Bio-Brot
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Bio-Brot
verde. Das Magazin von Coop für Bio und Nachhaltigkeit. Das Magazin für Bio und nachhaltigkeit NO 04 Bio-Brot: Roggen aus den Bündner Bergen Minergiehaus: nachhaltig wohnen Im Gespräch: Bio-Baumwoll-Pionier Patrick Hohmann editorial IMPRESSUM Herausgeberin: COOP Erscheint 4x jährlich Auflage: 1 100 000 Redaktionsadresse: Verde Postfach 8032 Zürich [email protected] Rezepte und weitere Informationen: www.coop.ch/verde Fragen zu Coop: 0848 888 444 www.coop.ch Projektleitung: COOP Jürg Peritz Christian Waffenschmidt Verantwortung Realisation: Oliver Suter Agentur Paroli AG, Zürich Verantwortung Kreation: Daniel Krieg und Uwe Schlupp KSB Werbeagentur AG, Zürich Konzept, Chefredaktion: Agentur Paroli AG Lüchinger Publishing Birgitta Willmann Christoph Doswald Für die Rückkehr der Flussdelfine. Mit der Verdecard Kreditkarte helfen Sie mit, dass die letzten Flussdelfine im Mekong nicht ganz verschwinden. Unterstützen Sie jetzt das vom WWF umgesetzte nachhaltige Projekt in Kambodscha. Alle Informationen finden Sie unter www.coop.ch/verdecard-delfin Redaktionelle Mitarbeit: Martina Bortolani Dominik Flammer Christina Gubler Kaspar Meuli Beatrice Schlag Gestaltungskonzept, Art Direction: Simone Fennel Bildredaktion: Mel Sinha Realisation: Christiane Gothuey Organisation: Tanja Hollenstein Nadine Neufeld Produktion: Detail AG, Zürich Druck: Swissprinters AG, CH-4800 Zofingen Liebe Leserin, lieber Leser Rund 11 Tonnen CO2 werden heute pro Jahr und Kopf in der Schweiz in die Luft geblasen. Das schreibt das Bundesamt für Umwelt BAFU. Und es weist darauf hin, dass uns gegen Ende dieses Jahrhunderts nur noch eine Tonne pro Kopf zusteht, wollen wir unseren Planeten nicht zugrunde richten. Es ist Zeit zu handeln. Und das kann jeder. Coop ergriff schon vor 30 Jahren erste Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs und ging 2004 als erste Grossverteilerin konkrete CO2Zielvereinbarungen mit dem Bund ein. Als Pioniere im Bereich Klimaschutz setzten wir dann 2008 einen neuen Massstab: Bis ins Jahr 2023 gestalten wir die von uns direkt beeinflussbaren Bereiche CO2-neutral. Beispielsweise werden alle neuen oder modernisierten Verkaufsstellen nach Minergie-Standard ausgebaut und mit LED beleuchtet. Unser Strom stammt zu 100 Prozent aus Wasserkraft, und wir heizen mittels Holz, Wärmepumpen und Abwärme aus Kälteanlagen. Wir verlegen ausserdem möglichst viele unserer Transporte auf die Schiene, und die Coop Lastwagenflotte wird zunehmend mit Bio-Treibstoff betankt. Diese Massnahmen werden dazu führen, dass Coop den CO2-Ausstoss bis 2023 um über 50 Prozent gegenüber 2008 reduziert. Die restlichen Emissionen werden ab 2023 kompensiert, indem geeignete Projekte finanziert werden, die andernorts zu einer Einsparung von CO2 führen. Selbstverständlich beschränkt sich unser Engagement nicht nur auf die Coop eigenen Aktivitäten. Wir wollen durch attraktive Produkte und Dienstleistungen auch zunehmend unseren Kunden helfen, sich ökologisch zu verhalten. Seit 2009 etwa bieten wir die ersten Fertighäuser nach MinergieP-Standard in der Schweiz an. Diese erreichen beste Energieeffizienzwerte bei gleichzeitig hoher Qualität und grossem Wohnkomfort. Die ersten Käufer werden demnächst in ihre Häuser einziehen. Lesen Sie dazu unsere Geschichte auf Seite 32, die beschreibt, wie das Ehepaar Hiroko und Damien Fleury zu seinem Öko-Fertighaus kam. Es muss natürlich nicht gerade ein Haus sein, mit dem Sie Ihre persönliche CO2-Bilanz verbessern. Schon unsere Naturaplan-Produkte mit der Knospe bieten neben natürlich gesundem Genuss auch punkto CO2 einen Mehrwert, indem unter anderem auf Flugtransporte verzichtet wird und Gewächshäuser nur frostfrei gehalten, nicht aber beheizt werden dürfen. Und unsere Naturaline-Kollektion bietet ökologische und soziale Mehrwerte im Look der aktuellen Modetrends. Ein Grossteil der Artikel wird bereits heute CO2-neutral hergestellt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre. Herzlichst, Ihr Jürg Peritz Leiter Marketing und Beschaffung Coop Foto: Gian Marco Castelberg 4/10 coop verde - 3 inhalt 08 16 22 30 32 36 40 ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ ▶ 03 Editorial 03Impressum 06 a tavola 15 Kolumne 27Statistik 46 Meine Welt Bio-brot zu Gast bei ... schafzucht TatSachen minergiehaus Interview Mode den Hobbyköchen Brigitte Rüegg und Thomas Riethmann. Ein Tag bei Familie Vonwiller im Gürbetal. So bringen Sie Ihre Ökobilanz auf Vordermann. Energieeffizientes Wohnen aus dem Katalog. Patrick Hohmann über BioBaumwolle. Mit Naturaline charmant durch den Herbst. Verde kann gratis unter www.coop.ch/verde oder per Mail unter [email protected] als Abonnement bestellt werden. Roggen und Weizen aus dem Bündnerland. 08 32 40 16 22 ▶ Titelfoto: H. R. Rohrer 36 Verde wird in der Schweiz auf heimischem FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. Es schont die Umwelt dank einem hohen Anteil an Altpapier aus regionaler Haushaltsammelware und Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft. www.coop.ch/verde roggen Das Rezept «Hausmacherbrot» finden Sie auf www.coop.ch/verde Rezept 4/10 coop verde - 5 Coop Naturaplan Bio-Wirz ** per kg Bio-Peterli glatt ** Bio-Kartoffeln ** 1 kg Bio-Zwiebeln ** 500 g Bio-Karotten ** 1 kg Bio-Nelken, 22 g 1.40 Bio-Lorbeerblätter getrocknet, 18 g 0.90 Bio-Thymian getrocknet, 12 g 1.40 Bio-Naturabeef Siedfleisch mager */ ** ca. 400 g Coop Naturaplan Bio-Sultaninen, 200 g 1.40 Bio-Apfelsaft, 100 cl 2.30 Bio-Haselnüsse ganz, 200 g 3.60 Bio-Schweizer Eier * 6 x 60 g 5.05 Bio-Vollrahm, past * 2 dl 2.55 Bio-Weissmehl, 500 g 1.50 Betty Bossi Bio-Kuchenteig ausgewallt, rund, 270 g 2.25 Coop Naturaplan Bio-Apfelessig 5 dl 2.50 Coop Naturaplan Bio-Apfelmus 430 g 1.95 a tavola suppenzeit Apfelzeit Coop Naturaplan Bio-Äpfel ** 1 kg 6 - coop verde 4/10 * In grösseren Verkaufsstellen erhältlich ** Zum aktuellen Tagespreis Coop Naturaplan Bio-Soft Apple Getreideriegel mit Apfel und Dinkel * 7 x 20 g 5.20 Coop Naturaplan Bio-Biscuit Hirse-Apfel * 200 g 3.95 Coop Naturaplan Bio-Bouillon 250 g 7.20 Coop Naturaplan Bio-Knollensellerie ** per kg Coop Naturaplan Max Havelaar Bio-Pfeffer schwarz 130 g 3.70 Coop Naturaplan Bio-Bohnen ** per kg Coop Naturaplan Bio-Sauerkraut * 250 g 2.40 Food stills: Sandra Kennel 4/10 coop verde - 7 Bio-Brot cucina brot aus den bergen Hart an der Wachstumsgrenze wachsen im Bündnerland Bio-Roggen und Bio-Weizen, aus denen Mehl für das legendäre Patatti-Brot gemahlen wird. Text Fotos Im Bündnerland geben sich Politiker gerne volksnah. Trotzdem staunten die Wanderer in Urmein, unterhalb des bekannten Skigebiets am Heinzenberg, nicht schlecht, als sie an einem strahlenden Septembermorgen Eveline Widmer-Schlumpf auf einem Acker erblickten. Dort bestellte die Bundesrätin mit 50 Gentech-Kritikern den Acker von Anna und Christian Bühler und säte eigenhändig auf einer halben Hektare Cadi-Roggen – eine einheimische, winterfeste Sorte, die lange Zeit kaum mehr kultiviert worden ist. Acht Monate nach der Einsaat steht das Feld in kräftigem Wuchs. Berggebiet: ideale Bedingungen für den Roggenanbau. Christian Bühler: Bauer im Roggen. Roggen ist schwierig anzubauen und deshalb die Königsdisziplin unter den Getreiden, die in den exponierten Lagen in den Alpen wachsen. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass Christian Bühler sich dafür starkmacht. Bühler präsidiert die Vereinigung Gran Alpin, eine Bauern-Genossenschaft, die sich der Förderung von Bio-Berggetreide verschrieben hat. «Als Präsident muss ich doch mit gutem Beispiel vorangehen», witzelt der engagierte Landwirt. Acht Monate nach der Einsaat des Cadi-Roggens steht das Feld bereits in kräftigem Wuchs. Das sei der Vor teil von winterfestem Getreide, erklärt Bühler. 4/10 coop verde - 9 Bio-Brot cucina Berggetreide: ein rares Gut. Labyrinth: Getreidemühle in den Bergen. 4/10 coop verde - 11 Bio-Brot «Es kann langsamer wachsen.» Unterstützung erhält Bühler nicht nur von der exponierten Lage – «auf dieser Höhe gibt es keine Schädlinge» –, sondern auch vom besonderen Verlauf der Witterung. Im April schneite es nochmals, so dass die Pflanzen gut mit Wasser versorgt waren. Und weil sie sich durch die Last des Schnees kämpfen mussten, sei der Roggen jetzt besonders kräftig und dicht. Zweieinhalb bis drei Tonnen Korn plant Bühler Ende August zu ernten – «ein gutes Resultat». Gute Roggen-Ernten braucht die schon 1987 gegründete Gran Alpin-Genossenschaft dringend. Denn das Getreide ist einerseits so begehrt und anderseits so kapriziös, dass in den letzten Jahren stets Mangel herrschte. Dabei wäre Roggen eigentlich das ideale Multifunktionsgetreide, wie Christian Bühler erklärt: «Es liefert nicht nur das Korn Roggen ist so begehrt, dass jahrelang mangel herrschte. Handwerk 1: traditioneller Leinen-Mehlsack. Handwerk 3: Patatti-Brotteig in Holzformen. 12 - coop verde 4/10 Handwerk 2: Mehlmischung muss stimmen. Handwerk 4: Qualitätskontrolle von Bäcker Stgier. für die Brotherstellung, sondern auch das im Stall benötigte Stroh für die Kühe.» Darum engagiert er sich beim Pilotprojekt mit Cadi-Roggen, der einen besonders hohen Wuchs aufweist, also viel Stroh produziert. Und das wiederum ist – nachdem es den Stall verlassen hat – wichtig für den Mist, mit dem die Felder auf dem hochgelegenen Bio-Bauernhof gedüngt werden. «Mist», so Bühler, «ist viel besser als Gülle, weil er den von den Pflanzen benötigten Stickstoff über ei nen längeren Zeitraum abgeben kann.» Der Cadi-Roggen, der bei Bühler und einigen anderen Bündner Bauern der Gran Alpin-Genossenschaft angebaut wird, wird in einer Mühle gemahlen, die gemäss den Pro Montagna-Richtlinien ebenfalls im Berggebiet liegen muss. Von dort gelangt das Mehl dann in das 200-Seelen-Dorf Tiefencastel. Dort befindet sich nicht nur der Geschäftssitz von Gran Alpin, sondern auch die Bäckerei Stgier, wohin ein Teil der Produktion der Bündner Gran Alpin-Bauern geliefert wird: Rund 75 Tonnen Mehl aus Roggen und Weizen, wie die Gran Alpin-Geschäftsführerin Maria Egenolf Mathieu erklärt, seien es 2009 gewesen. Daraus fertigt Claudio Stgier mit seinen 40 Mitarbeitenden das legendäre Bio-Patatti-Bergbrot, das in seinen sechs eigenen Bäckereien, aber auch bei Coop verkauft wird. Der Tiefencastler Bäcker hat den väterlichen Betrieb vor zehn Jahren übernommen und seither ein hohes Tempo angeschlagen. Denn Claudio Stgier ist ein Tüftler – stets auf der Suche nach Neuem, stets dabei, sich und seinen Betrieb weiterzuentwickeln. Darum hat er vor sechs Jahren keine Sekunde gezögert, als er angefragt wurde, für eine cucina ProSpecieRara-Generalversammlung ein Spezialbrot zu ba cken. «Ich habe mich an ein Rezept meines Grossvaters aus Kriegszeiten erinnert», erzählt Stgier. «Damals war Getreide knapp, so dass dem Brot gerne Kartoffeln beigemischt wurden.» So wurde flugs das «Patatti-Brot» wiedergeboren, das einem Coop-Mitarbeiter und GV-Teilnehmer so gut schmeckte, dass er es umgehend ins Sortiment des Gross verteilers brachte. Gefallen findet das Bio-Patatti-Bergbrot offenbar auch bei den Unterländern, wie in Graubünden der Rest der Schweiz genannt wird. 2009 haben jedenfalls 90 000 der erdig schmeckenden Patatti-Brote à je 300 Gramm die Bäckerei in Tiefencastel verlassen. Bis aus dem Brot, das für jenen Anlass gebacken wurde, ein Pro Montagna-Produkt wurde, mussten Stgier und seine Mitstreiter von Gran Alpin einen langen Weg zurücklegen. Das grösste Problem der Getreideproduktion, sagt Stgier, seien die klimabedingten Schwankungen. «Die ideale Mischung fürs Patatti-Brot ist 30 Prozent Kartoffeln, 60 Prozent Weizen, 10 Prozent Roggen.» Aber die Qualität des Mehls sei eben sehr verschieden. Doch das mache das Leben als Bäcker interessant: «Hier sind wir als Handwerker noch richtig gefordert.» Gefordert war der Fachmann auch, als das Mehl zum ersten Mal nicht richtig «klebte» und der Teig viel zu dickflüssig blieb. Und weil das immer wieder passieren kann, wurde er fortan in eine Körbchenform bugsiert, was ihm letztlich zu einer charakteristischen Verpackung verholfen hat – «ein perfektes Markenzeichen», freut sich der umtriebige Bäckermeister. Improvisiert werden musste auch mit den Kartoffeln. «Ideal wären Safier gewesen, eine tro ckene, lokale Sorte», sagt Stgier. Aber die Ausbeute beim Anbau ist zu klein. Also muss von Ernte zu Ernte eruiert werden, welche Sorte zum Zuge kommt. Und weil sich Kartoffeln nicht über den ganzen Winter lagern lassen, ohne ihre Konsistenz zu verändern, muss Stgier seinen Jahresbedarf von 25 Tonnen bereits im Herbst «schwellen». Aber auch dafür hat der findige Bäcker eine einfache Lösung gefunden: Im Industriequartier von Tiefencastel stehen seit kurzem vier Kühlcontainer voller Gschwellti. _ Pro Montagna bei Coop: Auserlesene Produkte aus Schweizer Bergregionen werden bei Coop unter der Marke Pro Montagna verkauft. Mit dem Kauf von Pro Montagna-Produkten erhalten die Konsumenten nicht nur einen qualitativen Mehrwert; sie leisten auch einen direkten Beitrag an die Coop Patenschaft für Berggebiete. Damit werden die Wertschöpfung in den Bergen und die Pflege der alpinen Kulturlandschaft unterstützt. 4/10 coop verde - 13 Cucina Bio-Brot Kolumne INTERVIEW Was macht ein Holländer in den Alpen ? In Holland wird intensive Landwirtschaft betrieben. Nach dem Biologiestudium wollte ich ins Ausland, um mich mit Bio-Saatgut beschäftigen zu können. Von Kutteln und Kaviar. gerste Bildet als Sommergerste den Rohstoff für die Bierherstellung. War die Schweiz für diese Thematik interessanter als Holland ? In den Achtzigerjahren sind in der Schweiz einige Initiativen entstanden. Es gab eine Bio-Samenzüchtung, und hinsichtlich der Getreideforschung war vieles in Bewegung. Peter Züblin rettete alte Sorten im Wallis und in Graubünden und fand das Ur-Getreide Emmer in einer Scheune in der Nähe von Basel. Welches ist Ihr wichtigster Fund ? Ich habe eine alte Mohnsorte gefunden, die von einer Bäuerin in Scuol gehegt und gepflegt und vor dem Aussterben bewahrt wurde. hirse Ältestes Getreide. Diente bereits vor mehr als 8000 Jahren zur Herstellung von Brotfladen. Wie viele lokale Getreidesorten gibt es im Bündnerland ? Wir sprechen in diesem Zusammenhang von den wirtschaftlich wichtigen Kulturarten, die gesammelt und aufbewahrt wurden: 400 Gersten-, rund 100 Weizensorten und eine Roggensorte. Nur eine einzige Roggensorte ? Bis in die Sechzigerjahre gab es eine grosse Vielfalt. Dann wurde das Zuchtprogramm eingestellt, und das Interesse, die alten Sorten zu erhalten, verschwand. Warum ? Die Erhaltung von Roggensorten ist aufwendiger als von Weizen oder Gerste. hafer Hilft auf dem Feld im Kampf gegen Schädlinge. Bekanntes Produkt: Haferflocken. Hat sich die Klimaveränderung schon bemerkbar gemacht ? Ja, wir stellen fest, dass auch in den Bergen Schädlinge auftreten, die eigentlich für tiefer gelegene Regionen typisch sind. Was unterscheidet Berg- und Unterland-Getreide ? Erstens erhalten die Jungpflanzen in den Bergen mehr Licht. Und zweitens reift das Getreide in den Bergen langsamer. Es hat mehr Zeit, die Reifung abzuschliessen – ähnlich wie das Obst. roggen Genügsames Getreide. Gedeiht auch in schwierigen Zonen. Wie manifestiert sich das? Im Geschmack ? Ich beziehe mein Getreide aus dem Münstertal und habe festgestellt, dass das Brot, das aus diesem Mehl gebacken wird, ausgesprochen aromatisch ist. Peer Schilperoord (54) Biologe, befasst sich seit 1982 mit alpinem Getreide und Kulturpflanzen. Er ist Mitglied der Schweizerischen Kommission für die Erhaltung der Kulturpflanzen. 14 - coop verde 4/10 Foto: Ona Pinkus Illustrationen: Valérie Losa weizen Weltweit wichtigstes Brotgetreide. Cucina Text Ich liebe Innereien, und wenn der Werner kocht, haben mir dann aber nicht so gut geschmeckt wie die Felsowieso. Nur sagt der Werner immer, dass ich eh alles lie- chenlebern. Die schmecken mir schon deshalb, weil die be, was man essen könne. Womit er gar nicht so unrecht Bodenseefischer wohl die einzigen sind, die den kleinen hat. Solange es gut zubereitet ist, am liebsten von einem Fischchen die umso kleineren Lebern herausklauben. EinKönner wie ihm. Allerdings wusste der Werner nicht, dass fach weil das ihre Vorfahren schon immer so gemacht ich an ganz andere Innereien dachte als er, als ich das sagte. haben, da die Felchenleber eine einmalige Delikatesse ist. Denn wie er denken alle gleich an Leber und an Hirn oder an Nieren. Ich aber habe an Ka Solche lokalen Spezialitäviar gedacht, auch wenn dieten aus dem See gibt es auch jenigen, die sich diese mittleranderswo: Am Chiemsee in weile astronomisch teure DeDeutschland schätzt man vor likatesse leisten können, wohl allem die Hechtlebern, die kaum an Innereien denken, noch rarer sind als die der wenn sie für ein Gläschen KaFelchen. Am Zürich- und am viar einen Tausender oder Vierwaldstättersee entnehmehr hinblättern. Dabei habe men die Fischer der Trüsche ich mir nur gedacht, als ich die Leber, dem einzigen Werners traumhaft zubereiteSüsswasser-Dorsch Europas. te Kutteln ass, dass ich ja auch Für diese Delikatesse haben Fischinnereien liebe. Und wie schon die Römer gemordet. alle Gourmets, die bei einem Doch selbst diese Spezialität traumhaften Essen Assoziawird heute nurmehr selten tionen an längst vergangene nachgefragt, wie mir ein Fikulinarische Momente und scher kürzlich erzählte. Die Speisen haben, kamen mir bei meisten Konsumenten überWerners Kutteln plötzlich die tragen ihr Misstrauen von verschiedenen Beluga-Sorten den Schweins- und Kalbs- auf in den Sinn, die ich einst bei die Fischinnereien. Obwohl Kaviar, Kutteln und Felchenleber einem Pariser Kaviarhändler dabei ein hehrer Grundsatz degustieren durfte. aus der Blütezeit der französischen Küche verletzt wird: Wer die Leber nicht ehrt, ist des Filets nicht wert. Doch wenn ich bei Werner Kutteln esse, hängt das nicht nur damit zusammen, dass ich mir den teuren Kaviar Persönlich kommt mir diese Abneigung gegen Fisch nicht mehr leisten mag. Werner kocht die Kutteln in einer innereien zugute: 400 Gramm Felchenlebern bekomme ich weissen Tomatensauce und serviert sie mit Pestokartoffeln, zum Preis von einem Viertelgramm Beluga-Kaviar. Beide wie sie besser nicht sein könnten. Aber ich habe auch nach Delikatessen schmecken mir hervorragend, aber nur von Kaviarersatz Ausschau gehalten. Nach der Bottarga etwa, der Leber werde ich auch satt. _ dem Rogen der Meeräsche auf Sardinien, dieser leicht salzigen, mit Pasta, etwas Petersilie und Olivenöl unübertroffen schmeckenden mediterranen Spezialität. Und dann Das Rezept für Werners Kutteln in weisser Tomatensauce kam mir auch der geräucherte Felchenkaviar in den Sinn, mit Pestokartoffeln finden Sie auf www.coop.ch/verde den ich bei einem Bodenseefischer erstmals gekauft habe – Fragen an unseren Kolumnisten richten Sie bitte direkt an: dort, wo ich normalerweise die Felchenleber hole. Die Eier [email protected] Illustration: Eduardo Recife 4/10 coop verde - 15 Hobbykoch Text Cucina Abgetropft: Borlotti-Bohnen und Gerste. Fotos Tomatensetzling: braucht viel Wasser. Ofengemüse: Pastinaken und Rüebli. Rüstzeug: Sparschäler und scharfes Messer. Treffpunkt: himmelblaue Küche. Die Hobbyköche: ein perfektes Team. Zu Gast bei: Brigitte Rüegg & Thomas Riethmann In Zürich-Schwamendingen steht ein Hexenhäuschen mit viel Garten drum herum. Drinnen in der Küche werkeln Brigitte Rüegg und Thomas Riethmann auf meisterlichem Kochniveau. Dass ihre Zutaten Bio-Qualität haben, ist für sie selbstverständlich. 16 - coop verde 4/10 Angerichtet: Hacktätschli und Kartoffelstock. Im Hause Rüegg-Riethmann wird mit scharfen Messern und dem Wallholz gekämpft. Dann nämlich, wenn Brigitte Rüegg und Thomas Riethmann gemeinsam einen «Kochbattle» bestreiten, einen Kochwettbewerb. Und gewinnen. Zeugnis davon: ein Holzbrettchen mit der Messinggravur «Gewinner Koch-Battle 2010», das an der Wand hängt. Die Hausherrin hängt die Auszeichnung wieder an ihren Platz über der himmelblauen Küchenzeile, an der Thomas gerade die Zutaten für eine Bündner Gerstensuppe in einem grossen Topf verschwinden lässt. Beide strahlen, wenn sie vom Kochwettbewerb mit den Freunden erzählen: Ambitionierter Koch: Thomas Riethmann. «Es war ein gigantischer Aufwand, wir standen tagelang in der Küche, aber es hat sich gelohnt.» Kochen ist eine Leidenschaft des Paares, das vor zwei Jahren ins eigene Haus in Schwamendingen gezogen ist. «Wir ertappten uns schon dabei», sagt Thomas und grinst, während er ein Monster von einem japanischen Rüstmesser auf eine Sellerieknolle niedersausen lässt, «dass wir abendelang mit unseren Freunden über Rezepte und Zubereitungsarten diskutierten.» Die Freude am Brutzeln und Backen, am Ausprobieren von Rezepten kam mit der Liebe. Als Thomas Brigitte zum ersten Mal zum Nachtessen einlud, 4/10 coop verde - 17 Hobbykoch Cucina Bratfertig: Hacktätschli in der Pfanne. Griffbereit: Gartenkräuter in der Küche. Gartenidylle: bunte Vogelhäuschen. Bio-Rezepte für 4 Personen Bündner Gerstensuppe Anrichten: Brigitte Rüegg bei der Arbeit. Suppengemüse: muss gerüstet werden. Thomas’ Hobby: Sammlung von Cinquecento-Fotos. gab es Schweinsgeschnetzeltes an einer Orangenrahmsauce. «Das hat mich zutiefst beeindruckt», sagt sie. Den Wohn- und Essraum ihres Altbaus aus den Zwanzigerjahren im alten Dorfkern von Schwamendingen haben sie sich denn auch so eingerichtet, dass er vielen Gästen Platz bietet und die Küche in den Wohnraum integriert ist. Mit der Suche nach ihrem Hexenhäuschen begannen die Grafik-Designerin und der Arbeitspädagoge vor gut fünf Jahren. Alt und mit einem grossen, wuchernden Garten drum herum sollte es sein. Drei Jahre hat es letztlich gedauert, bis sie fündig wurden. «Bei der Besichtigung des Objekts habe 18 - coop verde 4/10 * Nicht im Bio-Angebot bei Coop erhältlich. Stillleben: Obst vom Markt. ich mich augenblicklich verliebt», sagt Brigitte und schaut ver träumt aus dem Fenster hinaus in ihren sonnenbeschienenen Zaubergarten. Ein alter Zwetschgenbaum steht darin, und lie bevoll angelegte Rabatten mit Küchenkräutern gibt es auch. Das meiste, was auf den Tisch kommt, kauft Brigitte aber auf dem Oerliker Wochenmarkt. Jeden Samstagmorgen macht sie sich auf den Weg ins Zentrum, wo die Bauern der Umgebung ihre Ware feilbieten: «Darauf freue ich mich schon morgens beim Aufstehen.» Nebst Bio-Qualität schaut sie auch darauf, dass die Produkte, die auf den Tisch kommen, saisonal sind. «Auf alles, was in unseren Breitengraden wächst, kann man warten, bis es erhältlich ist», meint Thomas. Kein Wunder, haben sie sich für das Verde-Menü für währschafte, heimische Winterkost entschieden. Und da stehen sie nun nebeneinander am antiken Küchentisch in der Mitte der Küche, plaudern und rüsten akribisch Pastinaken, Rüebli und Kartoffeln und finden auch noch Zeit, um einen Kaffee zu servieren. Ein eingespieltes Team. Thomas knetet den Teig für die Hacktätschli und wirft dabei ein Auge auf die Gerstensuppe, die gemächlich vor sich hin blubbert: «Die muss im Winter von innen heraus wärmen.» Sagts und legt den Deckel darauf. _ 100 g Borlotti-Bohnen über Nacht in kaltem Wasser eingeweicht 3 Wirzblätter 1/2 Sellerieknolle geschält 1 Lauchstängel 2 Karotten geschält 2 Kartoffeln geschält 200 g Rippli* geräuchert 100 g Speck geräuchert 100 g Rollgerste 1,5–2 l Bouillon 1/2 bund krause Petersilie gehackt weisser Pfeffer aus der Mühle Butter Borlotti-Bohnen abgiessen, mit kaltem Wasser aufsetzen, aufkochen. Bei mittlerer Hitze knapp weich garen. Abgies sen, beiseitestellen. Gemüse und Fleisch in Würfel schneiden. Gemüse in Butter 5 Minuten andämpfen. Gerste und Fleisch beifügen, kurz dünsten. Mit 1,5 Liter Bouillon ablöschen, aufkochen. Halb bedeckt ca. 2 Stunden bei kleiner Hitze köcheln lassen. 15 Minuten vor Ende der Kochzeit Borlotti-Bohnen und bei Bedarf restliche Bouillon beifügen, fertig kochen. Mit Pfeffer und Petersilie abschmecken. Vor- und zubereiten ca. 2,5 Std. 4/10 coop verde - 19 Cucina Hobbykoch Hacktätschli 400 g gehacktes Rindfleisch 1 Weggli Kruste weggeschnitten, in Milch eingeweicht 1 Ei verquirlt 1 Bund Petersilie gehackt 1 Peperoncino* halbiert, entkernt, fein geschnitten Salz* Pfeffer Paprika Curry wenig Senf Bratbutter* Rindfleisch in eine Schüssel geben. Weggli gut auspressen, mit einer Gabel zerzupfen. Ei, Petersilie und Peperoncino beifügen, würzen. Hacktätschli formen, in der Bratbutter bei mittlerer Hitze unter Wenden durchbraten. Vor- und zubereiten ca. 20 Minuten Kartoffel-Selleriestock 400 g Kartoffeln mehligkochend 400 g Sellerieknollen 2–3 dl Milch heiss 30 g Butter weich Salz* Muskatnuss* frisch gerieben Die geschälten Kartoffeln und Sellerie würfeln, in siedendem Salzwasser 15 Minuten weich kochen. Wasser abgiessen, Pfanne auf die ausgeschaltete Herdplatte schieben, austrocknen lassen. Gemüse mit einem Kartoffelstampfer zerdrücken. Milch und Butter unter Rühren beifügen, mit Salz und Muskatnuss abschmecken. Pastinaken und Karotten aus dem Ofen 6 Pastinaken 6 Karotten 6 Knoblauchzehen ungeschält 3–4 Rosmarinzweige Olivenöl Salz* Pfeffer Die geschälten Pastinaken und Karotten je nach Grösse längs halbieren oder vierteln. In siedendem Salzwasser kurz kochen, abgiessen. In eine ofenfeste flache Form geben, Knoblauch und Rosmarin darüberstreuen, mit Öl beträufeln. Mit Salz und Pfeffer würzen, mischen. In der Mitte des auf 200 °C vorgeheizten Backofens 30–50 Minuten goldbraun rösten. Vor- und zubereiten ca. 60 Minuten Süssmostcrème 6 dl Süssmost trüb 1 EL Maisstärke* 2 EL Zucker 2 Eier verquirlt 2 dl Rahm steif geschlagen 1/2 Zitrone Saft Vor- und zubereiten ca. 40 Minuten Süssmost und Maisstärke in eine Pfanne geben, glatt rühren. Zucker und Eier hinzufügen. Bei mittlerer Hitze unter ständigem Rühren bis knapp vor den Siedepunkt bringen. Sofort durch ein Sieb in eine Schüssel giessen und ca. 2 Stun den erkalten lassen. Rahm unter die Masse geben, mit Zi tronensaft abschmecken. «Weshalb ich die Berge liebe, kann ich schlecht in Worte fassen. Aber umso besser in Milch und Käse.» Der Bündner Bergkäse von Peter Meisser aus Splügen ist nur eines von vielen auserlesenen und authentischen Produkten aus den Schweizer Bergen. Mit jedem Kauf fl iesst ein Beitrag an die Coop Patenschaft für Berg gebiete. Diese unterstützt die Pfl ege Schweizer Kulturlandschaften und verbessert die Existenzgrundlage unserer Bergbauern. So können Sie sicher sein, ein echtes Bergprodukt in Ihren Händen zu halten – auch morgen noch. Vor- und zubereiten ca. 15 Minuten 20 - coop verde 4/10 * Nicht im Bio-Angebot bei Coop erhältlich. Für unsere Berge. Für unsere Bauern. 4/10 coop verde - 21 Bio-Schafmilch Text vita Romantischer Fleck: Weide beim Hof. Fotos Nils Vonwiller: Milch macht stark. Sommerlamm: glücklich auf der Weide. Gürbetaler Leckermäuler Es gibt sie noch, die Hofidylle wie anno dazumal. die Familie Vonwiller lebt von und für ihre Schafherde im Berner Gürbetal. «Könnt ihr nicht einen Moment still sein?» ruft Catherine Vonwiller in die Schafherde und muss lachen. «Da versteht man ja sein eigenes Wort nicht mehr.» Gut 50 Schafe beäugen die Gürbetaler Bäuerin einen Moment lang schweigend, gerade so, als hätten sie verstanden. Da beginnt das erste Lamm wieder leise zu blöken, und alle andern setzen laut ein. Kein Wunder, wenn man Hunger hat; die Jungtiere wollen zu ihren Müttern, die auf der weitläufigen Kleewiese neben dem Stall stehen und herüberschauen. Eugen Vonwiller, Bio-Bauer und dreifacher Vater, der zusammen mit seiner Frau einen 200 Jahre alten Gürbetaler Bauernhof bewirtschaftet, öffnet das Tor. Die Mutterschafe drängen in den mit Stroh ausgelegten Stall. Sofort saugen die Lämmer an den prallen Zitzen an und trinken gierig. Der Appetit der Tiere ist ansteckend, «ich habe langsam auch Hunger», sagt Catherine Vonwiller, stellt die Mistgabel in eine Ecke und öffnet den Reissverschluss ihrer dünnen Windjacke. Vor der Haustüre schlüpft sie aus den Gummistiefeln und steigt in Birkenstocksandalen. «Ich mach Zmittag, die Kinder kommen jetzt dann aus der Schule.» Die einjährige Border-Collie-Hündin Rea zottelt hinter ihrem Frauchen her, vielleicht gibt es in der Küche ja etwas zum Naschen. Eine gutgelaunte Sonne lacht über dem Berner Gürbetal. In allen Grüntönen leuchten die ungemähten Naturwiesen, die den zehn Hektar grossen Hofbetrieb umgeben. Das Herzstück bildet das Bauernhaus mit einer grossen Holzveranda und einem Gemüsegarten davor. Pfirsichspaliere ranken sich am dreistöckigen Holzhaus entlang und bringen Früchte hervor, die im Spätsommer «herrlich süss-sauer werden», wie Catherine Vonwiller schwärmt. «Wir haben alles direkt vor der Haustüre», sagt die Bäuerin mit den klaren blauen Augen stolz, und man kann die Befriedigung fühlen, die sie aus ihrer Arbeit zieht. Trotz der langen Tage in Stall und Haus. Wetterfest: Gummistiefel vor dem Eingang. 4/10 coop verde - 23 Bio-Schafmilch vita Kaffeepause: Eugen Vonwiller in der Küche. Feinschmecker: Futterzeit im Stall. Herdentrieb: auf dem Weg nach oben. Beste Freunde: Severin und sein Lamm. Catherine Vonwiller: Bäuerin aus Überzeugung. Melken: Ohne Technik gehts nicht. 24 - coop verde 4/10 Sonnengetrocknet: Wäsche auf der Leine. Elina: hat das Schaf lieb. 4/10 coop verde - 25 vitA Bio-Schafmilch Seit zehn Jahren züchten die Vonwillers Schafe. Ihre Schafmilch ist mit der Knospe von Bio Suisse ausgezeichnet und hat auch das Prädikat von Demeter, dem Verein für biologisch-dynamische Landwirtschaft. Die strengen DemeterKriterien sind in ganz Europa anerkannt. Biologische Schafmilch hat Furore gemacht und gilt inzwischen als begehrte Delikatesse; viele Konsumenten haben sie als Alternative zur Kuhmilch entdeckt. Nicht nur, weil sie gut schmeckt, «sie hat nämlich keinen starken Eigengeruch, wenn die Ernährung der Tiere ausgewogen ist», wie Catherine Vonwiller betont. Sondern auch, weil sie für Menschen mit einer Biologische schafmilch hat furore gemacht und gilt inzwischen in ganz europa als delikatesse. Kuhmilchallergie geeignet ist. «Ich koche mit ihr wie mit Kuhmilch», sagt Catherine Vonwiller, die ihre drei Kinder, heute zwischen sechs und neun Jahre alt, mit Schafmilch grossgezogen hat. Ihre Kinder, sagt sie, seien «supergesund» und der beste Beweis, dass man auch Säuglinge mit Schafmilch ernähren könne. Jeden Morgen melken die Bauern ca. 40 Liter Schafmilch, die dann sofort gekühlt und innerhalb eines Tages zur Bio-Molkerei Biomilk nach Münsingen geliefert werden. Diese innovative «Bio-Milchmanufaktur», wie sie sich selber nennt, verarbeitet die Schafmilch dann für Detailhändler wie Coop zu Joghurt, Quark oder Panna cotta. Der Kontakt zwischen Biomilk und der Bauernfamilie ist geschäftlich, aber herzlich, die kleinen Zulieferbetriebe in dieser Region kann man an einer Hand abzählen. Seit zehn Jahren arbeiten die Vonwillers an ihrem Nischenprodukt im Weiler Burgiwil, eine halbe Zugstunde von Bern entfernt. Zur Familie gehört auch Mani, ein geistig leicht beeinträchtigter Kambodschaner, der auf dem Hof lebt und mit anpackt. Neben den knapp 50 Schafen, die auf den Weiden ums Haus herumspringen, gibt es in diesem Naturidyll auch noch «eine Handvoll» wilder Katzen, den Hund, zwei Haflinger und ein zwei Wochen junges Fohlen, das «plötzlich über Nacht da war», wie Catherine Vonwiller sagt. «Ich bin aufgewacht, hörte ein Wiehern, bin in den Stall gerannt, doch da war das Tier schon auf der Welt.» Wir sitzen in der kühlen Küche, die satte Mittagssonne drückt durch die dicken Mauern, Catherine Vonwiller deckt den Tisch: Suppenteller, Messer und Gabel, ein Glas mit selbst gepresstem Most. Es gibt Älpler-Makronen mit 26 - coop verde 4/10 Statistik pikanten Schafswürsten aus dem eigenen Betrieb. Bescheidenheit mischt sich an diesem grossen Holztisch mit dem Schalk und der Umsichtigkeit der Bewohner, die so gar nicht bekehrend grün leben, sondern ganz selbstverständlich ökologisch. So wie sie selber schon aufgewachsen sind. Eugen Vonwiller im Toggenburg, seine Frau am Zürichsee mit drei Geschwistern in einem Haus auf dem Land, wo ihr Vater bereits Schafe hielt. «Mir haben die Tiere immer gefallen», sagt sie, «sie sind schlau, flink und beruhigen mich allein durch ihre Anwesenheit.» Und doch räumen die beiden ein, dass Schafe in der Haltung anspruchsvoll seien. Sie frässen nicht einfach Gras, sondern oft nur die Leckerbissen auf der Wiese, wie Löwenzahn, Klee oder Gänseblümchen. Auch auf Parasiten seien die Schafe – Kleinwiederkäuer wie die Geissen übrigens auch – anfällig. Man sehe es den Tieren dann wie den Menschen am Gesicht an, sie würden blass und bekämen glasige Augen. Aber als Bio-Bauern therapieren die Vonwillers die kranken Schafe natürlich nicht mit Chemie, sondern setzen auf erprobte Mittel aus der Naturapotheke. Für die Milchgewinnung heisst das dann aber: die vonwillers therapieren kranke schafe nicht mit chemie, sondern mit mitteln aus der naturapotheke. zehn Tage Ruhe. «Und wir müssen dann besonders lieb sein mit dem betroffenen Tier», sagt Eugen Vonwiller, der über die Tiere fast wie über Menschen spricht. Die Vonwillers wirken glücklich. Jetzt sind beide über 40 und finden, dass sie «genau so leben, wie sie es sich immer vorgestellt haben». Einzig etwas mehr Ferien wünscht sich Catherine Vonwiller, «das würde wohl allen Familien mitgliedern gut tun». Eine Woche im Jura waren sie letztes Jahr zum Zelten. Der grösste Luxus, wie Eugen Vonwiller bei einem Nuss-Stängeli zum Dessert sagt, sei der Freitag abend. Dann sitzt die Familie zusammen vor dem Fernseher und schaut ihre Lieblingssendung: «SF bi de Lüüt». _ VITA 10 l Bio-Milch – 1kg Raclette familienporträt: Die Bio-bauern und Schafzüchter Eugen (42) und Catherine Vonwiller (43), ihre drei Kinder Nils (6), Elina (7), Severin (10) und der Hofmitarbeiter Mani wohnen seit zehn Jahren im Weiler Burgiwil im Berner Gürbetal. Die ca. 40 Liter Schafmilch, die sie täglich produzieren, sind mit der Bio-knospe und dem DemeterPrädikat ausgezeichnet. Sie werden in einer lokalen Molkerei unter anderem zu Joghurt und Panna Cotta für Grossverteiler verarbeitet. Fotos: Ona Pinkus Stylisme: Karin Aregger 4/10 coop verde - 27 * Nur in grösseren Coop Verkaufsstellen erhältlich. Für die strengsten Bio-Richtlinien der Schweiz. *Coop Pro Montagna Bio-Ansaina Patatti Brot 300 g, 4.20 Coop Naturaplan Bio-Tessinerbrot 400 g, 2.90 Coop Naturaplan Bio-Buttergipfel 43 g, 0.85 Coop Naturaplan Bio-Buurezopf 550 g, 5.80 Coop Naturaplan Bio-Weizen-Vollkornbrot 450 g, 3.20 Coop Naturaplan Bio-Nussbrot 400 g, 3.20 *Coop Naturaplan Bio-Sauerteig-Kürbiskernbrot 500 g, 3.50 Coop Naturaplan Bio-Pumpernickel 250 g, 2.20 Für Bioverde ohne 28 - coop 4/10 Kompromisse. Coop Naturaplan Bio-Landbrötli 90 g, 1.10 Coop Naturaplan Bio-Vollkorntoast 250 g, 2.20 4/10 coop verde - 29 vita Tat-Sachen Tat-sache Herkunft 01 Wo kommt es her ? Illustrationen 01 Alina Günter 02 Svenja Plaas 03 Katy Slater 04 Mario Wagner 05 Rebecca Gibbon Von welchem Hof stammen die Bio-Rüebli? Welcher Bauer baute die Bio-Kartoffeln an? Wer das in Zukunft ganz genau wissen möchte, kann nun bei Coop Naturaplan den Weg des Produkts vom Laden bis zum Feld zurückverfolgen. Mittels einer Nummer auf jedem Schweizer Bio-Gemüse- oder -Obstprodukt lässt sich von zu Hause aus oder via Mobiltelefon gleich im Geschäft recherchieren, von wo der Einkauf stammt. Und so geht es: Die Coop Website aufmachen und bei Naturaplan «Rückverfolgbarkeit» anklicken. Dann bei der Rückverfolgbarkeitssuche die Naturaplan ID, die auf dem Produkt vermerkt ist, eingeben. Sofort erscheint der Bio-Hof samt Fotos und genauer Betriebsbeschreibung. Diese Dienstleistung wird ab nächstem Jahr auch für importierte Bio-Früchte und -Gemüse angeboten. Eine gute Art, Bio-Produkten ein Gesicht zu geben und damit das Vertrauen in die Bio-Produktion zu stärken. www.coop.ch/naturaplan 30 - coop verde 4/10 Text: Martina Bortolani Tat-Sachen vita Tat-sache Statistik Tat-sache Biodiversität 2010 Tat-sache Filmpreis 02 Öko-Zahlen 03 Artenvielfalt 04 05 Prix Nature Grün reisen Für alle, die nicht nur über den weitläufigen Begriff Nachhaltigkeit reden, sondern gerne auch handfeste Beweise und Zahlen dazu sehen möchten, empfehlen wir Folgendes: Der Bund publiziert jährlich seine Auswertungen, Zahlen und Statistiken unter dem Link: www.monet.admin.ch. Die Schweiz wird anhand von 45 Postulaten auf drei Hauptthemen untersucht: «gesellschaftliche Solidarität», «wirtschaftliche Leistungsfähigkeit» und «ökologische Verantwortung». Ein Besuch auf der Seite lohnt sich auf jeden Fall. Man versteht die gros sen Zusammenhänge noch besser und spürt, wie viele Anstrengungen ein ganzes Land braucht, um seine Nachhaltigkeit zu verbessern. www.monet.admin.ch Dieses Wort hat man in den ver gangenen Monaten immer wieder gehört. Kein Wunder, denn 2010 ist ja auch das «Jahr der Biodiversität». Der Begriff bezeichnet die Vielfalt innerhalb der Arten und dort wiederum die unterschiedlichen Ökosysteme zwischen den Arten. Ganz einfach ist das nicht zu verstehen; wer also mehr wissen will, besucht am besten www.biodiversity.ch. Dort finden Interessierte Lesematerial und Hinweise auf Infoveranstaltungen, Workshops und Seminare, die in der ganzen Schweiz stattfinden. Zum Beispiel Ende Oktober: «Festival Salamandre 2010» in Morges. Spannend! www.biodiversity.ch Dieser etwas andere Preis fördert und zeichnet Organisationen, Unternehmen und Personen aus, die aktiv zur Nachhaltigkeit beitragen. Das Unternehmen «Filme für die Erde», vom Winterthurer Philosophen und Ethnologen Kai Pulfer gegründet, wurde für den Prix Nature nominiert und damit für eine sehr schöne Idee gelobt. «Filme für die Erde» stellt als GratisDVD-Verleiher Dokumentarfilme über den Umweltschutz, die Ökologie und Mutter Erde zur Verfügung. Die Filme sollen aber idealerweise an andere weitergereicht werden. So werden sinnvolle Inhalte verbreitet und die Gesellschaft «zu einer nachhaltigen Denkund Handlungsweise motiviert». Genau das wünscht sich der Prix Nature. www.filmefuerdieerde.ch Tat-sache Reisen Fast keine menschliche Tätigkeit wird heute vom ökologischen Prüfstand verschont. Essen, schlafen, den Haus halt führen – ein verantwortungsvoller Mensch richtet seinen Lifestyle nach ökologischen Kriterien aus. Für den Bereich «Reisen» bietet der Green Travel Club genau das Richtige für alle, die Inspiration für «grüne» Ziele suchen oder ihr eigenes Reiseverhalten auf Nachhaltigkeit testen möchten. Unter dem Motto «Reisen auf ökologi schem Niveau» finden sich auf diesem spannenden Portal Ökohotels für alle Bedürfnisse, von der Geschäftsreise bis zur Fastenkur, samt einem Hinweis auf die grünsten Regionen Europas. www.greentravelclub.info 4/10 coop verde - 31 Minergie Zukunftsvision Text Wohnen und Energie sparen macht Spass und kostet nicht die Welt, wie das Beispiel von Hiroko und Damien Fleury und ihrem zukünftigen Minergie-P-Haus im Jura beweist. 32 - coop verde 4/10 Foto Die Schweiz hat punkto energiesparender Immobilien die Nase ganz vorn. Mit dem Label Minergie, das die Energieeffizienz ausweist, werden sogar Fertighäuser zertifiziert. Ein junges Paar aus dem Jura gehört zu den ersten Käufern eines solchen umweltfreundlichen Baukastenheims. Am Dorfrand von Saulcy, einem 260-Seelen-Nest auf dem Hochplateau der jurassischen Freiberge, haben Hiroko und Damien Fleury ein Grundstück erworben. Ein idyllisches Plätzchen: ringsum welliges Weideland und Wälder, an klaren Tagen sind am nördlichen Horizont die Kuppen der Vogesen sichtbar. Von Fleurys Eigenheim aus, das im Herbst auf die Parzelle zu stehen kommt, wird der Blick nach Frankreich allerdings nur durch ein einziges Fenster möglich sein. Denn auf der schattigen Seite ist das Gebäude weitgehend geschlossen geplant. Absichtlich: Die jungen Eheleute, wiewohl der Abgeschiedenheit ihres künftigen Wohnorts zugetan, sind keine Hinterwäldler, sondern haben sich für die moderne Minergie-P-Bauweise entschieden. Minergie ist die Schweizer Qualitätsmarke für Immobilien, die wenig Energie verbrauchen und so mithelfen, den umweltbelastenden CO2Ausstoss zu drosseln, wobei der Standard Minergie-P für noch strengere Auflagen steht. Unter Bauherren findet das von Bund, Kantonen und Wirtschaft getragene Label immer mehr Anhänger: Seit 2005 hat sich die Zahl der 02 06 minergiezertifizierten Gebäude auf über 15 000 verdreifacht. Heute liegt die Schweiz laut einer Studie der Zürcher Kantonalbank punkto Energieeffizienz im Häuserbereich 01 Walmdach «weltweit an der Spitze». 02 Eingang Von all dem ahnten 03 Wohn-/Essbereich Fleurys nichts, als sie letztes Jahr in der Fertighaus-Expo in Suhr ihr Traumhaus fanden mit Wohn-/Essraum, offener Küche und vier Schlafzimmern, gross genug für die geplante Familie. Erstaunt liessen sich die Marketing-Assistentin und der Beamte erklären, das Objekt erfülle die Minergie-P-Norm. Dafür darf der Energiebedarf höchstens 30 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter und Jahr betragen. Zum Vergleich: Die in der Schweiz geltende Limite für normale Neubauten liegt neu bei 48 kWh, vor 25 Jahren war sie noch fünfmal höher. Diese guten Werte erreicht ein Minergie-P-Bau dank einer optimal wärmegedämmten und luftdichten Gebäudehülle. Um frischen Sauerstoff ins Haus zu lassen, braucht man die vornehmlich gegen Süden gerichteten und die passive Sonnenenergie in die Zimmer leitenden Fenster nicht aufzureissen: Eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung sorgt stets für ein angenehmes Raumklima. vita Dieses System führt dazu, dass Fleurys in ihrem Heim für Warmwasseraufbereitung und Fussbodenheizung mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe auskommen und nur an ganz kalten Tagen elektrisch nachfeuern müssen. «Wenn man so ein Haus zu einem vernünftigen Preis bekommt», sagt Damien Fleury, «sehe ich keinen Grund, weshalb man noch ein normales kaufen sollte.» Genau hier setzt auch Coop an, die Fleurys Hausmodell anbietet. Ein Minergie-Bau ist je nach Grösse bis zu 15 Prozent teurer als eine konventionelle Immobilie. Diese Mehrinvestition kann Coop durch Zusammenarbeit mit dem österreichischen Fertighaushersteller ELK senken. «Wir sprechen Menschen mit schmaler Eigenkapitalbasis an», so Christoph Theler, Leiter Category Management Coop Bau+Hobby. Finanzielle Anreize, sich für Minergie zu entscheiden, bieten zudem diverse Kantone und Banken 01 mit Fördergeldern und vergünstigten Hypotheken. Die Finanzierung ha04 ben Fleurys bereits unter Dach und Fach. Nun nimmt auch ihr Haus Formen an: In 03 05 den Fabrikationshallen der mittelständischen Firma ELK in Österreich schneiden com putergesteuerte Maschinen Holzbalken für das Grund 04 OG, 3 Zimmer gerüst der Wand- und Dach05 gartensitzplatz elemente zu. Holz sei bei 06 Wohnküche Minergie-Einfamilienhäusern «das bevorzugte Baumaterial», erklärt Minergie-Geschäfts führer Franz Beyeler. Denn für die Verwendung dieses erneuerbaren Rohstoffs braucht es insgesamt weniger Energie als bei Beton, Stahl oder Glas. Ist das Holz-Grundgerüst fertig, wird es mit einer 36 Zentimeter dicken Dämmschicht aufgefüllt und verschalt. Öffnungen für Türen und die Fenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung bleiben ausgespart. Derweil beschäftigt sich das künftige Hausbesitzerpaar im Coop Bau+Hobby in Matran-Fribourg mit der Innenausstattung. Für anthrazitfarbene Bodenplatten hat es sich schon entschieden. Fest steht auch, dass nur energiesparende A-Geräte in die Küche kommen – wie es Minergie-P erfordert. Im Herbst werden dann die fertigen Hausteile nach Saulcy gekarrt und innert zwei bis drei Tagen zusammengesetzt. Es folgt der Endausbau, im Dezember soll Hauseinweihung sein. 4/10 coop verde - 33 vita Minergie Minergie vita Körperlicher Einsatz: Verschieben der Wände. Engagiert: Produktionsmitarbeiter. Werkstatt: Handarbeit ist gefragt. Produktionsstrasse. Häuserbauen macht Spass. Zwischenlager. Wandelement wird versetzt. Werkhalle. Zusammenarbeit: Jeder Handgriff sitzt. Baukastensystem: Anpassen der Elemente. Schneiden mit der Stichsäge. Einsatz mit der Handkreissäge. Pausenidylle: Warten auf den Einsatz. Werksleiter: Karl Schindel. 34 - coop verde 4/10 Fotos: Anne Morgenstern Anlieferung neuer Elemente. Sollten Hiroko Fleurys Eltern diese Feier zum Anlass nehmen, von Tokio anzureisen, werden sie staunen. In Japan seien Häuser kaum isoliert und ohne Zentralheizung, erzählt ihre Tochter. «Im Winter dreht man die Klimaanlage auf heiss oder bedeckt den Tisch mit einem Tuch, platziert einen Elektroofen und die eigenen Füsse darunter und bewegt sich möglichst nicht mehr von der Stelle.» Auf Menschen, die solches gewohnt sind, muss das Minergie-Modell wie ein futuristisches Wunderwerk wirken. _ Das Coop Minergie-haus: 14 energiespa rende Minergie-Fertighäuser bietet Coop seit Herbst 2009 an. Zwei davon sind Minergie-P-zertifiziert und verbrauchen nur 15-20 kWh pro m2 und Jahr. Das 4,5-ZimmerModell kostet schlüsselfertig 315’258, das 5,5-ZimmerModell 346’818 Franken. Im Preis inbegriffen sind die Heizkosten für 10 Jahre, ein Betrag für eine Fust-Küche, ein weiterer für Innenausstattung und Sanitäreinrichtung von Coop sowie für die Installation. www.coophaus.ch 4/10 coop verde - 35 Interview Herr Hohmann, schaut man die Werbung an, entsteht leicht das Gefühl, dass plötzlich überall Bio-Baumwolle angeboten wird. Aber tatsächlich macht sie nur 0,5 Prozent der Weltproduktion aus. Warum ist ihr Anteil so klein ? Die Gründe liegen sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Produzenten. Die Anbieter müssen rationeller werden und ihre Verfahren fürs Massengeschäft tauglich machen, und die Käufer müssen der Bio-Baumwolle mehr Wert beimessen. Sie meinen, sie müssen bereit sein, etwas mehr zu bezahlen? Stimmt es denn, dass beispielsweise ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle soviel teurer ist ? vita leisten. Es war schwierig, die Bauern davon zu überzeugen, dass man auch ohne Pestizide Baumwolle anbauen kann. Man muss sich das vorstellen: Der Baumwollanbau beanspruchte zwar nur 2,5 Prozent der Landwirtschaftsflächen der Welt, war aber für 25 Prozent des Pestizidverbrauchs verantwortlich. Als dann immer mehr Bauern biologisch anbauten, galt es, diese Bewegung zu koordinieren und Produkte zu entwickeln. Inzwischen ist Bio-Baumwolle definitiv marktfähig geworden. Wie wichtig für die Verbreitung von Bio-Baumwolle ist, dass sie von Detailhändlern wie Coop oder Modeketten wie H&M verkauft wird ? Ich bezweifle, dass Modeunternehmen wie H&M je ausschliesslich Bio-Produkte verkaufen werden. Aber dass «Es darf nicht egal sein, was heute auf den Baumwollfeldern geschieht.» Bio-Baumwoll-pionier Patrick Hohmann über den Stellenwert von Bio-Baumwolle im Handel und die Schwierigkeiten beim Anbau. Text Für die Konsumenten sind Bio-T-Shirts im Schnitt etwa 10 bis 20 Prozent teurer. Es kommt aber stark darauf an, ob Sie die Kleidung in einem Outlet, beim Discounter oder bei einem Markenhersteller kaufen. Die Preise können sehr unterschiedlich sein, denn das Vertriebssystem wirkt sich stärker auf die Kosten aus als die Frage, ob BioBaumwolle oder nicht. Sie sind in Sachen Bio-Baumwoll-Anbau und -Import in der Schweiz ein Pionier. Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren verändert ? Am Anfang mussten wir vor allem Überzeugungsarbeit Foto sie in diesen Markt eingetreten sind, finde ich gut. Ideal wäre allerdings, wenn sie eine Verbindung schaffen würden zwischen den Kleidern und den Bauern, die die Baumwolle dafür anpflanzen. Die Modeunternehmen sollten mehr Verbindlichkeit an den Tag legen, denn Bio-Baumwolle ist mehr als nur ein Produkt. In der Schweiz war Coop diesbezüglich von Anfang an ein wichtiger Partner für uns, denn sie hat unsere sozialen Projekte in Indien und Tansania unterstützt und gemeinsam mit uns eine lückenlose Handelskette aufgebaut. Wir arbeiten nur mit Kleinbauern zusammen, die Unterstützung brauchen. 4/10 coop verde - 37 vita Interview Kann man von Grossfirmen und ihren Kunden so viel Interesse an der Herkunft eines Produkts erwarten ? Von mir aus gesehen kommen wir gar nicht darum herum. Man kann mit den Bauern doch nicht nach dem Prinzip umspringen: Heute brauchen wir euch, morgen könnt ihr schauen, wo ihr bleibt! Wir werden irgendeine Art von Beziehung aufbauen müssen, und das kann nicht bloss eine finanzielle sein. Es darf uns nicht egal sein, was auf den Feldern geschieht, auf denen die Produkte, die wir konsumieren, angebaut werden. Wir müssen Verantwortung für die Menschen übernehmen, die hinter diesen Produkten stehen. Ihre Firma geht da mit gutem Beispiel voran. Der Gewinn wird zuerst für die Prämien der Bauern verwendet und erst am Schluss für die Dividenden der Aktionäre ... ... ja, wir balancieren die Wirtschaftskräfte aus und vergessen dabei die Bauern nicht. Wir verzichten nicht etwa auf Gewinn. Im Gegenteil, wir müssen Gewinn machen, um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Wie gut bezahlen Sie Ihre Lieferanten ? Einerseits geben wir ihnen eine Abnahmegarantie. Das heisst, wir kaufen den Bauern 80 Prozent der geschätzten Ernte ab – ganz gleich, ob wir die Baumwolle in unseren Produkten dann auch verkaufen. Und dann zahlen wir ihnen eine Prämie von 15 Prozent auf dem Durchschnittspreis der konventionell angebauten Baumwolle der letzten fünf Jahre. So können wir das Auf und Ab der Marktpreise etwas glätten. Der Baumwollmarkt ist tatsächlich alles andere als stabil: Mal gibt es ein Überangebot an Bio-Baumwolle, und die Preise purzeln; kurz darauf wird die Ware knapp, weil Indien eine Exportsperre verhängt. Wie können Sie da langfristig planen ? Wir haben für solche Fälle Rückstellungen gebildet. Und die haben wir auch schon gebraucht. Unser Umsatz ist im letzten Jahr zurückgegangen, da mussten wir auf diese Reserven zurückgreifen, um die Bauernprämien bezahlen zu können. Aber wir gehen davon aus, dass sich das einpendelt. Die Überproduktion wird wieder verschwinden. 38 - coop verde 4/10 Kürzlich kam in Deutschland indische Bio-Baumwolle ins Gerede, weil sie mit gentechnisch veränderter Ware vermischt war. Was hatte dieser Skandal für Folgen ? Eine der Folgen war, dass wir heute selber noch stärker kontrollieren. Angefangen bei den Baumwollsamen, die wir vor der Abgabe an die Bauern genauestens überprüfen. Und wir haben auch damit begonnen, selber Saatgut zu produzieren. Wir haben in diesem Jahr eine eigene Samenproduktion gestartet, denn es wird immer schwieriger, gentechnisch nicht veränderte Baumwollsamen zu finden. Wie laufen diese Kontrollen ab ? Vertreter unserer Tochterfirmen in Indien und Tansania statten jedem Bauern einmal pro Monat einen Besuch ab. Und dann gibt es eine Kontrolle von aussen, bei der unabhängige Inspektionsfirmen einmal jährlich unser Kontrollsystem überprüfen. Diese Inspektionen sind gründlich, aber es kommt nach wie vor darauf an, dass die einzelnen Produzenten voll hinter dem Bio-Gedanken stehen. Wir setzen vor allem auf Bauern, die schon jahrelang für uns arbeiten. Und wir können zurückverfolgen, woher die einzelnen Lieferungen kommen. So können wir sicherstellen, dass unsere Kleider wirklich nur aus Bio-Baumwolle gemacht sind. Wie sieht es in Tansania, dem zweiten Herkunftsland Ihrer Ware, aus ? Dort sind wir Gott sei Dank von gentechnisch veränderter Baumwolle verschont. Und wir konnten in einer Kaufkraftstudie nachweisen, dass es den Bauern, die mit uns zusammenarbeiten, tatsächlich besser geht als den übrigen. Der Bio-Anbau hat ihnen zu einem gewissen Wohlstand verholfen. Sie prosperieren. _ Patrick Hohmann: (60) hat seine Kindheit in Ägypten und im Sudan verbracht. Nach einem Studium als Textil-ingenieur arbeitete er im Garnhandel. 1983 gründete er die Firma Remei in Rotkreuz ZG und entwickelte sich zum Bio-baumwoll-Pionier. 1991 startete Hohmann sein erstes Bio-anbauprojekt in Indien, seit 1993 setzt Remei ausschliesslich auf Bio-baumwolle. Das Unternehmen verkauft Garne und stellt selber Kleider aus Bio-Baumwolle her – unter anderem für Naturaline von Coop. Remei beschäftigt in der Schweiz 23 Mitarbeitende und erzielte 2009 einen Umsatz von 27 Millionen Franken. In Indien und Tansania hat das Unternehmen mehr als 6500 Bio-bauern unter Vertrag. Für die strengsten Bio-Richtlinien der Schweiz. Die Knospe von Bio Suisse sowie Demeter gehören zu den weltweit strengsten und am besten kontrollierten Bio-Siegeln. Als Schweizer Bio-Pionier setzen wir schon seit 17 Jahren auf die Knospe. Ohne Kompromisse. Und auch Sie können unseren über 1’600 Naturaplan-Produkten mit der Knospe, die von A bis Z biologisch im Einklang mit der Natur hergestellt werden, bedingungslos vertrauen. Weil man den Unterschied schmeckt: www.coop.ch/naturaplan Für Bio ohne Kompromisse. Langarm-shirt blau 100% Bio-Baumwolle Fr. 49.– tunikaKleid mit Taschen taupe 100% Bio-Baumwolle Fr. 69.– jerseyjacke viola 100% Bio-Baumwolle Fr. 49.– Strickjacke dunkelblau 100% Bio-Baumwolle Fr. 99.– Schals zusammengeflochten 100% Bio-Baumwolle je Fr. 29.– Leggings dunkelblau 95% Bio-Baumwolle, 5% Elasthan Fr. 29.– Langarm-shirt viola und blau 100% Bio-Baumwolle Fr. 49.– Jeansrock denim 100% Bio-Baumwolle Fr. 59.– Leggings dunkelblau 95% Bio-Baumwolle, 5% Elasthan Fr. 29.– So pretty! Naturaline Mode Charmant, dieser naturaline herbstlook in Beerenfarben: bei der kombination mit jeans ist freestyle ein must. Fotos Styling 4/10 coop verde - 41 Rollkragen-Shirt langarm blau 100% Bio-Baumwolle Fr. 39.– strickjacke schwarz 100% Bio-Baumwolle Fr. 89.– Kleid viola 100% Bio-Baumwolle Fr. 69.– Schals zusammengeflochten 100% Bio-Baumwolle je Fr. 29.– Naturaline Mode 4/10 coop verde - 43 Langarm-shirt blau und grau 100% Bio-Baumwolle Fr. 49.– Herren-Bluejeans 100% Bio-Baumwolle Fr. 89.– Model: Alyssa Daugherty/Models 1 Ltd. Hair: Tanya Koch Make-up: Nicola Fischer/Style Council Foto-Assistant: Christian Breitler Produktion: Mel Sinha Alle beschriebenen Textilien gibt es bei Coop City. Mode Naturaline Helden der Natur. Monat Oktober. «Gesenkter Kopf, spitze Hörner, es wurde ernst.» Ein leichter, frischer Wind bewegte die Büsche und Bäume am Bach. Die Sonne warf noch frühe, lange Morgenschatten, und auf unserer Weide glitzer te silbriger Tau. Vielleicht wird es doch noch ein schöner, nicht so arg langweili ger Tag, dachte ich, als wir zu grasen begannen. Und dann hatte ich eine Idee. Ich schaute meine Kolle ginnen an. Wir verstanden uns sofort und steckten die Köpfe zusammen. Nur eine stand abseits, unsere neue, junge, stramme Kuh. Auch unser Stierli hatte sich abge sondert. Aber das war im Mo ment normal. Und ganz plötzlich legten wir los. Wir rempelten einander an. Sties sen uns mit den Köpfen. Immer mal wieder ein aufgeregtes Muhen dazwischen. Und dann rauften wir weiter. Ein Spiel, ein lustiges Spiel. Der Hauptspass aber dabei sollte der Stier sein. Ihn wollten wir ein wenig verwirren und zum Ein greifen verleiten. Und das wollten wir einfach mal wieder erleben. Aber. Eine von uns hatte nicht zugehört. Eine von uns hatte alles falsch verstanden. Unsere Neue. Ganz offensichtlich hielt unsere junge, stram me Nachwuchskuh die Situation für sehr geeignet, hier und jetzt einen ernsthaften Kampf um die Füh 44 - coop verde 4/10 rungsposition auszutragen. Gesenkter Kopf, spitze Hörner, es wurde ernst. Und sie bewegte sich auf mich zu. Ich kannte diese Drohgebärde zur Genüge und liess sie einfach kommen. Eine Kopflänge vor mir sprang ich zur Seite, und die Neue stiess ins Leere, und – vor ihr stand unser Stier. Damit waren Ruhe und Ord nung in der Herde wieder her gestellt. Klar war auch: Ich blieb die Leitkuh. Und unsere Neue hatte was gelernt, und sie fügte sich. So leben wir von BioGras und Bio Heu, von frischer Luft und manchmal noch von einem BioRüebli. Vom Bio Bauern versorgt und gepflegt. So bleiben wir gesund und robust und geben gesunde, vitaminreiche BioMilch. Reine Schweizer BioMilch. Gut für allerfeinste, frische Bio Butter. Ohne Chemie. Ohne Gentechnik. Hun dertprozentig biologisch. Und an diesem reinen Genuss wird sich nichts ändern. Das versprechen wir. Mein BioBauer und ich. Besuchen Sie doch mal einen echten Schweizer BioHof, einen mit der Knospe. Einen, der voll und ganz biologisch wirtschaftet. Vom Füttern bis zum Düngen, vom Säen bis zum Ernten. Ohne Wenn und Aber. Oder informieren Sie sich einfach unter www.knospehof.ch Meine Welt Schaljacke 99.– Andreas Meier (61) Tierfilmer, Biel-Benken Text «1978 las ich in der Zeitung, dass die Elsässer Camargue, nur wenige Kilometer hinter der Basler Grenze, gefährdet sei. Man wollte dort eine Abfalldeponie und betonierte Fischteiche errichten. Ich hatte die blauäugige Idee, mit meiner Super-8-Kamera schnell einen klei nen Werbefilm über die Gegend zu machen und damit Geld für ihre Rettung zu sammeln. Es wurden zwei Jahre draus, denn ich arbeitete tagsüber als Chemiker. Aber ich hatte typisches Anfängerglück mit Tierarten, die meist schwierig zu finden sind. Man ist dann furchtbar stolz, und die Leute, denen ich den Film zeigte, hatten auch Freude. Ich nahm mir sofort das nächste Projekt vor. Wenn andere sich nach Feierabend auf die Couch setzten, ging ich filmen. Tierfilmerei braucht Ausdauer. Man kann es auch Sturheit nennen. Wenn du nicht einen Monat lang in deinem Tarnzelt irgendwo hocken kannst, bis dir eine vielleicht 20 Sekunden lange Szene gelingt, dann wird das nichts. Mein Tarnzelt ist eigentlich nur eine grosse Decke mit Schlitzen für die Objektive, die ich über mich, die Kamera und das Stativ werfe. Auf die Gänsegeier in Spanien habe ich darin zwei Monate gewartet. Das Aas, das ich ausgelegt hatte, begann schon erheblich zu stinken. Aber wenn dann plötzlich 150 kreischende Geier anfliegen und miteinander um die Beute kämpfen, ist das ein genialer Anblick. In Senegal war ich wochenlang mit Husarenaffen zusammen, den schnellsten Affen der Welt. Sie leben in gros sen Herden in der Savanne. Dazwischen kommen sie in Dörfer, um Nahrung zu suchen. Ich wartete in einem Dorf, 46 - coop verde 4/10 Illustration: Alexis Saile und als sie kamen, ging ich einfach mit. Wir waren tagelang zusammen unterwegs, ich beobachtete sie und sie mich. Man kann nicht einfach so anfangen zu filmen, das wäre gefährlich. Irgendwann war ich so integriert, dass sie versuchten, durch meine Kamera zu schauen. In der Schweiz gibt es nur zwei professionelle Tierfilmer. Daneben gibt es eine Handvoll, die ebenfalls keine Amateure sind, aber nicht davon leben müssen. Mit deren Material stellen wir gegenwärtig den Film «Wildnis Schweiz» zusammen, der im November in die Kinos kommt. Ich sage Ihnen, das ist ein Haufen Besessener. Einer filmt seit fünf Jahren Steinböcke. Da gibt es Szenen, so etwas hat man noch nie gesehen. Das kann ein Profi nicht, weil er für einen Auftragsfilm ein Zeitlimit hat. Die Natur gibt aber nicht jederzeit alles her. Das ist der Vorteil der Besessenen. Anfangs bewarb ich mich bei Vereinen, Tierverbänden, in Schulen, um meine Filme zu zeigen. Heute sind sie ein Selbstläufer, weil man meinen Namen kennt. Zu Festivals werde ich selten eingeladen, weil meine Filme ein Handicap haben, das vielleicht auch ihr Vorteil ist: Sie sind nicht vertont. Ich erzähle dazu live, weil ich gern erzähle und mich ans Publikum anpassen kann. Altersheimbe wohner wollen anderes hören als Wissenschaftler.» _ FÜR FASHION & FAIRNESS