Appendix stellt sich vor - Offene Fachschaft Medizin Freiburg eV

Transcrição

Appendix stellt sich vor - Offene Fachschaft Medizin Freiburg eV
Editorial
Liebe Kommilitonen,
Vereinbarkeit von Beruf und
Familie – kein Kunststück!
Zum Beispiel mit unserem Hol- und Bringdienst
direkt zum Kindergarten.
www.baar-klinik.de/assistenzaerzte
Für unsere MediClin Baar Klinik in Königsfeld suchen wir
Assistenzärzte (m/w)
für Allgemeinmedizin sowie Psychosomatik
Wer von uns hat nicht schon einmal bei
Pflegepraktikum oder Famulatur etwas
getan, das er gemäß seiner Position offiziell vielleicht gar nicht gedurft hätte?
Ohne groß darüber nachzudenken etwas befolgt, das ihm ein Arzt oder eine Pflegekraft zwischen Tür und Angel
aufgetragen hatte, und sich darüber
gefreut, endlich auch „etwas machen“
zu dürfen? Was passieren kann, wenn
der Erprobungsdrang eines Medizinstudenten zu groß wird, zeigt ein tragisches Beispiel der Uni Münster (Seite
10). Um die eigenen Fähigkeiten frühzeitig zu reflektieren und einschätzen
zu lernen, hat man sich in Freiburg nun
etwas Neues ausgedacht: Das Portfolio,
eine bunte Sammelmappe für die Vorklinik (Seite 7).
Wer hingegen genug hat von deutschen
Lehrmethoden, den zieht es in der Regel ins Ausland. Nach Erasmanien, zum
Beispiel, (Seite 32) oder etwas exotischer
nach Kanada (Seite 36). Alles ganz einfach? Von wegen! Da ist es doch be-
quemer, sich vom heimischen Sofa aus
live in den OP zu streamen; die Sectio
Chirurgica macht es vor (Seite 28). Wem
selbst das noch zu anstrengend ist, der
setze Kopfhörer auf und lasse sich vom
meditorium berieseln (Seite 54) – das
geht sogar auf dem Klo (S. 26). Aber
genug von Lernmethoden und Famulaturen, die Studentenzeit lässt sich auch
noch anders nutzen! Für spannende
Forschungswettbewerbe zum Beispiel
(Seite 44) oder als günstiger Zeitpunkt
für die Familiengründung (Seite 20).
Zum Abschluss stellen wir euch die
schönsten Badeseen der Region vor, da
zu einem richtigen Sommersemester
auch immer kühles Nass gehört (Seite
64). Falls ihr dort aus euch unverständlichen Gründen nicht so Recht Anschluss
an andere badende Studenten finden
solltet (S. 68), versucht es doch einmal
mit Bart – der bricht jedes Eis und sorgt
immer für gute Laune (Seite 60)!
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Eure
ktion
Appendix-Reda
Unser Angebot:
• Gezielte Unterstützung bei der Suche
von Kinderbetreuungsmöglichkeiten
• Ausbildungscurricula für eine verbindliche
und transparente Facharztweiterbildung
• Aktive Hilfe bei der Wohnungssuche
• Flexible Teilzeitmodelle und eine leistungsgerechte Vergütung
• 18 Monate Weiterbildungsermächtigung
im Fach Allgemeinmedizin
• volle Weiterbildungsermächtigung im
Fach Psychosomatische Medizin
• Zugabe der „SchwarzwaldCard“ für
Erwachsene für den freien Eintritt in
über 125 Erlebnisattraktionen
• strukturierte Personalentwicklung
durch die MediClin Akademie
• ein kollegiales unterstützendes
Arbeitsklima
• systematisches Einarbeitungskonzept
Weitere Informationen
finden Sie unter oben stehendem Link oder
direkt bei Anja Lamm, [email protected],
Tel.: 0781/488-247
Tragen auch im April noch einen Bart: Anne Büttner, Ruth Meier, Gwendolyn Roscheck, Insa Schiffmann, Kerstin Meyer-Andreas, Kamilla Szabó,
Lena Lippert. Gekniffen haben: Rebecca Eisele, Johanna Maxeiner, Sebastian Wohlfeil. Hinter der Kamera: Santa Mervien Alexandra.
Inhalt
Inhalt
A PP
END
DIX33
Frühling 2013
Über den Tellerrand
Kurz gemeldet
4Nachrichten
32
Zwischen Praxis und Justiz
Welche Wälzer sind ihr Geld wert?
Oh wie schön ist Kanada!
Was auf dem Weg zu einer Auslandsfamulatur so alles schief gehen kann.
Campusleben
7
20
26
40
42
Patentrecht versus Verteilungsgerechtigkeit
Auch als Student der Medizin
kann man für seine Fehler belangt werden.
This is Movember!
48
Lernpause gefällig?
Die besten Seen der Umgebung im Test.
iGEM - kein neues Produkt von Apple
... sondern ein internationaler Wettbewerb
in synthetischer Biologie.
Wir bekennen Bart.
Die Redaktion traut sich vor die Kamera.
64
44
Das stille Örtchen
Mehr als reine Anatomie
62
UAEM kämpft für Generika in ärmeren
Erdteilen.
Studium mit Kind
OPs an Leichen, live über‘s Internet.
60
Lustiges
Mit Schnauzer gegen Prostatakrebs.
Eine Sammlung feinster Klo-Kunst.
28
Operieren für den guten Zweck
Freiburger Herzspezialisten retten Kinderherzen in der ganzen Welt.
Projekt Portfolio
Seit Januar 2012 wird im Freiburger Medizinstudium schriftlich reflektiert.
Stex ins Ohr!
Eine Lern-App, made in Freiburg.
56Buchrezensionen
36
Ein PJler begeht einen fatalen Fehler.
Warum sich der Balanceakt zwischen Windeln und Hörsaal lohnt.
Mit dem ersten eigenen Kind
bekommt vieles eine ganz neue Bedeutung.
54
Eure Kommilitonen winken von der Pinnwand.
Titelthema
10
Grüße aus Erasmanien
Sinnvoll investiert?
68
Die letzte Seite
Warum Medizinstudenten
wahnsinnig beliebt sind.
Statt Studienkredit
Verschiedene Stipendien sollen Ärztenachwuchs locken.
Forschen als Hobby.
Eine Gruppe von Studenten wurde im Labor kreativ.
59
Impressum
66
überall
so
Wir über uns
Wir zeigen Bart!
Movember macht gute Laune.
Du findest unsere Fotos lustig, hast dich über einen Artikel aufgeregt oder willst einfach nur einen der Appendixredakteure auf einen Kaffee einladen?
Ob Lob, Kritik oder Anregungen - was auch immer du loswerden möchtest, wir freuen uns über deine Post!
Schreib‘ uns an [email protected].
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appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Kurz gemeldet
Kurz gemeldet
Nachrichten
von Fakultät und Campus
Es ist so weit:
Die Verfasste Studierendenschaft soll Form annehmen
Im letzten Jahr wurden die Verfassten Studierendenschaften (VS) in Baden-Württemberg
durch die neue Landesregierung wieder eingeführt. Diese waren im Jahr 1977 verboten worden; seitdem hatte der u-asta die studentische
Selbstorganisation teilweise übernommen (siehe
Apx 32). Bevor die VS aber wirklich aktiv werden
können, müssen sie sich zunächst eine Form geben. Wie diese in Freiburg aussehen soll, können
die Studenten am 29. und 30. April sowie am 02.
Mai in einem ersten Wahlgang entscheiden.
Dies ist eine einmalige Gelegenheit, über das
politische System unserer Universität mitzuentscheiden, die man nicht einfach ignorieren sollte.
Nicht nur wird die VS die Studierendenschaft in
Hochschulgremien vertreten, sie bestimmt unter
anderem über für alle Studenten verpflichtende
Beitragszahlungen - Themen, die jeden einzelnden direkt betreffen. Zur Wahl stehen fünf verschiedene Modelle, die im Laufe des letzten Semesters erarbeitet worden sind.
Sollte keine absolute Mehrheit zustande kommen, ist für den 14. bis 16. Mai eine Stichwahl
vorgesehen. Weitere Informationen gibt es beim
Universitätswahlamt unter www.uni-freiburg.de/
go/wahlen, beim u-asta und bald auch auf Flyern
in den Mensen und Hörsälen.
Jede Stimme zählt – geht wählen!
Lena Lippert
Diesen Juni in Freiburg
Versammlung der bvmd
Vom 14. bis 16. Juni 2013 lädt die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland
(bvmd) zur Medizinstudierendenversammlung
(MV) nach Freiburg.
Die MV, die sich als legitimierte Studieren-
4
Immer informiert.
www.facebook.com/appendix
denvertretung versteht, steht allen interessierten
Medizinstudenten offen und tritt mindestens
drei Mal im Jahr zusammen. Dieses Plenum der
anwesenden Lokalgruppen stellt das höchste
beschlussfassende Organ der bvmd dar, zu dessen Aufgaben unter anderem die Wahl des Vorstandes und die Abstimmung über eingebrachte
Anträge oder Positionspapiere fällt. Zudem
finden das ganze Wochenende über zahlreiche
Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen
aus den verschiedenen Arbeitsfeldern der bvmd
statt, zum Beispiel Public Health, medizinische
Ausbildung, Gesundheitspolitik oder Prävention.
Es gibt Zeit für Diskussionen, für die Planung
neuer Projekte und natürlich auch dafür, sich mit
Studenten anderer Universitäten auszutauschen.
Weitere Informationen unter www.bvmd.de.
Lena Lippert
Oh du meine Hochschulperle!
MSV vom Stifterverband deutsche Wirtschaft ausgezeichnet
Der Stifterverband für deutsche Wissenschaft
zeichnet jeden Monat ein innovatives Hochschulprojekt aus, die „Hochschulperle des Monats“.
Im September 2012 entschied der Verband sich
für das von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) koordinierte Projekt „mit Sicherheit verliebt“ (MSV).
Auch in Freiburg gibt es eine solche MSV-AG,
die Jugendliche in Schulen und Vereinen über
Sexualität und deren schöne wie auch unschöne
Folgen aufklärt.
Jeweils im Januar wird aus den „Monatsperlen”
per Internetabstimmung die „Hochschulperle
des Jahres” gewählt. Hier wurde MSV durch die
Initiative myStipendium.de ausgestochen,
die 2011 ins Leben
gerufen wurde und
sich zum Ziel gesetzt
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
hat, Bildungsförderung einer breiteren Masse zugänglich zu machen. Auf der Online-Plattform
kann der User ein Profil erstellen, wonach dann
aus über 1.200 Fördereinträgen passende Stipendien für ihn ausgewählt werden. Zudem finden
sich Tipps zu Bewerbungen und Auswahlverfahren. MyStipendium ist die größte und detaillierteste Stipendiatendatenbank in Deutschland
und arbeitet mit Vertretern von 248 Hochschulen zusammen.
Insa Schiffmann
Aus zwei mach eins
Herzzentren fusioniert
Viele Jahre schon haben das Herz-Kreislaufzentrum der Uniklinik Freiburg und das HerzZentrum Bad Krozingen auf der Basis eines
Kooperationsvertrages eng zusammengearbeitet,
seit April 2013 sind sie mit der Gründung des
„Universitäts-Herzzentrums Freiburg-Bad Krozingen“ (UHZ) endgültig fusioniert. Die frisch
gebackene GmbH wird zu gleichen Teilen von
beiden Partnern getragen und betreut jährlich
etwa 22.000 stationäre Patienten. „Das UHZ
gehört schon jetzt zur Spitzengruppe der Herzzentren in Deutschland und strebt eine Position
unter den Top 10 in Europa an“, sagt Prof. Dr.
Jörg Rüdiger Siewert, Geschäftsführender Ärztlicher Direktor des UHZ. Mit der Ausschreibung
eines Lehrstuhls für experimentelle kardiovaskuläre Medizin und der Gründung eines biomedizinischen Forschungszentrums sichere das UHZ
den medizinischen Fortschritt und positioniere
sich unter den international führenden Herzzentren.
Die gemeinsame Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie wird fortan in einem Neubau in Bad
Krozingen untergebracht sein, in der Uniklinik
hingegen wird der Schwerpunkt auf der Kinderkardiologie, der Therapie angeborener Herzfehler und terminaler Herzinsuffizienz sowie der
Transplantationschirurgie liegen. Die kardiologischen Kliniken und die Notfallversorgung bleiben an beiden Standorten erhalten.
Lena Lippert
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Kurz gemeldet / Anzeige
Auf Streik folgt Einigung
Neuer Tarifvertrag für Ärzte
JANDA+ROSCHER, Die WerbeBotschafter, Fotos: istockphoto.com
Am 11. April 2013 wurde der neue Tarifabschluss für die rund 18.000 Ärzte von Universitätskliniken bundesweit zwischen Marburger
Bund (MB) und die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) in der dritten Runde ausgehandelt.
Das Ergebnis: Eine Gehaltserhöhung um 4,6
Prozent, aufgeteilt in 2,6 Prozent für 2013 (rückwirkend ausgezahlt ab dem 1. März dieses Jahres) und 2,0 Prozent ab dem Folgejahr. MB-Chef
Rudolf Henke ist trotz der Abweichung von
der ursprünglichen Forderung von 6,5 Prozent
zufrieden, das Ergebnis sei ein „annehmbarer
Kompromiss“. Zusätzlich wurden auch einige
strukturelle Änderungen beschlossen, um vor
allem junge Ärzte in der Facharztausbildung zu
unterstützen. Sie erhalten ab dem sechsten Jahr
zusätzliche 135 Euro, da man ihnen Weiterbildung und gleichzeitig familiäre Zeit zugestehen
wolle, so der MB.
Insgesamt haben alle Uniklinik-Ärzte Grund
Campusleben
zur Freude: Wochenend- und Feiertagsdienste
werden höher vergütet, ebenso steigt der Urlaubsanspruch für Ärzte ab dem siebten Jahr Berufserfahrung. Der neue Vertrag hat eine Laufzeit bis zum 31. Januar 2015.
Ruth Meier
10. Freiburg Marathon
Spendenlauf für Kinderherzen
Über 5.000 Euro in knapp sechs Stunden – das
ist die Bilanz des Spendenlaufes für Kinderherzen
Retten e. V. beim diesjährigen Freiburg Marathon
am 07. April 2013. Das Team aus über 50 Läuferinnen und Läufern absolvierte die Strecke von
42,295 Kilometern teils alleine, teils gemeinsam
als Staffel. Unterstützt wurden dabei sie von zahlreichen Firmen, Sponsoren und Privatspendern,
die nicht nur für jeden gelaufenen Kilometer die
Spendenkasse zum Klingeln brachten, sondern
zudem Trikots und Laufsocken besteuerten.
Mehr Informationen auf Seite 40 und unter
www.kinderherzen-retten.de.
Lena Lippert
WER NICHTS
WEISS,MUSS
ALLES GLAUBEN!
Wir machen den Kopf frei –
und helfen beim Stöbern oder konkret Suchen. Online oder live. Mitten in Freiburg:
Wissenswertes und Unterhaltsames zum Lesen, Hören, Sehen. Bis bald ;)
BONUSKARTE FÜR STUDIERENDE HOLEN!
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6
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Mein ganz
persönliches Logbuch
Was im Januar 2012 als Pilotprojekt gestartet wurde, geht jetzt in die zweite Runde: Das Portfolio, das den Studenten dabei helfen soll, ihren Lernerfolg zu verfolgen, ist an das Praktikum „Einführung in die Klinische Medizin“ gekoppelt und in
den ersten zwei vorklinischen Semestern obligat zu führen. „Warum muss ich denn
noch mehr schreiben?“, fragt da natürlich der ein oder andere gestresste, Physik,
Chemie und Anatomie paukende Medizinstudent.
E
ine Infoveranstaltung zum Thema „Übersicht über die Fächer der Vorklinik“. Der
Hörsaal ist brechend voll, einige Studenten
sitzen auf den Stufen. Ein Räuspern in das Mikrofon, dann die Frage: „Was verbinden Sie als
Studierende mit dem Begriff Reflexion?“
Der Dozent schaut in die Runde. Gesenkte
Blicke. Reflexion?! Da war doch was! Es rattert
in den Köpfen, die Fingerspitzen zucken, es liegt
auf der Zunge: Natürlich! Optik, Reflexion und
Beugung, Einfallswinkel gleich Reflexionswinkel... „Physik!“, heißt es aus den vorderen Reihen. Alle nicken einheitlich, das stimmt. Nur einige Vorkliniker tuscheln. „...und das Portfolio!“,
ruft schließlich jemand vom Ende des Saals nach
vorn.
Doch was ist ein Portfolio überhaupt, dieses
mysteriöse Ding, das neuerdings scheinbar überall benötigt wird und von dem Pädagogen mit
glänzenden Augen sprechen? Ein Portfolio ist
eine persönliche Materialsammlung, anhand derer der eigene Lernfortschritt dokumentiert wird.
In unserem Fall geht es besonders um die
praktischen medizinischen Fähigkeiten, wie zum
Beispiel, einen vollständigen Pulsstatus zu erheben oder Perkussion, Auskultation und Palpation
durchzuführen. Aber auch „soft skills“, wie etwa
das Halten von Vorträgen oder wissenschaftliches Arbeiten, werden im Blick behalten. Das
Portfolio soll als Logbuch dienen, um den Überblick über das „Was kann ich schon“ und das
„Wo will ich hin“ zu bewahren.
Blutdruck zu messen und das Thermometer zu
bedienen sind nach dem Pflegepraktikum meist
ein Kinderspiel. Und wer schon eine medizinischpflegerische Ausbildung absolviert hat, wird im
PJ auch nicht an der Anlage eines Harnwegskatheters verzweifeln. Doch für einen Großteil der
Medizinstudenten ist am Ende des Studiums die
Praxis noch eine verhältnismäßig unbekannte
Welt. Auskunft über den eigenen Kenntnisstand
soll das Portfolio liefern.
Neben der Übersicht über das eigene Können
geht es bei der Anfertigung dieser Sammelmappe
vor allem auch um die besagte Reflexion, genauer
gesagt um Selbstreflexion. Feedback und die
Auseinandersetzung mit sich selbst seien Kompetenzen, die in der heutigen Zeit zunehmend
von Ärzten gefordert werden, so Projektkoordinator Benjamin Schmidt. Bereits in der Vorklinik werde durch das Projekt eine solche Kultur
verankert. Ziel sei es, diese dadurch auch in den
klinischen Studienabschnitt weiter zu tragen.
Viele bunte Farben
Nach den ersten beiden Semestern muss das
Portfolio mit einem einseitigen Reflexionsbogen
in Form eines Freitextes zu einem beliebigen medizinisch relevanten Thema abgegeben werden.
Von „Mein Pflegepraktikum“ über „Pflege heute“ bis „Das deutsche Gesundheitssystem“ - der
Fantasie sind keine Grenzen gesetzt - kann ein
Thema frei gewählt werden. Am dem Ende des
zweiten Semesters wird dieser Reflexionsbogen
dann bei den Projektleitern eingereicht und man
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Campusleben
Campusleben
erhält eine kurze Rückmeldung zu der Ausarbeitung, es wird erneut reflektiert.
Rote und blaue Ordner - inhaltlich identisch,
farblich verschieden - mit umfangreichen Informationen zu dem Portfolio wurden gleich zu Semesteranfang an alle Erstis verteilt. Koloriert ist
auch zum Teil der Inhalt – neben der Reflexion
sind die Hauptaufgabe das Ausfüllen und Ausfüllen-Lassen eines Kataloges zu Fähigkeiten und
Kenntnisständen im medizinischen Bereich. Dabei muss man sich selbst einstufen - von zartgelb
(„Kenne ich theoretisch“) bis mintgrün („Lizenz
zum Lehrer“) soll der fleißige Student in regelmäßigen Abständen Kreuze setzen und so erkennen, woran er noch arbeiten könnte. Und auch
die Professoren und Dozenten sind involviert,
sie sollen auf Nachfrage Feedback zu den Kompetenzen der Jungmediziner geben.
Den eigenen Lernerfolg
nachvollziehen können
„Warum muss ich das denn aufschreiben? Natürlich mache ich mir Gedanken über meinen
Lernfortschritt!“ So oder so ähnlich denken und
dachten wohl viele Studenten, als sie mit dem
Projekt konfrontiert wurden. „Hält man etwas
schriftlich fest, ist die Analyse doch meist ausführlicher“, meinen Benjamin Schmidt und Benjamin Klatt. Parallel zu ihrer Promotion leiten die
beiden ehemaligen Medizinstudenten der Uni
Freiburg momentan das Projekt.
Die Verschriftlichung des persönlichen Lernprozesses, worauf viele der betroffenen Mediziner anfangs mit Unverständnis reagierten, ist auf
internationaler Ebene und auch national in anderen Studiengängen schon selbstverständlich. In
England müssen praktizierende Ärzte alle fünf
Jahre dem General Medical Council (GMC) ein
Portfolio vorlegen, um ihre Approbation zu behalten. Pädagogik- und Lehramtsstudenten sind
wohl die unangefochtenen Spitzenreiter unter
allen Studierenden in Sachen Sammelmappen anfertigen – auch an der Pädagogischen Hochschule Freiburg ist das Pflichtprogramm.
Die Resonanz auf die Neuheit im Medizinstudium war durchwachsen. Sowohl begeisterter
Zuspruch als auch Vorwürfe der zusätzlichen Arbeitsbelastung kamen auf. Unter den Studenten
der ersten Portfolio-Generation herrscht im Allgemeinen geringe Akzeptanz. „Unnötig“ ist das
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So sieht es also aus,
das berühmte Portfolio
Tipps und Tricks zur Bearbeitung
•
•
•
•
Portfolio zum U-Kurs mitbringen, Kreuz
abholen!
Do it your way! Die persönliche Note
macht den Unterschied.
Mündliches Feedback von den Dozenten holen anstatt E-Mails zu schreiben.
Arbeitszeugnisse, Empfehlungsschreiben,
Dozentenschreiben – rein ins Portfolio!
Wort, mit dem Johanna, viertes Semester, ihre
Meinung zu dem Projekt zusammenfasst. Ihr
Kommilitone Felix pflichtet ihr bei: „Ich halte
das Portfolio für sinnlos.“.
Diese Meinungen begründeten sich in anfänglichen Fehler und Unklarheiten über den Sinn
des Portfolios, so die Projektleiter. Doch dies
seien typische „Kinderkrankheiten“ eines neuen
Lernmediums. Es wird klar: Feedback ist wichtig
- ganz allgemein und auf jeder Ebene.
Auf die anfängliche Kritik wurde mit einer
veränderten Umsetzung reagiert. So werden die
Studierenden jetzt zum Beispiel in kleinere Portfolio-Gruppen mit Ansprechpartner eingeteilt.
Schnell ist diesem, meist einem Studenten aus
einem höheren Semester, bei Unklarheiten eine
E-Mail geschrieben. Auch werden gleich zu Anfang in einer Einführungsveranstaltung der Nutzen und die Vorteile des Portfolios aufgezeigt,
um die „Sinnfrage“ schon im Vorhinein zu klären. „Das mit dem Portfolio passt schon“, heißt
es jetzt von Studenten der zweiten Generation.
Das Portfolio solle keine Folter sein, sondern
eine Hilfestellung für die Zukunft, so Klatt. Damit man vielleicht eines Tages mit dem Portfolio
in der Hand zum Vorstellungsgespräch gehen
kann, um zu zeigen, welchen Weg man schon gegangen ist.
Ruth Meier, Gwendolyn Roscheck
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Titelthema: Recht im PJ
Titelthema: Recht im PJ
Eine Verkettung
unglücklicher
Ereignisse?
Ein PJler steht wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht.
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Titelthema: Recht im PJ
Titelthema: Recht im PJ
Im August 2011 ereignet sich in einem Bielefelder Krankenhaus ein tragischer
Zwischenfall. Ein PJler spritzt einem Säugling ein falsches Medikament, der
kleine Patient verstirbt daraufhin an einem allergischen Schock. Nun muss
sich der Student vor Gericht dafür verantworten. Ist er wirklich schuldig oder
steht er am Ende einer Verkettung unglücklicher Zufälle?
D
er angeklagte PJler, der an der Universität Münster studiert hat, absolviert zum
Zeiptunkt des Vorfalls den sechsten Monat seines Praktischen Jahrs und wird seit einer
Woche auf der Kinderstation K8 eingesetzt. Am
22. August 2010 verpasst der 30-Jährige die Morgenübergabe und damit die Besprechung eines
zehn Monate alten, an Leukämie erkrankten
Säuglings, bei dessen Versorgung er später einen
folgenschweren Fehler begehen sollte.
Der Junge sollte im Verlauf des Tages zwei
Antibiotika erhalten, wobei das eine intravenös,
das andere oral verabreicht werden sollte. Nach
der Morgenbesprechung bat eine der Schwestern
den Studenten, zur Messung des Berg-und-TalSpiegels vor der Gabe des intravenösen Antibiotikums bei dem Säugling Blut abzunehmen
(Spiegel eines Medikaments im Blut direkt vor
und nach der Applikation). Später würde der
Student angeben, nicht gewusst zu haben, dass
der kleine Patient zwei verschiedene Antibiotika
erhalten sollte.
Während der PJler die Blutabnahme durchführte, betrat eine Schwester mit einer unbeschrifteten, nadellosen Spritze den Raum. Ob
sie das Medikament tatsächlich mit den Worten
„Hier ist das orale Antibiotikum.“ auf das Frühstückstablett legte oder ob sie es lediglich „Medikament“ oder „Antibiotikum“ nannte, ließ sich
vor Gericht im Nachhinhein nicht mehr ermitteln.
Sorgfaltspflicht verletzt
In der fälschlichen Annahme, dass es sich um
das intravenöse Antibiotikum handelte und dass
es seine Aufgabe sei, dieses zu verabreichen,
spritzte der PJler das Medikament in das laufende
Infusionssystem. Der kleine Junge erlitt daraufhin einen anaphylaktischen Schock und verstarb.
Einige Monate später musste sich der Student
vor dem Bielefelder Amtsgericht für den Tod des
Kindes verantworten. Am 22. Oktober 2012 be-
12
fand das Gericht ihn der fahrlässigen Tötung für
schuldig.
Das Gericht begründete sein Urteil damit,
dass der Student ohne ärztlichen Auftrag gehandelt habe und seine Sorgfaltspflicht verletzt habe.
In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es:
„Obwohl [der Student] keinerlei Kenntnis über
die aktuelle Medikation des Säuglings gehabt
habe, habe er, ohne hierzu beauftragt oder befugt
zu sein, das Medikament verabreicht. (...) Der von
der Krankenschwester erteilte Auftrag habe sich
lediglich auf die Blutabnahme bezogen. Darüber
hinaus hätte er aufgrund der Umstände erkennen
können und müssen, dass das von der Schwester im Krankenzimmer abgelegte Medikament
nicht zur intravenösen Gabe bestimmt gewesen
sei.“ Zum Zeitpunkt des Vorfalls wurden auf der
Kinderstation identische Spritzen zur Verabreichung intravenöser und oraler Medikamente verwendet. Während erstere mit einem Etikett und
einer Nadel versehen waren, waren die Spritzen
zur oralen Gabe unbeschriftet und mit einem
roten Combi-Stopper verschlossen. Während
des Verfahrens wurden die beiden Spritzensorten
präsentiert, demonstrativ mit und ohne Nadel.
„Nicht einbezogen wurde dabei allerdings, dass
die Medikamentengabe bei dem Säugling durch
einen bereits vorhandenen Zugang erfolgte, für
den grundsätzlich keine Nadel benötigt wird“,
bemängelt die Münsteraner Fachschaft in einer
Pressemitteilung.
Der Studiendekan der Uni Münster Dr. Bernhard Marschall ärgert sich über die Darstellung
des Falls. „Es beginnt damit, dass der Student
nicht „zu spät“ erschien, wie häufig behauptet
wird, sondern dass die Übergabe, die nicht zu
einem bestimmten Zeitpunkt, sondern dann
stattfindet, wenn beide Ärzte anwesend sind, gewissermaßen „zu früh“ stattfand.“
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das
Spritzensystem der Klinik nicht zu beanstanden
und auch dem ärztlichen und nicht-ärztlichen
Personal kein Vorwurf zu machen sei. Damit be-
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Vor Verantwortung weglaufen
kann man auch als Medizinstudent nicht.
stätigte es die Auffassung der Staatsanwaltschaft,
die nur gegen den PJ-Studierenden Anklage erhoben hatte.
Bei wem liegt der Fehler?
Die Fachschaft der Universität Münster solidarisiert sich mit ihrem Kommilitonen. „Das (...)
Urteil sowie die Darstellung der betreuenden
Klinik sind unsachgemäß und werden dem medizinischen Alltag, zu dem auch die Ausbildung
von neuen Ärztinnen und Ärzten gehört, nicht
gerecht“, lässt sie in einer Pressemittelung verlauten. Die Münsteraner Studenten glauben an ein
Organisationsverschulden der Uniklinik. Dabei
führen sie ins Feld, dass das Krankenhaus am
Tag nach dem Vorfall sein Spritzensystem umstellte. Ein Schuldeingeständnis?
Nein, befindet Peter Ernst von der juristischen
Fakultät Düsseldorf. Er promoviert zurzeit zu
dem Thema „Haftung des Arztes im Praktischen
Jahr“ und hat sich eingehend mit dem Fall beschäftigt. „Das Krankenhaus hat lediglich ein
an sich schon eindeutiges System ‚idiotensicher‘
gemacht. Zumindest hat das Gericht das so gesehen“, so Ernst. Der Düsseldorfer Jurist findet
das Urteil gerechtfertigt. „So wie das Gericht in
Bielefeld es herausgearbeitet hat, stellt sich der
Fall eigentlich ganz klar dar. Der Student hat sich
angemaßt, ohne dass er dazu in irgendeiner Weise beauftragt wurde, dem Kind ein Medikament
zu spritzen und hat es dabei auch noch falsch gemacht, indem er das Medikament intravenös statt
oral verabreicht hat.“
Studiendekan Marschall widerspricht. Dass
bei Erteilung des Auftrages ein Missverständnis
entstanden ist, ist in der Rückschau offenbar, ändert aber nichts daran, dass der PJler sich zu dem
Zeitpunkt durch die Hereingabe der Spritze zur
Verabreichung des Medikament beauftragt verstand. „Das wäre vermutlich jedem Studierenden
in der Situation so gegangen!“
Die Frage ist also: Liegt die Schuld wirklich
allein beim Studenten? Stefanie Gehrlein, Justiziarin des Marburger Bund Bundesverbandes,
erklärt, dass das Gericht ein Verschulden ande-
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Titelthema: Recht im PJ
Titelthema: Recht im PJ
patientenschädigende Maßnahme zu verweigern“, erklärt die Fachschaft in einer öffentlichen
Mitteilung.
Dabei betont Prof. Dr. Raschke, Stellvertretender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Münster: „Es war ein absoluter Einzelfall,
dass ein PJ-Student strafrechtlich verfolgt wurde.
Eine praktische Ausbildung ist unsere Investition
in die Zukunft!”
Ernst weist darauf hin, dass es jährlich zu gut
11.000 Prozessen gegen Ärzte kommt, während
es seit den 80er Jahren nur einige wenige Fälle
gab, in denen PJler zivilrechtlich belangt wurden,
ein strafrechtliches Verfahren gab es noch nie.
Grundsätzlich sieht Ernst das größere Haftungsrisiko bei den betreuenden Ärzten und bei der
Klinikleitung. „Wenn sich ein PJler einfach an das
hält, was ihm aufgetragen wird, ist er juristisch
ganz schnell raus und die Klinik steht in der Haftung im Sinne eines Organisationsverschuldens,
weil diese nicht für reibungslose Abläufe oder
hinreichende Einweisung und Beaufsichtigung
des PJlers gesorgt hat“, erklärt der Jurist.
Bei Zweifeln immer fragen
Von der Klinik direkt in den Knast?
rer Personen ausgeschlossen hat - danach könne
es gewissermaßen nicht anders entscheiden, als
dem Studenten die Alleinschuld zuzusprechen.
„Rechtlich kann nur der Student belangt werden.
Um eine Mitschuld zu tragen, müssten die anderen Beteiligten beispielsweise den Tatbestand
von Beihilfe, Mittäterschaft oder Anstiftung zu
einer Straftat erfüllen. Das ist nicht der Fall, da
weder den Schwestern noch einem Arzt aus Sicht
des Amtsgerichtes etwas vorzuwerfen war.“
1800 Euro für ein Kinderleben?
Sollte die Familie Schadenersatzansprüche
stellen und es somit zu einem zivilrechtlichen
Prozess kommen, könnte dies anders aussehen.
„In einem Zivilverfahren kann die Schuldfrage
anders beurteilt werden als im Strafprozess“, erklärt Gehrlein. Damit es zu einem solchen Prozess kommt, müsste die Familie allerdings aktiv
Klage gegen den angehenden Mediziner erheben.
Für die bisher erfolgte strafrechtliche Verfolgung
hingegen bedurfte es keiner Anzeige. Mit dem
Tode des Kindes wurde die Staatsanwaltschaft
14
automatisch eingeschaltet, die juristische Maschinerie unaufhaltsam in Gang gesetzt.
Der Student wurde zu 120 Tagessätzen a 15
Euro verurteilt, die der Student an den Fiskus zu
zahlen hat. „Das bewegt sich im unteren Bereich
des Möglichen. Gravierender ist für den Studenten, dass seine berufliche Zukunft als Arzt
gefährdet ist“, sagt Gehrlein. „Zwar hat er im
Januar diesen Jahres seine Approbation erhalten,
doch wird die Verurteilung, wenn sie rechtskräftig würde, für drei Jahre auf seinem Führungszeugnis stehen, welches bei Bewerbungen angefragt werden kann.“
Die Studenten aus Münster befürchten, dass
das Urteil nicht nur Folgen für den Angeklagten
haben könnte, sondern dass es, sollte es als Präzedenzfall gewertet werden, Auswirkungen auf
die ärztliche Ausbildung haben könnte. „Uns als
Studierenden bleibt bei Bestehenbleiben dieses
Urteils (...), wenn jeder Student uneingeschränkt
für jeden Fehler die volle Verantwortung tragen
muss – selbst wenn dieser den organisatorischen
Umständen oder einer anderen Person geschuldet ist, lediglich die Möglichkeit, jede potentiell
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Nur das machen, was man machen soll. Das
klingt doch ganz einfach. Aber was darf man als
PJler und was nicht? Wie soll man sich an die Regeln halten, wenn die Spielanleitung verschwunden ist?
Prof. Dr. Drs. h. c. Stefan Pollak, Direktor
des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Freiburg, erklärt, jeder einzelne müsse
seine Kompetenzen erkennen und einen Arzt
hinzurufen, wenn die Situation dies erforderte.
Umgekehrt habe der delegierende Arzt die Verantwortung: Er müsse bei der Überwachung der
nichtärztlichen Mitarbeiter, denen er ärztliche
Aufgaben überträgt, entsprechende Sorgfalt walten lassen. Auch Ernst sagt, ein Student könne
sich auf das verlassen, was der Arzt ihm sage
und wie er ihn anweise. „Aber er muss dabei natürlich auch ein gewisses Problembewusstsein
entwickeln.” Am wichtigsten sei, dass Studenten
keinen „Erprobungsdrang“ entwickeln und sich
denken „Das krieg‘ ich schon irgendwie hin“.
Marburger Bund Justiziarin Gehrlein hingehen
sagt, es sei gefährlich, sich vollständig darauf zu
verlassen, was der betreuende Arzt sagt.
„Es gibt bisher keinen festen Katalog, der
die Aufgaben und vor allem die Grenzen eines
Studenten im Praktischen Jahr festlegt”, erklärt
Gehrlein. „Selbst wenn der Beschuldigte im
Bielefelder Fall eine Anweisung vom Arzt bekommen hätte, könnte es sein, dass er belangt
worden wäre. Denn nur, weil ein Arzt etwas sagt,
darf der Student nicht blind gehorchen. Erst,
wenn ein Student in einer Situation, die im obskur erscheint einen Arzt fragt und dieser ihn
anweist die Handlung auszuführen ist der Student auf der sicheren Seite”, eklärt Gehrlein.
Noch schwieriger wird es, wenn eine Anordnung
von einer Krankenschwester stammt. „Das wäre
rechtlich gesehen höchstens als ‚Empfehlung‘ zu
werten.”
Es sei schwer einzuschätzen, wie ein Gericht
entscheiden würde, wenn es doch zu einem
durch den Studenten ausgeführten Fehler käme.
Pollak betont, dass Famulanten, PJ-Studenten
und Ärzte in Weiterbildung bei Unklarheiten immer einen sachkundigen Kollegen fragen und
keine eigenverantwortlich durchzuführenden
Maßnahmen übernehmen sollten, die sie nicht
sicher beherrschen. Die Sorge um die Gesundheit und das Leben des anvertrauten Patienten
wiege schwerer als ein etwaiger Konflikt mit dem
delegierenden Dienstvorgesetzten.
In einem sind sich Studenten wie Experten
einig: Die praktische Ausbildung im Medizinstudium darf nicht unter dem Bielefelder Urteil leiden. Der Düsseldorfer Jurist Ernst glaubt
allerdings nicht, dass das Urteil viel verändern
wird. „Es wird aber vermutlich das Bewusstsein
der Studenten beeinflussen, sie werden vielleicht
größere Angst haben und sich der rechtlichen
Konsequenzen bewusster sein.“
Der unglückliche PJler hat Berufung eingelegt.
Das Urteil ist somit bisher nicht rechtskräftig und
das letzte Wort noch nicht gesprochen - weder
für ihn noch für alle zukünftigen Studenten.
„Ein heikles Thema“
Weder die Rechtsabteilung der Universitätsklinik Freiburg, noch das Studiendekanat wollten
zu dem Vorfall Stellung nehmen. Das Dekanat
ließ verlauten, es seien Info-Veranstaltungen
zum Thema Haftpflichtversicherungen sowie,
der neuen Approbationsordnung entsprechend,
Logbücher für das PJ geplant.
Johanna Maxeiner, Insa Schiffmann
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Titelthema: Recht im PJ
Titelthema: Recht im PJ
„Zwischen Praxis und Justiz“
Kommentar:
Hätte das auch mir
passieren können?
Der Skandal um den Bielefelder PJler hat
unter den Freiburger Medizinstudenten für
heftige Diskussionen gesorgt. Die einen
schlugen sich sofort auf die Seite des Studenten: „Das hätte doch jedem passieren
können!” Die anderen sagten, er hätte
Warnzeichen erkennen und nachfragen
müssen.
Definitonsgemäß handelt es sich um
„fahrlässige Tötung”, ein Paragraph, der
seine Hauptanwendung übrigens bei Verkehrsunfällen mit tödlichem Ausgang findet. Daher erscheint mir das Urteil an sich
als gerechtfertigt.
Es stellt sich aber eine grundlegende Frage: Liegt der Fehler beim Studenten oder
nicht eher beim System? Ist das Urteil an
der Realität gemessen?
Die Idealvorstellung ist, dass motivierte
Ärzte sich darüber freuen, uns etwas beizubringen, und jede Frage geduldig beantworten. Die Wirklichkeit sieht manchmal ganz anders aus. Was würde ich tun,
wenn die grantige Schwester Bettina mir
eine unbeschriftete Spritze auf den Tisch
klatscht und gerade Peter, der überarbeitete Assistenzarzt, Dienst hat, der mich
bereits angepatzt hat, ich solle ihn nicht
ständig nerven? Würden meine Zweifel
an der Situation reichen, um meine Beklommenheit zu überwinden und nachzufragen?
Die Ergebnisse der Umfrage unter den
Münsteraner Studenten (siehe nächste
Seite) zeigt, dass ich mit meinen Selbstzweifeln nicht alleine bin. Viele haben
schon einmal Medikamente verabreicht,
ohne zu wissen, wie diese wirken, oder
waren beim Erheben eines Befundes unsicher.
16
Im Dezember 2012 fand an der Heimatuni des beschuldigten Studenten eine Podiumsdiskussion mit dem
Titel „Was darf ein Medizinstudent – zwischen Praxis und Justiz“ statt. Unter den anwesenden Studenten wurde
eine Umfrage zu ihren praktischen Erfahrungen gemacht. Hier ein Auszug der Ergebnisse.
Selbst nach eingehender Recherche fanden wir als Redaktion keine Übersicht zumindest darüber, was für einen Studenten
definitiv verboten ist. Auch die befragten
Experten konnten nur pauschale Aussagen machen.
Aber wäre es überhaupt sinnvoll, die Tätigkeiten im PJ in ein starres Korsett aus
Richtlinien zu zwängen? Während meines
Auslandsjahrs hab ich gemerkt, wie viele
Freiheiten wir im Vergleich zu anderen
Ländern in der praktischen Ausbildung
haben. Es wäre schade, wenn wir diese
einbüßen würden. Freuen wir uns nicht
oft darüber, was wir alles machen dürfen, obwohl wir noch gar keine „richtigen Ärzte“ sind? Dass Fehler passieren
und Komplikationen durch Studenten
verursacht werden, zeigte sich auch, als
wir bei Kommilitonen nach ähnlichen Erfahrungen fragten. Anscheinend werden
wir Studenten in den meisten Fällen aber
doch geschützt und dürfen Fehler machen. Denn keine der Geschichten, die
wir hörten, hatte Folgen, weder für den
Studenten noch für den Patienten. Es darf
also „einfach” nicht zur Katastrophe kommen.
Wir sollten diese Geschichte zum Anlass
nehmen, unsere Handlungen in Zukunft
noch kritischer zu betrachten und bei
Zweifeln immer nachzufragen - und nicht
dazu, dass PJ unter Richtlinien zu begraben.
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Figur 1: Haben Sie schon einmal ein Medikament verabreicht, ohne dessen Wirkung, mögliche Nebenwirkungen oder Kontraindikationen zu kennen?
Figur 2: Haben Sie sich vor jeder Blutabnahme beim anordnenden Arzt oder ausarbeitenden Pflegepersonal
rückversichert?
Insa Schiffmann
Figur 3: Haben Sie sich getraut, solche Unsicherheiten [bei von Ihnen erhobenen Befunden] zu äußern?
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Titelthema: Recht im PJ
Titelthema: Recht im PJ
Figur 4: Wenn Sie ein Medikament verabreicht haben, war jemand dabei?
Nur die Spitze des Eisbergs?
Ist der Zwischenfall in Bielefeld wirklich, wie ständig betont wird, ein Einzellfall?
Oder sind vergleichbare Fälle bisher bloß glimpflich ausgegangen? Hier ein weiteres Beispiel aus der Praxis.
E
ine Kommilitonin, die vor dem Studium eine Krankenpflegeausbildung am
Klinikum der Universität München absolvierte, berichtet, wie sie während der Ausbildung von einem fünf Jahre alten Mädchen
in der Kinderklinik um Milch gebeten wurde.
Daraufhin füllte sie die Trinkflasche des Kindes mit normaler Kuhmilch. Was man ihr in
der Übergabe am Morgen nicht gesagt hatte
war, dass das Kind an einer schweren Nahrungsmittelunverträglichkeit litt und deshalb
nur mit Spezialnahrung versorgt werden durfte. In Reaktion auf die normale Milch bekam
die junge Patientin einen anaphylaktischen
Schock und musste auf die Intensivstation
verlegt werden.
Obwohl die anderen Pflegekräfte zugaben,
dass sie wahrscheinlich genauso gehandelt hätten, distanzierten sich Station und Klinikum von
dem Fehler. Alles sei allein die Schuld der Pflegeschülerin gewesen, die die Milch ausgegeben hatte. Schließlich habe in der Patientenakte ein Vermerk gestanden, der auf die Unverträglichkeit
hinwies, und es sei die Pflicht der Pflegeschülerin
18
gewesen, vor ihrer Tätigkeit am Krankenbett die
Akte einzusehen. Dass während der Übergabe
niemand auf die schwere Nahrungsmittelunverträglichkeit des Kindes hingewiesen hatte, diese
auch bei der nächsten Übergabe mit keinem Wort
erwähnt wurde und somit ein Organisationsproblem auf der Station den Vorfall herbeigeführt
hatte, ließ man in der Münchner Kinderklinik
stillschweigend unter den Tisch fallen.
Dem Team auf der Intensivstation gelang
es, das Mädchen zu stabilisieren. Es überlebte
und seine Eltern sahen von einer Klage ab.
Johanna Maxeiner
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Einmal nicht nachgedacht und plötzlich sind einem die Hände gebunden.
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Campusleben
Campusleben
Das Schönste am
Studium? Das Kind!
Deutschland beklagt seine Kinderlosigkeit, vor allem bei Akademikern, die zudem auch ein viel höheres Erstgebärendenalter aufweisen als die durchschnittlichen 30 Jahre. Und wie sieht es bei Studenten aus? Junge Eltern an der Uni
sind keine Exoten, aber eben auch nicht die Regel, erst recht nicht bei uns Medizinern. Sind wir zu zielstrebig? Und ist Familiengründung das Gegenteil von Zielstrebigkeit? Ist eigentlich egal, finde ich. Lassen wir den Blick auf Demographie
und Statistiken sein – dafür ist das Thema zu persönlich.
A
ls ich meiner Oma vor zwei Jahren am Telefon von meiner bevorstehenden Hochzeit erzählte, lautete nach einer kurzen
Schreckenspause ihr erster Satz: „Und was ist mit
deinem Studium?!“. Ähnlich begeistert fiel eine
Weile später die Reaktion auf meine Schwangerschaft aus. Da hatte ich mir mehr erhofft, immerhin kann man seinen Großeltern nicht alle Tage
erzählen, dass sie mit etwas Glück bald Urgroßeltern werden.
Es dauerte ein wenig, bis ich die fehlende Euphorie nachvollziehen konnte. Ich zumindest war
schließlich ganz aus dem Häuschen und hätte nie
einen Gedanken daran verschwendet, dass Hochzeit und Familiengründung, die wir bewusst in
die Zeit des Studiums legten, in den Augen anderer automatisch einen Abbruch meiner Medizinerlaufbahn nach sich ziehen würden.
Auch wenn man von ausgewachsenen Ärzten
zu diesem Thema das bestätigt bekommt, was
schon lange in verschiedenen Artikeln geschrieben steht - nämlich dass das Studium einen der
günstigsten Zeitpunkte zur Familiengründung
darstellt - muss man insbesondere Nicht-Medizinern gegenüber viel zu häufig Babybauch
und Elternzeit verteidigen. Warum soll sich ein
erwachsener Mensch, der nicht gerade knietief
in ernsten Schwierigkeiten steckt, überhaupt für
die Entscheidung pro Familie rechtfertigen müssen? Sind wir so sehr verkopft, dass wir einen
rationalen Grund dafür brauchen, ein Kind zu
bekommen? Ohne zu philosophisch werden zu
wollen: Würden wir dann das eigene Kind nicht
vom Zweck zum Mittel degradieren?
Auch beim Lernen ist der
Nachwuchs immer dabei.
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appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Wer sich an einem freien Tag einmal um die
Vormittagszeit dem Genuss deutscher Privatsender hingegeben hat, hat sich vielleicht auch schon
gefragt, warum es in Deutschland angeblich zu
wenig Kinder gibt, wenn die 19-jährige DestinyCheyenne doch schon ihr drittes erwartet. Ich
befürchte, Destiny-Cheyenne hat uns Medizinern
etwas Wichtiges voraus: Sie macht sich keine Gedanken darüber, ob ein Baby sie später einmal die
Aussicht auf die Oberarztstelle kosten könnte.
Wie häufig habe ich mir schon das Szenario eines
Bewerbungsgesprächs vorgestellt, in welchem ich
dafür argumentiere, lieber mich als Mutter einzustellen als meine imaginäre kinderlose Konkurrenz. Sofort ärgere ich mich wieder über mich
selbst, dass ich mir solche Szenarien überhaupt
ausdenke. Et kütt wie et kütt.
Studium? Hintenangestellt.
Ich werde, ebenso wie mein Mann, gelegentlich gefragt, ob unsere Tochter denn geplant
war. Anfangs fiel es mir trotz der großen Freude
nicht ganz leicht, „ja“ zu sagen. Denn nun bin
ich nicht mehr vorrangig Studentin, sondern vor
allem verantwortlich für ein kleines Windelbündel - und muss gezwungenermaßen Extrawünsche äußern, um mein Studium um meine neue
Priorität herum planen zu können. Das fing damit an, in der Schwangerschaft bei Klausuren
zu fehlen und in der Famulatur so viel weniger
einsatzbereit zu sein als geplant. Dann die Angst,
andere hängen zu lassen, wenn ich bei meiner
Doktorarbeit pausiere. Kurse umzulegen, nur
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Campusleben
um sie danach doch wieder absagen zu müssen.
All das war mir unangenehm. Umso größer war
die Überraschung, wie positiv die Reaktionen
von Seiten der Uni ausfielen. Mit feuchten und
zittrigen Händen wählte ich die Nummer einer
Lehrbeauftragten, um eine Klausur kurz nach der
Geburt zu verschieben. Ich war auf vieles gefasst
gewesen, nur nicht darauf: „Dann erst einmal
herzlichen Glückwunsch!“ Es gebe keine Klausur, die wichtiger sei als die eigenen Kinder. Ich
solle nun den Mutterschutz richtig genießen, alles
andere komme danach.
Ähnlich hilfsbereit kam man mir im Studiendekanat, im Labor und bei den einzelnen Fächern
entgegen. Auch als meine Tochter dann da war,
wurde mir bei der Suche nach einem passenden
Ort zum Stillen und bei der zeitlichen Organisation geholfen. Dass ich vier Monate nach der
Geburt wieder Vollzeit in der Uni einstieg, ging
jedoch in erster Linie nur dank der Selbstverständlichkeit, mit der der Papa ein Urlaubssemester einlegte, den kompletten Haushalt bediente, alle anstehenden Besorgungen erledigte und
auch mal mit der Kleinen in die Klinik düste,
wenn ich in den kurzen Pausen zum Stillen nicht
heimfahren konnte. Da ich ohnehin nie ein Vorlesungsgänger gewesen bin, war es auch keine
große Umstellung, lediglich bei Pflichtveranstaltungen durch Anwesenheit zu glänzen und den
restlichen, erstaunlich vollen Tag zu Hause zu
verbringen.
Kleines Baby, großer Aufwand
Man macht sich vorher keine Gedanken darüber, wie viel Zeit ein Baby tatsächlich in Anspruch nimmt. Und man merkt hinterher deutlicher denn je, wie wichtig die eigenen Freunde
sind. Nicht nur, um den Bezug zum „echten“
Leben jenseits des Windelchaos nicht zu verlieren und die wenige Zeit, die man hat, mit lieben
Menschen zu verbringen. Sondern auch, weil sie
so allerhand ermöglichen, von dem man vergisst,
dass es mit einem Baby nicht so leicht machbar
ist. Einen Weihnachtsbaum zu transportieren,
beispielsweise, oder einfach nur einen Kinoabend
zu zweit. Ohne das Engagement unseres Freundeskreises würden wir sicher regelmäßig gegen
eine Wand rennen.
Auch sonst ändert sich so einiges: Eben noch
nur für sich selbst verantwortlich, ist man plötz-
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Campusleben
lich der Lebensmittelpunkt eines anderen Wesens und umgekehrt. Kommt ein Anruf von der
Kita mit der Bitte, das weinende Kind abzuholen, befinden sich ganz plötzlich Scheuklappen
an meinem Fahrradhelm. Läge es in meinem
Budget, würde ich mir ein Martinshorn auf den
Gepäckträger schnallen und von einem Elektromotor unterstützt sämtliche innerorts geltenden
Tempolimits wegfegen. Der Weg zur Kita, bis ich
das Würmchen mit bebender Unterlippe und flehend ausgestreckten Miniatur-Popeye-Ärmchen
retten kann, erscheint in solchen Momenten ewig.
Man macht sich zudem auf einmal Gedanken
über Dinge, die man zuvor kaum wahrgenommen hätte. Zum Beispiel über potenziell umfallende Bücherregale, die während der letzten vier
Jahre nicht einmal gewackelt haben. Wenn ein
Krabbler die Wohnung unsicher macht, ist alles
eine mögliche Quelle für Katastrophen. Nun betreibt man Risikominimierung, wo nur möglich,
und liest alle je veröffentlichten Testberichte zu
Kinderstühlen, Babybetten, Kombi-Kinderwagen, Autositzen, Fahrradanhängern, Familienhotels und Gemüsebreis. Natürlich nur bio. Was
war Henne, was war Ei? Hätten wir früher auch
schon das Flughafenhotel für die Durchreise auf
holidaycheck.de auf Herz und Nieren geprüft
und für den 17 Euro-Duschkopf 164 Bewertungen auf Amazon studiert? Die Spontaneität
ist in manchen Situationen vielleicht verloren
gegangen, in anderen habe ich sie neu entdeckt noch nie habe ich so viele improvisierte Muffins
gebacken wie in den letzten Monaten.
Optimismus trifft auf Realität
Die romantische Vorstellung, das Studium mit
einem Baby im Arm einfach so fortzuführen, erwies sich natürlich als überaus naiv. Der Dozent
eines Seminars bestand zwar darauf, dass ihm das
angestrengte Gequake meiner Tochter gar nichts
ausmache - doch ich weiß heute nicht, worum es
in diesem Seminar eigentlich ging, denn ich war
hochkonzentriert. Nicht auf die Medizin, sondern darauf, den Nachwuchs bei Laune zu halten, damit sich bloß niemand von Babygeschrei
gestört fühlt. Auch merkte ich bei der Vorbereitung auf die gefürchtete Innere-Klausur, dass es
sich mit einem mal mehr, mal weniger munter
vor sich hinbrabbelnden Säugling auf dem Schoß
einfach nicht gut lernen lässt. Also, absolut gar
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Ein Reflexhammer
ist spannender als
jede Rassel.
nicht. Immer wieder zwischendurch bekam ich
die Rassel an die Stirn geknallt. Es bedarf wohl
keiner weiteren Erklärung, dass diese Art der
Denkanstöße nicht sonderlich hilft.
Aber ich möchte die vielen kleinen schönen
Dinge des Alltags nicht unerwähnt lassen, angefangen bei der erworbenen Gelassenheit bezüglich zärtlicher Kratzspuren im Gesicht und übelriechender Körperflüssigkeiten auf der Kleidung
in den unmöglichsten Momenten. Des Weiteren
kann ich nun endlich meinen medizinertypischen
hypochondrischen Wahn von mir auf mein Kind
übertragen. Es ist eine nette Abwechslung, auch
einmal über pädiatrische Erkrankungen nachzudenken. Mein Kind öffnet mir zudem die Augen
für die kreativen Möglichkeiten zur Ausgestaltung des täglichen Lebens, zum Beispiel, was
man mit Brei alles anstellen kann, wenn man
darauf verzichtet, ihn in den Mund zu führen.
Inzwischen habe ich mich von meiner Tochter
mit ihrer restlosen Begeisterung für Raufasertapeten anstecken lassen und erfreue mich an den
ersten Zähnen, die sie gekonnt in meiner Groß-
zehe versenkt. Aber auch intellektuell fühle ich
mich ständig herausgefordert: Wir wundern uns
gemeinsam täglich über die Regeln der Physik.
Warum fällt der Löffel voller Brei nach unten,
der Windelinhalt quillt jedoch nach oben heraus?
Ich habe unsere Wohnung ganz neu für mich
entdeckt, insbesondere all die Möbel, gegen die
man in der Dunkelheit der Nacht laufen kann,
während alles schläft - außer meinem Kind, dem
Papa und mir. Ich gebe mich hemmungslos Lustkäufen hin und schenke meiner Tochter nebst
Kleidung das Spielzeug, das ich insgeheim einfach selbst haben möchte. Sie hingegen findet
das nicht allzu spannend, denn sie bräuchte gar
kein Spielzeug: Dieses wird nur in sonst absolut
reizarmer Umgebung überhaupt eines Blickes gewürdigt. Viel interessanter sind Löffel aller Art
(Eierlöffel, Suppenkellen, Salatbesteck), alles mit
Tasten oder Bildschirmen, Kabel zum Reinbeißen, Bierflaschen und -dosen, Plastiktüten, bunte
Kaffeetassen (inklusive ihres heißen Inhalts) und
Flaschen mit Essigreiniger. Abgesehen von den
Löffeln eigentlich alles, wovon sich Kleinkinder
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Campusleben
Campusleben
Gut zu wissen
•
Als Student darf man beim Kinderwunsch den finanziellen Aspekt nicht unterschätzen. Zwar
bekommt man Kindergeld und Unterstützung bei der Betreuung, doch finanziert sich ein
Baby nicht selbst. Beim Elterngeld wären es für arbeitslose Studenten in den 1990er-Jahren
noch 600 Mark monatlich für zwei Jahre gewesen; heute gibt es nur den Mindestsatz von
300 Euro für ein Jahr.
Rechenbeispiel: Der Mindestsatz, begrenzt auf 12 Monate, macht insgesamt 3.600 Euro an
Elterngeld. Der Höchstsatz (bei Netto-Gehalt über 2.769 Euro) kann auch für 14 Monate
ausgezahlt werden. Dann liegt man bei insgesamt 25.200 Euro. Als nicht arbeitende Studentin bekommt man übrigens kein Mutterschaftsgeld.
• Auch wenn man sich lächerlich vorkommt, sollte man sich schon während der Schwangerschaft um einen Kita-Platz bemühen, denn viele Wartelisten sind sehr voll. Außerdem
sollte man sich gut überlegen, wie früh man das Kind in die Obhut einer Kita geben möchte. Manche Kitas nehmen Babies ab zwölf
Wochen auf, andere erst ab einem Jahr.
Nicht vergessen: Je jünger das Kind, desto
länger dauert normalerweise die Eingewöhnung. Dafür sollte man idealerweise
ein paar Wochen frei haben.
Mit einem Windelbündel im Schlepptau
ist alles ein bisschen bunter.
besser fernhalten sollten.
Am schönsten finde ich allerdings die Tatsache, dass der etwas graue Alltag im Studium viel
bunter geworden ist und ich Dingen wie Klausurenstress und Regelstudienzeit nun einen anderen, geringeren Stellenwert einräume. Durch
die letzten Monate habe ich jetzt eine deutlichere
Vorstellung davon, was ich persönlich zum
Glücklichsein brauche.
Auf Argumente für und wider den Kindersegen während des Studiums möchte ich an dieser
Stelle verzichten. Diese sind allseits bekannt und
ansonsten vielerorts nachzulesen. Ein Baby zu
bekommen und vor allem, es dann nicht ins eigene Leben zu integrieren, sondern umgekehrt
das eigene Leben an die neue Situation anzupassen, ist eine Sache des Bauchgefühls, da hilft
keine Pro- und Contra-Liste. Das Medizinstudium in Freiburg ist dabei bestimmt kein Hindernis. Ohnehin ist das Kinderkriegen selten richtig
planbar. Nicht jede werdende Mama schafft es,
bis zur Geburt voll im Alltag zu stehen - und
nicht jede will es. Was danach passiert, ist wohl
24
so unberechenbar wie kaum eine andere Zeit im
Leben. Die ganze Arbeit und Doppelbelastung
nimmt einem keiner ab, aber Hilfestellungen gibt
es überall. Den idealen Zeitpunkt, um ein Kind
zu bekommen, gibt es schlichtweg nicht. Es ist
immer kräftezehrend und stellt einen vor immense emotionale und organisatorische Herausforderungen. Im Studium wie später im Arbeitsleben,
bequem ist es nicht.
Aber es ist das größte Glück und die schönste
Bereicherung, die ich bisher erfahren durfte.
Kerstin Meyer-Andreas
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
• Wenn man wegen Krankheit des Kindes
als Berufstätiger fehlt, ist man krankgeschrieben. Als Student auch - aber
Pflichtanwesenheiten und Klausuren sind
nachzuholen, das heißt doppelte Arbeit
später. Daher kann es sinnvoll sein, sich
von Perfektion und Regelstudienzeit zu verabschieden und realistisch zu planen.
• Informationen zu Familiengründung während des Medizinstudiums - unter welchen
Umständen auch immer - bekommt man
von verschiedenen Seiten: Studentenwerk
(www.swfr.de/studieren-mit-kind), Dekanat (www.medizinstudium.uni-freiburg.de/
studierende/studium-mit-kind-ern), vielen
weiteren Internetseiten zu dem Thema und
allgemein natürlich auch bei Profamilia.
Dort findet man vor allem auch Infos zum
Thema Finanzierung und Recht.
Das größte Glück:
Kerstin mit ihrer Tochter.
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Wann beginnt eigentlich Kunst?
Und woher kommt der augenscheinliche Drang der Menschen
danach, sich die Umgebung ihres
stillen Örtchens wenn auch nicht
unbedingt schöner, so doch zumindest witziger zu gestalten?
Was im Privaten meist etwas liebeund humorvoller geschieht, gleicht
auf öffentlichen Toiletten häufig
eher Schmiereien und sinnfreiem
Gekritzel. Dennoch, gar oft sind
sie erheiternd, die kleinen Klo-Botschaften. Wir haben eine Auswahl
für euch zusammengestellt.
26
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Campusleben
Campusleben
OPs hautnah
- von ganz weit weg
Eine Herzoperation aus der ersten Reihe anschauen zu können, ohne die Angst,
dabei umzukippen, ohne müde Arme vom Hakenhalten zu bekommen, ohne knurrenden Magen. Und ohne dabei auf Erläuterungen und Erklärungen verzichten zu
müssen. Das geht ganz einfach mit der Sectio Chirurgica, einem Online-Angebot
der Universität Tübingen. Der interessierte Student muss heute nicht mehr stundenlang im OP stehen, er streamt sich dorthin.
D
ie Sectio Chirurgica ist ein Angebot der
Uni Tübingen, das vor sechs Jahren von
Anatomen und Ärzten der Uniklinik ins
Leben gerufen wurde. Die Idee dahinter: Zusätzlich zu dem rein anatomisch ausgerichteten Präppen im Studentenkurs können die angehenden
Mediziner sich abends im Hörsaal ein ganz
spezielles Programm ansehen. OPs an Leichen,
Übertragung per Live-Stream. Jedes Wintersemester wird an zwölf Terminen ein abwechslungsreiches Programm angeboten, das von Tübinger
Chirurgen präsentiert wird.
Aufgezeichnet wird das Spektakel in einem von
elf hochmodern ausgestatteten OP-Sälen. Dort
führen Ärzte der Uniklinik an den mit AlkoholGlycerol fixierten Körperspendern authentische
Operationen durch. Ob Nierentransplantation,
Cochlea-Implantat oder Y-Anastomose, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Zwischen den
Szenen aus dem OP-Saal werden immer wieder
Einspieler gezeigt, in denen ein Anatom - vor
riesigen Bildern der betreffenden Organe - das
Vorgehen in die Theorie einbettet. Quasi ein
Günther Netzer des OPs.
Live-Stream aus dem OP
Ursprünglich war die Live-Übertragung aus
dem Leichen-OP als „Add-on“ zum Präp-Kurs
der Tübinger Studenten erdacht; diese sind auch
die einzigen, die ein extra zu den Fällen passendes Skript bekommen. Doch angesichts des
organisatorischen und sicher auch finanziellen
Aufwandes bot es sich an, das Angebot anderen
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Medizinstudenten sowie medizintechnischem
Personal ebenfalls zugänglich zu machen.
Über das Internet ist es nun auch fakultätsfremden Studenten möglich, sich abends anstatt
zum Fußball- zum OP-Schauen zu treffen. Wenn
man gerade keine Freunde vor Ort zur Verfügung
hat, wird es trotzdem nicht einsam vor dem Bildschirm: Während der Übertragung gibt es auf
der Homepage der Sectio Chirurgica einen LiveChat, in dem man einen Chirurgen mit Fragen
bombardieren und mit den Zuschauern aus allen
möglichen Städten über Nahttechniken fachsimpeln oder Expertenwissen austauschen kann.
Das mag im ersten Moment vielleicht nach
Mediziner-Freaks klingen, die auch in ihrer Freizeit nicht genug von Blut und Gedärm bekommen können. Und doch ist so eine Schau-OP
etwas vollkommen anderes als die traditionellen
Lehrangebote im Studium.
Anatomie für zu Hause
Es fängt schon damit an, dass man die Anatomie plötzlich ins Wohnzimmer geliefert bekommt. Auf einmal können auch die Medizinfremden Mitbewohner einen kleinen Eindruck
davon bekommen, warum man im dritten Semester seinen in Hass-Liebe verbundenen Prometheus überallhin mitnahm. Auch wenn sie auf
begeisterte Ausrufe wie „Guck, guck, Fett!“ oder
„Da, hast du die Knochensäge gesehen?“ anfangs eher befremdet reagieren mögen.
Und vor allem ist die Übertragung eine Chance, die Anatomie von den besten Plätzen aus zu
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Die unbekannte Spezies:
Sieht so vielleicht ein Moli aus?
Auch so kann Lernen aussehen und im OP ist‘s auf einmal ganz bequem.
erleben. Es ist ein bisschen wie im Präp-Saal,
nur ohne Kälte und Gestank. Und es hat auch
etwas vom OP. Nur gibt es kein Auf-den-Zehenspitzen-stehen-und Sich-recken-um-wenigstensein-Zipfel-Omentum-majus-zu-sehen, auch kein
„Hände hoch, fass’ bloß nichts an, NICHT BEWEGEN!“. Dafür die Gelegenheit, mit einer gegebenenfalls großen Gruppe Gleichgesinnter das
Gelernte aus der Anatomie angewendet zu sehen
und darüber diskutieren zu können.
Massengaffen auf tote Menschen?
Was es jedoch nicht gibt, ist eine Einlasskontrolle. Im Präp-Kurs werden die Medizinstudenten allerorts intensiv darauf hingewiesen, was
die höchste Priorität hat: Nämlich die Würde des
Körperspenders zu wahren, der in Namen der
Wissenschaft zerschnitten wird. Das bedeutet,
keine Fotos zu machen, keine nicht-Medizinstudenten mit in den Präp-Saal zu bringen. Gerade
das ist durch einen Mitschnitt und die Übertragung im Internet aber plötzlich Realität. Die Sectio chirurgica ist mittlerweile europaweit bekannt,
die Zuschauer kommen längst nicht mehr nur
aus dem Süden Deutschlands. Theoretisch kann
jeder mit dem Internet Verbundene auf die LiveÜbertragungen aus dem OP-Saal zugreifen.
Die Tübinger Anatomie hat kein anderes Verständnis von dem Umgang mit den Leichen als
die Institute anderer Fakultäten. Auch hier wird
darauf hingewiesen, dass sich streng an die Abmachungen mit den Körperspendern gehalten
und deren Würde unter allen Umständen bewahrt werde. Um sich die Übertragungen ansehen zu können, muss man sich auf der Homepage der Sectio Chirurgia registrieren. Dies ist
nur für „Studierende der Human- und Zahnmedizin sowie der medizinnahen Fächer wie ‚Medizintechnik‘ und ‚Molekulare Medizin‘, Ärztinnen
und Ärzte und medizinisches und medizintechnisches Fachpersonal“ möglich - doch auf eine
Überprüfung der Identität bei der Anmeldung
wird verzichtet.
Sehr konsequent geht man in Tübingen jedoch
mit den Filmaufnahmen um: Die übertragenen
Operationen sind im Nachhinein nicht mehr im
Internet abrufbar und auch ein Mitschneiden
der Filmsequenzen ist verboten. Hier wird ganz
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Campusleben
klar eine Grenze gezogen - zwischen Lehre und
schaustellerischen, sensationsgeilen Schausektionen, wie sie zum Beispiel der KörperweltenErfinder Gunther von Hagen für seine Filmreihe
„Anatomy for beginners“ durchführte.
Vielleicht ist es diese respektvolle, professionelle Ernsthaftigkeit, die dazu beigetragen hat,
dass die Sectio Chirurgica auch international in
den höchsten Tönen gelobt wird. 2010 ist sogar
ein wissenschaftliches Paper über das Projekt in
dem Anatomie-Journal „Annals of Anatomy“
veröffentlicht worden. Darin wird die Evaluation
der Lehre in Bezug auf das Projekt diskutiert und
noch einmal die Intention der Sectio Chirurgica
dargestellt: Das Ziel sei es, den klinischen und
vorklinischen Inhalt in das medizinische Curriculum zu integrieren, ohne die systematische Präsentation des anatomischen Inhalts zu beschneiden.
Ganz klar ersetzt eine Operation zum Zuschauen keinen Präp-Kurs und kein nerviges
Arterien-Auswendiglernen, aber es hilft dabei,
Zusammenhänge herzustellen. Die Bilder prä-
Anzeige
Chemie, Bio, Physik?
gen sich besser ein als graue Theorie und durch
Diskussion mit Freunden oder Fremden erinnert
man sich später an wichtige Details.
Denn gerade der Austausch unter Studenten
und die offene Fragerunde an den Operateur finden in einem Rahmen statt, den man sonst nie
herstellen könnte: Im OP stehen im Extremfall
höchsten drei oder vier Studenten beisammen,
meist ehrfurchtsvoll verstummt vor dem Oberarzt. Bei der Sectio Chirurgica aber kann man
jede noch so banale Frage stellen und ohne tadelnden Blick eine Antwort darauf erhalten.
Vielleicht ist das ein Revival des Bildungsfernsehens. In einem ganz speziellen Rahmen, mit
interaktivem Austausch. Aber vielleicht ist die
Sectio chirurgica manchmal auch nur ziemlich
gute Unterhaltung.
Rebecca Eisele
Wer sitzt wohl noch so alles vor dem
PC? Per Chat können sich die Teilnehmer
der Sectios austauschen.
Natürlich bei
Biochemie und Physiologie?
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appendix .ofamed.de | Frühling 2013
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32
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
33
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
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34
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
35
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Countdown zum Visum
„Na, was hast du in den letzten Semesterferien so gemacht?“ – „Oh, ich war im
Ausland für eine Famulatur...“. Mittlerweile ist dieser Satz unter Medizinern fast
schon Standard. Wovon man sich aber selten eine Vorstellung macht, ist der enorme Organisationsaufwand, den eine Auslandsfamulatur oder ein Auslandstertial im PJ mit sich bringen.
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ine Auslandsfamulatur ist eine ausgezeichnete Möglichkeit dazu, sich nicht nur medizinisch weiter zu bilden, sondern auch etwas
über den Tellerrand der eigenen Kultur hinaus zu
schauen.
In Onlineforen und Medizinerzeitschriften
gibt es Unmengen an Erfahrungsberichten, nur
sind die Abschnitte über die Themen „Zeit im
Krankenhaus“ oder „Freizeit“ meistens deutlich
umfangreicher als die wenigen Zeilen über das
eigentliche „Bewerbungsverfahren“ oder die „Organisation“. Marco Spehl erzählte uns, wie er sich
Famulaturen in Ghana und Kanada organisiert hat
- und was dabei so alles schief gehen kann.
Erschwerte Kontaktaufnahme
Marco Spehl ist ein gewissenhafter Student, der
nichts dem Zufall überlässt. So hat er sich eine Famulatur in Ghana selber organisiert, anstatt sich
für ein Rundum-sorglos-Paket inklusive Unterkunft, Verpflegung und Freizeitaktivitäten über
die Bundesvertretung der Medizinstudierenden
in Deutschland (bvmd) zu bewerben. Er wollte
sicher gehen, dass es auch klappt und bei allen
Vorteilen, die das Programm der bvmd bietet,
erfährt man oft erst spät, ob und wo man seine
Famulatur im Ausland antreten kann. Außerdem
wollte der Medizinstudent das Leben in einem
„echten Dschungelkrankenhaus“ kennenlernen
und nicht, wie bei über die bvmd organisierten
Famulaturen üblich, in einer großen Uniklinik
landen. Dabei stellte sich schnell heraus, dass es
gar nicht so einfach ist, Kontakt zu einem kleinen
afrikanischen Krankenhaus aufzunehmen: Im Internet sucht man vergeblich nach Adressen. In
Orten, wo die Stromversorgung oft ausfällt, gibt
es Wichtigeres, als sich um seine Internetpräsentation zu kümmern. Und selbst wenn man eine
Telefonnummer aufspüren kann, hilft sie einem
36
oft auch nicht weiter, denn Telefonverbindungen
sind ebenfalls vom Strom abhängig. Zwar gibt es
Hilfsorganisationen, die gerade in solchen Gebieten aktiv sind, diese wiederum nehmen aber nur
approbierte Ärzte mit zu ihren Einsätzen. Schließlich fand Marco unter www.electiveghana.org eine
Organisation, die gegen eine Gebühr von 150
Euro Famulanten in ländliche Kliniken vermittelt.
Alles andere ließ sich unbürokratisch organisieren.
An Bewerbungsunterlagen waren nur ein Motivationsschreiben und ein Dekansbrief erforderlich,
die nötigen Impfungen gab es beim Gesundheitsamt. Um den Transfer vom Flughafen zum Krankenhaus kümmerte sich die Organisation und eine
Unterkunft suchte sich Marco dann vor Ort. Für
die vierwöchige Famulatur inklusive Flug, Vermittlungskosten, Visagebühren und einer kleinen Reise im Anschluss hat der Student rund 1500 Euro
gezahlt.
Nächstes Ziel: Kanada
Bereits für die nächste Famulatur zog es Marco
abermals ins Ausland. Nun sollte es nach Kanada
gehen und wieder wollte er alles selber organisieren. Ein halbes Jahr Vorlauf sollte gut reichen, um
eine Klinik zu finden, ein Visum zu beantragen
und einen Flug zu buchen. Dachte er.
Nachdem er in Ghana gezielt nach einem kleinen Haus gesucht hatte, wollte er in Kanada eine
Universitätsklinik kennenlernen. Zwar war es, wie
nicht anders zu erwarten, kein Problem, über‘s Internet Adressen und Ansprechpartner der Unikliniken ausfindig zu machen, allerdings zeigte sich
bald, das die kanadischen Unikliniken deutlich
restriktiver als Ghanaische Häuser sind, was die
Aufnahme von deutschen Famulanten angeht. Die
großen Unis nehmen entweder überhaupt keine
ausländischen Studenten auf oder alle Plätze waren bereits vergeben, so dass eine Bewerbung von
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Einmal über den Bettpfannenrand blicken?
Auf zur Auslandsfamulatur, zum Beispiel nach Ghana.
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
37
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
vorneherein sinnlos war. Schließlich konnte sich
Marco noch erfolgreich um einen Platz in Greater
Sudbury bewerben.
Noch vier Monate
Direkt nachdem er die Zusage aus Kanada erhalten hat, beantragt Marco ein Visum. Die vier
Monate, die bis zur Abreise bleiben, sollten eigentlich ausreichen, dennoch will er einen Eilantrag stellen. Schnell findet er heraus, dass die Visa-Abteilung der kanadischen Botschaft in Berlin
seit dem 30. April 2012 geschlossen hat und dass
Deutsche sich seither in Visumsangelegenheiten
an die Botschaft in Wien wenden müssen. Leider
scheint die dortige Botschaft mit dieser neuen
Aufgabe überfordert zu sein. Drei ganze Monate
nach der schriftlichen Beantragung hat Marco immer noch nichts aus Wien gehört.
Noch ein Monat
Langsam wird Marco nervös. In einem Monat
will er die Famulatur antreten und von dem Visum
fehlt jede Spur. Er versucht, in der Botschaft in
Wien anzurufen, wird aber nur mit einem Automaten verbunden, der ihm keine Antwort auf die
Frage nach seinem Visum geben kann. Als nächstes versucht er, sich in einer E-Mail an die Botschaft zu wenden, bekommt aber auch jetzt nur
die automatische Antwort, dass seine Mail erst in
vier Wochen bearbeitet werden könne. Da möchte
er aber eigentlich schon auf dem Weg nach Kanada sein.
Noch zwei Wochen
Zwei Wochen vor Abreise ist immer noch
nichts vom Visum zu sehen, dafür tut sich ein weiteres Problem auf: Ohne ein ärztliches Attest von
einem durch ein kanadisches Amt anerkannten
Arzt darf niemand in einem kanadischen Krankenhaus arbeiten. Die Untersuchung muss vor
Einreise stattfinden. Aber ohne ein gültiges Visum
kann die Untersuchung nicht durchgeführt werden. Marco lässt vorsorglich vom Gesundheitsamt
in Freiburg einen Tuberkulosetest durchführen,
lässt per Bluttest eine Hepatitis B-Infektion ausschließen und trägt alle Vorbefunde zusammen,
damit der autorisierte Arzt möglichst schnell das
Attest ausstellen kann, sobald das Visum vorliegt.
38
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Der Flug muss ohne das Dokument gebucht werden. Marco schreibt verzweifelt eine in drei Sprachen verfasste E-Mail mit dem Betreff „Urgent“
an das Konsulat, um nach dem Visum zu fragen.
Noch eine Woche
Eine Woche vor der geplanten Abreise trifft
endlich das Visum ein. Sofort möchte Marco einen Termin bei dem autorisierten Arzt in Freiburg
ausmachen, dieser befindet sich aber in den Sommerferien und öffnet seine Praxis erst wieder nach
der geplanten Abreise. Im Internet sucht Marco
nach einem anderen anerkannten Arzt und findet
heraus, dass der nächste in Frankfurt ansässig ist.
Noch sechs Tage
Am nächsten Tag, seinem Geburtstag, steht er
um vier Uhr morgens auf, um nach Frankfurt zu
fahren. Um acht Uhr steht er, ohne Termin, vor
der Praxis. Dort warten bereits zehn andere Personen darauf, dass die Praxis öffnet, um sich ein
Gesundheitsattest für ihr Visum ausstellen zu lassen. Marco wartet ungeduldig, bis er an der Reihe ist, und stellt sich darauf ein, am nächsten Tag
persönlich nach Wien zu fahren, um sich seine
Arbeitserlaubnis für das Krankenhaus abzuholen.
Endlich wird er ins Behandlungszimmer gerufen.
Obwohl er alle nötigen Vorbefunde mitgebracht
hat, besteht der Arzt darauf, noch einmal Blut abzunehmen. Sobald die Befunde da sind, will er diese nach Wien schicken. Marco rutscht das Herz in
die Hose, hat er doch gehofft, Frankfurt mit dem
Attest in der Tasche zu verlassen.
Noch ein Tag
Von der Arbeitserlaubnis aus Wien fehlt jede
Spur und morgen geht der Flug. Marco gibt seinem Bruder seinen Briefkastenschlüssel und bittet
ihn, am nächsten Tag seine Post durchzuschauen
und ihm die Bescheinigung, falls sie noch eintriffen sollte, als pdf-Datei auf sein Smartphone zu
schicken.
Noch zehn Stunden
Am Tag der Abreise ist immer noch keine Bescheinigung aus Wien eingetroffen. Marco fährt
vor der Abreise noch zu seinen Eltern, die an der
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
In der Pampa gestrandet?
Da hilft vor allem innere Ruhe.
Schweizer Grenze wohnen. Seine Mutter fragt, ob
er zum Mittagessen bleiben möchte. Wenn er nach
dem Essen den ICE von Basel nach Frankfurt
nimmt, hat er dort drei Stunden Zeit zum Einchecken. Das sollte reichen. Er bleibt zum Essen.
Noch sechs Stunden
Marco sitzt, ohne Arbeitserlaubnis, im ICE nach
Frankfurt. In Müllheim hält der Zug plötzlich.
Auf dem vor ihnen liegenden Gleisabschnitt gab
es einen Personenschaden. Der Medizinstudent
denkt an die Rechtsmedizinvorlesung. Was wurde
da über Personenschäden gesagt? Es wird gut zwei
Stunden dauern, bis der Unglücksort abgesichert
und fotografiert ist, bis alle Teile des Suizidenten
geborgen sind. Marco steigt mit seinem Koffer
aus dem Zug aus. Hält Ausschau nach anderen
Reisenden, die mit viel Gepäck unterwegs sind.
Fragt, ob sie auch auf dem Weg zum Flughafen
sind. Endlich findet er einen Mann, der auch nach
Frankfurt möchte. Zusammen rufen sie ein Taxi,
einigen sich mit dem Fahrer auf einen Fahrpreis
von 400 Euro.
Noch eine Stunde
Eine Stunde vor Abflug erreichen sie den Flughafen. Marco hastet zum Check-In. Gottseidank
ist die Schlange kurz. Während er auf seine Abfertigung wartet, meldet ihm sein Handy, dass er
eine E-Mail bekommen hat: Die Arbeitserlaubnis
ist da.
Beim Boarden schaut Marco auf bahn.de nach,
wo sein Zug gerade ist. Er soll in einer halben
Stunde am Frankfurter Flughafen ankommen.
Johanna Maxeiner
Basierend auf seinen Erfahrungen hat Marco
eine Checkliste für die Planung von Auslandsfamulaturen erstellt.
Interessierte finden sie zum freien Download
auf appendix.ofamed.de
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
39
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ein Herz für Kinder
Wenn der Körper über Jahre hinweg in einer Hypoxie lebt, schwellen die Endglieder der Finger an wie kleine Weintrauben. In Deutschland werden Herzfehler,
die unter anderem zu diesem Phänomen führen, in der Regel im frühen Kleinkindalter operiert. In anderen Ländern der Welt hingegen findet man die sogenannten Trommelschlegelfinger nicht nur im Innere-Buch, sondern auch auf dem
Spielplatz.
M
iguel sitzt auf seinem Bett und schaut
durch die geöffnete Tür neugierig auf
den Gang der kinderkardiologischen
Station Noeggerath. Er lächelt, als er sieht, dass
eine mit Stethoskop bewaffnete Studentin unterwegs zu seinem Zimmer ist. Nun schaut auch seine Zimmernachbarin Roxana auf und die beiden
Mütter, die mit im Zimmer wohnen, grüßen die
Eintretende mit einem Nicken. Als die Studentin
ihr Stethoskop in die Hand nimmt und den Siebenjährigen anschaut, zieht dieser sofort sein TShirt nach oben. Sie bedeutet ihm, durch den geöffneten Mund tief ein und aus zu atmen. Auch
wenn die beiden sich nur über Zeichensprache
verständigen können, arbeitet Miguel bereitwillig
Große Narbe, breites
Lächeln: Miguel ...
40
mit. Dies ist nicht die erste Untersuchung, die
hier mit ihm gemacht wird.
Station Noeggerath ist die kinderkardiologische Station der Universitätsklinik Freiburg
und Miguel und Roxana sind mit einem Herzfehler auf die Welt gekommen. Doch es ist nicht
selbstverständlich, dass die beiden hier behandelt
werden: Sie wurden in El Salvador geboren.
Angeborene Herzfehler zählen zu den häufigsten Fehlbildungen im Kindesalter. Fast jedes
hundertste Kind ist davon betroffen. Zwar sind
heutzutage die meisten Herzfehler prinzipiell therapierbar, dennoch ist die Diagnose für viele Kinder ein Todesurteil: Operationen am Herzen setzen neben gut ausgebildeten Ärzten spezialisierte
Zentren mit moderner Infrastruktur voraus, die
in vielen Ländern der Erde schlicht fehlen.
Bei Miguel und Roxana liegt ein Ventrikelseptumdefekt vor, welcher im frühen Kindesalter
entdeckt wurde. Außer einer regelmäßigen kardiologischen Kontrolle konnten die Ärzte in ihrer
Heimat jedoch nichts für die Kinder tun, da es in
ganz El Salvador kein Krankenhaus gibt, in dem
Herzoperationen durchgeführt werden können.
Der Verein Kinderherzen retten e.V. der Uniklinik Freiburg hat es sich zur Aufgabe gemacht,
Kindern wie Miguel und Roxana zu helfen. Der
Verein wurde 2002 von Prof. Dr. Dr. h.c. Friedhelm Beyersdorf, Direktor der Abteilung für
Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, gegründet. Seither können jedes
Jahr acht bis zwölf Kinder aus bisher sechzehn
verschiedenen Ländern in Freiburg operiert
werden. Zusätzlich unternimmt das Freiburger
Team aus Herzchirurgen, Kinderkardiologen,
Intensivpflege und Kardiotechnikern regelmäßig Missionsfahrten nach El Salvador und
Laos, wo während einer Woche zehn bis fünfzehn Kinder operiert und versorgt werden. Für
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
ihre Auslandseinsätze können die Freiburger
die Räumlichkeiten von Krankenhäusern in den
Zielländern nutzen, ihr Equipment müssen sie jedoch selber mitbringen, da die teuren Geräte und
Materialien vor Ort nicht vorhanden sind.
Dabei ist das Team aus Freiburg gleichwohl
auf kompetente Ärzte vor Ort angewiesen. Sie
müssen sich auf die Diagnosen der Kollegen,
die die Kinder in ihrer Heimat betreuen und für
eine Operation vorschlagen, verlassen können.
Außerdem muss die Nachsorge der Kinder gewährleistet sein, berichtet Frau Prof. Dr. Stiller,
Direktorin der Klinik für Angeborene Herzfehler in Freiburg. Trotz der sorgfältigen Auswahl
durch die Ärzte in den Partnerländern muss rund
die Hälfte der vorgeschlagenen jungen Patienten
abgelehnt werden.
Ein Geben und Nehmen
Der Verein Kinderherzen retten e.V. will Kindern mit einem relevanten Herzfehler helfen,
die ohne eine Operation das Erwachsenenalter
nicht erreichen würden. Auf der anderen Seite
dürfen die Kinder aber nur so krank sein, dass
der Herzfehler mit einer einzigen Operation geheilt werden kann, ohne Folgeoperationen oder
lebenslange Therapien mit teuren Medikamenten
nach sich zu ziehen. Junge Patienten, die diese
Kriterien nicht erfüllen, werden laut den Statuten des Vereins nicht behandelt. Viele Kinder
müssen aber letztlich nicht aus medizinischen,
sondern vielmehr aus finanziellen Gründen abgelehnt werden. Die Patenschaft für ein Kind
kostet ca. 20.000 Euro, wobei nicht nur die eigentliche Operation, sondern auch der stationäre
Aufenthalt, Diagnostik und nicht zuletzt der Flug
bezahlt werden müssen. Stünde mehr Geld zur
Verfügung, könnten deutlich mehr Herzen gerettet werden, so Frau Prof. Stiller.
Miguel und Roxana können im Februar 2013 in
Freiburg operiert werden. Beide Kinder erholen
sich rasch von der Operation an der Herz-Lungen-Maschine und bereits eine Woche nach dem
Eingriff können sie aus der Klinik entlassen werden. Um eine gute Nachsorge zu gewährleisten,
werden Miguel, Roxana und ihre Mütter noch für
eine Woche von Gastfamilien aufgenommen, ehe
die beiden strahlenden, nun gesunden Kinder
ihre Heimreise antreten.
Angesichts der beiden fröhlichen „Herzchen“
... und Roxana am Ende ihres
Klinikaufenthalts.
betont Frau Prof. Stiller, dass das Projekt kein
einseitiges Geben, sondern vielmehr ein wechselseitiges Geben und Nehmen sei. Zu Anfang sei
auf Station Noeggerath eine gewisse Skepsis angesichts der unterschiedlichen Mentalitäten und
der Verständigungsprobleme mit den Patienten
und ihren Angehörigen aus El Salvador, Irak, Syrien oder der Ukraine spürbar gewesen. Zwar sei
immer für entsprechende ehrenamtliche Dolmetscher gesorgt, diese seien jedoch nicht für jede
Untersuchung, jede pflegerische Tätigkeit und
jede Rückfrage verfügbar, was dem Team auf
Station eine gewisse Flexibilität und pantomimische Leistungen abverlange. Mit der Zeit habe
sich aber herausgestellt, dass gerade diese Situationen zusammen mit der schieren Lebensfreude,
die die ausländischen Patienten und ihre Familien
oft mit nach Deutschland brächten, den Stationsalltag unheimlich bereichern können. Und hört
man Frau Prof. Stiller über ihre Patienten erzählen gewinnt man schnell den Eindruck, dass es
keinen schöneren Lohn gibt, als bei einem Besuch in El Salvador einem gesunden, glücklichen
Kind zu begegnen, welches ihr Team vor ein paar
Jahren erfolgreich behandeln konnte.
Johanna Maxeiner
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
41
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Der Zugang zu Medikamenten,
ein Privileg des reichen Westens?
Gerecht verteilt?
Irgendwann im Laufe des Studiums steht für die meisten Medizinstudenten das
Thema Doktorarbeit an. Viele von uns werden eine experimentelle Arbeit in einem
der zahlreichen Labore der Freiburger Uniklinik beginnen, in der Hoffnung, die
Wissenschaft ein kleines Schrittchen voran zu bringen.
Doch profitieren letztlich alle Menschen auf der Welt in gleichem Maße von den
dabei gewonnenen Erkenntnissen?
E
twa zehn Millionen Menschen sterben jährlich an sogenannten Armutskrankheiten Erkrankungen, die theoretisch verhindert
werden könnten, in der aktuellen Forschung
jedoch wenig Beachtung finden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählt aktuell 14
Krankheiten zu diesen „vernachlässigten Erkrankungen“. Darunter zum Beispiel die Lepra,
diverse Wurmerkranungen und Zoonosen, die
afrikanische Schlafkrankheit und die ChagasKrankheit. Nichtregierungsorganisationen wie
Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières,
MSF) führen diese Zahlen darauf zurück, dass
ein Drittel der Weltbevölkerung keinen Zugang
zu einer ausreichenden Gesundheitsversorgung
hat, obwohl dies Teil des Menschenrechts auf
Gesundheit ist.
42
Warum kommt aktuelle Forschung den Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern
kaum zu Gute? Hierzu werden von MSF vor
allem zwei Punkte angeführt: Zum einen bestehe
eine Versogungslücke in den Entwicklungs- und
Schwellenländern. Schlechte infrastrukturelle
Voraussetzungen würden schlichtweg den Zugang zu Medikamenten verhindern. Des Weiteren spielten die Patentansprüche der westlichen
Pharmaunternehmen eine Rolle. Sie führten
dazu, dass sich die Bevölkerung Arzneimittel einfach nicht leisten könne. Aber auch Erkenntnisse
aus öffentlicher Forschung würden oft über Patente vertrieben und seien so fast unzugänglich.
Zum anderen bestehe eine Forschungslücke.
Forschung an den „vernachlässigten Krankheiten“ sei für die Pharmaindustrie meist wirt-
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
schaftlich uninteressant.
Doch es gibt Mittel und Ansätze, um diese
Missstände zu verbessern. Ein eindrückliches
historisches Fallbeispiel hat sich vor einigen Jahren an der namhaften amerikansichen University
of Yale ereignet. 1986 entdeckten Forscher dort,
dass sich das Thymidinanalogon d4T (Stavudin)
als HIV-Therapeutikum eignet und meldete ein
Patent darauf an. Die Lizenz zur Herstellung
wurde an das Pharmaunternehmen Bristol-Myers Squibb (BMS) vergeben, welches d4T einige Jahre später zur Marktreife führte. Als MSF
2001 bei der University of Yale anfragte, ob diese
eine freiwillige Lizenz auf d4T zur Herstellung
von Generika für Südafrika vergeben würde,
verwehrte die Universität die Freigabe. Sie sah
sich nach Vergabe der ausschließlichen Lizenz
an BMS weder rechtlich noch moralisch in der
Verantwortung. Durch wachsenden öffentlichen
Druck seitens Studierender und Wissenschaftler
gab BMS schließlich klein bei und unterschrieb
eine Verzichtserklärung für die südafrikanische
Exklusivlizenz. Infolgedessen konnten Millionen
Afrikaner mit modernen HIV-Medikamenten behandelt werden und auch der durchschnittliche
Preis aller HIV-Therapeutika sank in den ärmeren Ländern im Verlauf der letzten Jahre.
Das Umdenken beginnt
Ausgelöst durch dieses historische Ereignis
entstand die Organisation Universities Allied
for Essential Medicines (UAEM, siehe Kasten),
die sich mittlerweile weltweit für verbesserten
Medikamentenzugang in den ärmeren Ländern
einsetzt.
Unter dem Stichwort „Equitable Licensing“
(EL) plädieren UAEM und andere Organisationen für eine Änderung des Patentgesetzes. Die
Basis dieses Modells soll ein neues Vorgehen der
Universitäten bei der Lizenzvergabe darstellen.
In einem Vertrag sollen globale Zugangskriterien
festgelegt werden und Exklusivlizensen möglichst vermieden werden. Letztlich hätten die
Universitäten auch nach Abschluss von Lizenzverträgen noch Einfluss auf die Verwertung und
könnten auch in Entwicklungs- und Schwellenländern einen Zugang zu neu entdeckten Medikamenten garantieren.
In den Vereinigten Staaten schon an vielen Universitäten Gang und Gäbe, gibt es in
Deutschland nur wenige Fakultäten, die ein solches Vorgehen bereits etabliert haben. Als erste
deutsche Hochschule hat die Charité in Berlin
2010 beschlossen, „Forschungsergebnisse aus
Drittmitteln“ bedürftigen Menschen zuteilwerden zu lassen. Ende letzten Jahres sprach sich
die Eberhard Karls Universität Tübingen in neu
verabschiedeten Patentleitlinien für das Modell
des „Equitable Licensing“ als möglichen Umgang mit geistigem Eigentum aus. Die Universität setze damit den „Nutzen für die Gesellschaft
vor reines finanzielles Gewinnstreben“, heißt es
in den „Leitlinien zum Umgang mit geistigem Eigentum“. Damit zeigt sie mit gutem Beispiel, wie
die öffentliche Hand Verantwortung für Fortschritt in der ganzen Welt übernehmen kann.
In Freiburg ist eine solche Richtlinie derzeit in
der Entstehung. Die hiesige UAEM-Hochschulgruppe setzt sich dafür ein, auch an unserer Universität eine verantwortungsvolle Lizenzvergabe
bei der Patentverwertung vorzugeben.
UAEM
Nach der Erfolgsgeschichte an der Universität
Yale entwickelte sich ein weltweites Netzwerk
von mittlerweile über einhundert Lokalgruppen, zusammengeschlossen unter dem Dach
von Universities Allied for Essential Medicines
(UAEM).
In Deutschland wurde die Organisation 2009
ins Leben gerufen und umfasst aktuell sechs Lokalgruppen in Freiburg, München, Heidelberg,
Berlin, Leipzig und Münster. Dort kommen Studenten unterschiedlicher Fakultäten zusammen,
die sich für das Thema „gerechter Medikamentenzugang“ interessieren.
Die Freiburger Gruppe trifft sich jeden Mittwoch
um 19 Uhr in der Alten Pharmazie und freut sich
über Zuwachs.
Veranstaltungshinweis
Im Rahmen des diesjährig in Freiburg stattfindendem UAEM-Deutschlandtreffens wird es
voraussichtlich am 01. Juni 2013 eine Podiumsdiskussion über EL geben, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind.
Weitere Informationen
www.uaem-germany.de.
www.essentialmedicine.org
www.med4all.org
Sebastian Wohlfeil
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Bakterien mit Bananengeruch, Hefen als Medikamentenfabrik, biologische Arsendetektoren oder Petrischalen, auf denen Kolonien in allen Regenbogenfarben
wachsen – in der synthetischen Biologie finden sich neben komplizierten Molekülen viele erstaunliche Ergebnisse und lustige Ideen. Auch neue Methoden zur
DNA-Modifikation oder dem Genomtransfer gehören dazu.
Dass kreative Forschung nicht nur etwas für weißhaarige Herren kurz vor dem
Nobelpreis ist, zeigt der Wettbewerb iGEM, an welchem auch ein Team der Uni
Freiburg 2012 erfolgreich teilgenommen hat.
A fabulous TALE...
Echte Laborarbeit ist etwas völlig
anderes als das Biochemiepraktikum.
44
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
F
reiwillig Zeit im Labor zu verbringen,
ohne dabei Geld zu verdienen oder auf
eine Doktorarbeit hinzuarbeiten? Nächtelang Papers zu lesen und sich den Wecker nach
dem Rhythmus der Versuchsansätze zu stellen,
während sich andere abends in Kneipen treffen
oder am See auf der Wiese liegen? Eine Gruppe
von 15 Freiburger Studenten der Biologie, Medizin und Molekularen Medizin hat ab November
2011 fast ein Jahr lang Studium und Freizeit hintangestellt und sich stattdessen mit der Synthese
von sogenannten TAL-Proteinen beschäftigt. Sie
nahmen damit Teil an iGEM (international genetically engineered machine competition), einem
internationalen Wettbewerb für synthethische Biologie, ausgerichtet vom Massachusetts Institute
of Technology (MIT) in Boston.
Seit knapp zehn Jahren nun schon gibt es den
Wettbewerb des MIT, an dem „undergraduate
students“, also Studenten im Grundstudium, aus
aller Welt teilnehmen können. Als Preise winken
Gold-, Silber- und Bronzemedaillen in über 20
Kategorien sowie verschiedene Auszeichnungen,
zum Beispiel für das beste medizinische Projekt
oder die Verbesserung der Biosicherheit. Geldoder Sachpreise gibt es nicht, das Interesse an der
Wissenschaft sowie der Spaß am selbstständigen
Forschen sollen im Vordergrund stehen.
Und iGEM boomt: Angefangen mit vier
Gruppen im Jahr 2004 wuchs die Zahl der konkurrierenden Teams auf knapp 200 im letzten
Jahr. Darüber hinaus werden auch die Projekte
anspruchsvoller. Während es zu Anfang darum
ging, Bakterien zum Blinken zu bringen, stehen
heute zunehmend konkrete Anwendungen, etwa
in Medizin oder Umweltschutz, im Vordergrund.
Aber wie denkt man sich ein Forschungsprojekt aus, wenn man noch nie selbstständig im
Labor gearbeitet hat? Dafür haben die Studenten
zunächst ein Semester lang wissenschaftliche Artikel gelesen, in gemeinsamen Sitzungen Ideen
entwickelt und viele wieder verworfen. Herausforderung des Projektes war der schmale Grad
zwischen Machbarkeit und Originalität; die
Entscheidung viel schließlich auf die Entwicklung einer neuen Methode zur Herstellung von
Transactivator-like effectors, kurz TALEs. Dabei
handelt es sich um 2009 entdeckte molekulare
Werkzeuge, durch die mit hoher Effizienz Genommodifikationen (zum Beispiel Knock-outs
oder Knock-ins) vorgenommen werden können.
Da sie sehr gezielt an eine bestimmte DNA-Sequenz binden, besteht in der synthetischen Biologie eine starke Nachfrage nach den TALEs.
Das Problem ist bisher die Herstellung, welche
sehr zeitaufwendig und mit etwa 6000 US Doller pro Effektor relativ teuer ist. Die Freiburger
Studenten hatten es sich zum Ziel gesetzt, ein
Synthese-Kit für TALEs herzustellen, womit theoretisch jedes Kind diese in wenigen Schritten innerhalb eines Nachmittages selbst nach Wunsch
zusammenbauen kann.
Forschung selbst gemacht
Anders als zum Beispiel im Rahmen einer Doktorarbeit entwickeln die Studenten bei iGEM ihr
Projekt komplett selbst. Zwar sind zwei postgraduierte Betreuer pro Team vorgeschrieben, doch
kommt diesen eher eine anleitende und beratende
Funktion zu. Es geht eben gerade nicht darum,
in einer bereits bestehenden Arbeitsgruppe ein
Teilprojekt zu übernehmen, sondern sich selbst
Gedanken über eine gute Idee und ihre Umsetzbarkeit zu machen.
Das ganze wirkt wie eine Art Jugend forscht
auf universitärem Niveau, ist aber deutlich mehr
Arbeit. iGEM stellt den Teams sogenannte Bio-
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Bricks („DNA-Stückchen“) als Grundlage zur
Verfügung, um weitere Materialien und vor allem
um ein Labor müssen sich die Gruppen theoretisch selbst kümmern. Im Regelfall erledigen dies
die entsenden Universitäten, haben sie doch ein
Interesse daran, dass ihr Team gut ausgestattet ist
und unter bestmöglichen Bedingungen gute Ergebnisse erzielen kann.
Mehr als reine Laborarbeit
In der Vergangenheit hatten Gruppen der Uni
Freiburg bereits an iGEM teilgenommen, der
damalige Betreuer und Verantwortliche hatte inzwischen jedoch in eine andere Stadt gewechselt.
Dass die Uni Freiburg auch 2012 mit einem Team
ins Rennen ging, liegt vor allem an dem großen
Engagement von Nicolas Wyvekens, Medizinstudent aus dem inzwischen achten Semester. „Das
großartige an iGEM ist die enorme Freiheit, ein
Forschungsprojekt in Eigenverantwortung zu
planen und selbstständig im Labor umzusetzen
- wann bekommt man als Student sonst so eine
Möglichkeit?“, sagt der Gründer und Leiter von
„freiGEM 2012“.
Während die Gruppen vieler anderer Universitäten häufig einen ganzen Stab an Professoren
im Rücken haben, war das diesjährige Team aus
Freiburg auf sich allein gestellt. Das bedeutete
nicht nur, dass die Studenten ihr Projekt selbstständig planen, sondern sich zudem auch um Labor, Sponsoren und die Organisation der Reisen
zu den iGEM-Kongressen kümmern mussten.
Ohne Sponsoren ist eine Teilnahme an iGEM
fast nicht möglich, alleine die Teilnahmegebühr
bewegt sich im vierstelligen Bereich, ganz zu
schweigen von den laufenden Kosten der Labor-
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
arbeit. Glücklicherweise wurde das Team finanziell sehr großzügig von dem Freiburger Exzellenzkluster BIOSS, der Medizinischen Fakultät sowie
Sponsoren aus der Privatwirtschaft unterstützt.
Die Veranstalter von iGEM setzen allerdings
noch mehr voraus als die bloße Lust an experimenteller Forschung. Mit spürbar amerikanischem Geist liest man in den Teilnahmebedingungen, „all participants are required to work
hard to build positive contributions to society
and have lots of fun!“. Ein „positiver Beitrag
zum Gemeinwesen“ - die Jungforscher sollen
also nicht nur im Labor über wilden Ideen brüten, sondern ihr Wissen zum Beispiel an Schüler
weitergeben und der Öffentlichkeit zugänglich
machen.
Des Weiteren sollen die Teilnehmer sich mit
Biosicherheit und den ethischen Aspekten der
Molekularbiologie auseinander setzen. Dem MIT
geht es in ihrem Wettbewerb darum, die Ideen
und Perspektiven synthetischer Biologie publik
zu machen sowie positive Resonanz und Enthusiasmus zu wecken; dies erwarten sie ganz selbstverständlich auch von den Teilnehmern.
Alles in allem eine Menge Organisations- und
Arbeitsaufwand, die sich aber gelohnt hat. Auch
wenn man im Biochemiepraktikum schon einmal
einen Westernblot gefahren oder DNA extrahiert
hat - auf eigene Faust und in der „echten Welt“
ist Laborarbeit ein ganz anderes paar Schuhe.
„Wir sind sehr zufrieden mit unserem Ergebnis“, sagt Nicolas, „Allerdings war der Weg dahin nicht einfach und hat uns viele lange Nächte
gekostet.“ Tatsächlich ist der „DNA-Baukasten“
für TALEs erst drei Tage vor Abgabeschluss fertig geworden - in der experimentellen Forschung
lässt sich vieles eben nicht minutiös vorausplanen, oft hängt es vom Zufall ab.
Goldmedaille in Europa
Anfang Oktober 2012 ging es dann zum „Europe Jamboree“ nach Amsterdam. Dort konnten
die Freiburger Studenten, wie es im Wissenschaftsbetrieb so üblich ist, ihre Ergebnisse in
Vorträgen und Poster-Präsentationen der internationalen Jury aus Forschern und Universitätsprofessoren vorstellen - mit Erfolg: Sie haben
sich nicht nur für den World Championship in
Boston qualifiziert, sondern zusätzlich den Sonderpreis für das beste genetische Konstrukt aus
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Für iGEM standen die Studenten
auch nachts an der Laborbank.
Europa (Best new biobrick, engineered) gewonnen.
Der World Championship im November 2013
war die Krönung der iGEM-Erfahrung. Noch
etwas müde vom Jetlag hatten die Freiburger
Studenten die Gelegenheit, ihr Projekt den Koryphäen der synthetischen Biologie im berühmten
Stata Center des MIT zu präsentieren. Konkurrenten waren diesmal nicht mehr etwa Tübingen
und Bordeaux, sondern Gruppen aus namhaften
Universitäten wie Tokyo, Stanford und Berkeley.
Doch auch unter der Weltspitze konnten sich die
Freiburger behaupten: Ausgezeichnet als eines
der besten 15 Teams können sie zu Recht stolz
auf ihre Arbeit sein.
Und hinterher? Nach der Rückkehr aus den
USA in den Schwarzwald war der enorme Druck
erst einmal weg und die Freude groß. Dennoch
musste ein Teil des Teams noch einmal für einige
Monate zurück an die Laborbank. Manche Versuche mussten wiederholt, Arbeitsschritte vervollständigt und gerade in der Schlussphase vor
allem die Motivation aufrecht erhalten werden.
Auch wenn alle mit großem Enthusiasmus dabei
waren, vor Frustration, wenn die x-te Klonierung
nicht klappt, ist niemand gefeit.
Inzwischen sind die TALE-Synthese-Kits bereits in einigen Laboren im Einsatz, sowohl in
Freiburg als auf internationaler Ebene. In Zukunft sollen sie über eine sogenante Open Source-Plattform zum Selbstkostenpreis vertreiben
werden.
Auch im nächsten Jahr wird Freiburg bei
iGEM vertreten sein, das Team 2013 hat sich bereits in die Arbeit gestürzt. Es ist ihnen zu wünschen, dass sie erfolgreich in die Fußstapfen ihrer
Vorgänger treten.
Lena Lippert
Weitere Informationen finden sich auf der offiziellen Homepage unter http://igem.org.
Alle Details zum Freiburger iGEM-Projekt 2012
unter http://2012.igem.org/Team:Freiburg.
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Stipendium verpflichtet
Auf den Medizinermangel reagieren einige Bundesländer, Berufsstände und Kliniken mit attraktiven Angeboten für Medizinstudenten: Wer sich zum Beispiel dazu
verpflichtet, Hausarzt in Sachsen, Psychiater an einer ZfP-Klinik oder Assistenzarzt
in Emden zu werden, qualifiziert sich für ein schickes monatliches Stipendium, das
ganze Studium hindurch.
I
m Mai letzten Jahres war die Aufregung an
deutschen Mediziner-Unis groß: Im Bundesrat wurde über die Änderung der Approbationsordnung entschieden. Anlass zur Empörung,
vor allem unter Studenten, war der Plan, einen
Teil des PJs pflichtmäßig zu einem Hausarzttertial zu machen. Eigentlich hielt das niemand
(nicht einmal alle Hausärzte) für eine tolle Idee,
der Protest war groß, und letzlich wurde das Vorhaben auch wieder verworfen. Das dritte Tertial
im PJ ist nach wie vor ein Wahltertial.
Doch egal wie laut geschrien und demonstriert
wurde - wirklich darüber gewundert, dass der Beruf des Hausarztes Nachwuchs braucht, hat sich
niemand.
Suche nach dem Nachwuchs
Die Kassenärztliche Vereinigung des Landes
Sachsen hat sich nun etwas Neues ausgedacht,
um ihrem Versorgungsauftrag nachzukommen
und junge Nachwuchs-Allgemeinmediziner früh
an sich zu binden: das Programm Studienbeihilfe.
Dieses Programm ist ein Angebot an Medizinstudenten ab dem ersten klinischen Semester.
Bis zu vier Jahre lang bekommt ein Student monatlich 300 bis 600 Euro, sofern er sich im Gegenzug dazu verpflichtet, sich nach bestandenem
Examen zum Allgemeinmediziner ausbilden zu
lassen und im Anschluss daran mindestens vier
Jahre lange als Hausarzt in einem festgelegten
Gebiet in Sachsen zu arbeiten. Wo genau der
verpflichtete Stipendiant landen wird, schreibt
die KV vor. Im Vertrag heißt es trocken „unterdurchschnittlich versorgte Planungsbereiche".
Lockt man so potenzielle Hausärzte an? Vielleicht.
In diesem Programm treffen sich Nachfrage
und Angebot: Die Kassenärztliche Vereinigung
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braucht Nachwuchs, der Nachwuchs braucht
Geld. Wer nicht von Mutter und Vater unterstützt wird, muss sich während seines Studiums
mit Nebenjob, BAföG oder Studentenkredit
über Wasser halten.
Landarzt aus Geldnot?
Das ist doch etwas Neues: Sich zur Studienfinanzierung nicht an einen Studentenkredit zu
ketten, sondern an eine Verpflichtung. Wobei
diese Verpflichtung sogar ein bisschen an einen
Kredit erinnert. Die Bedingungen für die Studienbeihilfe, die im Internetauftritt der KV Sachsen erläutert werden, klingen streng, nach Beamtendeutsch. Die hausärztliche Tätigkeit wird als
„wirtschaftlicher Gegenwert" zur finanziellen
Unterstützung bezeichnet, welche, sollte der Vertrag nicht erfüllt werden, verzinst zurückgezahlt
werden muss.
Auch das Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg (ZfP) sucht Nachwuchs und bietet eine
monatliche Unterstützung von 600 Euro für Medizinstudenten im klinischen Studienabschnitt
an. Bedingung: Nach dem Examen lässt man sich
mindestens fünf Jahre lang an einer der Kliniken
des ZfP zum Facharzt der Psychiatrie, Psychotherapie oder Psychosomatik ausbilden, wobei
der Klinikstandort im ersten Jahr vorgegeben
wird.
Anders als die KV nennt das ZfP sein Programm Stipendium - und als solches versteht
man es dort auch. Seit vier Jahren gibt es das
Projekt. „Ursprüngliches Motiv war, Medizinstudenten früh an das Fach Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik heranzuführen",
erzählt Professor Dr. Paul-Otto Schmidt-Michel,
der ärztliche Direktor des ZfP Südwürttemberg,
„in dem Sinne, dass sie sich bereits während des
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Eiskalte Begrüßung
oder angenehme Bad
wannentemperaturen?
Medizinerstipendien - echte Chance
oder Notlösung bei leerer Kasse?.
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Studiums, welches ja eher somatisch ausgerichtet
ist, mit dem Fach beschäftigen, eventuell bei uns
famulieren oder eine Dissertation in diesem Bereich anfertigen". Mittlerweile würde jedoch der
Ärztemangel deutlich und so sei das Stipendium
inzwischen auch ein Mittel geworden, um Nachwuchs zu gewinnen.
Um die Förderung zu erhalten, wird zunächst
ein Vorstellungsgespräch geführt, in dem es den
Schirmherren vor allem auf die Motivation ankommt, sich in das Fach hineinzuarbeiten.
Prüfe, wer sich ewig bindet
Und ja, auch hier muss eine Abmachung erfüllt
werden. „Zirka zehn Prozent der Stipendiaten
treten die Facharztausbildung nicht an, in der Regel deshalb, weil sich der Berufswunsch geändert
hat", räumt Schmidt-Michel ein. In diesem Fall
muss das Stipendium zurückgezahlt werden, allerdings zinslos, auch wenn das ZfP in einer Werbebroschüre sehr charmant betont, dass sie das
„nicht so gerne möchten".
Doch was folgt auf die Verheißung? Läuft es
darauf hinaus, dass abgebrannte Studenten quasi
erpresst werden, sich in diesem oder jenem Fach
ausbilden zu lassen?
Ehrlicherweise muss man sagen: Jemand, der
kein Allgemeinmediziner oder Psychiater werden
wollte, wird sich nicht wegen einer Studienbeihil-
Würde sie gegen Geld nach Sachsen gehen?
50
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
fe oder eines Stipendiums für die entsprechende
Facharztausbildung entscheiden. Jedoch durchaus vorstellbar ist, dass tatsächlich ein paar Willige in unterversorgten Planungsbereich oder in
die entsprechende Klinik gelockt werden.
Und natürlich ist nicht für jeden Studenten ein
solches Stipendium eine Option. Es kann durchaus abschrecken, sich schon so früh während des
Studiums auf sein Berufsziel festlegen zu müssen, anstatt bis zuletzt flexibel und unabhängig
zu bleiben. Andere finden vielleicht gerade das
toll: Genau zu wissen, dass sie nach dem Examen
sofort einen Job haben werden. Und wieder andere betrifft all das überhaupt nicht, weil es ihr
Herzenswunsch ist, plastischer Chirurg in München zu werden, wofür ihnen leider niemand ein
Stipendium anbieten möchte.
Doch es gibt eben auch diejenigen, für die so
ein Angebot wie die Faust aufs Auge passt, für
die sich dadurch die Chance bietet, ohne lästigen
Nebenjob durchs Studium zu kommen und
schließlich in ihrem Traumberuf zu landen.
Weißkittel an der Nordsee
Probleme mit dem unattraktiven Standort
kennt man nicht nur in Sachsen. Emden liegt auf
der Landkarte oben links, so weit im Nordwesten
Deutschlands, dass es fast schon Holland ist. Die
ostfriesische Kleinstadt befindet sich zwar direkt
an der Emsmündung in die Nordsee, doch trotz
Wattenmeer, Dünen und „Arbeiten, wo andere
Urlaub machen" scheint sie nicht der beliebteste
Ort für junge Uni-Absolventen zu sein. So bietet
auch das Klinikum Emden ein Stipendium zur
Gewinnung von fähigem ärztlichen Nachwuchs
an, die Konditionen ähneln den oben genannten.
Flexibler ist der Stipendiat allerdings in der Wahl
des Faches: Ein Emder Assistenzarzt hat die
Wahl zwischen neun verschiedenen Facharztrichtungen, in denen er sich in den ersten drei Jahren
nach seinem Examen versuchen soll.
Im Gegensatz zu den anderen Stipendien
springt sofort ins Auge, dass Aus- und Weiterbildung groß auf die Fahnen geschrieben stehen. Schon während einer Famulatur in Emden
kommt man in den Genuss eines koordinierten
und abwechslungsreichen Angebots an Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen. Auch
die Zulassung zum Stipendienprogramm erfordert, dass man wenigstens eine Famulatur vor
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Ort abgeleistet hat und vom Chefarzt positiv beurteilt wurde. Das hört sich zumindest nach einer
sorgfältigeren Auslese der zukünftigen Kollegen
an als im Studienbeihilfeprogramm in Sachsen,
wo die Studenten nach dem Wer-zuerst-kommtmahlt-zuerst-Prinzip ausgewählt werden.
Das Gefühl, dass hier nicht nur dem Student,
sondern auch dem späteren Arzt einiges geboten
wird, verhärtet sich beim Blick auf die Zusatzleistungen: Kinderbetreuung, die Möglichkeit zur
Teilzeitarbeit, elektronische Dienstzeiterfassung
mit Überstunden-Freizeitausgleich beziehungsweise -abgeltung, finanzielle Unterstützung beim
Umzug: Der potentielle Arbeitnehmer wird richtiggehend umworben.
Jungärzte mit Ansprüchen
Immer häufiger stolpert man in letzter Zeit
über solche Angebote: Die Kliniken sehen sich
mehr und mehr in der Pflicht, ihren Jung-Ärzten
etwas zu bieten, sich ihnen gut zu verkaufen. In
der Wirtschaft ist dieser Trend längst angekommen; schon seit Jahren berichten uns Soziologen
über die Emanzipation der jungen Leute von der
Generation Praktikum. Die neue Generation,
unsere Generation, ist die sogenannte Generation Y. Wie das Magazin Der Spiegel sie charakterisiert, ist sie „qualifiziert, selbstbewusst und
extrem anspruchsvoll", sie erwartet „spannende
Projekte, gute Gehälter, schnelle Aufstiegswege".
Sicherlich lassen sich manche Aspekte dieser
Beschreibung nicht auf die Arbeit im Gesundheitssystem übertragen, doch zumindest dieser:
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer etwas bieten. Denn Medizinabsolventen können
zurzeit oft deutlich größeren Einfluss auf ihren
Arbeitsverträge nehmen, als dies früher der Fall
war. Sie, oder besser gesagt, wir sind mindestens
so heißbegehrt wie hübsche Ingenieure oder
fünfsprachige Betriebswirtschaftler. Von so einer Position aus darf man sich trauen, an seinen
Arbeitgeber Forderungen zu stellen - vielleicht
schon während des Studiums oder eben dann
als fertiger Arzt. Das Klinikum Emden gibt einen Einblick, wie solche Arbeitsplätze aussehen
könnten: Überstundenausgleich, Teilzeitstellen,
Kinderbetreuung.
Doch das Abfangen der Studenten noch während des Studiums sollte nicht als „Verzweiflungstat” unbeliebter Standorte angesehen wer-
Beliebte Metropolen
Am attraktivsten als zukünftiger Arbeitsplatz
sind Süddeutschland und Nordrhein-Westfalen;
Großstädte stehen ebenfalls ganz oben auf der
Liste. Unbeliebt sind ländliche Gegenden (Orte
unter 5000 Einwohner). Nur für 16 Prozent der
Studenten wäre es eine Option, sich auf dem
Land niederzulassen.
Immer weniger Hausärzte
Bundesweit sind mehr als 15 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre, in den Neuen Bundesländern teilweise sogar fast 28 Prozent. Eine Prognose besagt, dass es im Jahr 2020 etwa 7000
Hausärzte weniger geben wird als 2010, dafür
aber etwa 11.000 andere Fachärzte mehr.
Auch in der Psychiatrie fehlt Nachwuchs
Zwei Drittel der psychiatrischen Fachkliniken haben Probleme damit, Stellen im ärztlichen Dienst
zu besetzen. Von den psychiatrischen Fachabteilungen von Allgemeinkrankenhäusern leiden sogar 61 Prozent unter Ärztemangel.
Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung
den. Die frühe Entscheidung zu Standort und /
oder Fachrichtung kann ein echte Qualitätssteigerung des Studiums bedeutet. Schon jetzt ist
deutlich, dass Arbeitgeber beginnen, mit attraktiven Angeboten um Ärzte zu buhlen. Einige Stipendienanbieter fördern bereits die Einarbeitung
in den späteren Berufsstand und die Eingliederung in den zukünftigen Arbeitsplatz.
Ein weiterer Schritt könnte sein, dass die Anbieter der Stipendien ihre Angebotsvielfalt vergrößern, mehr Praxisbezug durch Schnuppertage
oder Famulaturen schaffen, Fortbildungen oder
praktischen Kurse anbieten. Es könnte ein Modell wie die Duale Hochschule entstehen, von
dem Arbeitgeber und Studenten gleichermaßen
profitieren.
Vielleicht sind Stipendien und individuelle Studienbeihilfen nur eine Modeerscheinung, vielleicht sind sie aber auch Ausdruck eines neuen
Trends. Einer neuen Generation von Ärzten,
die wissen, was sie dem Krankenhaus wert sein
sollten und das auch einfordern. Mediziner Y.
Rebecca Eisele
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
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Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Anzeige
„Geld sollte nicht die
einzige Motivation sein“
Wieso entscheidet man sich für ein Stipendium, für das man einen Arbeitsvertrag unterschreiben und dabei großen einen Teil an Flexibilität aufgeben muss?
Und klappt am Ende auch alles, wie vor Eingang der ersten Zahlung verheißen?
Wir trafen eine Stipendiatin des ZfP Weissenau zum Gespräch.
Zu Beginn des PJs wusste ich noch nicht genau, welche Fachrichtung ich später einmal machen wollte. Ich liebäugelte mit Allgemeinmedizin, Anästhesie oder Innere. Dann hörte ich von
der Psychiatrie in Weissenau: Anders als in den
meisten anderen Krankenhäuser damals, bekam
man dort während des PJs ein Gehalt von 1000
Euro im Monat angeboten. So leistete ich mein
erstes Tertial in Weissenau ab - schließlich sind
Psychiatrie beziehungsweise die Psyche enorm
wichtig und psychiatrischen Krankheitsbildern
begegnet man auch in jeder anderen Disziplin.
In Weissenau erfuhr ich dann von dem Stipendium. Zwei Kommilitonen von mir hatten auch
Interesse daran und nach einem informellen Bewerbungsgespräch mit Herrn Schmidt-Michel
stand die Vereinbarung: Für die nächsten elf Monate bis zum Examen bekam ich die 400 Euro
im Monat, im Gegenzug habe ich mich dazu verpflichtet, nach dem Examen als Assitenzärztin in
der Psychiatrie anzufangen.
Manchmal hat es sich langweilig angefühlt,
dass mein Weg so vorgebahnt war. Aber spätestens während der Examensvorbereitung und
nach dem Examen war ich vor allem froh darüber, dass ich keinen Stress mit Bewerbungsfotos
und Vorstellungsgesprächen hatte. Ich hatte von
vornherein zur Bedingung gemacht, dass ich gerne in die Klinik in Weissenau wollte, sodass es
auch keine Probleme mit der Standortauswahl
gab.
Doch natürlich gab es auch Phasen, während
derer ich mir überlegte, die Vereinbarung aufzulösen und das Stipendium abzubrechen. Ich
war in das Ganze ein bisschen hineingerutscht,
manchmal fühlte ich mich so, als würde ich meine
52
Seele verkaufen. Allerdings lief mein Stipendium
ja auch nur elf Monate und war deshalb etwas
überschaubarer als etwa bei Studenten, bei denen
die Vereinbarung seit dem Physikum besteht.
Als ich dann fest in der Klinik zu arbeiten anfing, wurde ich in vielerlei Hinsicht positiv überrascht: Es gibt hier sehr angenehme Arbeitsbedingungen, flache Hierarchien und immer ein
offenes Ohr. Allerdings bemerkt man auch den
Ärztemangel und dass die Klinikleitung sich bemüht, den Ärzten entgegenzukommen und arbeitnehmerfreundlich zu sein.
Ich überlege mir, ob ich nach Ablauf der fünf
Jahre das Fach wechseln und vielleicht doch noch
Innere machen sollte, das ist irgendwie ein „medizinischeres“ Fach. Andererseits bin ich hier
mittlerweile „angekommen“, mal sehen, ob ich
wirklich noch einmal wechsle. Außerdem sind
die Arbeitsbedingungen in der Psychiatrie sehr
flexibel, man kann Wochenenddiesten entgehen,
wenn man mehr Dienste unter der Woche und
nachts macht - aus der Inneren hört man da ganz
anderes.
Mittlerweile ist das Stipendium unter Studenten bekannter als zu meiner Zeit; die meisten
aktuellen Stipendiaten sind solche, die schon
immer in die Psychiatrie wollten, einige machen
auch ihre Dissertation bereits hier.
Ich empfehle das Stipendium des ZfP auf jeden Fall weiter. Allerdings sollte das Geld nicht
die einzige Motivation sein, denn damit ist man
zum Scheitern verurteilt.
Protokoll: Rebecca Eisele
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
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Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
53
Sinnvoll investiert?
Sinnvoll investiert?
Lernstoff auf die Ohren
noch ein bisschen Lernstoff anhören kann“ fügt
sie hinzu. In diesen „mobilen“ Situationen sei das
Smartphone sowieso immer dabei.
Das Vorhaben der beiden ehemaligen Freiburger ist geglückt: Das meditorium gibt es seit einigen Monaten zum studentenfreundlichen Preis
im App Store zum Download - allerdings nur für
Besitzer von Geräten mit dem kleinen Apfel. Im
iTunes-Store und bei facebook kann sich aber
jeder zur Probe kostenlos ein Kapitel anhören
kann.
Von der Idee zur App
Der eine brütet über Büchern,
andere chillen mit dem meditorium.
Das Wort Staatsexamen löst quasi schon bei Erstsemestern Panik aus. Wie soll
man den Riesenhaufen Lernstoff bloß ins Köpfchen hämmern? Neben dicken
Wälzern, Karteikarten-Wust und Kreuz-Orgien können Prüflinge sich nun auch mit
der App „meditorium“ auf die M2 vorbereiten. In kurzen Podcasts erklären darin
zwei junge Ärzte die wichtigsten Themen der Inneren Medizin.
W
ährend der Examensvorbereitung
nahm der Freiburg Medizinstudent
Lukas Graaf zum schnellen Wiederholen alle Themen für das Fach Innere Medizin als
Podcast auf. Seine Kommilitonin Siobhán Ewert
nutzte diese während der eigenen Examensvorbereitung und war begeistert. Schnell waren sich
die beiden einig, dass man diese Idee weiter ausbauen könnte. Die beiden stellten fest, dass in der
Mediziner-Lernlandschaft eine Lernhilfe fehlte,
die das prüfungsrelevante Wissen kurz, knackig
und trotzdem verständlich präsentierte.
Gleich nach dem bestandenen Examen begannen die beiden frischgebackenen Ärzte, für das
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Fach Innere Medizin gezielt strukturierte Podcasts aufzunehmen. Der Plan: Das meditorium
sollte bald als App für alle iStudenten verfügbar
sein. „Eine App bietet viele Vorteile. Man muss
sich nicht mit einem dicken Wälzer irgendwo
hinsetzen und diesen durcharbeiten, sondern
kann sich den Lernstoff quasi überall und jederzeit aneignen. Wir wollten gerne ein Lerntool mit
den Funktionen entwickeln, die wir in unserer
Examenszeit selbst gerne gehabt hätten und die
uns das Lernen erleichtert hätten“, erklärt Siobhán. „Außerdem soll unsere App die Effizienz
beim Lernen steigern, indem man sich beim
Fahrradfahren oder in der Badewanne entspannt
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Um die App zu vermarkten, gründeteten Felix
und Siobhán im August letzten Jahres eine echte
kleine Unternehmergesellschaft. Mittlerweile
gehören zum meditorium-Team auch ein iOSEntwickler, ein Android-Entwickler und ein Programmierer, der sich um die gesamte Pflege der
Datenbanken kümmert. Zusätzlich werden die
Jungmediziner inzwischen von vielen fleißigen
Helfern unterstützt, die freiwillig ihr jeweiliges
Lieblingsfach einsprechen möchten - denn das
meditorium soll noch um andere Fachgebiete
erweitert werden. Das Team hofft, diese bald in
Form von komprimierten, examensrelevanten
und trotzdem verständlichen Podcasts anbieten
zu können.
Und in Zukunft?
Ziel der meditorium-Macher ist erst einmal, alle
examensrelevanten Themen der Inneren Medizin
fertig zu stellen. Allerdings sei das neben dem Job
gar nicht so leicht , erzählt Siobhán. Zudem arbeite man gerade daran, eine Android-Version des
meditoriums zu entwickeln. Schließlich soll dieses
Angebot nicht nur einem kleinen Prozentsatz an
Studenten zukommen, sondern möglichst vielen
Examenskandidaten dabei helfen, sich effizient
auf die letzte Hürde des Studiums vorzubereiten.
Das meditorium-Team freut sich hierbei auch über
Rückmeldungen von Nutzern ihrer App, um
ihr Produkt weiterhin zu verbessern. Motivierte
Mitstreiter für das Team sind ebenfalls herzlich
willkommen!
Mal sehen, wie lange es dauern wird, bis wir
uns im Weismannsaal neben Büchern und Skripten auch Kopfhörer werden ausleihen können.
Anne Büttner
„Ideal für zwischendurch“
Vor dem Hammerexamen stehen noch viele andere Dinge an. Wie lernt es sich mit dem meditorium zum
Beispiel auf die Freiburger Innere-Klausur? Appendix-Redakteurin Insa hat den Test gemacht:
Ich habe mich mit Hilfe der App auf die Innere-Klausur vorbereitet. Diese bildete den krönenden Abschluss eines Klausur-Marathons von insgesamt sieben Prüfungen in zwei Wochen. Zwar hatte ich recht
pünktlich mit dem Innere-Lernen begonnen, doch während der letzten drei Wochen vor der Klausur war
ich voll mit Ortho, Chirurgie und Konsorten beschäftigt. Hier half mir die App besonders: Beim Zähne putzen, auf dem Weg zur Lerngruppe oder beim Einkaufen frischte ich noch einmal schnell meine Kenntnisse
über Leberzirrhose oder Tuberkulose auf, um mich danach wieder Knochentumoren und Schulterarthrose
zu widmen. Ich hatte das Gefühl, mein Wissen über die Innere-Zwangslernpause hinweg besser konserviert zu haben.
Die App eignet sich meiner Meinung nach weniger dazu, etwas neu zu lernen, sondern viel eher, um das
Gelernte entspannt noch einmal erzählt zu bekommen. Ich bin begeistert davon, höre jetzt auch manchmal aus Spaß einen Podcast an und kann das meditorium jedem nur empfehlen!
Insa Schiffmann
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
55
Sinnvoll investiert?
Schöner Lernen
M. Schünke, E. Schulte, U. Schumacher: PROMETHEUS LernPaket
Anatomie: LernAtlas Anatomie. 3.
Auflage, Thieme, 2012. Preis: 169
Euro (einzeln: 54,99 - 74,99 Euro)
Ein Anatomieatlas soll dem
Medizinstudenten eine präzise und umfassende Kenntnis
der menschlichen Anatomie
vermitteln. Die Schwierigkeit
besteht darin, Schwerpunkte
zu setzen und eine sinnvolle
Stoffauswahl wiederzugeben,
die einerseits auf die vorklinischen Prüfungen, andererseits aber auch auf das spätere Arbeitsleben vorbereitet.
Das Motto „Schöner Lernen“ erschließt sich sofort:
Ein übersichtliches Layout
lässt viel Platz für große Bilder und einen kurzen Begleittext. Dafür ist der Prometheus aber auch deutlich
umfangreicher und größer als
der Sobotta und dementsprechend teurer: Den Sobotta
gibt es schon für 110 Euro.
Logischerweise passt der Prometheus leider nicht so einfach in jede Tasche und kann
einer Studentin beim Heimweg vom Präppen an einem
56
Sinnvoll investiert?
dunklen Wintertag durchaus
als Selbstverteidigungswaffe
dienen. Die Gliederung folgt
dem gängigen Lehrplan: Erst
die Knochen, Bänder und
Gelenke, dann die Muskulatur und die Leitungsbahnen,
letztere jeweils unterteilt in
Systematik und Topographie.
Zuerst immer ein Überblick
über das Thema, dann die
Details. Die meisten Abbildungen sind selbsterklärend,
ansonsten helfen die Texte
aus. Vor allem für Studenten
mit sehr gutem räumlichen
Vorstellungsvermögen, die
lieber durch Bilder verstehen
wollen, als Texte in einem
Lehrbuch zu lesen, ist der
Prometheus ein Schatz. Die
Zeichnungen aus vielen verschiedenen Blickwinkeln und
Präparationstiefen erleichtern
das Verstehen sehr.
Seinem Anspruch getreu,
ein „Lern-Atlas“ mit nachhaltigem Lerneffekt zu sein,
enthält der Prometheus viele
Beispiele und Befundbilder
aus dem klinischen Alltag. Tabellen und Schemata helfen,
bei der Detailfülle dennoch
den Überblick zu bewahren
und oft reichen die Informationen des Atlas’ aus, um die
Testate im Präpkurs sicher
zu bestehen. Ein weiterer
praktischer Vorteil: Fast alle
haben ihn und man muss
Seitenangaben auf Handouts
nicht mühsam auf das eigene
Exemplar übertragen.
Allgemein kann man sagen,
dass die Unterschiede zwischen erster und zweiter Auflage weniger im Layout oder
den anatomischen Aussagen
liegen. Vielmehr wurde der
Stoff neu gegliedert und einige Themen ergänzt oder neu
appendix .ofamed.de |Frühling 2013
hinzugefügt. Der Hals wurde
von den Inneren Organen zu
Kopf und ZNS gelegt, sodass
man für die einzelnen Testate
nicht immer alle drei Atlanten
zum Lernen mitschleppen
muss. Hinzu kamen mehrere
Kapitel Embryologie (entspricht in etwa einem gut
bebilderten Kurzlehrbuch),
sodass nun fast alle Themen
abgedeckt sind, die auch in
der Dualen Reihe Anatomie
behandelt werden.
Die dritte Auflage, die es
bis jetzt nur vom Teil „Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem“ gibt, zeigt
keine großen Unterschiede
zur vorherigen.
Die Prometheus-Atlanten
kommen ihrem Ziel, wie ihr
griechischer Namensvetter
die Erleuchtung zu bringen,
auf jeden Fall ziemlich nahe.
Kamilla Szabó
Diagnose stellen
leicht gemacht
W. Siegenthaler: Siegenthalers
Differenzialdiagnose. 19. Auflage, Thieme Verlag, 2005. Preis:
119,95 Euro
Für den Umgang mit Patienten ist Dr. House aus der
gleichnamigen US-Serie sicherlich kein Vorbild. Was
der schonungslos direkte Arzt
jedoch kann wie kein anderer,
ist Differentialdiagnosen zu
erstellen. Wer allerdings im
Klinikalltag kein Team aus
Top-Ärzten zur Verfügung
hat, um sämtliche möglichen
Ursachen eines Symptomes
zu brain-stormen, kann sich
anderweitig
weiterhelfen.
Zum Beispiel, indem er sich
das unverschämt dicke Buch
„Siegenthalers Differentialdiagnose: Innere Krankheiten
- vom Symptom zur Diagnose“ aus dem Thieme Verlag
anschafft.
Das Buch hat stolze 1167
Seiten (und auch einen stolzen Preis), kann dafür aber
von sich behaupten, sehr
detailliert und ausführlich zu
sein.
Anders als die meisten Innere-Lehrbücher geht dieses
hier von Symptomen aus und
ist ganz klar auf die Diagnosefindung ausgerichtet. Das
ist auch der Grund dafür,
weshalb dies kein Buch zum
Lernen ist. Die Gliederung
ist vollkommen anders als im
universitären Lehrplan: Anstatt nach Organ- ist es nach
Funktionssystemen gegliedert. Viele Krankheitsbilder
werden nicht nur einmal, sondern an vielen Stellen erwähnt
und unter verschiedenen
Gesichtspunkten erläutert.
Deshalb gibt es nirgendwo
eine komplette Beschreibung
eines Krankheitsbildes; viel
eher ergibt sich ein sehr komplexes Bild, das man sich aus
verschiedenen Ecken zusam-
mensuchen muss. Ideal ist
hier, dass das alphabetische
Register im Anhang sehr umfangreich und vollständig ist.
Zum Aufbau: Der Inhalt
ist nach Leitsymptomen eingeteilt, zum Beispiel Thoraxschmerz, Abdomenschmerz,
Dyspnoe, Ödeme, Fieber,
Ikterus und so weiter. Zu Beginn jeden Kapitels wird die
zugehörige Physiologie erklärt, dann die Pathogenese
beziehungsweise -physiologie. Es folgt eine Einteilung
der möglichen Ursachen des
Symptoms und ein kurzer
Abriss über die verschiedenen
Krankheitsbilder, die damit
einhergehen.
Zusammenfassend findet man zudem
recht komplexe, bei näherer
Beschäftigung mit dem Buch
aber sehr übersichtliche und
hilfreiche Schaubilder, die
sogenannten „Navigatoren“,
in denen das Leitsymptom in
der Mitte noch einmal visuell
in Beziehung zu allen Differentialdiagnosen gesetzt wird.
Anschließend wird jede Differentialdiagnose ausführlich
erläutert
Im Anhang findet man,
was in keinem Innere-Buch
fehlen darf: Laborparameter,
fantastischerweise ebenfalls
unter dem differentialdiagnostischen Aspekt erläutert.
Was dem Buch allerdings
vollständig fehlt, ist ein Teil
über die angemessene Behandlung der Krankheitsbilder.
Therapieoptionen
aufzuzeigen ist offensichtlich
aber auch gar nicht die Absicht der Herausgeber, das
würde
zugegebenermaßen
wahrscheinlich auch noch die
2000-Seiten-Grenze sprengen.
Das Buch beinhaltet sehr
viele Bilder, sowohl Fotos als
auch Röntgenbilder, EKGs
und Schaubilder, und ist somit sehr anschaulich und
leicht zu lesen.
Wozu braucht man dieses
Buch also? Ehrlicherweise
muss ich sagen, dass ich es
beim Lernen auf die Innere
Klausur ganz schnell zur Seite gelegt habe. Trotzdem ist
es meiner Meinung nach eine
Anschaffung wert. Für Famulaturen und das PJ und später
auch im Klinikalltag ist der
Siegenthaler sicherlich sehr
nützlich, da er sehr praktisch
auf die Diagnosefindung ausgerichtet ist. Zum anderen ist
dies ein Buch, das es einem
ermöglicht, einmal von einer anderen Seite an die Innere Medizin heranzugehen:
Nämlich von einem funktionellen Ausgangspunkt, der
es ermöglicht, Krankheiten
in einem komplexen Zusammenhang zueinander zu sehen und zu erkennen.
Rebecca Eisele
Standardwerke
abgecheckt
K. Arastéh, H. Baenkler, C. Bieber
und R. Brandt: Duale Reihe Innere
Medizin. 3. Auflage, Thieme, Stuttgart, 2012. Preis: 69,99 Euro
D. Henne-Bruns, H. Barth: Duale
Reihe Chirurgie. 4. Auflage, Thieme, 2012. Preis: 69,99 Euro
Vier dicke Wälzer liegen auf
meinem Schreibtisch, jeweils
die alte und neue Auflage des
MLP für Innere und Chirurgie. Ich bin misstrauisch. Die
neuen Auflagen sind dünner
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
57
Sinnvoll investiert?
als die alten. Das stinkt doch.
Oder hat hier nur einfach jemand sinnvoll gekürzt?
Die Werke generell: Am
MLP Innere und MLP Chirurgie kommt man kaum vorbei.
Das Wissen scheint inkomprimierbar - Kurzlehrbücher sind
leider wenig dünner als die
über 1300 Seiten starken Dualen Reihen. Dafür steht aber
auch alles drin. Das bewährte
MLP-System aus vielen Bildern, hervorgehobenen Merkkästen und dem Kurzlehrbuch
am Rand macht sie zum optimalen Lern- und Nachschlagwerk.
Sinnvoll investiert? / Impressum
Fazit: Die Duale Reihe
Chirurgie ist wie gewohnt
übersichtlich und interessant
gestaltet. Natürlich ist sie
sehr ausführlich, da sie aber
von der Fuß-, über die Thorax- bis hin zur Mund-KieferGesichtschirurgie fast alle
chirurgischen Fragestellungen
abdeckt, lohnt sich die Investition. Hier könnte der kluge
Student aber Geld sparen und
die dritte Ausgabe kaufen.
Die neue Auflage MLP
Innere Medizin: Das Gleiche in grün.
Der MLP Innere ist fast
Die neue Auflage MLP
Chirurgie: Abgespeckt, aber
nicht unbedingt besser.
Die korrigierte 4. Auflage
der Dualen Reihe, die 2012
erschien (3. Auflage 2007),
spart pro Kapitel sukzessive
Seiten ein, insgesamt knapp
100, das Layout wurde etwas
überarbeitet und 300 neue
Darstellungen hinzugefügt.
Zusätzlich finden sich nun
Anweisungen zum Verhalten
im OP in den Kapiteln sowie
ein Online-Zugang zu acht Videos zu dem Thema.
58
noch ein Baby, erst 2009 erschien die 2. Auflage, nur
drei Jahre später die aktuelle
dritte Auflage. Die neue Auflage ist dünner als sein Vorgänger, die Seitenzahl bleibt
aber gleich. Hexenwerk? Ich
beschließe, dass sie einfach
dünneres Papier verwendet
haben müssen.
Laut Autoren wurden die
Inhalte überarbeitet und aktualisiert, da sich das Wissen der Inneren Medizin so
schnell verändere. Stichprobenartig überprüfe ich diese
Aussage. Zwar sind einige
Tabellen verändert, hier und
appendix .ofamed.de |Frühling 2013
da eine andere Formulierung
gewählt oder ein neues Medikament dabei, in der Essenz
unterscheiden sich die Kapitel aber nicht von denen der
2. Auflage.
Fazit: Wenn einem der
Stakkato-Stil des Herold
nicht gefällt, ist die Duale
Reihe eine sinnvolle Investition - doch die „alte“ Auflage
tut es auch. Die grundsätzlichen Dinge, wie Symptome,
Ätiologie und Diagnostik,
verändern sich nicht in drei
Jahren. Nur bei bestimmten
Themen, zum Beispiel der
Epidemiologie, molekulargenetischen Details und der
Therapie, würde ich die Informationen mit der Vorlesung abgleichen, da sich in
diesen Forschungsbereichen
auch in wenigen Jahren neue
Informationen ergeben können, aber nicht müssen. Dieser Dynamik kann aber auch
die dritte Auflage des MLP
Innere nicht gerecht werden.
Du simulierst doch
nur!
A. Maziar Zafari, M. Schupp, T.
Klotz: Innere in Frage und Antwort
- Fragen und Fallgeschichten. 8.
Auflage, Urban & Fischer Verlag/
Elsevier GmbH, 2012. 25,99 Euro
Das Werk: Auf zehn Kapitel verteilt finden sich in
der schlanken 8. Auflage von
„Innere Medizin in Frage und
Antwort“ hunderte mögliche
mündliche Prüfungsfragen zu
den wichtigsten Themen der
Inneren Medizin. Am Rand ist
ein Ampelsystem eingezeichnet, bei dem man markieren
Impressum
Appendix - Unabhängiges Magazin der
Medizinstudenten an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Appendix
Offene Fachschaft Medizin
Hermann-Herder-Straße 9
79104 Freiburg i. Br.
[email protected]
www.appendix.ofamed.de
www.facebook.com/appendix
Leitung
Lena Lippert, Insa Schiffmann
kann, ob man die Frage richtig oder falsch beantwortet
hat. In Merk-Kästen wird auf
mögliche Stolperfallen hingewiesen, zum Teil sind die
Fragen auf kurze Fallbeispiele
bezogen. Ein kleines Bonbon
ist der Online-Zugang, den
man mit dem Buch erhält.
Dort können Examensfragen
gekreuzt, die Zusatzinformationen direkt im Online-Buch
nachgelesen werden.
Fazit: Zum Bestehen des
Staatsexamens ist das Buch
sicher nicht notwendig, aber
eine gute Ergänzung und vor
allem: Abwechslung. Man
könnte sich auch selbst Fragen
ausdenken und gegenseitig abfragen, mit dem Buch spart
man sich den Aufwand. Zudem sind die Fragen im Buch
an solchen aus der mündlichen
Prüfung orientiert und die
Antworten bereits zusammengestellt. Insgesamt lässt sich
eine mündliche Prüfung ganz
gut simulieren - nette Idee für
die Lerngruppe!
Insa Schiffmann
Redaktion
Anne Büttner, Rebecca Eisele, Lena Lippert,
Johanna Maxeiner, Ruth Meier, Kerstin MeyerAndreas, Gwendolyn Roscheck, Insa Schiffmann, Kamilla Szabó, Sebastian Wohlfeil
Anzeigen
Insa Schiffmann
Rezensionen
Rebecca Eisele
Layout
Lena Lippert
Fotos
Santa Mervien Alexandra
Lukas Hallauer
Lena Lippert
Druck
Schwarz auf Weiß
Habsburger Straße 9
79104 Freiburg i. Br.
Auflage: 1600
Verwantwortlich für die Inhalte ihrer Artikel
sind die jeweiligen Autoren selbst.
In einzelnen Artikeln geäußerte Meinungen sind
nicht notwendig Meinung der Redaktion und
spiegeln diese nicht unbedingt wieder.
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
59
Lustiges
Lustiges
Eine haarige
Angelegenheit
Prostata-Karzinom
Der erste Schnee ist schon gefallen, die Tage werden kürzer, der Himmel grauer,
Mützen und Handschuhe kommen zum Vorschein. Und Schnurrbärte. Schnurrbärte? Die haarigen Oberlippen sind Markenzeichen des Movember. Ihr Sinn ist es,
darauf hinzuweisen, dass Gesundheitsvorsorge und Männlichkeit keine unüberwindbaren Gegensätze sind.
D
ie Aktion, deren Name sich von „moustache“ (englisch für Schnurrbart) und
„november“ ableitet, erfand eine Gruppe junger Männer um die Jahrtausendwende in
Adelaide, Australien. Die Idee: Mann betont einen Monat lang seine männliche Seite mit einer
mann-spezifischen Geste. Die Umwelt nimmt
Teil an dieser Entwicklung: Von nackten Männerwangen über flaumbesetzte Hipstergesichter
zu Neandertaler-Antlitzen mit Urwaldbart, der
Anblick wird keinen Tag in Folge der gleiche
sein. Die spriessende Gesichtsbehaarung wird
automatisch Gesprächsthema. Der „MoBro“ erklärt die Aktion und kann so ungezwungen gesundheitspräventive Themen ansprechen sowie
Spenden sammeln für Vorsorge, Behandlung und
Forschung. Neben dem finanziellen ist vor allem
der ideelle Gewinn enorm: Männer, von denen
die meisten das Thema sonst meiden wie Katzen
den Regen, beschäftigen sich mit Gesundheitsprävention. Ein essentielles Thema rückt eindrücklich, aber nicht aufdringlich in das Bewusstsein – und das alles, ohne in der Fußgängerzone
mit einer Sparbüchse darum betteln zu müssen.
Prostata-CA, DRU und PSA
Der Movember möchte vor allem auf zwei Gesund- und Krankheitsthemen bei Männern hinweisen: Psychische Gesundheit, also Depression
und Ängste, und das Prostatakarzinom, was vor
allem bei der deutschen Version des Movember
im Vordergrung steht. Das Prostata-CA ist der
häufigste bösartige Tumor bei Männern, weswegen ab dem 45. Lebensjahr eine jährliche Vorsor-
60
geuntersuchung, bestehend aus Digital-RektalerUntersuchung (DRU) und der Bestimmung des
Prostata-spezifische Antigens (PSA) im Blut, generell vorgesehen ist. Sie werden von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland übernommen, doch tatsächlich nehmen nur 17 Prozent
der Männer diese Möglichkeit auch wahr.
Vor allem Scham und Unwohlsein spielen
hierbei eine große Rolle - es gibt bessere Stammtischthemen als rektale Untersuchungen. Und bei
dem Wort „Urologe“ schauen gar viele gestandene Männer peinlich berührt auf ihre Füße.
Doch zurück zu unseren bärtigen Artgenossen: Anfang November macht Mann Tabula
rasa und lässt sich dann dreißig Tage lang einen
Oberlippenbart wachsen. Im Internet gibt es auf
der Movember-Homepage sogar eine Abbildung
mit sämtlichen möglichen Varianten der bärtigen Schnauze. Freddy Mercury, verstorbener
Sänger von Queen und einer der bekanntesten
Vertreter der Schnurrbart-Zunft, trug vermutlich
die „Box-Car“-Variante. In ihrem Geburtsland
Australien kann die Initiative deutliche Erfolge
verzeichnen: Im Jahr 2007 lag die Spendensumme bei 16 Millionen Australischer Dollar. Nicht
mit Geld aufwiegen lassen sich all die Männer,
die zu Vorsorgeuntersuchungen motiviert und so
gegebenenfalls durch eine frühzeitige Therapie
geheilt werden konnten.
Movember - und alle machen mit!
kanischer Sportarten wie Eishockey und Rugby
entscheiden sich oft dazu, als Team gemeinsam
an der Aktion teilzunehmen. So kamen auch zwei
Drittsemester der Medizin in diesem Jahr dazu.
David sagt: „Es war gar keine Option, nicht
mitzumachen. Außerdem ist man ja doch neugierig wie ein Schnurrbart an einem so aussieht.
Und auch wenn man das gute Stück anschließend aus stilistischen Gründen wieder abrasieren
muss, irgendwas fehlt einem danach einfach.“ In
den Sportteams steigt am Monatsende eine große
Party, bei der der schönste Schnurrbart gekürt
und die erzielte Spendensumme gefeiert wird.
Und die Bärte endlich wieder abrasiert.
Vielleicht findet die Frau von heute ein passendes Analogon. Wie wäre es mit: Breptember –
der Breast-Chest-September? Hoffentlich betont
unser Geschlecht dabei seine weibliche Seite mit
weniger kratzigen Ideen. Roter Lippenstift oder
doch vier Wochen lang Rock? Es sollte in jedem
Fall unübersehbar sein.
Kamilla Szabó
Das Prostata-Karzinom ist die dritthäufigste
krebsbedingte Todesursache bei Männern
und tritt gehäuft in der siebten Lebensdekade
auf. Da der Tumor meist in der Urethra fernen Zone der Prostata wächst, treten oft erst
im Spätstadium Symptome wie Blasenentleerungsstörungen und häufiger Harndrang auf.
In vielen Fällen bleibt das Prostata-CA völlig
symptomlos; bei etwa 60 Prozent der über
80-jährigen Männer findet sich nach dem
Tod ein solches latentes Karzinom. Nur etwa
jedes zehnte Prostata-CA führt vor dem 85.
Lebensjahr zum Tod.
Die Neuerkrankungsrate ist in den letzten
Jahren stark angestiegen, möglicherweise
durch bessere Diagnostik und die zufällige
Entdeckung bei der Behandlung gutartiger
Prostatavergrößerungen. Zur Vorsorge werden zurzeit die rektale Untersuchung und
die Bestimmung des Prostata-spezifischen
Antigens (PSA) angeboten. Beide Untersuchungen sind wenig sensitiv, zudem ist es
schwierig, mit ihrer Hilfe zwischen bös- und
gutartigem Tumoren zu unterscheiden. Selbst
wenn beide Untersuchungsergebnisse als
„suspekt“ eingestuft werden, beträgt die tatsächliche Erkrankunswahrscheinlichkeit zirka
50 Prozent. Besonders der PSA-Wert wird
immer wieder kritisiert, da Studien sich darin
widersprechen, ob seine systematische Erfassung die Sterblichkeitsrate tatsächlich senken
kann. Kritiker führen an, dass viele Männer
fälschlicherweise operiert werden und Komplikationen der OP, wie Erektionsstörungen
und Inkontinenz, erleiden.
Neuestens wird deswegen verstärkt zu „active
surveillance” geraten, einer engmaschigen
Beobachtung der entdeckten Tumore.
Quelle: urologielehrbuch.de
Movember geht um die Welt
Die Idee schwappte mit einiger Verzögerung
über den weiten Ozean auch zu uns nach Europa.
Vor allem Mitglieder von Sportclubs angloameri-
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
61
Lustiges
Schau‘ mir auf den Schnurri, Kleines!
?
Darf ich bitten
Mama ist
ein Mann!
?
Heute kein Foto für m
ich
Wer träumt nicht heimlich davon, sich einmal einen
Schnurrbart stehen zu lassen? Nicht nur sind sie unheimlich vielfältig, sondern auch noch so wahnsinnig ausdrucksstark und man kann viele tolle Dinge
damit machen. Pornös aussehen zum Beispiel oder
richtig heiße Schnecken aufreißen. Auch eine Rose im Mund sieht erst dann gut aus, wenn sie von
gepflegter männlicher Behaarung umrahmt wird.
Da in der Appendix-Redaktion
wie generell im Damit,
Sie ein
Medizinstudium der Frauenanteil Zahlen
erreicht, die sich
Quotenbefürworter nicht vorzustellen wagen, haben
wir uns einiger Hilfsmittel bedient. Und
freuen uns schon auf
Decembeard und Januhairy im nächsten
Jahr.
Lustiges
Frollein,
k
Dirndl a önnten
usfüllen!
Frühzünder
.
Höhö,
Full House :)
schließlich
Schlafe aus
oner.
mit Bartsch
62
Ey.
Altaaaaa.
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Over-
Achiev
er.
Je m‘appelle Claude.
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
63
Unterhaltung
Unterhaltung
Wenn der Lernplan
baden geht...
Noch ist das Studentenleben süß, die
Strapazen der Klausurenwoche sind
bereits vergessen. Doch bald schon
verbringen wir wieder den Großteil unserer Zeit am Schreibtisch oder in einer Biblitothek und starren hypnotisch
auf ellenlange Texte, in der Hoffnung,
uns werde irgendwann ein Licht aufgehen. Bis die „Alles-ist-doof“-Phase
kommt. Da hilft nur eines: Bücher zu
und raus an die frische Luft! Am besten ins kühle Nass, an einen der zahlreichen Seen in und um Freiburg.
Gut zu wissen:
Besser nicht am Wochenende gehen.
Nach dem Lärm der badenden Massen
wünscht man sich ganz schnell wieder
die Stille seiner Bücher zurück.
Nachteil der Seen: Zu bestimmten Jahreszeiten befinden sich Mückenlarven im
Wasser. Später dann die adulten Exemplare in der Luft und zudem Zecken im
Gras.
Laut der Badegewässerkarte des RP Baden-Württemberg 2011 haben die Seen
eine ausgezeichnete Wasserqualität (der
Niederrimsinger See wurde nicht untersucht). Allerdings verschmutzt das Wasser
im Laufe des Sommers.
Oft liegen die Seen an Autobahnen. Gut
erreichbar, dafür aber leider etwas laut.
Die Radfahrwege sind allgemein gut beschildert. Um die Seen zu finden, helfen
auch die netten Bewohner des Umlands.
Geheimtipp (1):
Niederrimsinger Baggersee
Mit dem Fahrrad folgt man der Opfinger Straße
zur gleichnamigen Tuniberg-Gemeinde - nicht
sehr schön anzuschauen, geht aber schnell. Direkt am Ortseingang kann man Erdbeeren pflücken (zirka Mitte Mai bis Ende Juli) und gegebenenfalls die Verkäuferin nach dem Weg zum
See fragen. Immer gerade durch den Ort durch,
um dann den Tuniberg zwischen den Reben
hochzustrampeln. Es gibt unzählige Wege in alle möglichen Richtungen, meistens findet man
aber einen passenden. Ungefähre Richtung:
Geradeaus, hoch, ein bisschen links (südlich).
Oben auf dem Tuniberg angekommen sieht
man schon den Baggersee türkisgrün glitzern.
Nun muss man noch Niederrimsingen geradeaus durchqueren, die Gündlinger Straße oder
einen der Feldwege entlang fahren und sich
einen Weg durch den Wald bahnen. Fahrrad
am besten davor abstellen - am Ostufer gibt
es merkwürdige Hügel, die das Betreten dieses
Gebietes verhindern sollen.
Endlich angekommen findet man einen größeren Baggersee mit Kiesstrand vor (offiziell
übrigens nicht zur Nutzung freigegeben). Die
Kiesbank des Nordufers ist bei Jugendlichen am
beliebtesten, am Ostufer hingegen kann man
unter Bäumen liegen. Oft hat jemand Musik
dabei, mitgebrachtes Bier wird im zugegebenermaßen recht kalten See gekühlt. Wer Angst
hat vor nackten Menschen: Besser nicht zum
Südostufer. Da Otto Normalbürger aber doch
eher ein Sofatiger ist, kann man meistens in aller
Ruhe schwimmen.
Auf dem Rückweg kann man nach Süden dem
Radweg durch Oberrimsingen, Munzingen und
Tiengen folgen, der sich der B31 nach Sankt
Georgen anschließt. Weniger Höhenmeter, aber
kurviger. Und auch mit dem Auto befahrbar.
Kamilla Szabó
64
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Opfinger See (2)
Tunisee (4)
•
kleiner See mit Kies- und Grasufern, Grillstellen,
einem Kiosk und FKK-Bereich
•
Bühne für‘s Electrofestival Sea of Love (dieses
Jahr leider nicht)
•
hier wurde ein zwei Meter langer Wels gefangen,
die Wasserqualität muss gut sein
•
nicht sehr ansprechender Campingplatz.
•
die Zugänge zum Wasser vermatschen mit der
Zeit
•
kostet Eintritt
•
kleiner See mit manchmal fraglicher Wasserqualität - es wird eher gebadet denn geschwommen.
•
einzige Wasserskianlage weit und breit (Unisport-Kurse!), ebenso Tauchmöglichkeit
•
größter Vorteil: sehr zentral gelegen
Mooswald (3)
•
sehr naturbelassenes Gewässer, was man leider
der Wasserflora anmerkt
•
die Liegewiese ist angeblich hart
Denzlinger
Sportbad (5)
5
4
•
kein See, aber trotzdem einen Ausflug wert
•
50m-Becken, Sprungturm im Freien,
Tischtennisplatten und Volleyballplätze (oft unbelegt)
•
hügelige, großzügig angelegte Liegewiesen, teilweise unter Bäumen unvergleichbar charmanter als das
Strandbad und selten überfüllt
•
mit dem Fahrrad kommt man an einigen Erdbeerfeldern vorbei.
3
2
1
6
Seepark (6)
•
zu seiner Einweihung wurde ein Piratenschiff versenkt: super Tauchziel
•
schwimmende Brücke als Sprungbrettersatz
•
manchmal ist es merkwürdig, sich zu sonnen, während angezogene Spaziergänger
vorbeigehen
•
am Schräghang neben der Stusie wird im Sommer gegrillt und gefeiert
7
8
Schluchsee (8)
Titisee (7)
•
groß und kalt
•
Möglichkeit zum Segeln, Tauchen, Surfen und
Bootfahren
•
größter See in der näheren Umgebung
•
Möglichkeit zum Segeln (Unisport bietet Jollenkurse an)
•
kalt, dafür aber idyllisch und abgelegen
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
65
Wir über uns
Ü b e r d e n Te l l e r r a n d
Appendix
stellt sich vor
Euer Fachschaftsmagazin: Was es ist, wer es macht und was das
mit euch zu tun hat.
D
er Appendix ist das Magazin der Medizinstudenten in Freiburg. Die Redaktion
ist eine Arbeitsgruppe der Fachschaft
Medizin und arbeitet eng mit dieser zusammen.
Dabei ist der Appendix aber stolz auf seine inhaltliche und redaktionelle Unabhängigkeit.
Im Gegensatz zur Appendix vermiformis ist
der gedruckte Wurmfortsatz aber ganz und gar
nicht überflüssig. Er ist eher ein begleitendes
Accessoire für Studenten der Medizin und darf
auch den männlichen Artikel „der“ führen. Nicht
so sein Pendant, das Anhängsel am Blinddarm,
das „die“ genannt werden muss.
Der Appendix wird kostenlos in gut besuchten
Vorlesungen und Kursen an alle Medizinstudenten zur geistigen Erbauung und moralischen
Zeit für
junges Gemüse!
Festigung ausgehändigt. Und das schon seit Mai
1992. Damals gab es den original Papier-Appendix zum ersten Mal. Seitdem erscheint das Heft
einmal im Semester.
Die Redaktion besteht zur Zeit aus etwa zehn
emsigen Redakteuren ganz unterschiedlicher Semester. Die Gruppe trifft sich einmal in der Woche zum freien Assoziieren ohne thematischen
Schwerpunkt; dabei entstehen meistens die Ideen
für unsere Artikel.
Einmal im Semester gibt’s zur Entspannung ein
Redaktionsessen und zu Weihnachten wird die
Sitzung auch einmal zugunsten eines Glühweins
vorzeitig beendet.
Wenn ihr Lust habt, am Appendix mitzuarbeiten, zögert nicht - kommt einfach vorbei!
Das Appendixteam braucht Unterstützung:
Dich!
Du bist kreativ, schreiblustig, voller Ideen und unentdeckter Talente? Du
wolltest schon immer einmal an einer Zeitung mitarbeiten und den Journalisten in dir zum Vorschein bringen?
Dann komm‘ vorbei und bringe frischen Wind in die Redaktion!
Melde dich bei [email protected]
oder unter facebook.com/appendix
Wir freuen uns auf dich!
66
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Frühling 2013 | appendix .ofamed.de
67
Die letzte Seite
Achtung, Halbgott
Fünfzehn Gründe, warum Nicht-Mediziner bei unserem Anblick
(völlig zu Unrecht) gelegentlich mit den Augen rollen.
1. Der gemeine Medizinstudent weiß alles besser. Man muss nur mit dieser total ernsten
Chefarzt-Stimme sprechen, dann wirkt man
gleich viel glaubhafter.
2. Während andere im Mutterleib ihre wachsenden Finger bestaunen, haben wir schon
unseren ersten hypochondrischen Anfall.
Zwei Mal pro Semester sind wir tödlich erkrankt, in der radioloischen Privatpraxis begrüßt man uns bereits mit den Worten „Das
Übliche?“.
3. Dass gerade erforscht wird, ob sich Anorexie
mit tiefer Hirnstimulation therapieren lässt,
haben wir gestern bei Taff gesehen. Wenn
uns jemand fragt, dann wissen wir das natürlich aus einem super interessanten neuen
Paper aus einem amerikanischen High-Impact-Journal.
4. Wir weisen ungefragt darauf hin, wie viele
krebserregende Stoffe sich in dem Bubble
Tea befinden, den unser Gegenüber gerade
genüsslich schlürft.
5. Zu unserer Belustigung zeigen wir Nicht-Medizinern gerne die ekligsten Bilder aus der
Mikrobio-Vorlesung. Während die sich übergeben, erklären wir ihnen, wie der Brechreflex verschaltet wird.
6. Wir haben immer Recht. Und wenn bei Wikipedia angeblich etwas anderes steht, dann
hat unser Gegenüber das halt falsch verstanden. Kann er ja nichts dafür, denken wir
gönnerhaft.
7. Wenn eine Gruppe von Medizinstudenten
ausnahmsweise mal etwas nicht weiß, diskutieren wir darüber. Wirklich, wirklich lange.
Und dabei machen wir alle die ChefarztStimme.
8. Unter Kommilitonen prahlen wir damit, dass
wir für die Klausuren fast gar nicht gelernt
und trotzdem bestanden haben. Die 212
Knochen des menschlichen Körpers hat uns
ein sprechendes Einhorn im Traum beige-
bracht. Nicht-Medizinern gegenüber klagen wir natürlich
darüber, wie hart das EliteStudium doch ist. Manchmal
gehen wir sogar nachts in die
Bib. Echt.
9. Niemand will auf unsere Parties kommen.
Sobald Fachfremde auftauchen, zwingt uns
eine innere Stimme dazu, nur noch über
Patienten und deren Körperflüssigkeiten zu
sprechen.
10. Wir desinfizieren uns vor dem Frühstück
schon zwei Mal die Hände. Wenn wir das
Krankenhaus betreten, beginnen unsere Augen zu glänzen: Wir lieben den Geruch von
Sterilium.
NEU
11. Wir lesen Homer, natürlich im Original, und
zwar während der Probenpause unseres Studentenorchesters. Danach diskutieren wir
über die politische Lage in Darfur beim Studienstiftungsstammtisch.
12. Bei Grey‘s Anatomy stöhnen wir ständig, wie
uuunglaublich unrealistisch das alles doch
sei. Wir weigern uns trotzdem, umzuschalten. Schließlich wollen wir weiterhin klugscheißern.
13. Jede Verabredung beenden wir mit den Worten „Sorry, Leute, ich muss los.“ Wir haben
nämlich 17 Hobbies, ein Ehrenamt und eine
Katze. Und trotzdem noch ein Leben. (Okay,
das mit dem Leben war gelogen).
14. Während wir in unseren weißen, ausnahmsweise nicht gebügelten Kitteln elegant, wenn
auch planlos, über die Gänge des Uniklinikum schreiten und wichtige Akten (Cafeteria-Bestellung der gesamten Station) transportieren, dann spüren wir es ganz deutlich:
Wir. Sind. So. Heiß.
15. Wir würden uns gerne ein Schild malen, auf
dem das steht, aber das könnte dann ja, wegen der hart antrainierten Arztschrift, keiner
lesen.
Lena Lippert, Insa Schiffmann
68
Medizin
und Ethik
appendix .ofamed.de | Frühling 2013
Maio
Hontschik, Bertram, Geigges (Hrsg.)
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Auf der Suche nach
der verlorenen Kunst
des Heilens
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Mit einem Geleitwort von Wilhelm Vossenkuhl
Bausteine der Integrierten Medizin
• Eine fundierte Verbindung von Theorie
und Praxis aus der Feder eines renommierten
Autors
Schriftenreihe der Akademie für Integrierte Medizin
Mit einem Geleitwort von Bernard Lown
(Friedensnobelpreis 1985)
• Differenzierte Übersicht ethischer Theorien
und Prinzipien und praktische Entscheidungshilfen in einem
• Schlägt die Brücke zwischen Schulmedizin
und Psychosomatik
• Eine systematische Aufbereitung aller
relevanten Themen der Medizinethik sowohl für
Studierende als auch für allgemein Interessierte
• Anschaulich mit Fallbeschreibungen
1. Nachdruck 2012. 444 Seiten, 3 Abb., 14 Tab., geb.
€ 24,95 (D) / € 25,70 (A) | ISBN 978-3-7945-2448-8
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2013. 389 Seiten, 5 Abb., 4 Tab., kart.
€ 29,95 (D) / € 30,80 (A) | ISBN 978-3-7945-2893-6
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