Die Asche meiner Mutter

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Die Asche meiner Mutter
Kolloquium "Literatur und Schule"
Protokoll der Sitzung vom 23.1.01
Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter
Von der Möglichkeit, besonders eindrückliche oder interessante Passagen des Textes
vorzulesen, wurde von den wenigen Anwesenden so umfassend Gebrauch gemacht, dass sich
der Diskussionsleiter zum Abbruch dieses Teils genötigt sah.
Im "Blitzlicht" wurden positive Leseeindrücke wiedergegeben: Beeindruckend, packend,
rührend, unglaublich ergreifend, begeisternd, aber auch: zu lang.
Das Gespräch kam immer wieder auf die Ebene dieser Eindrücke: Der Text wurde als eine
merkwürdige Mischung aus anrührender Traurigkeit und humorvoll-witzigen Szenen
beschrieben. Die bedrückenden Aspekte wie der Tod, die Armut, die Hoffnungslosigkeit der
Kinder wird im Text durch den Witz, die Situationskomik und das gute Ende - zumindest für
den Ich-Erzähler - in der Schwebe gehalten. Begriffe wie bitter, wahr, authentisch erschienen
immer wieder.
Anhand einzelner Themen des Textes wurde eher mit als über ihn gesprochen: der
Katholizismus in seiner spezifisch irischen Variante, das langsame "Wegdriften" des Vaters
von der Familie, die Ambivalenz in der Irland-Erinnerung zwischen wehmütiger Anziehung
und dem Glück des Entkommens usw. Es wurde von der filmischen Umsetzung des Stoffs
erzählt.
Wie schafft es der Autor, so nahe an seine Kindheit zu kommen? Beobachtungen: Von S. 10
an gebraucht der Text durchweg das Präsenz. Die Dynamik kommt durch zeitliche Sprünge,
die Szenen zusammen raffen, und thematische Abbreviaturen zustande. Die Szenen sind
bildorientiert, zitatorientiert, auf einen Begriff, ein Bonmot hin orientiert ("Italien" für die
obere Etage des unter Wasser stehenden Hauses) , manchmal so zielstrebig wie eine Pointe wie Erinnerungen auch. Trotz dieser z.T. antichronologischen, reihenden Struktur ist es ein
sehr gut lesbarer Text.
Was hält die Leserin, den Leser wohl so lange so gebannt bei der Stange? Das Bewusstsein,
dass der Protagonist überlebt, spielt gewiss eine Rolle. Die Spannungskurve schien uns auch
nach hinten hin abzufallen: Mit der Entfernung des Protagonisten von seiner Kindheit
entfernen sich auch die LeserInnen mehr von ihm.
(Fast?) alle Anwesenden waren sich darin einig, dass der Text für den Unterricht attraktiv ist,
und außerdem darin, dass seine Länge für manche SchülerInnen nicht mehr im Bereich des
Akzeptablen liegt. In der Komik, im Thema, im Stil, in den Raffungen sahen wir durchweg
Gründe, das Buch zu lesen - bis auf seine Dicke wurden keine weiteren Hürden genannt. Es
schlossen sich methodische Vorschläge an: zunächst vorlesen, dann die weitere Lektüre
freistellen und/oder immer mal wieder Kapitel vorlesen und/oder in Patenschaften von
Viellesern und "Lesefaulen" eine gemeinsame Basis bei allen SchülerInnen anstreben, über
die Filmusik und/oder Rezensionen einzusteigen.
cr