Angehörigenarbeit - eine Herausforderung für die Pflege.
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Angehörigenarbeit - eine Herausforderung für die Pflege.
Interdisziplinäre Sonder- bzw. Weiterbildung für Führungsaufgaben der mittleren Führungsebene SEMESTERARBEIT Kursbegleitung: Mag. Erika Stelzl Ausführende: DGKS Veronika Reuscher [email protected] Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung............................................................................................................ Seite 2 2. Altwerden in der heutigen Zeit ........................................................................... Seite 3 2.1. Die familiäre Altenpflege ........................................................................ Seite 3 2.2. Die stationäre Altenpflege ....................................................................... Seite 4 3. Der Angehörige in der stationären Altenpflege.................................................. Seite 5 3.1. Arten von Angehörigen ........................................................................... Seite 5 3.1.1. Delegierende Angehörige ............................................................ Seite 5 3.1.2. Pflegende Angehörige.................................................................. Seite 6 3.1.2.1. Distanzierende Angehörige ............................................ Seite 6 3.1.2.2. Aktiv pflegende Angehörige .......................................... Seite 7 3.1.2.3. Psycho-sozial stabilisierende Angehörige...................... Seite 8 3.2. Die Situation der Angehörigen ................................................................ Seite 9 3.3. Die Bedeutung der Angehörigen für den Bewohner ............................... Seite 10 3.3.1. Die Art der Beziehung ................................................................ Seite 10 3.3.2. Die Qualität der Beziehung.......................................................... Seite 10 3.3.3. Loslösung von zuhause................................................................ Seite 11 3.4. Angebote für die Angehörigen ................................................................ Seite 11 3.4.1. Gezielte Informationen ................................................................ Seite 11 3.4.2. Entwickelte Arbeitsformen .......................................................... Seite 12 4. Die Angehörigenarbeit........................................................................................ Seite 13 4.1. Gründe für die Angehörigenarbeit........................................................... Seite 14 4.1.1. Angehörigenarbeit im Interesse der Bewohner ........................... Seite 15 4.1.2. Angehörigenarbeit im Interesse der Pflegenden.......................... Seite 15 4.2. Voraussetzungen für die Angehörigenarbeit ........................................... Seite 16 4.2.1. Kommunikationsfähigkeit ........................................................... Seite 16 4.2.1.1. Kommunikationsfähigkeit der Angehörigen .................. Seite 16 4.2.1.2. Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter ..................... Seite 17 4.2.1.3. Gesprächsatmosphäre ..................................................... Seite 17 4.2.2. Das geplante Erstgespräch ........................................................... Seite 17 4.2.3. Mitarbeitermotivation .................................................................. Seite 18 5. Angehörigenarbeit im Rahmen der Qualitätssicherung...................................... Seite 19 5.1. Das Leitbild und die Angehörigenarbeit ................................................. Seite 19 5.2. Angehörigenarbeit nach Standards .......................................................... Seite 19 5.3. Beschwerdemanagement ......................................................................... Seite 20 5.3.1. Umgang mit mündlichen Beschwerden....................................... Seite 21 5.3.2. Beschwerden an die Presse .......................................................... Seite 22 6. Zusammenfassung .............................................................................................. Seite 24 7. Literaturverzeichnis ............................................................................................ Seite 24 8. Erklärung ............................................................................................................ Seite 24 Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 1 von 25 1. Einleitung Angehörige werden in die Pflege sehr oft nicht einbezogen, sind aber ein wichtiger Faktor in der Betreuung und Pflege unserer Klienten und Bewohner. In meiner Arbeit möchte ich zeigen, dass dies nicht so sein muss, und wie notwendig es ist, sich mit diesem Thema „Angehörigenarbeit“ professionell auseinander zu setzen. Als Einleitung möchte ich auf die Themen „Alter“, „Angehörigenarbeit im Wandel“ und „Negatives im Pflegeheim“ kurz eingehen, weil ich glaube, dass diese Themen mit der Angehörigenarbeit unmittelbar in Verbindung stehen. Im Hauptteil setze ich mich mit der Situation der Angehörigenarbeit für den Pflegebereich auseinander und möchte die Fragen beantworten, wie wir professionell Angehörigenarbeit leisten können und welche Möglichkeiten es gibt, auf die Angehörigen besser einzugehen. Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 2 von 25 2. Altwerden in der heutigen Zeit Unsere Gesellschaft hat vom Alter und vom Altsein ein schlechtes Bild. Alter wird mit Defiziten verbunden. Der Verlust von Fähigkeiten und Gesundheit wird allgemein vorausgesetzt. Die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Altern wird verdrängt. Unüberlegt und pauschal werden mit dem Adjektiv „jung“ positive und mit dem Adjektiv „alt“ negative Wertschätzungen verbunden. Ein Grund für die Veränderung der Wertschätzung gegenüber den „Alten Weisen“ liegt darin, dass die Art ihres Wissens von den Jüngeren nicht mehr so dringend benötigt wird. Früher gab es zwischen der Lebensweise und der Arbeit der verschiedenen Generationen wenig Veränderung. Die Gesellschaft hat sich verändert. So sind wir in der Zwischenzeit eine hoch spezialisierte Informationsgesellschaft geworden, in der berufliche Erfahrungen unmittelbarer Vorfahren oft nicht benötigt und teilweise sogar als veraltet und nicht mehr notwendig empfunden werden. Wer beurteilt eigentlich die Wertesysteme unserer Gesellschaft? Sind es die Jüngeren oder die Anderen? Jeder von uns strickt in dieser Anschauung mit, und vergisst bei der geringen Wertschätzung gegenüber dem Alter, dass wir alle alt werden. ( http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil1.htm, Seite 1-2 22.01.2003) 2.1. Die familiäre Altenpflege Vor wenigen Generationen war die familiäre Altenpflege dadurch geprägt, dass die Familie ihre Älteren selber pflegen und versorgen musste. Sie hatte für diese Aufgabe so gut wie keine Hilfe von außerhalb. So war die Versorgung auch mehr oder weniger gut. Sie oblag den Frauen der Großfamilie. Grundvoraussetzung dafür war einerseits die Familienstruktur der Großfamilie, die sich über die Generationen gleich bleibend oder nur gering veränderte. Die Kontinuität des landwirtschaftlich dominierten Lebensraums, der räumlichen Voraussetzungen, und der Rolle der einzelnen Mitglieder der Familie ließen kaum Zweifel an dieser Form der Betreuung pflegebedürftiger Angehörigen aufkommen. Diese Art der Altenpflege in der Familie wird bis heute noch als Generationsvertrag idealisiert. Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 3 von 25 Sicher ist, dass mit der Entwicklung zur Kleinfamilie Probleme der Isolation und Vereinsamung bei den alten Menschen zugenommen haben. Die alten Menschen schätzen die große Autonomie und Unabhängigkeit. Die Struktur der Gesellschaft und die Lebensbedingungen für das Individuum veränderten sich in diesem Jahrhundert wie in noch keinem vorher. Faktoren hierfür waren oder sind bis heute: ♦ Die Industrialisierung ♦ Die Weltkriege ♦ Gesellschaftliche Veränderungen, die zu persönlichen Veränderungen führten, z. B. durch Frauenbewegungen, Jugendbewegungen, veränderte Einstellungen gegenüber Minderheiten und Rassen, ein verändertes Umweltbewusstsein usw. Der Wandel der Gesellschaft hat auch die familiäre Altenpflege verändert. So haben sich Familienstrukturen verkleinert bis hin zum Singlehaushalt, natürlich auch mit räumlichen Konsequenzen. Die Möglichkeit vor allem auch für Frauen erwerbstätig zu sein und die Art der Erwerbstätigkeit hat sich grundlegend verändert. Familien sind in den seltensten Fällen noch als Großfamilien organisiert. So leben die Eltern bevor sie pflegebedürftig werden in aller Regel meist für sich selbst. (http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil2.htm Seite 1-2 22.01.2003) 2.2. Die stationäre Altenpflege Das Pflegeheim ist der Lösungsversuch der Gesellschaft, eine problematische Lebenssituation – die Pflegebedürftigkeit – zu meistern, wenn sie privat in der Familie oder im Umfeld nicht mehr geleistet werden kann. Es besteht in der Gesellschaft der Konsens darüber, dass sie eine emotionale, bzw. soziale Verpflichtung hat, ihren schwächsten Mitgliedern in ihren Notlagen zu helfen. Dabei entsteht immer wieder der Konflikt, zwischen den Interessen des Betroffenen und den allgemeinen wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft. Darauf basiert die Ansicht, dass die Hauptlast der Betroffene selber und seine Angehörigen tragen sollen. Als letzte Lösung wird die Unterbringung in einer stationären Einrichtung befürwortet. Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 4 von 25 3. Der Angehörige in der stationären Altenpflege „Angehöriger ist nicht gleich Angehöriger! Angehörige sind keine homogene Gruppe. Sie bringen unterschiedliche Fähigkeiten und eine unterschiedliche Bereitschaft mit.“ (http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil3.htm Seite 5, 22.01.2003) 3.1. Arten von Angehörigen Die Pflegewissenschaft hat eine Einteilung in verschiedene Gruppen von Angehörigen vorgenommen: delegierende und pflegende Angehörige mit ihren jeweiligen Untergruppen. So verschieden wie die Angehörigen sind, so verschieden sind auch die für sie zu konzipierenden Angebote vonseiten der Einrichtung. (vgl. Daneke 2000, Seite 152-153) 3.1.1. Delegierende Angehörige Zu den delegierenden Angehörigen wird nach aktueller Forschung rund ein Viertel der Angehörigen gezählt. Der Umgang mit ihnen ist für die Mitarbeiter mitunter schwierig. Die Angehörigen wollen die Leistungen des Heimes kontrollieren und bewerten, haben aber meist nur wenig Kenntnisse und Einblick in die Arbeit des Personals. Sie werden schnell zu so genannten notorischen Nörglern und bei den Mitarbeitern unbeliebt. Konflikte entstehen, man redet nur mehr das Notwendigste miteinander, dafür umso mehr übereinander. (vgl. Daneke 2000, Seite 153) „Diese Angehörigen verstehen und nutzen das Heim primär als Serviceeinrichtung. Delegierende Angehörige kommen unregelmäßig und sehen ihr Hauptaugenmerk in der Überwachung und Bewertung von Pflegeleistungen.“ (http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil3.htm Seite 5, 22.01.2003) Für den Umgang gibt es folgende Möglichkeiten: Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 5 von 25 ♦ Information über die Arbeitsinhalte der Mitarbeiter und der Einrichtung insgesamt, ♦ Einladung der Angehörigen zur aktiven Teilnahme an der Pflegeplanung für ihr Familienmitglied, ♦ Führung durch das Haus mit seinen Bereichen. So sehen, hören und erfahren sie die Arbeit der Pflegekräfte und bemerken, dass diese mit viel nicht sichtbarer aber sich positiv auswirkender Arbeit verbunden ist. (vgl. Daneke 2000, Seite 153) 3.1.2. Pflegende Angehörige Zu den pflegenden Angehörigen zählen rund drei Viertel der Angehörigen. Diese unterteilen sich in drei Untergruppen: ♦ „Distanzierende“ Angehörige ♦ „Aktiv pflegende“ Angehörige ♦ „Psycho-sozial stabilisierende“ Angehörige (vgl. Daneke 2000, Seite 155) „Die zweite Gruppe der Angehörigen sieht sich von ihrem Selbstverständnis her der Pflegeaufgabe verpflichtet. Ihre Ansprüche und Erwartungen an die Heimsituation sind für sie selber unklar. Sie haben hohe Anteile von Ambivalenz. Sie wollen bzw. müssen eine Aufgabe, der gegenüber sie sich emotional sehr verbunden erleben, abgeben und gleichzeitig behalten. Diese Gruppe lässt sich als jene identifizieren, die zu den regelmäßigen Besuchern gehören und ein intensives Sorgeerlebnis haben.“ (Urlaub Angehörigenarbeit in Heimen, Kuratorium Deutsche Altershilfe 1995, Seite 24) 3.1.2.1. Distanzierende Angehörige Distanzierende Angehörige sehen ihre Hauptaufgabe in der hauswirtschaftlichen Zusatzversorgung wie im Einkaufen, in der Finanzverwaltung oder in der Wäschepflege. Diese Angehörigen zeichnen sich oft durch eine gespannte Beziehung zum Bewohner aus, sie wollen oder können deren Wünsche, Bedürfnisse und Probleme nicht hören oder sich mit ihnen nicht auseinandersetzen. Häufig leiden beide Teile unter dem distanzierten Verhältnis, da die Beteiligten nicht richtig miteinander reden können. Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 6 von 25 In der Regel sind distanzierende Angehörige zwar regelmäßig aber doch eher selten im Heim anwesend und haben keinen Einblick in die dortigen Arbeitsabläufe. Im Umgang mit ihnen gibt es folgende Möglichkeiten: ♦ Information über die hauswirtschaftliche Versorgung im Heim ♦ Information über die Pflegesatzentwicklung ♦ Informationen zum Krankheitsbild der zu Betreuenden ♦ Aufklärung über die pflegerischen und betreuerischen Arbeitsabläufe ♦ Einladung, sich an der Pflegeplanung zu beteiligen ♦ Aufforderung, sich an Veranstaltungen zu beteiligen ♦ Behutsame Aufklärung über die Bedürfnisse des Bewohners in Bezug auf seine Erkrankung und die dafür notwendigen Pflegemaßnahmen durch die Mitarbeiter ♦ Ermunterung und Aufforderung zu Aktivitäten mit den Bewohnern (vgl. Daneke 2000, Seite 156) 3.1.2.2. Aktiv pflegende Angehörige Aktiv pflegende Angehörige haben den Bewohner bereits in der häuslichen Umgebung gepflegt. Deshalb kennen sie seine diesbezüglichen Wünsche und seine gesundheitlichen Probleme sehr genau, und sind durch die jahrelange Tätigkeit zu Experten der Pflege und Betreuung geworden. Dadurch dass viele dieser Angehörigen die Verantwortung für den Hilfsbedürftigen nach der Heimübersiedlung nicht abgeben können, sind sie fast täglich bis mehrmals täglich im Heim pflegend tätig. Dabei können energie- und zeitraubende Konflikte entstehen. Im Umgang mit ihnen gibt es folgende Möglichkeiten: ♦ Bestätigung, dass die Pflege und Verantwortung der Angehörigen in der Vergangenheit und jetzt durch die Mitarbeiter grundsätzlich anerkannt wird ♦ Erfahrungen sammeln lassen, dass sie nicht alles wissen können und tun müssen, um für das ihr Familienglied wichtig zu sein und von den Mitarbeitern anerkannt zu werden ♦ Aufklärung über das Krankheitsbild ihres Familienmitgliedes und die damit einhergehenden Veränderungen Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 7 von 25 ♦ in verständlicher Form und wiederholt Anleitung in pflegerischen Tätigkeiten ♦ Ermunterung, die direkten pflegerischen Aufgaben zu reduzieren und sich verstärkt auf die betreuerischen Aufgaben zu konzentrieren ♦ Einzelgespräche über ihre Gedanken, Sorgen und Wünsche. (vgl. Daneke 2000, Seite 157) 3.1.2.3. Psycho-sozial stabilisierende Angehörige „Diese Gruppe konzentriert sich auf die psychische Betreuung des Familienmitgliedes. Die Angehörigen sorgen insgesamt für die Aufrechterhaltung eines möglichst normalen Lebens und möglichst umfassenden Erlebens im Heim. Die Beziehung wird von Offenheit und menschlicher Nähe geprägt.“ (Daneke 2000, Seite 159) Da ihr Schwerpunkt auf der psychischen Betreuung liegt, bringen sie an den Besuchstagen sehr viel Zeit mit und gehen auf den Bewohner ein. Möglichkeiten im Umgang mit psycho-sozial stabilisierenden Angehörigen: ♦ Logistische Unterstützung bei ihren Vorhaben ♦ Psychische Unterstützung und Gesprächsangebote, um sich die Belastungen von der Seele reden zu können. Bei psycho-sozial stabilisierenden Angehörigen besteht eine gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung zwischen ihnen und den Mitarbeitern der Einrichtung. Angehörige können selten einer dieser Gruppen zugeordnet werden, in der Realität sind die Grenzen untereinander fließend. (vgl. Daneke 2000, Seite 159-161) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 8 von 25 3.2. Die Situation der Angehörigen Meistens pflegen Ehepartner, Kinder bzw. Schwiegertöchter oder -söhne, Geschwister, Schwägerin oder Schwager, Nichte oder Neffe, vereinzelt auch gute Freunde, Bekannte, Nachbarn oder andere Betreuungspersonen. In den meisten Fällen wird die Pflege von weiblichen Personen erbracht. Ihnen gegenüber ist ein sehr hoher geschlechtsspezifischer Erwartungsdruck vorhanden. Die Männer vertreten mehr die rationalen und sachlichen Ebenen, und sind mit juridischen und organisatorischen Problemen befasst. (vgl. http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil2.htm Seite 5-6 22.01.2003) „Wie ist es aber, wenn die Angehörigen ihren Pflegebedürftigen in einer stationären Einrichtung unterbringen? Meist kommt es dann zu einer Angst über die Bewertung ihrer Verhaltensweisen: ♦ Schuldgefühle gegenüber den pflegebedürftigen Eltern versagt zu haben entstehen. ♦ Was denkt die Umwelt über mich, weil ich meine alten pflegebedürftigen Eltern weggeben habe? ♦ Zerren die Heimkosten nicht unser Erbe auf? ♦ Welche Aufgaben gibt es für mich, wenn meine Eltern von fremden Menschen versorgt werden? Es kann aber auch ein befreiendes Gefühl für den Angehörigen sein, wenn der Patient in der häuslichen Atmosphäre zu dominant war (Eltern-Kind Beziehung). Diese Versagens- und Schuldgefühle prägen auch unseren Eindruck als Pflegeperson bei unserer Begegnungen mit ihnen. Wir erleben ihre Reaktion, die aus ihren nicht aufgearbeiteten Gefühlen resultiert.“ (http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil3.htm Seite 1-3 22.01.2003) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 9 von 25 3.3. Die Bedeutung der Angehörigen für den Bewohner Der Umzug des Familienmitgliedes in ein Pflegeheim ist laut meiner Erfahrung auch für die Angehörigen schwer zu bewältigen, selbst wenn die Beziehung offen und vertrauensvoll ist und der Einzug mit beidseitigem Einverständnis geschieht. Die Bedeutung des Heimbewohners für die Angehörigen hängt ab von: ♦ der Art der Beziehung zueinander (Eltern-Kind- oder Partnerbeziehung), ♦ der Qualität der Beziehung und ♦ der Tatsache, ob schon vor dem Heimaufenthalt Pflege und Betreuung geleistet werden musste. 3.3.1. Die Art der Beziehung zueinander Der Einzug ins Heim verändert die Beziehung zwischen Ehepartnern. Aus zwei gleichrangigen und unabhängigen Menschen werden in der Regel zwei ungleiche Teile. Der im Heim lebende Teil ist auf Hilfe angewiesen und daher abhängig. Dem anderen Teil fehlt der Partner in vielen Lebensbereichen (Sozial-, Freizeit-, Sexualpartner). Er muss mit den Anforderungen und Umstellungen alleine zurechtkommen. Auch für die Kinder verändert sich die Beziehung. Der Umzug ist deutliches äußeres Zeichen von Hilfebedarf. Die Eltern-Kind Abhängigkeit kehrt sich um. Früher haben sich die Eltern um die Kinder gekümmert, jetzt bedürfen die Eltern der Betreuung, der Fürsorge und der Liebe der Kinder, oft auch in finanzieller Hinsicht. Die Erfahrung ist: Den Eltern wird die eigene Vergänglichkeit und Abhängigkeit von den Kindern bewusst. Den Kindern wird die Vergänglichkeit der Eltern und ihrer selbst bewusst. (vgl. Daneke 2000, Seite 11-13) 3.3.2. Die Qualität der Beziehung War die Beziehung in der Vergangenheit von Gleichberechtigung geprägt wird die Entscheidung zur Heimübersiedelung wahrscheinlich gemeinsam stattgefunden haben. Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 10 von 25 Das partnerschaftliche Verhältnis bleibt bestehen, auch wenn einseitige Abhängigkeit eingetreten ist. Für ungleichrangige Beziehungen haben beide Teile füreinander eine große Bedeutung und Funktion. Deren Erfüllung wird durch den Heimeinzug zumindest reduziert. Es bleibt eine Lücke zurück, weil bestimmte Rollen nicht mehr abgedeckt sind. War die Beziehung ungleichrangig zu Lasten des Bewohners, so schlüpft dieser weitgehend aus der Opferrolle. War die Beziehung zu Gunsten des Bewohners, so muss sich der „draußen“ lebende Teil nicht mehr zurücknehmen. Er wird sich befreit fühlen und revanchieren wollen, eventuell durch Besuchsentzug. (vgl. Daneke 2000, Seite 11-13) 3.3.3. Loslösung Viele der jetzigen Bewohner haben jahrelang in der Obhut der Angehörigen verbracht. Sie stellten Aufgabe und Lebensinhalt für die Angehörigen dar. Diese Aufgabe ist mit dem Eintritt in ein Pflegeheim verschwunden, ein Loch tut sich auf, in das man zu fallen droht. (vgl. Daneke 2000, Seite 11-13) 3.4. Angebote für die Angehörigen 3.4.1. Gezielte Informationen Angehörige haben viele Fragen und Wünsche. Deshalb gibt es in vielen Einrichtungen zwei bis dreimal jährlich Informationsabende. Doch viele Angehörige haben weitgehend den Wunsch nach Einzelgesprächen. Man verspricht sich davon eine geringere Hemmschwelle und einen individuelleren Zugang zu den Angehörigen. Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 11 von 25 3.4.2. Entwickelte Arbeitsformen Maßnahmen, die nach außen gerichtet sind: ♦ Ausrichtung von Festen, wie jahreszeitliche feiern, Geburtstage und Jubiläen ♦ Tag der offenen Tür ♦ Einrichtung einer Begegnungsstätte ♦ Herausgabe von Broschüren und die Einbindung der Zielgruppen bei der Erstellung ♦ Informations- und Diskussionsveranstaltungen ♦ Befragung von Angehörigen Maßnahmen, die nach innen gerichtet sind: ♦ Einrichtung von Angehörigensprechzeiten ♦ Unterstützung von Angehörigenbeiräten ♦ Einrichtung von Angehörigengruppen ♦ Maßnahmen der Einbeziehung von Angehörigen in Pflege- und Betreuungstätigkeiten ♦ Eingehen auf Wünsche, Kritik, Anregungen und Anfragen von Angehörigen Die Informationsveranstaltungen sind ein Angebot in der Anfangsphase, ebenso die Zusammenarbeit bei der Einrichtung der Bewohnerzimmer. Die Angehörigen bleiben Teil des Außensystems. Die Rollen sind klar umrissen. In der Anfangsphase ist methodisch gesehen auch die Einzelberatung eine vielfältig genutzte Arbeitsform. Die Zusammenarbeit bei Festen und die Mitarbeit und Hilfe bei Ausflügen bedeutet eine Kooperationsform, die zum Innensystem gehört und nur gelingt, wenn entsprechende Rollen entwickelt werden können. Möglichkeiten zur Einbeziehung der Angehörigen müssen geschaffen werden. Das kann auch beim gemeinsamen Erstellen von Pflege- und Therapieplänen oder bei der Biographiearbeit geschehen. „Gruppenarbeit und Einzelberatung sind Arbeitsformen, die vielfältige Funktionen haben, im Wesentlichen der Situationsbewältigung der Angehörigen zugeordnet, also Hilfeformen, sind, jedoch auch umgekehrt der Konfliktberatung und der Kooperationsförderung dienen.“ (Urlaub Angehörigenarbeit in Heimen, Kuratorium Deutsche Altershilfe 1995,Seite 27) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 12 von 25 „In einer großen Anzahl von Heimen wird thematisch zentrierte Großgruppenarbeit praktiziert. Die Themen umfassen eine breite Palette und werden mehrheitlich als Fachvorträge über Krankheiten oder Rechtsprobleme gestaltet. Vielfach gelingt ein halbjährlicher Rhythmus.“ (Urlaub Angehörigenarbeit in Heimen, Kuratorium Deutsche Altershilfe 1995,Seite 29) Die verschiedenen Maßnahmen wirken sich in der Angehörigenarbeit positiv aus: ♦ Aufklärung über die wichtigsten Angelegenheiten ♦ Positive Beeinflussung des Verhältnisses zwischen Bewohnern und Angehörigen ♦ Steigerung der Arbeitsleichterung und der Mitarbeiterzufriedenheit durch den Wegfall von Reibungen ♦ Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern und Angehörigen ♦ Entkrampfung des oftmals gespannten Verhältnisses zu den Angehörigen ♦ Beitrag zum guten Ruf der Einrichtung und deren Auslastung ♦ Bindung der Angehörigen an die Einrichtung ♦ Positive Mundpropaganda durch Angehörige in der Öffentlichkeit ♦ Möglichst frühzeitiges Bemerken, Auffangen und Bearbeiten von Kritik von Angehörigen ♦ Weitgehende Vermeidung von Unzufriedenheit bei den Angehörigen mit den Leistungen des Anbieters ♦ Aufbau von Konkurrenzvorteilen für die Einrichtung damit sie im Wettbewerb bestehen kann. (vgl. Daneke 2000, Seite 147) 4. Die Angehörigenarbeit „Die Bedeutung der Angehörigen endet nicht mit der Aufnahme der Bewohner. Angehörige kommen zu Besuch, beteiligen sich mehr oder weniger an der Pflege und Betreuung der Hilfsbedürftigen, sprechen Mitarbeiter an, äußern Kritik, manchmal Lob. Die Mitarbeiter müssen sich mit den Angehörigen und ihren gerechtfertigten oder nicht gerechtfertigten Äußerungen auseinandersetzen, zwischen ihnen und den Angehörigen entwickelt sich ein Verhältnis. Dieses kann nichts sagend, durch Auseinandersetzungen bestimmt und negativ oder von Verständnis geprägt und positiv sein.“ Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 13 von 25 (Daneke 2000, Seite 144) Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil pflegerischer Arbeit. Pflegende haben dadurch viele Möglichkeiten mit Angehörigen in Kontakt zu treten. Pflegende sprechen in der Regel die gleiche Sprache und befinden sich häufig auf der gleichen sozialen Stufe wie die Angehörigen. Ziel der Kontaktaufnahme mit den Angehörigen muss sein, Begegnungsund Berührungsängste abzubauen. (http://.pflege-fortbildung.de/Angehörigenarbeit/Sucht.htm Seite 1 05.02.2003) „Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter können den Kontakt miteinander nicht vermeiden. Von einer offenen Begegnung könnten alle Seiten profitieren. Die Beteiligten haben eine positive Bedeutung füreinander.“ (Daneke 2000, Seite 9) So sind Angehörige der einzige kontinuierliche Faktor im Leben der Bewohner. Sie sind für die Bewohner das Bindeglied zwischen der eingeschränkten Lebenswelt Heim und der früheren, vertrauten und jetzt eingebüssten Welt „draußen“. Sie bedeuten für die Bewohner emotionale Sicherheit durch die Kontinuität in ihrer Beziehung, auch unabhängig von der Qualität der Beziehung. Um diesen Funktionen nachkommen zu können, ist die offene Auf- und Annahme der Angehörigen durch die Einrichtung notwendig. 4.1. Gründe für die Angehörigenarbeit Die Mitarbeiter müssen sich der Bedeutung der Angehörigen für die Bewohner bewusst sein und diese möglichst unterstützen. (vgl. Daneke 2000, Seite 10) „Gespräche mit dem Fachpersonal können Angehörigen wieder ein Selbstwertgefühl geben, das es ihnen schließlich leichter macht, persönliche Gefühle auszusprechen und sich dadurch selber Entlastung zu verschaffen. Es ist offenkundig, dass nicht nur der Patient Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 14 von 25 oder die Patientin professioneller Hilfe bedürfen, sondern eigentlich auch deren Angehörige. Nun sind Gespräche mit Angehörigen natürlich nicht gerade einfach. Sie erfordern viel Geduld und Zeit. Möglicherweise wird das Engagement Angehöriger auch als störend und besserwisserisch empfunden. Das Verhalten der Angehörigen ist aber eine Folge ihrer Angst, Sorge und selbstverständlich ihrer Unwissenheit, der Unwissenheit darüber `Wie geht es weiter?`, `Wie kann es überhaupt weiter gehen?` und `Welche Rolle kann ich als Angehöriger dabei spielen?`“ (http://www.pflege-fortbildung.de/Angehörigenarbeit/Angehöriger.htm Seite 1 5.2.2003) 4.1.1. Angehörigenarbeit im Interesse der Bewohner Viele unserer Bewohner sind bei der Aufnahme nicht in der Lage, die nötigen Informationen über sich, ihr Umfeld und ihre momentane Situation zu geben. Es ist daher bereits bei der Aufnahme sinnvoll, auch mit den Angehörigen Kontakt aufzunehmen und diesen während des Aufenthaltes weiterzuentwickeln. Durch Informationen vom Bewohner und dessen Angehörigen wird das Bild vom Bewohner, seinem Umfeld und den momentanen Problemen klarer und objektiver. Dies hat zur Folge, dass die Pflegeanamnese, die Pflegeplanung und somit die komplette Hilfe für den Bewohner gezielter und effizienter wird. 4.1.2. Angehörigenarbeit im Interesse der Pflegenden Für die Pflegenden bietet Angehörigenarbeit eine gute Möglichkeit, sich durch zusätzliche Informationen über den Bewohner und sein Umfeld ein umfassendes, relativ objektives Bild zu machen. Dadurch lassen sich die Defizite, aber auch die Ressourcen des Bewohners klar erkennen und in der Anamnese definieren. So kann die Pflegeperson gemeinsam mit dem Bewohner die Ziele für den Aufenthalt, aber auch darüber hinaus, klar herausarbeiten und in der Pflegeplanung dokumentieren. Sind die Probleme klar definiert, lassen sich auch die Ziele klar festlegen. (vgl. http://ww.pflege-fortbildung.de/Angehörigenarbeit/Gerontopsychiatrie.htm Seite 1-2 05.02.2003) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 15 von 25 4.2. Voraussetzungen für die Angehörigenarbeit 4.2.1. Kommunikationsfähigkeit Wie in jeder zwischenmenschlichen Beziehung spielt gerade in der Pflege die Kommunikation eine tragende Rolle. Sowohl verbale Äußerungen als auch die nonverbale Körpersprache bilden das Gerüst für die Dreiecksbeziehung Angehöriger – Bewohner – Mitarbeiter. 4.2.1.1. Die Kommunikationsfähigkeit der Angehörigen In der Kommunikation mit Mitarbeitern können Störungen und Probleme von Seiten des Angehörigen auftreten. Die Mitarbeiter müssen dadurch Konsequenzen für ihr Verhalten ziehen. Die Mitarbeiter passen ihre Handlungen den kommunikativen Voraussetzungen und Möglichkeiten der Angehörigen an und versuchen positiv-unterstützend Einfluss zu nehmen. Möglichkeiten der Beeinträchtigung der Kommunikationsfähigkeit der Angehörigen: • Intelligenz • nationale und kulturelle Sprachbarrieren • Stimmungs- und Gefühlslage • Sozial-kulturelle Aspekte Dies kann zu falscher Interpretation und zu Misstrauen führen. (vgl. Daneke 2000, Seite 29-31) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 16 von 25 4.2.1.2. Mögliche Kommunikationsprobleme unter den Mitarbeitern ♦ Geistige Aspekte ♦ Mitarbeiter drücken sich sprachlich unklar aus ♦ Desinteresse an der Angehörigenarbeit ♦ Mangelnde Beziehungsfähigkeit ♦ Zeitliche Grenzen ♦ Angehörige werden nicht als gleichrangige Gesprächspartner anerkannt ♦ Räumliche Aspekte - Gespräche zwischen Tür und Angel Die Folgen sind Missstimmigkeit und Unzufriedenheit. (vgl. Daneke 2000, Seite 31-35) 4.2.1.3. Gesprächsatmosphäre Für gewinnbringende Gespräche ist es wichtig, eine vertrauensvollen Beziehung aufzubauen. Dieses Aufbauen kann leichter in einer angenehmen Atmosphäre beginnen. Denn eine offene und warme Begegnung wird durch ein ansprechend gestaltetes Büro, durch Ruhe und Aufmerksamkeit gefördert. Deshalb ist die Gestaltung der Gesprächsatmosphäre äußerst wichtig. 4.2.2. Das geplante Erstgespräch Angehörigenarbeit beginnt mit der ersten Anfrage nach einem Heimplatz. Hier bedeutet Angehörigenarbeit Informationsweitergabe. Der Umgang mit den Angehörigen sollte bewusst gestaltet werden. Das beinhaltet auch, dass die Angehörigen erfahren, wer von den Mitarbeitern wofür zuständig, sowie wo und wann zu erreichen ist. (vgl. Daneke 2000, Seite149) Vor oder während des Einzuges in das Heim ist das Erstgespräch geradezu existentiell notwendig, da es für alle weiteren Begegnungen den Boden schafft. Wenn es gelingt, hier eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen ist es leichter, bei späteren Problemen und Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 17 von 25 Konflikten konstruktiv miteinander zu arbeiten. In diesem ersten Gespräch sollte das eigene Arbeitskonzept wie Leitbild oder Pflegemodelle vorgestellt werden, um von Anfang an Verständnis für die Arbeitsweisen und Methoden zu fördern. “Verstandene Angehörige sind verständnisvolle Angehörige.“ (Daneke 2000, Seite149) 4.2.3. Mitarbeitermotivation Grundsätzlich sind alle Mitarbeiter, die mit Angehörigen in Kontakt kommen, für die Durchführung von Begegnungen und Veranstaltungen zuständig. Natürlich können nicht alle alles machen. Letztlich muss sich jeder an seinem Platz um die Angehörigen bemühen, d.h. die Pflegekräfte in ihrer täglichen Arbeit mit den Bewohnern und in ihrem überwiegend alltagsbezogenen Kontakt mit den Angehörigen, sowie je nach ihren ausbildungsbezogenen und rhetorischen Fähigkeiten in kritischen Situationen. Ansonsten sind in aufsteigender Reihenfolge die Stationsleitung, die Pflegedienstleitung und die Heimleitung für Klagen und Wünsche je nach Themenbereich und Ausmaß zuständig. (vgl. Daneke 2000, Seite150) „Hat eine Person persönliches Interesse an etwas, so geht sie engagierter, ehrgeiziger, zielorientierter und ausdauernder in einen solchen Prozess als wenn es ihr egal ist.“ (Daneke 2000, Seite 136) Es gibt extrinsische (etwas wird von außen gefordert) und intrinsische (es ist einem ein inneres Bedürfnis) Motivation. Durch die Förderung der Mitarbeiter von Seiten der Vorgesetzten kann sich extrinsische in intrinsische Motivation verwandeln. Letztere ist wesentlich effektiver. (vgl. Daneke Angehörigenarbeit Urban und Fischer 2000,Seite 136) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 18 von 25 5. Angehörigenarbeit im Rahmen der Qualitätssicherung Wie in allen Dienstleistungsbereichen notwendig, so spielt auch in der Pflege Qualitätssicherung eine große Rolle. Dies wird in Leitbildern und in Standards sichtbar gemacht. 5.1. Das Leitbild und die Angehörigenarbeit Der Bewohner steht im Mittelpunkt des pflegerischen Handelns. Die Angehörigen gehören dazu. Angehörigenarbeit mit konzeptionellem Hintergrund steuert die Begegnung von Angehörigen und Mitarbeitern. Angehörigenarbeit ist etwas anderes als die zufällige Bewegung mit Angehörigen, der Begriff meint Arbeit für, an und mit Angehörigen. Diese Grundsätze sollten auch in einem Pflegeleitbild vorhanden sein. Angehörigenarbeit heißt einerseits, dass die Angehörigen Ziel der Arbeit der Einrichtungsmitarbeiter sind. Sie arbeiten für sie und an ihnen, andererseits arbeiten die Mitarbeiter mit ihnen (vgl. Daneke 2000, Seite 101-102) 5.2. Angehörigenarbeit nach Standards Standardisierte Angehörigenarbeit ist das Gegenteil von zufälliger, ungeplanter Angehörigen-Begegnung. Arbeit nach einem Standard heißt planen, mit Voraussehung, vorbereitet, organisiert und strukturiert arbeiten. Standards enthalten die mit ihnen verknüpften Wertvorstellungen der bearbeiteten Gruppe in Bezug auf ihre Arbeit. Sie werden schriftlich niedergelegt und sind für alle einsehbar. Dies bedeutet: ♦ Nichts dem Zufall überlassen ob ein gutes oder schlechtes oder nicht vorhandenes Verhältnis mit Angehörigen besteht, ♦ Voraussetzungen für ein konstruktives Verhältnis schaffen, ♦ Allgemein gültige Verhaltensmaßregeln aufstellen und befolgen, ♦ Bewusst planen und handeln, Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 19 von 25 ♦ Theoretisches Hintergrundwissen in der Praxis einbauen, Austausch und Kooperation von Theorie und Praxis. (vgl. Daneke2000, Seite 102-103) 5.3. Beschwerdemanagement Beschwerden sind Chancen für ein Heim. Es wird den Mitarbeitern mitgeteilt: „Hier stimmt etwas nicht“. Dies ist entweder ein Sachverhalt oder die Angehörigen fühlen sich in ihrer Situation insgesamt zu wenig beachtet, sie rufen quasi nach Aufmerksamkeit. Angehörige sehen die Einrichtung aus einer anderen Perspektive, eben aus der Sicht der Kunden, außerdem sind sie vor der Betriebsblindheit weitgehend gefeit. Beschwerden können Aufschluss über folgenden Fragen geben: ♦ Wird die Arbeit insgesamt für gut empfunden? ♦ Wo werden Schwachstellen gesehen? ♦ Welche Arbeitsbereiche werden am häufigsten kritisiert, welche eher selten? ♦ Könnten die Beschwerden berechtigt sein, oder sind sie auf Unwissenheit, unrealistische Vorstellungen oder mutmaßlich auf Probleme der Angehörigen zu den Bewohnern oder anderen Personen zurückzuführen? „Pflegeeinrichtungen sind auf die Kritik der Angehörigen angewiesen, wollen sie ihre Arbeit kundengerecht gestalten und damit einer optimalen Auslastung des Hauses zuarbeiten.“ (Daneke 2000, Seite 188-189) Im Heimalltag bedeutet Angehörigenarbeit vielfach Beschwerdemanagement. Dieses sollte möglichst frühzeitig einsetzten, wenn sich eine Verbitterung um vermeintlich schlecht laufende Vorgänge aufseiten der Angehörigen bzw. um vermeintlich „immer nur nörgelnde“ Angehörige aufseiten der Mitarbeiter noch nicht festgesetzt hat. Bestehendes Misstrauen abzubauen kostet sehr viel Zeit und Energie und bedarf mehr persönlicher Fähigkeiten als Gespräche „auf niedriger Ebene“ mit einer niedrigeren Hemmschwelle für beide Seiten. Die negativen Auswirkungen auf den Ruf der Einrichtung sind Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 20 von 25 nicht zu unterschätzen, wenn das offene Gespräch mit unzufriedenen Angehörigen nicht geführt wird. „Um Nörgelei zu verhindern, wird in Aufnahmegesprächen, bei der Unterzeichnung des Heimvertrags und beim Einzug der Bewohner ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einrichtung insgesamt und jeder Mitarbeiter nicht perfekt sind, und dass Kritik ausdrücklich erlaubt, ja sogar erwünscht ist.“ (Daneke 2000, Seite149) Erfahrungen zeigen, dass alleine die Absicht und das Bemühen, Angehörige ernst zu nehmen, ihnen entgegenzukommen, ihre Sorgen und Wünsche anzuhören und auf sie einzugehen, sich um Dinge zu kümmern und wenn möglich Abhilfe zu schaffen, das Verständnis der Angehörigen gegenüber den Mitarbeitern und die Bereitschaft zum Entgegenkommen ihrerseits sehr erhöht und wesentlich mehr Erfolg verspricht, als wenn Dinge vertuscht und Angehörige hingehalten und abgewehrt werden. 5.3.1. Umgang mit mündlichen Beschwerden Mündliche Beschwerden treffen die Mitarbeiter meist spontan und unvorbereitet. Es ist Glücksache wer, wann und unter welchen Umständen mit Kritik konfrontiert wird, und ob er damit umgehen kann oder nicht. Optimal wäre sicherlich der Aufbau eines systemischen Beschwerdemanagements mit ♦ einer offiziellen Beschwerdeannahmestelle, ♦ einer Beschwerdesammlung und Dokumentation und ♦ einer kontinuierlichen Überwachung der Fehlerquellen und der dafür vorgesehenen Lösungswege. So können Beschwerden für die Einrichtung genutzt und die Zufriedenheit der Angehörigen am ehesten erreicht werden. Tipps für den Umgang mit mündlichen Beschwerden: ♦ Sich für Gespräche ausreichend Zeit nehmen Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 21 von 25 ♦ Für eine ruhige, ungestörte Gesprächsmöglichkeit sorgen ♦ Geduldig, höflich und zugewandt auftreten ♦ Die Regeln der Kommunikation beachten ♦ Sich in die Lage des Angehörigen hineinversetzen und Verständnis für seine Lage und Beweggründe aufbringen ♦ Sich nicht in eine Defensivposition bringen lassen sondern warten, bis sich der Angehörige soweit wie nötig ausgesprochen hat und den Erklärungen zuhören kann ♦ Ruhe bewahren ♦ Keine Versprechungen machen, die nicht eingehalten werden können ♦ Kritik der Angehörigen als positive Wirkung für die Einrichtung darstellen (vgl. Daneke 2000, Seite 196-197) 5.3.2. Beschwerden an die Presse Bei Beschwerden an die öffentliche Stelle sind Situationen schon lange vorher verfahren gewesen, vielleicht hat es im Heim nur niemand bemerkt oder bemerken wollen. Wenn Angehörige meinen, nicht gehört und nicht verstanden zu werden, oder mit ihren Wünschen und Äußerungen bei den Mitarbeitern „gegen Wände laufen“, wenden sich manche von ihnen an öffentliche Stellen außerhalb des Heims. Die Ursachen sind ganz unterschiedlich. Sie reichen von wirklichen Missständen und Versäumnissen bis zum Gefühl und zum allgemeinen Urteil:„Die tun hier nichts“. Oft sind es in Wirklichkeit die Angehörigen selbst, die sich von den Mitarbeiten „lieblos behandelt“ und nicht richtig wahr und ernst genommen fühlen. Vielleicht haben sie auch ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem ins Heim gegebenen Angehörigen. Viele sind sich ihrer Gefühle nicht bewusst. Klagen über schlecht arbeitende, die alten Menschen vernachlässigende Einrichtungen bringen Publicity, verkaufen sich gut und passen in das allgemeine Bild des Pflegeheimes in weiten Teilen der Gesellschaft Verhalten bei Presseskandalen: Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 22 von 25 ♦ Alle Angehörigen in einer außerordentlichen Versammlung sowie schriftlich über die Vorwürfe informieren. ♦ Zufriedene Angehörige bitten durch Gespräche im Bekanntenkreis und durch Leserbriefe an die jeweiligen Zeitungen, die das Thema aufgebracht oder einen großen Verbreitungsgrad haben, sich öffentlich zu äußern. Die Gegendarstellungen müssen eine genau so große Öffentlichkeit erreichen wie die Vorwürfe. Diese Behauptungen sind durch Zeugen belegbar. (vgl. Daneke 2000, Seite 197-202) Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 23 von 25 6. Zusammenfassung Ich sehe in meiner Arbeit die gute Möglichkeit sie als Denkanstoß und zur Sensibilisierung für das Thema „Angehörigenarbeit“ zu verstehen. Ich versuchte die gestellten Fragen für mich zu beantworten. Ich kann mich nun mit neuen Möglichkeiten in der Praxis diesem Thema zuwenden. Wir in der Pflege sind primär die ersten, die sich intensiv mit dem Thema Angehörigenarbeit auseinandersetzen müssen. Deshalb werde ich so gut mir möglich versuchen, die neuen Erkenntnisse in der Praxis umzusetzen. 7. Literaturliste Daneke Sigrid „Angehörigenarbeit“, Urban und Fischer 2000 Urlaub Karl Heinz „Angehörigenarbeit in Heimen Konzepte und Erfahrungen Ergebnisse einer empirischen Untersuchung“, Kuratorium Deutsche Altershilfe 1995 http://www.pflege-fortbildungen.de/Angehörigenarbeit/Einführung.htm 05.02.2003 http://www.pflege-fortbildungen.de/Angehörigenarbeit/Angehöriger.htm 05.02.2003 http://www.pflege-fortbildungen.de/Angehörigenarbeit/Gerontopsychiatrie.htm 05.02.2003 http://www.pflege-fortbildungen.de/Angehörigenarbeit/Sucht.htm 05.02.2003 http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil1.htm 22.1.2003 http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil2.htm 22.1.2003 http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil3.htm 22.1.2003 http://www.treffpunkt-altenpflege.de/dilemma_teil4.htm 22.1.2003 8. Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Semesterarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die benutzten Quellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 31. 3. 2003 Semesterarbeit von DGKS Veronika Reuscher Seite 24 von 25