz, der tüchtig-energische erste Reichspräsident Eben, der um den Ausgleich mit den Westmächten ringende, sich in seiner rastlosen Arbeit' verzehrende ReichsnulienministcrStrescmann, der dumpfsenile und als Reichspräsident nuf dem Weimarer
Parkett völlig fehlplacierte «Recke» Hindcnburg und
rd e finassierende Intrigengeneral Schleicher.
Die persönlichen Erinnerungen setzen
durchzum Teil recht eigenwillige
Akzente. Manch ein Schatten wird aber aus der
Perspektive des um möglichst große Objektivität beaus Icgilimerweisc
mühten historischen Urteils über Gebühr verzerrt.
Der deutsche (entscheidende) Anteil nn der Auslösung des Ersten Weltkrieges läßt sich nicht einfach
bagatellisieren, indem man zum Beispiel von Riezlcr
überlieferte Aussprüche und Gedanken Bcthmann
Hollwegs
Augcnblickseinfällc wegzuwischen
als
(rächtet und durchaus erhärtete Ergebnisse moderner
Forschung offenbar als irrelevant verschweigt. Rheinbabert erklärt freimütig, daß ihm die Wilhelminische
Epoche als die «goldene Zeit» erscheint. Er entschloß
sich dennoch
und das ist ein nicht geringes Verdienst
d e Republik zu dienen
aus nationaler
, r
Liebe für das «deutsche Vaterland» und aus konservativem Verantwortungsgefühl für den Staat. Heute,
in seinem zehnten Dezennium, leidet er sichtlich,
denkt er an Deutschland. Denn einer nach dem
andern seiner Regenten trat im Lauf der letzten hundert Jahre hervor und schob das Reich, das Bismarck einst geschaffen hatte, immer näher dem Abgrund entgegen. Keiner rd e Nachfolger des großen
Kanzlers habe mehr dessen Format besessen, ist
Rheinbabens Klage. Und melancholisch Hißt er sein
Buch mit der Feststellung ausklingen, .'das Werk Bismareks sei allzusehr auf seinen Schöpfer zugeschnitten gewesen und habe vielleicht schon deshalb den
Keim zum Untergang in sich getragen.' '.
* Werner Freiherr von Rhcinbabrai: Kaiser, Kanzler,
Präsidenten. Erinnerungen. : Verlag v. Hase & Koohlci,
Mainz,
,
...
5kuc3iirdjcr3citttng
Gegründet 1780
Der Zürcher Zeitung
192. Jahrgang
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