Handlungsleitfaden Umsetzung Lohn

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Handlungsleitfaden Umsetzung Lohn
Fachbereich Handel
Handlungsleitfaden
Umsetzung Lohn- und Gehaltserhöhung
Einzelhandel 2002 (1)
Die neuen Tarifsätze mit der Erhöhung um 3,1 % rückwirkend ab .1.8. bzw. 1.9. sind unseren
Flugblättern in Verbindung mit den Lohn- und Gehaltstabellen zu entnehmen.
Für alle ArbeitnehmerInnen muß geklärt sein, in welche tarifliche Gehaltsgruppe bzw.
Lohngruppe sie eingruppiert sind.
1. Schritt
Ermittlung der bisherigen Lohn- und Gehaltszahlungen. Einsichtnahme in die Bruttolohn und gehaltslisten gemäß § 80 Absatz 2 BetrVG für Juli/August 2002 (für „Problemfälle“ liegt
Musterschreiben bei).
Herrschende Rechtsmeinung: Fotokopie oder vollständiges Abschreiben der Bruttolohn und gehaltslisten durch den Betriebsrat unzulässig. Therapie: Öfters mal vorbeikommen, nie alles
abschreiben.
2. Schritt
Ermittlung der bestehenden Verteilungsgrundsätze: Auswertung nach Lohn-/Gehaltsgruppen,
für welche Lohn- / Gehaltsgruppen bzw. bei welchen Beschäftigten wird wieviel übertarifliche
Zulage bezahlt?
3. Schritt
Ermittlung der Umsetzung der Tariferhöhung durch Einsichtnahme in die Bruttolohn- und gehaltslisten für August/September 2002.
Prüfen: Haben alle Beschäftigten, die ausschließlich Tarifgehalt bzw. -lohn erhalten, ihre
Tariferhöhung bezahlt bekommen? Hat der Arbeitgeber bei Beschäftigten, die übertarifliche
Zahlungen erhalten, die Tariferhöhung mit der übertariflichen Zahlung verrechnet?
Handlungsleitfaden / Umsetzung Lohn- und Gehaltserhöhung Einzelhandel 2002 (2)
4. Schritt
Liegt eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Verteilungsgrundsätze im Sinn des § 87
Absatz 1 Ziffer 10 BetrVG vor? (Siehe Beiblatt) Wenn ja, hat der Arbeitgeber beim Betriebsrat die
Zustimmung zur Veränderung der Verteilungsgrundsätze eingeholt? Liegt keine ausdrückliche
Zustimmung des Betriebsrates durch einen ordentlichen Betriebsratsbeschluß vor:
5. Schritt
Ordentliche Beschlußfassung im Betriebsrat: der Arbeitgeber wird aufgefordert, seine einseitige
Veränderung der Verteilungsgrundsätze im Sinne des § 87 Absatz 1 Ziffer 10 BetrVG rückgängig
zu machen mit der Folge, daß die Tarifgehälter und -löhne aller Beschäftigten um die tarifliche
Erhöhung angehoben werden müssen. Dazu den Arbeitgeber auffordern, schriftlich gegenüber
dem Betriebsrat und den betroffenen Beschäftigten zu erklären, daß eine Nachzahlung der
Tariferhöhung innerhalb einer vom Betriebsrat festgesetzten Frist erfolgt.
6. Schritt
Im Vorfeld mit Ver.di Fachbereich Handel Kontakt aufnehmen, um zu prüfen, ob eine
mitbestimmungspflichtige Veränderung der Verteilungsgrundsätze vorliegt und für die
Beschlußfassung zur Beauftragung des Anwaltes nähere Informationen einzuholen. Weitere
Informationen über die Frage Anrechenbarkeit von Zulagen aus individualrechtlicher Sicht.
7. Schritt
Wenn der Arbeitgeber keine Zusage über die Auszahlung der Tariferhöhung macht, ordentliche
Beschlußfassung im Betriebsrat über die Beauftragung eines Rechtsanwaltes, der für den
Betriebsrat am Arbeitsgericht ein Verfahren einleitet. Zielsetzung des Verfahrens: dem
Arbeitgeber wird untersagt, einseitig Verteilungsgrundsätze zu verändern. Folge: die
Tariferhöhungen müssen vom Arbeitgeber bezahlt werden. Die Kosten des Verfahrens und des
Anwaltes trägt der Arbeitgeber.
8. Schritt
Einzelne Kolleginnen und Kollegen informieren über Möglichkeiten der Anrechenbarkeit von
Zulagen. Aus individualrechtlicher Sicht sind z.B. Leistungszulagen und/oder Erschwerniszulagen
nicht anrechenbar. Wichtig: Arbeitsverträge überprüfen! Unterstützung für alle Kolleginnen und
Kollegen, die Mitglied bei Ver.di sind, über unser Büro anbieten.
9. Schritt
In der Belegschaft über Aushang und persönliche Gespräche über das Vorgehen des
Betriebsrates informieren. Schreiben des Betriebsrates an die Geschäftsführung in Kopie zur
Kenntnis für die Belegschaft an das Schwarze Brett und/oder Betriebsrats-Info für die
Belegschaft.
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Handlungsleitfaden / Umsetzung Lohn- und Gehaltserhöhung Einzelhandel 2002 (3)
Umsetzung Tariferhöhung Einzelhandel 2002
Musteranschreiben Einsichtnahme in die Bruttolohn und gehaltslisten
gemäß § 80 Absatz 2 BetrVG
An die Geschäftsleitung
......................................
......................................
......................................
(Datum).............. 2002
Einsichtnahme in die Bruttolohn und -gehaltslisten
Sehr geehrte Damen und Herren,
um die Umsetzung der Tariferhöhung im Einzelhandel 2002 zu
überprüfen, möchten wir gemäß § 80 II BetrVG in die Bruttolohn und -gehaltslisten einsehen.
Wir fordern Sie daher auf, uns bis ......................... (Datum) Einsicht zu gewähren.
Mit freundlichen Grüßen
.......................................
Betriebsrat; Vorsitzende/r
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Handlungsleitfaden / Umsetzung Lohn- und Gehaltserhöhung Einzelhandel 2002 (4)
Umsetzung Tariferhöhung Einzelhandel 2002
Das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Absatz 1 Ziffer 10
BetrVG
bei der Anrechnung von übertariflichen Zahlungen auf die
Tariflohn-/gehaltserhöhung
Entscheidung des BAG GS 1/90 und GS 2/90, Beschluß vom 3.12.1991
1)
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht, soweit keine tarifliche Regelung
vorliegt (§ 87 I S. 1 BetrVG).
2)
Grundsatz: keine Mitbestimmung beim Volumen der Zulagen (Dotierungsrahmen,
„Topftheorie“). Mitbestimmungsrecht besteht aber, wenn sich die Verteilungsgrundsätze
ändern.
2.1)
Die Verteilungsgrundsätze ändern sich, wenn
2.1.1) die Tariflohnerhöhung unterschiedlich auf die Zulagen angerechnet wird
(z.B. bei einem/einer Arbeitnehmer/in im Gegensatz zu anderen keine
Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zahlung erfolgt oder
in unterschiedlicher Höhe angerechnet wird siehe unten)
2.1.2) ein bestimmter Prozentsatz der Zulagen mit der Tariflohnerhöhung
verrechnet wird, sofern die Zulage nicht in einem für alle gleichen einheitlichen
Verhältnis zum Tariflohn steht und dieser Tariflohn nicht um den gleichen
Prozentsatz erhöht wird,
2.1.3) die Tariflöhne durch die Erhöhung unterschiedlich angehoben werden
(Beispiel: untere Lohngruppen erhalten mehr), die Erhöhung aber gleichmäßig
mit den Zulagen verrechnet wird,
2.1.4) Sockelbeträge garantiert waren und die Anrechnung jetzt zu einer
Unterschreitung der Sockelbeträge führt.
2.2)
Die Verteilungsgrundsätze ändern sich nicht, wenn
2.2.1) eine volle, gleichmäßige Anrechnung auf die Zulagen aller erfolgt
2.2.2) durch die Anrechnung alle Zulagen gleichmäßig entfallen
(Volumenreduktion auf Null), es sei denn, dass dadurch das
Mitbestimmungsrecht des BR umgangen
werden soll.
Eine solche Umgehung liegt dann vor, wenn zunächst „gleichmäßig
angerechnet“ wird, binnen eines Halbjahres aber einzelne Beschäftigte wieder
die ursprüngliche, höhere Zulage erhalten. Da kann man sich nach ein paar
Monaten nochmals die Bruttolohn und -gehaltslisten ansehen, um zu
überprüfen, ob die Anrechnung teilweise wieder aufgehoben wurde.
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Handlungsleitfaden / Umsetzung Lohn- und Gehaltserhöhung Einzelhandel 2002 (5)
Umsetzung Tariferhöhung Einzelhandel 2002
Musterschreiben an den Arbeitgeber wegen einseitiger
Veränderung der Verteilungsgrundsätze gemäß § 87 Absatz
1 Ziffer 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
Betriebsrat
Ort, Datum
Geschäftsführung
Umsetzung der Tariferhöhung im Einzelhandel 2002
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei der vom Betriebsrat vorgenommenen Einblicknahme in die Bruttolohn- und -gehaltsliste
mussten wir feststellen, daß Sie, ohne vorher den Betriebsrat zu beteiligen, übertarifliche
Zahlungen mit der tariflichen Erhöhung laut Tarifabschluß vom ...................... verrechnet
haben.
Betroffen sind die ArbeitnehmerInnen
1)___________________________; Kürzung der übertariflichen Zahlung um DM _____2)___________________________; Kürzung der übertariflichen Zahlung um DM _____3)___________________________; Kürzung der übertariflichen Zahlung um DM _____Damit verändern Sie die Verteilungsgrundsätze innerhalb der betrieblichen Lohn- und
Gehaltsgestaltung ohne die Zustimmung des Betriebsrates. Dieses ist unzulässig. Diese
Veränderung unterliegt der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates gemäß § 87
Absatz 1 Ziffer 10 BetrVG.
Wir fordern Sie auf, die Kürzungen der übertariflichen Zahlungen bei den oben genannten
ArbeitnehmerInnen unverzüglich zurückzunehmen. Die in der (Monat)-Abrechnung einseitig
gekürzten Differenzbeträge müssen den ArbeitnehmerInnen in voller Höhe nachbezahlt
werden. Diese Nachzahlung sowie Ihre Erklärung, daß Sie bis auf weiteres die übertariflichen
Zahlungen unverändert weiter leisten werden, erwarten wir bis zum ________________
gegenüber uns sowie in einem persönlichen Anschreiben an die oben genannten
ArbeitnehmerInnen.
Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, daß der Betriebsrat sich nach diesem Termin
gezwungen sieht, die Einhaltung der Mitbestimmung in diesem Bereich notfalls auch über ein
arbeitsgerichtliches Verfahren einzufordern. Entsprechende Vorsorgebeschlüsse hat der
Betriebsrat bei der letzten Betriebsratssitzung bereits gefaßt. Wir hoffen jedoch, daß Sie die
Differenzzahlungen für die Monate .......... bis .........2002 nachleisten und ab sofort die
übertariflichen Zahlungen ungekürzt weiter leisten und damit kein arbeitsgerichtliches
Verfahren notwendig wird.
Mit freundlichem Gruß
____________________
Betriebsrat; Vorsitzende/r
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