Staatsratings verstehen und nutzen
Transcrição
Staatsratings verstehen und nutzen
Frankfurt am Main Goethe-Universität Frankfurt am Main Geldanlage bei Inflationsrisiken und politischen Risiken Anlagestrategien in der Europäischen Schuldenkrise: Staatsratings verstehen und nutzen. Eine ökonometrische Analyse der Marktreaktion nach Ratingveränderungen Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr. Michael Binder Studentische Teammitglieder: Robert Carl Michael Beyer Tianzheng Gao Spyridon Palligkinis Adjmal Sekander Sirak Philipp Süß Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Anlagestrategien in der Europäischen Schuldenkrise: Staatsratings verstehen und nutzen Eine ökonometrische Analyse der Marktreaktion nach Ratingveränderungen 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Anlagestrategien in der Europäischen Schuldenkrise: Staatsratings verstehen und nutzen Eine ökonometrische Analyse der Marktreaktion nach Ratingveränderungen Wettbewerbsbeitrag zum Postbank Finance Award 2012 zum Thema „Geldanlage bei Inflationsrisiken und politischen Risiken“ Die Finanzierung von Staatsdefiziten hängt auch in entwickelten Volkswirtschaften wesentlich vom Vertrauen der Investoren ab, wie die europäische Schuldenkrise deutlich zeigt. Die Lösung der Schuldenkrise ist von globaler Bedeutung und eine zentrale Aufgabe der nächsten Jahre. Wie schon in der Finanzkrise spielen Ratingagenturen in der europäischen Schuldenkrise eine entscheidende und wenig verstandene Rolle. Die Analyse der Marktreaktion auf Änderungen der Bewertung europäischer Staatsanleihen ermöglicht wichtige Einsichten. Zum einen kann bezüglich der umstrittenen Frage des Informationsgehaltes von Ratings Position bezogen werden und zum anderen eröffnen sich neue Anlagestrategien. Unsere ökonometrische Analyse zeigt, dass Anleiherenditen sowohl kurz- als auch langfristig von bestimmten Ratingveränderungen beeinflusst werden; Staatsratings enthalten also marktrelevante Informationen. Wir zeigen weiterhin, dass die Märkte nach einer Herabstufung kurzfristig überreagieren. Für den Investor mit kurzfristigem Anlagehorizont leitet sich daraus eine Handelsstrategie ab, nämlich Staatsanleihen nach einer Herabstufung zu kaufen und nach kurzer Zeit wieder zu veräußern. Für den Investor mit langfristigem Anlagehorizont folgt, dass der Wertverlust seines Anleihenportfolios mittelfristig geringer ausfällt als direkt nach einer Herabstufung. Wir können nachweisen, dass negative Watchlist-Bekanntgaben zu einem Anstieg der Renditen führen und dass Anleihenrenditen durch Herabstufungen der Ratingagenturen Standard & Poor's und Fitch stärker beeinflusst werden als durch Moody's. Hieraus lassen sich begründete Zweifel an der Effektivität einer staatlich initiierten, europäischen Ratingagentur ableiten. Aufwertungen führen im Gegensatz zu Abwertungen nicht zu ökonomisch relevaten Renditeveränderungen. 3 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Inhaltsverzeichnis I 5 Einleitung 6 II Ratingagenturen verstehen II.1 Ratings aus ökonomischer und rechtlicher Perspektive II.1.1 Die ökonomische Perspektive: Ratings als Informationsträger II.1.2 Die rechtliche Perspektive: Ratings als Lizenzen II.2 Eine kurze Geschichte der Ratingindustrie II.2.1 Die Entwicklung der Ratingagenturen II.2.2 Die Entwicklung auf Ratings basierender Regulierung II.2.3 Diskussion II.3 Empirische Literatur zum Informationsgehalt von Ratingagenturen 6 7 8 12 12 14 15 16 III Ökonometrische Analyse der Marktreaktion auf Ratingveränderungen III.1 Forschungsfragen III.2 Datensatz III.2.1 Länder III.2.2 Zinsdaten: Nullcouponanleihen III.2.3 Ereignisse III.3 Methodik III.3.1 Definition des Ereignisses III.3.2 Normale und abnormale Renditen 21 21 21 22 22 22 22 23 III.3.2.1 III.3.2.2 III.3.2.3 III.3.3 III.3.4 III.3.5 III.3.6 24 24 25 t-Test der abnormalen Renditen Mittelwertvergleich zwischen Vor und Nach-Ereignis-Periode sowie Ereignis- und Nach-Ereignis-Periode Genauere Beschreibung der DNS-Methodik IV.1.1.1 IV.1.1.2 IV.1.1.3 IV.1.1.4 IV.1.1.5 IV.1.1.6 26 26 28 30 Herabstufung allgemein Möglichkeit einer Überreaktion Herabstufung durch S&P Herabstufung durch Moody’s Herabstufung durch Fitch Auswirkungen unterschiedlicher Ratingagenturen 30 35 37 38 38 39 40 Aufwertungen IV.1.2.1 25 28 IV Diskussion der Ergebnisse IV.1 Ergebnisse IV.1.1 Herabstufungen IV.1.2 23 23 23 Constant-Mean-Return-Modell Time-Trend-Modell Dynamisches Nelson-Siegel-Modell Abnormale Renditen Schätzmethode Testmethoden III.3.5.1 III.3.5.2 21 40 Aufwertungen allgemein 42 42 44 IV.1.3 Zusammenfassung Aufwertungen IV.1.4 Negative Watchlist IV.2 Interpretation der Ergebnisse V Zusammenfassung 49 VI Literaturverzeichnis 51 55 VII Appendix VII.1 Tabellenverzeichnis VII.2 Abbildungsverzeichnis 55 55 4 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 I Einleitung Die vergangenen fünf Jahre waren durch schwerwiegende Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten charakterisiert. Der Immobilienpreiscrash in den Vereinigten Staaten seit dem Jahr 2007 und die darauf folgende globale Wirtschaftskrise der Jahre 2008 bis 2009 erforderte konjunkturelle Stabilisierungsprogramme in nahezu allen entwickelten Volkswirtschaften. Aber auch Regierungen vieler Schwellenländer sahen sich gezwungen, ihre Wirtschaft durch eine Ausweitung der Staatsausgaben, vor einem allzu starken Abschwung zu bewahren. Das weltweite, auf mehrere Jahre verteilte Volumen aller Konjunkturpakete wird auf zwei Billionen US-Dollar geschätzt, dennoch brach das globale Bruttoinlandsprodukt um vier Billionen US-Dollar ein. So reduzierte sich beispielsweise die industrielle Produktion im Euroraum zwischen den Frühjahren 2008 und 2009 um 20%. Parallel zu den Stabilisierungsmaßnahmen für die Realwirtschaft waren auch zahlreiche staatliche Interventionen im Bankensektor notwendig. Nach der Insolvenz von Lehman Brothers am 15. September 2008 kam der Interbankenmarkt weltweit nahezu zum Erliegen, was in den darauf folgenden Jahren die staatliche Rettung zahlreicher Banken nach sich zog. In Deutschland wurde zu diesem Zweck der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) gegründet. Es besteht weitestgehende Übereinstimmung, dass die staatlichen Konjunkturprogramme und Bankenrettungen notwendig waren, jedoch ist die gegenwärtige Staatsschuldenkrise im Euroraum gewisslich nicht unabhängig von diesen Stabilisierungsmaßnahmen. Investoren an den internationalen Anleihemärkten entzogen Ländern wie Griechenland, Portugal und Irland, in geringerem Maße aber auch Spanien und Italien, im Zuge sich fortlaufend verschlechternder Staatsfinanzierung (relativ zum Bruttoinlandsprodukt) das Vertrauen in ihre Kreditwürdigkeit. Sie veräußerten entsprechende Anleihen auf dem Sekundärmarkt, drosselten ihre Nachfrage bei Neuemissionen und deckten sich mit Kreditausfallversicherungen ein (Credit Default Swaps), was die Renditen der entsprechenden Anleihen und die Preise der Ausfallversicherungen in die Höhe trieb. Die Integration dieser Länder in der Eurozone führt hier zu besonderen Komplikationen. Einerseits ist wegen der Mitgliedschaft in der Währungsunion eine Anpassung des Wechselkurses unmöglich, andererseits existiert (noch) keine europäische Fiskalunion, sodass direkte Transferzahlungen an die vom Zahlungsausfall bedrohten Länder nicht in Frage kommen. Hinzu kommt, dass durch den gemeinsamen europäischen Bankensektor ein hohes systemisches Risiko von der Ausfallgefahr einzelner Staaten ausgeht. Sobald ein bestimmtes Land nicht mehr in der Lage ist, die Couponzahlungen auf die von ihm emittierten Anleihen zu leisten oder keine Neuemissionen zu vertretbaren Konditionen zu platzieren, sinkt das Eigenkapital derjenigen Banken, welche Anleihen des (teilweise) zahlungsunfähigen Landes in ihren Büchern halten. Ist die Abschreibung des Eigenkapitals dieser Banken so groß, dass sie ihrerseits drohen insolvent zu werden, müssen sie möglicherweise von der Regierung ihres Landes gerettet werden. Dies wiederum kann den Staatshaushalt desjenigen Landes, in welchem die Bankenrettung notwendig wurde, derart belasten, dass auch hier eine Staatspleite eintritt. Es besteht die Gefahr eines Flächenbrandes. Vor diesem Hintergrund sehen wir systemische Risiken als die maßgebliche Bedrohung von Geldanlagen. Die Lösung der europäischen Schuldenkrise ist deshalb von größtmöglicher wie globaler Bedeutung. Während auf europäischer Ebene einige wichtige Schritte, wie die Vereinbarung einer europäischen Schuldenbremse, verabschiedet und andere vorangetrieben werden, sind einige wichtige Akteure in der Krise, wie zum Beispiel auch Ratingagenturen, etwas aus dem Blickfeld geraten. Ein besseres Verständnis von deren Funktion und Agieren ist aber nicht nur für das Verhindern zukünftiger Krisen, sondern auch für die Lösung der jetzigen Krise zwingend notwendig. 5 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Die Rolle von Ratingagenturen ist in dem beschriebenen Konglomerat von gegenseitigen Abhängigkeiten weiterhin unklar. In den vergangenen eineinhalb Jahren stuften sie sukzessive die Bewertung der Staatsanleihen vieler europäischer Länder herab. Zunächst betraf dies nur die europäische Peripherie, also z.B. Griechenland und Portugal, doch zu Beginn diesen Jahres wurden auch Frankreich und Österreich herabgestuft und verloren dadurch ihre Bestnoten. Inwieweit Ratingagenturen bei ihrer Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Landes auf vorangegangene Marktentwicklungen reagieren und inwieweit sie diese aktiv beeinflussen ist eine offene Forschungsfrage, zu der wir mit diesem Aufsatz einen Beitrag leisten wollen. Die Rolle der Ratingagenturen auf den Finanzmärkten ist nicht nur aus akademischer Sicht interessant. Einerseits besteht ein hitziger öffentlicher Diskurs insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele der forderungsbesicherten Wertpapiere im Zentrum des US-Immobilienpreiscrashs vor dem Zusammenbruch Bestnoten erhalten hatten. Der Vorwurf lautet, dass diese nachlässige Benotung die Immobilien-, Finanz- und Wirtschaftskrise überhaupt erst ermöglicht hat und dass nun eine zu strenge Bewertung der Kreditwürdigkeit des öffentlichen Sektors die Krise weiter verschärft. Andererseits sehen sich Banken gegenwärtig erheblichen regulatorischen Anpassungszwängen ausgesetzt, welche aus einer Reform internationaler Bankenregulierungsstandards (Basel III, CRD IV) resultieren. Auch hierbei spielt das Verständnis von Ratingagenturen und ihrer Funktion auf den Finanzmärkten eine wichtige Rolle. Das Ziel unserer Arbeit ist es, die Auswirkungen von Änderungen des Länderratings sowie der Aufnahme in die Watchlist auf Staatsanleiherenditen zu untersuchen, um zum einen den Informationsgehalt von Staatsratings zu hinterfragen und die Marktreaktion auf Ratingereignisse besser zu verstehen, und zum anderen um daraus Implikationen für Investoren abzuleiten. Zu diesem Zweck gliedert sich der Rest unseres Aufsatzes wie folgt: In Kapitel II präsentieren wir zwei konkurrierende wissenschaftliche Theorien zur Funktion von Ratingagenturen. Nimmt man eine dezidiert ökonomische Perspektive ein, so liegt die Hauptfunktion von Ratingagenturen in der Reduktion von Informationskosten wie sie in jedem Schuldner-GläubigerVerhältnis auftreten. Zieht man allerdings auch die juristischen Rahmenbedingungen institutioneller Investoren in Betracht, stellen sich Ratingagenturen als Verkäufer rechtlicher Lizenzen dar. Wir stellen diese zwei Betrachtungsweisen gegenüber und binden sie in einen historischen Kontext ein, indem wir die Entstehungsgeschichte der Ratingindustrie skizzieren. Kapitel II schließt mit einem Überblick über die bisherige empirische Literatur zu Ratingagenturen und den wesentlichen darin aufgeworfenen Fragen sowie Ergebnissen. In Kapitel III werden zunächst konkrete Fragen spezifiziert, denen wir uns in diesem Aufsatz widmen. Es folgt eine detaillierte Beschreibung des von uns verwendeten Datensatzes und der empirischen Methoden. In Kapitel IV präsentieren wir als erstes die Ergebnisse unserer empirischen Studie, um diese dann anschließend zu interpretieren und ausführlich auf die daraus resultierenden Implikationen für unsere Forschungsfragen einzugehen. Im abschließenden fünften Kapitel fassen wir unsere Arbeit zusammen und bewerten unsere Methodik und Ergebnisse, wobei wir auf noch offen stehende und neu aufgeworfene Fragen hinweisen. II Ratingagenturen verstehen II.1 Ratings aus ökonomischer und rechtlicher Perspektive Ratingagenturen sammeln und bewerten Daten und veröffentlichen neutrale Meinungsbilder über die relativen Wahrscheinlichkeiten einer Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen oder Staaten. Es handelt sich hierbei nicht um Voraussagen absoluter Ausfallwahrscheinlichkeiten, sondern um vergleichende Aussagen. Solche Voraussagen im Sinne einer langfristigen Prognose spiegeln sich in einem Rating wider, welches gegen eine Gebühr in Absprache mit dem Bewerteten oder ohne Gebühr und Absprache (Unsolicited Rating) veröffentlicht wird. Neue Informationen und Einschätzungen führen 6 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 zu einer Änderung der Einstufung. Es geht nur um eine besondere Art des Risikos, nämlich das eines Zahlungsausfalls aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder Staates, also der Bonität, und nicht um andere Risiken wie beispielsweise Wechselkursrisiken oder Zinsrisiken (Moody’s 1991). Auch sind die Ratingagenturen auf richtige Informationen der Kreditnehmer angewiesen und bewerten nicht das Risikos eines Betrugs. Die Ratingagenturen haften nicht für die Konsequenzen von Ratingfehlern. Nach der Insolvenz des Orange County in den USA im Jahr 1994, die von den Agenturen nicht vorausgesehen wurde, sodass Anleihen des Orange County noch kurz vor der Insolvenz viel zu hoch bewertet waren, hat ein Gericht entschieden, dass Ratings der von der Verfassung garantierten Meinungsfreiheit unterliegen.1 Auch in Deutschland hat ein Gericht diese Auffassung bestätigt, solange die Ratings nicht vorsätzlich gefälscht sind.2 II.1.1 Die ökonomische Perspektive: Ratings als Informationsträger Die ökonomische Theorie erklärt die Bedeutung von Ratingagenturen mit dem Mehrwert, den sie durch eine Reduzierung der Informationskosten im Markt generieren. Ratings werden demnach bei Interaktionen auf den Finanzmärkten zu Hilfe genommen, um asymmetrische Informationen zu vermeiden. Ein Kreditvertrag ist ein Prinzipal-Agenten-Verhältnis: Der Agent, hier der Kreditnehmer, hat mehr Informationen als der Prinzipal, hier der Investor, und ein Interesse daran einige davon zurückzuhalten, bzw. nur die für seine Zwecke förderlichen mitzuteilen. Der Prinzipal ist sich dessen bewusst und preist diese Unsicherheit in den Kredit ein, geht also davon aus, dass die zur Verfügung stehenden Informationen zu positiv sind. Ratingagenturen verfügen im Gegensatz zu den Investoren in der Regel auch über sonst zurückgehaltene Informationen und entwickeln eine neutrale Meinung bezüglich des Kreditausfallrisikos, welche dem Prinzipal zur Verfügung steht. Dadurch reduzieren sie das Problem von asymmetrischen Informationen und somit auch die Kreditkosten. Auch wenn der Investor natürlich eigene Informationen sammelt und eine Erwartung bezüglich der Bonität bildet, handelt es sich bei Ratingagenturen um eine teilweise Auslagerung des Screenings von Kreditnehmern (Ellis 1998). Die Auslagerung an Ratingagenturen hat drei Vorteile: (1) Da eine Ratingagentur ihr Rating öffentlich macht, können viele verschiedene Investoren darauf zurückgreifen. Da das Screening eines Kreditnehmers Kosten verursacht, profitieren Rating Agenturen von Skaleneffekten. Sie schaffen Mehrwert, weil ihr Screening von allen benutzt werden kann, ohne das dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Grundmann und Kerber (2001) finden dafür empirische Evidenz; Diamond (1984) zeigt es in einem formalen Modell. (2) Außerdem haben Ratingagenturen einen besseren Zugang zu Informationen. Da sie nicht selbst als Kreditgeber, Anleger oder sonstiger Geschäftspartner auftreten und sonst geheime Auskünfte nur für die Bildung eines Ratings nutzen ohne die spezifische Information zu veröffentlichen oder anderweitig davon zu profitieren, können sie ihre Meinung auf fundiertere Untersuchungen stützen. Folglich ist es sinnvoll, dass die Agenturen ihre Meinung in Absprache mit den Bewerteten treffen und diese die Möglichkeit bekommen, die Agenturen durch zusätzliche Informationen von einem geringeren Risiko zu überzeugen. (3) Ratingagenturen verfügen über eine hohe Reputation im Markt. Reputation ist ein grundlegendes Konzept der Ratingindustrie, auf das im Folgenden näher eingegangen wird. Ratingagenturen kreieren auch aus anderen Gründen weiteren Mehrwert. Sobald ein Kredit vergeben oder eine Anleihe platziert wurde, erfüllt die Ratingagentur auch eine Überwachungsfunktion und reduziert so das moralische Risiko (Moral-Hazard-Problem), indem sie verhindert, dass der Kreditnehmer opportunistisch handelt und so größere Risiken eingeht als geplant und abgesprochen. Durch Ratingagenturen wird außerdem die relative Wahrscheinlichkeit des Zahlungsausfalls standardisiert, sodass Kredite und Anleihen besser verglichen werden können (Moody's 1991). Dies führt weiter zu einer Standardisierung des Kreditvergabeprozesses und reduziert die Unsicherheit (Kerwer 2002; Sinclair 2000, 2005). Wesentliche Aspekte dieser Theorie lassen sich in einem einfachen Modell beschreiben. Ein Kreditnehmer bittet einen Investor um einen Kredit. Je kleiner die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls, desto weniger Zinsen muss der Kreditnehmer bezahlen. Der Investor ist sich 1 2 County of Orange vs. The McGraw-Hill Companies, d/b/a Standard & Poor's Ratings Services, United States District Court, Central District of California, Case No. SACV 96-0765 KG, Urteil vom 12. Mai 2006–9 U 127/05 7 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 unsicher über die reale Wahrscheinlichkeit und ist sich der Probleme des Prinzipal-AgentenVerhältnisses bewusst. Er nimmt nun ein Rating zu Hilfe, um die Unsicherheit bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls zu reduzieren. Solange die Ersparnis durch niedrigere Zinsen größer ist, als die Kosten des Ratings, kauft der Kreditnehmer ein Rating. Der Investor berücksichtigt das Rating, weil sich die Agentur mit der Zeit einen Namen gemacht hat, sich also einen Ruf erarbeitet hat neutrale und solide Ratings abzugeben. Nur wenn eine Ratingagentur über eine hohe Reputation verfügt, wird der Markt das Rating überhaupt beachten. Durch Reputation wird der Ratingagentur zugetraut, einen Zahlungsausfall neutral und realistisch voraussagen zu können. Jappeli und Pagano (2000) weisen darauf hin, dass sich der Kreditnehmer durch das Rating ein Teil der Reputation der Agentur kauft, um dadurch die eigene Reputation zu vergrößern. Danach lässt dieser sich dauerhaft von der Agentur überwachen und erarbeitet sich so seinerseits einen guten Ruf und Reputation. Wer lange von den führenden Ratingagenturen mit der höchsten Reputation kontrolliert wurde, kann nicht einfach andere Agenturen mit weniger Reputation wählen, da deren Rating im Markt weniger vertraut wird. Chemmanur und Fulghieri (1994) behaupten sogar, dass Reputation das eigentliche Gut ist, mit dem Ratingagenturen handeln; in diesem Sinne schaffen, erhalten und verkaufen Ratingagenturen Reputation. Wenn dies richtig ist, löst Reputation ein schwerwiegendes moralisches Risiko. Ratingagenturen investieren nicht selbst in die bewerteten Produkte und haben keine eigenen direkten finanziellen Interessen, ein richtiges Rating abzugeben. Sie könnten dem Kreditnehmer gegen eine zusätzliche Gebühr ein besseres Rating geben, ohne selbst direkte finanzielle Konsequenzen tragen zu müssen3. Ratingagenturen werden weder kontrolliert noch bewertet, aber nur durch ihre Reputation am Markt sind ihre Ratings wertvoll. Würden sie zu gute Ratings vergeben, würde das am Markt bemerkt werden, die Reputation der Agentur sinken, wodurch das Kapital der Agentur verloren ginge. Ist der Schaden eines zu guten Ratings größer als der Nutzen, und davon geht diese Theorie aus, hat die Ratingagentur keinen Anreiz, zu gute Ratings zu vergeben. Es müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit das Problem des moralischen Risikos gelöst wird und Ratingagenturen einen Mehrwert durch die Reduzierung asymmetrischer Informationen generieren. Erstens müssen zu gute Ratings die Reputation der Agentur reduzieren; zweitens muss der Reputationsverlust schwerer wiegen als ein möglicher Profit durch ein zu gutes Rating; drittens muss der dem Rating zugrundeliegende Bewertungsprozess der Agentur Kosten verursachen und viertens müssen die Kosten im Zusammenhang mit asymmetrischen Informationen stehen. Die ersten beiden Voraussetzungen verhindern zu gute Ratings, die letzteren beiden stellen sicher, dass durch einen komparativen Vorteil im Sammeln und Analysieren von Informationen tatsächlich ein Mehrwert entsteht. Nach dieser Theorie sind Ratings Meinungen, der Markt für Ratings ist kompetitiv, der Erfolg einer Agentur basiert auf ihrer Reputation, und Agenturen überleben nur, wenn sie akkurat und zuverlässig Zahlungsunfähigkeit voraussagen. II.1.2 Die rechtliche Perspektive: Ratings als Lizenzen Der juristische Erklärungsansatz zweifelt nicht an der ökonomischen Perspektive, solange Ratings nicht Teil rechtlicher Bestimmungen sind. Allerdings wird darauf verwiesen, dass sich durch die Nutzung von Ratings als Instrument in der Regulierung deren Gutscharakter verändert (Partnoy 1999). Regulierungen und rechtliche Anforderungen, zum Beispiel Eigenkapitalanforderungen oder Informations- und Veröffentlichungspflichten verursachen Kosten, deren Höhe von Rating zu Rating unterschiedlich ist. Wenn mit einem guten Rating bestimmte rechtliche Erleichterungen einhergehen, kann der Informationsgehalt der Ratings zweitrangig werden und die eigentliche Bedeutung zur Reduzierung der Regulierungskosten übergehen. Neben der privatisierten Regulierung spielen dabei auch institutionelle Risikomanagement-Bestimmungen eine große Rolle (EZB 2004). In diesem Sinne ist ein Rating kein Meinungsbild über die Bonität, sondern eine Lizenz, die den Zugang zu bestimmten Märkten ermöglicht und die Kosten rechtlicher Bestimmungen reduziert. Eine Ratingagentur erlangt den Status eines Zertifizierers, der kein eigenes Risiko trägt. Nach der ökonomischen Theorie wird so die Objektivität sichergestellt, da ohne weitere eigene Interessen 3 Ratings sind Meinungen, für die eine Agentur nicht haftet. In den USA gedeckt von der Meinungsfreiheit und auch in Europa besteht keine Haftung. 8 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 alleine die Erhaltung und Steigerung der Reputation als Unternehmensziel angenommen wird. Wird dieses Prinzip allerdings ausgehebelt, trägt die Ratingagentur also keine Eigenverantwortung für ihr Rating, schadet sie sich im Falle eines zu guten Ratings nicht automatisch selbst. Sobald Gesetze auf Ratings verweisen, müssen diese auch die Ratingagenturen spezifizieren, welche rechtlich relevante Ratings vergeben dürfen. Wenn nun aber der Markt für Ratings auf bestimmte Agenturen beschränkt wird, schafft dieses zum einen Marktmacht und Profite, zum anderen hebelt es die entscheidende Rolle der Reputation aus. Denn nun entscheidet nicht mehr die Reputation einer Agentur über den Wert des Ratings, sondern dessen rechtliche Verwertbarkeit. Damit einher geht eine Veränderung des Geschäftsmodells. Statt der Veröffentlichung aussagekräftiger Informationen mutiert die Ratingagentur zum Verkäufer rechtlicher Lizenzen. Ein Kreditnehmer kauft nun immer dann ein Rating, wenn die Kosteneinsparung durch rechtliche Erleichterungen oder der Gewinn aus Zugang zu anderen Märkten die Kosten des Ratings übersteigt.4 Dies verursacht zwei Probleme: Erstens entsteht durch die Bildung eines Oligopols eine Überkompensierung (dead-weight Loss), d. h. durch mangelnde Konkurrenz unterbieten sich Anbieter nicht ausreichend im Preis und erhalten so eine Oligopolrente. Schwerwiegender ist das zweite Problem: Durch das Aushebeln des Reputationsprinzips muss nun zur Lösung des moralischen Risikos in der Ratingindustrie nicht mehr der Reputationsverlust schwerer wiegen als ein möglicher Profit durch ein zu gutes Rating, sondern die Wahrscheinlichkeit, seine Position als Vergeber rechtlich verwertbarer Ratings zu verlieren. Eine Kontrollbehörde müsste somit zu gute Ratings erkennen und abstrafen, was aber nie passiert. Dies erlaubt natürlich mehr Spielraum für bewusst überbewertete Ratings. In unserer Studie betrachten wir ausschließlich relativ hoch bewerte Staatsanleihen und umgehen dadurch so gut es geht den Lizenzcharakter, da für solche Anleihen wenige regulative Bestimmungen greifen. Deshalb können wir die einer Herabstufung folgende Marktreaktion dem Informationsgehalt des Ratings zuschreiben. Abbildung II.1 gibt einen Überblick über aktuelle von Standard & Poor’s vergebene Ratings, Tabelle II.1 gibt eine Übersicht über die vergebenen Noten der drei großen Agenturen und ihre jeweilige Bedeutung. 4 Die Kosteneinsparung mit einem bezahlten statt einem Unsolicited Rating ist größer als der Preis des bezahlten Ratings. 9 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung II.1: Ratings der Europäischen Union im Überblick (Standard & Poor’s, März 2012) 10 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Moody’s Long Short Term Term S&P Long Short Term Term Fitch Long Short Term Term Aaa AAA AAA Aa1 Aa2 Aa3 A1 A2 A3 Baa1 Baa2 Baa3 Ba1 Ba2 Ba3 B1 B2 B3 P-1 P-2 P-3 Caa1 Caa2 AA+ AA AAA+ A ABBB+ BBB BBBBB+ BB BBB+ B B- A-1+ A-1 A-2 A-3 B Ca Not Prime F1 F2 F3 B Deutsche Beschreibung 17 Highest Quality Ein Schuldner höchster Bonität, das Ausfallrisiko ist sehr gering. High Quality Sichere Anlage, wenn auch leichtes Ausfallrisiko besteht. 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 CCC CCC C 1 CCCCC Strong Payment Capacity Die Anlage ist sicher, falls keine unvorhergesehenen Ereignisse die Gesamtwirtschaft oder die Branche beeinträchtigen. Adequate Payment Capacity Durchschnittlich gute Anlage. Bei Verschlechterung der Gesamtwirtschaft ist aber mit Problemen zu rechnen. Likely to fulfil Obligations, ongoing Uncertainty Spekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage ist mit Ausfällen zu rechnen. High Credit Risk Höchstspekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage sind Ausfälle wahrscheinlich. Very High Credit Risk Near Default with Possibility of Recovery Nur bei günstiger Entwicklung sind keine Ausfälle zu erwarten. Default Moody’s: in Zahlungsverzug Standard & Poor’s: hohe Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls oder Insolvenzverfahren beantragt, aber noch nicht in Zahlungsverzug Default Zahlungsausfall C C / / F1+ Englische Bezeichnung (Quelle: Moody’s) CCC C Caa3 AA+ AA AAA+ A ABBB+ BBB BBBBB+ BB BBB+ B B- Numerischer Wert DDD D / DD D / 0 Tabelle II.1: Überblick über Ratings und deren Bedeutung für Moody’s, S&P und Fitch 11 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 II.2 Eine kurze Geschichte der Ratingindustrie II.2.1 Die Entwicklung der Ratingagenturen Während die Reduzierung von Informationskosten zum Entstehen und frühen Erfolg von Ratingagenturen unfraglich ist, lässt deren Entwicklung durchaus eine Veränderung des Gutscharakters vermuten. Wir geben deshalb einen kurzen historischen Überblick über Ratingagenturen. Eine gute Übersicht über die frühe Geschichte und Entwicklung von Ratingagenturen findet sich in Cantor und Packer (1994) und in Harold (1938). Die Vorgänger heutiger Ratingagenturen waren merkantile Auskunfteien. Diese Firmen sammelten Informationen über Händler und Industriebetriebe und veröffentlichten diese in Form von Büchern. Das Besondere war, dass die bewerteten Händler und Firmen in Gruppen gemäß Ihrer Bonität sortiert wurden, ohne dass es schon damals Ratings in heutiger Form gab. Aber wie moderne Ratingagenturen erteilten auch Auskunfteien gewerbsmäßig Auskünfte über private oder geschäftliche Verhältnisse anderer Händler und Unternehmen und über deren Kreditwürdigkeit. Das erste Unternehmen dieser Art wurde 1841 in New York als Antwort auf die Finanzkrise 1837 gegründet. Lewis Tappan, der zusammen mit seinem Bruder im großen Stil mit Seide handelte, ging im Zuge der Krise Pleite. Durch seinen Handel, durch den er mit vielen anderen Händlern aber auch Industriebetrieben wirtschaftlich interagierte, besaß er detaillierte Kreditinformationen über aktuelle und potenzielle Kunden. Diese Informationen waren interessant und wertvoll für andere Händler und Unternehmen. Das Interesse an der wirtschaftlichen Situation und Zahlungsmoral potenzieller Schuldner, um die Gefahr eines Zahlungsausfalls zu bestimmen, stieg nach der Finanzkrise 1837 erheblich. Der Bankrott gegangene Tappan erkannte diesen Bedarf und gründete vier Jahre später die erste Auskunftei unter dem Namen The Mercantile Agency, die 1859 das erste Ratingbuch veröffentlichte (Harold 1938). Eine ähnliche Firma wurde 1849 gegründet; womit es im 19. Jahrhundert zwei solcher Firmen gab (ebd.).5 Moody's Investor Service6 wurde 1909 von John Moody gegründet. John Moody war ein Analyst an der Wall Street und beobachtete den Erfolg der merkantilen Auskunfteien. Seine Idee bestand darin, das Geschäftsmodell nicht nur auf Kreditnehmer, sondern auch Unternehmensanleihen auszuweiten. Viele glaubten, dass solche Informationen im eigenen Handel gewinnbringender eingesetzt werden könnten, aber John Moody war von einer anderen Idee überzeugt. Es ging ihm darum möglichst viele Informationen über Risiken von Anleihen zu aggregieren und diese Bewertungen gegen eine Gebühr den Anlegern zur Verfügung zu stellen (Harold 1938). 1922 formte Moody's ein formales Ratingdepartment und schon 1924 bewertete Moody's so gut wie alle amerikanischen Anleihen. Zu Beginn waren es vor allem Eisenbahnanleihen, dann schnell auch andere industrielle Anleihen. Mit diesem Schritt erlangten Ratingagenturen eine neue Dimension. Zu dieser Zeit wurden weitere Ratingagenturen gegründet: 1921 Poor's Publishing, 1922 Standard Statistics Company und 1924 die Fitch Publishing Company (ebd.).7 Mitte der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der Markt für Agenturen also kompetitiv und geprägt von neuen Markteintritten. Ratingagenturen waren zunächst ein rein amerikanisches Phänomen, was nicht verwundert, waren diese doch ein natürlicher Geburtsort solcher Institutionen, da große Industrieprojekte, insbesondere beim Eisenbahnbau, privat finanziert wurden. Dies geschah nicht nur durch Kredite, sondern vor allem auch durch Anleihen, die auch auf dem Sekundärmarkt gehandelt wurden. Der Markt für Ratings in den 30er Jahren wuchs schnell und die Agenturen erlebten ein erfolgreiches Jahrzehnt. Poor's Publishing und Standard Statistics Company schlossen sich 1942 unter dem heute so bekannten Namen Standard and Poor's zusammen. Mit diesem Zusammenschluss gab es lange nur drei Unternehmen, die in den USA industrielle Anleihen bewerteten. Die Dominanz des Marktes für Ratings durch die drei großen Ratingagenturen ist also kein neues Phänomen, sondern existiert seit 70 5 6 7 Die beide ersten Auskunfteien schlossen sich 1933 unter dem Namen Dun and Bradstreet zusammen und übernahmen 1962 Moody's Investor Service. Im Folgenden Moody's. Im Folgenden Fitch. 12 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Jahren. Duff and Phelps, gegründet 1932, bewertete zuerst nur öffentliche Unternehmen und konnte nie zu den großen drei aufschließen.8 Ansonsten stagnierte die Entwicklung der Ratingindustrie in den 40er, 50er und 60er Jahren. Die amerikanische Volkswirtschaft war geprägt von geringer Volatilität und wenigen Zahlungsausfällen (Partnoy 1999). Bis hierher bezahlten die Emittenten nicht für ihre Ratings; die Agenturen finanzierten sich alleine durch den Verkauf ihrer Veröffentlichungen. Diese ließen sich leicht verbreiten und generierten nur geringes Einkommen. Ihre heutige Bedeutung hätten Ratingagenturen mit diesem Finanzierungsmodell nicht erreichen können. Seit den 70er Jahren jedoch erlebt die Industrie einen zweiten, bis heute ungebrochenen, Aufschwung. In den 60er Jahren wuchs der Markt für Unternehmensanleihen sehr schnell und die Kreditwürdigkeit der Emittenten spielte fast keine Rolle und wurde vielfach überschätzt; Ratings spielten praktisch keine Marktrolle. Als aber 1970 die Penn Central Bankrott ging und der Rückzahlung von Anleihen im Wert von 82 Millionen Dollar nicht nachkommen konnte, verbreitete sich Unsicherheit im gesamten Markt für Unternehmensanleihen, die diesen gänzlich zum Erliegen brachte. Das Einfrieren des Marktes für Unternehmensanleihen und die damit verbundene Liquiditätskrise führte zum Bankrott vieler kleinerer Unternehmen. Um die nervösen Anleger zu beruhigen, begannen viele Unternehmen, sich selbst um Ratings zu bemühen, um dadurch ihre Zahlungsfähigkeit zu demonstrieren. Diesen neuen Bedarf an Ratings nutze die Industrie zur Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells.9 Noch im Jahr der Pleite von Penn Central begannen Fitch und Moody's Ratinggebühren von den Emittenten zu verlangen. Nur wenig später übernahm auch Standard & Poor's dieses Finanzierungsmodell. Erst mit diesen neuen Einkünften waren die Agenturen in der Lage, ihr Angebot auszuweiten und mit anderen Finanzdienstleistern um die besten Marktanalysen zu konkurrieren. In diesem Jahrzehnt begannen die Agenturen auch Staaten zu bewerten, sogenannte Sovereign Ratings zu vergeben, und um 1980 eröffneten sie erste Büros in Europa und Japan (Partnoy 1999). Gras (2003) sieht fünf Hauptgründe für den Erfolg von Ratingagenturen seit den 70er Jahren. Erstens strukturelle Veränderungen der Finanzmärkte, insbesondere eine steigende Anzahl von immer anonymeren Spekulanten, die mit immer komplexeren Strategien und Produkten handelt. Zweitens, dass Schuldverhältnisse vom Kreditmarkt zu den Finanzmärkten wandern. Ein Beispiel hierzu ist die Verbriefung (Securitization) von Immobilienkrediten. Drittens, dass die amerikanische Ausgestaltung des Finanzmarktes globaler Standard wird und Ratings nun einmal in den USA seit geraumer Zeit ein wichtiger Bestandteil sind. Viertens, dass eine auf Ratings basierende Regulierung sowohl in den USA, als zunehmend auch im Rest der Welt, eine immer größere Rolle spielt und fünftens finanzieren sich auch immer mehr Staaten über die internationalen Finanzmärkte, wodurch ein weiterer Bedarf an Ratings entsteht. Die Vergrößerung des Marktes wurde begleitet von verschiedenen Produktinnovationen, wie zum Beispiel den Sovereign Ratings, Bank Loan Ratings, Bank Financial Strength Ratings, und - ganz besonders wichtig - Ratings für Structured Finance Products, welche heute eine Haupteinnahmequelle der Agenturen bilden (BIS 2000). Außerdem wurden die Wertungsskalen verfeinert und einander angeglichen. Moody's führte eine Watchlist ein, S&P einen Outlook. Seit 1990 bieten die Agenturen auch einen Beratungsservice an (Schwarcz 2001). Während die Agenturen bis 1970 nicht sehr profitabel waren, sind heute Gewinnmargen von 50% für Moody's und S&P und von 30% für Fitch normal (Fight 2001). Einer der Gründe für den Erfolg der Ratingagenturen scheint besonders interessant: Die zunehmend auf Ratings basierende Regulierung. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung der auf Ratings basierenden Regulierung, wird die Bedeutung des Arguments für die Frage der eigentlichen Rolle von Ratingagenturen diskutiert. 8 9 Als Duff and Phelps 1982 auf einen Schlag viele industrielle Anleihen bewertete, wurde es zur viertwichtigsten Rating Agentur in den USA. Cantor und Packer (1994) weisen auf die besondere Rolle der Einführung von Kopierern in den 70er Jahren und eine damit vebundenen Angebotseffekt hin. Allerdings haben sich andere Informationsindustrien, wie zum Beispiel Zeitungen, dadurch nicht verändert, so dass wohl vielmehr ein Nachfrage entscheidend war (Chen et al. 2004). 13 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 II.2.2 Die Entwicklung auf Ratings basierender Regulierung Zu der Bedeutung von Ratings im Bereich finanzieller Regulierung findet sich eine gute Übersicht in Sinclair (2005). Das Ziel von gesetzlichen Regelungen der Finanzindustrie ist Finanzmarktstabilität und das Minimieren systemischer Risiken. Eine Übersicht über die Ziele befindet sich in Balling (2004). Ratings weisen eine hohe Korrelation von Risikoeinschätzung und tatsächlichen Fällen von Zahlungsunfähigkeit auf10 und stehen allen Marktteilnehmern und Regulatoren kostenlos zur Verfügung. Außerdem sind sie im Markt akzeptiert, sodass es sinnvoll erscheint, diese auch für die Regulierung der Finanzindustrie zu nutzen (Brookfield und Ormrod, 2000). Die Regulierungen greifen insbesondere in drei verschiedenen Bereichen: Informations- und Veröffentlichungspflichten, Anlagebeschränkungen, und Eigenkapitalanforderungen (Adams, Schinasi und Chadha 1999). Ratingagenturen waren, wie in Abschnitt II.2.1 beschrieben, lange nur ein US-amerikanisches Phänomen, es ist also besonders instruktiv, die Entwicklung der auf Ratings basierenden Regulierungen dort zu betrachten. Schon seit 1931 besteht ein entscheidender Unterschied zwischen Investment und Non-Investment Grades, also für Investitionen empfohleneund spekulative Wertpapiere.11 Die amerikanische Bankenaufsichtsbehörde - das Office of the Controller of the Currency - entschied, dass öffentlich bewertete Anleihen mindestens von einer anerkannten Ratingagentur ein Investment Grade brauchten, um von Banken mit vollem Buchwert verbucht zu werden; hatte dies eine solche nicht vorzuweisen, gingen die Anleihen mit ihrem realen Marktwert in die Bücher ein. Fünf Jahre später folgte ein entscheidender weiterer Schritt, der die Unterscheidung zwischen Investment und Non-Investment Grades verstärkte. Zusammen mit der Federal Reserve veranlasste die Bankenaufsichtsbehörde eine Richtlinie, nach der Banken keine Anleihen ohne Investment Grade mehr halten durften. Zu diesem Zeitpunkt hatten 891 von 1975 an der New York Stock Exchange gelisteten Anleihen kein Investment Grade, sodass die Richtlinie dramatische Auswirkungen hatte. 1989 wurde die Regelung von Banken auf Thrifts12 ausgeweitet (Dittrich 2007). 1951 entwickelte die amerikanische Versicherungsaufsichtsbehörde National Association of Insurance Commissioners (NAIC) interne Qualitätskategorien, bei der weiter alle Anleihen mit Investment Grade gleich behandelt wurden, unabhängig vom tatsächlichen Rating (West 1973). Neben rechtlichen Regulierungen verstärken auch institutionelle Regelungen, welche sich auf Ratings beziehen, die fundamentale Wichtigkeit von Ratings. 1975 verlangte die amerikanische Wertpapierund Börsenaufsichtsbehörde US Securities and Exchange Commission besondere Eigenkapitalunterlegungen für Junk Bonds und 1982 erleichterte sie die Emission von Anleihen, wenn diese einen Investment-Grade-Status vorweisen konnten. 1993 wurden die Erleichterungen auf forderungsbesicherte Wertpapiere (Asset-Backed Securities) mit Investment Grade ausgeweitet (Cantor und Demsetz 1993). Im gleichen Jahr wurde die erste globale auf einem Rating basierende Regulierung beschlossen: Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht verlangte in seiner Leitfadenreihe zum Marktrisiko von international operierenden Banken zusätzliche Eigenkapitalunterlegungen für Anleihen ohne Investment Grade. Die Regelung wurde dann in der Capital Adequacy Directive der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft übernommen (Dittrich 2007). All diese Regelungen verstärkten den Unterschied in den Renditen zwischen Investment und Non-Investment Grades; der Spread zwischen diesen Anleihen hat sich in Folge dieser Regelung vergrößert (West 1973; Carey et al. 1993). Mit der Zeit folgte eine immer weitere Ausdifferenzierung der Nutzung von Ratings. Um die Entwicklung eines Marktes für durch Hypotheken gesicherte Wertpapiere (Mortgage-Backed Securities) zu fördern, erließ der amerikanische Kongress 1984 den Secondary Morgage Market Enhacement Act (SMMEA), welcher die Emission solcher Anleihen mit einem Rating von AA oder 10 11 12 Diese Tatsache sagt natürlich noch nichts über den Informationsgehalt von Ratings aus. Als Investment Grade Anleihen bezeichnet man solche mit einem Rating von mindestens BBB-. Schlechter bewertete Anleihe haben demnach eine Non-Investment Grade. Eine Thrift ist eine Organisation die Einlagen annimmt und diese nutzt um Kredite zu vergeben. Sie befindet sich meist in gemeinschaftlichem Besitz. Statt des reinen Profitstrebens habe sie auch andere Ziele. Sie unterliegen anderen Regulierungen als Banken. 14 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 AAA erleichterte und deren Marktfähigkeit erhöhte. Insbesondere war es nun erlaubt, Anleihen durch Hypotheken zu sichern, die erst in sechs Monaten fällig wurden. Die Entscheidung, AA und AAA bewertete Anleihen anders zu regulieren, verbreitete sich schnell. Erst durch die Federal Reserve und 1988 durch das Labor Department, welches als Aufseher der privaten Altersvorsorge Rentenfonds erlaubte, in forderungsbesicherte Wertpapiere mit einem Rating von AA oder AAA zu investieren. Die National Association of Insurance Commissioners brach auch diese Trennung auf. Erst erließ sie neue Eigenkapitalregelungen, welche für Anleihen mit mindestens einem A Rating niedriger waren als für andere Anleihen, und 1990 erweiterte sie die Zahl der internen Qualitätskategorien von vier auf sechs und beschloss verschiedene Bedingungen für jede Kategorie. Vier Jahre später schlug das Federal Financial Institutions Examination Council gemeinsam mit der Federal Reserve vor, Kapitalanforderungen für das Halten von strukturierten Anleihen von deren Ratings abhängig zu machen (ebd.). Heute ist die Anzahl an Regulierungen, welche sich in der einen oder anderen Weise auf Ratings beziehen, unüberschaubar. 2002 gab es in den USA 8 Federal Statutes, 47 Federal Regulations und über 100 State Laws und Regulations, die auf Ratings der lizenzierten Agenturen verwiesen (US Senate 2002). 2007 trat Basel II in Kraft, welches die Eigenkapitalanforderungen für Handelskredite vom Kreditausfallrisiko der Unternehmen abhängig machte. Dazu können Banken entweder interne Bewertungen vornehmen, oder sich auf die Ratings lizenzierter Ratingagenturen beziehen. Damit wirken sich Ratings zum ersten mal nicht nur auf den Zugang zu den Kapitalmärkten, sondern auch auf die Kosten von Handelskrediten aus (Jackson 2001). II.2.3 Diskussion Die Geschichte der ersten Jahrzehnte der Ratingindustrie ist fraglos mit wesentlichen Elementen der ökonomischen Perspektive konsistent. Insbesondere die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts waren von neuen Markteintritten geprägt, sodass der Markt in der Tat kompetitiv war. Auch haben zu dieser Zeit nicht die Emittenten der Anleihen, sondern die Investoren für das Rating bezahlt. Viele Emittenten waren durch Druck der Investoren gegen ihren Willen gezwungen, mit den Agenturen zusammen zu arbeiten und ihnen teils geheime Informationen über ihre geschäftliche Situation zu gewähren; es gab hier also kein moralisches Risiko. Es scheint als waren Agenturen in der Lage, wertvolle Informationen zu sammeln, zu verarbeiten und so Reputation zu erlangen. Partnoy (1999) weist darauf hin, dass schon damals Ratings in Gerichtsfällen benutzt wurden, um Investitionen zu rechtfertigen. Die geringe Bedeutung von Ratingagenturen zwischen 1940 und 1970 erklärt Partnoy (1999) zum einen dadurch, dass es keine neuen Regulierungen gab, welche sich auf Ratings bezogen, und zum anderen auf einen reduzierten Informationsgehalt der Ratings, da nun mehr und mehr Informationen öffentlich zugänglich wurden. In dieser Zeit wurden Ratings oft erst nach der Platzierung von Anleihen vergeben, so dass sie, wenn überhaupt, nur eine Rolle für den Sekundärmarkt spielen konnten. In den 50er und 60er Jahren hatten die Agenturen keine große Marktmacht, so dass sich die Frage aufdrängt, wie es zum zweiten großen Aufschwung der Agenturen in den 70er Jahren kam. Die empirische Literatur ist sich uneins über den Informationsgehalt von Ratings insbesondere ab den 70er Jahren.13 Aus der ökonomischen Perspektive ist die Veränderung des Geschäftsmodells einfach zu erklären. Ein Rating als Informationsträger, welcher durch eine der Ratingagenturen zur Verfügung gestellt wird, ist ein öffentliches Gut, d.h. wenn es einmal erstellt wurde, verursacht die mehrfache Nutzung keine weiteren Kosten. Deshalb können die Agenturen höhere Gebühren verlangen, wenn die Emittenten und nicht die Investoren für das Rating bezahlen. So wird das Trittbrettfahrerproblem umgangen. Dennoch lassen sich dadurch nicht alle Phänomene erklären, z.B. systematische Ineffizienzen im Markt für Anleihen ohne Investment Grade, eine Zunahme der durch Rating verursachten Transaktionen insbesondere im Bereich der strukturierten Anleihen und das immense Wachstum von Kreditderivaten (Partnoy 1999). Partnoy (1999) assoziiert den ungebremsten Aufschwung der Ratingagenturen seit 1970 mit deren neuer Rolle als geschützte Verkäufer rechtlicher Lizenzen und vertritt die Ansicht, dass sich 13 Eine ausführliche Übersicht über die empirische Literatur findet sich in Absatz II.3. 15 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Ratingagenturen nicht substanziell verändert hätten. Damit bezieht er Position für die rechtliche Perspektive, nach der der Informationsgehalt von Ratings zweitrangig geworden ist. Die Frage des Informationsgehalts ist nach wie vor nicht geklärt, wie der folgende Literaturüberblick darstellt. II.3 Empirische Literatur zum Informationsgehalt von Ratingagenturen Die empirische Literatur zu dieser Materie lässt sich in zwei unterschiedliche Themenkomplexe teilen: Der erste Teil beschäftigt sich mit dem Einfluss von Ratings auf Anleiherenditen oder deren Spreads; der zweite befasst sich vorwiegend mit der Fragestellung, ob Ratingagenturen durch übermäßiges Abstufen zur Verschlimmerung von Krisen beitragen. Insbesondere der Umfang des ersten Teiles der Literatur ist gewaltig. Sie liefert eine Mannigfaltigkeit an empirischen Möglichkeiten, verschiedene Fragestellungen zu erörtern und führt zu den unterschiedlichsten Ergebnissen. Es existieren mindestens zwei Wege, um zu ermitteln ob eine durch Ratings vermittelte Information wertvoll ist. Man kann zum einen untersuchen, ob zwischen Anleiherenditen und Ratings ein Zusammenhang besteht. Diese Fragestellung versuchen zum Beispiel Liu und Thakor (1984) mittels einer Regression unter der Verwendung der Kleinstes-Quadrate-Methode zu erörtern und stellen dabei fest, dass die Sensibilität von Staaten in Bezug auf ihre Ratings nicht unberechtigt ist und dass Ratings in der Tat helfen, Unterschiede von Renditespreads im Länderquerschnitt zu erklären. Liu und Thakor (1984) nutzen Ihre Ergebnisse zur Entwicklung von Vorschlägen, wie Staaten ihre Kapitalkosten verringern und ihre Ratings erhöhen können. Allerdings machen Kliger und Sarig (2000) darauf aufmerksam, dass aus der Analyse nicht klar ersichtlich ist, ob Ratinginformationen an sich preisrelevant sind oder ob sie die öffentlich zugänglichen Informationen nur näherungsweise widerspiegeln. Zum anderen lassen sich auch Preisreaktionen auf Ratingänderungen überprüfen. Steiner & Heinke (2000) liefern einen strukturierten Einblick zu theoretischen Grundlagen und den daraus folgenden Erwartungen an die empirischen Ergebnisse. Vier relevante Hypothesen sind wie folgt: 1. „Information Content Hypothesis“ Angenommen, dass der internationale Anleihemarkt effizient ist, dann würden Preise zu jedem Zeitpunkt alle relevanten Informationen widerspiegeln (Fama 1970). Wenn der internationale Anleihemarkt semi-effizient ist und Kreditrisiko bewertet wird, dann sollte jede neue Information zum Kreditrisiko in den Anleihepreis mit einfließen. Wenn also Ratingänderungen nützliche und öffentlich unzugängliche Informationen enthalten, folgt jeder neuen Ankündigung eine Preisänderung. Die empirischen Untersuchungen zur Effizienz des Anleihemarktes kommen zu gemischten Ergebnissen. Nationale Anleihemärkte sind laut Sharpe und Alexander (1990) in hohem Maße, aber nicht gänzlich, semi-effizient. Internationale Anleihemärkte lassen im Gegensatz dazu nicht auf Effizienz schließen, da nationale Informationsquellen nicht in gleichem Maße international zugänglich sind. Daraus folgt, dass Ratingänderungen mehr Informationsgehalt auf internationaler Ebene besitzen als auf dem heimischen Markt. Gilt diese Hypothese, dann müssen wir am Tag der Bekanntgabe der Ratingaktion eine signifikante Änderung des Anleihepreises beobachten, die permanenter Natur und proportional zum Rating ist. 2. „Competition Hypothesis“ Zusätzlich ist die Preisreaktion auf eine Ratingankündigung möglicherweise durch vorgehende Ratingänderungen derselben oder eine konkurrierenden Ratingagentur beeinflusst. Wenn der Markt die Ratingaktion immer erwartet, sobald ein Titel auf die Watchlist gerät, dann fließt die Information in den Preis schon mit ein, sobald die Ankündigung für die Watchlist publiziert wird. Die eigentliche Ratingänderung hat somit keinen, oder zumindest nur einen geringeren, Einfluss (Holthausen und 16 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Leftwich 1986). Unter dieser Annahme erwarten wir niedrigere Überschusserträge in Zusammenhang mit Ratingankündigungen, sobald die Anleihe vorher auf die Watchlist gesetzt wurde oder das Rating durch dieselbe oder eine konkurrierende Rating Agentur vorher schon geändert wurde. 3. „Reliability Hypothesis“ Ein weiteres mögliches moralisches Problem seitens der Ratingagenturen ist eine systematische Überbewertung des Emittenten. Gründe dafür wurden im vorhergehenden Abschnitten ausführlich dargelegt. Diese Qualitätsverringerung mindert die Glaubwürdigkeit der Ratingagentur im Markt und zerstört deren Reputation. Ohne Reputation erzeugen Ratingaktionen dieser Agenturen keine Preisbewegungen. Empirische Resultate dokumentieren gleichstarke Preisreaktionen für Moody’s und Standard & Poor’s (z.B. Hite und Warga 1997). Somit gibt es keinen Unterschied in der Zuverlässigkeit der Anleiheratings dieser beiden Agenturen. Folglich erwarten wir unter dieser Annahme, dass die mit Ratingänderungen verbunden Überschusserträge von Anleihen unabhängig von der Ratingagentur sind. 4. „Price Pressure Hypothesis“ Im Laufe der Jahre gewannen Ratings immer mehr Akzeptanz auf den nationalen Anleihemärkten, und Aufsichtsbehörden und Institutionen nutzten sie zunehmend um den Kontrollprozess zu erleichtern, wie im Abschnitt II.2.2 dargelegt. Die häufigste Anwendung von Ratings in Investmentrestriktionen, Eigenkapitalanforderungen oder Offenlegungspflichten ist die Unterscheidung zwischen für Investitionen empfohlenen Wertpapieren und spekulativen Wertpapieren (Cantor und Packer, 1994). Diese regulatorische Verwendung kann die mit Ratingänderungen verbundenen beobachteten Überschusserträge von Anleihen ändern, auch wenn das neue Rating keinen Informationsgewinn mit sich bringt. Dies ist eine mögliche Erklärung, wieso Abwertungen signifikant sein können während Heraufstufungen es nicht sind. Denn eine Herabstufung in den Bereich spekulativer Anleihen zwingt Institutionen dazu, diese Anleihen zu verkaufen, während eine Aufwertungen natürlich niemand zum Kauf nötigt. Die empirischen Untersuchungen auf diesem Gebiet fallen jedoch sehr gemischt aus. Holthausen und Leftwich (1986) z.B. erhalten insignifikante Koeffizienten, Hite und Warga (1997) empirische Evidenz für einen signifikanten Einfluss dieser einseitigen Ratingbarriere. Gilt diese Hypothese, dann erwarten wir signifikant stärkere Preisreaktionen, wenn das Rating vom Investment Grade zum spekulativen Rating abrutscht. Diese Implikation steht im Widerspruch zu der ersten Hypothese, welche besagt, dass Preiseffekte vom Informationsgehalt der Ratings abhängen. Der Vorteil des Ansatzes, den Einfluss von Ratingänderungen auf den Anleihepreis zu bestimmen, besteht darin (Kliger und Sarig, 2000), dass jede Firma oder jeder Staat als eigene Kontrolle dient und somit für alle preisrelevanten Faktoren kontrolliert wurde. Aus den Studien, die diese Herangehensweise nutzen, wie zum Beispiel Grier und Katz (1976), Weinstein (1977), Ingram, Brooks und Copeland (1983) oder Goh und Erdington (1993) lässt sich kein einheitliches Bild formen. Da Ratingänderungen durch ökonomische Ereignisse ausgelöst werden, ist es nicht klar, welcher Anteil der Preisreaktion tatsächlich auf die Bekanntgabe des neuen Ratings und welcher Anteil auf das ökonomische Ereignis selbst zurückzuführen ist. Cantor und Parker (1996) beschäftigen sich als eines der ersten Paper speziell mit Staatsratings von Moody’s und Standard & Poor’s, sowie mit deren Determinanten und Auswirkungen. Anhand der damals rapide gewachsenen Anzahl an bewerteten Staaten war es ihnen möglich zu untersuchen, (1) welche quantitativen Indikatoren am meisten Gewicht in der Bestimmung von Ratings haben, (2) inwieweit Ratings eine Querschnitt von Staatsanleiherenditen erklären können und (3) ob Ratingankündigungen direkten Einfluss auf Marktrenditen am Tag der Ankündigung besitzen. Dabei verwenden sie eine Ordered-Probit-Schätzung, wo der nichtlinearen Beziehung zwischen Ratings und Renditen dadurch Rechnung getragen wird, dass sie den Logarithmus der Renditen als Regressionvariable verwenden. Nur Fünf von Acht untersuchten Faktoren hatten eine in gleichem Maße direkte Korrelation zu den 1995 von Moody’s und S&P vergebenen Ratings und erklärten diese zu 90%: Pro-Kopf-Einkommen, Inflation, Staatsverschuldung, ökonomische Entwicklung gemessen am Grad der Industrialisierung und vorherige Staatsbankrotts. Die Ratings scheinen über die 17 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Korrelation mit öffentlich zugänglichen Informationen hinaus einen unabhängigen Einfluss auf Renditen zu haben. Insbesondere hatten Ratingankündigungen für Non-Investment Grade Emittenten eine direkte Auswirkung auf den Marktpreis. Reisen und von Maltzan (1999) zeigen anhand von Daten zu US-Staatsanleihen aus der Zeit von 1989 bis 1997 mittels einer Eventstudie, dass Herabstufungen, im Vergleich zu Ratingverbesserungen, die vom Markt antizipiert werden, einen signifikanten Einfluss auf Spreads besitzen. Der Granger-Kausalitätstest, der den Einfluss von gemeinsamen Bestimmungsgrößen von Renditen und Staatsratings beseitigt, lege nahe, dass die drei führenden Ratingagenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch nicht den Markt führen, sondern dass Ratings und Renditespreads von einander unabhängig sind. Während die Resultate darauf hindeuten, dass Ratingankündigungen als signifikantes Signal für Kreditwürdigkeit angesehen werden, kann deren Auswirkung auf den Markt sowohl auf Regulierungen als auch auf interne Richtlinien von institutionellen Investoren zurückzuführen sein. Diese werden dadurch davon abgehalten, unterhalb bestimmter Ratingkategorien zu investieren. Kliger und Sarig (2000) erörtern die Frage, ob Ratings preisrelevante Informationen enthalten, die Investoren nicht über andere Quellen zugänglich sind. Die Einzigartigkeit dieses Papers besteht in dem verwendeten Datensatz, welcher Ratingänderungen vom 26. April 1982 enthält, die ausschließlich auf der Verfeinerung von Moody’s Rating System basieren, welche unangekündigt an einem einzigen Tag stattgefunden hat und alle beobachteten Anleihen betraf. Dementsprechend spiegeln diese Ratingänderungen ausschließlich Ratinginformationen wider und sind nicht beeinflusst durch wirtschaftliche Fundamentalfaktoren. Hierzu wird eine Kleinste-Quadrate-Regression mit Dummyvariablen für „besser als gedacht“ und „schlechter als gedacht“ als Regressoren verwendet. Das Paper stellt in seiner empirischen Untersuchung fest, dass die Anleihepreise auf die neue Information reagieren. Insbesondere führt ein besser als gedachtes Rating zu höheren positiven abnormalen Renditen als ein schlechter als gedachtes Rating. Diese Methode birgt jedoch zwei Nachteile in sich: Da sich die Ratings alle an einem Tag geändert haben, kann man nicht ausschließen, dass gemeinsame makroökonomische Faktoren sich auf alle beobachteten Erträge ausgewirkt haben. Hinzu kommt, dass das Maß der Ratingänderung sehr gering ausfällt, da es sich hier um eine Verfeinerung handelt, und somit der Informationsgehalt ebenso klein ist. Dies verringert natürlich die Güte des Testes. Steiner und Heinke (2001) analysieren mittels einer Eventstudie tägliche Überschusserträge deutscher Eurobonds verbunden mit Ankündigungen für die Beobachtungsliste oder für Ratingänderungen von Moody’s und Standard & Poor’s im Zeitraum von März 1985 bis Dezember 1996. Dabei beobachten sie Reaktionen bei Ankündigungen für die negative Watchlist und Herabstufungen, besonders stark bei Herabstufungen unterhalb des Investment Grades. Aufwertungen und das Setzen auf die positive Watchlist führen zu keinem Preiseffekt. Dies lässt darauf schließen, dass Ankündigungseffekte zum Teil durch Preisdruckeffekte aufgrund regulatorischer Auflagen erklärbar, statt auf neue Informationen aus Ratingankündigung zurückzuführen sind. In einem den Eventstudien ähnlichen Verfahren untersuchen Hull, Predescu und White (2004) in welchem Ausmaß Ratingankündigungen der Agentur Moody’s von den Marktteilnehmern in Form von Credit Default Swaps (CDS) antizipiert werden. Hierbei werden CDS Spread Quoten von GFI aus der Periode zwischen dem 5. Januar 1998 und dem 24. Mai 2002 verwendet. GFI ist ein Broker, der sich auf Handel mit Kreditderivativen spezialisiert hat. Zwischen CDS Spreads und Anleiherenditenspreads existiere eine theoretische Beziehung, die gut empirisch belegbar sei. Im ersten Schritt der Analyse werden CDS Änderungen bedingt durch Ratingankündigungen geprüft. Überprüfungen für Herabstufungen enthielten signifikante Informationen, jedoch Herabstufungen selbst und negative Outlook nicht. Es gibt im CDS Markt eine Antizipation für alle drei Ratingereignisse. Im zweiten Schritt der Untersuchungen werden Ratinganküdigungen abhängig vom Level und von Spread-Änderungen beobachtet. Entweder Spread Änderungen oder Spread Levels bieten nützliche Informationen bei der Schätzung der Wahrscheinlichkeit einer negativen Ratingänderung. Die Ergebnisse für positive Ratingänderungen sind bei weitem weniger signifikant. 18 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Jorion, Liu und Shi (2004) nehmen die Auswirkungen des am 23. Oktober 2000 in den USA eingeführten Regulation Fair Disclosure (FD) Gesetztes unter die Lupe. Hierbei wird die Methodik von Standard-Eventstudien verwendet: Sie vergleichen Aktienpreisreaktionen auf Änderung de Anleiheratings vor und nach FD. FD verbietet US-Aktiengesellschaften selektive Offenlegungen gegenüber favorisierten Investment Experten. Ausnahmen erlauben jedoch die Weitergabe von nichtöffentlichen Informationen an Ratingagenturen. Infolge dieser Regelung haben Ratingagenturen nun Zugang zu vertraulichen Daten, die Analysten neuerdings versperrt bleiben. Dies könnte möglicherweise den Wert von Ratings für Investoren erhöhen. Bei der Begutachtung von Ratingänderungen und deren Auswirkungen auf Börsenkurse von Firmen stellen sie fest, dass der Informationseffekt von Herab- und Heraufstufungen in der Periode nach 2000 wesentlich größer ausfällt. Gaillard (2009) untersucht die Beziehung zwischen Spreads des JP Morgan EMBIG (Emerging Market Bond Index Global) und Staatsratings von Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch im Zeitraum von Dezember 1993 bis Februar 2007. Mit Hilfe einer unbalancierten Panelschätzung mit Fixed Effects leitet er eine negative Beziehung zwischen Spreads und Ratings her. Moody’s widerspricht demnach dem Markt öfters als S&P und Fitch. Alle drei Ratingagenturen tendierten stärker dazu, nach überaus hohen oder steigenden Spreads abzuwerten, statt nach überaus niedrigen oder fallenden Spreads heraufzustufen. S&P Aufwertungen und Moody’s Herabstufungen haben den signifikantesten Effekt auf die Spreadbewegungen. Alfonso, Fuceri und Gomes (2011) bedienen sich den Renditen von EU-Staatsanleihen und täglichen Credit Default Swap Spreads aus dem Zeitraum von Januar 1995 bis Oktober 2010, um eine Eventstudie durchzuführen. Sie analysieren die Reaktion staatlicher Renditenspreads vor und nach der Ratingankündigung der drei führenden Ratingagenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch. Die Resultate zeigen signifikante Resonanz von staatlichen Anleiherenditenspreads auf Änderungen in Rating und Ausblick, insbesondere im Falle einer negativen Ankündigung. Ankündigungen werden im Rahmen von ein bis zwei Monaten nicht antizipiert. Allerdings besteht in dem Zeitraum von ein bis zwei Wochen beidseitige Kausalität zwischen Ratings und Spreads. Sie beobachten SpilloverEffekte zwischen den Staaten der Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, vor allem von schlechter bewerteten zu besser bewerteten, und eine Persistenz bei wiederholter Abwertung. Die zweite Gruppe an wissenschaftlichen Papieren beschäftigt sich vorwiegend mit der Fragestellung, ob Ratingagenturen durch übermäßiges Abstufen zur Verschlimmerung von Krisen beitragen. Dieses Thema ist in Anbetracht der europäischen Schuldenkrise von besonderer Bedeutung. Die untersuchten Datensätze beinhalten vorwiegend Schwellenländer, meist aus dem asiatischen Raum. Hier ein kurzer Einblick in die Literatur: Kräussl (2003) betrachtet die Asienkrise von 1997 und 1998. Die Erfahrungen aus dieser Periode haben eine erhebliche Diskussion über die Bewertung von Länderrisiko in Schwellenländern durch Ratingagenturen hervorgerufen. Die Studie analysiert die Rolle von Ratingagenturen auf den internationalen Finanzmärkten, insbesondere den Einfluss der Staatsratings auf die Finanzstabilität in den Schwellenländern. Hierbei werden tägliche Daten im Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2000 verwendet und die Ratings von Moody’s und Standard & Poor’s betrachtet. Die Resultate der Eventstudie und der Panel-Regression deuten darauf hin, dass Ratingagenturen einen beträchtlichen Einfluss auf die Menge und die Volatilität der Kreditvergabe in diesen Ländern haben. Die Ergebnisse sind signifikant stärker im Falle von Herabstufungen von Staaten und drohenden negativen Ratingänderungen, wie das Setzen auf die Watchlist oder ein negativer Outlook, als im Falle von positiven Bekanntmachungen. Vom Markt antizipierte Ratingänderungen haben hier eine kleinere Auswirkung auf die Finanzmärkte von Schwellenländern. Vaaler und McNamara (2004) analysieren Ratings im Zeitraum von 1987 bis 1998, eine Zeitperiode die sowohl Stabilität (1987-1996) als auch durch eine Finanzkrise hervorgerufen 19 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Turbulenzen (1997-1998) in etlichen Schwellenländern beinhaltet. Sie führen ihre Untersuchungen mittels einer Kleinste-Quadrate-Regression durch. Nach dem für makroökonomische und verwandte objektive Risikofaktoren für Staaten kontrolliert wurde, lassen sich folgende Ergebnisse schätzen: (1) Ratings sind während der durch die Krise hervorgerufene Turbulenzen negativ schief14, was darauf hinweist, dass übermäßiger Pessimismus seitens der Experten herrscht. (2) Diese negative Verschiebung ist gravierender für etablierte und regional fokussierte Firmen. Das ist möglicherweise auf den Verlust eines Informationsvorteils zurückzuführen. Und (3) je stärker die Konkurrenz zwischen Experten in bestimmten Sektoren, desto größer ist diese negative Verschiebung. Dies könnte auf Mitläufertum hinweisen. Insgesamt deuten die Resultate darauf hin, dass objektive Beurteilungen durch Expertenfirmen für beträchtliche Verzerrungen durch zusammenfließende Effekte von Sektor-Instabilität und Marktposition der Experten innerhalb des Sektors anfällig sind. Ironischerweise würden Experten also am wahrscheinlichsten die Kunden in die Irre führen, deren Sektor instabiler ist und die den Experten größere Aufmerksamkeit schenken müssten. Die Literatur erweckt insgesamt den Eindruck, dass zu Krisenzeiten andere Gesetzmäßigkeiten für Ratingagenturen und deren Einfluss auf Anleihepreise herrschen, als in normalen Zeiten. 14 Die Verteilung ist nicht symmetrisch, sondern nach links, in die negative Richtung, verschoben. 20 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 III Ökonometrische Analyse der Marktreaktion auf Ratingveränderungen III.1 Forschungsfragen Nach obiger Zusammenfassung der bestehenden Literatur wenden wir uns der ökonometrischen Analyse zu. In den nachfolgenden Abschnitten beschreiben wir detailliert den verwendeten Datensatz und die ökonometrischen Methoden welche wir verwenden um folgende drei Forschungsfragen zu untersuchen: • • • Welche Auswirkungen haben Herabstufungen auf Anleiherenditen? Welche Auswirkungen haben Aufwertungen auf Anleiherenditen? Welche Auswirkungen haben eine Aufnahme auf die Watchlist? Zu Beginn befassen wir uns mit den Folgen von Herabstufungen. Hier werden folgende Fragen näher beleuchtet: • • • • • Sind die Effekte von Herabstufungen auf Anleiherenditen abhängig von der neuen Ratingstufe? Variiert die Reaktion von Anleihen des gleichen Emittenten mit unterschiedlichen Laufzeiten? Was sind die längerfristigen Wirkungen von Herabstufungen? Führen Herabstufungen zu Überreaktionen am Markt? Gibt es einen „Brand-Name-Effekt“, varrieren die Effekte also mit der herabstufenden Ratingagentur? Auf die Behandlung der Herabstufungen folgt die Analyse der Aufwertungen. Auch hier interessieren uns alle oben angeführten Fragen. Da wir allerdings deutlich weniger Aufwertungen als Abwertungen in unserem Datensatz beobachten, können nicht alle beantwortet werden. Daher konzentrieren wir uns auf die Fragen, ob • • die Effekte von Aufwertungen abhängig von der neuen Ratingstufe sind. sich die Reaktion mit der Laufzeit der Anleihen ändert. Abschließend befassen wir uns mit den Aufnahmen in die Watchlist. Da wir nur sehr wenige Ereignisse einer Aufnahme in die Watchlist mit positivem Ausblick haben, beschränken wir uns auf solche mit negativem Ausblick. Bei diesen Ereignissen überprüfen wir, ob die Ankündigung eines negativen Ausblicks je nach Laufzeiten der Anleihen unterschiedliche Einflüsse auf die Anleiherenditen hat. Eine Zusammenfassung und Interpretation unserer Ergebnisse findet sich im Abschnitt IV.2. III.2 Datensatz III.2.1 Länder Unser Datensatz enthält 15 europäische Staaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Tschechien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Auch wenn die Länderauswahl hauptsächlich durch die Verfügbarkeit aussagekräftiger Zinsdaten der Staatsanleihen der jeweiligen Länder bestimmt wurde, haben wir darauf geachtet, dass sowohl Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder des Eurosystems und der Europäischen Union im Datensatz enthalten sind. 21 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 III.2.2 Zinsdaten: Nullcouponanleihen Für unsere ökonometrische Studie nutzen wir Renditekurven von Nullcouponanleihen (engl. Zero Coupon Bond). Detaillierte Informationen zu solchen Anleihen finden sich in Bentlage (2006). Eine Nullcouponanleihe ist ein Wertpapier, bei dem es keine laufenden Zinszahlungen gibt, also keinen Coupon, sondern eine einzige Auszahlung nach Ablauf der Anleihe. Der Anleger kann also entweder auf diese Auszahlung warten, oder die Anleihe im Sekundärmarkt veräußern. In beiden Fällen besteht der Ertrag im Unterschied zwischen Kaufpreis und Auszahlung, bzw. Verkaufspreis. Zwar spielen diese Anleihen im Markt der Staatsanleihen bei weitem nicht die wichtigste Rolle15, aber drei Eigenschaften sind für unsere Studie von großem Vorteil. Erstens erlauben sie einen gemeinsamen Maßstab für Anleihen mit verschieden langen Laufzeiten. Würden wir coupontragende Anleihen benutzen, wäre ein Vergleich erschwert, da wir auf die Couponzahlungen Rücksicht nehmen müssten. Zweitens ist die Volatilität dieser Anleihen deutlich höher als bei herkömmlichen Anleihen, also solchen, die regelmäßige Zinszahlungen leisten. Der Kurs dieser Anleihen reagiert besonders stark auf Veränderungen des Marktzinssatzes oder anderen Veränderungen, wie zum Beispiel Ratingveränderungen. Die höhere Zinssensitivität der Nullcouponanleihe ist auf ihre höhere Duration zurückzuführen, wobei diese natürlich immer gleich der Restlaufzeit ist. Und drittens erlauben uns Nullcouponanleihen, ein dynamisches Nelson-Siegel-Modell in die Eventstudie zu implementieren. Der empirische Erfolg dieses Modells gilt ausdrücklich nur für solche Anleihen. Da es nur eine begrenzte Zahl solcher Produkte gibt und davon wiederum nur einige am Markt gehandelt werden, fehlen natürlich Datenpunkte für die Renditekurve, welche nicht einfach abgelesen werden kann. Um diese zu erhalten, wird durch die Bootstrap-Methode aus coupontragenden Anleihen eine Renditekurve von Nullcouponanleihen für beliebige Laufzeiten gewonnen. Dazu sind einige Annahmen wie zum Beispiel eine lineare Interpolation nötig. Eine hervorragende Erklärung dieser Methode findet sich in Hull (2004). Wir arbeiten mit täglichen Renditen von Nullcouponanleihen mit 16 verschiedenen Laufzeiten: 3, 6, 9, 12, 15, 18, 24, 30, 36, 48, 60, 72, 84, 96, 108, und 120 Monate. Für die meisten Staaten starten die Zeitreihen 1997 und gehen bis März 2012; besonders für die osteuropäischen Staaten beginnen sie erst 2001. Alle Renditen stammen von Datastream. III.2.3 Ereignisse Die große Marktmacht der drei größten Ratingagenturen vereinfacht die Ereignisdefinition. Als Ereignisse definieren wir Ratingbestätigungen und -veränderungen, sowie Watchlist-Ankündigungen von Moody's, Standard & Poor's und Fitch. Sowohl bei Standard & Poor's als auch Fitch findet man diese Daten online, die Daten für Moody's haben wir direkt von der Agentur bekommen. Für die ökonometrische Analyse haben wir die Bewertungen der Ratingagenturen in numerische Werte überführt. Für die nachfolgende empirische Untersuchung ist die Überführung der durch die Ratingagenturen vergebenen Noten in numerische Werte unerlässlich. Tabelle II.1 zeigt in der Spalte „Numerischer Wert“ die von Afonso, Furceri und Gomes (2011) und uns verwendete Umrechnung. III.3 Methodik Die Methodik der Eventstudie orientiert sich an der in Campbell, Lo und MacKinlay (1996) vorgeschlagenen Struktur. Somit gliedert sich die Eventstudie in sieben Teile. III.3.1 Definition des Ereignisses Wie oben aufgelistet, differenzieren wir die Ereignisse in fünf Kategorien, wobei drei zu den Ratingänderungen und weitere zwei zu Watchlist-Events gehören. Darüberhinaus führen wir die Eventstudie zusätzlich für jede Ratingagentur separat durch. Die Vor-Ereignis-Periode beträgt 60 15 Griechenland, beispielsweise, verkauft keine solche Anleihen, so dass wir Griechenland leider nicht im Datensatz haben. 22 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Tage. Für das Ereignis-Fenster wurden der Tag des Ereignisses sowie der darauffolgende Tag gewählt. III.3.2 Normale und abnormale Renditen Die normalen Renditen sind zunächst ein statistisches Konzept, welches die realisierten Renditen der Vergangenheit in geeigneter Weise zu erklären vermag. Darüber hinaus werden normale Renditen oft mit einem Fundamentalwert gleichgesetzt. Dies macht allerdings nur Sinn, wenn dieser Fundamentalwert durch ein geeignetes Modell generiert wird. Im folgenden werden drei Modelle verwendet, um die normalen Renditen zu schätzen. Neben dem in Eventstudien üblichen ConstantMean-Return-Modell und dem Time-Trend-Modell verwenden wir das dynamische Nelson-SiegelModell. Dieses Modell liefert eine intuitive Interpretation des Fundamentalwertes der Renditen und rechtfertigt eine Gleichsetzung von normalen Renditen und Fundamentalwerten. Im Folgenden werden die Modelle vorgestellt. III.3.2.1 Constant-Mean-Return-Modell Für das Constant-Mean-Return-Modell werden in der Vor-Ereignis-Periode folgende Annahmen getroffen. Die Entwicklung der Renditen ist stationär und durch folgendes Bewegungsgesetz gegeben: yit = µi + ε it , 2 wobei ε it ein weißes Rauschen mit Erwartungswert 0 und unbekannter Varianz σ MM ist. Eine Rechtfertigung dieser Annahmen wäre ein vergleichsweise stabiler Verlauf der Renditen um den Erwartungswert µ , sowie zeitinvariante und rein zufällige Abweichungen der realisierten Renditen von deren Erwartungswert in der Vor-Ereignis-Periode. Dieses Model dient als Referenzmodell. Wie von Campbell, Lo und MacKinlay (1996) beschrieben, kann man dieses Model dadurch rechtfertigen, dass Brown und Warner (1980, 1985) ähnliche Resultate für dieses Modell verglichen mit anderen elaborierteren Modellen finden. Darüber hinaus wird es immer noch in aktuellen Veröffentlichungen verwendet, siehe etwa Afonso, Furceri und Gomes (2011). Wie später deutlich werden wird, kommen wir jedoch zu dem Schluss, dass dieses Modell die Realität allzu sehr vereinfacht. III.3.2.2 Time-Trend-Modell Die deskriptive Analyse der Renditen in der Vor-Ereignis-Periode legt zum Teil einen unterliegenden Trend nahe, deshalb erweitern wir das Constant-Mean-Return-Modell um einen deterministischen Zeittrend. Die Bewegungsgleichung für dieses Modell lautet somit yit = µi + δ i t + ε it , 2 ist. Das wobei ε it ein weißes Rauschen mit Erwartungswert 0 und unbekannter Varianz σ TM Trend-Modell bietet im Allgemeinen einen besseren „in sample model-fit“ (mechanisch entsteht ein höheres R2 durch die Aufnahme weiterer Regressoren). Im Allgemeinen liegen die Ergebnisse für die abnormalen Renditen jedoch recht nahe an denen des Constant-Mean-Return-Modells. Da TrendVerhalten aus finanztheoretischer Sicht aufgrund von Arbitragemöglichkeiten unwahrscheinlich erscheint, ist es notwendig, dieses Modell zu rechtfertigen. Obwohl das Modell aus finanztheoretischer Perspektive für eine Analyse von Renditen ungeeignet sein mag, erachten wir die Analyse jedoch als Robustness Check und aufgrund des besseren Model-Fits als sinnvoll. Weiter lässt sich aus empirischer Sicht der Einbezug des Trends durch die Signifikanz der δ i ’s rechtfertigen. III.3.2.3 Dynamisches Nelson-Siegel-Modell Die Verwendung des dynamischen Nelson-Siegel-Modells (DNS-Modell) unterscheidet unsere Eventstudie von gewöhnlichen, welche häufig lediglich das Constant-Mean-Return-Modell verwenden, und erweitert diese methodisch. Im Gegensatz zu den Modellen aus dem obigen Abschnitt 23 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 ist das DNS-Modell ein in der Beschreibung von Anleiherenditen empirisch hohe Relevanz besitzendes Modell. Das DNS-Modell wird wie folgt in einer Zustandsraum-Darstellung formuliert: Ausgangsgleichung: yt (τ ) = Λ(τ ) ft + ε t , wobei τ der Laufzeit der Anleihen entspricht. Zustandsgleichung: ft = µ + A ft−1 + u t . Der Kern des DNS-Modells ist die Parameter-Matrix Λ(τ ) ∈ ℜ16×9 . Sie enthält in den Spalten 3 Faktoren. Faktor 1 repräsentiert den Niveau der Zinsstrukturkurve, Faktor 2 die Steigung und Faktor 3 die Krümmung. Das besondere am DNS-Modell ist dabei, dass die drei Faktoren nicht geschätzt werden, sondern vordefinierte, nichtlineare Funktionen der Laufzeit und eines frei wählbaren Parameters λ sind.16 Darüber hinaus finden Diebold, Rudebusch und Aruoba (2006) eine Beziehung zwischen den Faktoren und makroökonomischen Fundamentaldaten. Faktor 1 korrespondiert mit Inflationserwartungen und Faktor 2 mit der Outputlücke. III.3.3 Abnormale Renditen Nach der Schätzung der normalen Renditen werden die abnormalen Renditen wie folgt geschätzt: Die abnormalen Renditen ergeben sich aus der Differenzenbildung der realisierten und normalen Renditen. Formal: ε it* = yit − E( yit Xt−1 ) . III.3.4 Schätzmethode Alle drei Modelle werden mittels der Kleinsten-Quadrate-Methode geschätzt. Aufgrund der Länge des Vor-Event-Fensters von 60 Tagen müssen keine Verteilungsannahmen bezüglich ε it getroffen werden, da Lindeberg-Levys Zentraler Grenzwertsatz greift. Da wir annehmen, dass ε it unabhängig identisch verteilt sind, ergibt sich daraus, dass die Schätzer als lineare Funktion der Summe ε it ’s bedingt auf die Daten linear von der Summe unabhängig identisch verteilter Zufallsvariablen abhängen. Lindeberg-Levys Zentraler Grenzwertsatz besagt, dass die Summe unabhängig identisch verteilter Zufallsvariablen für eine hinreichend große Anzahl an Beobachtungen approximativ normalverteilt ist. Die abnormale Rendite ist eine Differenz zweier zumindest approximativ normalverteilter Variablen. Weiter sind die Bestandteile der Differenz aufgrund der Annahme unabhängiger ε it ’s bedingt auf die Daten unabhängig. Daraus resultiert eine approximativ normalverteilte abnormale Rendite. Die Schätzung des DNS-Modells wurde wie folgt vorgenommen: Zunächst wurden die Faktoren ft über den Querschnitt der Laufzeiten geschätzt. Daraus resultierte eine mehrdimensionale Zeitreihe mit 60 Beobachtungen der 3x1 Vektoren der Faktoren. Daraufhin erfolgte die Schätzung der A Matrix wie üblich mittels der Kleinsten-Quadrate Methode über eine Zeitreihenregression auf Basis der Übergangsformel. Die Vorhersagen der normalen Renditen Bezeichnet man für eine gegebene Laufzeit i den ersten Faktor als β1i und den zweiten und dritten entsprechend, so ergeben sich für die drei Faktoren der i ten Spalte von Λ (τ ) : 16 1− e− λτ 1 − e− λτ und β3i = β1i = 1 , β 2i = λτ λτ − e− λτ . 24 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 erfolgen auf Basis der verfügbaren Informationen zum Zeitpunkt t-1. Genauer bedeutet dies, dass sich die abnormalen Renditen in Zeitpunkt t und t-1 in den drei Modellen wie folgt ergeben. 1. Constant-Mean-Return-Modell: ε it* = yit − µ̂i * ε it+1 = yit+1 − µ̂i 2. Time-Trend-Modell: ε it* = yit − µ̂i + δ i t * ε it+1 = yit+1 − µ̂i + δ i (t +1) 3. Dynamisches Nelson-Siegel-Modell: ε it* = yit − Λ(τ ) A ft−1 (τ ) * ε it+1 = yit+1 − Λ(τ ) A 2 ft−1 (τ ) III.3.5 Testmethoden Zwei unterschiedliche Tests werden durchgeführt. Zunächst testen wir die Signifikanz der abnormalen Renditen. Deren Signifikanz ist ein klares Indiz für eine Reaktion der Anleihemärkte auf Ereignisse wie etwa Ratingänderungen. Darüberhinaus testen wir den Unterschied zwischen VorEreignis-und Nach-Ereignis Durchschnittsrendite. Dieser Unterschied ist ein Indiz für den permanenten Effekt von Ratingänderungen. Die Vor-Ereignis-Durchschnittsrendite wird aus den letzten 60 Tagen vor dem Ereignis berechnet. Für die Nach-Ereignis-Rendite wird ein Puffer von 15 Tagen verwendet. Somit werden zur Kalkulation der Nach-Ereignis-Rendite die Tage 16 bis 75 nach dem Ereignis verwendet. III.3.5.1 t-Test der abnormalen Renditen Die Signifikanz der abnormalen Renditen wird parametrisch durch einen t-Test untersucht. Standardmäßig gliedert sich der Test in drei Schritte. i) Hypothesen: H 0 : CAR = t*+1 ∑ ε it* vs. H1 : CAR ≠ t=t* t*+1 ∑ε * it t=t* ii) Teststatistik: CÂR SD(CÂR) iii) Ablehnungsbereich: CÂR ∈ (-∞, −1.96) ∪ (1.96,∞) SD(CÂR) 25 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Der t-Test verwendet somit die Summe der abnormalen Renditen der Tage t und t+1. Nach einer nichttrivialen Herleitung17 ergibt sich eine gewöhnliche Student-t-Verteilung für die Teststatistik. Die Varianzberechnung orientiert sich an der Diskussion in Campbell, Lo und MacKinlay (1996) und kann vom interessierten Leser in der Fußnote nachvollzogen werden. III.3.5.2 Mittelwertvergleich zwischen Vor und Nach-Ereignis-Periode sowie Ereignis- und Nach-Ereignis-Periode Um festzustellen, ob statistisch signifikante Unterschiede zwischen den drei beobachteten Durchschnitts-Renditen bestehen führen wir zwei separate Tests auf Mittelwertvergleiche durch. Zum einen testen wir auf Signifikanz der Differenz zwischen Vor-Ereignis-Durchschnittsrendite und NachEreignis-Durchschnittsrendite und zum anderen auf Signifikanz zwischen Rendite zum Ereigniszeitpunkt und Nach-Ereignisdurchschnittsrendite. Die Tests sind wie folgt aufgebaut. Test für den Mittelwertvergleich: i) Hypothesen: H 0 : µi = µ j H 1 : µi ≠ µ j vs. ii) Teststatistik: T= iii) Ablehnungsbereich: µ̂i − µ̂ j 60 ⋅ 60 ⋅ 120 SD̂( µ̂i − µ̂ j ) T ∈ (-∞, −1.98) ∪ (1.98,∞) Signifikante Ergebnisse deuten auf Unterschiede zwischen den betrachteten Renditen hin. Nach dem Durchführen der t-Tests analysieren wir deskriptiv die Verteilung der 5%, 25%, 50%, 75% und 95% Perzentile der Differenzen zwischen Vor- und Nach-Ereignis-Mittelwert sowie Ereignis- und Nach-Ereignis-Mittelwert der Renditen, differenziert nach neuen Ratings und gegebenenfalls Laufzeiten. III.3.6 Genauere Beschreibung der DNS-Methodik Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die einzelnen Faktoren und die Koeffizienten des Systems zu schätzen. Wir entscheiden uns für die sogenannte zweistufige Kleinste-Quadrate-Methode. Wie der Name andeute,t unterteilt sich diese Methode in zwei Schritte: 1. Zunächst werden für einen gegebenen Wert von λ die zu jeder vorkommenden Laufzeit korrespondierenden Eintrage von Λ (τ ) berechnet. Anschließend werden für jede Zeitperiode einzeln die beobachteten Renditen auf die drei Koeffizienten in Λ (τ ) regressiert. Hierfür 17 Der Schätzer für die Varianz der kumulativen abnormalen Renditen des Constant-Mean-Return sowie des Time-Trend-Modells, ist gegeben durch ( 1 1 ) I (σˆ ) + X (X ' X ) 2 εi die Matrix der Regressoren in der Event-Periode sowie Xi * i i i −1 1 Xi* (σˆ ε2i ) wobei Xi* 1 die Matrix der Regressoren in der Vor-Event- Periode sind. Die Varianzschätzung im DNS-Modell erfolgt unter Annahme der asymptotischen Varianz ( 1 1 ) (σˆ 2 εi 1 ) . Da 60 Beobachtungen vorhanden sind, scheint diese Annahme gerechtfertigt. 1 26 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 verwendet man typischer Weise die Methode der Kleinsten Quadrate. Somit erreicht man eine Schätzung der drei Faktoren { fˆt }Tt=1 18. 2. Die geschätzten Faktoren können nun verwendet werden, um mittels eines Vektor-Autoregressiven-Modells (VAR) die Parameter in µ und A zu schätzen. Hier stehen eine Reihe verschiedener Schätzmethoden zur Verfügung, aber unter der Annahme, dass die Anleihenrenditen und somit die Faktoren einem stationären Prozess folgen, kann abermals die Methode der Kleinsten Quadrate verwendet werden. Da wir eine Schätzung immer nur über einen Zeitraum von 60 Tagen ausführen, halten wir die Stationaritätsannahme für unkritisch. Ein ungewöhnliches Merkmal dieser Methode ist, dass im ersten Schritt die Schätzung über die Laufzeitdimension erfolgt, im zweiten Schritt hingegen durch die zeitliche Dimension. Andere Schätzmethoden, welche darauf basieren die logarithmierte Wahrscheinlichkeitsfunktion zu maximieren, benötigen eine Anfangsschätzung für die Faktoren in der ersten Beobachtungsperiode. Ist der Beobachtungszeitraum hinreichend groß, konvergiert bei diesen Methoden die geschätze Folge der Faktoren { fˆt }Tt=1 gegen den tatsächlichen Erwartungswert {E( fˆt )}Tt=1 . Da unser Beobachtungszeitraum allerdings auf 60 Tage begrenzt ist, halten wir die zweistufige Methode für geeigneter, da hier keine Konvergenz der Faktorenschätzung über die Zeit erforderlich ist. Sobald die Koeffizienten des DNS-Modell geschätzt wurden, können Vorhersagen der Renditen berechnet werden, indem man zunächst auf Basis der letzten Faktoren fˆT eine Vorhersage für diese aus der Zustandsgleichung ableitet, fˆT+1 = µ̂ + Â fˆT , und diese anschließend in der Ausgangsgleichung verwendet, um eine Vorhersage für die Renditen zu bestimmen: ŷT+1 (τ ) = Λ(τ ) fˆT+1 . Wie üblich nennen wir die Differenz der so gewonnenen Vorhersage und der im Ereigniszeitraum tatsächlich beobachteten Rendite yT+1 (τ ) - ŷT+1 (τ ) „abnormale Rendite“. Zusammenfassend erwähnen wir nochmals die entscheidenden Punkte unserer Methodik. Zur Analyse des Einflusses von Ratingänderungen auf Anleiherenditen verwenden wir den Rahmen einer Eventstudie. Die Eventstudie vergleicht die Renditen am Tag des Ereignisses sowie die des darauffolgenden Tages mit einem statistischen Normalwert für die Rendite. Dieser Normalwert wird in unserer Studie aus drei Modellen gewonnen, dem Constant-Mean-Return-Modell, dem TimeTrend-Modell sowie dem DNS-Modell. Dieser Vergleich wird mittels statistischer Tests weiter untersucht. Darauf aufbauend werden die Vor-Ereignis-, die Ereignis- sowie die Nach-EreignisDurchschnittsrenditen miteinander verglichen. Es folgt nun die Diskussion der Ergebnisse. 18 fˆt = (Λ' Λ)−1 Λ' yt . 27 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 IV Diskussion der Ergebnisse IV.1 Ergebnisse Im folgenden Textabschnitt werden die Ergebnisse der Eventstudie vorgestellt. Zunächst werden die Auswirkungen einer Verschlechterung des Ratings diskutiert, darauf folgt eine Darstellung der Folgen einer Verbesserung des Ratings. Anschließend wenden wir uns jenen Fällen zu, in denen ausschließlich eine Aufnahmen in die negative Watchlist bekannt gegeben wurde. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit wird auf eine Diskussion für Bestätigungen des Ratings verzichtet. Zwar haben wir die gleichen Analysemethoden wie bei einer Abwertung angewendet, doch sind die Ergebnisse unabhängig von der Modellspezifikation nicht eindeutig. Sowohl im Constant-Mean-Return-, als auch im Time-Trend- und im DNS-Modell beobachten wir etwa gleich viele und betragsmäßig gleich große positive wie negative abnormale Renditen. Eine klare Aussage zu den Auswirkungen einer Ratingbestätigung ist also nicht möglich. Aufgrund der Tatsache, dass wir Anleihen mit 16 verschiedenen Laufzeiten aus 15 Ländern mit unterschiedlichen Ratings betrachten, müssen wir notwendigerweise eine aggregierte Darstellung der Ergebnisse wählen. Da die Präsentation der Ergebnisse eine gewisse Komplexität aufweist, werden wir unsere Darstellungsmethode exemplarisch anhand von zwei häufig verwendeten Schaubildern erläutern. Eine einfachere Darstellung könnte zwar zunächst intuitiver erscheine, würde jedoch zu aus unserer Sicht falschen Schlussfolgerungen führen. Exemplarisch wenden wir uns der Darstellung der abnormalen Renditen im Constant-MeanReturn-Modell zu. Wie im Methodikteil genauer beschrieben, sind die abnormalen Renditen die unerwarteten Abweichungen der Anleiherenditen am Tag des Ereignisses, sowie des darauffolgenden Tages. Da dies zwei abnormale Renditen sind, werden in den folgenden Schaubildern die Mittelwerte dieser zwei abnormalen Renditen dargestellt. Wir betrachten die Ergebnisse in zwei Dimensionen. Zunächst aggregieren wir über die Laufzeiten und stellen die Verteilung der abnormalen Renditen in Abhängigkeit des neuen Ratings dar. So können wir untersuchen, ob Investoren die Staaten in separate Risikoklassen einteilen und ob der Übergang in eine neue Risikoklasse einen Effekt auf die Rendite der betroffenen Anleihen hat. Um nicht lediglich wie üblich den Mittelwert der Verteilung darzustellen, wählen wir Schaubilder, welche die fünf Kenngrößen der Verteilung zeigen. Diese sind das 5%, 25%, 50%, 75% sowie das 95% Perzentil der jeweiligen Verteilung. In Schaubild 1 stellt der Graph, welcher sich links oben befindet, folgendes dar: Es werden alle Ereignisse betrachtet, welche ein Rating nach dem Ereignis auf Stufe 6 zur Folge haben. Ein Ereignis verursacht 16 abnormale Renditen, eine pro Laufzeit der Anleihe. Die gebildeten Durchschnitte der abnormalen Rendite, werden dann nach Größe geordnet. Die Höhe des ersten (blauen) Balkens gibt an, unter welcher Obergrenze sich die kleinsten 5% der realisierten abnormalen Renditen befinden. Das 25% Perzentil gibt die Obergrenze an, unter welcher die kleinsten 25% der abnormalen Renditen liegen. Entsprechendes gilt für die 50%, 75% und 95% Perzentile. Von besonderem Interesse ist das 50% Perzentil, welches auch Median genannt wird. Dieser trennt die Daten in zwei Hälften, von den 50% kleiner sowie 50% größer als der Median sind. Eine positive abnormale Rendite bedeutet, dass die Realisation der Rendite höher als erwartet ist. Damit geht ein Preis einher, welcher niedriger als erwartetet ist. Wenn Herabstufungen nicht antizipiert und somit nicht eingepreist wurden, wäre eine positive abnormale Rendite eine natürliche Marktreaktion. 28 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.1: Constant Mean Return - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur Abbildung IV.2: Constant Mean Return - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. 29 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Das zweite Schaubild ist konzeptionell ähnlich aufgebaut. Die Graphen stellen wiederum Perzentile dar. Jedoch wird diesmal nicht nach dem neuen Rating nach einer Herabstufung differenziert, sondern stattdessen nach Laufzeiten. Der Graph links oben, stellt z.B. die Perzentile aller abnormalen Renditen bei Herabstufungen für Anleihen mit einer dreimonatigen Laufzeit dar. Mit dieser Darstellungsform hoffen wir Änderungen in der Form der Zinsstrukturkurve aufdecken zu können, welche von Herabstufungen verursacht wurden. Nachdem die von uns verwendete Darstellungsmethode erläutert wurde, folgt die Darstellung der tatsächlichen Ergebnisse. IV.1.1 Herabstufungen Wir beobachten 37 Herabstufungen des Ratings in unserem Datensatz. Die betroffenen Länder sind Belgien, Finnland, Ungarn, Italien, Portugal und Spanien. Da wir die Anleihen separat nach Laufzeit und Land betrachten, ergeben sich 37*16 = 592 Reaktionen, welche es zu untersuchen gilt. Unten stehende Tabelle IV.1 zeigt je nach Schätzmodell die Anzahl der Anleihen, deren abnormale Rendite auf dem 5%-Niveau signifikant ist. Die letzte Zeile in Tabelle IV.1 zeigt dabei die Anzahl der Anleihen, welche sowohl nach dem Constant-Mean-Return-Modell als auch nach dem Time-TrendModell eine signifikante abnormale Rendite aufweisen. Es zeigt sich deutlich, dass der Anteil an Anleihen mit signifikanter abnormaler Rendite sinkt, je komplexer das Modell zur Bestimmung der normalen Rendite wird. Modell Constant Mean Return Trend DNS Constant Mean Return & Trend signifikant Anteil 440 273 199 167 74,37% 40,02% 33,61% 28,21% Tabelle IV.1: Übersicht über die Anzahl von Anleihen mit signifikanter abnormaler Rendite geordnet nach Modellen. Fortan werden wir uns auf diejenigen abnormalen Renditen beschränken, welche sowohl nach Constant-Mean-Return- und Time-Trend-Modell signifikant sind, bzw. nach dem DNS-Modell. Zunächst betrachten wir die Reaktionen der Anleihen auf die Herabstufung eines Lands durch irgendeine der drei Ratingagenturen. Anschließend werden für jede Agentur einzeln die abnormalen Renditen untersucht. IV.1.1.1 Herabstufung allgemein In diesem Abschnitt wird nicht zwischen Herabstufungen durch verschiedene Ratingagenturen unterschieden. Wir präsentieren deskriptive Statistiken für die abnormalen Renditen des ConstantMean-Return-, des Time-Trend- und des DNS-Modells. Dabei beschränken wir uns auf Herabstufungen, bei denen keine anderen Ratingereignisse in den 10 vorangegangenen Handelstagen stattfanden. Wir werden zwei zuvor motivierten Darstellungsformen der abnormalen Renditen betrachten: • Reaktionen aggregiert über alle Laufzeiten, differenziert nach neuem Rating. • Reaktionen aggregiert über alle neuen Ratings, differenziert nach Laufzeit. Wir beginnen mit dem ersten Fall. Da es vorkommen kann, dass zwei Agenturen am gleichen Tag eine Herabstufung bekannt geben, wurde für diese Falle die neue Durchschnittsnote berechnet. In den Abbildungen IV.3, IV.4 und IV.5 werden das 5%, 25%, 50%, 75% und 95% Perzentil der abnormalen Renditen für das Constant-Mean-Return-, das Time-Trend- und das DNS-Modell als Balkendiagramme präsentiert. 30 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.3: Constant Mean Return - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. Abbildung IV.4: Time Trend - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. 31 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.5: DNS - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. Nicht für alle neuen Ratings postulieren die drei unterschiedlichen Modelle ein ähnliches Verhalten der abnormalen Renditen. Zunächst lässt sich festhalten, dass das komplexe DNS-Modell konservativer ist als das rudimentäre Constant-Mean-Return-Modell: Betragsmäßig hohe Perzentile der abnormalen Renditen sind hier seltener. Weiterhin lässt sich feststellen, dass Herabstufungen auf die Noten 8 (BBB-) und 10 (BBB+) von allen drei Modellen mit einem substanziellen Anstieg der Renditen assoziiert werden. Für alle anderen beobachteten Noten sind die Ergebnisse der einzelnen Modelle entweder widersprüchlich, oder die Absolutwerte der Perzentile sind so klein, dass sie in der Praxis vernachlässigt werden können. Nun wenden wir uns der Differenzierung nach der Laufzeit zu. Wieder werden in den Abbildungen IV.6, IV.7 und IV.8 das 5%, 25%, 50%, 75% und 95% Perzentil der abnormalen Renditen für das Constant-Mean-Return-, das Time-Trend- und das DNS-Modell als Balkendiagramme angezeigt. 32 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.6: Constant Mean Return - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. Abbildung IV.7: Time Trend - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. 33 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.8: DNS - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. In den drei obigen Abbildungen lassen sich einige Regelmäßigkeiten beobachten. Zunächst fällt auf, dass in allen drei Modellen und für alle Laufzeiten das 95% Perzentil deutlich höher ist als der Median. Extreme Anstiege der Renditen nach einer Herabstufung sind also für Anleihen aller Laufzeiten möglich. Auch ist das 5% Perzentil für alle Laufzeiten und in allen drei Modellen negativ. Es kann also vorkommen, dass die Renditen nach einer Herabstufung abnehmen. Die Reaktionen von Anleihen mit einer Laufzeit von 3 bis 9 Monaten sind bis zum 75% Perzentil betragsmäßig klein. Dies gilt für alle drei Modelle. Weiterhin gibt es eine Reihe von Anleihen mit mittlerer Laufzeit, bei deren abnormaler Rendite ein substantieller Teil der Wahrscheinlichkeitsmasse im positiven Bereich liegt. Beim ConstantMean-Return- und beim Time-Trend-Modell sind dies die Anleihen mit 18 und 24 Monaten Laufzeit, das DNS-Modell zeigt dieses Ergebnis hingegen bei 12, 15 und 18 Monaten. Für die Anleihen mit längerer Laufzeit lässt sich keine eindeutige Aussage aus dem ConstantMean-Return- und dem Time-Trend-Modell ableiten. Zwar scheint sich für alle Anleihen der größere Teil der Wahrscheinlichkeitsmasse im positiven Bereich zu befinden, jedoch liegt dies vornehmlich am sehr hohen 95% Perzentil. Das DNS-Modell hingegen weist bei den Anleihen mit 8, 9 und 10 Jahren Laufzeit bereits positive 25% Perzentile auf. Bisher konzentrierten wir uns bei der Analyse der Auswirkungen von Herabstufungen auf die abnormalen Renditen im Ereigniszeitraum, also am Tage der Bekanntgabe einer Herabstufung und am unmittelbar darauf folgenden Handelstag. Um allerdings zu entscheiden, ob die Herabstufung eines Landes auch langfristig zu einem Anstieg der Renditen führt, muss ein längerer Zeitraum nach der Abwertung betrachtet werden. Dies geschieht im Nachfolgenden Textabschnitt IV.1.1.2 34 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 IV.1.1.2 Möglichkeit einer Überreaktion Dieser Abschnitt widmet sich der Frage, wie sich das langfristige Zinsniveau einer Anleihe nach der Abwertung zur Situation vor der Abwertung verhält und ob es am Tage der Bekanntgabe der Herabstufung und am Tag danach möglicherweise eine Überreaktion gibt. Zu diesem Zweck schätzen wir zunächst die normalen Renditen in den 60 Handelstagen vor der Bekanntgabe der Herabstufung und in den Handelstagen 16 bis 75 nach der Herabstufung. Dadurch werden die ersten 15 Handelstage nach der Herabstufung ausgespart, so dass man erwarten kann, dass die neue Ratingstufe in den Renditen eingepreist ist und keine weitere Anpassung der Renditen als Antwort auf die Herabstufung geschieht. Zur Berechnung der normalen Renditen verwenden wir in diesem Abschnitt ausschließlich das Constant-Mean-Return-Modell. Da in jedem statistischen Modell strukturelle Änderungen der Parameter wie etwa im Zeittrend oder dem konstanten Erwartungswert nur rückwirkend erkannt werden können, scheint die Verwendung komplexerer Modelle hier nicht zielführend zu sein. Zunächst vergleichen wir den Mittelwert der Renditen in der Nachereignisperiode mit dem Mittelwert der Renditen in der Vorereignisperiode. Bei einer negativen Differenz aus Vorereignismittelwert und Nachereignismittelwert haben die Renditen langfristig ein höheres Niveau nach der Herabstufung angenommen. Abbildung IV.9 zeigt die zuvor verwendeten Perzentile dieser Differenzen gruppiert nach neuer Ratingstufe für all jene Anleihen, deren abnormale Rendite am Tag der Bekanntgabe auf dem 5%-Niveau signifikant war. Abbildung IV.9: Constant Mean Return - Vorereignis- minus Nachereignismittelwert für verschiedene Ratings. Bei allen neuen Ratingstufen außer 6 (BB) ist bereits das 75% Perzentil positiv. Es besteht also die Möglichkeit, dass die Rendite nach einer Herabstufung auch dauerhaft niedriger ausfällt. Bei einer Herabstufungen auf die Ratingstufe 10 (BBB+) zeigt sich ein negativer Median mit substantiellem Absolutbetrag, so dass für eine Abwertung auf diese Ratingstufe von einer längfristigen Steigerung der Renditen ausgegangen werden kann. Für die anderen Ratingstufen ergibt sich kein klares Bild und die Mediane sind nahe Null. Das vermeintlich klare Ergebnis für eine Herabstufung auf 6 (BB) ist 35 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 trügerisch, da für diese Ratingstufe nur sehr wenige Beobachtungen in unserem Datensatz vorhanden sind. Nun vergleichen wir die Rendite während des Ereigniszeitraumes - am Tag der Bekanntgabe und am Tag danach - mit dem Nachereignismittlewert, also dem Mittelwert der Renditen im Zeitraum von 16 bis 75 Handelstagen nach der Herabstufung. Ist die Differenz der Ereignisrendite und des Nachereignismittelwertes positiv, so stieg die Rendite bei der Bekanntgabe der Herabstufung höher an, als ihr darauf folgendes langfristiges Gleichgewicht. Dies kann als Überreaktion interpretiert werden. Abbildung IV.10 zeigt die Perzentile dieser Differenz für Anleihen, deren abnormale Rendite am Tage der Herabstufung auf dem 5%-Niveau signifikant war, gruppiert nach neuen Ratingstufen. Abbildung IV.10: Constant Mean Return - Vorereignis- minus Nachereignismittelwert für verschiedene Ratings. Der deutlichste Anstieg zeigt sich bei einer Herabstufung auf 10 (BBB+), bei Abwertungen auf 8 (BBB-), 9 (BBB) und 11 (A-) sind die Absolutbeträge der Mediane kleiner, aber der überwiegende Teil der Wahrscheinlichkeitsmasse liegt auch hier im positiven Bereich. Allein die Perzentile für eine Herabstufung auf 6 (BB) fallen mit beträchtlichen negativen Werten auf. Bevor wir uns den Auswirkungen einer Herabstufung durch eine bestimmte Ratingagentur zuwenden, sollten die bisherigen Ergebnisse zusammengefasst werden. • Die Renditen von Anleihen mit kurzer Restlaufzeit bleiben von Abwertungen unberührt, Renditen von Anleihen mittlerer Laufzeit steigen hingegen an. Für Anleihen mit langer Restlaufzeit ergibt sich kein klares Bild. • Unterscheidet man nach neuen Ratingstufen, ergibt sich das klarste Bild für Abwertungen auf 8 (BBB-) und 10 (BBB+). Am Tag der Abwertung steigen die Renditen über ihr darauf folgendes langfristiges Niveau hinaus und im Falle einer Herabstufung auf 10 (BBB+) ist das 36 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 langfristige Renditenniveau für die betroffenen Anleihen nach der Abwertung höher als davor. • Für Abstufungen auf die anderen Ratingstufen ergeben sich keine eindeutigen Ergebnisse. Welche Rolle diese Ergebnisse für unsere zentralen Forschungsfragen spielen, wird in Abschnitt IV.2 erörtert. Wenden wir uns nun den Abwertungen durch S&P zu. IV.1.1.3 Herabstufung durch S&P Aus Gründen der Übersichtlichkeit und da sich bei den bisherigen Untersuchungen der abnormalen Renditen der Eindruck ergab, dass das DNS-Modell die konservativsten Ergebnisse produziert, werden wir fortan auf die grafische Darstellung der Ergebnisse aus dem Constant-Mean-Return- und dem Time-Trend-Modell verzichten und auf diese nur noch beim Vergleich mit dem DNS-Modell Bezug nehmen. Das 5%, 25%, 50%, 75% und 95% Perzentil der abnormalen Renditen für unterschiedliche Ratingstufen nach der Herabsetzung durch S&P werden in der Abbildung IV.11 präsentiert. Abbildung IV.11: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Herabstufung durch S&P. Wie zuvor fällt ein eindeutiger Anstieg der Rendite nach einer Abwertung auf Stufe 10 (BBB+) auf, welcher auch von den zwei ausgelassenen Modellen bestätigt wird. Bei Herabstufungen auf die Ratingstufen 11 (BBB) sowie 13 (A+) bis 16 (AA+) sind in allen drei Modellen die Absolutwerte der abnormalen Rediten so klein, dass die Ergebnisse keine praktische Relevanz besitzen. Leider kann der substantielle Anstieg der Renditen bei einer Abwertung auf 8 (BBB-) beim DNS-Modell weder vom Constant-Mean-Return- noch vom Time-Trend-Modell bestätigt werden. Eine nach Laufzeiten differenzierte Darstellung kann nicht für jede Ratingagentur separat vorgenommen werden, da für manche Laufzeiten zu wenige Beobachtungen vorliegen. 37 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Es folgt eine Betrachtung der Auswirkungen einer Herabstufung durch Moody’s. IV.1.1.4 Herabstufung durch Moody’s Aus den zuvor genannten Gründen beschränken wir uns auf eine grafische Darstellung der abnormalen Renditen aus dem DNS-Modell und zeigen diese gruppiert nach unterschiedlichen Ratingstufen in Abbildung IV.13. Abbildung IV.12: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Herabstufung durch Moody’s. Außer bei Abwertungen auf 8 (BBB-) und 11 (A-) sind die Randperzentile auffallend klein. Nur eine Herabstufung auf Rating 16, d.h. von AAA auf AA+, zeigt in allen drei Modellen konsistente, positive abnormale Renditen, allerdings ist selbst das 95% Perzentil kleiner als 0,15%. IV.1.1.5 Herabstufung durch Fitch In diesem Abschnitt werden die Herabstufungen durch Fitch analysiert. Wie zuvor bei Moody’s werden nur die abnormalen Renditen aus dem DNS-Modell vorgestellt. Die Gruppierung erfolgt hier ebenfalls gemäß Ratings nach der Herabstufung. 38 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.13: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Herabstufung durch Fitch. Auch wenn die Verteilungen der abnormalen Renditen aus dem DNS-Modell einen klaren positiven Effekt der Herabstufung durch Fitch auf die Zinssätze suggerieren, werden diese Ergebnisse vom Constant-Mean-Return- und Time-Trend-Modell nur für eine Abwertung auf Stufe 10 (BBB+) bestätigt. Für diesen Fall nimmt allerdings selbst das 5% Perzentil verhältnismäßig hohe Werte an. Im nachfolgenden Abschnitt IV.1.1.6 werden die Ergebnisse der nach Ratingagenturen differenzierten Analyse zusammengefasst. IV.1.1.6 Auswirkungen unterschiedlicher Ratingagenturen Im Wesentlichen bestätigen unsere Analysen für die einzelnen Ratingagenturen die zuvor gewonnenen Ergebnisse. Insbesondere die Marktreaktionen auf Herabstufungen durch S&P und Fitch ähneln den allgemeinen Reaktionen: Es zeigen sich beträchtliche positive abnormale Renditen bei Abwertungen auf Stufe 10 (BBB+). Für Stufe 8 (BBB-) sind die Ergebnisse weniger klar. Bei allen anderen Ratingstufen ist das Bild nicht eindeutig. Interessant ist, dass die Reaktion auf Abwertungen durch Moody’s erheblich schwächer sind als bei S&P. Eine gründliche Untersuchung dieses Umstandes lässt die zu geringe Anzahl an Beobachtungen leider nicht zu, allerdings ist eine mögliche Erklärung, dass Moody’s dazu tendiert Herabstufungen zeitlich nach S&P bekannt zu geben, so dass die Information vom Markt bereits eingepreist wurde. Nachdem die Auswirkungen von Herabstufungen dargelegt wurden, betrachten wir als nächstes die Wirkung von Aufwertungen auf die Renditen von Staatsanleihen. 39 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 IV.1.2 Aufwertungen IV.1.2.1 Aufwertungen allgemein In unserem Datensatz beobachten wir 18 Verbesserungen der von Rating-Agenturen ausgewiesenen Kreditwürdigkeit eines Landes. Es handelt sich dabei um die Länder Belgien, Tschechien, Finnland, Italien, Polen, Portugal und Spanien. Es ergeben sich 18 * 16 = 288 Reaktionen von Renditen, die für eine Analyse der Auswirkungen von Heraufstufungen in Frage kommen. Unten stehende Tabelle IV.2 zeigt je nach Schätzmodell die Anzahl der Anleihen deren abnormale Rendite auf dem 5%-Niveau signifikant ist. Wieder lässt sich deutlich erkennen, dass der Anteil an Anleihen mit signifikanter abnormaler Rendite umso kleiner Modell Constant Mean Return Trend DNS Constant Mean Return & Trend signifikant Anteil 177 152 100 80 60,42% 53,13% 34,72% 27,78% Tabelle IV.2: Übersicht über die Anzahl von Anleihen mit signifikantem abnormal Renditegeordnet nach Modellen. wird, je mehr Struktur vom Schätzmodell vorgegeben wurde. Wie zuvor beschränken wir uns auf Anleihen, deren Renditen sowohl nach dem Constant-Mean-Return- und dem Time-Trend-Modell, bzw. nach dem DNS-Modell signifikant waren. Allerdings ist eine Unterscheidung nach einzelnen Rating Agenturen wegen der geringen Anzahl von beobachteten Aufwertungen nicht vertretbar. Für S&P und Fitch befinden sich jeweil acht Aufwertungen in unserem Datensatz, für Moody’s nur zwei. Daher betrachten wir ausschließlich die Effekte eine Heraufstufung durch eine beliebige Ratingagentur. Ebenso schließen wir Ereignisse aus, welche nicht länger als zehn Handelstage nach einem anderen Ereignis stattfanden. Abbildung IV.14 zeigt die zuvor verwendeten Perzentile der abnormalen Renditen aus dem DNS-Modell nach einer Aufwertung durch eine beliebige Agentur. 40 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.14: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Aufwertung durch beliebige Agentur. Negative abnormale Renditen haben auch an den Randperzentilen nur sehr geringe Absolutbeträge. Weiterhin zeigen sich für Aufwertungen auf die Stufen 14 (AA-) und 15 (AA) positive Mediane geringer Größe, dies wird allerdings nicht von den anderen beiden Modellen bestätigt. Das einzige Ergebnis, welches von allen drei Modellen unterstützt wird ist, dass eine Aufwertung auf Stufe 12 (A) zu einem Anstieg der Rendite führt, welcher aber wegen seiner geringen Größe vernachlässigt werden kann. Beim DNS-Modell liegt zwar ein beträchtlicher Teil der Wahrscheinlichkeitsmasse der abnormalen Renditen nach einer Aufwertung auf 17 (AAA) im negativen Bereich, allerdings gilt dies nicht für die übrigen zwei Modelle. 41 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.15: DNS - Verschiedene Laufzeiten nach einer Aufwertung durch beliebige Agentur. Für Anleihen mit Laufzeiten von 30 Monaten bis zu 8 Jahren - also mit mittlerer bis langer Laufzeit - befindet sich der größere Teil der Wahrscheinlichkeitsmasse der abnormalen Renditen im negativen Bereich. Dies wird auch von den zwei nicht dargestellten Modellen bestätigt. Die Absolutwerte der Perzentile sind jedoch eher gering. Für Anleihen mit einer kurzen Laufzeit von 6 bis 24 Monaten ergeben sich aus dem DNS- und dem Constant-Mean-Return-Modell eher positive abnormale Renditen, während das Time-Trend-Modell auch hier eine Abnahme der Rendite impliziert. Für Anleihen mit Laufzeiten von 9 und 10 Jahren sind beim Constant-Mean-Return- und Time-Trend-Modell alle Perzentile negativ, die abnormalen Renditen des DNS-Modells haben jedoch mehr Wahrscheinlichkeitsmasse im positiven Bereich. IV.1.3 Zusammenfassung Aufwertungen Anders als bei Herabstufungen, zeigt sich für keine einzige neue Ratingstufe ein eindeutiges Bild. Die Ergebnisse der einzelnen Modelle sind entweder widersprüchlich oder von der Größe her unbedeutend. Betrachtet man die Reaktionen auf eine Aufwertung gruppiert nach Restlaufzeit, sind die Effekte zwar quantitativ ebenfalls unbedeutend, aber von der Tendenz her wenigstens jenen entgegengesetzt, welche bei einer Herabstufung zu beobachten waren. Die Anleihen mit mittlerer Laufzeit verzeichnen negative abnormale Renditen, während die Reaktion der Anleihen mit kurzer und langer Laufzeit ambivalent ist. Eine Interpretation dieser Ergebnisse erfolgt in Abschnitt IV.2. IV.1.4 Negative Watchlist Nachdem bisher Herabstufungen und Aufwertungen diskutiert wurden, wenden wir uns jetzt Änderungen beim Status der Watchlist zu. Die Bekanntgabe, dass ein Land auf die negative Watchlist gesetzt wurde, bedeutet, dass es einer intensiven Prüfung durch die betreffende Ratingagentur unterzogen und seine Kreditwürdigkeit anschließend möglicherweise herabgesetzt wird. Von einer 42 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 solchen Bekanntgabe kann man vermuten, dass sie die Erwartungen der Marktteilnehmer über die zukünftige Kreditwürdigkeit des jeweiligen Landes negativ beeinflussen wird. Um zu untersuchen, ob sich dies in höheren Anleihenrenditen widerspiegelt, betrachten wir das 5%, 25%, 50%, 75% und 95% Perzentil derjenigen abnormalen Renditen, welche auf dem 5%-Niveau signifikant sind. Wir gruppieren die abnormalen Renditen ausschließlich nach Laufzeiten, da es bei der Watchlist im Gegensatz zu den Ratings keine feinere Abstufung als positiv und negativ gibt. Wie üblich, schließen wir solche Bekanntgaben aus, die nicht mehr als 10 Tage auf ein anderes Ereignis folgen. Wegen der geringen Anzahl von Watchlist-Ankündigungen lässt sich eine Unterscheidung nach Ratingagenturen nicht rechtfertigen. Die Abbildungen 1.14 und 1.15 zeigen die genannten Perzentile der abnormal Renditen aus dem Time-Trend- und dem DNS-Modell. Das Constant-Mean-Return-Modell erzeugt beinahe identische Ergebnisse wie das Time Trend Modell und wurde daher ausgelassen. Abbildung IV.16: Time Trend - Verschiedene Laufzeiten nach negativer Watchlist-Bekanntgabe durch eine beliebige Agentur. 43 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Abbildung IV.17: DNS - Verschiedene Laufzeiten nach negativer Watchlist-Bekanntgabe durch eine beliebige Agentur. Mit Ausnahme der Anleihen mit 3-monatiger Laufzeit - bei denen nur sehr wenige signifikante abnormale Renditen beobachtet wurden - zeigen sich keine erwähnenswerten negativen Perzentile für die abnormalen Renditen. Das Time-Trend-Modell deutet für alle Laufzeiten ab 6 Monaten darauf hin, dass ein beträchtlicher Teil der Wahrscheinlichkeitsmasse im positiven Bereich liegt. Im DNS-Modell sind Folgen einer negativen Watchlistbekanntgabe weniger stark ausgeprägt. Einzig die Anleihen mit Laufzeiten von 15 und 18 Monaten, sowie 4, 9 und 10 Jahren zeigen hier ähnliche Reaktionen wie im Time-Trend-Modell. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass wie erwartet die Bekanntgabe, dass ein Land auf die negative Watchlist gesetzt wurde, eher zu einem Anstieg der Renditen führt. Eine präzise Unterscheidung hinsichtlich der Laufzeiten ist wegen der schlechten Datenlage leider nicht möglich. Nach der ausführlichen Diskussion der einzelnen Ergebnisse aus statistischer Perspektive, wenden wir uns nun der ökonomischen Sicht der Ergebnisse zu. IV.2 Interpretation der Ergebnisse Aus unseren Ergebnissen lassen sich einige interessante und neue Schlussfolgerungen ziehen. Während einige in der Literatur bekannte Ergebnisse repliziert werden, ziehen wir auch originäre Schussfolgerungen. 1) Die Auswirkung einer Herabstufung ist abhängig vom Rating Für Herabstufungen auf einige Ratings ergibt sich ein gemischtes Bild, welches kein eindeutiges Fazit zulässt. Zwar scheint es zumindest eine Tendenz in Richtung der erwarteten Auswirkungen zu geben, aber entweder führen die verschiedenen Modelle nicht zu einem einheitlichen Ergebnis, oder die Marktreaktionen sind zwar statistisch signifikant, nicht aber ökonomisch relevant. 44 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Für Herabstufungen von A- nach BBB+ und von BBB nach BBB- sehen wir allerdings ein sehr klares Bild, welches unseren Erwartungen voll und ganz entspricht. Diese Herabstufungen führen zu einem unmittelbaren Anstieg der Rendite. In der Zeit nach der Herabstufung sinkt die Rendite etwas, bleibt aber über der durchschnittlichen Rendite vor dem Ereignis. Auch wenn wir nicht vorhersahen, dass gerade diese Herabstufungen ein so klares Ergebnis liefern, ist es wenig verwunderlich. Die beiden Herabstufungen unterscheiden sich in ihrer Bedeutung von den anderen. Eine Herabstufung von A- nach BBB+ scheint eine wichtige psychologische Schranke. Allerdings kann hier auch nicht ausgeschlossen werden, dass interne Gewichtsbestimmungen von institutionellen Anlegern, eine Rolle spielen, also z.B. nur einen gewissen Prozentsatz in Produkte mit einem Rating unter A- zu investieren. Eine Herabstufung nach BBB- liefert auch eindeutige Ergebnisse. Hier gilt zu beachten, dass BBB- die letzte Stufe vor dem Verlust der Investment Grade ist. Eine deutliche Reaktion des Marktes auf den Verlust der Investment Grade ist in der Literatur bekannt (z.B. Altmann und Kao 1992). Hier scheint eine solche Reaktion auch schon für eine Herabstufung auf BBB- zu gelten. Darin reflektiert sich die nun erhöhte Wahrscheinlichkeit, mit der nächsten Herabstufung die Investment Grade zu verlieren. Aus der Marktreaktion auf Herabstufungen nach BBB+ und BBB-, welche wir ab hier marktrelevante Herabstufungen nennen, können wir zweierlei schließen. 2) Marktrelevante Herabstufungen beeinflussen die Rendite dauerhaft und enthalten Informationen Wir haben gezeigt, dass der Markt unmittelbar auf Ratingveränderungen reagiert. Es ist also nicht zutreffend, dass die Ratingagenturen lediglich schon im Markt bekannte und eingepreiste Informationen nutzten und lediglich die Marktentwicklungen nachzeichnen. Unsere ökonometrische Analyse zeigt aber auch, dass der Renditeanstieg von Dauer ist. Aus zweierlei Gründen halten wir es für plausibler, Ratings hier tatsächlich einen Informationsgehalt zuzuschreiben, als die Reaktion alleine durch deren regulative Bedeutung zu erklären. Zum einen handelt es sich bei den von uns untersuchten Anleihen um relativ hoch bewertete Staatsanleihen. Verglichen mit forderungsbesicherten Wertpapieren und strukturierten Finanzprodukten ist deren Bedeutung für staatliche Regulierung marginal. Zwar könnten auch interne Sicherheitsstandards großer Investoren zu einem ebensolchen Effekt führen, aber auf lange Sicht ist dies unmöglich, da sich daraus Arbitragemöglichkeiten ergäben, die die Investoren zu einer Änderung ihrer internen Qualitätsstandards verleiten würden. Zweitens würden wir in diesem Fall erwarten, dass eine Ratingveränderung lediglich zur Umstrukturierung der Portfolios führte. Während auch hier die Rendite unmittelbar nach der Herabstufung anstiege, würde sie nach einiger Zeit zur durchschnittlichen Rendite vor dem Ereignis zurückkehren und nicht zu einer dauerhaften Verschiebung der Renditekurve führen. Genau eine solche beobachten wir aber. Da weder eine große regulative Bedeutung der Staatsratings noch kurzfristige internen Regeln verschuldete Umstrukturierungen von Portfolios institutioneller Anleger eine befriedigende Antwort darauf liefern, sehen wir in unseren Ergebnissen einen Beleg für den Informationsgehalt von Staatsratings. Die Tatsache, dass die Auswirkungen auch vom Rating selbst abhängen, widerspricht dem nicht. Es bedeutet lediglich, dass dies auch für den Informationsgehalt gilt, also nicht alle Herabstufung gleichviel marktrelevante Informationen enthalten. Einige Herabstufungen ändern die Einschätzung der Investoren so marginal, dass wir keine Marktreaktion beobachten. Ob ein Land mit AAA oder AA+ bewertet ist, spielt für die Investoren keine Rolle. Führt eine Herabstufung aber zum Durchschreiten einer wichtigen psychologische Grenze, oder führt diese nah an den Verlust der Investment Grade, überdenkt der Investor seine eigene Einschätzung und passt diese an die der Ratingagentur an. In diesen Fällen enthalten Ratings also marktrelevante Informationen. Ratingagenturen erfüllen also auch im Bereich der Staatsanleihen ihre Aufgabe der Reduktion asymmetrischer Information, obwohl für diese Anlageprodukte viele Informationen öffentlich zur Verfügung stehen. 45 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 3) Marktrelevante Herabstufungen führen zu einer kurzfristigen Überreaktion Wird ein Staat entweder auf BBB+ oder BBB- abgewertet, folgt der Herabstufung unmittelbar ein starker Anstieg der Rendite, welcher danach wieder leicht sinkt. Für eine solche Überreaktion des Marktes gibt es zwei mögliche Erklärungen. Hier könnten in der Tat interne Regelungen großer institutioneller Investoren greifen. Diese zwingen den Investor zu einer Umstrukturierung seines Portfolios, welche sich natürlicherweise erst einmal im Abstoßen der abgewerteten Staatsanleihen widerspiegelt. Nach einigen Tagen beruhigt sich der Markt, die – gegeben dem tatsächlichen Risiko – zu hohen Renditen werden erkannt, so dass diese wieder sinken. Die Überreaktion muss aber nicht zwangsläufig an internen Regelungen der Investoren liegen. Es könnte auch sein, dass es am Markt zu einer Überbewertung der neuen Information durch die Herabstufung kommt. Nach einigen Tagen verbessert sich dann die Einschätzung der Investoren wieder, zum Beispiel durch die der Herabstufung folgenden eigenen Analysen. Für kurzfristig interessierte Anleger leitet sich aus der Überreaktion nach einer Herabstufung eine einfache Anlagestrategie ab; für langfristig interessierte Anleger eine beruhigende Erkenntnis. Kurzfristig lässt sich von der Überreaktion wie folgt profitieren. Kurz nach der Herabstufung steigen die Renditen stark an, der Preis der Anleihe sinkt daher. Zu diesem Zeitpunkt, also kurz nach der Herabstufung, wenn die Renditen gerade stark gestiegen sind, kauft man diese Staatsanleihe, um sie dann zwei bis drei Wochen später, wenn die Renditen wieder gefallen sind, zu einem höheren Preis zu verkaufen. Zwar zeigt unsere Analyse deutlich, dass es sich bei der Überreaktion nach marktrelevanten Herabstufungen um ein stabiles Phänomen handelt, um jedoch die Profitabilität der vorgeschlagenen Strategie beurteilen zu können, ist weitergehende Forschung nötig. Insbesondere gilt zu beachten, dass bei Herabstufungen nur ca. 30% aller abnormaler Renditen auf dem 5%-Niveau von Null verschieden waren. Schlussendlich hängt es auch von den Transaktionskosten ab, ob sich die von uns vorgeschlagene Handelsstrategie erfolgreich umsetzen lässt. Für langfristig interessierte Anleger wird durch unsere Analyse deutlich, dass es sich eben nicht, auszahlt sich unmittelbar nach einer Herabstufung von den abgewerteten Staatsanleihen zu trennen. Stattdessen ist es sinnvoller, diese erst noch zu halten und – wenn die dauerhafte Verschiebung der Rendite zum Verkaufswunsch führt – sie erst einige Zeit nach der Herabstufung zu veräußern. Wenn interne Gewichtungsregelungen, Qualitäts- und Sicherheitsstandards derart strikt sind, oder bis zur Grenze ausgereizt werden, sodass ein unmittelbarer Verkauf zwingend notwendig ist, führt dies zu vermeidbaren Verlusten. In diesem Fall sollten die internen Regelungen entweder aufgeweicht, oder die Portfoliomanager dazu angehalten werden, diese nicht bis ins Letzte auszureizen. 4) Negative Watchlist Announcements verhalten sich wie tatsächliche Herabstufungen Wir haben gezeigt, dass negative Watchlist Announcements zu identischen Marktreaktionen führen wie Herabstufungen und die oben angeführten Schlussfolgerungen demnach auch für solche Ereignisse gelten. Die Ankündigung einer möglichen Herabstufung nimmt Teile der Reaktion einer tatsächlichen Herabstufung vorweg; sie übermittelt negative Neuigkeiten, welche die Einschätzungen der Investoren beeinflussen. Die Renditen verhalten sich qualitativ als sei es zu einer Herabstufung gekommen, d.h. sie steigen etwas an. Findet diese dann wirklich statt, wird die negative Information verifiziert und die Renditen steigen weiter. Dieses Ergebnis ist in der Literatur bekannt und kann von uns voll bestätigt werden (Cantor und Packer 1996, Alsakka und Gwilym 2012). 5) Anleihen mit mittlerer Laufzeit reagieren am stärksten auf marktrelevante Herabstufungen Die Betrachtung der Auswirkungen auf Anleihen mit verschieden langen Restlaufzeiten finden in der Literatur bisher nicht statt. Dabei zeigt unsere Analyse jedoch deutlich, dass die Reaktion der Rendite stark davon abhängt. Wir zeigen, dass Anleihen mit kurzer Restlaufzeit keinerlei Reaktion auf Herabstufungen zeigen. Wir sind von dieser Tatsache nicht überrascht. Wir untersuchen lediglich Staatsanleihen mit einem sehr geringen Ausfallrisiko. Ratings beziehen sich auf die langfristige 46 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Situation; niemand wird wegen einer Herabstufung das Ausfallrisiko einer Anleihe mit weniger als einem Jahr Restlaufzeit revidieren. Wir sehen deshalb auch keinen Anstieg der Rendite. Für Anleihen mit einer Restlaufzeit von ein bis zwei Jahren finden wir die stärkste Reaktion. Während wir erwarten, dass die Reaktion stärker ausfällt als für Anleihen mit kurzer Restlaufzeit, ist überraschend, dass sich für Anleihen mit langer Restlaufzeit kein klareres Bild ergibt. Zwar gibt es einen tendenziellen Anstieg der Rendite für lange Laufzeiten, jedoch variiert dieses Ergebnis modellabhängig. Für dieses gemischte Bild erscheinen uns zwei Erklärungsansätze möglich. Entweder revidieren die Investoren ihre langfristigen Erwartungen nicht auf Basis gegenwärtiger Ratings, sodass Anleihen von einer Laufzeit mit mehr als acht Jahren kaum noch auf Herabstufungen reagieren oder dieses Phänomen lässt sich auf die verwendeten Daten zurückführen. Die meisten europäischen Staatsanleihen haben eine Höchstlaufzeit von 10 Jahren, so dass zur Konstruktion der von uns genutzten Nullcouponrenditen für diese Laufzeiten, und dabei insbesondere für die lineare Interpolation, nur sehr wenig Ausgaben zur Verfügung stehen. Dadurch könnte die Sensitivität unserer Daten für sehr hohe Laufzeiten beeinflusst sein. Dies kann dazu führen, dass wir nur eine sehr schwache Reaktion auf eine Ratingveränderung sehen, obwohl diese tatsächlich stärker sind. Leider können wir die wahre Ursache dieses Ergebnisses nicht erklären, was für eine weiterführende Analyse aber sicher interessant wäre. Angenommen es handelt sich nicht um ein Problem der verwendeten Daten, so lässt sich aus unseren Ergebnissen eine interessante Veränderung der Renditekurve belegen. Während nach einer Herabstufung die Anleihen mit kurzer und langer Restlaufzeit kaum reagieren, reagieren solche mit einer mittleren verbliebenen Laufzeit mit einem statistisch und ökonomisch signifikanten Anstieg der Rendite; immerhin in der Hälfte der Fälle ist hier selbst im DNS-Modell, welches die konservativsten Schätzungen liefert, der Renditeanstieg größer als 0,2 Prozentpunkte. Das heißt, dass die Renditekurve im mittleren Bereich steigt, während sie an den Enden gleich bleibt, ihre Krümmung vergrößert sich also. Da man eine Herabstufung natürlich nie sicher voraussagen kann, lässt sich aus der Veränderung der Form der Renditekurve nicht unmittelbar eine Anlagestrategie ableiten. 6) Herabstufungen von S&P und Fitch führen zu stärkeren Marktreaktionen als Herabstufungen von Moody's In unserer ökonomischen Analyse unterscheiden wir auch zwischen den verschiedenen Ratingagenturen, um für einen sogenannten Brandname Effekt zu testen. Und in der Tat, die Marktrelevanz der Herabstufungen ist nicht homogen. Während wir für S&P und Fitch ein klares Bild bekommen, scheinen Herabstufungen von Moody's so gut wie keine Rolle zu spielen. Das heißt auch, dass alle bisherigen Schlussfolgerungen durch Herabstufungen von S&P und Fitch, nicht aber durch solche von Moody's erklärt werden. Für die Invarianz der Renditen im Bezug auf Herabstufungen durch Moody's sind zwei Erklärungen denkbar. Es könnte sein, dass der Markt den Ratings von Moody's keinen Informationsgehalt zuschreibt, also die Reputation von Moody's zumindest im Bereich der Staatsratings nicht ausreicht, um diese zu beeinflussen. Eine andere Möglichkeit ist, dass Moody's am längsten an Ratings festhält. Wenn dann sowohl S&P als auch Fitch ein Land abgewertet haben, hat eine dritte Herabstufung praktisch keinen Einfluss mehr. In der Literatur ist ein sogenannter First-Mover-Effekt nachgewiesen, wobei diese Rolle in der Regel S&P zufällt (Brooks et al. 2004). Dies ist mit unseren Ergebnissen vereinbar, erklärt aber nicht, wieso Herabstufungen von Fitch eine stärkere Marktreaktion hervorrufen als solche von Moody's. Eine genauere Untersuchung dieses Phänomens ist im Rahmen unserer Studie leider nicht möglich, eröffnet aber Raum für weitere Forschungen. 7) Während die Renditeveränderungen nach einer Heraufstufung tendenziell in die entgegengesetzte Richtung der Veränderungen nach einer Herabstufung weisen, sind diese Veränderungen ökonomisch nicht relevant Für Heraufstufungen ergibt sich kein derart deutliches Bild wie bei Herabstufungen. Die Reaktion des Marktes ist unabhängig vom Rating minimal. Wenn wir uns stattdessen die Reaktion der Anleihen 47 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 verschiedener Laufzeiten anschauen, wird das Bild etwas deutlicher. Wir beobachten wieder die stärkste Reaktion bei Anleihen mit mittlerer Restlaufzeit, wobei diese hier etwas weiter nach hinten reicht. Besonders für diese Anleihen, aber etwas schwächer und diffuser auch für solche mit kurzer und langer Restlaufzeit, sehen wir eine schwache Abnahme der Rendite. Jedoch ist selbst für diejenigen Anleihen, welche am stärksten reagieren, der Median des DNS-Modells bei nur 0.05 Prozentpunkten. Dies ist eine derart minimale Abnahme, dass wir – unter Berücksichtigen des diffusen Bildes über die erste Aggregierung – Heraufstufungen keine Marktrelevanz unterstellen können. Es stellt sich somit die Frage, wieso der Markt auf einige Herabstufungen statistisch und ökonomisch signifikant reagiert, dies für Heraufstufungen aber nicht der Fall ist. Wenn wir den marktrelevanten Herabstufungen Informationswert zuschreiben, wieso führen Heraufstufungen dann nicht zu systematischen Veränderungen der Renditen? Zuerst gilt festzuhalten, dass dieses Ergebnis in der Literatur nicht ungewöhnlich ist (z.B. Ammer 2004). Viele Studien finden asymmetrische Reaktionen, wobei die Heraufstufungen schwächer reagieren. In unserem Falle könnte dieses Phänomen durch die untersuchten Anleihen verstärkt worden sein. Europäische Staatsanleihen gelten nach wie vor als sicherer Hafen und ziehen Investoren mit geringer Risikobereitschaft an. Gerade für solche Investoren scheint die Standardannahme, dass alleine die Volatilität eines Finanzprodukts entscheidend ist, besonders vereinfachend. Eine in der Literatur vorgeschlagenen Alternative, nämlich die Bedeutung von Verlustaversion, eröffnet eine Alternative (Tversky und Kahneman 1991; Kahneman, Knetsch und Thaler 1991; Shleifer 2000; Haigh und List 2005). Europäische Staatsanleihen werden von Anlegern nicht wegen ihrer hohen Renditen gehalten, sondern als Versicherung vor Verlusten. Diese verlustaversen Anleger reagieren deswegen besonders auf negative Neuigkeiten, also Herabstufungen, während sie positiven Neuigkeiten gleichgültig gegenüber stehen. Auch hier gilt, dass eine genauere Analyse des Phänomens erstrebenswert wäre. 48 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 V Zusammenfassung Wir haben für unsere Analyse verschiedene Fragen aufgeworfen, wie die Auswirkungen von Herab- und Heraufstufungen durch Ratingagenturen auf die Renditen europäischer Staatsanleihen, oder die Effekte von Watchlist Announcements. Selbst die grundlegende Frage nach der Marktreaktion auf Ratingereignisse wird in der Literatur widersprüchlich beantwortet. Unser Ansatz erlaubt über die Beantwortung dieser Fragen hinaus die Marktreaktionen genauer zu analysieren und dabei die Auswirkungen abhängig vom Ausgangsrating sowie der Laufzeit der Anleihe zu betrachten. Des Weiteren können wir zwischen den Ratingagenturen unterscheiden. Wir haben gezeigt, dass bestimmte Herabstufungen – solche nach BBB+ und BBB- einen dauerhaften Anstieg der Rendite nach sich ziehen. Die starke Reaktion gerade dieser Herabstufungen haben wir durch deren besondere Bedeutung erklärt. Bei der Herabstufung auf BBB+ finden wir auch eine kurzfristige Überreaktion, aus der wir eine kurzfristige Handelsstrategie und eine Warnung für langfristig orientierte Investoren abgeleitet haben. Nachdem ein Land auf BBB+ herabgestuft wurde können dessen Staatsanleihen zu niedrigen Preisen gekauft werden. Werden diese nach der nun zu erwartenden Preiserholung wieder verkauft, lässt sich ein Gewinn erzielen. Sollte ein Land, dessen Staatsanleihen ein Investor bereits in seinem Portfolio hält, auf BBB+ herabgestuft werden, kann er erwarten, dass sich der anfängliche Wertverlust seines Portfolios nach einigen Wochen relativiert. Außerdem zeigten wir auf, dass Heraufstufngen für die Rendite von Staatsanleihen ökonomisch nicht relevant sind und bestätigen damit Ergebnisse der bestehenden Literatur. Auch dass sich negative Watchlist Announcements wie tatsächliche Herabstufungen verhalten, ist keine Überraschung. Neben diesen die bestehende Literatur unterstützenden Ergebnissen, konnten wir auch originäre Schlussfolgerungen ziehen. Zum einen haben wir gezeigt, dass der Effekt einer Herabstufung in starkem Zusammenhang mit der Laufzeit der Anleihe steht. Während Anleihen mit kurzer Laufzeit nicht auf eine Herabstufung reagieren, zeigen solche mit mittlerer Laufzeit die stärkste Reaktion. Warum Anleihen mit langer Laufzeit ein unklares Bild abgeben, konnten wir leider nicht klären. Entweder liegt dies an der Länge des Horizontes und Investoren revidieren ihre langfristigen Erwartungen nicht auf Basis gegenwärtiger Ratings, oder das unklare Ergebnis ist auf Limitationen unseres Datensatzes zurückführen. Hier sind weiterführende Analysen wünschenswert. Unsere Frage nach einem Brand-Name Effekt hat eine überraschende Antwort. Der Markt reagiert stärker auf Herabstufungen von S&P und Fitch, als auf solche von Moody's. Ob dies an der mangelnden Reputation von Moody's im Bereich der Staatsrating liegt, oder daran, dass Moody's Staaten tendenziell als letzte Agentur abwertet, konnten wir nicht klären. Auch hier wäre eine weitergehende Analyse zum besseren Verständnis hilfreich. Insgesamt hat unsere ökonometrische Analyse aber dennoch wertvolle Ergebnisse geliefert. Unsere Eventstudie repliziert einige bekannte Ergebnisse, erlaubt aber auch neue Schlussfolgerungen. Die mit der Implementierung des DNS Modells einhergegangene methodische Erweiterung hat nachhaltige neue empirische Befunde ermöglicht. Zwar verringert sich die Zahl der signifikanten Marktreaktionen auf Ratingereignisse, aber dies erscheint aufgrund der weniger restriktiven Struktur des Modells zur Berechnung der normalen Renditen plausibel. Hinzu kommt, dass nun Abhängigkeiten zwischen den Anleihen unterschiedlicher Laufzeit berücksichtigt werden, so dass dadurch die Schätzungen für die verbliebenen signifikanten Ereignisse zuverlässiger sind als in der bisherigen Literatur. Auch rechtfertigt das DNS-Modell eine Gleichsetzung von normalen Renditen und Fundamentalwerten. Obwohl es die konservativsten Schätzungen liefert, kommt selbst das DNSModell auf eine beachtliche Anzahl signifikanter Ereignisse. Welche Einsichten über die Ratingagenturen können wir aus unseren Ergebnissen ableiten? Wir haben zu Beginn auf verschiedene Theorien zu deren Funktion hingewiesen. Die belegten Marktreaktionen auf Herabstufungen von Staatsanleihen bestätigen die Hypothese, dass die Reduktion 49 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 von Informationskosten zu den Hauptfunktionen von Ratingagenturen gehört. Gerade für Anleihen des öffentlichen Sektors war ein solches Ergebnis nicht vorherzusehen, da im Vergleich zu privaten Unternehmen viele Informationen frei zugänglich sind und die Einbeziehung einiger für Staatsanleihen spezifischer Risiken, zum Beispiel politische Unsicherheit, auch für Ratingagenturen schwierig ist. Da Ratings für Anleihen des öffentlichen Sektors nur eine geringe regulative Bedeutung haben, enthalten zumindest Herabstufungen auf BBB+ und BBB- marktrelevante Informationen. Somit erweist sich die in der Einleitung zitierte Fundamentalkritik als nichtig, welche besagt, dass Ratingagenturen überhaupt keinen ökonomischen Mehrwert schaffen würden. In der öffentlichen Debatte um Ratingagenturen wurde mehrfach der Vorschlag vorgebracht, eine vierte große, europäische Ratingagentur zu schaffen. Vor dem Hintergrund, dass von den bereits bestehenden drei Agenturen eine – nämlich Moody's – unserer Analyse nach keine Informationen im Bereich der Staatsanleihen vermitteln kann, gibt es Gründe, die Effektivität einer vierten Agentur anzuzweifeln. Zwar wären für eine abschließende Klärung dieser Frage ein noch umfassenderer Datensatz und noch verfeinertere ökonometrische Methoden hilfreich, doch ist fragwürdig, ob eine von öffentlicher Hand initiierte, bzw. geschaffene Ratingagentur die nötige Reputation würde erwerben können, um am Markt für Staatsanleihen als relevante Informationsquelle wahrgenommen zu werden. Abschließend sei ein Ausblick auf sich anknüpfende Forschungsfragen gewährt: Durch die Verwendung des DNS-Modells konnten wir bereits Wechselwirkungen zwischen den Anleihen unterschiedlicher Laufzeiten für ein gegebenes Land berücksichtigen. Ein sehr wichtiges, eingangs genanntes Thema ist eine mögliche Abhängigkeitsbeziehung von Staatsanleihen über Ländergrenzen hinweg. Es tun sich Fragen auf wie “Wenn die Renditen für griechische Staatsanleihen ansteigen, nimmt der Markt dann die gestiegene Zahlungsausfallwahrscheinlichkeit wahr und preist sie in die Renditen von – beispielsweise – zypriotischen Staatsanleihen ein? Und wenn ja, in welchem Ausmaß?” Die Untersuchung solcher sog. Spillover-Effekte würde ein wesentlich komplexeres ökonometrisches Rahmenmodell erfordern, könnte allerdings auch weitere Handelsstrategien und Erkenntnisse zutage fördern. 50 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 VI Literaturverzeichnis Adams, C., Mathieson, D. J., Schinasi, G., & Chadha, B. (1998). International capital markets: developments, prospects, and key policy issues. prospects, and policy issues. International Monetary Fund. Afonso, A., Furceri, D., & Gomes, P. (2011). Sovereign credit ratings and financial markets linkages: application to European data. ECB Working Paper Series, 1347. Verfügbar unter http://www.ecb.int/pub/pdf/scpwps/ecbwp1347.pdf Alsakka, R., & Gwilym, O. ap. (2012). Rating agencies’ credit signals: sovereign watchlist and outlook. International Review of Financial Analysis, 21, 45-55. Altman, E. I., & Kao, D. L. (1992). Rating drift in high-yield bonds. The Journal of Fixed Income, 1(4), 15-20. Ammer, J., & Clinton, N. (2004). Good news is no news? The impact of credit rating changes on the pricing of asset-backed securities. International Finance Discussion Papers (Vol. 809). Board of Governors of the Federal Reserve System. Balling, M. (2004). Objectives and theoretical foundations of the European Commission’s 1999 action plan concerning the framework for financial markets. Journal of Banking Regulation, 5(3), 256-286. Bank of International Settlements (BIS). (2000). Credit ratings and complementary sources of credit quality information. Basel Commitee on Banking Supervision Working Papers, (3). Verfügbar unter http://www.bis.org/publ/bcbs_wp3.pdf Bentlage, C. (1996). Betriebswirtschaftliche und steuerrechtliche Analyse von Zero-Bonds. Deutscher Universitätsverlag. Brookfield, D., & Ormrod, P. (2000). Credit agency regulation and the impact of credit ratings in the international bond market. The European Journal of Finance, 6(4), 311-331. Brooks, R., Faff, R. W., Hillier, D., & Hillier, J. (2004). The national market impact of sovereign rating changes. Journal of Banking & Finance, 28(1), 233-250. Brown, S. J., & Warner, J. B. (1980). Measuring security price performance. Journal of Financial Economics, 8(3), 205-258. Brown, S. J., & Warner, J. B. (1985). Using daily stock returns: The case of event studies. Journal of Financial Economics, 14(1), 3-31. Campbell, J. Y., Lo, A. W., & MacKinlay, A. C. (1996). The econometrics of financial markets. Princeton: Princeton University Press. Cantor, R., & Demsetz, R. (1993). Securitization, loan sales, and the credit slowdown. Federal Reserve Bank of New York Quarterly Review, 18(Summer), 27-38. Federal Reserve Bank of New York. Cantor, R., & Packer, F. (1994). The credit rating industry. Quarterly Review, 19(2), 1-26. Federal Reserve Bank of New York. Cantor, R., & Packer, F. (1996). Determinants and impact of sovereign credit ratings. The Jounal of Fixed Income, 6(3), 76-91. Carey, M. S., Prowse, S. D., Rea, J. D., & Udell, G. F. (1993). Recent developments in the market for privately placed debt. Federal Reserve Bulletin, 79, 77-92. 51 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Chemmanur, T. J., & Fulghieri, P. (1994). Reputation, renegotiation, and the choice between bank loans and publicly traded debt. Review of Financial Studies, 7(3), 475-506. Chen, H., Chen, W. H., Huang, Z., Hsu, C. J., & Wu, S. (2004). Credit rating analysis with support vector machines and neural networks: a market comparative study. Decision Support Systems, 37(4), 543-558. Datastream/Thompson Reuters (2012). Reihen zu eurpäischen Nullcouponanleihen - abgerufen aus einem Datastream Terminal Diamond, D. W. (1984). Financial intermediation and delegated monitoring. The Review of Economic Studies, 51(3), 393-414. Diebold, F. X., Rudebusch, G. D., & Aruoba, S. B. (2006). The macroeconomy and the yield curve: a dynamic latent factor approach. Journal of Econometrics, 131, 309-338. Diebold, F. X., & Rudebusch, G. D. (fothcoming). Yield curve modeling and forecasting: The Dynamic NelsonSiegel Approach (perliminary draft October 2011). Princeton: Princeton University Press. Verfügbar unter http://www.ssc.upenn.edu/~fdiebold/papers/paper105/EIRL.pdf Dittrich, F. (2007). The credit rating industry: competition and regulation. Dissertation, Universität zu Köln. Verfügbar unter http://ssrn.com/abstract=991821 Ellis, D. M. (1998). Different sides of the same story: investors’ and issuers' views of rating agencies. Journal of Fixed Income, 7, 35-46. Europäische Zentralbank (EZB). (2004). Die Geldpolitik der EZB. Frankfurt am Main. Fama, E. F. (1970). Efficient capital markets: a review of theory and empirical work. The Journal of Finance, 25(2), 383-417. Blackwell Publishing for the American Finance Association. Fight, A. (2001). The ratings game. John Wiley & Sons. Gaillard, N. (2009). Fitch, Moody’s and S&P's Sovereign Ratings and EMBI Global Spreads: Lessons from 1993-2007. International Research Journal of Finance and Economics, (26). Goh, J. C., & Ederington, L. H. (1993). Is a bond rating downgrad bad news, good news, or no news for stockholders? Journal of Finance, 48, 2001-2008. Gras, I. (2003). The Power to Rate: Eine Untersuchung zur Rolle der Ratingagenturen auf den internationalen Finanzmärkten. Trier University REGEM Analysis, 6(May). Grier, P., & Katz, S. (1976). The differential effects of bond rating changes among industrial public utility bonds by maturity. Journal of Business, 49, 226-239. Grundmann, S., Kerber, W., & Weatherill, S. (2001). Party autonomy and the role of information in the internal market. Berlin: de Gruyter. Haigh, M. S., & List, J. A. (2005). Do professional traders exhibit myopic loss aversion? An experimental analysis. The Journal of Finance, 60(1), 523-534. Harold, G. (1938). Bond ratings as an investment guide: An appraisal of their effectiveness. The Ronald Press Company. Hite, G., & Warga, A. (1997). The effect of bond-rating changes on bond price performance. Financial Analysts Journal, 53(3), 35–51. 52 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Holthausen, R., & Leftwich, R. (1986). The effect of bond rating changes on common stock prices. Journal of Financial Economics, 17, 57-89. Hull, J., Predescu, M., & White, A. (2004). The relationship between credit default swap spreads, bond yields, and credit rating announcements. Journal of Banking & Finance, 28(11), 2789-2811. Ingram, R., Brooks, L., & Copeland, R. (1983). The information content of bond rating changes: a note. Journal of Finance, 38, 997-1003. Jackson, P. (2001). Bank capital standards: the new Basel Accord. Bank of England Quarterly Bulletin. Jappelli, T., & Pagano, M. (2000). Information sharing in credit markets: The European experience. Center for Studies in Economics and Finance Working Paper, (35). Jorion, P., Liu, Z., & Shi, C. (2005). Informational effects of regulation FD: evidence from rating agencies. Journal of Financial Economics, 76(2), 309-330. Kahneman, D., Knetsch, J. L., & Thaler, R. H. (1991). Anomalies: The endowment effect, loss aversion, and status quo bias. The Journal of Economic Perspectives, 5(1), 193-206. Kräussl, R. (2005). Do credit rating agencies add to the dynamics of emerging market crises? Journal of Financial Stability, 1(3), 355-385. Kerwer, D. (2002). Rating Agencies Setting a Standard for Global Financial Markets. Economic Sociology. European Electronic Newsletter, 3(3). Verfügbar unter http://econsoc.mpifg.de/archive/esjune02.pdf Kliger, D., & Sarig, O. (2000). The information value of bond ratings. The Journal of Finance, LV(6), 28792902. Liu, P., & Thakor, A. V. (1984). Interest yields , credit ratings , and economic characteristics of state bonds: An empirical Analysis. Journal of Money, Credit and Banking, 16(3), 344-351. Moody’s Investment Service. (1991). Global Analysis. IFR Publishing, London. Partnoy, F. (1999). The Siskel and Ebert of the financial markets?: two thumbs down for the credit rating agencies. Washington University Law Quarterly, 77, 619-712. Reisen, H., & Maltzan, J. von. (1999). Boom and Boost and Sovereign Ratings. International Finance, 2(2), 273-293. Steiner, M., & Heinke, V. G. (2001). Event study concerning international bond price effects of credit rating actions. International Journal of Finance & Economics, 6(2), 139-157. Sharpe, W., & Alexander, G. (1990). Investments (4th ed.). Englewood Cliffs, NJ. Shleifer, A. (2000). Inefficient markets: An introduction to behavioral finance. Oxford University Press. Sinclair, T. J. (2000). Reinventing authority: embedded knowledge networks and the new global finance. Environment and Planning C. 18(4), 487-502. Sinclair, T. J. (2005). The new masters of capital: American bond rating agencies and the politics of creditworthiness. Cornell University Press. 53 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 Schwarcz, S. L. (2001). The role of rating agencies in global market regulation. In E. Ferran & C. A. E. Goodhart (Eds.), Regulating Financial Services and Markets in the Twenty First Century (S. 297-310). Oxford. Tversky, A., & Kahneman, D. (1991). Loss aversion in riskless choice: A reference-dependent model. The Quarterly Journal of Economics, 106(4), 1039-61. US Senate. (2002). Oversight Hearing on “Accounting and Investor Protection Issues Raised by Enron and Other Public Companies.” US Senate Committee on Banking, Housing and Urban Affairs (February 12, 26, and 27). Vaaler, P. M., & McNamara, G. (2004). Crisis and competition in expert organizational decision making: creditrating agencies and their response to turbulence in emerging economies. Organization Science, 15(6), 687–703. Weinstein, M. (1977). The effect of a rating change announcement on bond price. Journal of Financial Economics, 5, 29-44. West, R. R. (1973). Bond ratings, bond yields and financial regulation: some findings. Journal of Law and Economics, 16(1), 159-168. 54 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012 VII Appendix VII.1 Tabellenverzeichnis Tabelle II.1: Überblick über Ratings und deren Bedeutung für Moody’s, S&P und Fitch ................... 11 Tabelle IV.1: Übersicht über die Anzahl von Anleihen mit signifikanter abnormaler Rendite geordnet nach Modellen. .............................................................................................................................. 30 Tabelle IV.2: Übersicht über die Anzahl von Anleihen mit signifikantem abnormal Renditegeordnet nach Modellen. .............................................................................................................................. 40 VII.2 Abbildungsverzeichnis Abbildung II.1: Ratings der Europäischen Union im Überblick (Standard & Poor’s, März 2012) ...... 10 Abbildung IV.1: Constant Mean Return - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur .......................................................................................................................... 29 Abbildung IV.2: Constant Mean Return - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. ......................................................................................................................... 29 Abbildung IV.3: Constant Mean Return - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. ......................................................................................................................... 31 Abbildung IV.4: Time Trend - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. ........................................................................................................................................ 31 Abbildung IV.5: DNS - Verschiedene Ratings nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. ..... 32 Abbildung IV.6: Constant Mean Return - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. ......................................................................................................................... 33 Abbildung IV.7: Time Trend - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. ........................................................................................................................................ 33 Abbildung IV.8: DNS - Verschiedene Laufzeiten nach Herabstufung durch eine beliebige Agentur. 34 Abbildung IV.9: Constant Mean Return - Vorereignis- minus Nachereignismittelwert für verschiedene Ratings. ......................................................................................................................................... 35 Abbildung IV.10: Constant Mean Return - Vorereignis- minus Nachereignismittelwert für verschiedene Ratings..................................................................................................................... 36 Abbildung IV.11: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Herabstufung durch S&P. ............... 37 Abbildung IV.12: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Herabstufung durch Moody’s. ........ 38 Abbildung IV.13: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Herabstufung durch Fitch. .............. 39 Abbildung IV.14: DNS - Verschiedene Ratingstufen nach einer Aufwertung durch beliebige Agentur. ...................................................................................................................................................... 41 Abbildung IV.15: DNS - Verschiedene Laufzeiten nach einer Aufwertung durch beliebige Agentur. 42 Abbildung IV.16: Time Trend - Verschiedene Laufzeiten nach negativer Watchlist-Bekanntgabe durch eine beliebige Agentur. ....................................................................................................... 43 Abbildung IV.17: DNS - Verschiedene Laufzeiten nach negativer Watchlist-Bekanntgabe durch eine beliebige Agentur. ......................................................................................................................... 44 55 Beitrag zum Postbank Finance Award 2012