Kongressband 2014 - 11. Kongress für Gesundheitsnetzwerker

Transcrição

Kongressband 2014 - 11. Kongress für Gesundheitsnetzwerker
9. KONGRESS
FÜR GESUNDHEITSNETZWERKER 2014
EIN KONGRESS DER BERLIN-CHEMIE AG
PraxisWissen Schriftenreihe zur Theorie und Praxis in neuen Versorgungsformen
DIE ZUKUNFT LIEGT IM NETZ. JETZT!
Inhalt
04 Editorial
02
1
05 EINBLICK
2
17 INTERNET
3
26 VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
06 „Unsere Enkelkinder werden uns belächeln.“
Keynotespeaker Dr. Markus Müschenich über die Zukunft der Internetmedizin
08 Differenzierte Regulierung statt pauschale Ablehnung
Interview mit Sebastian Vorberg
10 Internetmedizin intelligent einsetzen!
Kommentar von Dr. med. Dipl.-Ing. Erich Schröder
12 Die Zukunft liegt im Netz. Jetzt?!
Eröffnungsdiskussion
14 „Das Netz bietet unendliche Möglichkeiten.“
Ambulant, stationär, Internet – wohin steuert das Gesundheitswesen?
15 Das sagen die Netzwerker:
18 Bürokratie steht Bedürfnis im Weg
Patientenwohl oder Datenschutz – was wiegt schwerer?
20 Start-ups bewegen den Markt
Ferndiagnose – was geht?
22 Kommunikation auf allen Ebenen
Webbasierte Strategien in Krankenhäusern, Ärztenetzen und Praxen
24 Individualisierte Gesundheitsdienstleistungen auf dem Vormarsch
Start-ups stellen sich vor: erfolgreiche Medizin im Netz
27 Ein weiterer Teil der unendlichen ­Gesetzgebungsgeschichte?
Ambulante spezialfachärztliche Versorgung
29 Um die Ecke denken
Grenzgänger: Arbeiten in verschiedenen Welten
32 Ein Sektor in Bewegung
Welche Vernetzung braucht das Krankenhaus?
34 Gemeinsame Lösungen statt Konfrontation gefragt
Ambulante Versorgungsunternehmen, Netze und Krankenhäuser – Partner oder Konfrontation?
36 Ein Hoch auf Honorarärzte
Krankenhaus ohne angestellte Mediziner – geht das?
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38 PREIS FÜR GESUNDHEITSNETZWERKER
5
48 KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
6
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39 47 Bewerber – zwei ausgezeichnete Projekte
Und eine Vielzahl innovativer Projekte
40 MuM: Elektronische Arztvisite
Live-Übertragung vom Pflegeheim in die Praxis
42 Raus aus der Tabuzone, rein in die bestmögliche Therapie
Integrierte Versorgung – Beckenboden und Inkontinenz
44 Ehre, wem Ehre gebührt
Shortlist
47 Netzwerker gesucht
Preis für Gesundheitsnetzwerker 2015
49 Moderation der Inhalte und basisnahe Kommunikation als Erfolgsfaktoren
Umsetzung der Netzförderung gemäß § 87b SGB V
51 Polymedikation – Projekte gegen zu viele Pillen
Mit Tabletten zählen ist es nicht getan
53 „Mit einer Hand lässt sich kein Netz knüpfen!“
Kooperation zwischen ärztlicher und pflegerischer Versorgung
56 Theoretisch ja, praktisch selten
Behandlungspfade im Einsatz
58 Not macht erfinderisch: Gemeinden gestalten ­Gesundheit
Wege aus der Unterversorgung – Kommunen als Partner
60 Netze als Gesundheitsunternehmen
Partner bei der Umsetzung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement
62 Lernen von anderen Professionen
Wie kommen Innovationen ins System?
64 REFERENTEN UND MODERATOREN
70 AUSBLICK
71 „Macht den Arztberuf wieder sexy!“
Generation Y – Zukunft des Arztberufes
72 Gesundheitsprognose für die Große Koalition
Journalisten diskutieren über Merkels Gesundheitspolitik
74 Impressum
75 Vernetzen – was sagen Sie dazu, Herr Dr. Jäger?
03
Die Zukunft liegt im Netz.
Jetzt!
Susanne Eble, M.A.
Leiterin Gesundheitsmanagement
der BERLIN-CHEMIE AG
Dr. Rainer Kern
Mitglied des Vorstands der
BERLIN-CHEMIE AG
Editorial
Der neunte Kongress für Gesundheitsnetzwerker hat
sein Netz in virtuelle Sphären erweitert. Denn gerade
wenn es um Interdisziplinarität und die Überwindung
von Sektorengrenzen geht, potenziert das Internet die
Möglichkeiten zur Vernetzung. Und diese Möglichkeiten beschränken sich nicht nur auf die Kommunikationswege oder den Aufbewahrungsort von Informationen – vielmehr werden IT-Anwendungen selbst zu
innovativen Medizinprodukten, die Teile der Therapie
übernehmen. So sorgt etwa eine App für Kinder mit
einem Augenleiden mit altersgerechten Spielen dafür, dass die jungen Patienten vor dem Bildschirm sitzen, während im Hintergrund gleichzeitig therapierende Muster ihre Heilung unterstützen. Gar nicht so
abwegig also, dass die Frage „Ambulant, stationär
oder Internet?“, wie sie in der Keynote von Dr. Markus
Müschenich aufgeworfen wurde, in Zukunft immer
mehr zur Normalität wird.
Noch haben die kreativen Start-ups beim Einsatz
dieser neuen Technologien einige Hürden zu überwinden. Abgesehen von den Herausforderungen
im Datenschutz gehören dazu das (vermeintliche)
Fernbehandlungsverbot, die starren Abrechnungssystematiken und die teilweise eng gefassten Vorgaben
für Medizinprodukte. Doch was Arztnetze und andere
Gesundheitsnetzwerker besonders auszeichnet, sind
ihre Offenheit und ihr Engagement für neue und bessere Wege der Patientenversorgung. Die Entwicklungen im Bereich der Arztnetze haben in den vergangenen 20 Jahren gezeigt, dass Veränderungen der Versorgungslandschaft möglich sind – und sicher werden
diese Veränderungen auch vor den Chancen, die das
Internet heute bietet, nicht halt machen.
Neben technnologiebasierten Innovationen standen
aber auch die neuesten Entwicklungen aus den bekannten Welten im Mittelpunkt des Kongresses. So
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stellten beispielsweise die ersten Netze, die nach
§ 87b SGB V als förderungswürdig anerkannt wurden,
ihre Erfahrungen vor, um anderen Praxisverbünden
den Weg dorthin zu erleichtern. Zudem tauschten sich
die Gesundheitsnetzwerker u. a. über erfolgreiche
Projekte zur Kooperation zwischen ärztlicher und pflegerischer Versorgung sowie zu Polymedikation und
zu Behandlungspfaden im Einsatz aus.
Im Bereich der sektorenübergreifenden Vernetzung
wurden Impulse diskutiert, die mit der Neuregelung
der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung
(ASV) nach § 116b SGB V einhergehen. Durch die Verpflichtung zur Kooperation zwischen Krankenhausärzten und niedergelassenen Ärzten entsteht zwischen
ambulant und stationär ein dritter Sektor, in dem Patienten mit bestimmten komplexen Krankheitsbildern
von einem interdisziplinären Team versorgt werden.
Eine bessere Vernetzung entsteht dabei ganz automatisch – und wirkt sich beispielsweise auf die Notfallversorgung einer Region positiv aus.
Bündelt man die Zwischenergebnisse aus dem Plenum und den Panels, scheinen die Gesundheitsnetzwerker auf einem sehr guten Weg zu sein, denn die
Abschlussdiskussion zur Zukunft des Arztberufes
zeigte: Was junge Ärztinnen und Ärzte wollen, sind
vor allem flexiblere Strukturen. Und wie ließen sich
diese besser verwirklichen als durch Vernetzung, Kooperation und Teamwork? In diesem Sinne wird der
Kongress für Gesundheitsnetzwerker auch in den
kommenden Jahren brandaktuell bleiben. Wir freu­en
uns schon auf das nächste Mal – am 29. und 30.­ April
2015!
Susanne Eble, M. A.
Dr. Rainer Kern
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KAPITEL
EINBLICK
Experten zufolge gibt es etwa 15.000 Apps, die das Thema Gesundheit tangieren. Derzeit sind rund drei bis
fünf Prozent, also etwa 50.000 der weltweit verfügbaren Apps allein in den Kategorien Medizin, Gesundheit
und Fitness und in gesundheitsrelevanten Kategorien wie Sport, Lifestyle sowie Essen und ­Trinken zu finden.
Smartphones können durch einen Klick zum Ernährungsberater werden, Protokolant ­eines Schmerztagebuchs
sein oder Verwalter der Blutdruckdaten. Kritiker tun dies als Internetspielerei ab. Doch die Debatte, ob und
welche dieser Apps medizinisch relevant sind oder gar das Zeug haben, als m
­ edizinische Hilfsmittel eingestuft zu werden, beginnt gerade erst – auch bei den Gesundheitsnetzwerkern.
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EINBLICK
„Unsere Enkelkinder werden uns belächeln.“
Keynotespeaker Dr. Markus Müschenich über die Zukunft der Internetmedizin
Die Gesundheitsnetzwerker sind Pioniere. Dr. Markus Müschenich gilt als Visionär für die Medizin der
Zukunft. Da lag es nahe, dass der Kinderarzt und Gesundheitswissenschaftler in diesem Jahr als Key­
notespeaker den Faden in Richtung Internetmedizin sponn. Dabei sind seine Vorstellungen vom Platz
der Internetmedizin im Gesundheitssystem sehr klar und gar nicht mehr futuristisch.
„Heute beginnt ein neues Zeitalter“, verkündete Dr.
Markus Müschenich, Gründer und Managing Partner
von Flying Health auf dem Podium. Das Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Internetmedizin hatte allen Grund zum jubeln. Nach langem Ringen und
Verhandeln hatte die BARMER GEK pünktlich zu Kongressbeginn den ersten IV-Vertrag für eine App auf
Rezept unterschrieben. Die App ist für unter Amblyopie leidende Kinder vom Berliner Start-up Caterna
entwickelt worden. Die Sehschule wird vom Augenarzt für 90 Tage verschrieben und ist Teil eines Sehschulprogramms. Die BARMER GEK übernimmt die
Kosten für die App-Therapie. „Caterna ist nicht nur
ein Paradebeispiel für die neuen Chancen des Internets als Plattform für Gesundheitsdienste“, sagte Dr.
Markus Müschenich. „Mit Bits und Bytes wird eine
pharmakologische Wirkung erzeugt, die vom Arzt verschriebene Software hat die Funktion eines Medikaments übernommen.“
06
Müschenich resümierte, dass die Kombination aus Internet und medizinischer Dienstleistungen bald einen
völlig neuen Markt, mit alternativen Vertriebswegen
und neuen Regeln, schaffen werde. So werde – wo
heute Therapieempfehlungen via Internet sicherlich
nicht unproblematisch sind – durch die Entwicklung
der medizinischen Expertensysteme ein relevanter und qualitätsgesicherter Markt entstehen. „Noch
steht das Gesundheitswesen in Sachen Internetmedizin ganz am Anfang. In etwa dort, wo wir standen,
als wir vor 20 Jahren unser erstes Mobiltelefon in der
Hand hielten. Wir dachten, dass wir ein Gerät hätten,
dessen wichtigste Anwendung das Telefonieren ohne
feste Leitung zur nächsten Wandsteckdose wäre. Darüber lachen unsere Kinder heute. Doch die Implementierung der Internetmedizin ist nicht mehr aufzuhalten.“
1
EINBLICK
ANGEBOTSSPEKTRUM WÄCHST
Während eHealth und Telemedizin traditionelle Prozesse im Gesundheitswesen digital abbilden, mache
die Internetmedizin einen Quantensprung in der medizinischen Versorgung. Müschenich: „Der Arztbrief
landete dank Telemedizin nicht mehr in einem Briefkasten, sondern im elektronischen Postfach. Die Krankenakte wird nicht mehr auf den Kopierer gelegt, sondern wird über die elektronische Fallakte digital den
vernetzen Kollegen zugänglich gemacht. Internetmedizin geht aber noch einen Schritt weiter: Hier geht es
nicht um die Optimierung von Bekanntem, sondern
um einen Paradigmenwechsel, der da heißt: Der Pa­
tient nutzt aktiv die Werkzeuge der Informationstechnologie und ist so Knotenpunkt und Treiber für die
­eigene Gesundheitsversorgung. Eine Versorgung, die
in Echtzeit alle persönlichen Gesundheitsinformationen mit dem Weltwissen der Medizin zusammenbringen kann ohne räumliche Begrenzung und zu
jedem beliebigen Zeitpunkt.“ Konkret gemeint sind
neue Services, die es den Patienten ermöglichen, ihre
­medizinische Versorgung via Internet nach Hause zu
holen oder unterwegs über Smartphone und Tablet
selbst zu organisieren.
Das Spektrum der Internetmedizin wachse beständig und reiche von Internetportalen, die die Suche
und Bewertung von Ärzten und Krankenhäusern anbieten, über internetbasierte elektronische Patientenakten bis hin zu diagnostischen und therapeutischen
Angeboten. Etwa das des Potsdamer Unternehmens
Emperra, das den weltweit einzigen Insulin-Pen entwickelt und anbietet, der in der Lage ist, die injizierte
Insulindosis automatisch auf eine Internetplattform
zu übertragen. Denn der Pen übermittelt über ein Expertensystem die Insulinmenge mit dem kurz zuvor
gemessenen Blutzuckerwert und den verköstigten
Kohlenhydraten und bereitet sie so auf, dass der Pa­
tient in Echtzeit informiert wird, ob seine individuelle Insulintherapie leitliniengerecht durchgeführt wurde und ob kurz- oder langfristige Probleme drohen.
Der betreuende Diabetologe, der ebenfalls Zugriff auf
das System hat, kann seinen fachärztlich Rat genau
zu dem Zeitpunkt geben, an dem Probleme auftreten
und nicht erst dann Hinweise zur Therapieoptimie-
rung geben, wenn sich der Patient quartalsweise auf
den Weg in die Arztpraxis gemacht hat. „Das ist keine
Spielerei, sondern Hochleistung.“
BRÜCKE ZWISCHEN DEN SEKTOREN
Müschenich ist überzeugt, dass die Internetmedizin
die perfekte Brücke zwischen den Sektoren ist – quasi
ein Meta-Sektor, der aus den versäultem Gesundheitswesen eine Matrix der Behandlungsoptionen
macht. Heute funktioniere die sektorenübergreifende
Versorgung häufig deshalb nicht, weil der Patient bei
der Information und Kommunikation praktisch nicht
berücksichtigt wird. „Es wird über den Patienten gesprochen und nicht mit dem Patienten. Da der Patient
bei der Internetmedizin tatsächlich im Mittelpunkt –
nämlich dem Mittelpunkt der Information und Kommunikation – steht, wird so die Sollbruchstelle „geheilt“. Es eröffnen sich hervorragende Möglichkeiten,
die Kompetenzen der einzelnen Sektoren zu nutzen
und gleichzeitig den Prozess der Versorgung reibungslos vonstatten gehen zu lassen. „Wer mit der
Taktik der undifferenzierten Ablehnung gegen diese
neue Welt der Medizin angeht, vergibt eine riesige
Chance, das Gesundheitswesen mitzugestalten“,
warnte Müschenich seine Zuhörer.
„Unsere Enkelkinder werden lächeln, wenn wir ihnen
erzählen werden, dass wir im Jahr 2014 bei jedem
Besuch eines neuen Arztes unsere ganze Krankengeschichte aufs neue erzählt haben und uns fragen, ob
wir früher denn beim Kauf eines neuen Handys auch
jedes Mal eine neue Telefonnummer bekommen
­hätten.“ Es gehe um Qualität und um den Zugang zu
guter Medizin, auch in den Gebieten, in denen der
nächste Facharzt 50 Kilometer entfernt praktiziert.
„Die Internetmedizin vermag das zu leisten, woran
schon viele engagierte Netzwerker, allen voran aktive
und enthusiastische Ärzte, arbeiten: Dass das Gesundheitssystem endlich zu einem vernetzten System
der Gesundheit wird. Was unsere Gesundheitspolitik
nicht vermag, nämlich die Sektorengrenzen einzureißen, wird über die Vernetzung der Information der
einzelnen Sektoren virtuell gelingen.“
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EINBLICK
Differenzierte Regulierung statt pauschale
­Ablehnung
Interview mit Sebastian Vorberg
Sebastian Vorberg ist Rechtsanwalt für Medizinrecht in Hamburg und Vorstandsmitglied des Bundesver­
bandes Internetmedizin. Er begleitet Start-ups auf ihrem Weg und lotst Sie durch den ParagraphenDschungel, sieht aber in der deutschen Rechtsprechung keine ernsthaften Hindernisse für die Internet­
medizin.
?
Therapeutische und diagnostische Anwendungen fallen unter das Medizinproduktegesetz
oder das Heilmittelwerbegesetz. Können die Innovationen der Internetmedizin den Vorgaben gerecht
werden?
Sebastian Vorberg: Die erste Qualitätssicherung internetmedizinischer Angebote muss sich den Anforderungen selbstverständlich stellen. Es gilt der Grundsatz: Gute Medizin ist ein Segen, schlechte Medizin ist
gefährlich und unethisch. Was gut ist, legen die eindeutigen technischen, medizinischen und Informationsanforderungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten eindeutig fest. Das Gesetz spricht von
„Zweckbestimmung“. Ein Hersteller muss den Nachweis erbringen, dass dieser Nutzen auch wirklich eintritt, und dies ist nur möglich mit umfangreichen Bewertungen. Woran es in der Internetmedizin mangelt,
ist eine Systematik zur Ergebnisqualität, wie sie im
Rahmen der gesetzlichen Qualitätssicherung beispielweise bei Operationen oder Interventionen im Krankenhaus heute Standard ist.
?
Wie steht es um die Qualität des Datenschutzes
in der Internetmedizin?
Sebastian Vorberg: Sofern der Datenschutz aus den
Augen des Patienten betrachtet wird, stellen sich hier
gar keine Probleme. Der Patient ist grundsätzlich Herr
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seiner Daten und muss diese keinem preisgeben,
wenn er das nicht will. Andererseits kann er seine
Daten aber auch jedem bekannt geben, wenn er das
will. Es spricht also nichts dagegen, dass der Patient
freiwillig seine Gesundheitsdaten und seine Krankheiten für alle lesbar ins Internet stellt. Der Zugang
zum Internet ist freiwillig und aus diesem Grunde
kann hier Datenschutz keine Rolle spielen. Werden
hier sensible Daten eingestellt, so muss der Anbieter
der Datenbank den Nutzer davon überzeugen, dass
dieser hier keinen Schaden nimmt. Das Vertrauen des
Nutzers ist die entscheidende Größe. Es wird jeder
Patient entscheiden müssen, ob er seine Gesundheitsdaten überhaupt für sensibel und schützenswert
hält. Sicherlich kann es einem Epileptiker wichtig
sein, dass z. B. sein Arbeitgeber nichts von seiner
Krankheit weiß, vielleicht ist es ihm aber auch ganz
lieb, dass der Arbeitgeber auf einen Anfall eingestellt
ist und im Sinne der Gesundheit des Patienten darauf
reagieren kann. Im Bereich der Internetmedizin, die
sich alleine an die Patienten richtet, sollte sich das
Angebot daher völlig frei vom gesetzlichen Datenschutz entwickeln können. Hier zählt alleine das Vertrauen, die Einwilligung und die freie Marktwirtschaft
– jedoch kein Rechtsstaat. Im Übrigen: Der Bundesverband Internetmedizin befasst sich gerade mit einem Qualitätssiegel, dass Patienten, Ärzten, Therapeuten und natürlich auch den Krankenkassen zeigen
soll, welche Angebote auch in Sachen Datenschutz
ein hohes Qualitätsniveau haben.
1
EINBLICK
?
Es wird auch argumentiert, dass die Medizin
mit einem persönlichen Behandlungsverhältnis
zu dem Behandelndem zu tun haben muss.
Sebastian Vorberg, Bundesverband Internetmedizin
?
Die Berufsordnung der Ärzte wird als Gegenargument für die Etablierung der Internetmedizin
vorgetragen.
Sebastian Vorberg: Die Berufsordnung der Ärzte, insbesondere das Fernbehandlungsverbot, ist immer
wieder Kritikpunkt. Was die Berufsordnung besagt ist,
dass Mediziner eine individuelle Behandlung und Beratung nicht ausschließlich über „Kommunikationsmedien“ durchführen dürfen. Diagnose und Therapie
bedingen einen physischen Arztkontakt. Die Internetmedizin zielt aber nur in den seltensten Fällen auf
eine unmittelbare Diagnose und Therapie aus der Ferne ab. Bei den meisten Anwendungen wird zunächst
ein Informationsinteresse des Patienten bedient, welches noch keine Diagnose darstellt. Außerdem stellen
die meisten Angebote lediglich eine Unterstützung
und Ergänzung der Diagnose und Therapie in einer
Arztpraxis dar. Die Rechtsbegriffe der beschriebenen
Regelung sind unbestimmt. Die Voraussetzung, dass
nicht ausschließlich über Kommunikationsmedien behandelt oder beraten werden soll, kann formal recht
schnell eingehalten werden, wenn die Internetmedizin
immer in engem Zusammenwirken mit der Praxismedizin erfolgt. Wie streng die Anforderungen eines
Rückgriffs auf eine Praxis sein müssen, ist schließlich
Tatfrage. Die Zulässigkeit der Angebote liegt häufig
alleine im Auge des Betrachters. Die heutigen berufsrechtlichen Hürden liegen daher nicht in einem generellen Verbot, sondern in einer gedanklichen Blockade.
Sebastian Vorberg: Da aber schon heute die Labormedizin und die Pathologie ohne ein solches persönliches Behandlungsverhältnis auskommen, ist dieses
Argument nicht gültig. Im Ergebnis ist der Begriff der
„unmittelbaren Behandlung“ inhaltslos und kann
nicht ernsthaft interpretiert werden.
?
Wo liegen die rechtlichen Grenzen der Internetmedizin?
Sebastian Vorberg: Rechtliche Fragen, wie etwa das
Fernbehandlungsverbot oder Datenschutz werden
keine nachhaltigen Hürden für die Internetmedizin
darstellen. Derartige Fragestellungen lähmen nur das
herkömmliche Gesundheitswesen, das sich immer
um einen kleinsten gemeinsamen Nenner zum Nutzen aller Patienten gekümmert hat. Die Internetmedizin wird aber von dem innovativen Nutzer und seinen
Bedürfnissen her getrieben. Schon jetzt zeigt sich,
dass alle sinnvollen und nachgefragten Dienste der
Internetmedizin es schaffen sich auch bei schwierigen
Rechtslagen auf dem Markt durchzusetzen, selbst
wenn dies, wie im Falle des Vorreiters Dr. Ed, bedeutet, dass man die Internetdienste aus dem Ausland
anbieten muss. Hier entfällt die standesrechtliche
Kontrolle aus Deutschland vollständig. Derartige Beispiele sollten den deutschen Ärzten zu denken geben.
Wie in allen innovativen rechtlichen Fragestellungen
wird die erste pauschale Ablehnung einer differenzierten Regulierung weichen. Damit beeinflussen die
rechtlichen Fragen schon heute nur das „Wie“ der Internetmedizin nicht jedoch das „Ob“.
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EINBLICK
Internetmedizin intelligent einsetzen!
Kommentar
Dr. med. Dipl.-Ing. Erich Schröder, Arzt und Journalist, Geschäftsführer der Gesundheitspolitik.de
Verlags- und Beratungs-GmbH aus Düsseldorf, über die Chancen und den Nutzen des Internets in der
medizinischen Versorgung.
Ja, unsere Enkel werden uns belächeln! Ebenso, wie
wir über unsere Großeltern geschmunzelt haben, die
sich nicht von ihrem schwarzen Drehscheibentelefon
trennen mochten, das die Verbindung früher mit sogenannten Hebdrehwählern herstellte. Ich kenne diese Technik noch von meinem Praktikum bei Siemens
vor knapp 50 Jahren. Wie mein Enkel in 50 Jahren
kommunizieren wird, kann sich heute wohl noch niemand wirklich vorstellen. Ob und wie das heutige Internet dabei noch eine Rolle spielt bleibt abzuwarten.
Ja, in einem überschaubaren Zeitraum wird die Internetkommunikation erst einmal in allen Lebensbereichen zunehmen, natürlich auch in der Medizin. Und
das ist gut so! Um diesen Zug zu erkennen, muss
man kein Visionär sein. Er ist auch schon länger unterwegs und hat in vielen Bereichen, genannt seien
nur die Telemedizin und die Patienteninformation,
bereits interessante Etappenziele erreicht. Natürlich
fährt der Zug auch weiter, aus Patienteninformation
zum Beispiel wird Interaktivität und Patientenkommunikation werden. Der erste Tag des Angebots einer
App durch eine Krankenkasse ist auf diesem Weg
aber wohl nicht der Beginn eines neuen Zeitalters
sondern eher eine nette Randepisode.
Dr. med. Dipl.-Ing. Erich Schröder
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EINBLICK
Nein, da sind doch ganz andere Chancen möglich und
zu erwarten! Wie wäre es zum Beispiel mit einer Nutzenbewertung neuer Arzneimittel (nach Zulassung)
durch die Anwender? Sind die Stimmen von 50.000
und täglich mehr Patienten, die mit einem neuen Produkt unter Alltagsbedingungen zufrieden sind, nicht
vielleicht aussagekräftiger als eine zusätzliche doppelblinde (und wahrscheinlich auch taube) Studie an
50 Patienten unter sterilen klinischen Bedingungen?
Wichtig ist aber, immer die Grenzen der Internetkommunikation im Blick zu behalten. Bei der Patienteninformation z. B. kann – wie bei jedem „googeln“ – das
Internet den Konsumenten auf falsche Fährten locken
oder in falscher Sicherheit wiegen. Es kann auch faul
oder sogar dumm machen, die ständige Google-Präsenz verleitet dazu, die eigene Reflexion und Analyse
gar nicht erst in Betrieb zu nehmen – was nicht genutzt wird, verkümmert. Wir kennen das vom Navi im
Auto, wer kann noch Straßenkarten im Gedächtnis
speichern und umsetzen? Wer allerdings umgekehrt
das riesige abrufbare Informationspotenzial geschickt
in seine eigenen Reflexionen integriert, der kann seine Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit so erheblich steigern. Ob das Internet also dumm macht oder
die anwendbare Intelligenz des Users multipliziert,
hängt ganz von der Art seiner Nutzung ab.
Bezogen auf medizinische Anwendungen kommt
noch der menschliche Aspekt hinzu: Ein verstehender Blick, ein stummer Händedruck und aufmerksame
Zuwendung sind keine Stärken des Internet. Für die
Akzeptanz einer Therapie sind solche Signale dagegen oft wichtiger als die Information. Die persönliche
­Beziehung zwischen dem Patienten und seinen Behandlern kann durch Internetkommunikation wertvoll
ergänzt, aber nicht ersetzt werden.
Ich meine, es kommt nicht darauf an, dem Internet
möglichst viele medizinische Prozesse zu übertragen,
oder ihm vielleicht sogar Entscheidungen zuzuordnen. Entscheidend ist vielmehr, das Internet als potentes Hilfsmittel intelligent in menschliche Kommunikations- und Entscheidungsprozesse einzubinden.
Die Zukunft liegt im Netz. Jetzt?!
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EINBLICK
Die Zukunft liegt im Netz. Jetzt?!
Eröffnungsdiskussion
Das Wirkungsfeld des Arztes ist nicht mehr nur auf sein Wartezimmer beschränkt. Darüber waren sich
die Diskutanten auf dem Podium des Gesundheitsnetzwerkerkongresses einig. Doch ob sich der Arbeits­
radius des Mediziners bis ins Internet ausweitet – darüber herrschte zwischen Dr. Franz-Joseph Bart­
mann, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer, Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes,
Verbraucherschützer Christoph Kranich, Dr. Markus Müschenich, Vorstand des Bundesverbandes Inter­
netmedizin, Dr. Axel Paeger, CEO der Ameos Gruppe, und Nicolaus Widera, Geschäftsführer der Caterna
Vision, Uneinigkeit.
Es war für Vordenker und Projektentwickler Nicolaus
Widera nicht einfach, den Gesundheitsmarkt von der
Idee einer internetbasierten Therapie bei Amblyopie,
einer meist durch Schielen verursachten Sehstörung
bei Kindern, zu überzeugen. „Bereits seit 1995 haben
Augenärzte, Psychologen und Informatiker an der TU
Dresden an einem Programm für Kinder mit funktioneller Sehschwäche gearbeitet“, berichtet der Geschäftsführer der Caterna Vision. Doch erst der Bedarf
der Patienten während der Testphase, führte zum Erfolg der „App auf Rezept“. Widera: „Die Not der Patienten, und in unserem Falle insbesondere die von
besorgten Eltern und Kindern, wird zukünftig die Gesundheitsbranche zum Handeln zwingen.“ Die Akteure werden, so der Mitbegründer des Start-ups, die
Entwicklung der Internetmedizin nicht mehr ignorieren können. „Dennoch ist es nicht gewollt, die Anwender zu überrollen. Alle Innovationen werden nur
dann erfolgreich sein, wenn sie gemeinsam mit Arzt
und Patienten entstanden sind.“
Dr. Franz-Joseph Bartmann führte noch einen weiteren Grund an. „Uns gehen die Ärzte aus. Schon jetzt
beschränkt sich der Radius des Mediziners nicht mehr
nur auf sein Warte- und Behandlungszimmer“, so der
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Vorstand der Bundesärztekammer. Deshalb müsse
die Therapie anders als bisher organisiert werden. In
der Internetmedizin sieht er eine Chance. „Sie macht
den Arzt nicht überflüssig“, betonte der Vorsitzende
des Telematikausschusses. „Denn etwa 80 Prozent der
Diagnosen sind durch Anamnese zu stellen.“ Selbstverständlich werde es auch mit der Internetmedizin
zukünftig nur einen Zugang zu Versorgungsleistungen des GKV-Systems über den Arzt geben. „Aber
das Internet macht die Leistungen transparent. So hat
der Patient die Möglichkeit, die beste Lösung für sein
Problem zu finden.“ Ein Problem aber bleibe die Abrechenbarkeit von derartigen Leistungen.
„Die Arztdiagnose wird immer hinter den Informationen des Internets zurücktreten“, unterschrieb Dr. Axel
Paeger die Aussage seines Vorredners. Der Arzt übernehme schließlich für die Auskunft auch die Verantwortung. Dennoch werde sich in der ambulanten Versorgung die Ärzteschaft mit dem Phänomen der Internetmedizin auseinander setzen müssen. Paeger: „Für
die stationäre Behandlung und die Einweisung in
eine Klinik ist daher das Netz zweitrangig. InternetTherapien können hier vielleicht unterstützend sein.“
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EINBLICK
Dr. Uwe K. Preusker, Dr. Franz-Joseph Bartmann, Franz Knieps, Christoph Kranich, Dr. Markus Müschenich, Dr. Axel Paeger und Nicolaus Widera
Sicher seien die Angebote der Internetmedizin keine
Ersetzungs- aber Veränderungsprozesse, so Franz
Knieps. „Sie ist Teil des Bündels von Veränderungen
und der kulturellen Veränderungen des Gesundheitssystems. Denn nicht nur die Kommunikation hat sich
verändert, sondern auch die Inhalte der medizinischen Versorgung“, so der Vorstand des BKK Dachverbandes. Leider sei das konservative System auch
langsam. „Da aber die Nutzer mit dem Internet bereits umgehen, müssen wir schneller reagieren.“ Auf
die Krankenkassen käme hier viel Arbeit zu. „Es fehlt
an der seriösen Ordnung der Inhalte aus dem Internet. Die Krankenkassen werden hier die richtige Gewichtung treffen müssen. Aber die BARMER GEK hat
mit dem Projekt zur internetbasierten Therapie bei
Amblyopie ein Tor aufgemacht.“ Die Diskussion über
die Vergütung als Bremse für den Fortschritt ließ
Knieps so nicht stehen: „Das SGB V hält die Regeln
für die Vergütung der Telemedizin bereit. Das ist keine
Empfehlung, sondern eine Vorgabe.“ Für ihn ist die
Internetmedizin ein Instrument, das zwar nicht die
vielen Grundprobleme des Gesundheitssystems lösen wird. „Aber wenn wir es schaffen, die Angebote
massenfähig und für jeden zugänglich zu machen, ist
sie ein probates Instrument zur Verbesserung der Versorgung.“
„Bei den Krankenkassen ist die Internetmedizin schon
längst angekommen“, bestätigte Dr. Markus Müschenich. Und auch die Ärzteschaft sei zunehmend aufgeschlossener. „Viele Mediziner sind sich darüber im
Klaren, dass sie daran arbeiten können, neue Therapieformen mitzuentwickeln – oder die Entwicklung an
ihnen vorbeizieht.“ Denn der mündige Patient nutze
bereits jetzt die Möglichkeiten des Internets, um Lösungen für ihre gesundheitlichen Probleme zu finden.
Der Gesundheitswissenschaftler und Arzt betonte:
„Wenn das, was als Internettherapien angeboten
wird, Medizin ist, dann muss es sich selbstverständlich der Wissenschaft stellen.“
Am Ende entscheide der Patient, so Christoph Kranich. „Durch die Internetmedizin wird die Patientensouveränität verbessert. Ein Mehr an Informationen
erweitert automatisch die Entscheidungsfähigkeit des
Patienten.“ Allerdings warnte der Leiter der Fachabteilung Gesundheit und Patientenschutz der Verbraucherzentrale Hamburg vor dem Zugriff auf medizinische Daten im Internet: „Das Bekanntwerden von Patienteninformationen – auf welche Art auch immer
– kann beispielsweise berufliche Konsequenzen haben, wenn ein Arbeitgeber über Vorerkrankungen Bescheid weiß.“ Deshalb müssten Patienten die Entwicklung der Internetmedizin kritisch begleiten.
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EINBLICK
„Das Netz bietet unendliche Möglichkeiten.“
Ambulant, stationär, Internet – wohin steuert das Gesundheitswesen?
Whats app, Wikileaks, Snowden – das Internet fördert
immer wieder Erscheinungen zu Tage, die die Gesellschaft nachhaltig beeinflussen. „Das Netz birgt nicht
nur potentielle Gefahren, sondern auch unendliche
Möglichkeiten“, begrüßte Dr. Rainer Kern, Vorstandsmitglied der BERLIN-CHEMIE AG, die Gäste des 9.
Kongress der Gesundheitsnetzwerker. Die diesjährige
Veranstaltung, zu der wieder gut 500 Teilnehmerinnen
und Teilnehmer ins Berliner Langenbeck-VirchowHaus kamen, sollte denn auch nicht nur Plattform für
den fachlichen Austausch sein, sondern der Ort, sich
diese Chance zu nutzen zu machen. „Das Internet in
der medizinischen Versorgung sinnvoll und nachhaltig einzusetzen, ist eine Herausforderung“, so Dr. Kern.
„Hier wollen die Gesundheitsnetzwerker Pionierarbeit
leisten – wie schon so oft zuvor auf dem Kongress.“
Bereits jetzt haben sich ambitionierte Start-ups auf
den Weg gemacht, die Gesundheitsversorgung auf
den Kopf zu stellen. Diagnostik via Foto-upload, die
App auf Rezept oder die Lebensgesundheitsakte in
der Cloud: Auf dem Kongress stellten sich die Projektentwickler bei den Netzwerkern vor. Deren Ideen stießen auf interessierte, wenn auch nicht unkritische Zuhörer. Wir haben uns umgehört und einige Meinungen und Gedanken dazu eingefangen.
Dr. Rainer Kern, Mitglied des Vorstands der BERLIN-CHEMIE AG
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EINBLICK
Das sagen die Netzwerker:
Dr. Veit Wambach,
Vorsitzender der Agentur deutscher Ärztenetze
»
Es ist wichtig, dass ambulante, stationäre und
weitere Leistungserbringer, aber auch der Öffentliche
Gesundheitsdienst oder Kommunen, in Zukunft extrem eng zusammenarbeiten, um anstehende Probleme zu lösen. Internet und andere technische Hilfsmittel sind für mich zusätzliche Tools, die unheimlich
wichtig sind, weil sie das Arbeiten im Alltag erleichtern. Aber sie sind nicht gleichzustellen mit der engen
Kooperation dieser klassischen Bereiche. Ich glaube,
dass die Zusammenarbeit von Menschen an dieser
Stelle entscheidend sein wird für eine Optimierung
der regionalen Versorgung.
«
Dr. Ursula Hahn,
Geschäftsführerin OcuNet Verwaltungs GmbH
»
Ich denke, zwei Entwicklungen stehen im Vordergrund. Erstens werden in der ambulanten Versorgung
größere Einrichtungen im Sinne von ambulanten Versorgungsunternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Damit einher geht auch, dass Patientenversorgung stärker, als es in der Vergangenheit der Fall
war, aus dem ambulanten Bereich heraus gesteuert
wird. Zweitens wird das Internet sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie eine immer größere
Rolle spielen. Wichtig dabei ist, dass das Angebot
ärztliche Leistung ergänzt bzw. auch diese Versorgungsform von Ärzten gezielt eingesetzt wird. Ein telemedizinisches Angebot, das ärztliche Leistung ersetzen will, wird meines Erachtens weder bei Patienten noch bei Ärzten Akzeptanz finden.
«
Michael Hahn,
Public Affairs FachArztAgentur
»
Die Sektoren weisen ja schon jetzt zahlreiche
Mischformen und Übergänge auf. Das wird sich weiter fortsetzen. Es wird keine klare Sektorengrenze
mehr geben und das Internet wird einer der Treiber
an der Nahtstelle zwischen den Versorgungsformen
sein.
«
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1
EINBLICK
Burkhard Nolte,
Geschäftsführer Sankt Franziskus-Hospital Münster
»
Ich glaube, dass wir zwingend zusammenarbeiten
müssen. Die Sektoren müssen viel enger zusammenkommen, idealerweise auf einem Gelände. Nur so
werden wir in der Zukunft die Versorgung bei knapper
werdenden Ressourcen sicherstellen können. Das Internet wird dabei helfen, die verschiedenen Expertisen
enger zusammenzuführen. Wir nutzen das schon heute, beispielsweise bei Tumorkonferenzen, um Pathologen, Strahlentherapeuten einzubinden oder für das
Zweitmeinungsverfahren. Das wird sicherlich deutlich
zunehmen, speziell in ländlichen Strukturen.
«
Sonja Laag,
Leiterin Versorgungsprogramme B
­ ARMER GEK
»
Aus meiner Sicht wird die Ambulantisierung der
Medizin weiter voranschreiten. Der ambulante Bereich muss dafür aber teamorientierter organisiert
werden und braucht ein anderes Vergütungssystem,
um modernes Versorgungsmanagement strukturieren, organisieren und auch bezahlen zu können. Die
Technik muss dort unterstützen, wo es nötig ist und sie
adäquat eingesetzt werden kann. Medizinische Versorgung funktioniert aber nicht ohne den Menschen. Technik kann die Behandlung nur unterstützen.
«
Mario Wöstmann,
Regionalleiter Nord der Abteilung Gesundheitsmanagement, BERLIN-CHEMIE AG
»
16
Der ambulante und stationäre Sektor werden verschmelzen. Arztnetze werden dabei verstärkt die Versorgung übernehmen und Leistungserbringerstatus
bekommen. Während im niedergelassenen Bereich
die Basisversorgung stattfindet, werden bestimmte hochspezialisierte Leistungen an und in der Klinik
durchgeführt. Das Internet wird aus meiner Sicht, anders als Herr Müschenich in der Eröffnungsveranstaltung gesagt hat, nur punktuell ein eigenes Standbein
für Therapie und Diagnose werden, aber deutlich die
Kommunikation verbessern und Schnittstellen überwinden helfen.
«
KAPITEL
2
INTERNET
Für die Einen ist das Internet die Revolution der modernen Medizin. Die Vernetzung und Verfügbarkeit von
schier unendlichem Wissen hilft Medizinern bei der Arbeit und macht Patienten zu mündigen Gesprächspartnern. Für die Anderen birgt das Web und seine Technik scheinbar unbeherrschbare Gefahren, wenn
etwa Informationen nicht in den richtigen Kontext gesetzt werden, oder die ärztliche Berufsordnung ins
Wanken geraten könnte.
17
2
INTERNET
Bürokratie steht Bedürfnis im Weg
Patientenwohl oder Datenschutz – was wiegt schwerer?
Eigentlich hätte die elektronische Gesundheitskarte (eGK) bereits 2006 im Einsatz sein sollen. Doch im­
mer wieder entbrannte eine Diskussion über die Datensicherheit: Der Deutsche Ärztetag lehnte 2007
und 2008 die Einführung wegen datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die zentrale Speicherung der
Patienteninformationen ab. Kritiker warfen den Widersachern vor, den Datenschutz über das Patienten­
wohl zu stellen. Und auch die Gesundheitsnetzwerker fragten sich: Was wiegt schwerer?
„Unser Gesundheitswesen ist längst viel digitaler,
als den Akteuren häufig bewusst ist: bei Diagnostik
und Therapie genauso wie bei der Administration“,
sagte Dr. Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des
Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer. Die
eGK hält der Chirurg dennoch für sinnvoll, vor allem
im Notfall. „Wir haben das ursprünglich vorgesehene Einsatzszenario ausgedehnt. Dem alten Konzept
lag ein auf die „blutige Rettung“ beschränkter Notfallbegriff zugrunde. Jetzt umschreibt „Notfall“ jede
Situation, in der ein Patient mit einem akuten Krankheitsbild einem Arzt gegenübersteht, der diesen noch
nie gesehen hat“, so Bartmann. Diese Ausweitung sei
wirklich sinnvoll, denn bei der Rettung im Straßengraben werde der Arzt und Rettungssanitäter kaum
nach dem Notfalldatensatz auf einer Plastikkarte suchen. Bartmann: „Der Notfalldatensatz hat eine zentrale Rolle auch wenn er im Moment noch nicht auf
der eGK gespeichert ist.“ Die Bundesärztekammer hat
das Lastenheft des Notfalldatensatzes verabschiedet und nun gehe es an die technische Umsetzung
in Form eines Pflichtenheftes. „Erst wenn dieses von
den Gesellschaftern der gematik verabschiedet ist,
wird das Projekt ausgeschrieben und geht in die Testung – und danach wird der Notfalldatensatz auf die
Karte kommen“, so der Arzt. Das würde allerdings
nicht nur ein paar Monate, sondern Jahre dauern.
18
Dr. Franz-Joseph Bartmann
„Der Patient ist heute schon sein eigener Gesundheitsmanager“, so Dr. Rolf Lange, Sprecher der Geschäftsführung der enpenet GmbH. Er wolle wissen,
woran er erkrankt sei und wie er wieder gesund werden kann. „Die Informationen sucht er sich im Internet.“ Die Gesundheitsbibliothek von epenet bietet bereits jetzt die Möglichkeit, individualisierte medizinische Informationen zu bekommen. Durch Eingabe
des Alters und des Geschlechts wird die Auskunft für
den User in einem Info-Pool individuell zusammengestellt. In der Bibliothek sind zu mehr als 100 der
häufigsten Krankheiten umfassende, immer aktuelle
INTERNET
2
Essays gesammelt, aber auch mehr als 40.000 Begriffe der Medizin umfassend und laienverständlich erklärt. Die Gesundheitsbibliothek ist werbefrei und frei
von Interessen Dritter. Sie ist von Experten unter der
Leitung von Univ.-Prof. Dr. med. Dr. h. c. Robert F.
Schmidt erstellt. „Wir haben alleine 1,8 Millionen Einträge über Bluthochdruck gesammelt, die in 19 Sekunden durchsucht werden,“ so Lange.
„Der Arzt muss entscheiden, ob er an der Entwicklung partizipiert, oder sie über ihn wegrollt“, warnt
Dr. Thorsten Schmale, Geschäftsführer der Doc Cirrus
GmbH. Das Sicherheitsargument sei da nur vorgeschoben. „Doc Cirrus beweist längst in der Praxis,
dass Datenschutz keine Frage mehr ist. Doc Cirrus arbeitet mit dem System einer hybriden Cloud-Struktur,
die in Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zum Einsatz kommt. Diese steht im Prinzip
auf drei Säulen: auf einer Private Cloud, einer Public
Cloud und dem Browser des Endanwenders. Während die Private Cloud Daten wie zum Beispiel Patienten- und Abrechnungsinformationen lokal in der Praxis vorhält, stellt die Public Cloud die Anwendungslogik und Softwareupdates zur Verfügung. Der Browser
des Endnutzers führt die Daten und Applikationen zusammen und bildet die Schnittstelle zum Nutzer, egal
ob auf Smartphone, Tablet oder einfach am PC.
„Datenschutz ist für den Patienten tödlich“, so Dr.
Markus Müschenich. „28.000 Tote aufgrund von Arzneimittel-Intoxikationen, 12.000 Verstorbene wegen
nicht sachgerechter Therapie, 7.000 Patienten, die keinen rechtzeitigen Zugang zu einem Facharzt fanden –
kurzum: vermeidbare Todesfälle aufgrund von Informationsdefiziten.“ Der Gesundheitswissenschaftler ist
sicher: Eine undifferenzierte Ablehnung der Entwicklung der bereits heute vorhandenen Angebote steht
dem Patientenwohl entgegen. Müschenich: „Die Probleme des Datenschutzes werden von den heutigen
Start-ups bereits gelöst. Und auch Fragen wie die
Qualitätssicherung der Internetangebote in Sachen
Gesundheit und die Vergütung internetmedizinischer
Leistungen werden beantwortet werden. Das wird
nicht einfach werden, doch es wird gelingen.“
Dr. Markus Müschenich
Für die Entwicklung der eGK wurde bislang bereits
knapp eine Milliarde Euro ausgegeben. Das sind bei
70 Millionen Versicherten 14 Euro pro Versichertem.
Ob diese noch sinnvoll eingesetzt sind, wird die Zukunft zeigen.
Kontakt
Bundesärztekammer
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
Tel.: 030 – 400 45 60
www.bundesaerztekammer.de
enpenet GmbH
Holzdamm 28-32
20099 Hamburg
Deutschland
Tel.: 040 – 809 06 18 01 50
www.enpenet.de
Doc Cirrus GmbH
Bessemerstr. 82
12103 Berlin
Tel: 030 – 692 08 87 20
www.doc-cirrus.com
Dr. med. Markus Müschenich
Askaloner Weg 4
13465 Berlin
Tel.: 030 – 40 10 82 42
www.markus-mueschenich.de
19
2
INTERNET
Start-ups bewegen den Markt
Ferndiagnose – was geht?
Sebastian Vorberg ist sich sicher: „Die Steuerung der verteilten Gesundheitsinformationen wird über die
Haftungsfrage geregelt.“ Im Zweifelsfall, so der Rechtsanwalt für Medizinrecht, wird ein behandelnder
Arzt immer an einen Fachmediziner überweisen. Deshalb geht bereits schon so einiges in der Internet­
medizin – wie die drei Unternehmungen zeigten, die sich den Gesundheitsnetzwerkern vorstellten.
GODERMA
Über eine App oder die
goderma-Webseite begutachten Dermatologen
Hautprobleme. Alles, was
der Patient dafür tun
muss, ist ein Foto des
Problems zu machen und
Dr. Simon Lorenz
einen kurzen, medizinisch
relevanten Fragebogen
auszufüllen. Alle Daten werden dann anonymisiert
und verschlüsselt an die für goderma arbeitenden
Fachärzte übertragen, welche eine Begutachtung erstellen und Handlungsempfehlungen abgeben – alles
in maximal 48 Stunden. „Wir haben einige der besten
und erfahrensten Dermatologen Deutschlands für goderma gewinnen können, wie zum Beispiel Prof. Dr.
Dr. Johannes Ring, Prof. Dr. Bernadette Eberlein und
Prof. Dr. Andreas Blum“, so Dr. Simon Lorenz, Geschäftsführer der goderma GmbH. „Zudem arbeiten
wir eng mit dem Universitätsklinikum Rechts der Isar,
TU-München, zusammen, mit dem wir auch eine wissenschaftliche Studie durchführen.“ Probleme mit
dem Fernbehandlungsverbot sieht der Geschäftsführer nicht: „Goderma ersetzt nicht den Besuch beim
Arzt, sondern ergänzt ihn. Wir bieten den Patienten
eine schnelle und fachgerechte Klärung ihres Prob20
lems. Wir stellen jedoch keine finalen Diagnosen oder
Rezepte aus. Es ist aber auch mit wissenschaftlichen
Studien belegt, dass bis zu 90 Prozent aller Patientenanfragen mit Hautkrankheiten auf Basis eines Fotos
erkannt werden können.“ Die fachärztliche Begutachtung eines Hautproblems kostet den Patienten 29
Euro. Ziel ist, dass diese Kosten als Leistung anerkannt werden und auch von den Kassen erstattet
werden. Lorenz: „Wir führen augenblicklich Gespräche mit ersten privaten Versicherungen, welche die
Leistungen von goderma übernehmen wollen.“
BETTERDOC
„Von welchem Kollegen
würden Sie sich selbst
oder Ihre Angehörigen
behandeln lassen?“ Dies
ist die Kernfrage und das
Geschäft von BetterDoc:
Patienten können nach einer kostenlosen Ersteinschätzung bei BetterDoc
Nils von Dellingshausen
eine kostenpflichtige
Spezialistensuche beauftragen, um den für ihr Problem besten Arzt zu finden
– empfohlen von seinen medizinischen Kollegen. Der
INTERNET
Such-Ablauf erfolgt in drei Schritten: Zunächst beschreiben die Portal-Nutzer ihr Gesundheitsproblem
anhand von Beschwerden und einer bereits gestellten
Diagnose. Daraufhin leitet BetterDoc die Anfrage an
bis zu 200 Fachärzte des betreffenden Fachbereichs
weiter. Im Pool sind mittlerweile 1000 Experten, darunter 80 Prozent Chef- und Oberärzte, die übrigen
Empfehler sind niedergelassene Fachärzte.
Für jede Patientenanfrage, an der sich Ärzte durch
eine Kollegen-Empfehlung beteiligen, spendet BetterDoc in seinem Namen 42 Euro an ein gemeinnütziges
Gesundheitsprojekt, wie zum Beispiel „Ärzte ohne
Grenzen“. Nutzer erhalten innerhalb von zwei Tagen
dann bis zu 20 Empfehlungen inklusive sachlicher Begründung, je nachdem, welchen Service sie gewählt
haben: Es werden je nach gewähltem Paket (Basis,
Standard, Premium) fünf, zehn oder 20 Ärzte-Empfehlungen für Mediziner abgeben. Vor allem Patienten
mit schwerwiegenden, seltenen oder komplexen Erkrankungen fragen bei BetterDoc an. Ziel des Startups ist es, langfristig integraler Bestandteil des Gesundheitssystems zu werden – an den sich Patienten
beispielsweise immer vor einer OP wenden. Die Kölner sind überzeugt, dass Leistungsträger hier viel
Geld sparen können und gleichzeitig die Behandlungsqualität steigt.
WAS HAB’ ICH?
Die Diagnose des Arztes
zu verstehen, den Fachjargon zu übersetzen, grenzt
für viele Patienten an die
Dechiffrierung eines Geheimcodes. Anja Bittner,
Ansgar Jonietz und JoAnsgar Jonietz
hannes Bittner brachte
das alltägliche Praxis-Problem vor drei Jahren auf eine innovative Idee: Sie
entwickelten und gründeten das Internet-Portal “Was
hab’ ich?”. Auf dem Portal können Patienten ihre ärztlichen Befunde anonym einschicken. Medizinstudenten
übersetzen ihnen dann das Papier in eine laienverständliche Sprache. Der Service ist kostenlos. Das
2
Portal ist gemeinnützig und finanziert sich über Spenden. Das inzwischen bundesweit aufgestellte, ehrenamtliche Team umfasst heute mehr als 1.000 geschulte
Mediziner die nahezu 18.000 Befunde übersetzt haben. Für die Medizinstudenten bietet die Übersetzung
der Befunde eine sehr gute Chance, ihre fachlichen
Kenntnisse zu erweitern. Außerdem haben sie so bereits im Studium die Möglichkeit, komplizierte Sachverhalte in einer für den Patienten verständlichen
Sprache darzustellen und sich in der Kommunikation
zu üben. Im nächsten Schritt wird das Portal um einen
„Patientenbrief“ erweitert. Gemeint ist eine patienten­
orientierte Version des Entlassbriefes, die dem Patienten und seinen Angehörigen direkt nach dem Krankenhausaufenthalt nachlesbare und individuelle Informationen über Krankheitsbild, die während des
Aufenthaltes durchgeführten Untersuchungen und
Therapien sowie die weiteren Schritte liefert.
Kontakt
goderma GmbH
Rosenthaler Straße 36
10178 Berlin
Tel.: 030 – 57 70 21 89
www.goderma.com
BetterDoc
Clusterhaus
Im Klapperhof 7-23
50670 Köln
Tel.: 0221 – 42 36 44 20
www.betterdoc.org
„Was hab‘ ich?“ gGmbH
Bertolt-Brecht-Allee 24
01309 Dresden
Tel.: 0351 – 418 89 00
www.washabich.de
21
2
INTERNET
Kommunikation auf allen Ebenen
Webbasierte Strategien in Krankenhäusern, Ärztenetzen und Praxen
Vernetzen, kommunizieren und arbeiten: Erfolgreiche webbasierte Strategien verbessern Arbeitsabläufe,
fördern den fachlichen Austausch und sorgen für mehr Patientenzufriedenheit. Ideen aus der Praxis for­
dern zum Abgucken auf.
„Gesundheit berührt“, so Johanna Müller von der
Agentur WOK. „Umso wichtiger ist es, dass Gesundheitsthemen im Internet die Lebenswelt der Patienten
widerspiegeln und emotional aufbereitet werden.“
Erst dann werden sie den Ansprüchen der Patienten
gerecht und die zu vermittelnden Informationen erreichen sie auch wirklich. Ein Beispiel könnte sich die
Gesundheitswirtschaft an der Autoindustrie nehmen:
Statt mit Bettenzahlen, DIN-Normen oder Qualitätssiegel für sich zu werben, sollten beispielsweise Kliniken empathisch auf die Sorgen und Bedürfnissen
ihrer Kunden reagieren. „Oder glauben Sie, ein Autokäufer will wissen, wie viele Pressstraßen sein neuer
Wagen durchlaufen hat oder ob Drehschrauben nach
dem aktuellen Qualitätsnormen des EU-Rechtes importiert wurden?“, so die Kommunikationsberaterin.
Für die Ansprache von Patienten im Netz bedeutet
das: Erfolgreiches Klinikmarketing muss eine Beziehung zu den Usern aufbauen, statt einen Monolog zu
halten. So rührt die Webseite einer Geburtsklinik an,
weil sie die emotionale Achterbahnfahrt der werdenden Mütter ernst nimmt und mit Ratschlägen begleitet oder ist der Internetauftritt der onkologischen Abteilung erfolgreich, weil er durch laienverständliche
Erklärungen den Patienten ihre Ängste nimmt.
Ebenso wichtig wie die gezielte „externe“ Kommunikation ist die gesteuerte und einfache Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren und über die
sektoralen Grenzen hinaus. DoctorCom liefert hierzu
Lösungen, um Arbeitsabläufe zu optimieren, sowie
22
Zeit und Kosten zu sparen. DoctorCom wurde 2010
von Michael Eiffert, M. D., in der San Francisco Bay
Area gegründet. „Wir wollen, dass die Kommunikation im Gesundheitswesen den Komfort einer SMS
oder E-Mail hat – ohne dabei den Datenschutz aus
den Augen zu verlieren“, so der Facharzt für Innere
Medizin. Dazu wurden mediale Applikationen entwickelt, mit denen sich alle Teilnehmer vernetzen können. Ärzte und medizinisches Personal müssen nur
noch ein Smartphone dabei haben, um mit Kollegen,
Mitarbeitern und Patienten in Kontakt zu bleiben, Patientendaten sicher auszustauschen oder per Videoübertragung Visiten abzuhalten. So wäre es sogar
möglich, etwa als Arzt einen Patienten zu behandeln,
der an einem völlig anderen Ort in einem Krankenbett liegen würde.
So unwahrscheinlich diese Vision jetzt noch klingen
mag: Die Nutzung des Internets zum Informationsaustausch wird auch von Medizinern bereits intensiv
genutzt. Mehr als die Hälfte aller befragten Mediziner
sind laut des Ärztenachrichtendienstes (ÄND) User
von Community-Websites. Eine davon ist das Portal
esanum. „esanum bietet Ärzten die Möglichkeit, mit
einer Vielzahl von Kollegen in Kontakt zu treten und
interdisziplinär Erfahrungen auszutauschen“, erklärt
Tom Renneberg, Geschäftsführer der esanum GmbH,
das Prinzip. Durchschnittlich sind die User 40 Jahre
alt. Sie diskutieren Fälle, tauschen Neuigkeiten aus
und berichten aus dem medizinischen Alltag. „Zugang zur esanum-Gemeinschaft erhalten ausschließ-
INTERNET
2
Roger Sturm, Johanna Müller, Michael Eifert, Tom Renneberg, Torsten Flöttmann
lich approbierte Ärzte. Dadurch ist sichergestellt, dass
alle Diskussionen auf Expertenwissen basieren“, so
Renneberg. Nach kostenfreier Registrierung und Authentifizierung können die Mediziner auch Beiträge
verfassen, in denen sie Beobachtungen mitteilen oder
um Rat fragen. Andere Mitglieder antworten darauf in
Kommentaren und können mittels eines 5-SterneSystems die Relevanz und Qualität des Beitrags für
die Gemeinschaft bewerten. Grundsätzlich ist esanum
pharma- und industrieunabhängig. Dennoch verdienen die Macher ihr Geld über Werbung. Renneberg:
„Viele Pharma-Hersteller informieren in den Communities über ihre Produkte.“ In einem eigenen Infocenter können diese zielgruppenspezifische Kampagnen
starten und Inhalte bereit stellen.
Für Torsten Flöttmann ist die Ansprache von Medizinern über ein Netzwerk nicht die erste Wahl der Kommunikation und Informationsvermittlung. Der Marketingleiter der BERLIN-CHEMIE AG sieht das Problem
und die Lösung woanders: „Volle Wartezimmer und
kurze Behandlungszeiten: Der Arzt von heute steht
immer häufiger unter Druck. Er möchte seine Patienten umfassend informieren und beraten, kommt jedoch durch seine knappen zeitlichen Ressourcen oft
nicht über die Vermittlung von Basiswissen hinaus.
Die Folge: Patienten informieren sich immer öfter eigenständig im Internet, erhalten falsche Informationen und bleiben verunsichert zurück.“ Die Lösung:
Der TheraKey®, ein Konzept, mit dem der Arzt seinen
Patienten auch außerhalb der Sprechstunde kontrol-
lierten Zugang zu gesicherten und umfassenden Informationen rund um die Erkrankung ermöglichen
kann. Das produktneutrale Therapiebegleitprogramm
ist eine Online-Plattform, auf der Patienten und Angehörige evidenzbasierte Informationen rund um
ausgewählte chronische Erkrankungen wie Diabetes
mellitus und Hypertonie finden. Definitionen, physiologische und pathologische Hintergründe sowie
lebenstiländernde Maßnahmen mit konkreten Beispielen helfen den Patienten, sich besser mit ihrem
Krankheitsbild auseinanderzusetzen. Den Zugang erhalten sie über den behandelnden Arzt, der über die
Inhalte und besuchten Seiten mit Patienten konkret
sprechen kann. „TheraKey® ist der verlängerte Arm
des behandelnden Arztes“, so Flöttmann. „Der TheraKey® ist ein Schlüssel zu einer erfolgreichen Arzt-Patienten-Kommunikation.“
Kontakt
Agentur WOK
Palisadenstraße 48
10243 Berlin
Tel.: 030 – 498 55 00
www.agentur-wok.de
esanum
Schönhauser Allee 45a
10437 Berlin
Tel.: 030 – 27 89 03 30
www.esanum.de
DocotorCom GmbH
Halskesteig 5a
13629 Berlin
Tel.: 030 – 81 47 71 30
www.mdcom.com
BERLIN-CHEMIE AG
Glienicker Weg 125
12489 Berlin
Tel.: 030 – 67 07 25 90
www.berlin-chemie.de
23
2
INTERNET
Individualisierte Gesundheitsdienstleistungen
auf dem Vormarsch
Start-ups stellen sich vor: erfolgreiche Medizin im Netz
„Patienten fordern aktiv ihre Medizin ein – jederzeit und überall und in einem persönlichen Format“, so
Dr. Markus Müschenich. Schon jetzt bieten Start-ups genau das an: individualisierte Gesundheitsdienst­
leistungen. Doch auch wenn noch offen ist, wie die Internetmedizin in die Praxen kommt, wie Start-ups
den Schulterschluss zu den Ärzten herstellen oder die Strategie des Vertriebs ist – die Reise der Inter­
netmedizin ins Gesundheitswesen hat schon längst begonnen.
Die Firma Caterna Vision stellt über eine Internetplattform spezielle Sehübungen für die Therapie der Amblyopie im Kindesalter bereit. Um erfolgreich behandelt zu werden, müssen die Kinder oft mehrere Jahre
ein Augenpflaster tragen. Damit soll das schwächere
Auge aktiv in das Sehen eingebunden und die für das
Sehen verantwortlichen Hirnregionen stimuliert werden. Das geschieht auch durch visuelle Reize mit
schmalen Wellenmustern auf einem Bildschirm. Das
an der Technischen Universität Dresden entwickelte
Verfahren der webbasierten Stimulationstherapie
wird am Computermonitor angewandt, während das
gesunde Auge abgeklebt ist. Dazu spielen die Kinder
altersgerechte Computerspiele, während im Hintergrund für jedes Kind individuell konfigurierte, schmal­
bandige Wellenmuster über den Bildschirm laufen.
Die Stimulationstherapie von Caterna wird seit 2002
praktisch angewendet. Um die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Kriterien weiter zu untermauern, findet eine begleitende klinische Studie statt. Die Sehübungen werden für jeden Patienten online und gemäß seinem Therapieschema digital bereit gestellt.
Nach einer Einweisung durch den Augenarzt werden
die Übungen zu Hause am PC fortgesetzt. Zur Therapiekontrolle werden Sitzungsprotokolle automatisch
dokumentiert. Sie stehen den Eltern auch in einer
App für Smartphones und Tablets zur Verfügung. Eine
Tagebuchfunktion erleichtert die Organisation der Tra24
gezeiten des Augenpflasterns. Auch der behandelnde
Augenarzt kann die Therapie- und Abklebezeiten online über die App verfolgen.
Das Potsdamer Unternehmen Emperra bietet den
weltweit einzigen Insulin-Pen an, der in der Lage ist,
die injizierte Insulindosis automatisch auf eine Internetplattform zu übertragen. Von dort wird über ein
Expertensystem die übermittelte Insulinmenge mit
dem kurz zuvor gemessenen Blutzuckerwert und den
verköstigten Kohlenhydraten so aufbereitet, dass der
Patient in Echtzeit informiert wird, ob seine individuelle Insulintherapie leitliniengerecht durchgeführt
wurde und ob kurz-oder langfristige Probleme drohen. Der betreuende Diabetologe, der ebenfalls Zugriff auf das System hat, kann seinen fachärztlich Rat
genau zu dem Zeitpunkt geben, an dem Probleme
auftreten und nicht erst dann Hinweise zur Therapie­
optimierung geben, wenn sich der Patient quartalsweise auf den Weg in die Arztpraxis gemacht hat.
Neuronation bietet zielgerichtetes Gedächtnistraining
an, mit dem sich insbesondere das Arbeitsgedächtnis, das in direktem Zusammenhang mit der Intelligenz steht, verbessern soll. Die über 50 Übungsmodule basieren auf den modernsten Studien der Gehirnforschung, die an renommierten Einrichtungen
wie dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
INTERNET
2
Dr. Markus Müschenich
durchgeführt werden: Forscher des Instituts haben
zirka 100 Jugendliche und 100 Senioren jeweils 100
Trainingssitzungen am Computer absolvieren lassen.
Jede Sitzung bestand aus zwölf Tests, sechs zur Auffassungsgabe und je drei zum Arbeitsgedächtnis und
zum Erinnerungsvermögen. Insbesondere beim Arbeitsgedächtnis wurde eine deutliche Steigerung der
kognitiven Fähigkeiten festgestellt – sowohl bei den
älteren als auch bei den jüngeren Teilnehmern, so das
Ergebnis. Bei älteren Probanden wurden von Tag zu
Tag sogar geringere Schwankungen bei der Leistungsfähigkeit festgestellt als bei den jungen. Die
Übungen sind individualisiert und sollen die größten
Schwächen und Stärken gezielt trainieren. Anstelle
von einfachem Gehirnjogging bietet Neurnoation
personalisiertes Gedächtnistraining, das konzentrierter und mental fit machen, aber auch dem geistigen
Alterungsprozess entgegen wirken soll. Mit ihnen
lässt sich das Kurzzeitgedächtnis, das Merken von
Zahlen und Kopfrechnen trainieren. 14 Übungen sind
kostenfrei. Darüber hinaus muss eine Premium-Mitgliedschaft für sieben Euro im Monat abgeschlossen
werden.
Kontakt
Caterna Vision
Leipziger Straße 26
10117 Berlin
Tel.: 0351 – 31 46 69 39
www.caterna.de
Emperra GmbH E-Health Technologies
Friedrich-Ebert-Straße 33
14469 Potsdam
Tel.: 0 331 – 97 93 48 00
www.emperra.com
Neuronation
Synaptikon GmbH
Oberwallstraße 10
10117 Berlin
Tel.: 030 – 99 54 53 30
www.neuronation.de
25
KAPITEL
3
VERSORGUNG UND
KRANKENHAUSMANAGEMENT
Kostendruck, Personalmangel, Qualitätsanforderungen: Krankenhäuser müssen den Herausforderungen
begegnen und haben verstanden, dass ihr Erfolg ein Neudenken und Umdenken erfordert. Denn die Vernetzung geht weiter. Nicht nur mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung schreitet die sektor­
übergreifende Versorgung voran. Auch immer mehr Beschäftigte kennen als Grenzgänger beide Welten und
verstärken das Zusammenwachsen.
26
VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
3
Ein weiterer Teil der unendlichen
­Gesetzgebungsgeschichte?
Ambulante spezialfachärztliche Versorgung
Im März 2013 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in einer ersten Richtlinie die
Rahmen­bedingungen für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Hat die gemeinsame
Selbstverwaltung ihre Hausaufgaben gemacht und „bottom up“ einen neuen, sektorenübergreifenden
Versorgungsbereich aufgebaut?
Das Gesundheitsministerium hat das Regelwerk zur
interdisziplinären Versorgung von Tuberkulosepatienten nicht beanstandet. Sobald die Entscheidung im
Bundesanzeiger veröffentlicht ist, können niedergelassene Mediziner und Klinik-Ärzte bei den erweiterten Landesausschüssen anzeigen, dass sie an der
ASV teilnehmen wollen. Widerspricht der Landesausschuss binnen zwei Monaten nicht, sind die Antragsteller zur ASV nach Paragraf 116b SGB V zugelassen.
Dr. Regina Klakow-Franck
Im vergangenen Jahr wurde der dritte Anlauf zur gesetzlichen Fassung der ASV unternommen. Da befürchtet wird, dass dieser neu entstehende dritte Sektor zu einer Kostenexplosion führen könnte, erfolgte
eine gesetzliche Begrenzung auf schwere Verlaufsformen. „Die diagnosespezifischen Eckpunkte wurden
zunächst für TBC festgelegt“, so Dr. Regina KlakowFranck, unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen
Bundesausschusses (G-BA). „Inzwischen gibt es diese
Eckpunkte auch für Gastrointestinal-Tumoren und andere Tumoren der Bauchhöhle, also für Erkrankungen,
deren schwere Verlaufsformen jährlich 100.000 Patienten betreffen. Als nächstes soll es diese Regelungen
auch für gynäkologische Tumore geben“, so KlakowFranck.
Wichtigstes Merkmal für die Zulassung zur ASV ist
das interdisziplinäre Team. Zudem muss zweimal
jährlich eine sektorenübergreifende Qualitätskonferenz stattfinden. Neu ist, dass die Krankenhäuser sich
namentlich auf Teammitglied(er) festlegen müssen.
Freigestellt bleibt, ob die Teams tatsächlich unter einem Dach arbeiten oder „nur“ miteinander vernetzt
sind. Zur Sicherung der Qualität wurde eine Mindestmenge an Patienten pro Kernteam festgelegt: Ein
Mitglied dieses Teams muss pro Quartal mindestens
30 Chemotherapien nachweisen. Weitere neue Regelungen betreffen die Überweisungsdauer. Zudem
wurden regelhaft schwere Verlaufsformen festgelegt
(zum Beispiel bei Bauchspeicheldrüsenkrebs).
27
3
VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
Dr. Regina Klakow-Franck, Dr. Axel Munte, Jochen Metzner
Dr. Axel Munte, Bundesverband ambulante spezialfachärztliche Versorgung e. V., sieht in der neuen Versorgungsebene sowohl Chancen als auch Risiken.
„Die Idee der ASV hat Potenzial, einen Versorgungsbereich für Spitzenmedizin und Innovationen zu
schaffen. Leider fehlt es den Trägerorganisationen des
G-BA bislang jedoch am Mut, echte sektorenübergreifende Kooperationen durchzusetzen“, so Munte. Standardisierte Qualität und ein einheitliches Angebot
sieht der ehemalige KV Bayern-Vorsitzende als entscheidenden Vorteil der ASV gegenüber den Selektivverträgen. Alle Kassen und alle Ärzte können sich beteiligen und es gibt keine Ausschreibungspflicht für
die Kassen. Doch die bislang nicht vorgesehene einheitliche Abrechnung und das Fehlen einer Verpflichtung zu einer einheitlichen Dokumentation seien unabdingbar für die Überwindung der Sektorengrenzen.
Eine für alle Beteiligten zugängliche elektronische
Fallakte, die Praxisnetze bereits einsetzen, wäre
Grundvoraussetzung, um eine patientenrelevante Kooperationsverpflichtung zwischen niedergelassenen
und stationär tätigen Ärzten durchzusetzen. Das Regelwerk fördere so jedoch nur eine Pseudo-SektorenVerbindung. Denn die interdisziplinären Kernteams
müssten nicht verpflichtend aus niedergelassenen
und stationär tätigen Ärzten zusammengesetzt sein.
„Die Zusammenarbeit von Hausärzten, Fachärzten
und Spezialisten ist aber ein Muss“, sagte Munte.
Oberstes Gebot der ASV müsse sein, die Leistungen
den Patienten zukommen zu lassen. „Es besteht jedoch kein gesetzlicher Anspruch auf vernetzte inter­
disziplinäre Versorgung “, so Jochen Metzner, Referats­
28
leiter Krankenhausversorgung des hessischen Ministeriums für Soziales und Integration. Umso wichtiger
sei die Rolle der Länder. Metzner: „Mitreden, die regionalen Versorgungsstrukturen in den Vordergrund
stellen und die Patienten im Blick behalten: den Ländern kommt die Rolle des Förderers, Beobachters
oder auch des Verweigerers zu.“ Der erweiterte Landesausschuss hat eine „Wächterfunktion“ in den Gremien. Konkret wollen die Länder beim G-BA in den
Ausschuss Qualitätssicherung. Und es entspricht zudem der Versorgungsphilosophie der Länder, Möglichkeiten für Patienten mit seltenen Erkrankungen zu
schaffen. Die Thematik der „schweren Verlaufsformen“
wurde durch die Länder in die ASV eingebracht. Allerdings hätten sie, wie Jochen Metzer einräumte, die
Problematik unterschätzt und demzufolge auch nicht
absehen können, wie viel Arbeit durch Änderungen
und Nachbesserungen auf sie zukäme.
Das Beispiel Hessen zeigt, so Jochen Metzner, welche
Vorteile sich dennoch gerade für kleinere Häuser mit
geringen Fallzahlen aus der Verpflichtung zu Zusammenschlüssen sowie zur Einrichtung von Versorgungs­
zentren ergeben. Sein Fazit: Die Länder haben Gestaltungsmöglichkeiten, es kommt drauf an, was sie daraus machen.
Kontakt
Gemeinsamer Bundesausschuss
Wegelystr. 8
10623 Berlin
Tel.: 030 – 275 83 80
www.g-ba.de
Mail: [email protected]
Hessisches Ministerium für Soziales und Integration
Dostojewskistraße 4
65187 Wiesbaden
hsm.hessen.de/gesundheit
Bundesverband ambulante spezialfachärztliche
­Versorgung e.V.
Dr.-Max-Str. 21
82031 Grünwald
Tel.: 089 – 414 14 40 60
Mail: [email protected]
www.qualidoc.org
VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
3
Um die Ecke denken
Grenzgänger: Arbeiten in verschiedenen Welten
Neue Situationen fordern neues Denken. Das Arbeiten in verschiedenen Welten und das strategische
Planen über die eigenen Grenzen hinaus klingt nach dem neuen heiligen Gral der Gesundheitsversorgung.
Aber was genau bedeutet das in der Praxis? Und wo liegen die Vorteile für Grenzgänger und Gesund­
heitsunternehmungen? Einige Beispiele.
schoben und investiert. Zur Umsetzung des Konzeptes wurden im Laufe der Jahre ein Gesamtvolumen
40 Millionen Euro für mehr als 30 Baumaßnahmen
ausgegeben.
Bernd Schulte
DAS KRANKENHAUS
Brilon, eine Stadt im östlichen Sauerland, in unmittelbarer Nähe der Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen. Schon in den 80er
Jahren begann das Städtische Krankenhaus sich für
integrierte Versorgungsformen zu öffnen. „Wir standen finanziell mit dem Rücken zur Wand“, so Bernd
Schulte, ehemaliger Geschäftsführer des Städtischen
Krankenhauses Maria-Hilf-Brilon gGmbH. Doch statt
den Kopf in den Sand zu stecken, dachte man um die
Ecke und in die Zukunft: Kontinuierlich wurde das
Leistungsspektrum ausgebaut, Kooperationen ange-
Heute ist die Versorgung der Region und weit über
die Landesgrenzen hinaus durch den Gesundheitspark Brilon gesichert. Hier arbeiten verschiedene stationäre und ambulante Leistungserbringer und Kooperationspartner wie ambulante Dienste, Industrie
und Serviceunternehmen zusammen, ergänzen sich,
konzipieren interdisziplinäre Behandlungskonzepte
und nutzen technische und räumliche Kapazitäten gemeinsam. „In dem hochmodernen Gesundheitspark
Brilon werden heute regionale Kompetenzen gebündelt“, so Schulte. Nicht zuletzt ist das Konzept so erfolgreich, weil es beispielsweise mit MRT und Linksherzkatheter über modernste Technik verfügt, die sich
weder ein normales Krankenhaus dieser Größe noch
Niedergelassene leisten könnten. Der demographische Wandel steht im Mittelpunkt weiterer strategischer Überlegungen. Bernd Schulte sieht ihn in erster
Linie als Riesenchance für die Entwicklung neuer, vernetzter Strukturen von Krankenhausleistungen, ambulanter Betreuung, Reha und Pflege. Er betonte:
„Netzwerkmedizin ist die Zukunft!“
29
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VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
DER ARZT
„Schätzungsweise 120.000 Ärzte arbeiten nicht in ihrem Beruf, sondern in der pharmazeutischen Industrie, in Verwaltungen und an anderen Stellen“, so Dr.
Jochen Jouaux, Geschäftsführender Gesellschafter
FAA Facharztagentur GmbH, Bielefeld. „Eine Katastrophe für das Gesundheitssystem, dem die Ärzte ausgehen.“ Als Erste-Hilfe-Maßnahmen zur Verringerung
des Personalmangels in den Krankenhäusern werden
etwa Ärzte aus anderen Ländern angeworben und
ärztliche Tätigkeiten auf Nichtärzte verlagert. Die Alternative sind kurzfristig und flexibel einsetzbare externe Fachärzte als Vertretung auf Honorarbasis oder
Fachärzte auf Grundlage der Arbeitnehmerüberlassung, wie sie die Facharztagentur vermittelt. Jouaux:
„Externe und Honorarärzte müssen geplant und gezielt in die Krankenhäuser gebracht werden, trotz restriktiver Strukturen zum Schutz der Niedergelassenen.“ Leider, so zeige die Erfahrung, würden Honorarärzte in Krankenhäusern zwar geduldet, aber sie
seien nicht beliebt, weil sie Kosten verursachen würden. Zudem werden ihre Teamfähigkeit, Kompetenzen
und Qualität infrage gestellt. „In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Honorarärzte bringen den Krankenhäusern finanziellen Nutzen und mehr Flexibilität“, so
der Geschäftsführer. Vermittlungsagenturen wie die
Facharztagentur agieren an dieser Stelle als Referenz­
institution und Qualitätsfilter, sie sind Schnittstellen
für zwei Seiten, die gegensätzliche Interessen und Bedürfnisse haben.
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Dr. Nicolai Schäfer vom Bundesverband der Honorarärzte e. V. bestätigt den Vorteil der Honorarärzte: „Honorarärzte sind als Grenzgänger flexibel, mobil und
werden an den unterschiedlichsten Stellen eingesetzt:
als Vertretungsärzte auf Zeit, als Kooperations- oder
Belegärzte, die fest mit Gesundheitseinrichtungen zusammenarbeiten, als Konsiliarärzte, in der Forschung,
als Gutachter und mehr.“ Nach seinen Schätzungen
arbeiten 3.000 bis 6.000 Honorarärzte in Deutschland
und deren Spezialisierung wird immer stärker nachgefragt. „Die meisten Honorarärzte sind erfahrene
Fachärzte. Sie wollen den Frust des langjährigen angestellten Arztes hinter sich lassen, ihre Lebensplanungen haben sich – beispielsweise aus Altersgründen – geändert, sie suchen flexible Arbeitszeiten oder
wollen kein reines Rentnerdasein führen.“
Zwar könnten auch Honorarärzte strukturelle Probleme im Gesundheitswesen nicht lösen. „Aber sie ermöglichen neue und flexible Wege der Patientenversorgung“, so Schäfer. Ohne Honorarärzte würden sich
auch unter dem Aspekt des demografischen Wandels
die Versorgungsfragen verschärfen.
Hauptproblem für den Einsatz von Honorarärzten
sind zurzeit Administration und Behörden. „Hier ist
es notwendig, Rechtssicherheit zu schaffen, beispielsweise, indem Honorarärzte den Status der Selbstständigkeit erhalten“, so Dr. Jochen Jouaux.
VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
DER NETZWERKER
Dr. Ulrich Tappe nennt sich selbst „Hybridarzt“. Er ist
Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie der
St. Barbara-Klinik Hamm GmbH und niedergelassener Facharzt für Gastroenterologie im Ärztezentrum
Hamm-Norden. Tappe lebt die sektorenübergreifende
Versorgung: Seit über zwei Jahren kooperierten die
Abteilung für Gastroenterologie der Klinik mit dem
Ärztezentrum. Patienten werden dank seiner Doppe­
lfunktion fortlaufend, fachübergreifend und kontinuierlich betreut. „Doppeluntersuchungen werden vermieden, Wartezeiten verkürzt und der Behandlungs­
erfolg optimiert. Sind operative Behandlungen
erforderlich, können diese innerhalb der Klinik rasch
in die Wege geleitet werden“, so Tappe. Aber auch für
sich persönlich sieht er Vorteile: „Als Niedergelassener bin ich alleiniger Entscheider und Teamleiter. Meine Leistung ist an dieser Stelle allerdings budgetiert
und es gibt fachliche Einschränkungen. Auch wenn
ich in der Klinik um die Anerkennung als Chefarzt
mehr kämpfen muss, sind die Möglichkeiten des Therapiespektrums dort größer.“
DIE FACHKRÄFTE
Die Grenzen zwischen den einzelnen Arbeitsfeldern
im Gesundheitsbereich verschwimmen immer mehr
– auch für Fachkräfte. „Um die Balance zwischen hoher patientenzentrierter Versorgungsqualität und
Wirtschaftlichkeit zu halten, werden die Aufgaben
immer komplexer: Akademisierung ist aus diesem
Grund für sie die Herausforderung“, so Prof. Dr. Björn
Maier, Studiendekan der Dualen Hochschule BadenWürttemberg (DHBW) in Mannheim. „Fachkräfte im
Gesundheitsbereich müssen immer mehr Aufgaben
außerhalb ihrer eigentlichen – oder genauer gesagt:
ursprünglichen – Qualifikation übernehmen. Es gibt
daher immer mehr Schnittstellen zu Managementbereichen wie Prozesskontrolle, Prozessoptimierung, zur
Personalführung und Ambulanz. Die Arbeit am Menschen ist durch einen immer höheren Technisierungsgrad gekennzeichnet.“
3
Die Duale Ausbildung ist nach Ansicht Maiers das Zukunftsmodell für interprofessionelle Zusammenarbeit
im Gesundheitsbereich. An den 13 Standorten der
Hochschule in Baden-Württemberg gibt es insgesamt
34.000 Studierende, das Studium dauert vier Jahre
und ist durch die Verzahnung mit der Ausbildung gekennzeichnet. Es schließt mit dem Bachelor of Arts
ab. Das duale Angebot umfasst Studiengänge in den
Fakultäten Wirtschaft, Sozialwesen und Technik.
Kontakt
Städt. Krankenhaus Maria-Hilf Brilon gGmbH
Am Schönschede 1
59929 Brilon
Tel.: 02961 – 78 00
Mail: [email protected]
www.krankenhaus-brilon.de
St. Barbara-Klinik Hamm GmbH
Am Heessener Wald 1
59073 Hamm
Tel.: 02381 – 68 10
www.barbaraklinik.de
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim
Coblitzallee 1–9
68163 Mannheim
Tel.: 0621 – 410 50
www.dhbw-mannheim.de
FAA Facharztagentur GmbH
Gadderbaumer Straße 19
33602 Bielefeld
Tel.: 0521 – 48 95 10
www.facharztagentur.de
Bundesverband der Honorarärzte e. V.
Flemmingstraße 9
12163 Berlin
Tel.: 030 – 70 09 63 29
www.bv-honoraraerzte.de
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3
VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
Ein Sektor in Bewegung
Welche Vernetzung braucht das Krankenhaus?
Krankenhäusern werden ständige Neuerungen und damit Investitionen abverlangt. Gleichzeitig ver­
schiebt die Gesundheitspolitik medizinische Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich.
Mit welchen gezielten Vernetzungsstrategien Kliniken gegen hohe Ausgaben und sinkende Einnahmen
gegensteuern, zeigen Praxisbeispiele.
Effizienzsteigerung durch Straffung der Führungsprozesse, so lautet das Vernetzungscredo der Valeo-Kliniken. „Die Verwaltungsdienstleitungen aller 14 Kliniken sind gebündelt, eine interdisziplinär besetzte Geschäftsstelle steuert daher alle Aktivitäten wie Einkauf,
Controlling, IT, Kommunikation, Qualitätsmanagement
oder auch das Melde- und Warnsystem für BeinaheFehler“, so Jochen Brink, Geschäftsführer der ValeoKliniken und Präsident der Krankenhausgesellschaft
Nordrhein-Westfalen.
Der Valeo-Verbund ist eine gemeinnützige Gesellschaft von 14 evangelischen Akut-, Fach- und RehaKliniken, deren 9.500 Mitarbeiter im Jahr 253.000 stationäre und 213.000 ambulante Patienten betreuen.
Der jährliche Umsatz beträgt 557 Mio. Euro. Der Klinikverbund hat seinen Erfolg auch der Kompetenzvernetzung zu verdanken: Zentrenbildung und Spezialisierung wie im Qualitätsverbund Geriatrie, im Zentrum für ambulante Rehabilitation Münster und im
Senora Brustzentrum sind nur einige Beispiele. Brink:
„Zudem können durch die Zusammenarbeit von Nuklearmedizin und Radiologie im Verbund Leistungsmengen erbracht werden, die für jede einzelne Einrichtung nicht finanzierbar wären.“
Krankenhäuser ohne Spezialisierung haben deutlich schlechtere Marktchancen. Das bestätigt auch
Prof. Dr. Christian Schmidt, Vorstandsvorsitzender
und ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Ros32
tock: „Eine genaue Markt- und Wettbewerbsanalyse ist zwingend für die Aufstellung einer erfolgreichen Strategie. Für die Rostocker Universitätsmedizin heißt das: Nicht in allen, aber in einigen Bereichen
ist Wachstum möglich, beispielsweise in der Neurologie und der Dermatologie.“ Eine Marktanalyse ergab zudem, dass es sinnvoll ist, die Kardiologie breit
aufzustellen. Schmidt: „Sie besitzt ein hohes Potenzial und soll, ausgehend von den Patientenzahlen des
Einzugsgebietes, in den nächsten vier bis fünf Jahren
Maximalversorgungsniveau erreichen.“
Die regionale Versorgungslage war auch der Grundgedanke der Vernetzungsstrategie im Land Brandenburg. „Wir haben bundesweit die niedrigste Vertragsarztdichte und immer mehr Patienten nehmen
die Rettungsstellen auch dann in Anspruch, wenn
es sich nicht um einen Notfall handelt“, so Andreas
Schwark, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der
Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Ärzte,
Land, Kommunen und Krankenkassen zogen für das
KV RegioMed-Programm an einem Strang. Ein Baustein des Programms sind Bereitschaftspraxen, die
außerhalb der normalen Sprechzeiten geöffnet sind,
beispielsweise am Sonntagvormittag. Schwark: „Dadurch können Patientenströme aus der Rettungsstelle
herausgelöst werden. Zugleich sind diese Praxen eine
Alternative zu Hausbesuchen.“ Das Echo der Krankenhäuser ist durchweg positiv.
VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
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Prof. Dr. Christian Schmidt
Die erste Bereitschaftspraxis wurde im Januar 2012 in
Potsdam gegründet. Seit Dezember 2012 gibt es eine
solche Praxis auch in Cottbus, zunächst als Praxis für
Allgemeinmedizin, inzwischen sind auch Kinderärzte
beteiligt. Demnächst sollen auch in der Stadt Brandenburg und in Rüdersdorf derartige Praxen eröffnet
werden. Eine Vorab-Wirtschaftlichkeitsstudie zeigte,
dass vier bis fünf Patienten pro Stunde ausreichend
sind, um eine Bereitschaftspraxis wirtschaftlich führen zu können. Die IT der Praxen wird durch die Krankenkassen gestellt, das Personal kommt aus dem
Krankenhaus und macht „Dienst nach Wunsch“.
Kontakt
Valeo-Klinikverbund
Königstraße 52
33330 Gütersloh
Tel.: 05241 – 400 99 20
www.valeo-klinikverbund.de
Universitätsmedizin Rostock
Schillingallee 35
18057 Rostock
www.med.uni-rostock.de
Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg
Gregor-Mendel-Straße 10/11
14469 Potsdam
Tel.: 0331 – 286 80
www.kvbb.de
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VERSORGUNG UND KRANKENHAUSMANAGEMENT
Gemeinsame Lösungen statt Konfrontation gefragt
Ambulante Versorgungsunternehmen, Netze und Krankenhäuser –
Partner oder Konfrontation?
Der Wettbewerb im Gesundheitswesen wird angefeuert. Während sich vor allem die Funktionäre der
Selbstverwaltung immer wieder Grabenkämpfe liefern, arbeiten Ärzte und Kliniken vor Ort trotz politisch
gewollten Wettbewerbs häufig hervorragend zusammen. Denn Alleingänge sind angesichts der künftigen
Herausforderungen im Gesundheitswesen kontraproduktiv.
Seit geraumer Zeit haben Gesundheitspolitiker fast
aller Parteien die Devise ausgegeben, es müsse mehr
Wettbewerb im Gesundheitswesen herrschen. Ob
Krankenkassen, Krankenhäuser oder Ärzte – sie alle
stehen in Konkurrenz zueinander. Doch die Fronten
verlaufen längst nicht mehr nur zwischen den niedergelassenen Ärzten auf der einen und Krankenhäusern
oder den Krankenkassen auf der anderen Seite. Uneinigkeit über die neuen Strukturen wie MVZ oder ambulanten Versorgungsunternehmen (AVU) herrscht
auch innerhalb der niedergelassenen Ärzteschaft. Gilt
im deutschen Gesundheitswesen das Prinzip Jeder
gegen Jeden?
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„Wir haben derzeit nur wenige Freunde“, sagte Dr. Ursula Hahn, Geschäftsführerin von OcuNet. Das AVU
mit großen ambulanten augenmedizinischen Zentren
beschäftigt 105 Mitarbeiter und hat etwa 75.000 konservative Patientenkontakte sowie 13.000 Operationen
jährlich. Besonders kritisch stünden Kassenärzt­liche
Vereinigungen und Krankenhausverbände dem AVU
gegenüber. Dagegen seien Krankenkassen und Lokalpolitiker durchaus aufgeschlossen und zeigten reges
Interesse. „Für Lokalpolitiker ist es wichtig, dass es in
der Region genügend Augenärzte gibt, die ja zur Primärversorgung gehören “, so Hahn. Aber auch mit
den Leistungserbringern vor Ort, jenseits der Funktionärsebene, funktioniere die Kooperation oft ganz gut,
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ergänzte sie. Hahn zeigte sich überzeugt, dass ambulante Versorgungsunternehmen die Voraussetzungen
erfüllen, um die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen zu meistern. So seien AVU durch
eine verbindliche moderne Organisationsstruktur mit
gemeinsamen Versorgungszielen und Qualitätsstandards sowie eine Bündelung von Managementfunktionen gekennzeichnet.
Die Ablehnung der ärztlichen Standesorganisationen
hat auch Dr. Bernard Frieling, Mitgründer der Medivision/Endokrinologikum Gruppe, zu spüren bekommen.
„Die jungen Ärzte sind dagegen sehr gern zu uns gekommen, weil wir flexible Arbeitszeitmodelle und
qualifizierte Fortbildungen anbieten“, sagte er. Auch
mit den niedergelassenen Ärzten aus der Umgebung
habe man keine großen Probleme gehabt. Das liege
daran, dass das Endokrinologikum eine spezialisierte
Versorgung anbiete. „Unser Ziel ist nicht, Patienten
anzuziehen und zu halten. Im Gegenteil: Wir führen
sehr spezialisierte Interventionen durch und schicken
sie wieder zu den behandelnden Kollegen vor Ort“, so
Frieling. Das habe dem Unternehmen hohe Akzeptanz
gesichert.
In den vergangenen Jahren waren es aber vor allem
Medizinische Versorgungszentren, deren Konkurrenz
niedergelassene Ärzte fürchteten. Sie sahen sich in
der Konkurrenz zu Krankenhäusern, einen verzerrten
Wettbewerb um ambulante Patienten und beklagten
die ungleich langen Spieße, mit denen der Wettbewerb ihrer Ansicht nach ausgetragen würde. Während
Vertragsärzte beispielsweise die Kosten für ihre Geräte aus eigener Tasche stemmen müssen, verfügen die
Großkonzerne über nahezu unbegrenzte Ressourcen,
lautet ihre Argumentation.
Allerdings sind niedergelassene Ärzte ebenfalls kein
zahnloser Tiger in diesem Konkurrenzkampf. Einige
Krankenhausträger fühlten sich regelrecht erpresst,
als Vertragsärzte aus Protest gegen KrankenhausMVZ die Zusammenarbeit aufkündigt und keine Patienten in die Kliniken mehr überwiesen. Auch Burkhard Nolte, Regionalgeschäftsführer der St. Franziskus Stiftung Münster, musste diese Erfahrung
machen, als das St. Franziskus Hospital auch ambu-
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lante onkologische Versorgung anbieten wollte. „Am
Ende konnten wir jedoch mit niedergelassenen Ärzten eine Lösung finden und das MVZ gemeinsam
gründen“, berichtete er. Ohnehin ist Nolte überzeugt,
dass Kooperation der beste Weg ist, um bestehenden
und künftigen Probleme im Gesundheitswesen gewappnet zu begegnen. So habe man am St. Franziskus Hospital in Münster schon frühzeitig begonnen,
Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten aufzubauen. „Die erste Praxis ist bereits 1998 auf dem
Klinikgelände angesiedelt worden“, so Nolte. Mittlerweile seien es 21 Facharztpraxen, mit deutlich über
50 Fachärzten, die ein Netzwerk in enger Vernetzung
mit dem Krankenhaus bilden. Ein Partner ist auch ein
Augenzentrum des OcuNet-Verbundes. Sein Plädoyer: Nur eine sachlich geführte Diskussion über die
Kooperationsmöglichkeiten im Gesundheitswesen
bringt Ergebnisse. Weder Krankenhäuser, noch niedergelassene Ärzte oder ambulante Versorgungsunternehmen könnten alleine eine hoch qualitative und
flächendeckende Versorgung auf Dauer sicherstellen.
Dafür seien vor allem kluge und gemeinsame
Lösungsansätze gefragt.
Kontakt
OcuNet GmbH & Co. KG
Friedrichstraße 47
40217 Düsseldorf
Tel.: 0211 – 179 32 66
Mail: [email protected]
www.ocunet.de
St. Franziskus-Hospital Münster
Hohenzollernring 72
48145 Münster
Tel.: 0251 – 93 50
Mail: [email protected]
www.sfh-muenster.de
MediVision Trägergesellschaft mbH
Haferweg 40
22769 Hamburg
Tel.: 040 – 33 44 11 93 11
Mail: [email protected]
www.endokrinologikum.com
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Ein Hoch auf Honorarärzte
Krankenhaus ohne angestellte Mediziner – geht das?
Der Fachkräftemangel im Krankenhaus wird laut einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger
zunehmen. Bereits 2015 fehlten demnach rund 175.000 Ärzte und Pfleger. Auf der Suche nach Lösungen
stellt sich die Frage, ob das Drama ohne Honorarärzte noch größer wäre? Oder ist gar das Krankenhaus
ohne angestellte Mediziner die Lösung des Problems? Immerhin beschäftigen 66 Prozent der Kliniken zur
Zeit Honorarärzte.
„In den deutschen Krankenhäusern sind 12.000 Arztstellen unbesetzt und junge Leute bleiben nicht länger als nötig“, so Lutz Hammerschlag, Leiter des Berliner Instituts für innovative Arbeitsbedingungen
im Krankenhaus. „Wir reden nicht von Ärztemangel,
sondern von Ärzteflucht.“ Die Gründe: Es gibt immer
mehr Ärztinnen, dadurch wird die (Familien-)Planbarkeit auch im Arztberuf immer wichtiger. Honorarärzte
wollen zwar im Krankenhaus arbeiten, lehnen aber
die dortigen Strukturen ab. Und angestellte Ärzte suchen zunehmend Alternativen zum Angestelltenverhältnis. „Aus all dem lässt sich ableiten: Der Arbeitsplatz Krankenhaus muss attraktiver werden, dabei
sind Wertschätzung, Planbarkeit und Verlässlichkeit
gefragt“, so Hammerschlag. Der Geschäftsführer der
Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) folgert: Nicht-angestellte Ärzte werden sich zunehmend zusammenschließen.
Rechtlich ist die Erbringung medizinischer Leistungen von nicht angestellten Ärzten durchaus möglich.
„In der Vergangenheit gab es eine strikte organisatorische und personelle Trennung zwischen ambulant
vertragsärztlicher und stationärer Versorgung“, so der
Berliner Fachanwalt für Medizinrecht Dr. Bernd Halbe.
„Waren niedergelassene Ärzte lediglich als Belegärzte oder als Konsiliarärzte im Krankenhaus tätig, dürfen sie seit 2007 auch als Honorarärzte im Krankenhaus arbeiten.“ Problematisch bleiben der rechtliche
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Status und die Vergütung. „Sind prä- und poststationäre Leistungen ambulant oder vorstationär? Können
Leistungen von Honorarärzten als Krankenhausleistungen vergütet werden? Welche Rolle spielt das ambulante Operieren? Wo gibt es Überschneidungen mit
klassischen Krankenhausleistungen? Sind Honorarärzte sozialversicherungspflichtig?“, listet Halbe auf.
Ungeklärt ist auch, ob und unter welchen Vorgaben
ein Honorararzt zugleich ärztlicher Leiter sein kann.
Und nicht zuletzt steht die Frage der Scheinselbstständigkeit im Raum. Dr. Halbe: „Rein rechtlich wäre
das ´Krankenhaus ohne angestellte Ärzte´ möglich.
Ich finde es aber nicht empfehlenswert, da das Bundessozialgericht sehr konservativ urteilt.“
Handlungsbedarf sieht Dr. Andreas Hartung, General­
bevollmächtigter der Region Südost Sana Kliniken
AG, in jedem Fall. „Die fetten Jahre im Gesundheitswesen vorbei sind. Die Ressourcen werden knapper,
die Förderung sinkt um 20 Prozent und es gibt einen
Investitionsstau von 50 Milliarden Euro. Vor allem
aber herrscht Fachkräftemangel, der sich, glaubt man
den zahlreichen Studien, noch verschärfen wird.“ Ursachen sieht der Manager auch darin, dass Krankenhäuser häufig sehr tradierte Strukturen mit parallel
laufenden Fachabteilungen haben. „Kleine Kliniken
sind zunehmend für die Erstversorgung in der Fläche
zuständig, darüber hinaus verlieren sie Patienten: Wer
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krank ist schaut zunehmend nach Expertise, geht also
in die großen Zentren,“ so Hartung. Sein Fazit: Krankenhaus muss definitiv neu gedacht werden. „Schon
heute sind relevante Teile wie Apotheken, Labor, Reinigung, Wäsche oder Essen fremdvergeben. Zukünftig müssen auch die Kernleistungen von Medizin und
Pflege in einem neuen Kontext gesehen werden.“ Ein
solches, stufenweises und flexibles Modell lebt die
Sana Kliniken Solln Sendling bei München bereits.
HONORARARZT ÜBERNEHMEN SIE!
Wichtig für die Zusammenarbeit von Honrarärzten
und angestellten Klinikärzten ist nach Ansicht von Dr.
Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes
der Honorarärzte e. V., das öffentliche Bild. „Der Honorararzt ist nicht nur Vertretungsarzt“, betonte Schäfer.
„Meist sind Honorarärzte erfahrene Fachärzte, die
lange in Krankenhäusern gearbeitet haben.“ Viele der
professionellen Honorarärzte sind Experten mit umfassenden Zusatzqualifikationen oder Ärzte im Ruhestand, die über umfangreiches Wissen auch außerhalb
der Medizin verfügen und innovative Ideen haben.
Waren die meisten Honorarärzte bisher Anästhesisten,
zeichnet sich seit 2011 ein neuer Trend ab: Internisten
und Allgemeinmediziner sind zunehmend gefragt.
Zudem ist die Auftragslage im reinen Vertretungsbereich rückläufig. „Das Potenzial der Honorarärzte
muss erkannt und genutzt werden. Wer sektorenübergreifende Strukturen umsetzten möchte, kommt am
Honorararzt nicht mehr vorbei“, so Schäfers Fazit.
3
Kontakt
Asklepios Kliniken GmbH
Geschäftsführung
Rübenkamp 226
22307 Hamburg
Tel.: 040 – 18 18 82 66 96
www.asklepios.com
Bundesverbandes der Honorarärzte e. V.
Flemmingstraße 9
12163 Berlin
Tel.: 030 – 51 65 55 88
www.bv-honoraraerzte.de
Institut für innovative Arbeitsbedingungen
im Krankenhaus
Sarrazinstraße 11–15
12159 Berlin
Tel.: 030 – 859 94 83 21
www.iniak.de
Dr. Halbe Rechtsanwälte
Kaiserin-Friedrich-Haus
Robert-Koch-Platz 7
10115 Berlin
Tel.: 030 – 78 71 86 73
www.medizin-recht.com
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KAPITEL
PREIS FÜR
GESUNDHEITSNETZWERKER
Vom Alterszahnmedizinschen Pflegenetzwerk bis Zuweisermarketing: Netzwerker haben viele gute Ideen.
Das haben die eingereichten Projekte wieder einmal gezeigt. Ingesamt waren es 47 Projekte, die sich im
dritten Jahr um den Preis für Gesundheitsnetzwerker beworben haben, davon 14 im Bereich der Idee,
33 als Projekte in der Umsetzung. Mit jeweils 10.000 Euro wurden die „Digitale Arztvisite“ und „IV Beckenbodensenkung und Inkontinenz“ dotiert.
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4
NETZWERKERPREIS
47 Bewerber – zwei ausgezeichnete Projekte
Und eine Vielzahl innovativer Projekte
„Netzwerker haben viele gute Ideen. Das haben die eingereichten Projekte wieder einmal gezeigt“, so
die Vorsitzende der Jury, Gudrun Schaich-Walch, in ihrer Laudatio zum Preis der Gesundheitsnetzwerker.
So deckten sie denn auch ein breites Spektrum der Gesundheitsversorgung ab: Vom Alterszahnmedizin­
schen Pflegenetzwerk bis hin zum Zuweisermarketing.
weise durch Festlegung und Messung von medizinischen Parametern. Die Vernetzung über die Sektoren
hinweg war ein weiterer Punkt, den fast alle Netzwerker hervorragend erfüllten. „Dass hier nicht an den
Sektoren innerhalb des Gesundheitswesens Halt gemacht wird, sondern mittlerweile über die Grenzen
hinaus bis zu Pflegeleistungen, Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Kommunen geschaut
wird, ist eine interessante und notwendige Entwicklung“, sagte Schaich-Walch. Erwartungsgemäß zeigten
sich regionale Versorgungsideen im Netz als besonders praktikabel.
Gudrun Schaich-Walch
Im dritten Jahr seiner Auslobung haben sich 47 Projekte um den Preis für Gesundheitsnetzwerker beworben, 14 im Bereich der Idee, 33 als Projekte in der
Umsetzung. Mit jeweils 10.000 Euro wurden die „Digitale Arztvisite“ und „IV Beckenbodensenkung und
Inkontinenz“ dotiert. Auf die Shortlist schafften es in
diesem Jahr insgesamt 12 Projekte. „Allesamt hätten
sie den Preis verdient“, so das Fazit der ehemaligen
Staatssekretärin.
Allen Projekten gemein war der Anspruch, die medizinische Versorgung qualitativ zu verbessern, idealer-
Eine Überraschung gab es bei der diesjährigen Preisverleihung. „Die Ideen waren alle gut, aber wir konnten kein einstimmiges Votum erzielen“, so Gudrun
Schaich-Walch. „Und das streben wir innerhalb der
Jury immer an.“ Doch statt das Preisgeld in der Kategorie zu sparen, erklärte sich die Preisstifter BERLIN-­
CHEMIE AG bereit, zwei Sieger in der Umsetzung
zu küren. Schaich-Walch: „Das hat uns sehr gefreut,
denn die Vielzahl von innovativen Projekten und deren ökonomischer Erfolg brauchen einen Raum und
Rahmen, in dem sie sich präsentieren können. Diesen
finden sie bei den Gesundheitsnetzwerkern.“
„Die Qualität der Einreichungen spricht für sich. Nun
ist es an uns, die ausgezeichneten Ideen und Projekte
nicht nur bekannt zu machen, sondern diese in die
Regelversorgung zu bringen. Wie das gehen kann,
darüber sollten wir im nächsten Jahr konkret sprechen“, sagte Gudrun Schaich-Walch.
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4
NETZWERKERPREIS
Wir gratulieren den Preisträgern 2014!
MuM: Elektronische Arztvisite
Live-Übertragung vom Pflegeheim in die Praxis
Immer mehr älteren Patienten in Pflegeheimen und zu Hause stehen immer weniger Pflegekräfte und
versorgende Ärzte gegenüber. Das Ärztenetz MuM – Medizin und Mehr in Bünde hat das Problem in sei­
ner Region angepackt. Seit Ende 2013 setzt das nordrheinwestfälische Netzwerk in Zusammenarbeit mit
dem Softwareunternehmen LaWell GmbH die elektronische Arztvisite im Rahmen einer Pilotphase für
eine bessere Kooperation zwischen Pflege und Medizin ein.
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Visite im Pflegeheim, der Arzt kommt per Live-Übertragung zum Krankenbesuch ins Behandlungszimmer.
Keine Utopie. Möglich macht es die elektronische
Arztvisite. „Quasi wie beim Internet-Anruf via Skype
stellt die hierfür entwickelte Software mittels einer am
Laptop angeschlossenen Digitalkamera die direkte
Verbindung zwischen Pflegekraft beim Patienten und
Arbeitsplatz des Arztes her“, erklärt Jens Gabriel, Geschäftsführer der ärztlichen Genossenschaft „Medizin
und Mehr“ (MuM), das System. „Nach wenigen Sekunden hören und vor allem sehen sich die Beteiligten. So kann dank Kamera gezielt auf den Patienten
und beispielsweise eine Wunde gefilmt werden. Das
macht etwa eine erste Einschätzung der Patientensituation beziehungsweise eine gezielte Nachsorge in
jedem Fall möglich.“
zunehmend zu einer direkten Einweisung ins nächst­­
gelegene Krankenhaus. Durch die elektronische Arztvisite und deren gezielter Anwendung im Sinne einer
ersten Einschätzung der Versorgungssituation, lassen
sich solche Situationen inklusive der damit verbundenen Kosten für Transport und stationärem Aufenthalt
vermeiden.“
Zur Zeit kooperiert MuM mit drei Pflegeheimen in der
Region. „Die elektronische Arztvisite ist kein arztersetzendes, sondern ein arztunterstützendes Medium.
Gerade in den Abendstunden oder am Wochenende
kann so die Versorgung der Patienten in Pflegeheimen
maßgeblich verbessert werden“, erklärt Dr. Hans-Jürgen Beckmann, Vorstandsvorsitzender des Netzes.
Durch das System lassen sich zudem unnötige Krankenhauseinweisungen von Patienten am Wochenende
oder zu Unzeiten vermeiden. Beckmann: „Bislang ruft
die Pflegekraft in der Nacht oder am Wochenende den
Bereitschaftsdienst der KVen an. Da dieser jedoch oftmals mit einem fachfremden Arzt besetzt ist kommt es
Nicht zu unterschätzen für das Gelingen des Projekts
war die Akzeptanz der Technik im Pflegealltag. Die
Hürde der Anwendung für die entsprechenden Netzwerkpartner musste so niedrig wie möglich gehalten
werden. „Vor allem ältere Pflegekräfte ohne eine große Computeraffinität sollten problemlos mit der elektronischen Arztvisite arbeiten können. Das ist uns in
Zusammenarbeit mit dem Softwareunternehmen
­LaWell gelungen“, so Geschäftsführer Gabriel. Das
Programm startet alle Routinen wie die Webcam und
das Mikrofon von selbst, so dass nur noch die Kamera
auf den Patienten, den Wundbefund oder die Tablettenschachtel gelenkt werden muss. „Über den Benefit
Die Übertragung des Gesprächs erfolgt per WLAN
via Internet. „Das System ist sicher, denn die Kommunikation erfolgt in einer geschlossenen Benutzergruppe“, betont Jens Gabriel. Der Patient muss dieser
Form der Behandlung natürlich zustimmen. Zudem
kann die Sitzung zur Dokumentation gespeichert werden, was auch der Pflegekraft die notwendige Rechtssicherheit garantiert.
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NETZWERKERPREIS
sind sich alle Beteiligten einig: Die Telemedizin spart
Zeit sowohl auf Pflege- als auch auf Arztseite. Die
steht für den Patienten zur Verfügung. Das macht die
Arbeit befriedigender.“
MuM schreibt seit 16 Jahren erfolgreiche Versorgungs­
geschichte: Die einstige Interessengemeinschaft aus
44 niedergelassenen Ärzten aus der nordrheinwest­
fälischen Region Bünde, Kirchlengern und Rödinghausen ist bis heute zu einem hoch professionell organisiertem Zusammenschluss von über 50 niedergelassenen Haus- und Fachärzten avanciert. Rund 300
nichtärztliche Mitarbeiter unterstützen das Netzwerk
und sorgen gemeinsam mit den Medizinern für die
Versorgung von etwa 72.000 Bürgern des Kreises.
Die elektronische Arztvisite soll im Netz ausgeweitet
werden. Gabriel: „Wir führen gerade Gespräche mit
dem ortsansässigen Krankenhaus. Und denken darüber hinaus auch an die Einbindung von Spezialkliniken
oder Diabeteszentren in die elektronische Arztvisite.“
Kontakt:
Ärztenetz MuM – Medizin und Mehr eG
Jens Gabriel, MBA
Viktoriastraße 19
32257 Bünde
www.mum-buende.de
Mail: [email protected]
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NETZWERKERPREIS
Raus aus der Tabuzone, rein
in die bestmögliche Therapie
Integrierte Versorgung – Beckenboden und
Inkontinenz
Laut WHO ist Inkontinenz ein größtenteils vermeidbares und behandelbares Krankheitsbild und sicherlich
keine unausweichliche Konsequenz des Alterns. Aber Inkontinenz ist ein Tabuthema. Über Inkontinez
sprechen, gezielte Therapien anbieten und damit Frauen ihre Lebensfreude zurückgeben, ist das Ziel der
Netzwerker im Beckenbodenzentrum Südhessen. Hier arbeiten niedergelassene Gynäkologen, Urologen,
Chirurgen und Hausärzte mit Kliniken und Spezialisten erfolgreich zusammen. Einlagen statt Lebensqualität: Für Dr. Erika Ober, Initiatorin des Beckenbodenzentrums Südhessen, war
das keine Option für ihre Patienten. „Trotz der teilweise deutlichen Beeinträchtigung im Alltag, trauen sich
nur wenige Patienten Hilfe einzuholen“, weiß die Gynäkologin im Odenwald. Das Beckenbodenzentrum
Südhessen ist Anlaufstelle für betroffene Patienten
mit Beckenbodensenkung und Inkontinenz. Dr. Erika Ober: „Die Patienten werden einer spezialisierten
Therapie zugeführt. Dazu werden die in den Partnerpraxen selektierten Patienten von mehreren Spezialisten in einer Beckenbodensprechsunde untersucht.
Die Fälle werden neben der täglichen Kommunikation über das Patienteninformationssystem ePat in
monatlichen interdisziplinären Treffen mit Beteiligung
des Beckenbodenspezialisten besprochen.“ Mit Dr.
Ralf Bentler konnte hier einer der besten Mediziner
für die rekonstruktive Beckenbodenchirurgie der Frau
gewonnen werden. Er führt seit Januar 2007 monatlich mindestens an einem Tag im Gesundheitszentrum Odenwald, im Alice Hospital in Darmstadt und
in Kassel spezifische Operationen im Bereich des Beckenbodens der Frau durch.
Das Therapie-Spektrum des Beckenbodenzentrums
Südhessen reicht von der konservativen bis hin zu
den neuesten operativen Therapien. Zur den konservativen Behandlungen zählt unter anderem das gezielte Training mit einem Physiotherapeuten. Wenn
die konservativen Möglichkeiten ausgeschöpft sind,
kommt bei Belastungsinkontinenz und/oder Sen-
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kungszuständen eine Operation in Betracht. Wenn die
Senkung schon weit fortgeschritten ist, werden hier
häufig Netze genutzt, um das Bindegewebe zu ersetzen – das Spezialgebiet von Dr. Bentler. „Egal welcher
Therapieplan, wichtig ist, dass die Patienten von Beginn an bis hin zu möglichen Reha-Maßnahmen betreut sind. Im Beckenbodenzentrum übernimmt die
fach- und sektorenübergreifende Koordination und
Patientenführung eine Case Managerin“, so die Initiatorin.
Das Beckenbodenzentrum Südhessen will mit seinem
Angebot dazu beitragen, das Thema Inkontinenz zu
enttabuisieren und die noch immer weit verbreitete
Sprachlosigkeit bei Patienten und Medizinern zu durchbrechen. „Inkontinenz ist keine Krankheit, mit der man
leben muss. Sie ist heilbar.“, betont Erika Ober. „Aber
die Betroffenen müssen ermutigt werden, ihre Beschwerden zu thematisieren und die richtigen Ansprechpartner und Therapien vorfinden.“ Hier haben
die Netzwerker mit dem Beckenbodenzentrum einen
wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan!
Kontakt
Beckenbodenzentrum Südhessen
Dr. med. Erika Ober
Friedrich-Ebert-Straße 24
64720 Michelstadt
Tel.: 06061 – 2630
Mail: [email protected]
www.beckenbodenzentrum-suedhessen.de
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SHORTLIST
Ehre, wem Ehre gebührt
Shortlist
Auch in diesem Jahr gab es wieder reichlich Bewerber, die in die engere Wahl für die Auszeichnung der
Gesundheitsnetzwerker gekommen sind. An dieser Stelle würdigen wir die Projekte mit einem Kurzpor­
trait.
SHORTLIST IDEE
Ambulant-psychiatrisches Kriseninterventionssystem
Oberbayern
Seelische Notlagen bedeuten für Betroffene und Angehörige Leid
und Gefahr. Menschen haben in diesen Extremsituationen Anspruch auf Hilfe. Und zwar schnell, professionell und rund um die
Uhr. Krisendienste, wie sie das „Ambulant-psychiatrische Kriseninterventionssystem Oberbayern“ organisieren will, können genau
diese Unterstützung qualifiziert anbieten. Die Erfahrungen haben
gezeigt, dass es für Menschen mit schweren und chronischen Erkrankungen mittlerweile ein breites Spektrum ambulanter Hilfen
gibt. Diese Gruppe von Patientinnen und Patienten kann heute trotz
erheblicher Schwankungen ihres Gesundheitszustandes in der Regel gut ambulant betreut werden. Doch um stationäre (Wieder-)
Aufnahmen bei dieser Patientengruppe zu vermeiden ist es allerdings wichtig, für die gelegentlich auftretenden krisenhaften Zuspitzungen niederschwellige, möglichst rund um die Uhr erreichbare, flexible Krisenhilfe vorzuhalten. Das ist vor allem im ländlichen Raum nicht gegeben: Es gibt keine hinreichend qualifizierte
Soforthilfe für Menschen mit seelischen Krisen. Betroffenen und
Angehörigen bleibt häufig nur die Telefonseelsorge oder der allgemeine ärztliche Bereitschaftsdienst – mit der Folge, dass die Hilfesuchenden oft stationär eingewiesen werden müssen. Dieses will
das ambulant-psychiatrische Kriseninterventionssystem Oberbayern vermeiden und organisiert professionelle regionale Strukturen.
Ziel des Projekts ist es, die Chancen und Potenziale einer regionalen Krisenversorgung aufzuzeigen und Wege zur Kooperation, einschließlich einer angemessenen Finanzierung anzubahnen und anzustoßen. Dazu entwickeln die kbo Kliniken des Bezirks Oberbayern
regionale Netzwerke und Kooperationsstrukturen in angrenzende
Versorgungsbereiche mit allen Akteuren. Zudem vereinbaren sie
verbindliche Kooperation mit den Akteuren wie vor allem den Institutsambulanzen der psychiatrischen Kliniken, Sozialpsychiatrischen
Dienste und niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten der
regionalen Versorgungsstrukturen.
www.kbo.de
Was hab‘ ich?
Jeder Beruf hat seine Sprache. Mediziner-Sprache, geprägt von
lateinischem Vokabular, ist von Laien kaum zu verstehen, eine
Kommunikation zwischen Arzt und Patient auf Augenhöhe ist daher schwer. Diese zu verbessern, ist Ziel des Internetportals „Was
hab‘ ich?“ Auf dem Portal können Patienten ihre ärztlichen Befunde anonym einschicken. Medizinstudenten übersetzen ihnen das
Papier in eine laienverständliche Sprache. Der Service ist kostenlos. Das Portal ist gemeinnützig und finanziert sich über Spenden.
Das inzwischen bundesweit aufgestellte, ehrenamtliche Team aus
1.000 geschulten Medizinern übersetzte seither nahezu 18.000 Befunde. Nun soll das Angebot um den „Patientenbrief“ erweitert
werden: Eine patientenorientierte Version des Entlassungsbriefes,
die
dem Patienten und seinen Angehörigen direkt nach dem Krankenhausaufenthalt nachlesbare und individuelle Informationen
über Krankheitsbild, die während des Aufenthaltes durchgeführten
Untersuchungen und Therapien sowie die weiteren Schritte liefert.
Der Patientenbrief wird teilautomatisiert erstellt. Er ist dadurch viel
schneller erstellbar als die vollständig individuellen Erklärungen
der ehrenamtlichen Übersetzer bei „Was hab’ ich?“. Durchschnittlich braucht ein Mediziner dort drei bis vier Stunden für die Erläuterung eines Befundes. Der als Dienstleistung für Krankenhäuser
gedachte Patientenbrief soll nur einen Bruchteil der Zeit einnehmen. Der Patientenbrief wird die ehrenamtliche Arbeit bei „Was
hab’ ich?“ ergänzen, aber nicht ersetzen. Denn der Lerneffekt
durch das Übersetzen ist für die Mediziner enorm, die Rückmeldungen der Nutzer hochmotivierend: 85 Prozent der Nutzer geben
an dank der Übersetzung des eigenen Befundes mehr Mut zu haben, ihrer Erkrankung entschlossener entgegenzutreten.
www.washabich.de
Regionales Versorgungskonzept Lippe
Vor zehn Jahren wurde eine stationäre Geriatrie im kommunalen
Klinikum Lippe eröffnet. Grund: Es wurde den Beteiligten immer
bewusster, dass die interdisziplinäre Versorgung von Seiten des
Klinikums nicht an der Haustür des Patienten aufhören darf. Die
Überlegungen, wie sich die Versorgung älterer Patienten über
die Schwelle der Klinik hinaus verbessern lässt, mündeten in ein
schriftlich formuliertes Konzept, die Geburtsstunde des „Regionalen Versorgungskonzeptes Lippe“. Das Klinikum Lippe und
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4
SHORTLIST
das Ärztenetz Lippe haben dazu eine strategische Partnerschaft
geschlossen: Wo ehemals getrennt wirkende Akteure verschiedene Gesundheitsthemen bearbeitet haben, stimmen sie sich
nun eng miteinander ab. Dreh- und Angelpunkt des Konzeptes ist
der Aufbau eines sektorübergreifenden Casemanagements für
ältere, multimorbide Patientinnen und Patienten. Teil der Allianz
ist das „Regionale Versorgungskonzept Geriatrie”. Dies beinhaltet
die enge Anbindung der klinischen an die hausärztliche Versorgung. Zur Koordination werden examinierte Pflegefachkräfte als
Gesundheitshelferinnen eingesetzt, die die Patienten in ihrem
Leben zwischen ambulantem und stationärem Sektor betreuen.
In einem ersten Hausbesuch erfassen die Gesundheitshelferinnen die gesamte Versorgungssituation, inklusive Medikation und
Eigenmedikation. Die Durchführung geriatrischer Assessments,
das Erkennen von Sturzgefahren in der Wohnung, die Beratung zu
Fragen bezüglich Krankheit und Präventionsmöglichkeiten sowie
die Information über spezielle Seniorenangebote im Kreis Lippe
und Informationen bei sich abzeichnender Pflegebedürftigkeit
runden den Hausbesuch ab. Gemeinsam mit den Patienten und
auf Wunsch auch ihrer Angehörigen wird ein Hilfeplan erarbeitet.
Der Hausarzt erhält nach dem ersten Hausbesuch immer eine
Rückmeldung, ansonsten bei sich abzeichnenden Veränderungen.
Je nach Versorgungsproblematik erfolgt ein mehr oder weniger
engmaschiges Monitoring durch die Gesundheitshelferinnen, die
zudem in engem Kontakt mit Leistungserbringern, Kostenträgern
und Beratungsdiensten stehen. Seit 2010 wurden bzw. werden
knapp 800 ältere Menschen aus Lippe im Rahmen dieses sektorenübergreifenden Projektes betreut. Der Erfolg auf Projektebene soll
langfristig in der Gründung einer gemeinsamen CasemanagementGesellschaft münden.
www.gesundheitshelferin-lippe.de
SHORTLIST UMSETZUNG
Aufbau einer sozialmedizinischen Nachsorge für
Frühgeborene
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Nicht nur die Frühchen brauchen Starthilfe ins Leben. Auch ihre
Familien benötigen beim Start in das neue Leben mit einem frühgeborenen Kind Unterstützung. Diese Hilfe organisiert die sozialmedizinische Nachsorge für Frühgeborene des Klinikums Westbranden­
burg Potsdam. Was vor zwei Jahren als beste integrierte Versorgungsidee bei den Gesundheitsnetzwerkern vorgestellt und ausgezeichnet wurde, ist heute fester Bestandteil des nachstationären
Betreuungskonzepts. Im ersten Quartal diesen Jahres hat die sozial­
medizinische Nachsorge für Frühgeborene bereits 31 Kinder und
ihre Familien in der Nachsorge. Etwa 155 Familien wurden seit Beginn des Projektes 2012 durch das Nachsorgeteam zu Hause betreut. Durch die Fusion der Kinderklinik des Klinikums „Ernst von
Bergmann“ Potsdam und der Kinderklinik des Städtischen Klinikums der Stadt Brandenburg zur Kinder- und Jugendklinik „Klinikum Westbrandenburg“ hat das Projekt die Möglichkeit, einen
zweiten Standort in der Stadt Brandenburg aufzubauen. Das Nachsorgeangebot kann so noch weiter in die brandenburger Fläche
gebracht werde. Bisher war es auf einen Radius von 50 Kilometer
um die Stadt Potsdam beschränkt.
www.klinikumevb.de
Best-AG – Patientencoaching an der Schnittstelle zwischen
Arbeitsmarkt und Gesundheitssystem
Jeder dritte Hartz-IV-Empfänger ist so krank, dass er nicht vermittelbar ist, so Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit. Obgleich
verschiedene Studien auf den Zusammenhang zwischen Gesundheit beziehungsweise Krankheit und Arbeitslosigkeit hinweisen,
werden die Bereiche in der Sozialgesetzgebung getrennt voneinander geregelt. Die Beratungsstelle für Arbeit und Gesundheit
(Best-AG) will genau an dieser Stelle eine Brücke bauen. Ziel der
Best-AG ist es, langzeitarbeitslosen Personen ihre Möglichkeiten
im Rahmen der Regelversorgung des SGB V aufzuzeigen, die
Hemmschwelle für
eine Inanspruchnahme der ihnen zustehenden
Leistungen zu senken, sie bei der konkreten Zuführung zu unterstützen und so zu einer Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustandes beizutragen. Darüber hinaus sollen Daten zu Versorgungssituation, -bedarf und -hemmnissen von langzeitarbeitslosen Menschen in München gewonnen werden. Langfristig will die Best-AG
ein Netzwerk von Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten und Beratungsstellen aufbauen, das sich um die Gesundheit von langzeitarbeitslosen Menschen kümmert. Das Projekt wird
umfassend wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse der Evaluation sollen in moderne Konzepte der vernetzten Versorgung integriert werden.
www.algesiologikum.de
Flächendeckende Überwindung von Sektorengrenzen im
Bereich Integrierter Versorgung (IV) psychisch Kranker
Ziel des IV-Projekts zur flächendeckenden Überwindung von Sektorengrenzen ist es, eine patientenorientierte Versorgungsstruktur
für psychisch Kranke zu schaffen, die das starre Regelleistungssystem durch flexiblere Leistungsangebote ersetzt. In den Bundesländern Niedersachsen, Bremen und Thüringen ist in den letzten
Jahren ein flächendeckendes ambulantes Versorgungsnetzwerk
aufgebaut worden. Die IVPNetworks GmbH hat gemeinsam mit regionalen Leistungsanbietern eine intelligente Versorgungssteuerung realisiert, die den Arzt entlastet und die Qualität der Versorgung erhöht: Im Rahmen der integrierten Versorgung schließen
sich Facharzt, Krankenkassen und psychiatrischer Fachdienst zusammen, um gemeinsam die Versorgung psychisch kranker Menschen im vertrauten häuslichen Umfeld zu ermöglichen. Maßgeb­
licher Baustein ist die Entwicklung eines bedarfsorientierten Behandlungspfades, der die Abfolge einzelner ambulanter Behandlungsmodule und die Verantwortlichkeiten der Netzwerkpartner für
jeden dieser Schritte festlegt. Die Auswahl der Module obliegt dem
behandelnden Facharzt in Abstimmung mit dem Patienten und dem
multiprofessionellen Behandlungsteam. Konkret heißt das: Regelmäßig besucht ein sogenannter Bezugstherapeut den Patienten
und steht ihm in Absprache mit dem Facharzt für alle Fragen rund
um die Behandlung zur Verfügung. Als ausgebildete psychiatrische
Fachkraft koordiniert er unter fachärztlicher Leitung die Behandlungsmodule und entlastet damit den Arzt. Kurzfristige Facharzttermine werden schnell realisiert. Zudem gibt einen Krisendienst, der
24 Stunden am Tag erreichbar ist und so in akuten Krisen parat
steht. Eine IT-Plattform vernetzt alle Leistungserbringer im System
und ermöglicht so eine gesicherte Steuerung der Patienten in dem
lokalen Netzwerk.
www.ivpnetworks.de
4
SHORTLIST
INDIKAtionsspezifische regional koordinierte nachstationäre
Langzeitversorgung von Menschen mit Schlaganfall und
Menschen mit Demenz nach Schlaganfall (MmS/D) in Berlin
Pankow
Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet der Übergang
vom stationären ins ambulante Versorgungssystem oft erhöhte Belastung. Informations- und Reibungsverluste an den Schnittstellen
zwischen den Leistungsanbietern zu vermeiden, Synergieeffekte
zu nutzen ist die Kernidee des regionalen Versorgungsverbundes
QVIVA e.V. Speziell für Schlaganfallpatienten und von einer Demenz nach einem Schlaganfall Betroffene hat das Netzwerk das
Projekt INDIKA ins Leben gerufen. INDIKA sattelt auf die bereits in
Berlin-Pankow bestehenden Netzwerkstrukturen des regionalen
Gesundheits- und Versorgungsverbundes auf. Neben den bereits
bestehenden Netzwerkpartnern aus den Bereichen Pflege, Beratung und Therapie wurden zur Zusammenarbeit Haus- und Fachärzte sowie Rehabilitationseinrichtungen gewonnen. INDIKA hat
zum Ziel, die nachstationäre pflegerische Versorgungs- und Beratungsqualität von Menschen mit Schlaganfall und Menschen mit
Demenz nach Schlaganfall (MmS/D) und ihrer Angehörigen regional, wohnortnah und qualitätsgesichert zu vernetzten und damit zu
verbessern. Kernstück des Projektes INDIKA ist es innerhalb des
regionalen Gesundheits- und Versorgungsnetzes einen transsektoralen pflegerischen Versorgungspfad zu entwickeln und verbindlich umzusetzen. Beteiligt sind alle relevanten Akteure, die für die
Behandlung von Schlaganfallpatienten und von einer Demenz
nach einem Schlaganfall betroffen sind. Innerhalb des Projektes
werden Gesundheitsziele im Rahmen einer gegründeten Gesundheits- und Pflegefachkonferenz entwickelt und notwendige Maßnahmen zur verbesserten Sekundärprävention und Langzeitversorgung im Großbezirk Pankow abgeleitet. Ein weiteres Handlungsfeld des Projekts INDIKA ist die Fallkoordination: Bis zu 300 Patienten und ihre Angehörigen können in das Projekt eingeschrieben
werden und von den Angeboten profitieren. Insgesamt 150 Patienten werden zusätzlich von den Fallmanagern betreut und deren
Versorgung so koordiniert, dass die Patienten möglichst lange autonom in der häuslichen Umgebung leben und ihre Lebensqualität
erhalten können.
www.qvnia.de
Integrierte Versorgung für zur Lungentransplantation gelistete
Patienten und lungentransplantierte Patienten
Das Projektkonzept „Integrierte Versorgung für zur Lungentransplantation gelistete Patienten und lungentransplantierte Patienten“
sieht vor, dass ein Patient, von dem Moment an, in dem er für eine
Transplantation gelistet wird, eine lebenslange, koordinierte Versorgung erhält. Diese beinhaltet die Prä-Transplantations(TX)-Versorgung, den stationären Aufenthalt mit Transplantation, Rehabilitation sowie lebenslange Nachsorge. Die Prä-TX-Leistungen bestehen aus Evaluation, vorgeschalteter Rehabilitationsmaßnahme
zur körperlichen Stabilisierung und allen Untersuchungen, die notwendig sind. Der Patient wird zu diesem Zeitpunkt bereits durch
das in die Lungentransplantationsambulanz eingegliederte Fallmanagement gesteuert. Die Post-TX-Leistungen enthalten die Anschlussheilbehandlung, lebenslange Nachsorge inklusive eines
Surveillance-Programms und der jährlichen Schulungen „Lungenwoche“ an der Kooperations-Klinik Fallingbostel. Der Versorgungs-
pfad wurde in gemeinschaftlicher Arbeit von der MHH und der Klinik Fallingbostel erarbeitet und gliedert sich in unterschiedliche
Module. Der Ablauf wird durch die Koordination des Fallmanagements in der TX-Ambulanz der MHH sicher gestellt. Eine gemeinsame elektronische Patientenakte erlaubt der MHH und der RehaEinrichtung einen reibungslosen Informationsaustausch. Auch der
Informationsaustausch zwischen niedergelassenen Ärzten und anderen Krankenhäusern ist durch das Fallmanagement jederzeit gegeben. Seit 2007 wurden 83 IV-Patienten eingeschrieben.
www.mh-hannover.de
Kinderpalliativteam Ostbayern
Vier Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, sechs Ärzte,
eine Seelsorgerin und eine Psychologin des Klinikum St. Marien in
Amberg kümmern sich seit einem Jahr um sterbenskranke Kinder.
Das speziell ausgebildete, multiprofessionelle Kinderpalliativ-Team
Ostbayern ist für die spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativ­
versorgung – kurz SAPPV – für die Oberpfalz zuständig. Es betreut
Kinder und Jugendliche, die an einer unheilbaren Krankheit leiden,
und begleitet sie und ihre Familien auf ihrem letzten Weg zu Hause.
Damit Kinder und Jugendliche gerade in der Endphase ihres Lebens
im häuslichen Umfeld so gut wie möglich betreut werden können,
hat das bayrische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
2009 in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische
Palliativmedizin in Bayern ein Konzept zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPPV) von Kindern und Jugendlichen erstellt. In Bayern sollen danach sechs sogenannte Palliativ-CareTeams aufgebaut werden. Dafür sollten die Palliativ-Teams so ausge­
stattet werden, dass das Konzept einerseits tragfähig, andererseits
für die Kostenträger akzeptabel ist. Dies ist gelungen und Amberg
ist das dritte von fünf bis sechs Teams, die in Bayern vorgesehen
sind. Das Klinikum St. Marien sichert eine ambulante medizinische,
pflegerische und psychologische Versorgung von sterbenskranken
Kindern und deren Familie durch eine umfassende netzwerkübergreifende und multiprofessionelle Versorgungsstruktur im ländlichen Raum.
www.klinikum-amberg.de
Landarztnetz Lahn Dill GmbH – Sicherstellung der
Landärztlichen Versorgung im Lahn Dill Kreis
Im Lahn Dill Kreis wird echte integrierte Versorgung im Schulterschluss zwischen Klinik, Regionalpolitik und Arztnetz gelebt. Die
KV Hessen ist als Trägerin des Sicherstellungsauftrages kurzfristig
nicht im Stande, die Bedarfslücke (bestehende oder drohende Unterversorgung) zu schließen. Die Gesundheitsregion Lahn Dill
GmbH hat Überlegungen angestellt, notwendige Aktivitäten zur
„Sicherstellung aus der Region“ zu entwickeln. Die Überlegungen
mündeten in der Gründung der Landarztnetz Lahn Dill GmbH. Die
Gesellschaft will dazu Praxen von den in Rente gehenden Ärzten
übernehmen und dort junge Hausärzte anstellen. Dazu werden die
Alt-Praxen in Satelliten-MVZ überführt und an ein bestehendes
MVZ angeschlossen. Das Angebot des Landarztnetzes Lahn Dill
richtet sich an Praxen, die keinen Nachfolger finden, damit diese
nach Möglichkeit weiter betrieben werden können. Die nachfolgen­
den Ärzte werden bei der Landarztnetz Lahn Dill GmbH zu einem
Festgehalt angestellt. Mit dem Angebot kommen die Initiatoren den
Bedürfnissen der jungen Mediziner entgegen, denn es gibt zwar
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SHORTLIST
genug angehende Ärzte, die sich vorstellen können, als Hausarzt
zu arbeiten, aber sie wollen oft nicht das Risiko für eine selbstständige Unternehmung übernehmen. Zudem ist es als Landarzt aufgrund des hohen zeitlichen Aufwands häufig schwierig, Beruf und
Familie zu vereinbaren. Dies ist in einem Angestelltenverhältnis
leichter umsetzbar, zumal das Landarztnetz Lahn Dill die angestellten Ärzte bei der Praxisorganisation unterstützt und ihnen so mehr
Freiräume schafft. Wenn sie dann doch wollen, haben die Nachfolger die Möglichkeit, die Praxis nach zwei Jahren als freiberufliche,
selbstständige Hausärzte zu übernehmen.
www.landarztnetz-lahn-dill.de
Modul Polypharmazie in der Gesundheitsregion Siegerland
(GRS)
Mit dem Projekt „Arzneimittelmanagement in der Gesundheitsregion
Siegerland“ will die KVWL gemeinsam mit dem Praxisnetz Siegerland ein strukturiertes, arztgestütztes Arzneimittelmanagement
durchführen. Ziel ist die Verbesserung der Therapiesicherheit und
-treue von Versicherten der kooperierenden Krankenkasse in der
Region Siegen-Wittgenstein, die zugleich fünf oder mehr Wirkstoffe
erhalten (Polypharmazie). Polypharmazie-Patientinnen und -patienten können ihre Hausärztin beziehungsweise ihren Hausarzt beauftragen, eine arztübergreifende Prüfung ihrer Medikation auf
mögliche Wechselwirkungen, Doppelverordnungen oder andere
Risiken durchzuführen. Nach Teilnahme- und Datenfreigabeerklärung der Patientinnen und Patienten erhält der niedergelassene
Hausarzt eine Übersicht der Verordnungen aller beteiligten Ärztinnen und Ärzte der letzten 12 Monate mit gezielten Hinweisen zu
potenziellen Interaktionen und anderen Verordnungsinformationen.
Die Übersicht erleichtert es, die Medikation in der Gesamtschau zu
bewerten und die Therapie bei Bedarf im Gespräch mit Fachkollegen anzupassen. Das Projekt ist im August 2013 zusammen mit der
BARMER GEK als Kooperationspartner gestartet. Seit Mai 2014 ist
die Techniker Krankenkasse dabei, weitere regionale Krankenkassen sind interessiert. Derzeit werden die Medikationslisten und
Hinweistexte als PDF erstellt. Im nächsten Schritt werden ab
Herbst 2014 die arztübergreifenden Übersichten von der KVWL als
Onlinedienst für die Netzärztinnen und -ärzte zur Verfügung gestellt. Dazu tauschen die beteiligten Ärztinnen und Ärzte die strukturierten Informationen zur patientenbezogenen Medikation im KV
SafeNet aus. Zudem wird in dem Projekt an der Erprobung des
„Medikationsplan BMG“ gearbeitet.
www.kvwl.de
Optimierte Behandlung chronisch erkrankter Patienten durch
vernetzte Versorgungsstrukturen
Zwischen den Teilnehmern des Regionalen Gesundheitsnetzes Leverkusen eG soll eine vernetzte Versorgungsstruktur etabliert werden, durch die die
niedergelassenen Ärzte, nichtärztlichen Leistungserbringer und die weiteren Gesundheitsdienstleister aktiv in
die gemeinsame Versorgung von
Patienten eingebunden werden
und Gesundheitsdaten, sowie Parameter zum Gesundheitszustand,
Hinweise auf möglichen Risiken und weitergehende
Therapievor-
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schläge austauschen können. Die Leistungserbringerebene kann
dabei flexibel an die jeweiligen Erfordernisse angepasst werden.
Die
teilnehmenden Praxen sind durch die vernetzte IT-Infrastruktur
potenziell miteinander in Verbindung. Informationen zu gemeinsam
behandelten Patienten werden standardisiert ausgetauscht und
dadurch eigene Behandlungsinformationen in die jeweiligen anderen beteiligten Praxen gespiegelt. So entsteht in jeder Praxis eine
dezentrale elektronische Patientenakte, die immer eine aktuelle
Sicht auf den Patienten ermöglicht. Übergeordnetes Ziel ist die
Schaffung einer Win-Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Das
inkludiert sowohl die Versicherten und Patienten, die
behandelnden Ärzte und nichtärztlichen Leistungserbringer, als auch die vertragschließenden Kostenträger. Konkret sollen durch das vernetzte
Arbeiten
nicht gehobene Effizienzpotentiale bei der Behandlung
erschlossen, kostenseitige Einsparungen erzielt und vor allem die
Behandlungsqualität gesichert bzw. weiter ausgebaut werden.
www.gesundheitsnetz-leverkusen.de
WundZentren zur ambulanten Komplettversorgung von
Patienten mit chronischen Wunden
Die gvw – Gesellschaft für Versorgungskonzepte in der Wundbehandlung mbH – hat sich seit 2008 der gezielten Behandlung von
Wundheilungsstörungen verschrieben. Hinter dem Konzept steht
das von dem Österreicher Gerhard Kammerlander entwickelte Behandlungskonzept „Pellegrinus“. Kern des Konzepts ist eine fachliche Spezialisierung der Behandlungseinrichtung mit standardisierten Leistungen zur Wundversorgung, ein striktes Qualitätsmanagement und der Einsatz von hochqualifiziertem Fachpersonal unter
ärztlicher Leitung. Zudem werden modernste Produkte zur Wundbehandlung eingesetzt. Diabetes, Gefäßerkrankungen, vermehrte
Operationen sowie Wundliegen in Folge von Bettlägerigkeit sind
mögliche Ursachen solcher Wunden. So komplex wie die Krankheiten sind auch die Diagnosen und Behandlungen. Umso wichtiger ist für eine effektive Therapie das Zusammenwirken von Fachärzten und Pflegefachkräften, aber auch von Podologen, Orthopädietechnikern, Ernährungsberatern, Physiotherapeuten und
Schmerztherapeuten. Hier schaffen die WundZentren professionelle Strukturen. Neben modernen Methoden und Therapien ist es
die praktizierte Bündelung aller benötigten Leistungen, von denen
die Wundpatienten profitieren. Ein spezialisiertes Behandlungsmanagement erreicht eine erheblich höhere Therapietreue. Dabei
werden alle behandelnden und pflegenden Stellen in die Therapie
mit einbezogen. Ein ausgeklügeltes IT-System sorgt für eine eingehende Dokumentation und reduziert den administrativen Aufwand
externer Ärzte und Pflegedienste. Die gvw – Gesellschaft für Versorgungskonzepte in der Wundbehandlung mbH betreibt inzwischen neun WundZentren zur ambulanten Komplettversorgung
chronischer und sekundär heilender Wunden. Ziel ist es, bis 2015
in 30 Wundzentren deutschlandweit interdisziplinäre und transsektorale Dienstleistungen für Wundpatienten anzubieten.
www.wundzentren.de
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NETZWERKERPREIS
Netzwerker gesucht
Preis für Gesundheitsnetzwerker 2015
Auch 2015 werden engagierte Gesundheitsnetzwerker
gesucht. Sowohl Konzepte zu aktuellen Problemständen, als auch langjährig erfolgreiche Versorgungsnetze sind aufgerufen sich um den Preis für Gesundheitsnetzwerker zu bewerben. Ausgelobt werden:
€ 10.000,– für die beste IDEE eines integrierten
­Versorgungsprojekts
€ 10.000,– für die beste UMSETZUNG eines
­integrierten Versorgungsprojekts
DIE PREISVERLEIHUNG
Die Vorsitzende der Jury, Gudrun Schaich-Walch,
Staatssekretärin a. D., wird die beiden Preise zu je
10.000 Euro im Rahmen des Kongresses für Gesundheitsnetzwerker 2015 verleihen. Weitere Mitglieder
der Jury sind: Prof. Dr. Volker Amelung (BMC), Prof.
Dr. Dr. Alexander Ehlers (Ehlers, Ehlers & Partner,
Rechtsanwaltssocietät), Dr. Jan Helfrich (DAK), Dr. Veit
Wambach (QuE eG und Agentur deutscher Arztnetze
e. V.) und Susanne Eble (BERLIN-CHEMIE AG).
KRITERIEN FÜR DIE PREISVERGABE SIND:
Vernetzung vormals getrennt agierender Akteure
(fach- und sektorübergreifende Ansätze)
Medizinischer Inhalt auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand (medizinische Qualität)
Innovationsgehalt des Projektes
Informationsaustausch (Datenschutzes, Zugang zu
Information)
Intelligente Prozesse (Prozessqualität)
Evaluation (medizinische, ökonomische Erfolgsmessung, Untersuchung von Patientennutzen)
Mehr Informationen zum Preis der
Gesundheitsnetzwerker finden Sie unter
www.gesundheitsnetzwerker.de
2015
WER KANN SICH BEWERBEN?
Netze oder solche, die es werden wollen, Ärzte/innen,
Netzwerkmanager/innen, Managementgesellschaften,
Kliniken, Krankenkassen, Rechtsanwälte/innen, Pflege­
einrichtungen, Arzthelfer/innen, Diabetesassistenten/
innen, Ernährungsberater/innen, Physiotherapeuten/
innen und verwandte Berufe, die an einem Projekt
beteiligt sind oder ein Projekt planen.
Auch 2015 wird der Preis für Gesundheitsnetzwerker aus­
gelobt. Genauere Informationen finden Sie ab
November 2014 auf www.gesundheitsnetzwerker.de
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KAPITEL
5
KOOPERATIONEN
DER ZUKUNFT
Egal welche Formen von Kooperation in Netzwerken gewählt werden, ihnen geht die gleiche Einsicht voraus:
dass nämlich die gemeinsame Leistungsfähigkeit der Partner größer ist als die Summe der Einzelleistungen.
Auf dem Netzwerkerkongress stellten Akteure ihre Projekte vor. Sie zeigten, wie sie erfolgreich Synergien
nutzen und sich effektiv organisieren.
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
5
Moderation der Inhalte und basisnahe
Kommunikation als Erfolgsfaktoren
Umsetzung der Netzförderung gemäß § 87b SGB V
„Ärztenetze brauchen einen langen Atem“ lautete das einleitende Statement von Dr. Carsten Jäger,
stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Agentur deutscher Arztnetze. Der § 87b wurde mit dem
Versorgungsstrukturgesetz im Januar 2012 Bestandteil des SGB V und erst über zwei Jahre später wur­
den die ersten Ärztekooperationen als förderungswürdige Praxisnetze anerkannt. Darüber hinaus warten
die Akteure in der Netzlandschaft weiterhin auf den Leistungserbringerstatus für Praxisnetze.
Facharzttöpfen denken, werden wir auch in Zukunft
am Nasenring durch die Arena geführt“. In der weiteren Entwicklung sieht Dr. Beckmann für Arztnetze eine
zunehmende Bedeutung in der Sicherstellung ärztlicher Versorgung und sogar den Leistungserbringerstatus. Da, wo es keine Arztnetze gäbe, würden andere
„Player“ es übernehmen, Versorgung zu gestalten.
Dr. Carsten Jäger, Dr. Hans-Jürgen Beckmann, Dr. Martin Mansfield, Dr. Mark
Barjenbruch, Markus Knöfler
„Auf dem Weg zur Zertifizierung stand sehr viel Arbeit“, bestätigte Dr. Hans-Jürgen Beckmann, Vorstand
des Ärztenetzes Medizin und Mehr (MuM), Bünde.
Dies solle aber nicht abschrecken, sondern vielmehr
alle Netze ermutigen, die sich auf diesem Wege befinden. Eine Zertifizierung bewirke in der KV Westfalen-Lippe (KVWL) zwar noch keine gesonderte Vergütungsregelung für vernetzte Praxen, sie ermögliche
aber Verhandlungen mit Kostenträgern auf Augenhöhe, zumal die Leistungsfähigkeit eines Netzes anerkannt wurde. Dabei legt Dr. Beckmann besonderen
Wert auf die Zusammenarbeit zwischen Haus- und
Fachärzten: „Wenn wir weiterhin in Hausarzt- und
Die Gesundheitsregion Siegerland wurde von der
KVWL als erstes Netz in Westfalen-Lippe gemäß der
Richtlinie § 87b SGB V als förderungswürdiges Netz
anerkannt. Dr. Martin Mansfeld, Ärztlicher Leiter der
Gesundheitsregion Siegerland GbR, sieht das regionale Versorgungsmanagement seiner Kooperation als
zukunftsweisenden Entwicklungsprozess aber auch
als Entwicklungslabor für sektorenübergreifende medizinische Versorgung. „Pro-aktives und perspektivisches Handeln ist in dem Zusammenhang ein herausragender Punkt, die gezielte, verbale Kommunikation
fernab von Internetmedizin weiterhin der höchste
Standard“, so Mansfeld. Die Rahmenbedingungen bilde eine Kooperation mit der KVWL und ein kassenartenübergreifender Strukturvertrag nach §73a SGB V,
wobei es sehr wichtig sei, einen stabilen Vertrags- und
Verhandlungspartner darzustellen. Auch die umfassende, kompetente medizinische Versorgung durch
Haus- und Facharzt im Team habe eine herausragende
Bedeutung. Eine gute Moderation der Kooperations49
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
mitglieder sei zudem entscheidend für die Motivation
im Netz. „Durch gezielte Moderation der Inhalte und
basisnahe Kommunikation lebt das Netz aus der Basis“, so Dr. Mansfeld.
Für Dr. Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der
KV Niedersachsen (KVN), stellt die KVN ein KollektivNetz dar, das wiederum ohne Konkurrenzgedanken
als Pfeiler und Fundament für Exklusiv-Netze mit besonderen Versorgungszielen dienen solle. Einer Förderung von Praxisnetzen nach §87b stehe er aus
mehreren Gründen kritisch gegenüber. Zum einen
werde seiner Erfahrung nach Geld nicht gerecht, sondern demokratisch nach Mehrheiten verteilt. Ohne
eine Mehrheit von Netzvertretern in den Gremien
werde es daher keine Netzförderung geben. Zum anderen würden sich zu wenige Netze für eine Förderung nach den Kriterien des § 87b qualifizieren. Daher
habe die KVN einen anderen Weg eingeschlagen und
1 Million Euro auch für Netze ausgelobt, die nicht die
Kriterien erfüllen aber in den Augen der KVN förderungswürdig sind. Das Projekt werde durch die KVNetzwerkstatt unterstützt, die als Ansprechpartner,
Berater und Vertragspartner bestehende sowie neue
Netze begleiten und vertragsfähig machen soll. „Ein
Netz wird gegenüber den Kollegen nur bestehen,
wenn es neues Geld aus Verträgen hereinbekommt.
Wenn sie als Netz in die Honorarverteilung gehen
und im Grunde von dem Geld nehmen, was die Gesamtärzteschaft ohnehin schon als zu wenig einstuft,
werden sie auf Ablehnung stoßen,“ erklärt Mark Barjenbruch. Es werde maximal 50.000 Euro pro Netz als
Zuschuss zu vorhandenem Eigenkapital ausgezahlt,
die Nachfrage sei aber noch verhalten. Hier gelte es
auch, das Vertrauen zwischen Netzen und der KVN zu
stärken.
In der KV Schleswig-Holstein (KVSH) ist mit Dr. ­Monika
Schliffke die ehemalige Vorstandsvorsitzende des Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V. (PHL) zur Vorstands­
vorsitzenden gewählt worden. Zudem gibt es eine
Mehrheit an Netzärzten in der Vertreterversammlung
der KVSH. Das Ärztenetz Eutin-Malente erhielt als erstes zertifiziertes Praxisnetz bundesweit Fördergelder,
das 2004 gegründete PHL erfüllte als zweites Netz die
Förderkriterien der KVSH nach 87b SGB V.
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Entsprechend sieht Markus Knöfler, Geschäftsführer
der PHL Management GmbH, die größte Netzentwicklung in Schleswig-Holstein. Seitens der AOK Nordwest sei zudem signalisiert worden, dass Projekte,
die in der Gesundheitsregion Siegerland funktionieren, auch von den zertifizierten Netzen in der KVSH
übernommen werden könnten. „Wir sehen, da entsteht ein Qualitätsbewusstsein auf Kassenseite“, bemerkt Markus Knöfler. Das PHL erhalte seit dem
01.02.2014 100.000 Euro pro Jahr von der KVSH, dafür seien die Kriterien zur Anerkennung aber härter
gewesen als von der KBV vorgeschlagen. Die Richtlinien der KVSH träfen die Erwartungen und Notwendigkeiten von Netzen recht gut, wobei die geforderten
Kriterien teils ambitioniert aber erfüllbar seien. Ferner
müsse jährlich die Zielerreichung und Mittelverwendung in einem Netzbericht dargelegt werden. „Die
Zielsetzung unseres Netzes ist, da gehen wir auch mit
der KV konform, in den nächsten Jahren durchaus
über eine Sicherstellung und ein regionales Budget
zu sprechen“, so Markus Knöfler.
Kontakt
Ärztenetz MuM – Medizin
und Mehr eG
Viktoriastraße 19
32257 Bünde
Tel.: 05223 – 98 56 20
www.mum-buende.de
Gesundheitsregion
Siegerland
KV Westfalen-Lippe
Robert-Schlimrigk-Str. 4-6
44141 Dortmund
Tel.: 0231 – 94 32 31 52
www.kvwl.de
KV Niedersachsen
Berliner Allee 22
30175 Hannover
Tel.: 0511 – 380 03
www.kvn.de
KV Schleswig-Holstein
Bismarckallee 1-6
23795 Bad Segeberg
Tel.: 04551 – 88 30
www.kvsh.de
Praxisnetz Herzogtum
Lauenburg e.V.
Dechower Weg 4
23909 Ratzeburg
Tel.: 04541 – 879 09 11
www.praxisnetzlauenburg.de
Agentur deutscher
Arztnetze e.V.
Chausseestraße 119b
10115 Berlin
Tel.: 030 – 288 77 40
www.deutscheaerztenetze.de
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
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Polymedikation – Projekte gegen zu viele Pillen
Mit Tabletten zählen ist es nicht getan
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) stellte in seinem
Sondergutachten von 2009 fest, dass laut Daten aus dem Jahr 2005 etwa 35 Prozent der Männer und
40 Prozent der Frauen im Alter von über 65 neun und mehr Wirkstoffe in Dauertherapie bekämen. Laut
einer Studie in Großbritannien erfolgten 6,5 Prozent der Aufnahmen in Krankenhäuser wegen unerwünsch­
ter Arzneimittelwirkungen (UAW), wobei 72 Prozent dieser Ereignisse vermeidbar gewesen wären. Von
den UAW sei mehr als die Hälfte auf Arzneimittel-Interaktionen zurückzuführen. Erhebungen regionaler
Pharmakovigilanzzentren zeigten auch für Deutschland ähnliche Ergebnisse.
„Die Arzneimittel-Therapie ist die am häufigsten angewendete therapeutische Intervention. Und richtig
angewendet gehört sie auch zu den effizientesten“, so
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Professor für Arzneimittelanwendungsforschung an der Universität Bremen. Mit
dem demografischen Wandel und der stärkeren Verlagerung der medizinischen Versorgung in den ambulanten Sektor werde der Umfang der Arzneimittel-Therapie (AM-Therapie) weiter ansteigen. Zudem
steige die Multimorbidität mit dem Alter, wohingegen
Leitlinien zur Behandlung von Multimorbidität fehlten. Monomorbiditätsorientierte Leitlinien führten in
der Addition der AM-Therapie schnell zur Polypharmazie bei Multimorbidität. Eine Priorisierung der Therapieziele fehle laut Prof. Gerd Glaeske, obwohl das
Interaktionsrisiko von 13 Prozent bei der Einnahme
von zwei AM auf 82 Prozent bei sieben Arzneimittel
steige. „Die medizinische Versorgung ist nicht auf die
Versorgung älterer Menschen vorbereitet“ stellt Prof.
Gerd Glaeske fest. Grundsätzlich sei in der AM-Versorgung eine Kooperation mit qualifizierten Apothekern unerlässlich, zumal der Anteil der Selbstmedikation bei fast 50 Prozent liege. Des weiteren könne die
Berücksichtigung der PRISCUS-Liste mit Einschrän51
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
kungen helfen, den besonderen Anforderungen an
die AM-Versorgung unter dem Aspekt der Polypharmazie gerecht zu werden. Eine verpflichtende Gesundheitskarte, auf der alle verordneten und erworbenen Arzneimittel gespeichert sind, könnte einen
weiteren wichtigen Beitrag leisten. Ferner seien mehr
Studien und Studien der Versorgungsforschung unter
Berücksichtigung älterer Patienten sowie ein „DMP
Multimorbidität“ nötig. Das größte Potential habe jedoch das Zukunftskonzept des SVR zur populationsorientierten und sektorübergreifenden Versorgung.
„Vieles was die Polypharmazie betrifft, kann in diesem Konzept auch geregelt werden“, so Prof. Glaeske.
Dr. Veit Wambach
Im Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz eG (QuE)
sei laut Dr. Veit Wambach, Vorsitzender des QuE, immer die Trias „Verbesserung von Humanität, Qualität
und Wirtschaftlichkeit“ das ausgesprochene Ziel, weshalb man sich auch mit dem Thema Polypharmakotherapie befasst habe. Im Sinne des Qualitätsmanagements habe man eine Bedarfsanalyse erstellt
und anschließend die Umsetzung von Maßnahmen
geplant. Dazu gehörten regelmäßige Referate von Experten der deutschen Arzneimittelkommission, die
Förderung von (intersektoralen und fachübergreifenden) Qualitätszirkeln und finanzielle Anreize im Rahmen von IV-Verträgen. Die ersten Auswertungsergebnisse zeigten einen tendenziellen Rückgang der Patienten mit mehr als 8 verordneten Wirkstoffen an.
Ferner konnte durch Pharmakotherapieberatungen
eine deutliche Umstellung bzw. Reduzierung der
Wirkstoffe nach stationärem Aufenthalt bewirkt und
der Anteil an AOK-Patienten ohne PRISCUS-Verord52
nung gesteigert werden. Die Sensibilisierung der Kollegen sei dabei ein entscheidender Punkt gewesen.
„Viele Kollegen fürchten sich davor, dass ein Abweichen von einer Leitlinie justiziabel sein könnte. Ich
halte es dagegen für wesentlich gefährlicher, einem
Patienten, der bereits 14, 15 oder 16 Arzneimittel
nimmt noch ein weiteres zu geben“, warnt Dr. Wambach. Eine weitere große Herausforderung in der AMTherapie sei die Optimierung der medikamentösen
Adhärenz, zumal diese vor allem für chronische
Krankheiten häufig unbefriedigend sei. Die aktive Einbindung der Patienten in die Therapie, die partizipative
Entscheidungsfindung, scheine als Grundlage des
Verordnungsgesprächs als empfehlenswert.
„Mit Tabletten zählen ist es nicht getan. Die inadäquate
Arzneimitteltherapie, ist die Folge unabgestimmter
therapeutischer Maßnahmen“, erläutert Sonja Laag,
Leiterin Versorgungsprogramme der BARMER GEK,
„und dabei werden Schäden wissend in Kauf genommen“. Nur mit Selektivverträgen werde man die Probleme nicht bewältigen können, vielmehr sei der von
Prof. Glaeske angesprochene Systemwechsel notwendig und der sei alles andere als leicht. Bei dem
Projekt für Strukturierte Arzneimitteltherapie für multimorbide Senioren (SAmS) habe man beispielsweise
sehr großen Aufwand betrieben, einen Behandlungsalgorithmus von Ärzten für Ärzte zu entwickeln und
zu etablieren. Nach einem Jahr hatten lediglich 10
Praxen 90 Patienten eingeschrieben. Ein neuer Ansatz
sei die Entwicklung von Prozesskennzahlen, da Kennzahlen alleine über Arzneimittel, Kosten, DDD oder
Diagnosen nicht aussagekräftig seien. Vielmehr interessiere beispielsweise der Anteil an Versicherten mit
einem aktuellen Medikationsplan, regelmäßige Überprüfungen der Gesamtmedikation oder Instrumente
zur Abstimmung der Therapie über Sektorengrenzen.
Das strukturierte Arzneimittelmanagement in der Gesundheitsregion Siegerland soll in Kooperation mit
der BARMER GEK und der KVWL arztgestützt für
mehr Sicherheit in der Arzneimitteltherapie sorgen,
so Frank Meyer, Referent des Zentralstabs Unternehmensentwicklung der KVWL. Es sei ein rein innerärztliches Projekt, da Veränderungen in der AM-Verordnung da beginnen sollen, wo das Arzneimittel verordnet wird. Ziel sei ein strukturiertes Management der
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Pharmakotherapie unter dem Aspekt der Arzneimittel­
therapiesicherheit und Polypharmazie. In der konkreten Umsetzung seien ohne Altersbegrenzung fünf
oder mehr Medikamente über zwei Quartale als Aufgreifkriterium für Polypharmazie bei der Patientenselektion mit der Krankenkasse abgestimmt worden.
In dem nächsten Schritt werde dem Netzarzt eine
pseudonymisierte Vorschlagsliste zugestellt, der wiederum darüber entscheide, welcher Patient für das
Projekt in Frage kommt. Wenn die Teilnahmeerklärung
des Patienten vorliegt, erhalte der Netzarzt die arztübergreifende Medikationsliste mit ausgewählten ABDAInformationen zu den Wirkstoffen, um anschließend
das Medikationsmanagement und das Patientengespräch durchzuführen. Von bisher 180 vorgeschlagenen Patienten seien nach einem halben Jahr bereits
110 Patienten eingeschrieben worden. Wie sich die
Verordnung im Zuge dessen verändert hat, werde die
KVWL später evaluieren, weitere Entwicklungen des
Projekts sind geplant.
Die optimierte Arzneimitteltherapie mit Hilfe von
pharmazeutischen Aufnahmegesprächen werde am
St. Franziskus-Hospital in Münster durchgeführt. Die
Medikation im Krankenhaus sei ein Prozess, der an
vielen Stellen fehleranfällig sei, so Dr. Susanne Meseke, Stationsapothekerin des St. Franziskus-Hospitals
in Münster. Auf Grund unterschiedlicher Maßnahmen
habe man zwar viele Gefahrenquellen im Krankenhaus beseitigen können, es sei jedoch deutlich geworden, dass Fehler viel früher im Medikationsprozess
erfolgen und zwar wenn der Patient kommt. Bei der
zentralen pharmazeutischen Aufnahme werde mit
sehr einfachen Mitteln die Schnittstelle bei der prästationären Aufnahme aus AM-Therapiesicht sicherer
gestaltet. Die pharmazeutische Aufnahme befinde
sich direkt neben der administrativen Aufnahme, so
dass der Patient nur kurze Wege zurücklegen muss.
Dort werde dann durch einen Apotheker die systematische Erfassung der Patientenmedikation mit dem
Ziel durchgeführt, eine vollständige Übersicht aller
Medikamente zu erhalten. Anschließend erfolgten
eine pharmakologische Überprüfung und die Umstellung auf die Krankenhausmedikation. Die Reduktion
der administrativen Aufgaben von Ärzten und Pflegepersonal bei der adäquaten AM-Versorgung der Patienten gebe den Beteiligten mehr Zeit für ihre originä-
5
ren Aufgaben. Das primäre Ziel sei aber mehr Patientensicherheit durch Arzneimittel-Therapiesicherheit.
Kontakt
Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik
UNICOM-Gebäude
Mary-Somerville-Straße 5
28359 Bremen
Tel.: 0421 – 21 85 85 67
www.zes.uni-bremen.de
Gesundheitsnetz Qualität und Effizienz eG
Vogelsgarten 1
90402 Nürnberg
Tel.: 0911 – 95 66 32 80
www.que-nuernberg.de
BARMER GEK
Axel-Springer-Straße 44
10969 Berlin
www.barmer-gek.de
Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe
Robert-Schimrigk-Str. 4-6
44141 Dortmund
Tel: 0231 – 943 20
www.kvwl.de
St. Franziskus-Hospital Münster
Hohenzollernring 72
48145 Münster
Tel.: 0251 – 93 50
www.sfh-muenster.de
Gesundheitsregion Siegerland GbR
Marburger Tor 4
57072 Siegen
Tel.: 0271 – 77 01 75 80
www.gesundheitsregion-siegerland.de
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesenim Bundesministerium für
Gesundheit
Rochusstraße 1
53123 Bonn
Tel.: 0228 – 994 41 22 90
www.svr-gesundheit.de
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
„Mit einer Hand lässt sich kein Netz knüpfen!“
Kooperation zwischen ärztlicher und pflegerischer Versorgung
Es steht außer Frage, dass eine effiziente und effektive Gesundheitsversorgung nur durch die enge Zu­
sammenarbeit der Gesundheitsberufe zu gewährleisten ist. Doch wie gut ist die Kooperation zwischen
ärztlicher und pflegerischer Versorgung tatsächlich? Wer übernimmt Tätigkeiten, die niemandem eindeu­
tig zugeordnet werden können? Welche Beispiele für die Integration der Pflege in die medizinische Ver­
sorgung gibt es?
„Mit einer Hand lässt sich kein Netz knüpfen“, sagt
Sabine Hochstadt, Teamleiterin der Pflege-Versorgungsprojekte der AOK Nordost. Deshalb sind es viele Hände, die sich in den careplus-Einrichtungen für
die Patienten engagieren: Feste Heimärzte, das heißt
angestellte Ärzte oder Niedergelassene als feste Kooperationspartner und das Pflegepersonal organisieren die medizinische und pflegerische Betreuung gemeinsam. Das Projekt besteht seit 1998 und ist die
Weiterentwicklung des sogenannten „Berliner Projekt
– Die Pflege mit dem Plus“. Dabei stand vor allem die
Optimierung der Arzneimittelversorgung im Fokus:
Vier hoch motivierte Pflegeeinrichtungen beteiligten
sich an der Verbesserung der Zusammenarbeit. Dafür
wurde jedes Medikament und jede Dosierung hinterfragt, Prozesse und Zuständigkeiten überprüft und
neu gestaltet. Es zeigte sich: Vieles kann bereits in der
Pflegeeinrichtung geklärt werden, bevor ein Arzt hinzugezogen wird.
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An dem Projekt careplus sind heute 165 Pflegeeinrichtungen mit 6.200 AOK-Versicherten beteiligt, die
von 188 Ärzten betreut werden. Das entspricht zwei
bis drei Ärzten pro Pflegeeinrichtung, wobei auch die
Hausärzte ihre Patienten weiterbetreuten und eine
Rund-um-die-Uhr-Betreuung anbieten. Im Rahmen
der Regelvisite ist der Arzt einmal in der Woche in der
Pflegeeinrichtung. Zusätzlich ist dieser Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft auch außerhalb der Sprechzeiten erreichbar. Pflegekräfte sind daneben ständige
vertraute Kontaktpersonen der Bewohner. Sie motivieren, an Aktivitäten teilzunehmen, fördern die Kommunikation mit anderen Bewohnern, spenden Mut,
Optimismus und auch Trost. Neben Ärzten und Krankenhäusern werden auch Kranken- und Pflegekassen,
Apotheken, Therapeuten sowie Krankentransportunternehmen in die Betreuung eingebunden. „Die effiziente Verzahnung der Pflegeleistungen nach SGB XI
und der ambulanten medizinischen Versorgung nach
SGB V vermeidet nachweislich Krankenhauseinweisungen um ein Drittel“, so Sabine Hochstadt. „Die optimierte Arzneimittelversorgung führte zur Senkung
der Morbidität und zu einer höheren Selbstständigkeit der Betreuten. Natürlich gab es auch einen finanziellen Erfolg: Die Ersparnis lag bei 300 Euro pro Jahr
und Teilnehmer.“
Für den Erfolg der Kooperation von Pflege und Medizin machte Michael Uhlig, Leiter Entgelte und Vertragswesen der CURA Seniorenwohn- und Pflegeheime Dienstleistungs GmbH, drei Aspekte verantwortlich: Erstens sollen bereits vernetzte Strukturen
vorhanden sein, zweitens muss die Koordination
klappen und drittens ist unabdingbar, die spezifischen
lokalen Aspekte zu berücksichtigen. Auf allen drei
Ebenen ist jedoch der menschliche Faktor entscheidend: Es muss definiert werden, wer sich kümmert
und wer verantwortlich ist. Ohne eine verbindliche
Klärung dieser grundsätzlichen Fragen scheitert jede
Zusammenarbeit. Untersuchungen, wie oft und wie
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
lange Patienten aus Pflegeeinrichtungen aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes abwesend sind, hätten
gezeigt, dass Einrichtungen mit Versorgungsmodellen
besser abschneiden als Einrichtungen, in denen es
derartige Modelle nicht gibt. Interessanterweise zeigte sich bei der Untersuchung auch, dass zusätzliche
ärztliche Bereitschaftsdienste kaum messbare Vorteile
bringen. „Wesentlich wichtiger ist es hingegen, dass
der Arzt im Rahmen seiner Visite nicht nur mit Bewohnern der Einrichtung, sondern auch mit dem Pflegepersonal spricht. Denn kurze und direkte Wege vermeiden Missverständnisse und Informationsverlust“,
so Uhlig.
Auch Dr. Jürgen Oldenburg, Geschäftsführer der
Delta­Med Nord GmbH & Co. KG, belegt anhand einer
Befragung zur Qualität von Pflegediensten und Ärztenetzen, wie immanent wichtig für das Patientenwohl
die Kommunikation und der Informationsaustausch
zwischen Pflege und Medizin sind: Im Fokus der
Befragung standen die Erwartungen von Netzärzten gegenüber Pflegediensten. Schwerpunkte der
Befragung waren Kommunikation, Strukturqualität,
gemeinsame Zielsetzungen von Ärzten und Pflegediensten sowie die allgemeine Zufriedenheit. „Eine
entscheidende Erkenntnis der ersten Befragung war,
dass die schnelle Rückmeldung durch Pflegedienste über Gesundheitszustand, Krankenhausaufenthalt
oder Entlassung der Patienten die Qualität der Betreuung entscheidend beeinflusst“, so Oldenburg.
Aus eigener Erfahrung stellte Dr. Jürgen Flohr, Geschäftsführer der Leipziger Gesundheitsnetz Management GmbH und Vorstandsvorsichtender der Leipziger Gesundheitsnetzes e. V., klar: Ärzten fehlt oft die
Zeit für einen intensiven Bereitschaftsdienst in einem
Pflegeheim. Flohr: „Es geht nicht in erster Linie ums
Geld.“ Unter dieser Prämisse wurde vor einem Jahr
in Leipzig die erste Praxis für Altersmedizin gegründet. Sie ist Naht- und Schnittstelle eines fachübergreifenden Ärtztenetzes, denn geriatrische Patienten sind
oft multimorbide. Den entscheidenden Faktor für den
Erfolg der Praxis für Altersmedizin sieht Dr. Flohr darin, dass die Vereinbarungen nicht von oben gedacht
und gemacht, sondern direkt mit den Beteiligten erarbeitet und beschlossen wurden. Zudem wurde für
Ärzte, Krankenhaus, Pflegepersonal und weitere Beteiligte der sogenannte Angelina-Fragebogen entwi-
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Dr. Jürgen Flohr
ckelt. Er ermöglicht es, geriatrischen Patienten schnell
und eindeutig zu identifizieren und konkrete (manchmal nur kleine, aber wirkungsvolle) Maßnahmen einzuleiten. So ist Sturzgefährdung das mit Abstand
größte Risiko geriatrischer Patienten, doch Stürze im
Haushalt über Kabel oder Teppichkanten lassen sich
vermeiden, wenn man die Wohnsituation der Patienten kennt. „Das Leipziger Gesundheitsnetz ist als
regionales Modell innerhalb der Stadtbezirke, in denen sich Haus- und Fachärzte ebenso kennen wie die
Care- und Case Manager ihre Patienten, erfolgreich –
und nachahmenswert“, so Flohr.
Kontakt
AOK Nordost – Die Gesundheitskasse
Friedrich-Ebert-Straße 113
14467 Potsdam
Tel.: 0800 – 265 08 00
www.aok.de/nordost
CURA Seniorenwohn- und Pflegeheime
Dienstleistungs GmbH
Französische Straße 53
10117 Berlin-Mitte
Tel.: 030 – 657 98 00
www.cura-ag.com
DeltaMed Nord GmbH & Co. KG
Otto-Hahn-Straße 9
25337 Elmshorn
Tel.: 04121 – 78 88 80
www.deltamed24.de Leipziger Gesundheitsnetzes e. V.
Holzhäuser Straße 81
04299 Leipzig
Tel.: 0341 – 877 58 32
www.gesundheitsnetz-leipzig.de
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Theoretisch ja, praktisch selten
Behandlungspfade im Einsatz
Behandlungspfade haben im Rahmen der Anerkennungskriterien nach § 87b SGB V eine neue Brisanz
erhalten, werden aber immer noch sehr kontrovers diskutiert. Theoretisch sind sie in großer Zahl vorhan­
den, praktisch werden sie jedoch selten gut gelebt, obwohl sie sehr variabel und effizient in der Versor­
gung eingesetzt werden können.
Das Zentrum für Altersmedizin in Ueckermünde befindet sich in einem Hausarztzentrum deren ärztliche Leiterin Dr. Sabine Meinhold ist. In den letzten 10
Jahren habe man sich vermehrt um ältere Patienten
gekümmert und die Ärzte zu Geriatern sowie das Personal zu altersspezifischen Spezialisten ausgebildet.
In Kooperation mit dem Ärztenetz HaffNet GbR biete
das Zentrum eine ambulante geriatrische Komplexbehandlung an. In 20 Tagen würden dabei 50 Behandlungen durchgeführt, während es in der stationären
Geriatrie nur 20 Behandlungen seien. Ziel sei es, die
älteren Patienten möglichst lange im häuslichen Umfeld lassen zu können, „Lieber daheim als im Heim“
laute dabei das Motto. Der Patient werde für die Behandlungen zu Hause abgeholt, im Zentrum mit Frühstück sowie Mittagessen verpflegt und im Anschluss
wieder zurück gebracht. Die Zuweisungen erfolgen
vorwiegend von den 40 Kollegen aus dem HaffNet.
Die Koordination der erforderlichen Einzelschritte sei
über Einrichtung und qualitative Implementierung
von Behandlungsmodulen bzw. -pfaden erfolgt. Die
Evaluation habe gezeigt, dass der Effekt der Komplexbehandlung nicht nur direkt im Anschluss messbar sei, sondern sich auch darüber hinaus fortsetze.
In Nürnberg gebe es zirka 1.000 niedergelassene Ärzte
von denen über 40 Prozent in einem der zwei Praxisnetze der Stadt organisiert sind, so Dr. Michael Bangemann, Vorsitzender des Praxisnetzes Nürnberg Süd
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e.V. (PNS). Von den 213 Mitgliedern des PNS profitierten 50 von einem elektronischen Vernetzungssystem,
das so flexibel sei, dass alle Praxisverwaltungssysteme aber auch Krankenhäuser, Apotheken, Pflegedienste und Labore angeschlossen werden können.
Es gebe für wichtige Erkrankungen 43 Behandlungspfade, die alle so formuliert worden sind, dass sie
auch auf IT-Ebene problemlos dargestellt d. h. alle
Fragen mit ja oder nein beantwortet werden können.
Die richtige Umsetzung der Behandlungspfade werde
zudem individuell elektronisch abgeprüft und entsprechend honoriert. Darüber hinaus gebe es weitere
honorarrelevante Prüfläufe, die über nicht durchgeführte Behandlungsoptionen oder fehlende Kodierungen informieren. Bedauerlich sei jedoch, dass trotz allem 60% der Nürnberger Ärzte nicht vernetzt seien.
Man müsse aber feststellen, dass man nicht alle Ärzte
mit in die Zukunft nehmen kann. „Es gibt Ärzte, die
sind nicht zukunftsfähig“, so Dr. Bangemann.
Dr. Thomas Scholz, niedergelassener Internist und
Dia­betologe DDG aus Berlin, sieht in der strukturierten Dokumentation eine wichtige Voraussetzung für
einen erfolgreichen Behandlungspfad. Es sei unabdingbar, beispielsweise diabetesrelevante Informationen zu bündeln und durch eine ausgeklügelte Vernetzung der Parteien mehr Effizienz in allen Belangen zu
erreichen. Strukturierte Datenerfassung und -auswertung sei die Grundlage für eine bessere Behandlungs-
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
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Dr. Sabine Meinhold, Andreas Meinhold, Dr. Michael Bangemann, Dr. Anna Katharina Trocha
qualität gerade im Kontext der interdisziplinären Betreuung von Patienten. Ein Benchmarking ermögliche
dabei die Darstellung der Qualitätsoptimierung in
Versorgungsprozessen. Die Prozessorientierung ermögliche die Definierung und Messung von Prozesszielen im Verlauf eines Behandlungspfades. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Praxiseinsatz
sei aber die Implementierung einer flexiblen und leistungsfähigen IT-Infrastruktur. Dr. Thomas Scholz arbeite derzeit erfolgreich mit der Dokumentationssoftware VisioDok©.
„Was hat Demenz mit Diabetes zu tun?“ fragt Dr. Anna
Katharina Trocha, Stellvertretende Leiterin des Diabetes-Zentrums des Elisabeth-Krankenhaus Essen. Für
Diabetiker werde Demenz zum doppelten Problem,
da sie vergessen, sich regelmäßig Insulin zu spritzen
oder doppelt spritzen, erklärt Dr. Trocha. Bei der Behandlung von Diabetespatienten stehe allerdings der
Erwerb der Selbstbehandlungskompetenz im Vordergrund, weshalb der Behandlungspfad „Diabetes-Patienten mit Demenz“ entwickelt wurde. Es sei bekannt,
dass das Risiko für eine vaskuläre Demenz bei Diabetikern vervierfacht und bei der Alzheimer Demenz
verdoppelt ist. Für diese Patienten müssten die Schulungen angepasst bzw. die Demenz müsse vor der
Schulung erkannt werden. Ein Uhrentest sei da ein
sehr einfacher und zuverlässiger Test. Bei Verdacht
auf Demenz erfolge eine Weiterleitung zur Memory-
Clinic, welche auf Demenz spezialisiert ist. Bei Demenzdiagnose schließe sich eine dreiwöchige teilstationäre
Behandlung an, die Wiedereinbestellung erfolge nach
drei bzw. sechs Monaten. „Vernetztes Arbeiten ist eine
Frage der Übung“, stellt Dr. Trocha fest aber man habe
durch die Kooperation schon viel für Patienten mit
Demenz und Diabetes erreicht. Inwiefern sich das
Projekt genau auf Lebensqualität und Komplikationshäufigkeit auswirkt, werde sich noch zeigen.
Kontakt
Hausarztzentrum
Uckermünde
Pattenserstrasse 1
17373 Ueckermünde
Tel.: 039771 – 591 20
www.hausarztzentrumueckermuende.de
Praxisnetz Nürnberg
Süd e.V.
Nibelungenstr. 19
90461 Nürnberg
Tel.: 0911 – 815 16 10
www.pns-nbg.de
HaffNet
Belliner Straße 21
17373 Ueckermünde
Tel.: 039771 – 232 54
www.haffnet-online.de
Elisabeth-Krankenhaus
Essen GmbH
Klara-Kopp-Weg 1
45138 Essen
Tel.: 0201 – 89 70
www.elisabethkrankenhaus.contilia.de
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Not macht erfinderisch:
Gemeinden gestalten Gesundheit
Wege aus der Unterversorgung – Kommunen als Partner
Versorgungslücken auf dem Land werden immer größer. Künftig müssen die Kommunen die Versorgungs­
strukturen sehr viel stärker mitgestalten. Manche tun es schon heute.
Dirk Schnack, Dr. Uta Barkusky , Steffen Hampel, Jörg Freese
Versorgungsprobleme in ländlichen Regionen nehmen kontinuierlich zu. Um die medizinische Versorgung ihrer Bürger gewährleisten zu können, müssen
Kreise, Städte und Gemeinden erfinderisch sein und
eine größere Verantwortung auf diesem Gebiet übernehmen. „Landkreise haben sich schon immer um
die medizinische Versorgung gekümmert“, sagte Jörg
Freese, Beigeordneter für Jugend, Schule, Kultur und
Gesundheit des Deutschen Landkreistags. Zusammen
mit den Ländern haben sie einen Sicherstellungsauftrag für die stationäre Versorgung, sind Träger von
Krankenhäusern, beteiligen sich häufig finanziell an
der Investitionsfinanzierung der Länder, betreiben
den Öffentlichen Gesundheitsdienst und organisieren
den Rettungsdienst. Künftig werden die Kommunen
aber auch die ambulanten Versorgungsstrukturen
mitgestalten müssen. Denn viele Gemeinden spüren,
dass die ambulante Versorgung in der bislang gewohnten Form in einigen Jahren nicht mehr aufrechterhalten werden kann. „Kommunen können sich nicht
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mehr aus der Verantwortung ziehen, weil gute medizinische Versorgung bei der Frage, ob Menschen im
Landkreis bleiben oder wegziehen, mitentscheidend
ist“, betonte Freese.
Die Not macht erfinderisch: So könnten an der Nordseeküste bald die ersten Ärztezentren als kommunale
Eigeneinrichtungen entstehen. In der Region sind drei
von vier Hausärzten älter als 60 Jahre, ein Nachfolger
für sie ist nicht in Sicht. Und so sind drei vom Ärzte­
mangel besonders betroffene Kommunen Büsum, St.
Michaelisdonn und Lunden, bereit, Zulassungen zu
übernehmen und die Ärzte anzustellen. Zwei Gemeinden haben bereits der Gründung einer Betreibergesellschaft für eine Eigeneinrichtung in 100­prozentiger
Trägerschaft der Gemeinde zugestimmt. Möglich ist
dies seit 2012, das Sozialgesetzbuch V § 105 Absatz 5
liefert die gesetzliche Grundlage. Die Kassenärztliche
Vereinigung Schleswig-Holstein will das Vorhaben
aus dem Sicherstellungsfonds finanziell fördern.
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
„Die nachrückende Ärztegeneration will nicht in Einzelpraxen und häufig nicht in Selbstständigkeit arbeiten“, erklärte Thomas Rampoldt, Geschäftsführer der
Ärztegenossenschaft Nord eG. Das Konzept der Eigeneinrichtung kommt den Vorstellungen der Nachwuchsgeneration entgegen. Es ermöglicht Teamarbeit
und flexible Arbeitszeiten, entlastet Ärzte von Managementaufgaben und wirtschaftlichem Risiko und
bietet die Option, später einmal freiberuflich tätig zu
sein.
Thomas Rampoldt
Die Kommunen an der Westküste hätten laut Rampoldt ein hohes Eigeninteresse hausärztliche Strukturen zu erhalten, nicht nur um die Versorgung der
eigenen Bevölkerung zu sichern, sondern auch den
Badeort-Status zu erhalten. Das Know-how für das
Praxismanagement soll die Ärztegenossenschaft
Nord als Dienstleister einbringen. Allerdings geht
Rampoldt davon aus, dass die kommunalen Ärztezentren defizitär arbeiten werden. „Die Gehälter, die
gezahlt werden müssen, damit sie für Ärzte attraktiv
sind, werden wahrscheinlich nicht aus der ärztlichen
Tätigkeit erwirtschaftet werden können.” Wie lange
die Kommunen, deren finanzielle Lage überall in
Deutschland angespannt ist, sich dieses Zuschuss­
geschäft leisten können, ist daher fraglich.
Dass nicht alle in der Theorie vielversprechenden
Ideen auch in der Praxis erfolgreich sind, zeigt das
Beispiel des Patientenbuses, den der Landkreis
Märkisch-­Oderland, die Stadt Müncheberg und das
5
Amt Märkische Schweiz vor zwei Jahren ins Leben
gerufen haben. „Von Müncheberg aus steuert der
Kleinbus mit acht Sitzplätzen einmal in der Woche
mehrere Orte an und bringt die Bewohner zu ihren
Ärzten“, erklärte Dr. Uta Barkusky, Bürgermeisterin
der Stadt Müncheberg, das Konzept. Vor allem älteren und nicht mehr mobilen Patienten sollte so der
Weg zum Arzt erleichtert werden. Umgekehrt müssten Ärzte zu weniger Hausbesuchen ausrücken. Die
Kosten, die sich jährlich auf 24.000 Euro belaufen,
übernahmen der Landkreis, die Stadt Müncheberg
und das Amt Märkische Schweiz. Die Kassenärztliche
Vereinigung Brandenburg und die Krankenkassen
AOK Nordost sowie BARMER GEK bewerben das Projekt. Allerdings blieb der Bus hinter den Erwartungen deutlich zurück. Pro Monat wurden laut Barkusky
durchschnittlich nur 32 Karten verkauft. Nach einjähriger Testphase wurde der erste Patientenbus Brandenburgs als Pilotprojekt eingestellt. Als Dienstagsbus rollt der ehemalige Patientenbus aber vorerst
weiter. Im August 2014 wollen die drei Partner über
sein weiteres Schicksal entscheiden. Dennoch ist Steffen Hampel, Leiter des Gesundheitsamtes MärkischOderland, überzeugt, dass Kommunen sich auch in
Zukunft stärker in die medizinische Versorgung vor
Ort einbringen können und sollten.
Kontakt
Deutscher Landkreistag
Ulrich-von-Hassell-Haus
Lennéstraße 11
10785 Berlin
Tel.: 030 – 590 09 73 09
www.landkreistag.de
Gesundheitsamt Märkisch-Oderland
Puschkinplatz 12
15306 Seelow
Tel.: 03346 – 85 00
www.maerkisch-oderland.de
Stadt Müncheberg
Rathausstraße 1
15374 Müncheberg
Tel.: 033432 – 810
www.stadt-muencheberg.de
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Netze als Gesundheitsunternehmen
Partner bei der Umsetzung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement
Das beständig steigende Durchschnittsalter der Arbeitnehmer in Deutschland macht betriebliches
Gesundheitsmanagement (BGM) inzwischen zu einem strategischen Faktor mit unmittelbarem Einfluss
auf den Unternehmenserfolg. Die Notwendigkeit von Prävention am Arbeitsplatz ist unstrittig, die An­
sätze für eine tatsächliche Umsetzung sind vielfältig. Für Gesundheitsnetze stellt sich das BGM als
Chance für dauerhafte Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen dar.
Das Gesundheitsnetz östliches Holstein (GöH) wurde
2010 neben dem Ärztenetz Eutin-Malente (ÄNEM) gegründet, um als Katalysator für sektorenübergreifende und vernetzte Gesundheitsversorgung zu wirken.
„Dabei schließt regionale Gesundheitsversorgung
natürlich die Gesundheit am Arbeitsplatz ein“, so Dr.
Thomas Schang, Vorsitzender des ÄNEM. Praxisnetze
könnten durch die Beteiligung am BGM zusätzliche
Einnahmequellen generieren, die Vernetzung mit anderen Leistungsanbietern sowie der regionalen Wirtschaft vorantreiben und die Positionierung als regionalen Gesundheitsanbieter stärken. Den Weg in die
Betriebe finde das GöH über betriebliche Gesundheitstage, an denen die Kompetenzen des Netzes im
Rahmen von betriebsärztlicher Betreuung, Gesundheitsförderung aber auch Teamentwicklung direkt vor
Ort dargestellt werden könnten. „Es besteht seitens
des ÄNEM nicht der Anspruch, ein komplettes Gesundheitsmanagement anzubieten, vielmehr wollen
wir im Rahmen der eigenen Kompetenzen ein Partner
bei der Umsetzung sein“, so Dr. Schang.
Erfolgskriterien eines BGM seien laut Hans Peter Nocker, Geschäftsführer der SalveoMed GmbH in Unna,
die Integration aller Unternehmensbereiche, die Partizipation aller Beschäftigten und eine Ganzheitlichkeit,
60
die verhaltens- und verhältnisbezogene Maßnahmen
kombiniert. „Die Durchführung muss im Sinne eines
Projektmanagements erfolgen, entgegen einer unverbindlichen Streuung von Maßnahmen“, so Nocker.
Dieses schließe selbstverständlich den Gedanken der
kontinuierlichen Verbesserung ein, in dem unter anderem Zieldefinition, Evaluation und Optimierung
berücksichtigt werden. „Wenn allerdings Führungskräfte und nicht Führungspersönlichkeiten ein Unternehmen leiten, wird niemals gesunde Führung entstehen“, sagte der SalceoMed-Chef. Im Rahmen der
betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) könne ein
Arztnetz, abhängig von vorher zu leistenden Investitionen, in drei Kategorien agieren. Die Diagnostik erfordere dabei den geringsten Zeitaufwand und in der
Regel entstehen keine Kosten für Zusatzausbildungen. In der zweiten Kategorie befänden sich Angebote wie Tabakentwöhnung und Rückenschule während
sportmedizinische Untersuchungen, autogenes Training und Ernährungsmedizin die umfangreichsten
Qualifikationsmaßnahmen benötigen. Nocker: „Bei
den Kunden muss allerdings kommuniziert werden,
dass ein Fehlzeitenrückgang frühestens nach drei
Jahren durchgehender Aktivitäten zu erwarten ist.“
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Die Gewährleistung der Therapietreue im betrieblichen Umfeld steht in dem Modell von Dr. Heinz Giesen im Vordergrund. Während für den Arbeitgeber die
großen Potentiale auf der Hand lägen müssten aber
für Kostenträger und Leistungserbringer Anreize zur
Teilnahme geschaffen werden. In einem intersektoralen Gesundheitsmanagement werde daher vertragsärztliche Leistung einbezogen und extra vergütet. Der
eigene Gesundheitsnutzen des Mitarbeiters soll zudem im Vordergrund stehen, damit nicht der Eindruck
der alleinigen Fehlzeitenreduktion entstehe. „Der
blaue Apfel“ sei in dem Zusammenhang die Marke,
unter der die Kooperation regional nachhaltig etabliert und der Mehrwert dargestellt werden solle. Er
beinhalte Programme zur Bonifizierung, zu ManagedCare und zu Telemedizin-Produkten. Im Rahmen des
BGF-Anreizprogrammes erhielte der Arbeitnehmer
Geldprämien, bevorzugte Terminvergaben, geringe
Wartezeiten, Terminerinnerungen per App und umfängliche Beratungen zur Prävention. In der Praxis
werde „Der blaue Apfel“ erstmals im Ärztenetz MuM
in Bünde eingesetzt.
5
Kontakt
Ärztenetz Eutin-Malente e.V.
Hospitalstraße 3
23701 Eutin
Tel.: 04521 – 830 85 05
www.aerztenetz-eutin.de
SalveoMed GmbH
Nordring 35
59423 Unna
Tel.: 02303 – 962 47 94
www.salveomed.com
Medcoo GmbH
Zuhornstraße 26
48147 Münster
Tel.: 0251 – 133 98 90
www.derblaueapfel.com
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KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Lernen von anderen Professionen
Wie kommen Innovationen ins System?
Wie können Neuerung im Gesundheitssystem eingeführt werden, wo kommen frische Ideen her, wie
kann man Entwürfe weiterentwickeln, wie kann man sie professionalisieren und welche Finanzierungs­
möglichkeiten gibt es? Drei Beispiele zeigen, wie aus einer Innovation ein Produkt wird.
Dr. Thomas Schang
„Innovationen brauchen Treiber!“, so Dr. Thomas
Schang, Vorsitzender des Ärztenetzes Eutin-Malente
e. V. (ÄNEM). Aber Innovationen seien nicht immer
wirklich neue Dinge, sondern auch ganz alte Forderungen der integrierten Versorgung, die bis heute
noch nicht richtig umgesetzt wurden. Was das deutsche Gesundheitssystem dringend brauche seien Koordination und Kooperation, RightCare, zielorientierte
Finanzierung und bedarfsgerechte Planung. „Auch
wenn die beiden letzten Punkte von meinen Kollegen
ungern gehört werden“, so Schang. Ein Ärztenetz könne in dem Zusammenhang nicht die ganze Welt retten, vielmehr müsse es in der Region die einzelnen
„Innovationen“ nach und nach etablieren. Das ÄNEM
entwickle beispielsweise Behandlungspfade, Case
Management und Prozessmanagement im Rahmen
einer besseren Koordination. Ein sektorenübergreifend vernetzter Pflegestützpunkt stehe für eine ver62
besserte Kooperation. RightCare, im Sinne der richtigen Behandlung für den richtigen Patienten, werde
durch standardisierte Diagnosestellung und Behandlung von Depression im Depressionsnetz umgesetzt
und führe somit zu Indikations- und Ergebnisqualität.
Die Vision einer zielgerichteten Finanzierung stelle
sich als ein Regionalbudget gemäß Bedarfsanalyse
und Vergütung nach Leistung bzw. Qualität dar. Wünschenswert sei auch statt einer Bedarfsplanung eine
sektorenübergreifende, bedarfsgerechte Planung anhand gesicherter Erkenntnisse. „Versorgungsforschung ist kein Luxus“, bekräftigt Dr. Schang. Die Treiber für Innovationen seien vielfältig. Sie könnten aus
Zwängen und Frust, demografischen und wirtschaftlichen Gründen oder politischen Hemmnissen erwachsen. „Veränderungen stoßen selten auf Begeisterung“
so Dr. Schang, daher sei es besonders wichtig, dass
zumindest einer mit der Umsetzung von Innovationen
anfängt.
Dr. Klaus Steinmeyer-Bauer
KOOPERATIONEN DER ZUKUNFT
Unter dem Titel „Traumhafte Innovationen in traumatischer Umgebung“ beschreibt Dr. Klaus SteinmeyerBauer, Mitglied der Geschäftsleitung der VAMED Management und Service GmbH Deutschland, das neue
Intensivbett-Zimmer der Charité. Die initiale Idee für
das Intensivbetten-Zimmer der Zukunft hatten Prof.
Maria Deja, Intensivmedizinerin der Charité, der Architekt Thomas Willemeit und Dr. Steinmeyer-Bauer
2010 auf einem Kongress zum Thema „Hospital und
Hospitality“. Die Ausgangssituation waren Intensivstationen mit kalter und unpersönlicher Umgebung sowie die Hypothese, dass Architektur eine messbare
Auswirkung auf den Krankheitsverlauf haben könne.
Als beeinflussbare Parameter seien die Akustik,
Raumatmosphäre, Klimatisierung und das Licht identifiziert und in die Umbauplanung einbezogen worden. Die tatsächliche Umbauplanung startete allerdings erst Anfang 2013, denn im Laufe des Projekts
wurden neue Ideen unterschiedlicher Professionen
eingebunden. Diese Tatsache stellte sich im Nachhinein als größte Herausforderung aber auch als größter
Treiber heraus. Die Bauphase erfolgte dann zwischen
April und September 2013. Rückblickend komme die
Innovation dadurch ins System, dass eine initiale Idee
vorhanden war, über den Tellerrand geblickt und von
anderen Professionen gelernt wurde – ohne dabei
das Rad neu erfinden zu wollen.
Die Peppermint VenturePartners GmbH beschäftigt
sich mit medizinischen Innovationen in Form von
neuen Medizingeräten aber auch neuen Geschäftsmodellen und der Frage, was neben Geld noch an
Know-how benötigt werde. „Bestimmte Innovationen
hätten ohne dieses schlaue Geld aus dem privaten
Bereich niemals den Markt erreicht“, so Dr. Klaus Stöckemann, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Projekte von Peppermint Venture Partners beschäftigten sich vorwiegend mit einem ungelösten medizinischen Problem, das durch enge
Zusammenarbeit mit Medizinern zu einer Innovation
führen solle, die neue oder verbesserte Resultate erzielt. Diese Innovation dann weiterzuführen, erfordere
öffentliches und privates Venture Capital aber auch
unternehmerische Gründer sowie Investoren mit
Branchenwissen, Mut und Netzwerken. Dabei handele
es sich um hoch riskante Projekte, in der sich Unternehmen und Investoren vollständig mit ihren Kompe-
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Dr. Klaus Stöckemann
tenzen einbringen müssen, um zum Erfolg zu führen.
„Venture Capital ist essentiell für disruptive Ideen“,
dass bedeutet für durchschlagende Neuerungen und
keine mee-toos, betont Dr. Stöckemann. Der perkutane Herzklappenersatz sei ein Beispiel für eine disruptive Idee aus dem medizinischen Bereich mit hohem
Marktpotenzial. Für Investitionen von VentureCapital
benötige man immer Märkte die wachsen, unlimitiert
erscheinen und die man über die Zeit durchdringen
kann. Andererseits solle man Investoren haben, die
an eine Sache glauben und auch Rückschläge überstehen. „Gute Venture Capital Firmen verstehen sich
als Unterstützer aber vor allen Dingen als Herausforderer der Gründer“, betont Dr. Stöckemann.
Kontakt
Ärztenetz Eutin-Malente e.V.
Hospitalstraße 3
23701 Eutin
Tel.: 04521 – 830 85 05
www.aerztenetz-eutin.de
VAMED Management und Service GmbH Deutschland
Schicklerstraße 5
10179 Berlin
Tel.: 030 – 246 26 96 00
www.vamed.de
Peppermint VenturePartners GmbH
Neues Kranzler Eck
Kurfürstendamm 21
10719 Berlin
Tel.: 030 – 590 06 44 00
www.peppermint-holding.de
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REFERENTEN UND MODERATOREN
Referenten und Moderatoren des 9. Kongresses
für Gesundheitsnetzwerker in Berlin
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René Adler · Seit 2014 freier Redakteur für Klinik Markt inside;
seit 1988 freier Journalist, Neuss, u. a. bei Tageszeitungen
wie der FAZ, der Nachrichtenagentur dpa, dem öffentlichrechtlichen und privaten Hörfunk, für TV und Internet (Onlineredaktion von RTL aktuell); Crossmedia-Spezialist.
Bürgermeisterin Dr. Uta Barkusky · Seit 2009 Bürgermeisterin
der Stadt Müncheberg; zuvor freiberufliche Honorardozentin
in der Erwachsenenqualifizierung und Wissenschaftliche
Mitarbeiterin des Forschungszentrums für Bodenfruchtbarkeit, Müncheberg; Dipl.-Ökonomin.
Dr. Alexander Alscher · 2008 Gründung und seitdem Geschäftsführer der samedi GmbH, Berlin, der SaaS-Plattform
für hochsichere Patientenkoordination/Vernetzung; zuvor bei
McKinsey, Barclays Capital, Haniel und an der Universität St.
Gallen/Schweiz sowie University of California, Los Angeles/
USA, tätig.
Dr. Franz-Joseph Bartmann · Vorstandsmitglied, Vorsitzender
Telematikausschuss und Weiterbildungsgremien, Stv. Vorsitz­
ender des Dt. Senats für ärztl. Fortbildung der Bundesärztekammer, Berlin; seit 2001 Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein; seit 1989 Oberarzt des St. Franziskus-Hospitals
Flensburg; Facharzt für Chirurgie, Unfall-, Viszeralchirurgie.
Dr. Tom Anwand, MSc · Seit 2004 Referent im Gesundheitsmanagement der BERLIN-CHEMIE AG; Auditor für Qualitätsmanagement; zuvor Stellvertreter des Leiters in verschiedenen Apotheken, Ausbilder für Pharmaziepraktikanten bei der
Apothekerkammer Berlin, Mitglied der Arbeitsgruppe Arzneimittelepidemiologie der Humboldt-Universität zu Berlin.
Dr. Hans-Jürgen Beckmann · Seit 2012 Vorstand und seit 1997
Vorstandsmitglied des Ärztenetzes Medizin und Mehr (MuM)
Bünde eG; Vorstandsmitglied der Agentur deutscher Arztnetze
e. V., Berlin; 2002 Gründung und seitdem Geschäftsführer der
Lawell GmbH; seit 1997 niedergelassener Chirurg, Durchgangsarzt und Phlebologe in Gemeinschaftspraxis, Bünde.
Ingo Bach · Seit 1998 Redakteur beim Tagesspiegel, Berlin,
Schwerpunkte: Gesundheitspolitik, medizinische Servicethemen; verantwortlich für die Verlagsprojekte Berliner Klinik-,
Pflegeheim und Praxisführer sowie für das Such- und Beratungsportal www.gesundheitsberater-berlin.de; bis 2001 Redakteur im Wissenschaftsressort beim Tagesspiegel.
Jessica Beyer · Prokuristin, zuvor Referentin Gesundheitsmärkte und -politik der Deutschen Apotheker- und Ärztebank
eG, Düsseldorf; zuvor Referentin für Parlaments- und Regierungskontakte der Bundesärztekammer und in der Rechtsabteilung der Bundeszahnärztekammer zuständig für europäische und nationale Gesundheitspolitik; Rechtsanwältin.
Dr. Stephan Balling · Seit 2013 Hauptstadtkorrespondent der
Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft mbH, Berlin; zuvor währungspolitischer Korrespondent der Börsen-Zeitung
in Frankfurt/Main sowie Volontär im Wirtschaftsressort des
Rheinischen Merkur; Bankkaufmann, Dipl.-Volkswirt.
Markus Bönig · Gründer und Geschäftsführer der ordermed
GmbH, Buchholz; zuvor Strategy Manager Public Sector von
Cisco Systems Deutschland, Sales Manager Public Sector
der Bechtle AG, Sales Manager der ECS AG, Key Account
Manager von GE Compunet und Unit Manager Purchase &
Logistics von Center Parcs Deutschland.
Dr. Michael Bangemann · Vorsitzender des Praxisnetzes
Nürnberg Süd e. V.; Stellvertretender Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbandes Nürnberg und des Hausarztvereins
Nürnberg e. V.
Jochen Brink · Seit 2013 Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V., Düsseldorf; Geschäftsführer der Valeo-Kliniken GmbH, Hamm, sowie der Evangelischen Krankenhäuser in Lippstadt und Münster; Aufsichtsratsvorsitzender des Valeo-Klinikverbundes; Dipl.-Volkswirt.
Mark Barjenbruch · Seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, Hannover, zuständig für die Bereiche Recht, Sicherstellung sowie Honorar und
Vertrag, Schwerpunkt: Verhandlungen mit Krankenkassen
und anderen Stakeholdern des Gesundheitswesens; zuvor
dort Hauptgeschäftsführer und als Rechtsanwalt in Hannover
tätig.
Prof. Dr. Stephan Burger · Seit 2010 Leitender Direktor der
MedicalContact AG, Essen; Leiter des Geschäftsbereichs
Verbandspolitik des BKK Bundesverbandes, Essen, und der
Geschäftsstelle des Wissenschaftlichen Beirats der Betrieblichen Krankenversicherung; Lehrbeauftragter für Gesundheitsökonomie an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel.
REFERENTEN UND MODERATOREN
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Nils von Dellingshausen · 2012 Gründung und seitdem Managing Director der BetterDoc GmbH, Köln; zuvor Marketing
Director und P&L-Verantwortlicher für eine Auslandstochter
von T-Mobile sowie Associate der Cambridge Strategic
Management Group.
Dr. Dr. Heinz Giesen · Inhaber des med.iq Verlags; Geschäftsführer der Medcoo GmbH, Münster; seit 2013 Schwerpunkt
„Telemedizin in der Pflege“ (www.der-blaue-Apfel.de) und
BGF; zuvor Leiter Verträge der Vereinigten IKK („Mein Arzt“
als erste bundesweite HVZ) und der Hauptabteilung Integratives Leistungsmanagement der AOK Hessen.
Michael Eiffert, MD · 2010 Gründung und seitdem Geschäftsführer von DoctorCom – Unified Healthcare Communication
Solutions, Inc., Redwood City/USA, Schwerpunkte: Healthcare
Information Technology, datenschutzkonforme Kommunikationslösungen im Gesundheitswesen; praktizierender Facharzt
für Innere Medizin in der San Francisco Bay Area/USA.
Prof. Dr. Gerd Glaeske · Seit 2007 Co-Leiter der Abteilung für
Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung, seit 1999 Professor für Arzneimittelanwendungsforschung am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität
Bremen; zuvor Leiter pharmakologischer Beratungsdienste
bei Kassen (AOK, BARMER) und Verbänden (VdAK).
Torsten Flöttmann · Seit 2003 Marketingleiter Deutschland
der BERLIN-CHEMIE AG; zuvor dort Produktgruppenleiter und
-manager, Produktmanager von Schwarz Pharma sowie für
ASTRA Chemicals tätig; Studium der Biologie.
Torsten Grätz · Seit 2013 Mitglied der Geschäftsführung von
VAMED Deutschland, Berlin; zuvor Referent im Gesundheitsmanagement der BERLIN-CHEMIE AG, Geschäftsführer des
Johanniter Krankenhauses im Fläming, Belzig, und Geschäftsführer bzw. Leitender Angestellter der Kreiskrankenhaus Belzig GmbH.
Dr. Jürgen Flohr · Seit 2011 Geschäftsführer der Leipziger Gesundheitsnetz Management GmbH; seit 2009 Vorstandsvorsitzender des Leipziger Gesundheitsnetzes e. V.; Facharzt für
Allgemeinmedizin, seit 2002 niedergelassen in Leipzig; Betriebswirt (FH/SRH).
Dr. Ursula Hahn · Geschäftsführerin der OcuNet Verwaltungs
GmbH, Düsseldorf, einem Zusammenschluss großer ambulanter augenchirurgischer Zentren; zuvor Gesundheitspolitische Referentin der DKV und Geschäftsführerin des Berufsverbandes der Augenärzte; Studium von Volkswirtschaft und
Medizin.
Jörg Freese · Seit 2008 Beigeordneter im Bereich Jugend,
Schule, Kultur und Gesundheit des Deutschen Landkreistags,
Berlin; zuvor Stellvertretender Geschäftsführer des Landkreistags Mecklenburg-Vorpommern und bei der Landeshauptstadt Kiel tätig; Dipl.-Verwaltungswirt (FH).
Dr. Bernd Halbe · Fachanwalt für Medizinrecht; Gründer der
Kanzlei Dr. Halbe – Rechtsanwälte, Köln und Berlin; Lehrbeauftragter für Medizinrecht der Universität zu Köln; Justiziar
mehrerer Berufsverbände; Schwerpunkte: Kooperationen im
Gesundheitswesen, Krankenhausrecht, Medizinische Versorgungszentren, Compliance-Beratung, Selektivverträge.
Lutz O. Freiberg · Seit 2011 Unternehmensbereichsleiter Verträge, Forschung und Entwicklung der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg, Potsdam, sowie Geschäftsführer der
ARGE Innovative Gesundheitsversorgung in Brandenburg
(IGiB); zuvor Geschäftsführer der Sana Gesundheitszentren
Berlin-Brandenburg GmbH.
Lutz Hammerschlag · Seit 2013 Geschäftsführer der Dr. Horst
Schmidt Kliniken GmbH, Wiesbaden; Leiter des Instituts für
innovative Arbeitsbedingungen im Krankenhaus, Stv. Hauptgeschäftsführer und Leiter des Referats Tarifpolitik des Marburger Bund Bundesverbandes und für den Marburger BundLandesverband Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz tätig.
Dr. Bernard Frieling, MBA · Mitgründer der Medivision/Endokrinologikum Gruppe, Hamburg; Mitgründer der VANGUARD
AG, Berlin; zuvor bei Asta Medica AG, Arthur D. Little International und Schering AG tätig; Arzt.
Steffen Hampel · Seit 2008 Leiter des Gesundheitsamtes Märkisch-Oderland und Amtsarzt, zuvor Stellvertretender Amtsarzt im Landkreis MOL, Seelow; zuvor als Facharzt für Kinderund Jugendmedizin im Landkreis MOL und Kinderarzt des
Krankenhauses Rüdersdorf tätig; Dipl.-und Sozialmediziner,
Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen.
Jakob Futorjanski · Geschäftsführer der Synaptikon GmbH,
Betreiber der Gehirntrainingsplattform NeuroNation.de,
Berlin; zuvor Advisor im Bereich Informationsmanagement
der Pricewaterhouse-Coopers AG; Dipl.-Wirtschaftsinformatiker.
Dr. Andreas Hartung · Designiertes Mitglied der Konzerngeschäftsführung der Asklepios Kliniken GmbH, Hamburg; bis
dahin Generalbevollmächtigter und Prokurist der Region Südost der Sana Kliniken AG, Ismaning bei München; zuvor Geschäftsführer der Sana Kliniken des Landkreises Cham, des
Krankenhauses Rummelsberg und des Sana Klinikums Hof.
Kirsten Gaede · Seit 2013 Kommissarische Chef-, seit 2004
Redakteurin von kma – Das Gesundheitswirtschaftsmagazin,
Berlin; zuvor Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe Geriatrie der Charité, Krankenschwester in England,
Journalistin für die Pressestelle der Bundesärztekammer,
Berliner Morgenpost und Oranienburger Generalanzeiger.
Rouwen Hirth · Wissenschaftlicher Leiter der Synaptikon
GmbH, Betreiber der Gehirntrainingsplattform NeuroNation.
de, Berlin; zuvor Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Consumer Research Lab der Fakultät für Psychologie der Universität
Wien/Österreich und des FB für strategische Kommunikation
der Zeppelin Universität, Friedrichshafen; Dipl.-Psychologe.
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REFERENTEN UND MODERATOREN
Sabine Hochstadt, MHA · Teamleiterin der Pflege-Versorgungsprojekte sowie Pflegefachreferentin der AOK Nordost,
Potsdam; zuvor Pflegefachliche Leiterin in der Weiterbildung
Onkologie und Pflegeberaterin im Bereich SGB XI, Kinderkrankenschwester der Klinik für Kinderonkologie der Charité sowie
der Abt. Knochenmarktransplantation der Uniklinik Ulm.
Franz Knieps · Seit 2013 Vorstand des BKK Dachverbandes e.
V., Berlin; zuvor Partner der WMP Health Care GmbH und der
Wiese Consult GmbH, Berater Sozialpolitik und Gesundheitssystementwicklung für WHO, EU und Bundesregierung, Leiter
der Abteilung Gesundheitsversorgung, Krankenversicherung,
Pflegeversicherung des Bundesministeriums für Gesundheit.
Thomas Hommel · Seit 2011 Chefreporter des Magazins G+G
(Gesundheit und Gesellschaft), Berlin; zuvor Redakteur im
Hauptstadtbüro der ÄrzteZeitung, Pressesprecher der WISOGruppe, freier Journalist, u. a. für Financial Times Deutschland, Tagesspiegel, Journal GesundheitsWirtschaft, Magazin
Heilberufe; Dipl.-Politologe.
Markus Knöfler · Geschäftsführer des Praxisnetzes Herzogtum Lauenburg e. V.; seit 2005 Partner und Geschäftsführer
der Conclusys Beratungsgesellschaft mbH, Hamburg; zuvor
Assistent der Geschäftsleitung der Deutschen Immobilien
AG; Studium der Betriebswirtschaftslehre mit studienbegleitenden QM-Projekten in der stationären Pflege.
Dr. Carsten Jäger · Geschäftsführer der ANSB Consult GmbH
– Ärztenetz Südbrandenburg, Elsterwerda, u. a. für das Management populationsorientierter Selektivverträge zuständig;
Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Agentur
deutscher Arztnetze e. V., Berlin.
Christian Kraef · Seit 2014 Präsident, zuvor Bundeskoordinator
für Gesundheitspolitik der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V. (bvmd), Berlin; Medizinstudent
im 8. Semester an der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster; 2013 Auslandssemester für Doktorarbeit am AlbertSchweitzer-Krankenhaus Lambaréné/Gabun.
Ansgar Jonietz · Seit 2012 Geschäftsführer der „Was hab’
ich?“ gGmbH, Dresden; 2011 Mitgründer der Übersetzungsplattform „Was hab’ ich?“, die Medizinerlatein in Patientendeutsch übersetzt; seit 2010 Geschäftsführer der Netzmanufaktur GmbH; selbstständiger IT-Berater, Dipl.-Informatiker.
Christoph Kranich · Seit 1995 Leiter der Fachabteilung Gesundheit und Patientenschutz der Verbraucherzentrale Hamburg e. V.; Dozent für Patientenorientierung, -rechte und Beschwerdemanagement in Weiterbildungsstudiengängen; zuvor
bei div. Gesundheitsinitiativen tätig und Geschäftsführender
Mitarbeiter der Patienteninitiative Hamburg; Dipl.-Pädagoge.
Dr. Jochen Jouaux · 2001 Gründung und seitdem Geschäftsführender Gesellschafter der Facharztagentur GmbH, Bielefeld; zuvor als Arzt in Koblenz, Köln, Bad Rothenfelde sowie
Großbritannien tätig; Facharzt für Anästhesie, Dipl.-Krankenhausbetriebswirt (VKD).
Dr. Christian Krey · Geschäftsführer von Emperra E-Health
Technologies, Potsdam; zuvor Business Unit Manager von
Animas, a Johnson & Johnson Company, Produktgruppenleiter
von A. Me narini Diagnostics, Produktmanager der BERLIN-­
CHEMIE AG sowie Sales Trainer und Pharmareferent von Lilly
Deutschland.
Katrin Keller · 2008 Gründung und seitdem Geschäftsführerin
der samedi GmbH, Berlin, der SaaS-Plattform für hochsichere
Patientenkoordination/Vernetzung; zuvor Geschäftsführerin
von Havika – Real Estate/Asset Management; Dipl.-Kauffrau.
Dr. Tobias Krüger-Wauschkuhn · Seit 2011 Medizinischer Berater und Vertriebsleiter der samedi GmbH, Berlin; zuvor Assistenzarzt in der Curschmann Klinik, Timmendorfer Strand.
Dr. Rainer Kern · Vorstand Sales und Marketing Deutschland
der BERLIN-CHEMIE AG, seit 1994 dort tätig, u. a. als Produktmanager, Group-Produktmanager, Marketingleiter Deutschland, Leiter Pharma Deutschland; zuvor Trainee, Post-Fellow
und Associate an der Rockefeller University, New York/USA.
Sonja Laag · Seit 2010 Leiterin Versorgungsprogramme der
BARMER GEK, Wuppertal; zuvor dort in den Abteilungen
Integrierte Versorgung sowie Gesundheitspolitische Grundsatzfragen tätig; Dipl.-Gesundheitswirtin, Redakteurin, Arzthelferin.
Dr. Regina Klakow-Franck · Seit 2012 unparteiisches Mitglied
des Gemeinsamen Bundesausschusses, Berlin; zuvor Dezernentin der Abteilung 4 – Gebührenordnung, Stellvertretende
Hauptgeschäftsführerin und Dezernentin der Abteilung 3 –
Qualitätssicherung in der Medizin und andere Gebiete der
Bundesärztekammer, Berlin; Fachärztin für Gynäkologie.
Armin Lang · Seit 2011 Inhaber der Lang Consult GmbH, Saarbrücken; Geschäftsführer der QualiGes GmbH; Vorsitzender
des Bundesausschusses und Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK Saarland; Bundesvorsitzender der AG der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen; ehemals Leiter der LV Saarland und Rheinland-Pfalz des vdek; 1985-2009 MdL Saarland.
Dr. Manfred Klemm · Seit 2006 Vorstandsvorsitzender der Regionales Gesundheitsnetz Leverkusen eG; Geschäftsführender Vorstand der Gesundheitsverbund West eG; zuvor Geschäftsführer in einem Unternehmen im Bereich der Biotechnologie und in leitenden Positionen in Vertrieb, Marketing und
Geschäftsführung für ein amerikanisches Diagnostikunternehmen tätig.
Helmut Laschet · Seit 1984 Stellvertretender Chefredakteur,
seit 1983 Ressortleiter Gesundheitspolitik der Ärzte Zeitung,
Neu-Isenburg, seit 1982 dort tätig; zuvor Mitglied der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverbandes
der Pharmazeutischen Industrie.
REFERENTEN UND MODERATOREN
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Iris Laser · Seit 2005 Referentin im Gesundheitsmanagement
der BERLIN-CHEMIE AG; zuvor Key Account Managerin der
BKK Gesundheit und im Vertrieb Firmen-/Privatkunden der
AOK Hessen tätig.
Jochen Metzner · Seit 2007 Leiter des Referats Krankenhausversorgung des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, Wiesbaden, dort seit 2000 tätig; zuvor in der Hessischen Versorgungsverwaltung tätig, zuletzt als Justiziar im
Versorgungsamt Frankfurt/Main; Jurist.
Randy Lehmann · Leitstelle Gesundheitswirtschaft und Tourismus des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und
Technologie des Landes Schleswig-Holstein, Kiel; Stellvertretende Vorstandsvorsitzende des NDGR e. V.; zuvor Leiterin der
Gesundheitsinitiative und Pressesprecherin des Ministeriums
für Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein.
Frank Meyer, MPH · Seit 2012 Referent Unternehmensentwicklung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe,
Dortmund; zuvor Projektbereichsleiter Versorgungsanalysen
des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung und
Vertragsreferent des GB Arzneimittel der AOK Rheinland/
Hamburg; Apotheker.
Dr. Simon Lorenz · 2013 Gründung und seitdem Geschäftsführer der goderma GmbH, Berlin; zuvor in einer strategischen
Unternehmensberatung tätig.
Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery · Seit 2011 Präsident, zuvor
Vizepräsident und Mitglied im Vorstand der Bundesärztekammer, Berlin; Radiologe und Oberarzt der Radiologischen Klinik
des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf; 1989-2007
Erster Vorsitzender des Marburger Bund Bundesverbandes.
Prof. Dr. Björn Maier · Seit 2008 Studiendekan BWL, Gesundheitsmanagement der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim; Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins für Krankenhauscontrolling (DVKC) e. V.; Studium von
Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt öffentliche BWL
und Krankenhausmanagement.
Johanna Müller · Seit 2012 Kommunikationsberaterin der
Agentur WOK GmbH, Berlin; zuvor dort Werkstudentin, im Social Media Marketing bei einem Start-up im Bereich AboCommerce und in der Media Education bei VZnet Netzwerke
Ltd. tätig; BA Medienbildung – Visuelle Kultur und Kommunikation, MA Wirtschaftskommunikation.
Peter Makolla · Seit 1981 Geschäftsführer der PDE Pie Data
Elektronik GmbH, Dorsten; zuvor Geschäftsführer der ISPRO
GmbH, Bereichsleiter vernetzte Strukturen im Gesundheitswesen der CompuGroup Medical AG sowie leitender Angestellter und Geschäftsführer bei MedatiXX.
Susanne Müller · Seit 2009 Geschäftsführerin des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung e. V., Berlin, seit 2007
dort tätig; zuvor Mitarbeiterin des Grundsatzreferats der AOK
Berlin; Dipl.-Politologin.
Dr. Martin Mansfeld · Ärztlicher Leiter der Gesundheitsregion
Siegerland GbR, Siegen; seit 2001 Vorstand und Netzmanager
der Praxisnetz Siegerland GbR; seit 1994 niedergelassener
Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin (Hausarzt); Dipl.Netzmanager (Gesundheit).
Dr. Markus Müschenich, MPH · Gründer von ConceptHealth
– Der Berliner Think Tank für die Gesundheitswirtschaft; Managing Partner von FLYING HEALTH – die Startup-Manufaktur; Vorstand des Bundesverbandes Internetmedizin; zuvor
Vorstand der Sana Kliniken AG, Ismaning bei München.
Andreas Meinhold, BSc, M. A. · Geschäftsführer der ONYX
Integratives Gesundheitsmanagement GmbH und für Versorgungsmanagement der HaffNet Management GmbH, Ueckermünde; zuvor Leiter Gesundheitsmanagement der Pharm-Allergan GmbH, Ettlingen; Sozialwissenschafts- und HealthBusiness-Administration-Studium.
Dr. Axel Munte · Seit 2011 Vorstandsvorsitzender des Bundes­
verbandes ambulante spezialfachärztliche Versorgung e. V.,
Grünwald; zuvor Vorstandsvorsitzender und Vorsitzender der
Bezirksstelle München Stadt/Land der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns; 1978 Gründung des ersten kooperativen
Ärztehauses Deutschlands; Internist, Gastroenterologe.
Dr. Sabine Meinhold · Seit 2001 Vorstand der HaffNet GbR,
Ueckermünde; seit 2000 Moderatorin von vertragsärztlichen
Qualitätszirkeln; seit 1991 niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Netzpraxis im Ärzteverbund HaffNet,
Schwerpunkte: Diabetologie/Chirotherapie, Schmerztherapie/
Akupunktur und Geriatrie.
Hans Peter Nocker · Seit 2012 Geschäftsführer der SalveoMed GmbH, Unna, seit 2000 der geest & nocker personalberatung und unternehmensentwicklung gmbh; zuvor Generalbevollmächtigter, Personaldirektor und Personalentwickler in
größeren Unternehmen.
Dr. Susanne Meseke · Stationsapothekerin des St. Franziskus-Hospitals Münster; seit 2003 als Apothekerin bei medicalORDER pharma, Ahlen, in verschiedenen Aufgaben bereichen
tätig; Fach apothekerin für Klinische Pharmazie und für Arzneimittel information.
Burkhard Nolte · Seit 1991 Verwaltungsdirektor und Geschäfts­
führer der St. Franziskus-Hospital GmbH Münster und Regionalgeschäftsführer der Franziskus Stiftung Münster; zuvor
Verwaltungsleiter der Vestischen Kinderklinik Datteln sowie
Prüfungsassistent der Bischöflichen Prüfungs- und Beratungs­
gesellschaft mbH.
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REFERENTEN UND MODERATOREN
Dr. Jürgen Oldenburg · Geschäftsführer der DeltaMed Nord
GmbH & Co. KG, Elmshorn, Schwerpunkte: integrierte Versorgung, Management von Ärztenetzen, Struktur-/Prozessoptimierung in ambulanten und stationären Einrichtungen, Personalführung sowie Vortrags- und Trainertätigkeit im Praxisund Klinikbereich.
Sophia Schlette, MPH · Leiterin Wissensmanagement und
Projektentwicklung der Stiftung Gesundheit, Hamburg, Beratung von Führungskräften aus Politik, Selbstverwaltung und
Industrie zu neuen Versorgungs- und Vergütungsformen, Bevölkerungsmanagement, Patientenorientierung, Arzneimittelpolitik, Gesundheitsinformationstechnologien.
Dr. Axel Paeger, MBA/MBI (EUR) · Mitbegründer und Verwaltungsrat und seit 2003 CEO und Vorsitzender des Vorstands
der AMEOS Gruppe, Zürich/Schweiz; zuvor Hauptgeschäftsführer der Asklepios Kliniken GmbH, Manager eines großen
US-Verbundnetzes und Board Member der Pacific Health
Corporation, Kalifornien/USA.
Dr. Torsten Schmale · Gründer und Geschäftsführer der Doc
Cirrus GmbH, Berlin, Schwerpunkt: Software- und IT-Lösungen für das Gesundheitswesen auf Basis modernster und
hochsicherer Technologien, u. a. für die Verwaltung von Praxen und MVZ; zuvor Gründer und Vorstand der inubit AG sowie Manager des Siemens-Konzerns.
Tanja Plambeck · Geschäftsführerin der enpenet GmbH,
Hamburg, zuständig für den Bereich Produktentwicklung des
enpevita-Gesundheitsassistenten, einem Informations- und
Kommunikationssystem für Patienten, das diese in die Lage
versetzt, eigenverantwortlich und gemeinsam mit ihrem Arzt
Entscheidungen zu treffen; Dipl.-Ingenieurin.
Prof. Dr. Christian Schmidt, MPH · Seit 2014 Vorstandsvorsitzender und ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock; zuvor Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln gGmbH
und Vorstand Medizin der Mühlenkreiskliniken, Minden, sowie
Leiter Unternehmensentwicklung des Universitätsklinikums
Schleswig-Holstein; Facharzt für Chirurgie.
Dr. Uwe K. Preusker · Seit 1998 Vorstand von Preusker Health
Care OY, Vantaa/Finnland; Berater, Publizist und Moderator;
Herausgeber von Klinik Markt inside; Herausgeber des Lexikons des deutschen Gesundheitssystems.
Alexander Schmidtke · Seit 2014 Vorstandsvorsitzender sowie Vorstand Finanzen und Strategie des Kommunalunternehmens Klinikum Augsburg; zuvor Vorstand des Klinikums
Augsburg, Hauptgeschäftsführer der St. Vinzenz-Krankenhaus gGmbH, Fulda, und verschiedener Tochterunternehmen
und Vorstandsmitglied des Universitätsklinikums Erlangen.
Thomas Rampoldt · Seit 2000 Geschäftsführer der Ärzte­
genossenschaft Nord eG, Bad Segeberg; zuvor in verschiedenen Funktionen bei der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein tätig, zuletzt in der Eigenschaft als
Vorstandsreferent Mitentwickler der Idee der Ärztegenossenschaft SH eG.
Dirk Schnack · Seit 1995 freier Journalist mit Schwerpunkt
Gesundheitspolitik; Leitender Redakteur des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts, Bad Segeberg; Korrespondent der
ÄrzteZeitung in Norddeutschland; Moderator gesundheits­
politischer Fachkongresse.
Tom Renneberg · 2007 Mitgründung und seitdem Geschäftsführer bei esanum.de, Berlin, dem nur für Ärzte zugänglichen
Onlinenetzwerk, das sich europaweit verbreitet und heute
über 70.000 Ärzte mit Fachverbänden, Industrie und vor allem
untereinander vernetzt; „Digital Native“ der 1. Generation;
Studium der Molekulargenetik.
Norbert Schneider · Seit 2010 Sprecher der Geschäftsführung
der gvw – Gesellschaft für Versorgungskonzepte in der
Wundbehandlung mbH, Stuttgart; zuvor Bereichsleiter Personal/Sozialwesen/ Recht der GEHE Pharma Handel GmbH, Bereichsleiter Recht und Versicherungen der TAKKT AG sowie
Justiziar der Celesio AG.
Dr. Nicolai Schäfer · Vorsitzender des Bundesverbandes der
Honorarärzte e.V., Berlin; seit 2003 freiberuflicher Facharzt für
Anästhesiologie und Notfallmedizin; zuvor in der Abteilung für
Anästhesie und Intensivmedizin des St. Franziskus Hospitals,
Köln, und in der Abteilung für Anästhesie der Städtischen
Kinderklinik Köln tätig.
Dr. Annegret Schoeller · Bereichsleiterin des Dezernats Versorgung und Kooperation mit Gesundheitsberufen und seit
1997 Mitglied der Geschäftsführung der Bundesärztekammer,
Berlin, Schwerpunkte: Arbeitsmedizin, öffentlicher Gesundheitsdienst, Rehabilitation sowie ärztliche Psychotherapie;
Fachärztin für Arbeits- und Umweltmedizin.
Dr. Thomas Schang · Vorsitzender des Ärztenetzes Eutin-Malente e. V.; Ärztlicher Geschäftsführer der GöH GmbH; Medizinischer Leiter der Telearztzentrum/ife Gesundheits AG,
Nehmten; Vorstandsmitglied der Ärztekammer SchleswigHolstein.
Dr. Thomas Scholz · Vorstandsmitglied des Bundesverbandes
Niedergelassener Diabetologen (BVND) e. V., Heidenheim an
der Brenz; seit 1986 niedergelassener Facharzt für Innere
Medizin und Diabetologe DDG, Berlin; berufspolitisch in der
KV Berlin und im Hartmannbund aktiv.
Prof. Dr. Thomas Schlegel · Seit 2005 Partner der Kanzlei für
Medizinrecht Prof. Schlegel, Hohmann, Mangold & Partner,
Frankfurt/ Main; Professor für Arzt- und Medizinrecht an der
Europa FH Fresenius und für International Pharmacoeconomics & Health Care an der University of Cardiff/UK; Geschäfts­
führer des Instituts für Gesundheitsökonomie und -recht.
Bernd Schulte · Ehemaliger Geschäftsführer der Städtisches
Krankenhaus Maria-Hilf Brilon gGmbH; Begründer des 5-Phasen-Modells von der Prävention über die ambulant/stationäre
Versorgung bis hin zur modifizierten Reha und Pflege inkl.
Psychosomatik und ASV zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum.
REFERENTEN UND MODERATOREN
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Andreas Schwark · Seit 2005 Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg,
Potsdam; Facharzt für Allgemeinmedizin.
Sebastian Vorberg, LL.M. · 2012 Gründung und seitdem Vorstandssprecher des Bundesverbandes Internetmedizin; 2011
Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Qualität in der
Onkologie; 2002 Gründung und seitdem Partner der Kanzlei
Vorberg & Partner, Hamburg; Dozent für Krankenhausrecht
an der Hochschule Hannover; Fachanwalt für Medizinrecht.
Ralf Sjuts · Seit 2011 Vorstandsvorsitzender der patiodoc AG,
Berlin, und Stv. Vorstandsvorsitzender im Bundesverband
Managed Care e. V.; zuvor Leiter des Ganzheitlichen Gesundheitsmanagements der Volkswagen AG, Leiter GesundheitsWirtschaft der Wolfsburg AG und Vorstandsvorsitzender der
Deutschen BKK.
Dr. Veit Wambach · Seit 2011 Vorsitzender der Agentur deutscher Arztnetze e. V.; seit 2010 Stellvertretender Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes, Berlin; seit 2005 Vorsitzender der Qualität und Effizienz eG, Nürnberg, seit 1997 des
Praxisnetzes Nürnberg Nord e. V.; seit 1987 niedergelassener
Facharzt für Allgemeinmedizin, Nürnberg.
Dr. Klaus Steinmeyer-Bauer · Seit 2011 Prokurist und Mitglied
der Geschäftsleitung der VAMED Management und Service
GmbH Deutschland, Berlin; zuvor Kaufmännischer Leiter des
CharitéCentrums 7 für Anästhesiologie, OP-Management und
Intensivmedizin sowie OP-Manager und Oberarzt der Klinik
für Anästhesiologie des Klinikums Leverkusen.
Nicolaus Widera · Seit 2013 Geschäftsführer der Caterna Vision GmbH, Berlin; freiberuflicher Journalist; zuvor im Produktmanagement und der Unternehmenskommunikation des
Caterna-Ausgründungsunternehmens der TU Dresden tätig;
Studium der Kommunikations- und Kulturwissenschaften.
Dr. Klaus Stöckemann, MBA · 2008 Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Peppermint VenturePartners GmbH
sowie Managing Partner des Peppermint Charité Biomedical
Fonds, Berlin; zuvor General Partner im Healthcare Team von
3i plc., Director Business Development bei Asta Medica und
Senior Manager Business Development der Schering AG.
Kay Wilke-Schultz · Seit 2010 Leiter des Unternehmensbereichs Pflege – Verträge/Qualitätsmanagement der AOK
Nordost, Potsdam; zuvor im Bereich Pflege und im Justiziariat
der AOK Berlin sowie als Rechtsanwalt für Arzthaftung und
Medizinrecht tätig.
Roger Sturm · Geschäftsführender Gesellschafter der QB International GmbH; Schatzmeister von Gesundheitsstadt B
­ erlin
e.V.; Leiter des Hauptstadtbüros des Verbandes Deutscher
Dental-Software Unternehmen e. V.; zuvor Direktor der Delbrück & Co. Privatbankiers, Treasurer der DaimlerChrysler UK
Holding plc, London/ Großbritannien.
Matthias Wöhr · Seit 2012 Manager Sales & Business Development eHealth & medicalIT der MicroNova AG, Vierkirchen;
zuvor freiberuflicher Unternehmensberater im Gesundheitswesen, Schwerpunkt: Kooperationsentwicklung und Selektivverträge.
Dr. Ulrich Tappe · Seit 2012 Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie und Hepatologie und seit 2009 Departmentsleiter
der St. Barbara-Klinik Hamm GmbH; seit 2007 niedergelassener Gas troenterologe des Ärztezentrums Hamm Norden;
Facharzt für Innere Medizin.
Martin Zausinger · Seit 2013 HR-Manager International der
Parfümerie Douglas International GmbH, Hagen, Schwerpunkt: Konzeption und Implementierung globaler HR-Strategien; zuvor Personalreferent der DOUGLAS HOLDING AG und
Mitarbeiter im Projektmanagement der Parfümerie Douglas;
Wirtschaftswissenschaftler mit Schwerpunkt Personal und
Organisation.
Dr. Anna Katharina Trocha · Seit 2011 Stellvertrende Leiterin
des Diabetes-Zentrums der Elisabeth-Krankenhaus Essen
GmbH; seit 2010 Vorstand der AG Fuß; seit 2009 Sprecherin
des Fußnetzes Essen.
Michael Uhlig · Seit 2006 Team- bzw. Bereichsleiter der CURA
Seniorenwohn- und Pflegeheime Dienstleistungs GmbH, Berlin, Schwerpunkte: konzeptionelle Begleitung der Pflegeeinrichtungen, Netzwerkarbeit sowie Entgelt- und Versorgungsvertragswesen.
Dr. Peter Velling · Vorstandsmitglied des Bundesverbandes
Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren –
Integrierte Versorgung e. V., Berlin; seit 2009 Ärztlicher Leiter
der MVZ gGmbH der Ev. Lungenklinik Berlin; zuvor Vertragsarzt in einer Gemeinschaftspraxis für Innere Medizin, Bonn;
Facharzt für Innere Medizin.
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KAPITEL
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AUSBLICK
Und wie geht es nun weiter? Nach den ersten 99 Tagen der Großen Koalition wagte der Kongress eine Prognose über die weitere Gesundheitspolitik. Und Studierende von heute und einst diskutierten über das Berufsbild des Arztes von morgen. Denn er wird in Zukunft – im Netz und persönlich – gebraucht.
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AUSBLICK
7
„Macht den Arztberuf wieder sexy!“
Generation Y – Zukunft des Arztberufes
„Arbeitslos als Arzt – das gab es bei uns nicht“, so Prof. Dr. Christian Schmidt, Vorstandsvorsitzender
und ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock. Und auch sonst hat sich so einiges geändert,
seit Schmidt in den 90ern approbierte. Wie die Zukunft des Arztberufes aussehen kann, darüber mach­
ten sich bei den Gesundheitsnetzwerkern Christian Kraef, Präsident der Bundesvertretung der Medizin­
studierenden in Deutschland e. V., Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer,
Dr. Peter Velling, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Medizinischer Versorgungszentren, und Prof.
Dr. Christian Schmidt Gedanken.
Christian Kraef gehört mit seinen 24 Jahren zur Generation Y. Der Präsident der Bundesvertretung der Medizinstudierenden e. V. fordert für sich und seine Mitstudierenden nicht einfach nur mehr Freizeit. „Unsere
Generation will sich selbst verwirklichen. Der Job ist
nicht nur Job.“ Der wesentliche Unterschied zu früher
bestehe wohl darin, dass man heute in einer Zeit des
Ärztemangels solche Wünsche und Forderungen eher
artikulieren und vielleicht auch durchsetzen könne.
Die Studierenden wünschen sich vernünftige Arbeitsplätze, sie wollen eine gute Medizin machen und haben auch ihre Karriere im Blick. Allerdings nicht auf
Arbeitsplätzen wie dem „Einzelkämpfer auf dem Lande“, das sei einfach nicht mehr zeitgemäß. „Wir sind
Teamspieler – das gilt auch im Klinikalltag in dem
noch immer hierarchische Strukturen gelebt werden.“
Wenn von den älteren Kollegen vom schönsten aller
Berufe geredet werde, könne er nur entgegnen:
Schafft die Bedingungen dafür, macht den Arztberuf
wieder sexy!
Prof. Dr. Christian Schmidt, Vorstandsvorsitzender
und ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin Rostock, sieht die junge Generation privilegiert. Ohne
wesentliche Arbeitslosigkeit mit vielen früher unbekannten Selbstverständlichkeiten ausgestattet, lasse
sich gut und selbstbewusst eine geregelte Arbeitszeit
oder -teilzeit einfordern. Das beschleunige natürlich
auch den Ärztemangel. Er beobachtet bei jungen Bewerbern folgende Prioritäten: gutes Arbeitsklima vor
breiter und strukturierter Ausbildung vor Familienfreundlichkeit. „Welche Klinik das und mehr bietet,
wissen die jungen Kollegen aus den PJ-Foren. Da
steht, welcher Chefarzt cholerisch ist oder mit welchen Problemen man sich besser an die Schwester
denn an den Oberarzt wendet“, so Schmidt. Die Kliniken täten gut daran, sich dieses Wissensvorsprungs
im Klaren zu sein und daran zu arbeiten. „Der Krankenhausmarkt wird sich in Zukunft am Wettbewerb
ums Personal entscheiden.“
„Die vorgelebte Begeisterung für viele Nachtdienste
und 60-Stunden-Wochen waren damals schon unvernünftig und sind für die Generation Y heute unverständlich“, so Dr. Peter Velling, Vorstandsmitglied des
Bundesverbandes Medizinischer Versorgungszentren.
Eine Karriere müsse sich aber auch diese Generation
noch abholen, die würde nicht geliefert. „Was Arbeitgeber liefern können, sind klare Ziele und Perspektiven, eindeutige und verlässliche Curriculen und eine
praxisnahe Ausbildung mit Kooperationen auch in
ambulanten Einrichtungen. Wir müssen den Arztberuf
wieder so facettenreich darstellen und erlebbar machen, wie er ist.“
71
7
AUSBLICK
„Das sind doch unsere Kinder“, stellte Prof. Dr. Frank
Ulrich Montgomery, Ärztepräsident, fest. Die seien
genauso hoch motiviert und bereit zu arbeiten, wie
die Generationen zuvor. Neu sei nur ihre Chance, die
Rahmenbedingungen zu verändern. Junge Ärzte seien zu Recht nicht mehr bereit, ihr Leben allein nach
den Wünschen von Kliniken oder großen Anforderungen von Praxen auszurichten. Man müsse ihnen letzt-
Aus- und Weiterbildung benannten die Diskutanten
unisono als eine der großen Baustellen des Medizin­
studiums. Christian Kraef: „Vor allem in der allgemei­
nmedizinschen Ausbildung kommt in der Positionierung und Selbstdarstellung schlecht weg. Dagegen dominieren Chef(fach)ärzte in der Ausbildung.“
Vor allem Jammern über schlechte Bedingungen in
der Allgemeinmedizin würde wahrgenommen, Über-
Dr. Uwe K. Preusker, Christian Kraef, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, Prof. Dr. Christian Schmid, Dr. Peter Velling
lich die Arbeitsplätze schaffen, die sie haben wollen.
„Unsere Aufgabe ist es, den anfänglichen Drive, mit
dem die jungen Menschen ihr Studium beginnen, bis
zum Ende aufrecht zu erhalten“, so der Chef der BÄK.
Dazu gehöre auch die Lebensbildung der Generation
Y. Montgomery: „Medizin braucht mehr als Intellekt,
sondern Lebens- und Menschenerfahrung.“ So täte
man gut daran nicht nur das Assesement als Auswahlkriterium für das Studium zu nutzen, sondern
auch die soziale Kompetenz. „Ein Abidurchschnitt von
1,0 reicht nicht, um in diesem Beruf durchzuhalten
und der Beste zu werden.“
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zeugung könne aber nur über Qualität erreicht werden. Pflichttätigkeiten in der Allgemeinmedizin lehnte
­Kraef allerdings als Gegenmaßnahme kategorisch ab.
Frank Ulrich Montgomery stimmte dem jungen Kollegen zu: „Wir haben den Beruf schlechtgeredet, Themen wie Regress haben sich in die Köpfe der Generation Y eingepflanzt. Nun ist es an uns zu vermitteln,
dass der Arztberuf der Beste und Schönste ist.”
„Früher hieß es mal Arztkunst”, so Peter Velling. Das
Arztsein war also etwas persönliches. „Wir müssen
wieder dahin kommen, dass der Arzt als Person vom
Patienten wahrgenommen wird. Dann haben wir
auch kein Problem, Nachwuchs zu rekrutieren.“
AUSBLICK
7
Gesundheitsprognose für die Große Koalition
Journalisten diskutieren über Merkels Gesundheitspolitik
Am 26. März 2014 war die neue Bundesregierung 99 Tage im Amt. Die Parlaments-Korrespondenten in
Berlin haben den Mitgliedern im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel in der Zeit genau auf die Finger
geschaut und zogen für die Gesundheitsnetzwerker ein erstes Resümee. Helmut Laschet (ÄrzteZeitung),
Ingo Bach (Tagesspiegel), Dr. Stephan Balling (Bibliomed), Bernhard Hoffmann (kompart Verlag) und
Kirsten Gaede (kma) diskutierten auf dem Kongress-Podium Fragen wie: Gibt es eine lesbare Handschrift
in der Gesundheitspolitik unter Minister Gröhe? Und welche Perspektiven und Ziele sind realisierbar?
Kirsten Gaede
Helmut Laschet, Ingo Bach
„Die Handschrift in der Gesundheitspolitik ist sozialdemokratisch“, sagte Kirsten Gaede, kommissarische
Chefredakteurin des Gesundheitswirtschaftsmagazin
kma. „Die Niedergelassenen müssen etwa in der Wartezeitenregelung Einschnitte hinnehmen, das Krankenhausthema ist auf Qualität beschränkt und Kommunen können Träger von MVZ sein.“ Dass Patienten,
sollten sie länger als vier Wochen auf einen Facharzttermin warten, von Klinik-Ärzten versorgt werden
dürfen, kritisierte Helmut Laschet, Ressortleiter Gesundheitspolitik der ÄrzteZeitung. „Die Kliniken haben doch schon jetzt einen Facharztmangel. Wie sollen die das sichern oder Sprechstunden in einer
Ambulanz organisieren?“ Ingo Bach, verantwortlicher
Redakteur beim Tagesspiegel, nahm die Patientenper-
spektive ein und kritisierte das Fehlen von belastbaren Zahlen in dieser Debatte: „Von der Politik wird der
Facharztmangel immer in Frage gestellt. Dennoch haben die Patienten das Gefühl, sie sind nicht gut versorgt und müssen wochenlang auf einen Arzttermin
warten.“ Für ihn hat die Große Koalition zumindest
das Problem erkannt, dass es gravierende Unterschiede zwischen der Situation in der Stadt und auf
dem platten Land gibt. „Aber ansonsten ist in der Gesundheitspolitik noch nicht viel passiert“, so sein Eindruck. „Erstaunlich ist da bespielsweise, wie problematisch etwa die Gespräche über die Haftpflichtversicherung der Hebammen geführt werden. Da frage
ich mich schon, welche Lobbyarbeit betrieben wird.“
73
7
AUSBLICK
Bernhard Hoffmann, Chefredakteur Aktuelles und Internet beim kompart Verlag, begrüßte, dass die Koalition endlich das brennende Gesellschaftsthema Pflege
und Qualität angegangen ist. „Wie und was dann letzt­
endlich ausgestaltet und umgesetzt wird, werden wir
sehen.“ Genau darin sieht Stephan Balling, Hauptstadt-Korrespondent des Bibliomed-Verlags, das eigentliche Problem: Es werde viel gesagt, aber nicht
wirklich etwas getan. „Die Kontinuität der Regierung
wird durch Arbeitsgruppen geschaffen. Aber wie effektiv die Arbeit darin ist, ist fraglich.“ Er sehe nicht,
dass in der Großen Koalition mehr als ein Bericht dabei rauskommt, statt notwendige Handlungsvorgaben zu entwickeln. Und er benannte auch den Grund
dafür. „Noch ist zu viel Geld im Gesundheitssystem,
um aus der Not heraus handeln zu müssen. Auch der
Arbeitsmarkt wurde erst reformiert bei sechs Millionen Arbeitslosen.“ Dem wiedersprach Helmut Laschet
in dem Amt“, so Kirsten Gaede. Dass Kompetenz bei
der Ministerwahl keine Rolle spielt – das sei überraschend, befand Bernhard Hoffmann. „Offensichtlich
sieht man das Ressort als eines, das man auch ohne
Kompetenz führen kann. Ob Herr Gröhe Interesse an
dem Thema hat, wird sich noch zeigen.“ Was er ­Gröhe
zutraue sei, das Haus zu organisieren. „Gröhe war
Staatssekretär. Politisches Management ist ihm daher nicht fremd.“ Es hätte nach Ansicht von Stephan
Balling einen besseren Mann für das Amt gegeben:
„Spahn wäre schon eine bessere Wahl als Bahr gewesen. Allerdings macht mich noch stutziger, wer in der
zweiten Reihe des Ministeriums agiert. Bis auf Annette Widmann-Mauz ist dort niemand mit gesundheitspolitischem Hintergrund zu finden.“ Zumindest
sei Gröhe nicht beratungsresistent, so Kerstin G
­ aede:
„Die von Gröhe ins Leben gerufene ­Frühstücksrunde
mit Lauterbach und Spahn nutzt der Minister systema­
tisch.“ Das Gesundheitsresort ist ein wackeliges Parkett. Und so sei es tatsächlich fraglich, ob ein Mann
wie Gröhe im Haus die richtige Unterstützung habe,
so Helmut Laschet. „Viele kommen aus dem Familienministerium. Das finde ich kritisch.“
IMPRESSUM
Herausgeber:
BERLIN-CHEMIE AG
Abteilung Gesundheitsmanagement
Glienicker Weg 125, 12489 Berlin
Dr. Stephan Balling, Bernhard Hoffmann , Kirsten Gaede
mit dem Argument, dass in der Regierungsarbeit nicht
wesentlich ist, was das Gesetz auf den Weg bringt,
sondern was die Selbstverwaltung daraus mache.
Hier sah er viel mehr den Grund für einen Reform­
stau.
Über die Person des Gesundheitsministers konnte
keiner der Diskutanten ein (vorschnelles) Urteil fällen, wenngleich Hermann Gröhe natürlich auch für
die Journalisten eine überraschende Personalentscheidung war. „Jeder Gesundheitsminister war eine
Überraschung. Oder was qualifizierte die rentenpolitische Expertin Ulla Schmidt für den Job? Selbst Philipp Rösler war eine Überraschung – als erster Arzt
74
Verantwortlich i. S. d. P.:
Susanne Eble
Pia Maier
Tel.: 030 – 67 07 25 90
E-Mail: [email protected]
www.berlin-chemie.de
Redaktion:
Julia Richter
Fotos der Veranstaltung:
Hans Wiedl
Layout:
Göbel + Gröner Grafisches Atelier GmbH, Berlin
Druck:
druckpunkt, Berlin
Auflage: 2.500
Erscheinungstermin: September 2014
Vernetzen – was sagen Sie dazu, Herr Dr. Jäger?
Dr. Carsten Jäger ist Kaufmännischer Leiter und Prokurist der ANSB Consult GmbH. Er ist unter anderem für das
Management populationsorientierter Selektivverträge zuständig.
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Auf welche Versorgungs-Frag
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Ein Kongress ist gut, wenn:
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BERLIN-CHEMIE AG
Glienicker Weg 125, 12489 Berlin
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