Unterhalt und Volljährigkeit

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Unterhalt und Volljährigkeit
Universität St Gallen
Institut für Rechtswissenschaft
und Rechtspraxis
Unterhalt und Volljährigkeit
Inhalt
1. Die Bemessung des Unterhaltes, Rechtsgrundlagen........................................................... 1
2. Die Dauer der Unterhaltspflicht .............................................................................................. 2
2.1 Art. 277 ZGB ......................................................................................................................................... 2
2.2 Art. 13c Schluss- und Übergangsbestimmungen zum ZGB ................................................................. 3
3. Erfüllung der Unterhaltspflicht ............................................................................................... 4
4. Einzelne Problemstellungen ................................................................................................... 4
4.1 Unterhaltsvereinbarungen mit dem mündigen Kind.............................................................................. 4
4.1.1 Genehmigungsbedürftigkeit? ......................................................................................................... 4
4.1.2 Auswirkungen auf die Alimentenbevorschussung ......................................................................... 5
4.2 Verzicht auf Unterhalt gegenüber einem Elternteil ............................................................................... 5
4.3 Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind während dessen Ausbildung................................ 6
4.4 Unterhaltspflicht bei Auswärtswohnen des volljährigen Kindes............................................................ 7
4.5 Unterhalt und Lehrlingslohn .................................................................................................................. 8
5. Die "gute Unterhaltsklausel"................................................................................................... 9
1. Die Bemessung des Unterhaltes, Rechtsgrundlagen
Massgebend für die Bemessung des Unterhaltes des Kindes - auch des Erwachsenen - ist Art. 285
ZGB. Er lautet wie folgt (Änderungen per 1.1.2000 im Zusammenhang mit der Revision des Scheidungsrechts sind hervorgehoben):
Art 285 ZGB, Bemessung des Unterhaltsbeitrages
Abs. 1
Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes, sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen und ausserdem Vermögen und Einkünfte des Kindes sowie den
Beitrag des nicht obhutsberechtigten Elternteils an der Betreuung des Kindes (*) berücksichtigen.
Abs. 2
Kinderzulagen, Sozialversicherungsrenten und ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte
Leistungen, die dem Unterhaltspflichtigen zustehen, sind zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag zu zahlen, soweit der Richter es nicht anders bestimmt.
Abs. 2bis
Erhält der Unterhaltspflichtige infolge Alter oder Invalidität nachträglich Sozialversicherungsrenten oder ähnliche für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen, die
Erwerbseinkommen ersetzen, so hat er diese Beiträge dem Kind zu zahlen; der bisherige
Unterhaltsbeitrag vermindert sich von Gesetzes wegen im Umfang dieser neuen Leistungen.
Abs. 3
Der Unterhaltsbeitrag ist im Voraus auf die Termine zu entrichten, die der Richter festsetzt.
Die mit der neusten Änderung eingefügte Erweiterung kommt beim Unterhalt für das erwachsene
Kind nicht zum Tragen, da die Eltern über das mündige Kind keine elterliche Sorge und damit auch
keine rechtliche Obhut mehr innehaben. Im täglichen Leben ist es jedoch oft so, dass bereits volljährige Kinder noch bei den Eltern oder einem Elternteil leben. Selbstverständlich kann Unterhalt
durch die Eltern auch in natura erbracht werden, insbesondere durch Gewährung des Wohnrechts,
durch Verköstigung oder durch Besorgung der Wäsche.
Wie Absatz 1 zeigt, sind für die Bemessung des Unterhaltsbeitrages der Eltern vier Kriterien massgebend: 1. der berechtigte Bedarf des Kindes, 2. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters,
3. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mutter und 4. die eventuelle eigene Leistungsfähigkeit
des Kindes. Für die Bemessung des Unterhaltes des volljährigen Kindes kommt nun noch ein weiteres Kriterium hinzu: Es findet sich in Art. 277 Abs. 2 ZGB, der eigentlich der Dauer der Unterhaltspflicht gewidmet ist und auf den ich gleich zu sprechen komme. Diese Gesetzesnorm enthält
die Vorschrift, dass Eltern zur weiteren Zahlung von Unterhalt nur dann verpflichtet werden
können, wenn ihnen dies „nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf“.
Der Text von Absatz 2 des Art. 285 ZGB schien an und für sich klar und war vom Gesetzgeber der
Änderung des Kindesrechts von 1978 auch so gemeint, wie sein Text lautet. Es ist jedoch hinlänglich bekannt, dass die Gerichtspraxis gerade umgekehrt verfuhr. Sie erteilte, wenn Sozialversicherungsrenten anfielen, nur dann Rechtsöffnung für Alimente, wenn gemäss dem Rechtstitel
ausdrücklich beides zu zahlen war. Der Gesetzgeber der Revision von 2000 versuchte nun, mit
dem neuen Absatz 2bis diese Divergenz zwischen gesetzlicher Vorschrift und Gerichtspraxis zu
beseitigen. Das ist ihm, wie wir unterdessen wissen, nur teilweise gelungen.
Nicht unwesentliche Auswirkungen könnte der neue Absatz 3 von Art. 286 ZGB zeitigen. Er brachte die Möglichkeit, bei nicht vorhergesehenen, erhöhten Unterhaltsbedürfnissen des Kindes - auch
wenn diese nur vorübergehend sind -, einen besonderen Unterhaltsbeitrag durch das Gericht festsetzen zu lassen, wenn hierüber keine gütliche Einigung erzielt werden kann. Der Gesetzgeber
nennt in der Botschaft [Botschaft über die Änderung des ZGB vom 15.11.1995, Separatdruck,
Pt. 244.3, S. 162] als Beispiele Zahnkorrekturen oder besondere schulische Massnahmen. Die
Gerichtspraxis wird eine zeitliche Grenzziehung zwischen den vorübergehenden, ausserordentlichen Mehrbedürfnissen und dem veränderten Bedarf des Kindes gemäss Absatz 2 vornehmen
müssen.
2. Die Dauer der Unterhaltspflicht
2.1 Art. 277 ZGB
Massgebend für die Dauer der Unterhaltspflicht der Eltern sind die Art. 276 und 277 ZGB sowie
Art. 13c Schlusstitel ZGB.
Gemäss Art. 277 Abs. 1 dauert die elterliche Unterhaltspflicht grundsätzlich bis zur Volljährigkeit
des Kindes. Hat das Kind seine Ausbildung in diesem Zeitpunkt noch nicht beendet oder noch gar
nicht begonnen, so dauert die elterliche Unterhaltspflicht gemäss Absatz 2 weiter, allerdings lediglich während der Dauer einer Ausbildung selbst [Botschaft vom 17.02.1993 zur Änderung des ZGB
(Herabsetzung des zivilrechtlichen Mündigkeitsalters ...), Pt. 24; BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 277
N. 13 und 22]. Zur Ausbildungszeit dazu gehören nötige oder nützliche Praktika, dem Beruf dienliche Sprachaufenthalte sowie obligatorische Militärdienste, die Letzteren, sofern sie der Ausbildung vorangehen, diese unterbrechen oder ihr unmittelbar folgen (BK-Hegnauer, Art. 277 N, 63
und 84; BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 277 N. 22; vgl. grundsätzlich auch BGE 100 V 164, wenn
auch dort in Bezug auf AHV/IV-Kinderrenten). Ob der allgemein gehaltene Vorbehalt von Art. 277
Abs. 2 ZGB in einem Unterhaltsvertrag oder -urteil einen genügenden Vollstreckungstitel für Unterhalt nach Erreichen der Mündigkeit darstellt, kann nicht generell bejaht oder verneint werden. Dass
im Einzelfall abzuwägen ist, zeigt der in ZVW 2002, S. 66 Nr. 5 zusammenfassend wieder-
gegebene Entscheid. Eine Abgrenzung könnte etwa so vorgenommen werden: Der alleinige Hinweis auf den Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB in einem gerichtlichen Urteil, also in einer hoheitlichen Unterhaltsregelung, weist lediglich auf die Erstreckbarkeit der Unterhaltsverpflichtung der
Eltern hin, falls das Kind im Zeitpunkt der Volljährigkeit noch nicht über eine abgeschlossene
Berufsausbildung verfügt. Ein solcher Vorbehalt in einem strittigen Entscheid stellt meines Erachtens keine Urteilsklausel dar, aufgrund derer der festgelegte Unterhalt auch nach Eintritt der
Volljährigkeit vollstreckt werden könnte.
Damit ein während der Minderjährigkeit des Kindes gesprochener Unterhalt auch nach Erreichen
der Volljährigkeit vollstreckbar bleibt, muss diese weitergehende Verpflichtung im Urteilsdispositiv
konkreter umschrieben sein. Steht jedoch ein blosser Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB in einer
Vereinbarung - sei dies in einer Scheidungskonvention oder in einem Unterhaltsvertrag -, so beurteilt sich der Sachverhalt anders. Es ist in diesen Fällen davon auszugehen, dass die Parteien
sich über diesen Vertragspunkt unterhalten und sich darauf geeinigt haben, dass die Vereinbarung
gegebenenfalls auch über die Volljährigkeit des Kindes hinaus Geltung haben soll. Andernfalls
würde es keinen Sinn machen, eine solche Klausel in eine Vereinbarung aufzunehmen. Aber auch
in den Fällen der Vereinbarung ist es ratsam, eine Unterhaltsverpflichtung über die Volljährigkeit
hinaus konkreter und nicht nur mit dem Vorbehalt von Art. 277 Abs. 2 ZGB allein zu umschreiben.
Die elterliche Unterhaltspflicht kann jedoch auch bereits vor Erreichen der Volljährigkeit des Kindes
gestützt auf Art. 276 Abs. 3 ZGB eine reduzierte sein oder ganz aufhören. Der Alimentenschuldner
kann seine Befreiung von der Unterhaltspflicht gestützt auf diese Norm jedoch nicht im Rechtsöffnungsverfahren geltend machen (BK-Hegnauer, Art. 276 N. 153). Vgl. auch hinten, Kap. 4.5.
2.2 Art. 13c Schluss- und Übergangsbestimmungen zum ZGB
Mit der Herabsetzung des Mündigkeitsalters auf 18 Jahre hat das Parlament ja bekanntlich den Art.
13c in die Schluss- und Übergangsbestimmungen des ZGB eingefügt. Diese Norm legt fest, dass
Kinderalimente, welche vor dem 1. Januar 1996 festgelegt wurden, und welche bis zur Mündigkeit
geschuldet sind, weiterhin bis zur Vollendung des 20. Altersjahres zu bezahlen sind.
Im Zusammenhang mit dem Text von Art. 13c stellen sich oft zwei Fragen: 1. Bis wann sind Alimente zu zahlen, wenn z. B. ein Scheidungsurteil vom 20.12.1995 datiert, jedoch erst am 7.2.1996
rechtskräftig geworden ist? 2. Bis zu welchem Alter sind Alimente aufgrund von vor dem 1.1.1996
ergangenen Rechtstiteln zu zahlen, wenn diese - wie dies z. B. gängige Praxis der Amtsgerichte im
Kanton Luzern ist - gar keinen Hinweis auf die Dauer enthalten?
Im Beispiel der ersten Frage macht die Gläubigerpartei geltend, die Alimente seien am 20.12.1995,
also vor dem 1.1.1996, festgelegt worden. Nun ist es rechtlich allerdings klar, dass ein Gerichtsentscheid erst mit dem Eintritt der Rechtskraft seine Wirkung entfaltet. Die Umschreibung "festgelegt" im Art. 13c rührt daher, dass der Gesetzgeber eine sprachliche Wendung finden musste,
die nicht nur für Alimente in Gerichtsentscheiden, sondern auch für vertraglich vereinbarte gilt.
Deshalb verwendete er den Begriff "festgelegt". Aufgrund der allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts ist beim Urteil in diesem Beispiel Unterhalt nur bis zum vollendeten 18. Altersjahr geschuldet, da es nach dem 1.1.1996 ergangen bzw. rechtskräftig geworden ist.
Zur zweiten Frage sind die folgenden Erwägungen anzubringen: In Art. 13c steht, dass solche Alimente weiter bis zum 20. Altersjahr zu zahlen seien, die vor dem 1.1.1996 "bis zur Mündigkeit"
festgelegt worden sind. Verschiedene Autoren (z. B. Hausheer/Kocher, Handbuch des Unterhaltsrechts, S. 339, Rz. 06.63; Fürsorgeamt St. Gallen, Merkblatt "Übergangsrechtliche Fragen zur
Dauer der Unterhaltspflicht der Eltern nach der Herabsetzung des Mündigkeitsalters auf 18 Jahre",
vom 5.12.1997) gehen deshalb davon aus, dass bei Rechtstiteln vor dem 1.1.1996 nur dann
Unterhalt weiterhin bis zum 20. Altersjahr zu zahlen ist, wenn die Dauer der Alimentenschuld ausdrücklich "bis zur Mündigkeit" festgesetzt worden ist. Auch im Kanton Bern wird anscheinend (unter
Hinweis auf BSK ZGB I-Breitschmid, N 8 vor Art. 276-295) nur dann Rechtsöffnung erteilt, wenn im
Entscheid ausdrücklich statuiert ist, dass Unterhalt bis zur Mündigkeit geschuldet ist.
Diese Auslegung erweist sich im Lichte der Praxis der Luzerner Amtsgerichte als zu eng. Die Luzerner Gerichte führen in aller Regel in Urteilen mit Unterhaltsregelungen in den Erwägungen einen ganz grundsätzlichen Abschnitt an, in welchem sie die Bestimmungen der Art. 276 Abs. 3, 277
und 279 Abs. 1 ZGB beschreiben und der mit dem folgenden Satz endet (Zitat): "Da sich die Dauer
der Unterhaltspflicht somit aus dem Gesetz selbst ergibt, ist keine zeitliche Begrenzung in den
Rechtsspruch aufzunehmen".
Daraus lässt sich klar der Schluss ziehen, dass auch diese Entscheide von der Unterhaltspflicht bis
zur Mündigkeit ausgehen, auch wenn dies wegen der genannten Begründung nicht ausdrücklich im
Urteilsdispositiv steht. Damit ist aufgrund solcher, vor dem 1.1.1996 ergangenen Urteile, ebenfalls
Unterhalt weiterhin bis zum 20. Altersjahr zu entrichten. Der Verweis des vorhin erwähnten Berner
Rechtsöffnungsrichters auf Breitschmid, der an der genannten Stelle im Basler Kommentar verlange, dass Unterhaltsbeiträge ausdrücklich bis zur Mündigkeit festgelegt sein müssen, damit Art.
13c Schlusstitel ZGB zum Tragen komme, scheint mir nicht zuzutreffen. Breitschmid vermerkt an
der besagten Stelle (Zitat): "Wo … Unterhaltsbeiträge «bis zur Mündigkeit» festgelegt wurden, ist
weiterhin Unterhalt bis zur Vollendung des 20. Altersjahres geschuldet." Er erwähnt eine Bedingung, dass dies ausdrücklich zu geschehen habe, nicht; und eine solche kann auch dem
Kontext nicht entnommen werden. Im Lichte der voranstehend geschilderten Luzerner Praxis
würde dies zum stossenden Resultat führen, dass Kinder mit einem Luzerner Urteil vor dem
1.1.1996 nur bis zum vollendeten 18. Altersjahr Unterhalt erhielten, obwohl das Gericht - bei begründeten Urteilen sogar ausdrücklich in den Erwägungen festgehalten - Unterhalt bis zur Mündigkeit zusprach.
3. Erfüllung der Unterhaltspflicht
Die neue Formulierung des Art. 289 Abs. 1 ZGB, der die Erfüllung der Unterhaltspflicht betrifft,
zeigt, dass die alte Fassung zu Unklarheiten Anlass gab. Inhaltlich ist dieser Artikel nur insofern
neu, als die Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern auch durch Zahlung an den Inhaber der Obhut erfüllt werden kann. Bisher war einzig die gesetzliche Vertretung zur Entgegennahme von Alimenten befugt. Nicht neu, aber nun ausdrücklich formuliert ist, dass das mündige
Kind einzige befugte Person zur Entgegennahme seiner Alimente ist. Das führt - mit dem herabgesetzten Mündigkeitsalter vermehrt - zum Beispiel dann zu Problemen, wenn nach Eintritt der
Mündigkeit beim berechtigten Kind Alimentenrückstände eingehen, für welche die ehemalige Inhaberin der elterlichen Sorge eine Vorleistung erbracht hat und auf welche sie demzufolge ein Anrecht hat. Trotz dieses Sachverhaltes kann der Alimentenschuldner ohne Vollmacht des Kindes
nicht mit befreiender Wirkung an die Mutter leisten. Die Abgeltung der von der Mutter erbrachten
Vorleistungen stellt vielmehr eine Angelegenheit des Innenverhältnisses zwischen Kind und ehemaliger Inhaberin der elterlichen Sorge dar. Das Gleiche ist der Fall, wenn ein erwachsenes Kind
weiterhin bei der Mutter wohnt, sich von dieser seinen Unterhalt bestreiten lässt, vom Vater Alimente bezieht, diese aber nicht an die Mutter weiterleitet.
4. Einzelne Problemstellungen
4.1 Unterhaltsvereinbarungen mit dem mündigen Kind
4.1.1 Genehmigungsbedürftigkeit?
Unterhaltsverträge werden für das Kind erst mit der Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde oder den Richter verbindlich (Art. 287 Abs. 1. und 3 ZGB). Diese Bestimmung steht im
Abschnitt über die Unterhaltspflicht der Eltern (Art 276 - 295 ZGB). Und in diesem Abschnitt ist
auch die Unterhaltspflicht über die Volljährigkeit hinaus festgehalten (Art. 277 Abs. 2 ZGB). Man
könnte also zur Ansicht gelangen, dieser Gesetzesabschnitt regle den Kindesunterhalt und das
dazugehörige Verfahren für das minderjährige und das mündige Kind. Die Mitwirkung der Behörden in Art. 287 ZGB stellt jedoch einen Ausfluss des Kindesschutzrechtes dar, das nur dem
unmündigen Kind zugute kommt.
Verträge zwischen dem Unterhaltsschuldner und dem mündigen Kind bedürfen deshalb keiner behördlichen Genehmigung (Breitschmid, ZVW 1993, 90; Hegnauer, ZVW 1980, 96ff.; ders. Grundriss des Kindesrechts, 4. Aufl., Rz. 21.22). Es handelt sich dabei jedoch trotzdem um familienrechtliche und nicht bloss um obligationenrechtliche Verträge. Ihnen stehen alle Rechtswirkungen und möglichkeiten der Art. 276 bis 293 ZGB zu.
4.1.2 Auswirkungen auf die Alimentenbevorschussung
Gewährt eine kantonale Gesetzgebung ohne genauere oder einschränkende Regelung generell
die Bevorschussung von Kinderalimenten, so muss der betreffende Kanton diese auch für erwachsene Kinder zulassen (VwGer BE in BVR 1995, S. 177, auch in ZVW 1995, S. 114, Nr. 10).
Denn auch volljährige Kinder sind Kinder im Sinne der Unterhaltsbestimmungen der Art. 276 - 293
ZGB.
Während die Bevorschussungsinstanz bei behördlich genehmigten Verträgen die Höhe der dort
festgelegten Alimente grundsätzlich nicht neu überprüfen darf, liegt der Fall bei Unterhaltsverträgen
zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern anders. Weil die behördliche Genehmigung im
Sinne von Art. 287 ZGB und damit die Prüfung der Angemessenheit fehlt, steht der Bevorschussungsinstanz diese Überprüfung zu (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 287 N. 12, Art. 293 N. 5;
ZVW 2002, S. 65 Nr. 4). Sie darf - gestützt auf die gleichen Kriterien wie bei der Prüfung der
Unterhaltsverträge gemäss Art. 287 ZGB - die Bevorschussung von Alimenten verweigern, von
denen ersichtlich ist, dass sie die grundsätzliche Leistungsfähigkeit des Schuldners klar übersteigen. Immerhin ist die abweisende Instanz zu einer Begründung verpflichtet, und der Beschluss
muss rechtsmittelfähig ausgestaltet sein.
4.2 Verzicht auf Unterhalt gegenüber einem Elternteil
In der Praxis der Inkassohilfe wurde wiederholt erlebt, dass ein Alimentenschuldner der Inkassostelle eine Erklärung vorlegte, worin das volljährige, sich aber noch in einer Lehre befindliche und
beim andern Elternteil wohnende Kind auf die Alimente und allenfalls auf Zahlungsrückstände verzichtet. Was ist davon zu halten? Dabei soll hier nur auf die rechtlichen Folgefragen und nicht auf
das Problem der Art und Weise des Zustandekommens einer solchen Verzichtserklärung eingegangen werden.
In der Tat kann ein junger Erwachsener oder eine junge Erwachsene auf das fällige und das laufende Alimentenguthaben verzichten. Der andere Elternteil, der Kost und Logis bietet, kann allerdings nicht zu einer Mehrleistung als Ausgleich der entgangenen Alimente herangezogen werden.
Dieser andere, nun allein belastete Elternteil könnte aber gestützt auf Art. 285 Abs. 1 ZGB seinerseits die folgende Überlegung anstellen: Diese Norm gilt auch im Verhältnis zum erwachsenen
Kind als Bemessungs- bzw. Verteilungsgrundlage der Unterhaltsschuld. Das heisst, dass ein Elternteil es sich eventuell nicht gefallen lassen muss, im Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beider Eltern wesentlich stärker belastet zu werden als der andere Elternteil. Meines Wissens ist jedoch zu dieser Frage noch kein Gerichtsentscheid ergangen.
Diese Situation ist wie folgt zu betrachten: Der oder die junge Erwachsene besitzt gegenüber jedem einzelnen Elternteil im Verhältnis zu dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit einen Teilanspruch auf angemessenen Unterhalt. Wenn er oder sie nun gegenüber dem einen Elternteil auf
diesen Anspruch verzichtet und sich dafür entsprechend einschränkt oder sich anderweitig Ersatz
beschafft, so ist der andere Elternteil nicht auch von seiner Unterhaltspflicht befreit.
Komplizierter liegt der Sachverhalt bei Alimentenrückständen. Waren die Kinderalimente bevorschusst, so kann das Kind auf die entsprechenden Guthaben gar nicht verzichten, weil es zufolge
der Legalzession gemäss Art. 289 Abs. 2 ZGB zugunsten des bevorschussenden Gemeinwesens
im Umfang der Bevorschussung gar nicht mehr Gläubiger ist. Handelt es sich um nicht bevorschusste Alimentenrückstände, so ist das Kind in der Tat Gläubiger dieser Forderung. Daran ändert nichts, dass der Elternteil, der dem Kind Obhut und Unterhalt gewährte, zufolge der von ihm
erbrachten Vorleistung einen Rückforderungsanspruch besitzt. Dieser besteht im Innenverhältnis
zwischen ihm und dem Kind. Er berührt das direkte Verhältnis zwischen dem Alimentengläubiger
und dem -schuldner nicht. Der ehemalige Inhaber der elterlichen Obhut müsste also sein Guthaben
dem Kind gegenüber zurückfordern. Er kann dies nicht gegenüber dem Alimentenschuldner tun,
auch wenn er während der Minderjährigkeit des Kindes Zahlungsempfänger war (Art. 289 Abs. 1
ZGB).
4.3 Unterhaltspflicht gegenüber dem volljährigen Kind während dessen Ausbildung
Das Erreichen des Mündigkeitsalters des Kindes stellt eine grosse Zäsur bei den Elternrechten und
-pflichten dar. Während der Unmündigkeit haben die Eltern im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit voraussetzungslos für den Unterhalt ihres Kindes aufzukommen. Sie können aber
unter anderem auch über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen (Art. 301 Abs. 3 ZGB), selbst
wenn sie bereits dann "dem Kind die seiner Reife entsprechende Freiheit der Lebensgestaltung
gewähren" müssen (Art. 301 Abs. 2 ZGB). Mit Eintritt der Volljährigkeit enden die elterlichen Erziehungs- und Bestimmungsrechte gegenüber dem Kind. Aber, als Korrelat dazu ist ab diesem Zeitpunkt die elterliche Unterhaltspflicht keine Unbedingte mehr. Allerdings, und das scheint mir bei der
weiteren Auslegung von Art. 277 Abs. 2 ZGB bedeutend zu sein, betrachtet die neuere Literatur die
Unterhaltspflicht gegenüber einem mündigen Kind, das noch keine Ausbildung besitzt, richtigerweise nicht als Ausnahmefall, sondern vielmehr als normalen Ausfluss der elterlichen Ausbildungspflicht gemäss Art. 302 Abs. 2 ZGB (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 277 N 1; Stettler,
Schweizerisches Privatrecht II/2, 1992, S. 303). Der Art. 276 Abs. 3 ZGB kommt - vor allem in
Bezug auf die Zumutbarkeit - nach Erreichen der Volljährigkeit jedoch verstärkt zum Zuge. Weiter
ist zu Art. 277 Abs. 2 ZGB zu betonen, dass diese verlängerte Unterhaltspflicht in der Regel zwar
auf eine erste berufliche Ausbildung beschränkt ist, dass sie aber sehr wohl auch weiter führen
kann.
Der Begriff „erste berufliche Ausbildung" ist weiter zu fassen, als der Abschluss eines ersten
Berufslehrganges. Vor allem in gerichtlichen Entscheiden findet sich in jüngster Zeit vermehrt eine
Urteilsformulierung, die etwa wie folgt lautet: „Die Alimente sind zahlbar bis zum Abschluss der
Erstausbildung, längstens aber bis zur Mündigkeit." Eine solche Formulierung scheint mir zu begrenzend, ja sogar unstatthaft, weil sie dazu führt, dass das Kind nach einem ersten Berufsabschluss in jedem Falle einen neuen Unterhaltstitel erwirken muss. Dem Art. 302 Abs. 2 ZGB sollte
besser Nachachtung verschafft werden. Danach haben die Eltern dem Kind ja nicht nur eine Erste,
sondern „eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen soweit möglich entsprechende
allgemeine und berufliche Ausbildung zu verschaffen." Als Massstab für die "Angemessenheit"
dienen dabei zum einen die Fähigkeiten des Kindes und zum andern der soziale Stand und die
finanziellen Möglichkeiten der Eltern. Zudem trägt eine derartige Formulierung durch die Gerichte
den Entwicklungen der beruflichen Ausbildung im vergangenen Jahrzehnt nicht Rechnung. Heute
kommt ein erster, beruflicher Abschluss in der Mehrheit der Fälle nicht dem Eintritt in die volle Erwerbsfähigkeit eines jungen Menschen gleich. In immer mehr Berufen erfordert die Berufsausübung nach abgeschlossener Grundausbildung eine Spezialisierung oder eine zusätzliche, ergänzende Ausbildung. Der Abschluss der ersten, vollständigen beruflichen Ausbildung liegt heute
im Schnitt bereits zwischen 23 und 25 Jahren!
Was die Abgrenzung zwischen unterhaltsberechtigender Ausbildung und nicht mehr pflichtiger
Weiterbildung oder Zweitausbildung anbelangt, so beziehe ich mich auf die massgebliche Literatur
bei Breitschmid (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 277 N 12f.), Hausheer/Kocher (Handbuch des Unterhaltsrechts, S. 340ff., Rz 06.65-06.78), Hegnauer (BK-Hegnauer, Art. 277 N 72-86 sowie 119-125),
Stettler, (a. a. O., S. 304ff.) sowie bei Forni (Die Unterhaltspflicht der Eltern nach der Mündigkeit
des Kindes in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ZBJV 1996, S. 429ff., insbes. S. 433ff.).
Doch müsste der Begriff der beruflichen Erstausbildung durch die entscheidenden Instanzen inskünftig weiter gefasst werden. Ein Paradebeispiel dafür scheint mir die Berufsausbildung zum
Autoservicemann zu sein, dem Breitschmid (a. a. O., Art. 277 N 12) bei einer weiteren Ausbildung
die Unterhaltsberechtigung zu Unrecht abspricht (vgl. BGer bei Forni, Die Unterhaltspflicht der
Eltern nach der Mündigkeit des Kindes in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ZBJV 1996,
S. 437). Das BGer sprach dem Autoservicemann nach abgeschlossener Ausbildung die Unterhaltsberechtigung für das Nachholen eines allgemeinen Schulabschlusses ab.
Es ging in diesem Fall aber überhaupt nicht um eine ergänzende oder weiterführende Berufsausbildung). Während meiner Praxis als Chef eines Jugendsekretariates habe ich in einem einzigen
Bezirk mehrmals erlebt, dass ein in unglücklichen familiären oder sozialen Verhältnissen aufgewachsener Jugendlicher mit schlechten Schulleistungen gerade noch den Einstieg in eine Lehre
als Autoservicemann schaffte.
Unter pädagogisch geschickter Führung seines Chefs machte er dann - wie man so schön sagt während dieser Lehre den Knopf auf und füllte schulische Lücken, sodass er nach Bestehen des
Lehrabschlusses eine Zusatzlehre als Automechaniker anfügen konnte. Eine solche weiterführende Berufsausbildung muss meines Erachtens unbedingt weiter zu elterlichem Unterhalt berechtigen. Zum einen ist ein Autoservicemann mit einem normalen Lohn nicht in der Lage, eine
Familie zu ernähren, und zum andern kann es nicht Sache der Allgemeinheit sein, anstelle
wirtschaftlich zu Unterhalt fähiger Eltern eine solche, sicherlich berechtigte und nicht als Luxus zu
bezeichnende Ausbildung zu finanzieren. Ein anderes Beispiel einer voll unterhaltsberechtigten
Ausbildung scheint mir das Folgende darzustellen (immer unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Eltern): Die Ausbildung zum Bauführer bedingt eine vierjährige Maurer- oder
Zeichnerlehre, eine zweijährige Zusatzlehre als Zeichner oder Maurer und anschliessend das Absolvieren der mindestens 1½-jährigen Polierausbildung.
4.4 Unterhaltspflicht bei Auswärtswohnen des volljährigen Kindes
Aufgrund ergangener Gerichtsentscheide sowie der Fachliteratur lässt sich die elterliche Unterhaltspflicht in solchen Fällen wie folgt konkretisieren: Die "Zumutbarkeit" des Art. 277 Abs. 2 ZGB
umfasst zwei Komponenten, die Wirtschaftliche und eine Persönliche.
Das Bundesgericht hat in finanzieller Hinsicht entschieden, dass bei Unterhaltszahlungen für erwachsene Kinder den Eltern auf jeden Fall ein Einkommen verbleiben muss, das den Notbedarf oder das soziale Existenzminimum - um 20% übersteigt (BGE 118 II 97). Relativiert hat das Bundesgericht diese Grenze, wenn der Unterhaltsschuldner neben dem volljährigen Kind auch noch
minderjährigen Kindern Alimente schuldet. Ein solcher Schuldner kann die Bezahlung von Alimenten an das erwachsene Kind nicht mit der Begründung verweigern, dadurch werde in sein um
20% erhöhtes Existenzminimum eingegriffen. Das BGer legitimiert diesen Eingriff mit der gleichzeitigen Unterhaltspflicht gegenüber den weiteren, unmündigen Kindern, um deren Willen bis auf
das Existenzminimum eingegriffen wird (Entscheid 5C.5/2003 vom 8.5.2003; zusammengefasst in
ZVW 2003, S. 444, Nr. ÜR 59-03).
In Bezug auf die persönlichen Aspekte liegen die Verhältnisse schwieriger: Im Jahre 1985 erwog
das Bundesgericht (BGE 111 II 413) Folgendes: Der Umstand, dass das erwachsene Kind aus
dem Elternhaus ausgezogen ist und im Konkubinat lebt, schliesse einen Anspruch auf entsprechende Unterhaltsleistungen nicht aus. Falls - wie das Bundesgericht in jenem Fall aus der
Situation schloss - dem Kind die Rückkehr ins Elternhaus, z. B. wegen der persönlichen
Spannungen, nicht zumutbar ist, hat es sich das Angebot der Eltern, es in ihrem Heim aufzunehmen, nicht anrechnen zu lassen. Ansonsten bejahte das Bundesgericht die Herabsetzbarkeit
des Unterhaltsbedarfs. Die letztere Erwägung des Gerichtes wurde in der Fachliteratur kritisiert, da
sie zu eindimensional und zu einseitig von elterlichen Wohlverhaltensvorstellungen ausginge. In
BGE 113 II 374 führte das Bundesgericht dann aus, das Kind verwirke die Unterhaltsberechtigung
nur, wenn es schuldhaft (d. h. einseitig und unbegründet) seinen Kontaktpflichten gegenüber der
Familie in dem Masse nicht nachkomme, dass keine Beziehung mehr bestehe. Doch habe das
Kind das Recht, einen eigenen Freiraum zu beanspruchen um Eigenverantwortung entwickeln zu
können. Der bedeutendsten Literatur ist Folgendes zu entnehmen: Im Basler Kommentar zum
ZGB, Art. 277 N16, verneint Breitschmid (unter Hinweis auf ein in ZR 1991, Nr. 45, publiziertes
Urteil) das Anrecht des Kindes auf selbstständiges Wohnen nur bei allseitig knappen Verhältnissen. Hegnauer führt im Berner Kommentar zum ZGB, Art. 277 N 98, aus, dass das erwachsene
Kind sich mit derjenigen Unterhaltsvariante begnügen müsse, welche die Eltern am wenigsten belaste. Er relativiert diese Aussage in N 132 jedoch damit, dass die Pflicht des Kindes zu Rücksicht
auf die Eltern nicht auf Kosten seiner Entwicklung zur selbstständigen Persönlichkeit und seines
eigenen Selbstwertgefühls gehen darf.
Aus diesen Quellen lässt sich meines Erachtens das folgende Fazit ziehen: Bei der Frage, ob das
Kind Anrecht auf Deckung eines wegen Auswärtswohnens höheren Unterhaltsbedarfs hat, ist eine
Rechtsgüterabwägung vorzunehmen. Auf der einen Seite hat das Kind die Pflicht, bei der finanziellen Belastung der Eltern auf diese Rücksicht zu nehmen und sie möglichst zu schonen.
Auf der andern Seite hat das Kind - insbesondere das Erwachsene - das Recht auf Freiheit seiner
Lebensgestaltung und auf die Möglichkeit, Selbstständigkeit zu erlernen und zu erproben. Diese
Freiheit ist dann im Elternhaus nicht mehr gegeben, wenn das Kind aus objektivierter Warte heraus
in einer übermässigen, seinem Alter und seiner Reife nicht mehr gerecht werdenden Weise durch
die Eltern kontrolliert, bestimmt und eingeengt wird, oder wenn aufgrund der familiären Situation
von einem anhaltenden Zerwürfnis zwischen den Eltern oder einem Elternteil und dem Kind gesprochen werden muss. Falls das Kind auswärts wohnt, obwohl ihm zu Hause eine geeignete
Unterkunft zur Verfügung stünde, so muss es mindestens das ihm Zumutbare vorkehren, um an
seinen erhöhten Unterhalt beizutragen. Und grundsätzlich kann ein Kind einen erhöhten Unterhaltsbedarf nur dann geltend machen, wenn die Eltern dadurch in ihrer bisherigen Lebenshaltung
nicht wesentlich eingeschränkt werden.
4.5 Unterhalt und Lehrlingslohn
Der zu Geldleistungen für den Kindesunterhalt verpflichtete Elternteil kann den Art. 276 Abs. 3
ZGB nicht direkt dem Kind oder - bei minderjährigen Kindern - der Inhaberin der elterlichen Sorge
gegenüber geltend machen, auch nicht im Rechtsöffnungsverfahren (BK-Hegnauer, Art. 276 N
153). Er ist also nicht schon von Gesetzes wegen ganz oder teilweise von der betragsmässig festgelegten Unterhaltspflicht befreit. Vielmehr ist im Einzelfall unter den konkreten Umständen zu
prüfen, ob und in welchem Umfang allenfalls die bisherigen Alimente herabzusetzen oder aufzuheben seien (BK-Hegnauer, Art. 276 N 149).
In aller Regel ist in Verträgen oder Urteilen über Kindesunterhalt bereits berücksichtigt, dass ein
Kind nach der Schulzeit mit einem Teil seines Lehrlingslohnes an seinen Unterhalt beiträgt. In den
meisten Verträgen oder Urteilen - wenn überhaupt noch gestaffelte Alimente vorgesehen sind - ist
eine letzte Altersstufenerhöhung beim vollendeten 13. Altersjahr vorgesehen. Und diese Erhöhung
bewegt sich meist im Betrag von etwa 100 Franken, während der durchschnittliche Barbedarf des
Kindes bereits in einfachen Verhältnissen mit dem Austritt aus der Volksschule um etwa 300 Franken ansteigt. Früher, als das Mündigkeitsalter noch bei 20 Jahren lag, war in den Standardverträgen noch eine vierte Altersstufenerhöhung beim vollendeten 16. Lebensjahr enthalten.
Vorerst sollten die Beteiligten versuchen, im Gespräch eine Einigung zu erzielen. Kommt keine
Einigung zustande, so muss bei einem bestehenden Unterhaltstitel der Unterhaltsschuldner eine
Abänderung des bestehenden Titels auf dem Gerichtsweg verlangen (Art. 286 Abs. 2 ZGB). Liegt
kein Unterhaltstitel vor, z. B. ein Vertrag oder ein Gerichtsentscheid, welcher die Dauer der Unterhaltspflicht über die Volljährigkeit hinaus bis zum Abschluss der Berufsausbildung oder bis zum
Eintritt in die volle Erwerbsfähigkeit vorsieht, so muss das Kind neu auf Unterhalt klagen (Art. 279
ZGB in Verbindung mit Art. 277 Abs. 2 ZGB).
Beim unmündigen Kind geht die elterliche Unterhaltspflicht der eigenen Bestreitung des Unterhaltes grundsätzlich vor. Deshalb sind dort an die Zumutbarkeit von Eigenleistungen des Kindes
hohe Anforderungen zu stellen: Damit die Eltern (beide gleichwertig!) nicht mehr Unterhaltsleistungen in der bisherigen Höhe erbringen müssen, muss die wirtschaftliche Lage des Kindes
eindeutig besser sein als jene der Eltern (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 276 N 34, mit weiteren Verweisungen). Ist dies der Fall, so soll zudem nach vorherrschender Lehrmeinung in der Regel der
Beitrag des Kindes aus dem Arbeitserwerb an seinen Unterhalt 60% seines Lohnes nicht übersteigen (BSK ZGB I-Breitschmid, Art. 276 N 35). Beim volljährigen Kind ist den Eltern Unterhalt nur
insoweit zuzumuten, als dieses wegen seiner beruflichen Ausbildung nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann. Es hat also vorweg seinen ganzen Verdienst für seinen Unterhalt zu verwenden.
5. Die "gute Unterhaltsklausel"
Ich wurde gebeten, eine gute Formulierung (welche sich auch als vollstreckbar erweist) für eine
Unterhaltsklausel in einem Vertrag oder für eine Klage aufzuzeigen.
Ich kann dafür auf das folgende Buch verweisen: Mustersammlung zum Adoptions- und Kindesrecht, 3. Auflage, Hrsg. Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden. Die Muster Nr. 131
bis 133 enthalten Beispiele für die verschiedenen Klagen, die Muster Nr. 141 und 142 Verträge für
das unmündige, das Muster 143 einen Vertrag für das mündige Kind. Zu bemerken bleibt, dass
diese Mustersammlung derzeit überarbeitet wird und Ende Jahr in einer erweiterten, 4. Auflage
herauskommen soll.
Die Unterhaltsklauseln lauten dabei in allen Mustern praktisch gleich:
1.
Herr ___ verpflichtet sich, für das Kind ___ einen Unterhaltsbeitrag von
Fr. ___ von der Geburt bis zum vollendeten 6. Altersjahr,
Fr. ___ vom 7. bis zum vollendeten 12. Altersjahr,
Fr. ___ vom 13. Altersjahr bis zum Abschluss einer angemessenen Ausbildung, mindestens
aber bis zur Mündigkeit, zu zahlen, zahlbar monatlich im Voraus, bis zur Mündigkeit des Kindes an dessen gesetzlichen Vertreter, danach an das mündige Kind bzw. an einen von ihm
ermächtigten Vertreter.
2.
Herr ___ verpflichtet sich weiter zur Geltendmachung und zusätzlichen Bezahlung gesetzlicher
oder vertraglicher Kinder- und/oder Familienzulagen, sofern diese nicht durch den gesetzlichen
Vertreter des Kindes oder eine andere, vorher bezugsberechtigte Person bezogen werden.
3.
Der Unterhaltsbeitrag beruht auf dem Landesindex der Konsumentenpreise des BFS von ___
Punkten (Stand ___ Monat/Jahr). Er wird im Januar jedes Jahres dem Stand im November des
Vorjahres angepasst, erstmals im Januar 20___.
Der neue Betrag wird wie folgt berechnet:
Beitrag gemäss Ziff. 1 x neuer Indexstand
Indexstand gemäss Ziff. 3 Satz 1
Horgen, 16. Mai 2004
Lic. iur. Albert Guler, Leiter Recht beim Amt für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich