Fälle und Lösungen zur Abrechnung in Familiensachen

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Fälle und Lösungen zur Abrechnung in Familiensachen
AnwaltsGebühren
Schneider/Thiel
Fälle und Lösungen
zur Abrechnung in
Familiensachen
Inhaltsübersicht
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
§1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
§2
Beratung, Gutachten und Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
§3
Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . . . . .
29
§4
Außergerichtliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
§5
Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
§6
Selbstständiges Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
§7
Selbstständige Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . .
99
§8
Familienstreitsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
§9
Ehesache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
§ 10 Verbundverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
§ 11 Einstweilige Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
§ 12 Arrestverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493
§ 13 Verfahren mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507
§ 14 Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521
§ 15 Teilungsversteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
§ 16 Beratungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567
§ 17 Besonderheiten bei der Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . 589
§ 18 Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621
7
A. Überblick
C. Beschwerden gegen den Rechtszug beendende Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Gegenstandswert . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Die Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . .
2. Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
A.
§7
3. Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
356
356
358
367
367
372
D.
I.
II.
III.
Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . .
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gegenstandswert . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
381
381
383
384
E. Aufhebung und Zurückverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
Überblick
Die Vergütung in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet sich nach Teil 3 1
VV. Erstinstanzlich gelten die Nrn. 3100 ff. VV.
In Beschwerdeverfahren gegen Endentscheidungen wegen des Hauptgegenstands 2
gelten gem. Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b) VV die Gebühren eines Berufungsverfahrens
(Nrn. 3200 ff. VV).
In Rechtsbeschwerdeverfahren gegen Endentscheidungen wegen des Hauptgegen- 3
stands gelten gem. Vorbem. 3.2.2 Nr. 1 Buchst. a) VV die Gebühren eines Revisionsverfahrens (Nrn. 3206 ff. VV).
Für sonstige Beschwerden bleibt es dagegen bei den Nrn. 3500, 3513 VV, also insbe- 4
sondere für Beschwerden gegen Kostenentscheidungen, Beschwerden im Richterablehnungsverfahren oder gegen sonstige Neben- oder Zwischenentscheidungen.1 Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 2 S. 1 RVG und ist nach § 33 RVG auf Antrag
festzusetzen, da im gerichtlichen Verfahren keine von einem Wert abhängigen Gebühren
erhoben werden.
Beispiel 1
Beschwerde gegen Kostenentscheidung
Der Anwalt erhebt gegen die Kostenentscheidung des FamG in einem Umgangsrechtsverfahren Beschwerde zum OLG. Der Gegenstandswert beträgt 400,00 EUR.
Es gilt nicht Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b) VV, sondern Teil 3 Abschnitt 5 VV. Abzurechnen ist nach den Gebühren der Nr. 3500 VV.
1. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3500 VV
(Wert: 400,00 EUR)
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
22,50 EUR
4,50 EUR
27,00 EUR
5,13 EUR
32,13 EUR
1 OLG Köln AGS 2012, 462 u. 563 = JurBüro 2012, 653 = FamRZ 2013, 730 = NJW-Spezial 2012, 540 =
RVGreport 2012, 420; OLG Hamm AGS 2013, 171 = JurBüro 2013, 421 = NJW-Spezial 2013, 284 =
MDR 2013, 816 = RVGreport 2013, 317.
101
§7
Selbstständige Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit
5 Im Übrigen gelten die Allgemeinen Gebühren nach Teil 1 VV. Insbesondere kann der
Anwalt grundsätzlich in allen Angelegenheiten eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000
VV verdienen.
6 Theoretisch kommt auch die Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen (Nr. 1010 VV) in Betracht. In der Praxis hat diese Gebühr jedoch in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Bedeutung, so dass von deren Darstellung
hier Abstand genommen wird.
7 Die Auslagen richten sich nach Teil 7 VV. Der Anwalt erhält auch hier
■ Dokumentenpauschalen nach Nr. 7000 VV,
■ Ersatz seiner Post- und Telekommunikationsentgelte, wahlweise konkret (Nr. 7001
VV) oder pauschal (Nr. 7002 VV),
■ Reisekosten (Nrn. 7003–7006 VV),
■ Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) und
■ Ersatz sonstiger Aufwendungen (Vorbem. 7 Abs. 1 VV i.V.m. §§ 675, 670 BGB).
8 Im Übrigen sind die sonstigen Gebührentatbestände des Vergütungsverzeichnisses
auch in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden.
9 So gelten für Terminsvertreter, Verkehrsanwalt und Vertreter in Einzeltätigkeiten
die Nrn. 3400 ff. VV.
10 Ein Verkehrsanwalt erhält für seine Tätigkeit eine Gebühr in Höhe der Gebühr des
Verfahrensbevollmächtigten, höchstens jedoch eine 1,0-Verfahrensgebühr. Der vor Ort
tätige Verfahrensbevollmächtigte erhält seine gewöhnliche Vergütung.
Beispiel 2
Verkehrsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren
In einem Verfahren vor dem FamG Hamburg über das Umgangsrecht beauftragt
die in München ansässige Antragstellerin einen ortsansässigen Anwalt, der den
Verkehr mit dem Hamburger Verfahrensbevollmächtigten führen soll.
Die Vergütung des Verfahrensbevollmächtigten richtet sich nach den Nrn. 3100, 3104
VV.
Der Verkehrsanwalt erhält eine Gebühr in Höhe der Verfahrensgebühr des Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 3100 VV, allerdings begrenzt auf 1,0 (Nr. 3400 VV).
102
A. Überblick
I. Verfahrensbevollmächtigter
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
II. Verkehrsanwalt
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
§7
261,30 EUR
241,20 EUR
20,00 EUR
522,50 EUR
99,28 EUR
621,78 EUR
201,00 EUR
20,00 EUR
221,00 EUR
41,99 EUR
262,99 EUR
Ein Terminsvertreter erhält nach Nr. 3401 VV zunächst einmal eine Verfahrensge- 11
bühr in Höhe der Hälfte der Verfahrensgebühr, die dem Verfahrensbevollmächtigten
entsteht bzw. ihm entstehen würde. Zu fragen ist also danach, welche Verfahrensgebühr
ein Verfahrensbevollmächtigter erhält oder erhalten würde. Hiervon erhält dann der
Terminsvertreter die Hälfte. Eine Begrenzung ist hier im Gegensatz zu Nr. 3400 VV
nicht vorgesehen. Erstinstanzlich entsteht also regelmäßig eine 0,65-Verfahrensgebühr.
Erledigt sich der Auftrag vorzeitig, so reduziert sich die Verfahrensgebühr der 12
Nr. 3401 VV nach Nr. 3405 Nr. 2 VV auf 0,5.
Neben der Verfahrensgebühr erhält der Terminsvertreter nach Nr. 3402 VV zusätzlich 13
eine Terminsgebühr in Höhe der Terminsgebühr, die ein Verfahrensbevollmächtigter
erhalten würde. Erstinstanzlich entsteht also die Gebühr nach Nr. 3104 VV.
Beispiel 3
Terminsvertreter im erstinstanzlichen Verfahren
In einem Verfahren über das Umgangsrecht bestellt die in München wohnende
Antragstellerin neben dem Verfahrensbevollmächtigten aus München für den auswärtigen Termin vor dem FamG Köln einen Anwalt mit der Wahrnehmung des
Verhandlungstermins, den dieser auch wahrnimmt.
Der Verfahrensbevollmächtigte erhält nur die 1,3-Verfahrengsgebühr nach Nr. 3100
VV.
Der Terminsvertreter erhält seine Vergütung nach den Nrn. 3401, 3402, 3104 VV.
103
§7
Selbstständige Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit
I. Verfahrensbevollmächtigter
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
II. Terminsvertreter
1. 0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. 1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
261,30 EUR
20,00 EUR
281,30 EUR
53,48 EUR
334,75 EUR
130,65 EUR
241,20 EUR
20,00 EUR
522,50 EUR
99,28 EUR
1.621,78 EUR
14 Einzeltätigkeiten werden nach Nr. 3403 VV mit einer 0,8-Gebühr vergütet.
15 Im Übrigen wird auf die Darstellung in Fälle und Lösungen zum RVG § 21 und § 20
Rn 7 ff. Bezug genommen.
16 In Verfahren über die Bewilligung, Aufhebung oder Abänderung von Verfahrenskostenhilfe gelten Nr. 3335; Vorbem. 3.3.6 S. 2 i.V.m. Nr. 3104 VV.
Beispiel 4
Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren ohne Termin
Der Anwalt wird von der bedürftigen Ehefrau beauftragt, Verfahrenskostenhilfe
für einen beabsichtigten Antrag auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die
Ehewohnung während der Zeit der Trennung zu beantragen. Das Gericht weist
den Antrag zurück.
Der Gegenstandswert beläuft sich gem. § 23a Abs. 1, 1. Hs. RVG i.V.m. § 48 Abs. 1
FamGKG auf 3.000,00 EUR.
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3335, 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
201,00 EUR
20,00 EUR
221,00 EUR
41,99 EUR
262,99 EUR
17 Kommt es zu einem Termin i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 3 VV, so entsteht nach Vorbem. 3.3.6
S. 2 VV eine Terminsgebühr in Höhe der Terminsgebühr, die auch im Hauptsacheverfahren anfallen würde.
104
A. Überblick
Beispiel 5
§7
Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren mit Termin
Der Anwalt wird von der bedürftigen Ehefrau beauftragt, Verfahrenskostenhilfe
für einen beabsichtigten Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge
Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Das Gericht beraumt einen Erörterungstermin an und weist sodann den Antrag zurück.
Zu der 1,0-Verfahrensgebühr kommt eine 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3.3.6 S. 2
VV i.V.m. Nr. 3104 VV hinzu. Der Verfahrenswert beträgt nach § 23a Abs. 1, 1. Hs.
RVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG 3.000,00 EUR.
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3335, 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. 1,2-Terminsgebühr, Vorbem. 3.3.6 S. 2 i.V.m.
Nr. 3104 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
201,00 EUR
241,20 EUR
20,00 EUR
462,20 EUR
87,82 EUR
550,02 EUR
Kommt es im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren zu einer Einigung, fällt auch hier 18
eine Einigungsgebühr an. Zu beachten ist, dass bereits der Antrag auf Bewilligung
von Verfahrenskostenhilfe zur Anhängigkeit i.S.d. Nr. 1003 VV führt (Anm. Abs. 1 zu
Nr. 1003 VV), so dass sich die Gebühr nur auf 1,0 beläuft.
Beispiel 6
Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren mit Termin und
Einigung
Der Anwalt wird von der bedürftigen Ehefrau beauftragt, Verfahrenskostenhilfe
für einen beabsichtigten Antrag auf Überlassung der Ehewohnung für die Zeit der
Trennung zu beantragen. Das Gericht beraumt einen Erörterungstermin an, in
dem eine Einigung erzielt wird.
Zu der Verfahrens- und der Terminsgebühr kommt eine 1,0-Einigungsgebühr nach
Nrn. 1000, 1003 VV hinzu. Der Gegenstandswert beträgt gem. § 23a Abs. 1, 1. Hs. RVG
i.V.m. § 48 Abs. 1 FamGKG 3.000,00 EUR.
105
§7
Selbstständige Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit
1. 1,0-Verfahrensgebühr, Nrn. 3335, 3100 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
2. 1,2-Terminsgebühr, Vorbem. 3.3.6 S. 2 i.V.m.
Nr. 3104 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV
(Wert: 3.000,00 EUR)
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV
Zwischensumme
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
201,00 EUR
241,20 EUR
201,00 EUR
20,00 EUR
663,20 EUR
126,01 EUR
789,21 EUR
19 Wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Anwalt für das Hauptsacheverfahren beigeordnet, gehen die Gebühren des Verfahrenskostenhilfeverfahrens in den Gebühren
der Hauptsache auf, da das Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe und das Verfahren,
für das die Verfahrenskostenhilfe beantragt worden ist, dieselbe Angelegenheit sind
(§ 16 Nr. 2 RVG).
20 Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Darstellung in Fälle und Lösungen zum RVG
§ 12 Bezug genommen.
21 In Verfahren über die Gehörsrüge gelten die die Nrn. 3330, 3331 VV. Insoweit wird
auf die Darstellung in Fälle und Lösungen zum RVG § 22 Bezug genommen.
B.
I.
Erstinstanzliche Verfahren
Überblick
22 Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren richten sich die Gebühren des Anwalts
nach Teil 3 Abschnitt 1 VV nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen kann eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
23 Der Gegenstandswert richtet sich gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach den Wertvorschriften
des gerichtlichen Verfahrens, also den besonderen Wertvorschriften der §§ 45 ff.
FamGKG und den allgemeinen Wertvorschriften der §§ 33 ff. FamGKG. Insoweit ist
der Anwalt gem. § 32 Abs. 1 RVG an die gerichtliche Wertfestsetzung gebunden.
24 Der Anwalt erhält zunächst einmal für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2
VV) eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.
25 Die Gebühr kann sich unter den Voraussetzungen der Nr. 3101 Nr. 1 und 2 VV auf 0,8
ermäßigen.
26 Darüber hinaus tritt eine Ermäßigung nach Nr. 3101 Nr. 3 VV ein, wenn die Familiensache nur die Erteilung einer Genehmigung oder die Zustimmung des Familiengerichts zum Gegenstand hat.
106
§9
§ 9 Ehesache
Inhalt
A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. Gegenstandswert . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Ehesache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Berücksichtigungsfähige Kriterien . . .
a) Einkommensverhältnisse . . . . . . . .
b) Vermögensverhältnisse . . . . . . . . .
c) Lebensgestaltung der Beteiligten . .
d) Bedeutung der Sache . . . . . . . . . . .
e) Umfang der Sache . . . . . . . . . . . . .
f) Einverständliche Scheidung . . . . . .
g) Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . .
5
5
6
6
9
9
10
11
12
13
14
15
A.
III. Hilfsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Wechselseitige Anträge . . . . . . . . . . . . . .
V. Aussöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16
17
19
C. Die Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Erstinstanzliche Verfahren . . . . . . . . . . . .
1. Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Aussöhnungsgebühr . . . . . . . . . . . . . .
III. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Aufhebung und Zurückverweisung . . . . .
20
20
21
21
26
33
34
40
45
49
Überblick
Ehesachen sind Verfahren auf
■ Scheidung der Ehe (§ 121 Nr. 1 FamFG),
■ Aufhebung der Ehe (§ 121 Nr. 2 FamFG),
■ Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe (§ 121 Nr. 3 FamFG).
1
Als isolierte Verfahren kommen Ehesachen in der Praxis selten vor, da in der Regel der 2
Amtsverbund (§ 137 Abs. 1 FamFG) greift und zumindest der Versorgungsausgleich
mit zu regeln (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG), jedenfalls zu tenorieren ist (§ 224 Abs. 3
FamFG).
In den folgenden Abrechnungsbeispielen soll jeweils von einem solchen Fall der isolier- 3
ten Ehesache ausgegangen werden. Zur Abrechnung des Verbundverfahrens siehe § 10.
Die Gebühren des Anwalts richten sich nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen kann 4
eine Aussöhnungsgebühr nach Nr. 1001 VV. Eine Einigungsgebühr in der Ehesache
selbst ist ausgeschlossen Anm. Abs. 5 S. 1 zu Nr. 1000 VV.
B.
I.
Gegenstandswert
Überblick
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG 5
i.V.m. § 43 FamGKG. Dieser Wert gilt auch für die Aussöhnungsgebühr (Nr. 1001 VV).
351
§9
Ehesache
II.
Ehesache
1. Überblick
6 Abzustellen ist auf die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten (§ 43 Abs. 1 FamGKG).
7 Der Gesetzgeber hat die Einkommensverhältnisse der beteiligten Ehegatten in § 43
Abs. 2 FamGKG legal definiert. Danach ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen. Was Nettoeinkommen ist, beantwortet die Rechtsprechung unterschiedlich und ist insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung von
Leistungen nach dem SGB II streitig (zum aktuellen Meinungsstand siehe § 10 Rn 9).
Zu den Umständen des Einzelfalls, die herangezogen werden können, siehe die nachfolgende Darstellung unter Rn 9 ff und ausführlich § 10 Rn 9 ff. Die Bewertung in Ehesachen wird von Gericht zu Gericht verschieden gehandhabt. Eine verbindliche Bewertungsmethode gibt es nicht. Das liegt daran, dass alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden dürfen und müssen.1 Die Gerichte haben daher hier einen großen
Spielraum, den sie allerdings nur eingeschränkt nutzen. Es wird daher empfohlen, sich
mit der jeweiligen örtlichen Rechtsprechung vertraut zu machen und gegebenenfalls
durch Verfahrenswertbeschwerden zur Rechtsfortbildung beizutragen.
8 Der Wert beträgt mindestens 3.000,00 EUR und höchstens 1 Mio. EUR (§ 43 Abs. 1
S. 2 FamGKG).
2. Berücksichtigungsfähige Kriterien
a) Einkommensverhältnisse
9 Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse ist auf das dreifache Nettoeinkommen der
Ehegatten abzustellen (§ 43 Abs. 2 FamGKG). Maßgebend ist das Nettoeinkommen der
Ehegatten bei Einreichung des Scheidungsantrags (§ 34 S. 1 FamGKG). Nachträgliche
Veränderungen bleiben grundsätzlich außer Ansatz.
b) Vermögensverhältnisse
10 Die Vermögensverhältnisse sind nach überwiegender Auffassung erst zu berücksichtigen, wenn es den vermögenssteuerfreien Betrag2 für jeden Ehegatten und jedes unter-
1 OLG Brandenburg NZFam 2014, 1005.
2 Vgl. § 6 VermögStG a.F., Vermögenssteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben.
352
B. Gegenstandswert
haltsberechtigte Kind übersteigt.3 Einigkeit besteht in der obergerichtlichen Rspr, dahingehend, dass das aktive Vermögen regelmäßig nach Schuldenabzug und unter Berücksichtigung von Freibeträgen nach bestimmten Prozentsätzen in die Bestimmung des
Verfahrenswerts für die Ehesache aufgenommen wird. Die von der Rspr. berücksichtigten Freibeträge variieren4 (siehe ausführlich § 10 Rn 9 ff.).
KG5
je Ehegatte mindestens 30.000,00 EUR; 10 %
vom Restbetrag, davon 20 % Abschlag;
60.000,00 EUR allgemeiner Freibetrag und
25.000,00 EUR Altersfreibetrag je Ehegatte,
5 % vom Restbetrag
OLG Bamberg6
70.000,00 DM je Ehegatte (heute
35.000,00 EUR)
OLG-Bezirk Brandenburg
30.000,00 EUR je Ehegatte und
20.000,00 EUR je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Braunschweig7
70.000,00 DM je Ehegatte (heute
35.000,00 EUR)
OLG Bremen
./.
OLG
Celle8
30.000,00 EUR je Ehegatte und 10.000 EUR
je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Dresden9
30.000,00 EUR je Ehegatte und
10.000,00 EUR je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Düsseldorf10
70.000,00 EUR je Ehegatte und
70.000,00 EUR je minderjähriges Kind; 10 %
vom Restbetrag bei hohem Privatvermögen
3 KG JurBüro 1965, 297; OLG Düsseldorf JurBüro 1975, 504; OLG Oldenburg Nds.Rpfl. 1979, 242; OLG
Bamberg JurBüro 1982, 286; OLG Nürnberg KostRsp. GKG § 12 Nr. 104 m. Anm. E. Schneider = FamRZ
1986, 194 = JurBüro 1986, 414; KostRsp. GKG § 12 Nr. 137 = JurBüro 1989, 1723; OLG Köln JurBüro
1975, 503; OLG Hamm KostRsp. GKG § 12 Nr. 79 m. Anm. E. Schneider = MDR 1984, 765 = JurBüro
1984, 1543; OLG Düsseldorf KostRsp. GKG § 12 Nr. 158 = FamRZ 1994, 249 = OLGR 1993, 184; OLG
München JurBüro 1992, 349.
4 Schneider/Herget, Rn 7223a.
5 FamRZ 2010, 829; FuR 2014, 598; FuR 2014, 598.
6 JurBüro 1987, 1694.
7 NdsRpfl 1979, 272.
8 FamRZ 2013, 149.
9 FamRZ 2006, 1053.
10 FamRZ 1994, 249.
353
§9
§9
Ehesache
OLG Frankfurt11
30.000,00 DM (heute jeweils
15.000,00 EUR); 5 % vom Restbetrag
OLG Hamburg
./.
OLG Hamm
./.
OLG Jena
./.
OLG Karlsruhe12
15.000,00 EUR je Ehegatte,
7.500,00,00 EUR je Kind 5 % vom Restbetrag
OLG Koblenz13
60.000,00 EUR je Ehegatte; 5 % vom Restbetrag
OLG Köln14
70.000,00 DM je Ehegatte und 70.000,00
DM je minderjähriges Kind (heute jeweils
35.000,00 EUR); 5 % vom Restbetrag
OLG München15
120.000,00 DM je Ehegatte (heute
60.000,00 EUR), 60.000,00 DM je minderjähriges Kind (heute 30.000,00 EUR); 5 % vom
Restbetrag
OLG Naumburg
./.
OLG
Nürnberg16
30.000,00 DM (heute 15.000,00 EUR) je Ehegatte und 15.000,00 DM (heute
7.500,00 EUR) je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Oldenburg
./.
OLG Rostock
./.
OLG
Saarbrücken17
kein Vermögensfreibetrag
OLG
Schleswig18
30.000,00 EUR je Ehegatte; 5 % vom
Restbetrag
11 EzFamR aktuell 2002, 141; FPR 1996, 311 = FamRZ 1994, 250; FamRZ 2009, 74.
12 AGS 2013, 472 = NJW-RR 2014, 68 = FamRZ 2014, 1226 = FamFR 2013, 494 = FamRB 2014, 57 =
FuR 2014, 187; AGS 2013, 472 = NJW-RR 2014, 68 = FamRZ 2014, 1226 = FamFR 2014, 494 = FamRB
2014, 57 = FuR 2014, 187.
13 FamRZ 2003, 1681 = FamRB 2003, 353.
14 FamRZ 1997, 37.
15 OLGR 1998, 169.
16 JurBüro 1989, 1723.
17 JurBüro 1982, 421.
18 SchlHA 2014, 495 = NZFam 2014, 801.
354
B. Gegenstandswert
OLG Stuttgart19
60.000,00 EUR je Ehegatte; 5 % vom Restbetrag
OLG Zweibrücken20
20.000,00 EUR je Ehegatte, 10.000,00 EUR
je Kind, 5 % vom Restbetrag
Beispiel 1
§9
Berücksichtigung des Vermögens nach OLG Köln
Die Ehefrau beantragt die Scheidung der Ehe der Beteiligten. Die Eheleute haben
ein gemeinsames monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 5.000,00 EUR. Ihr Vermögen
nach Abzug der Verbindlichkeiten entspricht 500.000,00 EUR.
Nach den Einkommensverhältnissen beträgt der Wert der
Ehesache
Vom Vermögen sind je Ehegatten Freibeträge in Höhe von jeweils 35.000,00 EUR abzuziehen.
Vom Restbetrag
sind 5 % für das Vermögen der Eheleute hinzuzurechnen, also
Der Verfahrenswert beträgt somit nach § 43 FamGKG
15.000,00 EUR
500.000,00 EUR
– 70.000,00 EUR
430.000,00 EUR
21.500,00 EUR
36.500,00 EUR
c) Lebensgestaltung der Beteiligten
Weicht die Lebensgestaltung der Eheleute von durchschnittlichen Verhältnissen ab, so 11
kann dies ebenfalls bei der Bemessung des Verfahrenswerts zu berücksichtigen sein.
d) Bedeutung der Sache
Bei der Bedeutung der Sache können sich die Lebensstellung der Eheleute und die 12
Dauer der Ehe auf die Bemessung des Verfahrenswerts auswirken (siehe ausführlich
§ 10 Rn 9 ff.).
e) Umfang der Sache
Eine ungewöhnliche Härte in der Verfahrensführung, Auslandsbezüge, außergewöhnli- 13
cher Arbeitsaufwand etc. können ebenfalls in die Verfahrenswertbemessung einfließen.
f) Einverständliche Scheidung
Eine einverständliche Ehescheidung stellt den Durchschnittsfall dar, so dass dieses 14
Kriterium keine Auswirkungen auf die Bemessung des Verfahrenswerts haben sollte.
19 AGS 2015, 133.
20 FamRZ 2008, 2052.
355
§9
Ehesache
g) Verfahrenskostenhilfe
15 Auch wenn beiden beteiligten Ehegatten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, ist
regelgerecht nach den Kriterien des § 43 FamGKG zu bewerten. Der pauschale Ansatz
lediglich des Mindestwerts ist nicht gerechtfertigt.21
III.
Hilfsantrag
16 Wird primär Aufhebung der Ehe beantragt und hilfsweise die Scheidung, gilt § 39
Abs. 1 S. 2 FamGKG. Der Wert der Scheidung wird dem Wert der Aufhebung hinzugerechnet, wenn darüber entschieden wird. Es gilt nicht § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Aufhebung und Scheidung betreffen nicht denselben Gegenstand i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 3
FamGKG.
Beispiel 2
Aufhebung der Ehe, hilfsweise Scheidung
Die Ehefrau beantragt die Aufhebung der Ehe und hilfsweise die Scheidung. Das
FamG hält den Aufhebungsantrag für unbegründet und spricht die Scheidung aus.
Die Eheleute haben ein gemeinsames monatliches Nettoeinkommen i.H.v.
5.000,00 EUR.
Sowohl der Wert des Aufhebungsantrags als auch der des Scheidungsantrags beträgt
15.000,00 EUR. Der Gesamtwert beträgt somit nach § 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG
30.000,00 EUR.
IV.
Wechselseitige Anträge
17 Werden wechselseitig Scheidungsanträge gestellt, so gilt § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG.
Die Werte beider Anträge werden nicht zusammengerechnet; es gilt der höhere Wert,
wobei hier wegen § 34 S. 1 FamGKG unterschiedliche Werte kaum denkbar sind, da
alle Ehesachen auf den Zeitpunkt der ersten Antragstellung zu bewerten sind.
Beispiel 3
Wechselseitige Scheidungsanträge
Der Ehemann reicht den Scheidungsantrag ein. Der Wert wird bezogen auf die
Einkommensverhältnisse zum Tag der Einreichung mit 6.000,00 EUR festgesetzt.
Später stellt die Ehefrau ebenfalls den Scheidungsantrag. Zwischenzeitlich haben
sich die Einkommen der Ehegatten erhöht.
Die Werte der beiden Scheidungsanträge werden nicht addiert; gem. § 39 Abs. 1 S. 3
FamGKG gilt der höhere Wert. Da nach § 34 S. 1 FamGKG aber immer auf den „ersten
21 Thiel, Verfassungswidrigkeit des Mindeststreitwerts in Ehesachen, AGS 2009, 257.
356
C. Die Gebühren
§9
Zeitpunkt“ der Antragseinreichung abzustellen ist, bleiben die geringeren Einkommensverhältnisse maßgebend. Der Wert beträgt also 6.000,00 EUR.
Wird wechselseitig einerseits Scheidung und andererseits Aufhebung der Ehe bean- 18
tragt, gilt § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG. Die Werte werden zusammengerechnet, da es sich
um verschiedene Gegenstände handelt. Aufhebung und Scheidung sind nicht derselbe
Gegenstand i.S.d. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG. Soweit der Scheidungsantrag allerdings
als Hilfswiderantrag geltend gemacht wird, gilt § 39 Abs. 1 S. 2 FamGKG, so dass der
Antrag bei der Bewertung nur zu berücksichtigen ist, wenn darüber entschieden wird.
Beispiel 4
Wechselseitige Scheidungsanträge
Der Ehemann reicht den Scheidungsantrag ein. Später beantragt die Ehefrau im
Wege des Widerantrags die Aufhebung der Ehe. Die Eheleute haben bei Einreichung der jeweiligen Anträge ein gemeinsames monatliches Nettoeinkommen i.H.v.
5.000,00 EUR.
Die Werte von Scheidungs- und Aufhebungsantrag (jeweils 15.000,00 EUR) werden
zusammengerechnet (§ 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Der Wert beträgt also 30.000,00 EUR.
V.
Aussöhnung
Kommt es zu einer Aussöhnung, so ist dafür der gleiche Wert anzusetzen wie für die 19
Ehesache. Nach OLG Frankfurt22 soll der Gegenstandswert der Aussöhnungsgebühr
sogar höher liegen, wenn neben der Aussöhnung noch weitere Verpflichtungen übernommen werden. Zutreffend dürfte es jedoch sein, insoweit eine Einigungsgebühr nach
den Nrn. 1000, 1003 VV zu gewähren (siehe dazu § 10 Rn 102).
C.
I.
Die Gebühren
Überblick
Die Gebühren des Anwalts im erstinstanzlichen Verfahren richten sich nach Teil 3 20
Abschnitt 1 VV, also nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen kann eine Aussöhnungsgebühr nach Nr. 1001 VV.
22 AnwBl 1970, 136.
357
§ 10
§ 10 Verbundverfahren
Inhalt
A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. Gegenstandswert . . . . . . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Ehesache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Wechselseitige Scheidungsanträge . .
3. Sonstige Ehesachen . . . . . . . . . . . .
4. Mehrere Ehesachen . . . . . . . . . . . . .
III. Folgesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . .
2. Kindschaftssachen . . . . . . . . . . . . .
3. Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Zugewinnausgleich . . . . . . . . . .
aa) Zahlungsforderung . . . . . . .
bb) Negativer Feststellungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Antrag- und Widerantrag . . .
dd) Stufenantrag . . . . . . . . . . . .
ee) Zahlungsforderung und Anspruch auf Übertragung bestimmter Gegenstände . . . . .
ff) Zahlungsforderung und
Stundungsantrag . . . . . . . . .
b) Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . .
4. Ehewohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Kindesunterhalt . . . . . . . . . . . . . . . .
7. Ehegattenunterhalt . . . . . . . . . . . . .
IV. Unzulässige Anträge . . . . . . . . . . . . . . .
V. Mehrwertvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. Bloße Verhandlungen über nicht anhängige Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
7
9
9
13
14
15
16
16
26
35
35
35
36
37
38
39
40
41
42
44
46
50
54
56
IV.
59
C. Die Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
II. Erstinstanzliche Verfahren . . . . . . . . . . . 64
1. Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . . 64
a) Volle Verfahrensgebühr . . . . . . . 64
b) Ermäßigte Verfahrensgebühr . . . 72
aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . 72
A.
III.
V.
VI.
VII.
bb) Nur ermäßigte Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Volle und ermäßigte Verfahrensgebühr . . . . . . . . . . . . .
2. Terminsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . .
4. Aussöhnungsgebühr . . . . . . . . . . . .
5. Aussöhnungs- und Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen . . . . .
7. Abrechnungshilfe . . . . . . . . . . . . . .
8. Anrechnung vorangegangener Geschäftsgebühren . . . . . . . . . . . . . . .
9. Abtrennung einer Folgesache aus
dem Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Grundsatz: Keine Lösung aus
dem Verbund . . . . . . . . . . . . . . .
c) Ausnahme: Lösung aus dem Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10. Verfahrenstrennung bei Anhängigmachen einer „Nicht-Folgesache“ . .
11. Aufnahme in den Verbund . . . . . . .
Beschwerde gegen den Rechtszug beendende Entscheidung betreffend den
Hauptgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Verfahrenswert . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Die Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rechtsbeschwerde gegen eine den
Rechtszug beendende Entscheidung betreffen den Hauptgegenstand . . . . . . . . .
Aufhebung und Zurückverweisung . . . .
Wiederaufnahme abgetrennter Versorgungsausgleichsverfahren nach altem
Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Änderung des Gebührenrechts nach
Art. 111 Abs. 5 FGG-ReformG . . . . . . .
76
78
81
90
102
103
104
106
107
115
115
117
122
127
128
131
131
134
140
145
149
156
166
D. Auslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Überblick
Das gesamte Verbundverfahren, also die Ehesache und die Folgesachen, ist gem. § 16 1
Nr. 4 RVG eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG, so dass der Anwalt seine Gebühren nur
einmal aus den nach § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG zusammengerechneten Verfahrenswerten
erhält.
367
§ 10
Verbundverfahren
2 Auch die Auslagen entstehen nur einmal; insbesondere entsteht im gesamten Verbundverfahren nur eine Postentgeltpauschale (siehe Rn 171). Soweit Dokumentenpauschalen
abzurechnen sind, ist für das gesamte Verfahren einheitlich durchzuzählen (siehe
Rn 170).
3 Zu den Sonderfällen der Abtrennung aus dem Verbund und der Aufnahme in den
Verbund siehe Rn 114 ff. u. 127 ff.
4 Ebenfalls nur eine Angelegenheit ist gegeben, wenn der Scheidungsantrag vom FamG
zurückgewiesen worden ist, das OLG diese Entscheidung nach § 146 FamFG aufhebt
und die Sache an das FamG zurückverweist (§ 21 Abs. 2 RVG) (siehe Rn 148 ff.).
5 Die Gebühren des Anwalts richten sich nach den Nrn. 3100 ff. VV. Hinzukommen
können eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) und/oder eine Aussöhnungsgebühr
(Nr. 1001 VV).
6 Denkbar ist hier auch eine Zusatzgebühr für besonders umfangreiche Beweisaufnahmen (Nr. 1010 VV).
B.
I.
Gegenstandswert
Überblick
7 Der Gegenstandswert eines Scheidungsverbundverfahrens bemisst sich gem. § 23 Abs. 1
S. 1 RVG i.V.m. § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG nach der Summe der Werte von Ehe- und
Folgesachen. Die Werte von Ehe- und Folgesachen sind zunächst gesondert zu ermitteln
und dann zusammenzurechnen (§ 44 Abs. 2 S. 2 u. 3 FamGKG).
8 Für die Ehesache und die einzelnen Folgesachen gelten die Wertvorschriften, die für
die isolierten Verfahren gelten. Lediglich für bestimmte Kindschaftssachen als Folgesachen ist im Verbundverfahren ein von den isolierten Verfahren abweichender Wert
vorgesehen (§ 44 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 FamGKG).
II.
Ehesache
1. Scheidung
9 Der Wert der Scheidungssache ist in § 43 FamGKG geregelt. Der Verfahrenswert ist
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs
und der Bedeutung der Sache sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse
der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen (§ 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Nettoeinkommen der privaten Haushalte bezeichnet Einkünfte, die dem Einzelnen nach Abzug
aller Abgaben und Steuern für den privaten Verbrauch zur Verfügung stehen. Zu den
Einnahmen zählen danach alle tatsächlich monatlich zufließenden Einkünfte einschließ-
368
B. Gegenstandswert
lich der Sachbezüge und geldwerten Vorteile. Für Abzüge, insbesondere Kinderfreibeträge etc., ist dabei nach der hier vertretenen Auffassung weder in Ehe- noch in Versorgungsausgleichssachen Raum.1 „Netto“ meint die steuerbereinigten Einkünfte. Eine
Orientierung an § 2 EStG zur Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens ist
zulässig.2 Auch sonstige Einkünfte nach § 22 EStG sind maßgeblich. Ist das Nettoeinkommen nach Abgaben und Steuern ermittelt, kommen weitere Abzüge nicht mehr in
Betracht. Das Kostenrecht selbst enthält keine Definition des Nettoeinkommens. Auch
dem materiellen Recht ist der Einkommensbegriff nicht bekannt.3 Nach § 43 Abs. 1 S. 1
FamGKG ist der Verfahrenswert aber in der Ehesache unter Berücksichtigung aller
Umstände des Einzelfalls nach Ermessen zu bestimmen. Das ist dann der Grund dafür,
dass – je nach örtlicher Rechtsprechung – ein pauschaler Abzug für den Unterhalt
minderjähriger Kinder angenommen wird. Ob dies sachgerecht ist, erscheint zweifelhaft.
Das OLG Celle geht deshalb zutreffend davon aus, dass es auch keinen Grund dafür
gebe, in den Fällen, in denen Eheleute von Sozialleistungen leben, für die Verfahrenswertbemessung einen anderen Maßstab anzulegen als bei Eheleuten, die Erwerbseinkünfte lediglich in Höhe der ihnen zustehenden Grundsicherung oder Arbeitslosengeld
I oder II erzielen.4 Die Einkommensquelle ist nicht entscheidend. Dennoch werden je
nach örtlicher Rechtsprechung Abzüge vom Nettoeinkommen als zulässig angesehen:5
Kindergeld
Dafür: OLG Jena,6 OLG Karlsruhe,7
OLG Dresden;8 OLG Brandenburg,9
OLG Hamm10
Arbeitslosengeld I
Dafür: OLG Oldenburg13
Dagegen: OLG Dresden,11 OLG
Celle12
1 OLG Stuttgart AGS 2010, 399 m. Anm. Thiel = FPR 2010, 359 = NJW-RR 2010, 1376 = FamRZ 2010,
2098 = RVGreport 2010, 396.
2 Groß, Gebühren in Familiensachen, § 8 Rn 20.
3 Strohal, Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen bei Selbstständigen, ABC der Einzelfragen zum Stichwort „Einkommensbegriffe“, S. 239.
4 OLG Celle NJW 2010, 3587 = FF 2011, 44.
5 Tabelle angelehnt an Schneider/Herget/Thiel, Rn 7169a.
6 AGkompakt 2010, 91 m. Anm. Thiel = FF 2011, 44 = FamRZ 1934.
7 OLGR 2008, 422 = RVGprof. 2008, 102.
8 OLG-NL 2005, 234 = FamRZ 2006, 1053.
9 MDR 2007, 1321 = FamRZ 2008, 1206 = NJ 2007, 561; FamRZ 2008, 2052 = OLGR 2008, 747.
10 FamRB 2012, 149.
11 FamRZ 2010, 1939 = FF 2011, 44.
12 NZFam 2014, 173 = JurBüro 2014, 244 = FamRZ 2014, 1802 = RVGreport 2014, 164.
13 AGS 2009, 129 = OLGR 2009, 278 = FPR 2009, 251 = FamRZ 2009, 1177 = RVGreport 2009, 116.
369
§ 10
§ 10
Verbundverfahren
Arbeitslosengeld II
Dafür: OLG Köln,14 OLG Schleswig,;15 OLG Düsseldorf,16 OLG
Frankfurt,17 OLG Zweibrücken,18
OLG Celle19
Dagegen: AG Vechta36
Grundsicherung
BAföG-Leistungen
Unterhaltsvorschuss
Dagegen: OLG Schleswig,20
OLG Jena,21 AG Lüdenscheid,22
OLG Köln,23 OLG Oldenburg,24
OLG Hamm,25 OLG Dresden,26
KG,27 OLG Köln,28 OLG Düsseldorf,29 OLG Saarbrücken,30 OLG
Brandenburg,31 OLG Hamm,32
OLG Celle,33 OLG Naumburg,34
OLG Stuttgart35
Dafür: KG37
Dagegen: OLG Düsseldorf38
10 Für die Einkommensverhältnisse ist also das in den drei Monaten vor Antragseinreichung erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen (§ 43 Abs. 2 FamGKG)
(siehe auch § 9 Rn 9). Je nach örtlicher Rechtsprechung werden Kinderfreibeträge abge14 FamRZ 2009, 638 = OLGR 2009, 369 = FPR 2009, 380.
15 SchlHA 2008, 319 = OLGR 2008, 608 = FamRZ 2009, 75; OLGR 2009, 119 = AGS 2009, 130 = JurBüro 2008, 594 = RVGreport 2008, 476.
16 ZFE 2008, 389 = FamRZ 2009, 453 = OLGR 2009, 412 = FF 2009, 176.
17 FamRZ 2008, 535 = NJW-RR 2008, 310 = OLGR 2008, 418 = FamRB 2008, 178.
18 AGS 2011, 142 m. Anm. Thiel = NJW 2011, 1235 = FamRZ 2011, 992 = RVGreport 2011, 192 = FamRB
2011, 217.
19 NJW 2010, 3587 = FF 2011, 44.
20 SchlHA 2010, 411 = FamRZ 2010, 1939 = RVGreport 2010, 312 = FF 2011, 44; OLGR 2009, 793 =
Familienrecht kompakt 2009, 220; SchlHA 2009, 91 = OLGR 2008, 951 = JurBüro 2009, 193 = FamRZ
2009, 1178 = FuR 2009, 179 = FuR 2009, 229 = FF 2009, 176.
21 AGkompakt 2010, 91 m. Anm. Thiel = FF 2011, 44 = FamRZ 1934.
22 FamRZ 2010, 225.
23 JMBl NW 2009, 235 = OLGR 2009, 538 = FamRZ 2009, 1703.
24 AGS 2009, 129 = OLGR 2009, 278 = FPR 2009, 251 = FamRZ 2009, 1177 = RVGreport 2009, 116; MDR
2014, 1154 = FuR 2014, 491 = FamRZ 2014, 1802.
25 OLGR 2009, 15 = JurBüro 2009, 33 = FamRZ 2009, 543 = FF 2009, 176; MDR 2011, 1385 = FamRZ
2012, 239 = FamFR 2011, 518; FamRZ 2012, 897.
26 FamRZ 2010, 1939 = FF 2011, 44.
27 KGR 2009, 780 = FamRZ 2009, 1854 = RVGreport 2009, 36.
28 AGS 2013, 588.
29 FamRZ 2014, 1802 = FF 2014, 512.
30 MDR 2013, 1231 = FamRZ 2014, 1227 = RVGreport 2013, 444 = FuR 2013, 666.
31 AGS 2014, 188 = FamRZ 2013, 2009 = MDR 2013, 1043 = FuR 2013, 721.
32 FamRB 2012, 149.
33 FamRZ 2012, 240.
34 FuR 2012, 207.
35 FamRZ 2011, 1810 = Justiz 2011, 292 = FamRB 2011, 217 = FF 2012, 43.
36 AGS 2008, 37 = FamRZ 2008, 535.
37 KGR 2009, 780 = FamRZ 2009, 1854.
38 FamRZ 2006, 807 = OLGR 2006, 358 = FuR 2006, 316 = RVGreport 2006, 478.
370
B. Gegenstandswert
§ 10
zogen.39 Abzüge kommen nach dem Wortlaut der Vorschrift allerdings grundsätzlich
vom Nettoeinkommen nicht in Betracht. Abzüge sind nur möglich, soweit die Umstände
des Einzelfalls unter Einbeziehung der Vermögensverhältnisse der Eheleute diese rechtfertigen. Die Vermögensverhältnisse als solche sind unter Berücksichtigung von Freibeträgen in die Wertberechnung einzustellen:40
KG41
je Ehegatte mindestens 30.000,00 EUR; 10 %
vom Restbetrag, davon 20 % Abschlag;
60.000,00 EUR allgemeiner Freibetrag und
25.000,00 EUR Altersfreibetrag je Ehegatte,
5 % vom Restbetrag
OLG Bamberg42
70.000,00 DM je Ehegatte (heute
35.000,00 EUR)
OLG-Bezirk Brandenburg
30.000,00 EUR je Ehegatte und
20.000,00 EUR je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Braunschweig43
70.000,00 DM je Ehegatte (heute
35.000,00 EUR)
OLG Bremen
./.
OLG
Celle44
30.000,00 EUR je Ehegatte und 10.000 EUR
je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Dresden45
30.000,00 EUR je Ehegatte und
10.000,00 EUR je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Düsseldorf46
70.000,00 EUR je Ehegatte und
70.000,00 EUR je minderjähriges Kind; 10 %
vom Restbetrag bei hohem Privatvermögen
OLG Frankfurt47
30.000,00 DM (heute jeweils
15.000,00 EUR); 5 % vom Restbetrag
OLG Hamburg
./.
OLG Hamm
./.
39
40
41
42
43
44
45
46
47
Schneider/Herget/Thiel, Rn 7170 ff.
Tabelle angelehnt an Schneider/Herget/Thiel, Rn 7180a.
FamRZ 2010, 829; FuR 2014, 598; FuR 2014, 598.
JurBüro 1987, 1694.
NdsRpfl 1979, 272.
FamRZ 2013, 149.
FamRZ 2006, 1053.
FamRZ 1994, 249.
EzFamR aktuell 2002, 141; FPR 1996, 311 = FamRZ 1994, 250; FamRZ 2009, 74.
371
11
§ 10
Verbundverfahren
OLG Jena
./.
OLG Karlsruhe48
15.000,00 EUR je Ehegatte, 7.500,00 EUR je
Kind 5 % vom Restbetrag
OLG Koblenz49
60.000,00 EUR je Ehegatte; 5 % vom Restbetrag
OLG Köln50
70.000,00 DM je Ehegatte und
70.000,00 DM je minderjähriges Kind (heute
jeweils 35.000,00 EUR); 5 % vom Restbetrag
OLG München51
120.000,00 DM je Ehegatte (heute
60.000,00 EUR), 60.000,00 DM je minderjähriges Kind (heute 30.000,00 EUR); 5 % vom
Restbetrag
OLG Naumburg
./.
OLG
Nürnberg52
30.000,00 DM (heute 15.000,00 EUR) je Ehegatte und 15.000,00 DM (heute
7.500,00 EUR) je Kind; 5 % vom Restbetrag
OLG Oldenburg
./.
OLG Rostock
./.
OLG
Saarbrücken53
kein Vermögensfreibetrag
OLG
Schleswig54
30.000,00 EUR je Ehegatte; 5 % vom Restbetrag
OLG Stuttgart55
60.000,00 EUR je Ehegatte; 5 % vom Restbetrag
OLG Zweibrücken56
20.000,00 EUR je Ehegatte, 10.000,00 EUR
je Kind, 5 % vom Restbetrag
12 Der Wert darf nicht unter 3.000,00 EUR und nicht über eine 1 Mio. EUR angenommen
werden (§ 43 Abs. 1 S. 2 FamGKG).
48 AGS 2013, 472 = NJW-RR 2014, 68 = FamRZ 2014, 1226 = FamFR 2013, 494 = FamRB 2014, 57 =
FuR 2014, 187; AGS 2013, 472 = NJW-RR 2014, 68 = FamRZ 2014, 1226 = FamFR 2014, 494 = FamRB
2014, 57 = FuR 2014, 187.
49 FamRZ 2003, 1681 = FamRB 2003, 353.
50 FamRZ 1997, 37.
51 OLGR 1998, 169.
52 JurBüro 1989, 1723.
53 JurBüro 1982, 421.
54 SchlHA 2014, 495 = NZFam 2014, 801.
55 AGS 2015, 133.
56 FamRZ 2008, 2052.
372
B. Gegenstandswert
§ 10
2. Wechselseitige Scheidungsanträge
Die Werte wechselseitiger Scheidungsanträge werden nicht addiert (§ 39 Abs. 1 S. 3 13
FamGKG) (siehe § 9 Rn 17).
Beispiel 1
Wechselseitige Scheidungsanträge
Die Ehefrau reicht die Scheidung ein. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der Ehefrau 1.000,00 EUR. Vermögen und Kinder sind nicht vorhanden. Ein halbes Jahr später stellt der Ehemann einen Widerantrag auf Scheidung der Ehe. Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes
beträgt zu diesem Zeitpunkt 3.000,00 EUR, das der Ehefrau 2.000,00 EUR.
Der Wert des Scheidungsantrags der Ehefrau ist mit (2.000,00 EUR + 1.000,00 EUR) x
3 = 9.000,00 EUR zu bewerten. Da der Widerantrag des Ehemanns denselben Gegenstand betrifft, ist gem. § 39 Abs. 1 S. 3 FamGKG nicht zu addieren; es gilt vielmehr der
höhere Wert. Für den Wert des Widerantrags gilt jetzt aber nicht § 34 S. 1 FamGKG
mit der Folge, dass auf die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Widerantrags
abzustellen wäre, also (3.000,00 EUR + 2.000,00 EUR) x 3 = 15.000,00 EUR. Maßgebend ist nach § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Zeitpunkt der ersten Antragstellung, so
dass es auch für den Widerantrag auf Scheidung bei dem Wert von 9.000,00 EUR bleibt
und damit insgesamt nur ein Verfahrenswert von 9.000,00 EUR festzusetzen ist.
3. Sonstige Ehesachen
Sonstige Ehesachen (§ 121 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG) können nicht im Verbund geführt 14
werden (§ 137 Abs. 1 FamFG), wenngleich sich ihre Bewertung im isolierten Verfahren
ebenfalls nach § 43 FamGKG richtet. Es gelten insoweit die gleichen Bewertungskriterien wie zur Scheidungssache. Auf die Ausführungen zu § 9 Rn 5 ff. wird deshalb Bezug
genommen.
4. Mehrere Ehesachen
Sind Gegenstand des Verbundverfahrens mehrere Ehesachen (z.B. Aufhebung der Ehe 15
und Scheidung), so sind die Werte jeder Ehesache bezogen auf den Zeitpunkt ihrer
Antragstellung gesondert zu bewerten (§ 34 S. 1 FamGKG). Anschließend sind die
Werte zusammenzurechnen,57 es sei denn, einer der Anträge ist nur hilfsweise gestellt.
Dann wird nur addiert, wenn über den hilfsweise gestellten Antrag entschieden wird
(§ 39 Abs. 1 S. 2, 3 FamGKG) (siehe § 9 Rn 16).
57 OLG Zweibrücken AGS 2002, 38 = FamRZ 2002, 156 u. 255 = OLGR 2001, 492.
373
§ 10
Verbundverfahren
III.
Folgesachen
1. Versorgungsausgleich
16 Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich (§§ 217 ff. FamFG) ist in § 50 FamGKG
geregelt. Diese Regelung gilt auch für den Scheidungsverbund.
17 Für jedes Anrecht ist ein Betrag in Höhe von 10 % des dreifachen Nettoeinkommens
beider Ehegatten anzusetzen, wenn es um Wertausgleich bei der Scheidung geht.
Ausgleichsansprüche nach der Scheidung sind zwar nicht von Amts wegen Gegenstand
des Verbundverfahrens. Sie sind aber auf Antrag verbundfähig, wenn ausnahmsweise
zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung die Voraussetzungen des § 137 Abs. 2
S. 1 FamFG vorliegen.58 Für diesen Fall ist für jedes schuldrechtliche Anrecht ein Betrag
in Höhe von 20 % des dreifachen Nettoeinkommens beider Ehegatten anzusetzen.
Beispiel 2
Versorgungsausgleich, mehrere Anrechte
Das monatliche Nettoeinkommen des Ehemannes beträgt 2.000,00 EUR, das der
Ehefrau 1.000,00 EUR. Vermögen und Kinder sind nicht vorhanden. Beide Ehegatten haben jeweils eine gesetzliche Anwartschaft; der Ehemann darüber hinaus
noch eine betriebliche Altersversorgung.
Verfahrensgegenstand sind drei Anrechte, so dass für jedes Anrecht 10 % des dreifachen Nettoeinkommens der Eheleute anzusetzen ist. Der Wert der Folgesache Versorgungsausgleich beläuft sich somit auf 3 x 10 % x 3 x (2.000,00 EUR + 1.000,00 EUR) =
2.700,00 EUR. Der Verfahrenswert des Verbundverfahrens beträgt damit
11.700,00 EUR).
18 Abzustellen ist gem. § 34 S. 1 FamGKG auf den Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags.59
Beispiel 3
Versorgungsausgleich, Zeitpunkt der Bewertung
Bei Einleitung des Scheidungsverfahrens hatten die Eheleute ein gemeinsames
Nettoeinkommen i.H.v. 4.000,00 EUR. Beide Eheleute hatten jeweils nur eine gesetzliche Anwartschaft. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist das gemeinsame Nettoeinkommen der Eheleute
a) auf 2.500,00 EUR abgesunken
b) auf 5.000,00 EUR gestiegen.
58 MüKo-FamFG/Heiter, § 137 Rn 71.
59 N. Schneider, Maßgebender Zeitpunkt für die Wertfestsetzung der Folgesache Versorgungsausgleich,
FamRZ 2010, 87.
374
§ 16
§ 16 Beratungshilfe
Inhalt
A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. Abrechnung mit dem Mandanten . .
I. Beratungshilfegebühr . . . . . . . . . . . . . . .
II. Weitergehende Vergütung . . . . . . . . . . . .
3
3
6
C. Abrechnung mit der Landeskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Umfang der Angelegenheit . . . . . . . . . . .
III. Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Beratungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
13
13
24
25
25
A.
2. Einigungsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Aussöhnungsgebühr . . . . . . . . . . . . . .
4. Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Außergerichtliche Vertretung . . . . . . . . . .
1. Geschäftsgebühr . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Aussöhnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Anrechnung der Geschäftsgebühr . . . .
29
30
31
34
34
37
38
39
D. Inanspruchnahme des Gegners . . . . 42
Überblick
Beratungshilfe kommt in Familiensachen besonders häufig vor. Daher entfällt auch der 1
Großteil der veröffentlichten Rechtsprechung zur Abrechnung von Beratungshilfesachen
auf Familiensachen. Ungeachtet dessen gelten hier grundsätzlich keine Besonderheiten.
Die Vergütung richtet sich – da es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit handelt –
nach Teil 2 VV und ist dort in Abschnitt 5 (Nrn. 2500 ff. VV) geregelt. Andere Gebühren
entstehen nicht (Vorbem. 2.5 VV), wohl aber Auslagen nach Teil 7 VV (§ 46 RVG;
Anm. Abs. 2 zu Nr. 7002 VV).
Anzuwenden ist darüber hinaus die Vorschrift der Nr. 1008 VV. Dieser Tatbestand ist 2
nicht durch Vorbem. 2.5 VV ausgeschlossen, da es sich nicht um eine Gebühr handelt,
sondern um eine Gebührenerhöhung. Hier ist auch nahezu der einzige Anwendungsbereich dieser Vorschrift in Familiensachen zu finden.
B.
I.
Abrechnung mit dem Mandanten
Beratungshilfegebühr
Vom Mandanten kann der Anwalt zunächst einmal eine Beratungshilfegebühr in Höhe 3
von 15,00 EUR verlangen (Nr. 2500 VV). Diese Gebühr schuldet ausschließlich der
Mandant (§ 44 S. 2 RVG). Die Gebühr kann erlassen werden (Anm. S. 2 zu Nr. 2500
VV). Eine Anrechnung dieser Gebühr auf die Gebühren einer nachfolgenden Angelegenheit ist nicht vorgesehen. Unabhängig davon kommt eine Anrechnung der Beratungshilfegebühr nur unter den Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 S. 2 BerHG in Betracht.
Neben der Beratungshilfegebühr können keine Auslagen erhoben werden (Anm. S. 1 4
zu Nr. 2500 VV). Da nach dem RVG auch die Umsatzsteuer als Auslagentatbestand
567
§ 16
Beratungshilfe
behandelt wird (Nr. 7008 VV), versteht sich die Beratungshilfe also als Bruttogebühr.1
Ungeachtet dessen muss der Anwalt die Umsatzsteuer daraus abführen.2 Eine Abrechnung wird hier in der Regel wohl nicht verlangt werden, muss aber auf Verlangen erteilt
werden, da auch hier § 10 RVG gilt. Sollte eine Rechnung erforderlich sein, müsste
diese wie folgt aussehen:
Beispiel 1
Beratungshilfegebühr
Die Mandantin erscheint mit einem Beratungshilfeschein und bittet um außergerichtliche Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche.
Die Mandantin schuldet die Gebühr nach Nr. 2500 VV.
1. Beratungshilfegebühr, Nr. 2500 VV
2. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV
Gesamt
12,60 EUR
2,40 EUR
15,00 EUR
5 Wird der Anwalt – unabhängig von der Anzahl der Beratungshilfescheine (siehe
Rn 23) – mit mehreren Angelegenheiten beauftragt, darf der Anwalt die Beratungshilfegebühr für jede Angelegenheit gesondert verlangen.
Beispiel 2
Beratungshilfegebühr, mehrere Angelegenheiten
Die Mandantin erscheint mit einem Beratungshilfeschein für Unterhalt, Ehewohnung und Umgangsrecht und beauftragt den Anwalt in diesen Angelegenheiten.
Die Mandantin schuldet die Gebühr nach Nr. 2500 VV insgesamt dreimal, da drei
verschiedene Angelegenheiten vorliegen (siehe Rn 23).
An den Anwalt zu zahlen sind insoweit 3 x 15,00 EUR = 45,00 EUR.
II.
Weitergehende Vergütung
6 Ist dem Rechtsuchenden Beratungshilfe bewilligt worden, so erhält der Anwalt seine
Vergütung aus der Landeskasse (§ 44 RVG) nach den Vorschriften der Nrn. 2501 ff. VV
(§ 8 Abs. 1 S. 1 BerHG). Eine unmittelbare Inanspruchnahme des Rechtsuchenden ist –
mit Ausnahme der Gebühr nach Nr. 2500 VV (siehe Rn 3) – grundsätzlich nicht möglich
(§ 8 Abs. 2 BerHG).
7 Nach der Neuregelung der Beratungshilfevorschriften besteht seit dem 1.1.2014 die
Möglichkeit, im Nachhinein bei Gericht die Aufhebung der Beratungshilfe zu beantra1 AnwK-RVG/Fölsch, Nr. 2500 VV Rn 1.
2 A.A. Euba, RVGreport 2009, 181. Danach ist die Beratungshilfegebühr der Nr. 2500 VV nicht umsatzsteuerpflichtig.
568
C. Abrechnung mit der Landeskasse
§ 16
gen und anschließend mit dem Mandanten/Rechtsuchenden die gesetzliche Vergütung
abzurechnen. Die Beratungsperson, also der Anwalt, kann die Aufhebung der Beratungshilfe nach § 6a Abs. 2 S. 1 BerHG beantragen, wenn der Rechtsuchende aufgrund der
Beratung oder Vertretung, für die ihm Beratungshilfe bewilligt worden war, etwas
erlangt hat.
Dabei kann der Antrag allerdings nur gestellt werden, wenn der Anwalt
8
■ noch keine Vergütung nach § 44 S. 1 RVG beantragt hat und
■ er den Rechtsuchenden bei der Übernahme des Mandats auf die Möglichkeit der
Antragstellung und der Aufhebung der Bewilligung sowie auf die sich für die
Vergütung nach § 8a Abs. 2 BerHG ergebenden Folgen in Textform hingewiesen
hat.
Die neue Vorschrift des § 6a Abs. 2 BerHG verschafft dem Anwalt damit nunmehr die 9
Möglichkeit, die gesetzlichen Gebühren auch vom Rechtsuchenden beanspruchen zu
können. Wird die Beratungshilfebewilligung aus diesem Grunde aufgehoben, kann
der Anwalt vom Rechtsuchenden seine Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften
verlangen (§ 8a Abs. 2 S. 1 BerHG), also die gesetzliche Vergütung nach dem RVG.
Eine bereits bezahlte Beratungshilfegebühr nach Nr. 2500 VV ist auf den Vergütungsan- 10
spruch anzurechnen (§ 8a Abs. 2 S. 2 BerHG).
Darüber hinaus kann der Anwalt mit dem Rechtsuchenden seit dem 1.1.2014 auch eine 11
Vergütungsvereinbarung treffen. Das bisherige strikte Verbot des § 8 BerHG a.F. ist
aufgehoben worden. Sobald allerdings Beratungshilfe bewilligt ist, kann diese Vergütung – zunächst – nicht mehr geltend gemacht werden (§ 8 Abs. 2 BerHG). Soweit die
Beratungshilfebewilligung jedoch aufgehoben wird, kann der Anwalt den Rechtsuchenden aus der – dann auflebenden Vergütungsvereinbarung – in Anspruch nehmen, wobei
die Aufhebung von dem Anwalt selbst beantragt werden kann (§ 6a Abs. 2 S. 1 BerHG).
Zu beachten ist ferner, dass insoweit auch das bisherige Verbot der Vereinbarung eines 12
Erfolgshonorars (§ 4a RVG) gelockert worden ist. Der Anwalt kann daher insbesondere
hier auch erfolgsabhängige Vergütungen vereinbaren. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber § 4a Abs. 1 S. 4 RVG angefügt, wonach für die Beurteilung nach § 4a Abs. 1 S. 1
RVG die Möglichkeit, Beratungs- oder Verfahrenskostenhilfe in Anspruch zu nehmen,
außer Betracht bleibt.
C.
I.
Abrechnung mit der Landeskasse
Überblick
Alle übrigen Gebühren und Auslagen kann der Anwalt nur mit der Landeskasse abrech- 13
nen (§ 8 Abs. 1 BerHG i.V.m. § 44 S. 1 RVG). Insoweit kann der Mandant nicht in
Anspruch genommen werden (§ 8 Abs. 2 BerHG).
569
§ 16
Beratungshilfe
14 Die Vergütung des Rechtsanwalts richtet sich nach den für die Beratungshilfe geltenden
Vorschriften des RVG in Teil 2 Abschnitt 5 VV, den Nrn. 2501 ff. VV.
15 Zuständig für die Festsetzung der Beratungshilfevergütung ist nach § 55 Abs. 4 RVG
der Urkundsbeamte des AG. Eine Sonderzuständigkeit des Familiengerichts besteht hier
nicht. Zu beachten ist, dass für die Abrechnung der Beratungshilfevergütung nach § 1
Nr. 2 BerHFV3 Formularzwang besteht.
16 Gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten ist nach § 56 Abs. 1 RVG die unbefristete4
Erinnerung gegeben, über die das nach § 4 Abs. 1 BerHG zuständige AG entscheidet
(§ 56 Abs. 1 S. 3 RVG). Der Urkundsbeamte kann der Erinnerung abhelfen; anderenfalls
legt er sie dem Richter vor, der darüber entscheidet.
17 Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist die Beschwerde zum LG gegeben.
Eine Sonderzuständigkeit des OLG für Familiensachen ist hier – im Gegensatz zur
Hauptsache – nicht gegeben.5 Die Beschwerde ist allerdings nur zulässig, wenn der
Wert der Beschwerde den Betrag von 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde in
der Entscheidung über die Erinnerung zugelassen worden ist (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33
Abs. 3 RVG).
18 Gegen die Beschwerdeentscheidung des LG ist wiederum die weitere Beschwerde zum
OLG möglich, wenn das LG diese wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat
(§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG).
19 Sowohl die Beschwerde als auch die weitere Beschwerde müssen jeweils innerhalb
von zwei Wochen eingelegt werden (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 S. 4
RVG).
20 Eine Rechtsbeschwerde ist nicht vorgesehen und wäre zudem auch gesetzlich ausgeschlossen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 2 RVG). Möglich ist allerdings noch die
Gehörsrüge nach § 12a RVG. Ebenso wenig ist eine Anschlussbeschwerde oder Anschlussrechtsbeschwerde zulässig.6
21 Neben den Gebühren aus der Landeskasse erhält der Anwalt nach § 46 RVG auch Ersatz
seiner Auslagen nach den Nrn. 7000 ff. VV, also auch Ersatz der Umsatzsteuer (Nr. 7008
VV).
3 Diese Verordnung hat mit Wirkung vom 10.1.2014 die bisherige BerHVV abgelöst (BGBl I Nr. 1/2014
S. 2 ff.).
4 AnwK-RVG/Volpert, § 56 Rn 9. Wohl kommt aber eine Verwirkung in Betracht (AnwK-RVG/Volpert, § 56
Rn 10).
5 OLG Köln AGS 2011, 85 = MDR 2011, 258 = FamRZ 2011, 919; OLG Koblenz AGS 2012, 27 = JurBüro 2012, 96 = Rpfleger 2012, 154 = NJW 2012, 944 = FamRZ 2012, 652 = FamFR 2012, 37 = MDR 2012,
490 = RVGreport 2012, 179.
6 LG Halle (Saale) AGS 2012, 288 = NJW-RR 2012, 894.
570
C. Abrechnung mit der Landeskasse
§ 16
Umstritten war die Berechnung der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV. Zum Teil 22
wurde früher vertreten, dass sich die Pauschale nach den fiktiven gesetzlichen Gebühren
des Wahlanwalts richte. Nach zuletzt h.M. war auf die Gebühren der Nrn. 2501 ff. VV
abzustellen. Nach der Neufassung der Nr. 7002 VV zum 1.1.2014 ist klargestellt worden,
dass sich die Pauschale aus den von der Landeskasse zu zahlenden Gebühren berechnet
(Anm. Abs. 2 zu Nr. 7002 VV).
Da die Umsatzsteuer als Auslagentatbestand behandelt wird (Nr. 7008 VV), erhält der 23
Anwalt nach § 46 RVG i.V.m. Nr. 7008 VV auch die auf die Vergütung anfallende
Umsatzsteuer. Ob der Rechtsuchende ggf. zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist unerheblich, da er nicht Rechnungsempfänger ist.
II.
Umfang der Angelegenheit
Problematisch ist insbesondere hier sehr häufig, ob eine Angelegenheit gegeben ist oder 24
ob mehrere Angelegenheiten vorliegen. Die Rechtsprechung ist früher überwiegend –
jedoch unzutreffender Weise – davon ausgegangen, dass die Beratung und Vertretung
hinsichtlich der verschiedenen Gegenstände in Familiensachen (Unterhalt, Haushalt,
Zugewinn o.Ä.) als eine Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 RVG anzusehen sind und
die Beratungshilfegebühren daher insgesamt nur einmal ausgelöst werden.7 Zahlreiche
neuere Entscheidungen lehnen jedoch einen sog. „Beratungshilfeverbund“ ab und gehen
zu Recht hinsichtlich verschiedener Familiensachen im Rahmen der Beratungshilfe auch
von verschiedenen Angelegenheiten aus.
Übersicht über die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte seit Inkrafttreten des
FGG-ReformG
KG8
Bei der Tätigkeit in den Bereichen „Ehescheidung“, „Hausrat/Wohnungszuweisung“ und „Umgangsrecht/Sorgerecht“ handelt es sich
jeweils um eigene gebührenrechtliche Angelegenheiten, da zwischen diesen Angelegenheiten kein innerer Zusammenhang besteht.
OLG Brandenburg9
Die Regelung von Trennungsunterhaltsansprüchen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten während des Getrenntlebens bei noch
bestehender Ehe sind als jeweils verschiedene Angelegenheiten anzusehen.
7 Siehe hierzu ausführlich AnwK-RVG/Fölsch, Vor 2.5 VV Rn 160 ff.; Hansens/Braun/Schneider, Vergütungsrecht, Teil 10 Rn 205 ff.
8 AGS 2010, 612 = RVGreport 2010, 141.
9 FamRZ 2010, 833.
571