#1#90003#2#2015_70_45 I#3#020

Transcrição

#1#90003#2#2015_70_45 I#3#020
Transport + Logistik Lkw-Maut in Belgien
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BE
Mehrkosten: Lkw-Fahren in
Belgien wird teurer
MAUTTARIFE FLANDERN/WALLONIE
3,5t - 12t
0,146 €
0,126 €
0,095 €
0,074 €
0,074 €
12t - 32t
0,196 €
0,176 €
0,145 €
0,124 €
0,124 €
> 32t
0,200 €
0,180 €
0,149 €
0,128 €
0,128 €
Satellic
Euro 0-1-2
Euro 3
Euro 4
Euro 5
Euro 6
Angaben in Euro/km
Belgien bittet zur Kasse
Auch Belgien erhebt künftig
eine Lkw-Maut. Am 1. April 2016
wird es ernst. Das belgische
Transportgewerbe rechnet mit
einer drastischen Verteuerung
von mehreren Hundert Prozent.
A
b 1. April nächsten Jahres müssen
Lkw auf belgischen Autobahnen und
Fernstraßen eine streckenabhängige
Maut bezahlen. Damit sollen ausländische
Fuhrbetriebe, die für nahezu die Hälfte des
Güterverkehrs in Belgien verantwortlich
sind, stärker zur Finanzierung der Straßen
herangezogen werden. Allerdings ist damit
auch für die einheimischen Spediteure eine
deutlich höhere Belastung verbunden.
Mehr zum Thema finden Sie
im Dossier „Belgien“
www.verkehrsrundschau.de/dossiers
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45/2015 VerkehrsRUNDSCHAU
Mitte Juni blockierten deshalb Dutzende
schwere Lkw den Brüsseler Innenstadtring, um gegen die neue Maut zu protestieren. Nach den Berechnungen des nationalen Branchenverbandes Febetra muss
ein schwerer Lkw, der 80.000 Kilometer im
Jahr auf dem belgischen Fernstraßennetz
zurücklegt, 10.240 Euro „Straßensteuer“
bezahlen. Im Vergleich zur gegenwärtig
fälligen Eurovignette, die zwischen 750
und 1250 Euro im Jahr kostet, sei das eine
Steigerung von mehr als 800 Prozent (für
einen schweren Lkw).
Eurovignette wird nicht billiger
Die Eurovignette müssen belgische Transporteure aber womöglich weiterhin zahlen, zumindest, wenn sie die Autobahn in
Luxemburg, in den Niederlanden, in Dänemark oder in Schweden nutzen. Diese
Länder bilden zusammen mit Belgien bislang einen „Mautverbund“. Beim Betreiber der Eurovignette, der in Langenfeld
ansässigen Firma AGES, sieht man keinen
Grund, die Eurovignette billiger zu machen. Schließlich habe man die Tarife seit
1999 nicht erhöht. Wer seine Eurovignette
ab April nicht mehr braucht, erhält für die
ungenutzten Monate eine Erstattung.
Die Proteste der Branche haben Wirkung
gezeigt. Die Provinzregierung der Wallonie kündigte im Sommer Ausgleichsmaßnahmen für das Transportgewerbe von
23 Millionen Euro an. So soll die Kraftfahrzeugsteuer für Fahrzeuge bis 12 Tonnen entfallen und für größere Fahrzeuge
auf den europäischen Mindestsatz gesenkt
werden. Bei der Anschaffung umweltfreundlicher Fahrzeuge will die Regierung
zudem die Unternehmen unterstützen.
Tatsächlich fällt also die Kostensteigerung
für die belgischen Speditionen nicht ganz
so drastisch aus, wie die oben genannten
Zahlen es auf den ersten Blick vermuten
lassen.
Die Tarife für die Benutzung der belgischen Fernstraßen hängen ab 1. April vom
Gewicht und von der Schadstoffklasse ab.
Ein kleinerer Lkw (3,5 bis 12 Tonnen) der
Euro-6-Norm muss auf den Fernstraßen
in Flandern und der Wallonie 7,4 Cent pro
Kilometer bezahlen, ein schweres Fahr-
Lkw-Maut in Belgien Transport + Logistik
zeug (über 32 Tonnen) der gleichen
Schadstoffklasse 12,8 Cent. In den
schlechteren Schadstoffklassen (0, 1, 2)
bewegen sich die Sätze zwischen 14,6 und
20 Cent pro Kilometer (siehe Tabelle Seite
20). Im Stadtgebiet von Brüssel werden
etwas höhere Sätze fällig.
Das belgische Institut für Transport & Logistik (ITLB) hat errechnet, dass Straßentransporte in Belgien dadurch um acht
Prozent teurer werden, in Brüssel sogar
um mehr als zwölf Prozent. „Diese Mehrkosten müssen wir an unsere Kunden weitergeben“, sagt Febetra-Sprecherin Isabelle de Maegt. Denn nach den belgischen
Gesetzen dürfe eine Transportfirma keine
Preise kalkulieren, die unter den Kosten
liegen.
Trotzdem rechnet de Maegt nicht damit,
dass es zu einer größeren Verlagerung von
Verkehrsströmen kommt. Für die allermeisten Transporte mache es wenig Sinn,
auf mautfreie Nebenstraßen auszuweichen, weil die längeren Fahrzeiten zu noch
höheren Kosten führen würden. Verlagerungen auf die Bahn seien wegen der geringen Entfernungen zumindest in Belgien nicht zu befürchten.
Kaution von 135 Euro hinterlegen. Die
bekommt er zurück, wenn er das Gerät
nicht mehr braucht – und wenn es unversehrt ist. UTA übernimmt auch administrative Aufgaben für die Fahrzeughalter
wie die Registrierung jedes Fahrzeugs im
Nutzerportal. Bislang sei die Nachfrage
trotz eines Frühbucherbonus von 50 Euro
je OBU jedoch gering, heißt es bei UTA.
Die meisten Firmen, die Transporte auf
belgischen Straßen durchführten, würden
wegen der Kaution erst Anfang nächsten
Anzeige
Mautberechnung
präzise und schnell
Eine OBU ist Pflicht in Belgien
Dem Betreiber des Mautsystems, der TSystems-Tochter Satellic, wirft die Febetra
vor, dass die Maut nur mit Kredit- oder
Tankkarte bezahlt werden kann, was zusätzliche Kosten verursache. Tatsächlich
muss jeder Lkw, der ab 1. April 2016 eine
belgische Mautstraße befährt, mit einer
On-Bord-Unit (OBU) ausgestattet sein.
Deutsche Transportunternehmen erhalten
eine OBU ab sofort beispielsweise bei
Tankkartenanbietern wie UTA. Für jede
OBU muss der Fahrzeughalter dort eine
Jahres eine OBU ordern (zur Mauterhebung siehe Kasten unten).
Grundsätzlich steht man der streckenabhängigen Maut in Belgien aufgeschlossen
gegenüber. Sie sei besser für den Wettbewerb, weil jeder Lkw das Gleiche bezahlt.
Und sie sei besser für die Umwelt als die
Vignette, weil Vielfahrer keinen Vorteil
mehr haben. Allerdings muss die belgische
Maut den Anforderungen der europäi-
schen Wegekostenrichtlinie entsprechen.
Danach dürfen die Belgier nur die Kosten
für den Bau und den Unterhalt ihrer Straßen in Rechnung stellen. Der Finanzminister der Wallonie, Christoph Lacroix,
sieht da kein Problem: „Die Einnahmen
aus der Lkw-Maut werden vollständig für
den Bau und den Unterhalt unserer Straßen eingesetzt.“
Lkw ab 3,5 Tonnen müssen zahlen
Die neue Maut wird zu beträchtlichen
Mehreinnahmen für die Regionen führen.
Für 2016 veranschlagt Lacroix aus der
streckenbezogenen Maut 220 Millionen
Euro im Jahr. Abzüglich der höheren Vertriebskosten von 50 Millionen Euro verbleiben 170 Millionen Euro im Jahr. Aus
dem Verkauf der Eurovignetten erhält die
Wallonie bislang 46 Millionen Euro. Flandern rechnet mit Mauterlösen von 310
Millionen Euro im Jahr.
Zu den Mehreinnahmen trägt bei, dass
von der streckenbezogenen Maut deutlich
mehr Fahrzeuge erfasst werden als von der
Eurovignette. In Zukunft werden auch
kleinere Lkw zwischen 3,5 und 12 Tonnen
zur Kasse gebeten. Hinzu kommt, dass die
Wallonie im Vergleich zur Eurovignette
auf 300 Kilometern mehr Maut erhebt,
„um Ausweichverkehr zu verhindern“, wie
es heißt.
In Flandern wird die streckenbezogene
Maut dagegen auf weniger Kilometern erhoben als die Eurovignette. Aber dabei
muss es nicht bleiben. „Wenn der Verkehr
auf einer Strecke um mehr als 20 Prozent
zunimmt“, sagt der flämische Verkehrsminister Ben Weyts, „werden wir auf diesen
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Straßen ebenfalls Maut erheben.“
Tom Weingärtner, Korrespondent in Brüssel
DIE MAUTERHEBUNG IN BELGIEN: SO FUNKTIONIERT ES
Die On-Board-Unit (OBU) muss auf dem
gesamten belgischen Territorium eingeschaltet sein, auch wenn der Lkw eine Straße
befährt, die nicht mautpflichtig ist. Der Fahrzeughalter muss die OBU selbst im Fahrzeug
installieren und haftet dafür, dass die richtige
Schadstoff- und Gewichtsklasse eingestellt ist.
Auf den Autobahnen sollen bis April 40 Mautbrücken errichtet werden, um Schwarzfahrer
dingfest zu machen. Die belgischen Behörden
wollen die Mautpflicht außerdem mit mobilen
Kontrollen überprüfen. Mautpreller müssen mit
einem Bußgeld bis zu 1000 Euro rechnen.
Satellic
Mautprellern droht ein Bußgeld in Höhe von 1000 Euro
So sieht die belgische OBU aus
Die Abrechnung der Maut kann über Dienstleister wie den Tankkartenanbieter UTA erfolgen. Der Fahrzeughalter erhält von UTA eine
monatliche Abrechnung über die gefahrenen
Kilometer, aber nicht über den genauen Stre-
ckenverlauf. Das diene ebenso wie die Verschlüsselung der Datenübertragung dem
Schutz der Privatsphäre der Fahrer, heißt es bei
dem Unternehmen. UTA bietet den genauen
Streckenverlauf allerdings als kostenpflichtigen Zusatzservice an.
Unternehmen, die das Straßennetz regelmäßig
benutzen, dürften mit dem Einsatz der OBU nach
ein paar Monaten keine Probleme mehr haben.
Unklar ist, wie benutzerfreundlich das System für
Firmen ist, die nur gelegentlich nach Belgien
kommen. Sie müssen sich die OBU an der Grenze
besorgen und der Aufwand dafür könnte für einzelne Aufträge hoch werden. Die EU-Kommission
könnte darin eine Behinderung des freien
Dienstleistungsverkehrs erkennen. tw
VerkehrsRUNDSCHAU 45/2015
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