energiewirtschaftliche

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energiewirtschaftliche
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE
TAG E S F R AG E N
ZEITSCHRIFT FÜR ENERGIEWIRTSCHAFT · RECHT · TECHNIK UND UMWELT ONLINE · 2015
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE
TAG E S F R AG E N
STRATEGIE
ZUKUNFT
ERFOLG
WIE ZUKUNFTSORIENTIERT SIND
DEUTSCHE EVU?
FIT FÜR DIE
NÄCHSTE PHASE
DER ENERGIEWENDE
NEUE GESCHÄFTSMODELLE FÜR NEUE
ENERGIE
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An Land arbeiten wir bereits an mehr als 2.000 Kilometern neuer Leitungen. In den nächsten zehn Jahren
bauen wir unser Netz weiter aus, der Gesetzgeber gibt
uns den Weg vor. Als größter Investor der Energiewende ist es unser Ziel, die Versorgungssicherheit
auch im neuen Energiezeitalter zu gewährleisten.
Wir freuen uns, die Energiewende voranzubringen.
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EDITORIAL
CHANCEN IN ERFOLGE VERWANDELN
Liebe Leserin, lieber Leser,
eines dürfte heute im Bereich EVU-Vertrieb klar sein. So wie bisher geht es nicht weiter. Mit dem Energieverkauf
und ein paar Beratungsleistungen wird man in der Zukunft nicht weit kommen. Das alte Geschäftsmodell steht
schon länger auf dem Prüfstand. Es gilt, die dezentrale Energieproduktionswelt mit vielen neuen Akteuren und
daraus resultierendem Systemintegrationsbedarf in dem Sinne zu bearbeiten, dass sowohl der Kunde bei seiner
Eigenproduktion und in der Vermarktung von Überschüssen unterstützt, als auch Wertvolles für die Balance des
Stromsystems geleistet wird.
Aber nicht nur das, ebenso kommt es darauf an, gemeinsam mit dem Kunden Sektorgrenzen zwischen Strom,
Wärme und Verkehr (Wärmepumpen, Mikro-KWK und Elektromobilität) zu überschreiten und auch dabei etwas
für die Systembalance zu tun. Wenn daraus Geschäftsfälle entwickelt werden können, ist die Bewirtschaftung der
Energiewende gelungen.
Im vorliegenden online-Special haben wir eine kleine Auswahl von in diesem Jahr in der „et“ erschienenen Artikeln
zusammengestellt, die paradigmatische Bausteine dafür liefern. Es startet mit mit der Vorstellung eines zentralen
Instruments des Strategischen Managements (Corporate Foresight) und schließt mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen
für Geschäftsmodelle einer öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Dazwischen wird in verschiedenen
Beiträgen gezeigt, wie über die Digitalisierung erfolgversprechende Geschäftsprozesse entwickelt werden können.
Hierfür gibt es jedoch keine Blaupause. Jedes Unternehmen wird sein individuelles Modell kreieren und ans Laufen
bringen müssen. Dabei wird es nicht alles selbst machen, sondern passende Partner suchen. Bei alldem sind
Stringenz und Schnelligkeit Trumpf.
Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen
Franz Lamprecht
Chefredakteur „et“
INHALTSVERZEICHNIS
STRATEGIE & MANAGEMENT
Bernd Eggers und Christian Buske
Corporate Foresight: Wie zukunftsforientiert sind deutsche EVU?
2
Christian Growitsch et al.
Die Energiewirtschaft im Wandel – Herausforderungen und Strategien der
Energieversorgungsunternehmen
8
Cem Misirlioglu
Organisatorische Innovationen: Anpassungsnotwendigkeit der EVU an den liberalisierten Markt 12
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Thomas Weishaupt
Neue Geschäftsmodelle für neue Energie
18
Stephan Franz
Fit für die nächste Phase der Energiewende: Durch Speicher und Digitalisierung erfolgreiche
Geschäftsmodelle finden
22
Roberto Greening
Neue Generation virtueller Kraftwerke ebnet Stadtwerken den Weg
25
Michael Haag und Andrej Cacilo
Geschäftsmodelle öffentlicher Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge
28
Impressum
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
32
1
STRATEGIE & MANAGEMENT
Corporate Foresight: Wie zukunftsorientiert sind
deutsche EVU?
Bernd Eggers und Christian Buske
Branchenübergreifend streben Unternehmen danach, ihre zukünftige Entwicklung und Tätigkeitsschwerpunkte strategisch zu
planen. Entsprechend hat sich in den letzten Jahren das Strategische Management als Konzept etabliert, welchem insbesondere in dynamischen Marktumfeldern eine außerordentliche Bedeutung zugesprochen wird. Corporate Foresight (CF) als ein
zentrales Instrument des Strategischen Managements dient der Vorbereitung von Entscheidungsträgern auf eine ungewisse
Zukunft und kann entsprechend als die Intensität, mit der Unternehmen sich mit der Zukunft auseinandersetzen, verstanden
werden. Eine aktuelle Studie liefert erste Erkenntnisse zum Einsatz von CF in Energieversorgungsunternehmen (EVU).
Zur Bewältigung von Diskontinuitäten in einem turbulenten Marktumfeld haben Unternehmen verschiedene Handlungsoptionen:
Entweder können sie nach dem Eintreten einer Umweltveränderung dieser mit einem effektiven Ad-Hoc-Management begegnen oder
frühzeitig versuchen präventiv und antizipativ Chancen und Gefahren zu erkennen und
entsprechend hierauf zu reagieren. Der zweite Ansatz wird in der Management-Literatur
als erfolgsversprechender angesehen [1].
Vor dem Hintergrund der Energiewende
erscheint das Strategische Management geradezu ideal auf die Energiebranche zugeschnitten zu sein, da mit diesem Konzept das
Unternehmensziel, eine zukunftsweisende
Unternehmensstrategie zu erarbeiten und
umzusetzen, verfolgt wird. Ein Schwerpunkt
ist hierbei die vorausschauende Umfeld- und
Unternehmensanalyse. An dieser Stelle verschmelzen die Konzepte des Strategischen
Managements mit dem des CF [2], das an die
Idee der „Weak Signals“ von Ansoff sowie der
Strategischen Frühaufklärung anschließt.
Insbesondere birgt CF das Potenzial, die
vielfältigen Marktwechselwirkungen der
Energiebranche zu analysieren, um darauf
aufbauend einen Beitrag zur strategischen Zukunftsausrichtung von EVU zu leisten [3]. Aktuelle Studien zeigen, dass die meisten EVU
in Anbetracht dieser Unsicherheiten und Herausforderungen bisher kaum klare Zukunftsstrategien gefunden haben und sich dies zu
einer bedrohlichen oder sogar existenzgefährdenden Situation entwickeln kann [4].
Repräsentative Befragung
Im Rahmen einer Studie der SteinbeisHochschule Berlin zur CF-Reife von deut2
schen EVU konnten 100 EVU für eine telefonische Befragung gewonnen werden. Bei der
nachgelagerten Fallstudie wurden 18 EVU
genauer analysiert.
Telefonisch befragt wurden klassische deutsche Stadtwerke. Die Großen Vier (E.ON,
RWE, EnBW und Vattenfall Europe) wurden
aufgrund ihrer vielfältigen Besonderheiten
nicht berücksichtigt. Von den 100 teilnehmenden EVU beschäftigen 53 EVU weniger
als 100, 34 EVU zwischen 101 und 500 und
12 EVU mehr als 500 Mitarbeiter. Die teilnehmenden EVU spiegeln somit eine repräsentative Auswahl der Grundgesamtheit der
Energiebranche wider [5].
Interviewpartner bei beiden Studien waren überwiegend leitende Mitarbeiter oder
Mitglieder der Geschäftsführung bzw. des
Vorstands. Bei der telefonischen Datenerhebung wurde Kontakt zu Ansprechpartnern
aufgenommen, die angaben, sich intensiv
mit der Zukunft ihres EVU auseinanderzusetzen. 57 % der Teilnehmer waren organisatorisch dem Vertrieb bzw. Marketing und
jeweils 11 % der Innovations-/Zukunftseinheit oder der Strategieeinheit zugeordnet.
Die restlichen 5 % gaben unterschiedliche
Zuordnungsbereiche wie Controlling, IT
oder Öffentlichkeitsarbeit an. Bei der vertiefenden Fallstudie wurden 18 Ansprechpartner persönlich interviewt und weitere
Dokumente (Geschäftsberichte, Unternehmensinformationen) ausgewertet.
Aufbauorganisation von
Corporate Foresight
65 % der EVU beschäftigen sich regelmäßig
mit der Zukunftsausrichtung ihres Unternehmens, 51 EVU haben diese Tätigkeit da-
bei fest an spezielle Mitarbeiter übertragen.
Davon führen 37 EVU CF in Projektgruppen
durch; die Projektrealisierung findet dabei
zumeist in Einzelprojekten oder zeitlich begrenzten Projektgruppen statt. In weiteren
24 EVU bestehen feste Einheiten, welche
zumeist in Teams oder Abteilungen, sowie
vereinzelt in Stabstellen, organisiert sind.
Die Anzahl der sich mit der Zukunftsorientierung beschäftigenden Mitarbeiter ist in
hohem Maße von der Unternehmensgröße
abhängig. Bei EVU mit mehr als 1 000 Mitarbeitern befassen sich teilweise mehr als
20 Mitarbeiter schwerpunktmäßig mit der
Zukunftsorientierung, die meisten kleinen
Unternehmen hingegen beschäftigen keine
eigenen CF-Mitarbeiter. Im Schnitt befassen
sich drei bis fünf Mitarbeiter mit der Gestaltung der Zukunft. Einige EVU nutzen zudem
die Dienstleistungen und das Know-how von
Stadtwerkekooperationen.
Die ergebnisorientierte Beschäftigung mit
der Zukunft findet bei mehr als der Hälfte der EVU erst seit weniger als 10 Jahren
statt. Entsprechend kann eine Bedeutungszunahme von CF seit der Liberalisierung
bestätigt werden. Gründe, sich mit der
Zukunft auseinanderzusetzen, wurden in
beiden Studien auf den im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes stattfindenden Wandel und den daraus resultierenden
Wettbewerbsdruck sowie die angespannte
wirtschaftliche Lage zurückgeführt. Dies
legt nahe, dass der externe Kontext einen
Einfluss auf die CF-Reife aufweist. Zudem
wurde auch das Top-Management als Auslöser, zumeist nach einem Führungswechsel,
genannt. 13 EVU gaben an, sich auch ohne
konkreten Auslöser aktiv mit der Zukunft
auseinanderzusetzen.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
STRATEGIE & MANAGEMENT
gender Fragestellung und Antwortmöglichkeiten erhoben wurde:
■ „Wie schätzen Sie die weitere Verwendung der Ergebnisse aus den Projektgruppen/CF-Einheiten ein?“
■ Level 1: „keine Verknüpfung mit Folgeprozessen“;
■ Level 2: „Unregelmäßige Berücksichtigung bei unterschiedlichen Projektplanungen“;
■ Level 3: „Regelmäßige Berücksichtigung bei unterschiedlichen Projektplanungen“;
■ Level 4: „Direkte Anbindung an die
Unternehmensentwicklung über definierte
Prozesse“.
Abb. 1
Dimensionen und Indikatoren des CF-Reifegradmodells
Messung des Reifegrades
der Zukunftsorientierung
Um Aussagen über den CF-Reifegrad
von EVU treffen zu können, wurde in einem ersten Arbeitsschritt ein Modell für
die Messung des CF-Reifegrads von EVU
adaptiert und auf dessen Validität und Reliabilität überprüft [6]. Die Beurteilung des
CF-Reifegrades von EVU basiert auf fünf
Dimensionen mit insgesamt 18 Indikatoren,
wie Abb. 1 zeigt. Nach dem Eliminieren von
zwei Indikatoren erweist sich das Modell
nach statistischer Analyse mittels einer
konfirmatorischen Faktorenanalyse als reli-
abel und valide. Entsprechend ist das modifizierte CF-Reifegradmodell zur Beurteilung
der Zukunftsreife von EVU geeignet, dessen
Plausibilität auch die Fallstudienteilnehmer
bestätigten.
Zur Operationalisierung wurden alle Indikatoren auf einer vierstufigen Skala qualitativ beschrieben. Level eins ist dabei mit
„schwach“ oder „rudimentär“, Level zwei
mit „fortgeschritten“, Level drei mit „guter
Reife“ und Level vier mit „Best-Practice“
gleichzusetzen. Zur Erläuterung soll hier
beispielhaft der Indikator „Integration in
andere Prozesse“ dienen, der anhand fol-
Durch das CF-Reifegradmodell ist die Bestimmung eines individuellen CF-Reifegrades möglich. Auch kann ein Benchmarking zu anderen EVU realisiert werden.
Auf Basis der qualitativ beschriebenen Level-Ausprägungen können die EVU direkt
Optimierungshinweise für ihre CF-Reife
ableiten.
Lücke zwischen Notwendigkeit
und praktischer Umsetzung
Während die Beschäftigung mit zukunftsrelevanten Themen als sehr relevant eingeschätzt wird (83 Nennungen), spiegelt sich
diese Beurteilung nur bedingt im durchschnittlichen CF-Reifegrad wieder. In der
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3
STRATEGIE & MANAGEMENT
Tab.: Durchschnittlicher Reifegrad je Dimension von EVU
Dimension
Mittelwert
Standardabweichung
Prozesse und Struktur
2,13
0,95
Informationsnutzung
2,25
0,50
Akteure und Netzwerke
2,65
0,81
Methodenspektrum
2,35
0,71
Kultur
2,75
0,70
Gesamt (n:100)
2,42
0,70
Tabelle ist der empirische Reifegrad pro Dimension aufgeführt.
Die CF-Reife von deutschen EVU zeigt
sich auf einem moderat ausgeprägten Niveau. „Prozesse und Strukturen“ sind am
schwächsten ausgeprägt; unter anderem
ist dies darauf zurückzuführen, dass viele
zumeist kleinere EVU aufgrund fehlender
Ressourcen nur eingeschränkte Möglichkeiten haben, sich strukturiert mit der Zukunft
zu befassen. Auch konnte allgemein eine
schwache formale Kommunikation von Zukunftserkenntnissen (Mittelwert 1,67, Standardabweichung 0,78) identifiziert werden.
Obwohl die EVU zunehmend die Notwendigkeit einer breiten Umfeldanalyse (Indikator
Analysetiefe: Mittelwert 3,01, Standardabweichung 0,56) erkennen und auch das erweiterte Geschäftsumfeld vermehrt scannen
bzw. monitoren, ist die „Informationsnutzung“ ebenfalls schwach ausgeprägt. Eine
Ursache hierfür liegt in der geringen Anzahl
der Informationsquellen, die bei der Analysephase von CF ihre Anwendung finden.
Durchschnittlich gaben die Befragungsteilnehmer lediglich 3,9 Informationsquellen an.
Auch ist der Zeithorizont, mit dem die EVU
die Zukunft planen, sehr stark von der kurz(90 Nennungen, Zeithorizont 1-3 Jahre) bis
mittelfristigen (39 Nennungen, Zeithorizont
3-5 Jahre) operativen Wirtschaftsplanung
geprägt. Die Dimension „Kultur“ weist mit einem Wert von 2,75 die höchste Ausprägung
auf. Insbesondere kleinere EVU können hierdurch einige Defizite in den strukturellen Dimensionen kompensieren.
Bei der nachgelagerten Diskussion im Rahmen der Fallstudie konnten zwar sieben
von 18 Befragten diese Ergebnisse durchaus
nachvollziehen, bemerkenswert ist jedoch,
dass sechs Interviewpartner die CF-Reife
als zu positiv bewertet eingestuft haben.
Weitere fünf argumentierten, dass die Ener4
giebranche insgesamt wenig zukunftsorientiert aufgestellt sei und nach einer Perspektive suche. Insofern bestätigt auch diese
Studie erneut die schon seit vielen Jahren
beschriebene Lücke zwischen wissenschaftlich begründeter Notwendigkeit von CF und
praktischer Umsetzung [7].
Gestaltungshinweise zur
Erhöhung der CF-Reife
Im Rahmen der multiplen Fallstudie wurden Maßnahmen zur Reduzierung der geschilderten Defizite diskutiert, welche in die
nachfolgenden Gestaltungshinweise eingeflossen sind.
Struktur des CF-Prozesses
Die durchgeführte Prozessanalyse im Rahmen der Fallstudie zeigt auf, dass lediglich
bei einem EVU ein strukturierter CF-Prozess
realisiert wird. Dieser Best-Practice-Prozess
beinhaltet das Scannen sowohl des nahen, als
auch des entfernten Geschäftsumfelds: Als
relevant identifizierte Zukunftsthemen werden anhand definierter Kriterien ausgewählt
und im weiteren Verlauf intensiv analysiert.
In sehr unterschiedlicher Intensität und anhand verschiedenster Organisationsformen
setzten sich aber auch nahezu alle weiteren EVU mit der Zukunft auseinander. Für
eine praktikable Umsetzung von CF sollten
auf oberster Führungsebene turnusmäßig
Meetings zur strategischen Zukunftsausrichtung stattfinden. Hierin sollten wiederum explizit Zukunftsthemen, die von den eigenen
Führungskräften einzubringen sind, diskutiert werden. Bei der Bearbeitung von konkretisierten Themenfeldern bieten sich, nach
Einschätzung der Fallstudienteilnehmer, Arbeitsgruppen mit heterogener Zusammensetzung an, welche relevante Meilensteine mit
einem Lenkungskreis abstimmen. Externe
Berater können sowohl bei der Themenfin-
dung als auch bei der Umsetzung unterstützen. Insgesamt sehen Branchenexperten die
Umsetzung der identifizierten Themen in besonderem Maße als erfolgskritisch an. Insbesondere größere EVU laufen dabei Gefahr, an
einem „Bereichsdenken“ zu scheitern.
Formale Kommunikation
In der telefonischen Breitenbefragung offenbarte sich eine unbefriedigende formale
Kommunikation von Zukunftserkenntnissen
innerhalb des Unternehmens. Konkret ist bei
diesem Indikator das häufige Fehlen einer
Rückkopplungsmöglichkeit zu bemängeln.
Gleichzeitig wurde die herausragende Bedeutung der formalen Kommunikation über
Strategie- und Zukunftsthemen bei den Fallstudieninterviews betont. Eine persönliche
Einbeziehung der Mitarbeiter in kleinen
Teamrunden oder speziellen Workshops
ist dabei größeren (Betriebs-)Versammlungen vorzuziehen, da bei letzteren Rückmeldungen nur eingeschränkt möglich sind.
Turnusmäßige Newsletter, regelmäßig aktualisierte Intranet-Beiträge oder auch Plakataktionen können zudem den Informationsfluss gewährleisten oder die persönliche
Kommunikation unterstützen.
Informationsquellen
Durchschnittlich wenden EVU 3,9 unterschiedliche Informationsquellen bei der Bearbeitung von Zukunftsthemen an, was von
den Fallstudienteilnehmern als eine sehr geringe Anzahl eingestuft wurde. EVU sollten
bestrebt sein, die Anzahl der zur Verfügung
stehenden Informationsquellen zu erweitern.
Exklusive Informationsquellen, wie persönliche Netzwerke oder der Kontakt zu Kunden
(auch über einen kanalisierten Informationsfluss der Vertriebsmitarbeiter), kommt
dabei eine besondere strategische Bedeutung
zu. Der Blick in andere Branchen und eine
gute Informationsautomatisierung/-filterung
(Newsletter, Arbeitskreise, Google-Alerts)
werden ebenfalls als hilfreich eingeschätzt.
Zeithorizont
EVU wenden überwiegend einen kurz- bis
mittelfristigen Planungshorizont an, der
sich stark an dem Rahmen der Wirtschafts-
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STRATEGIE & MANAGEMENT
planung orientiert. CF als Konzept ist auf
einen langfristigen Zeithorizont ausgelegt
und empfiehlt eine Integration weiterer
Zeithorizonte, was nur vereinzelt von EVU
umgesetzt wird.
In der Diskussion mit den Fallstudienteilnehmern wurde deutlich, dass diese
mehrheitlich einen zweistufigen Planungshorizont fordern. Wünschenswert ist eine
Langfriststrategie/-vision (z. B. auf Basis
von Szenarien), die in einer kurz- bis mittelfristigen operativen Wirtschaftsplanung
operationalisiert wird.
Dilemma zwischen Planung
und disruptiver Energiepolitik
In der telefonischen Befragung wurde auch
der Einfluss externer und interner Kontextfaktoren erhoben. Die unbeständige Energiepolitik und -gesetzgebung sowie die daraus
resultierende unternehmerische Unsicherheit werden in hohem Maße als unbefriedigend empfunden. Während das langfristige
Ziel der europäischen Energiepolitik durchaus als beständig eingeschätzt wird, gefährden gesetzlich geänderte Parameter (bspw.
EEG-Fördersätze) die Wirtschaftlichkeit diverser Investitionsprojekte.
Aus der Diskussion mit den Fallstudienteilnehmern zum Umgang mit diesem Di-
lemma kann folgender Gestaltungshinweis
abgeleitet werden: Ein intensives Monitoren (oder Gestalten) der Energiepolitik und
der relevanten Gesetzesentwürfe auf EUund Bundesebene ist (z. B. über Verbände
oder Kanzleien) anzustreben. Das eigene
Unternehmen soll darauf vorbereitet sein,
schnell und flexibel auf Veränderungen zu
reagieren. Dies kann durch vorgedachte
Handlungsalternativen oder Szenarien unterstützt werden.
Innovationsorientierung
im Management
Die CF-Reife wird aber nicht nur vom externen Kontext, sondern in hohem Maße auch
von unternehmensspezifischen Faktoren
beeinflusst. Neben der Unternehmensgröße konnten vor allem die Innovationsorientierung und die Unterstützung des Top
Managements als relevante Einflussgrößen
identifiziert werden.
So erfahren EVU einen „CF-Schub“, wenn die
oberste Führungsebene bei gelebter Vorbildfunktion und persönlichem, zeitlichen Invest
dafür Sorge trägt, eine offene (fehlertolerierende) und innovationsfördernde Unternehmenskultur zu etablieren. Im Arbeitsalltag
sind dabei Freiräume und ein Know-howTransfer einzuräumen und eine systematische Bearbeitung von Ideen zu fördern.
Sicherung des
Unternehmensfortbestands
In der wissenschaftlichen Literatur wird ein
vielfältiger Nutzen von CF beschrieben. Häufig wird CF eine strategische Unterstützungsfunktion zugesprochen, z. B. beim Aufbau
von Orientierungswissen oder dem Vorbereiten von strategischen Entscheidungen [8].
In beiden empirischen Studien leiteten die
Teilnehmer aus der Beschäftigung mit der
Zukunft überraschend intensive Vorteile für
ihr Unternehmen ab. So nannten die Fallstudienteilnehmer am häufigsten die Sicherung
des Unternehmensfortbestandes, den Erhalt
von Arbeitsplätzen oder die Entdeckung neuer Geschäftsfelder zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen als Nutzen durch CF.
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive wird intensiv diskutiert, welchen Zusammenhang zwischen „dynamic capabilities“, denen auch CF zuzuordnen ist, und
dem Unternehmenserfolg besteht [9]. In der
regressionsstatistischen Auswertung der
Befragungsergebnisse konnte kein direkter
Zusammenhang zwischen dem CF-Reifegrad
und dem wahrgenommenen Impact aus der
Zukunftsorientierung nachgewiesen werden.
Die Erkenntnisse dieser Studie stützen somit
trotz des sehr hohen wahrgenommenen Nutzens von CF die Sichtweisen eines indirekten
bzw. nicht zwingenden Zusammenhangs [10].
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5
STRATEGIE & MANAGEMENT
[4] Baier, J.; Klodwig, L.; Klose, F.: Energiewirtschaft
2.0. Perspektiven für regionale Energieversorger. München, 2011; Miolo, A.; Stucker, J.; Müller, R.; Grundler,
J.; Anner, T.: Elektrizitätswerke-Studie 2012. Düsseldorf, 2012; Paul, U.: Transformationsprozess in der
Energiewirtschaft. In: Insights, 10.2.2011, S. 19-27.
[5] Buske, C. und Kreutzer, K.: Energiemarktreport
2014. Heidelberg und München 2014.
[6] Rohrbeck, R.: Corporate Foresight. Towards a maturity model for the future orientation of a firm. Heidelberg und London 2011;
[7] Krystek, U.: Strategische Früherkennung. In: Controlling & Management (Sonderheft 2), 2007, S. 50-58;
Eggers, B. und Eickhoff, M.: Instrumente des strategischen Controlling. Wiesbaden 1996.
Abb. 2
Auszug Zukunftsthemenfelder von EVU (n: 18), Mehrfachnennung möglich
[8] Calof, J.; Miller, R.; Jackson, M.: Towards impactful
foresight: viewpoints from foresight consultants and
academics. In: foresight 14 (1), 2012, S. 82-97; Öner, A.
Für die Fallstudienteilnehmer war dieses
Ergebnis zunächst überraschend. Als potenzieller Erklärungsansatz, warum der Zusammenhang nicht nachgewiesen werden
konnte, wurde ein abnehmender Grenznutzen bei steigender CF-Reife genannt (acht
Nennungen). Hat sich ein Unternehmen bisher kaum mit der Zukunft befasst, so kann
mit wenig Aufwand ein sehr großer Nutzen
abgeleitet werden. Bei einer intensiveren Beschäftigung mit der Zukunft reduziert sich
jedoch der zusätzliche Erkenntnisgewinn.
Weitere sechs EVU führten retrospektiv an,
dass sich strategische Zukunftsthemen aufgrund von Gesetzesänderungen als unwirtschaftlich erwiesen hätten und aufgrund
dieser Unsicherheiten entsprechendes Frustrationspotenzial bei der Zukunftsplanung
vorhanden sei.
Relevante Zukunftsfelder
Relevanz dieses Geschäftsfeldes, zudem
sind grundlegende Veränderungen wie eine
Verstärkung der Onlinemaßnahmen oder
die Erweiterung der Wertschöpfung, z. B.
im Rahmen von Energiedienstleistungen
(EDL), erforderlich. Die Veränderungen der
Energieerzeugung mit einer daraus resultierenden fluktuierenden Energieeinspeisung
werden insbesondere für den Netzbetrieb
als wichtig erachtet.
und Beser, S.: Assessment of corporate foresight project
results: case of a multinational company in Turkey. In:
foresight 13 (2), 2011, S. 49-63.
[9] Gruber, M. und Venter, C.: „Die Kunst, die Zukunft
zu erfinden“ – Theoretische Erkenntnisse und empirische Befunde zum Einsatz des Corporate Foresight in
deutschen Großunternehmen. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 58, 2006, S. 958-984;
Barreto, I.: Dynamic Capabilities: A Review of Past
Research and an Agenda for the Future. In: Journal of
Management 36 (1), 2010, S. 256-280.
Netzintelligenz, Smart Grid und Smart Meter sind somit ebenfalls Themenkomplexe,
denen eine Bedeutung für die Zukunft zugesprochen wird. Weitere wichtige Themenfelder stellen Speichertechnologien und die
Zusammenarbeit in Kooperationen oder
Partnerschaften dar.
Anmerkungen
[10] Ambrosini, V. und Bowman, C.: What are dynamic
capabilities and are they a useful construct in strategic
management? In: International Journal of Management
Reviews 11 (1), 2009, S. 29-49.
Prof. Dr. rer. pol. B. Eggers, Lehrstuhl für
Integrierte Unternehmensführung und Vertriebsmanagement, C. Buske, Doktorand,
Steinbeis-Hochschule, Berlin
[email protected]
[1] Bea, F. und Haas, J.: Strategisches Management.
In der abschließenden Forschungsfrage
wurden zentrale Zukunftsthemen und die
zukünftig strategisch relevanten Geschäftsfelder von EVU untersucht. Abb. 2 zeigt,
dass der dezentralen Energieerzeugung,
zumeist in Verbindung mit erneuerbaren
Energien, die größte zukünftige Bedeutung
zugesprochen wird.
Konstanz, 2013; Hamel, G. und Prahalad, C.: Wettlauf
um die Zukunft. Wie Sie mit bahnbrechenden Strategien die Kontrolle über Ihre Branche gewinnen und
die Märkte von morgen schaffen. Wien 1997; Nick, A.:
Wirksamkeit strategischer Frühaufklärung. Eine empirische Untersuchung. Wiesbaden 2008.
[2] Müller, A.: Strategic Foresight - Prozesse strategischer Trend- und Zukunftsforschung in Unternehmen.
St. Gallen, 2008; Schwarz, J.: Assessing the future of
Auch der Energievertrieb beschäftigt EVU
in besonderem Maße. Trotz eines erwarteten Mengen- und Margenrückgangs ist
insbesondere der direkte Zugang zum Endkunden auch weiterhin von strategischer
Bedeutung. Die Hälfte der Befragungsteilnehmer erwartet jedoch eine Abnahme der
6
futures studies in management. In: Futures 40 (3),
2008, S. 237-246; Götz, K. und Wessner, A.: Strategic
foresight. Zukunftsorientierung im strategischen Management. Frankfurt u. a. 2010.
[3] Bozem, K.: Liberalisierung der Energiewirtschaft.
Unternehmensstrategien im Umbruch. Herrsching
2007.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
Agilität sichert den Erfolg
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STRATEGIE & MANAGEMENT
Die Energiewirtschaft im Wandel – Herausforderungen
und Strategien der Energieversorgungsunternehmen
Christian Growitsch, Lisa Just, Helena Schweter, Thomas Triebs und Heike Wetzel
Die Veränderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Energiewirtschaft erfordern eine kontinuierliche Anpassung der Strategien der Marktakteure. Eine Befragung der ewi Energy Research & Scenarios gGmbH, des
ifo Instituts sowie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. unter den deutschen Energieversorgungsunternehmen hat gezeigt, dass Unternehmen die aktuelle und zukünftige Ertragslage größtenteils positiv beurteilen, den Auswirkungen gesetzlicher Rahmenbedingungen dagegen mit großer Sorge entgegensehen. Dazu werden Strategieanpassungen
in Form von Kooperationen sowie der Aufnahme neuer Geschäftsfelder als notwendig erachtet.
Die Energiewirtschaft befindet sich in einem Transformationsprozess hin zu einem
zum Großteil auf erneuerbaren Energien
basierenden Gesamtsystem. Der politisch
forcierte Ausbau erneuerbarer Energien
sowie der schrittweise Ausstieg aus der
Kernenergie bis 2022 stellen Energieversorgungsunternehmen (EVU) vor neue
Herausforderungen. Dies gilt vor allem
für diejenigen EVU, die konventionelle Erzeugungsanlagen betreiben, da sich diese
durch den Preisverfall an der Strombörse
kaum mehr rentabel betreiben lassen [1].
Diese Entwicklung hin zu einer dezentralen
und erneuerbaren Erzeugungslandschaft
erfordert ein Umdenken der Energieversorger. Die Erschließung neuer Geschäftsfelder kann dabei die Kundenbindung stärken
und Potenzial für nachhaltiges Wachstum
bieten [2]. Eine Strategieanpassung seitens
der EVU scheint vor diesem Hintergrund
unvermeidlich, um auf dem Markt bestehen zu können.
Untersuchungsgegenstand
Um Herausforderungen der EVU sowie Strategien zum Umgang mit den sich ändernden
Rahmenbedingungen auf dem Energiemarkt
zu analysieren, hat die ewi Energy Research
& Scenarios gGmbH (ewi ER&S) gemeinsam
mit dem ifo Institut sowie dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
e. V. (BDEW) im Frühjahr 2015 eine Befragung der deutschen EVU durchgeführt [3].
Ziel war es, herauszufinden, inwiefern EVU
Kooperations-, Spezialisierungs- und Diversifizierungsstrategien verfolgen und Aktivitäten in neuen Geschäftsfeldern aufnehmen. An der Befragung haben sich 353 EVU
beteiligt, was einer Rücklaufquote von ca.
20 % entspricht.
8
Kooperationen stellen eine wesentliche Strategie der Energieversorger dar, um den politischen und
technischen Herausforderungen der Energiewende zu begegnen
moodboard | Fotolia
Bei dem Großteil (80 %) der befragten Unternehmen handelt es sich um klassische Querverbundunternehmen, die in den Sparten
Strom, Gas, Wasser und Wärme tätig sind [4].
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen hat weniger als 100 Mitarbeiter, während
lediglich 8 % der Unternehmen mehr als 1 000
Mitarbeiter beschäftigen. Über 40 % der Unternehmen befinden sich zu 100 % im Besitz
der kommunalen Hand, während 20 % der Unternehmen rein private Anteilseigner haben.
Es zeigt sich, dass kleine Unternehmen (bis
250 Mio. € Umsatz) überwiegend von der öffentlichen Hand gehalten werden. Bei sehr
großen Unternehmen mit einem Umsatz
größer 500 Mio. € ist dagegen zu erkennen,
dass rein private Unternehmen die Mehr-
heit bilden (Abb. 1). Insgesamt ergibt sich
somit eine Stichprobe, die sich zum Großteil
aus kleinen, kommunalen und in mehreren
Wertschöpfungsstufen tätigen Unternehmen zusammensetzt.
Aktuelle Lageeinschätzung
Veränderungen des Marktumfelds können
die Ertragslage von Unternehmen positiv
wie negativ beeinflussen. Sowohl für das aktuelle (2014) als auch das zukünftige (2015)
Geschäftsjahr hat der Großteil der befragten
EVU positive Einschätzungen und Erwartungen über die Ertragslage. Lediglich 18 %
der Unternehmen beurteilen ihre aktuelle
Ertragslage als schlecht, nur 3 % als sehr
schlecht (Abb. 2).
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
STRATEGIE & MANAGEMENT
Auch wenn sowohl die aktuelle wie auch die
zukünftige Ertragslage von dem Großteil
der Unternehmen als positiv beurteilt wird,
werden die Auswirkungen aktueller gesetzlicher Rahmenbedingungen mit großer
Sorge betrachtet: 54 % der EVU schätzen die
Auswirkungen als schlecht und 18 % sogar
als sehr schlecht ein. Unsicherheiten sowie
erhöhte Risiken für bestehende Tätigkeiten,
Strategien und Geschäftsfelder der Unternehmen können hierfür wesentliche Gründe
darstellen. Korrespondierend dazu erachten
insbesondere die EVU, die ihre Ertragslage
als negativ beurteilen, eine Strategieanpassung für notwendig. So halten 56 % der EVU
eine starke Anpassung, 17 % sogar eine sehr
starke Strategieanpassung für erforderlich.
Lediglich 1 % der Unternehmen sieht hierzu
keine Notwendigkeit.
Insbesondere der politisch forcierte Ausbau
erneuerbarer Energien hat das Marktumfeld der EVU in den vergangenen Jahren
beeinflusst. Während knapp die Hälfte der
Unternehmen keine Auswirkung der steigenden Kapazität erneuerbarer Energien
auf ihre Ertragslage erwartet, sehen 37 %
der Unternehmen einen (sehr) negativen,
16 % dagegen einen sehr positiven Einfluss
auf ihre Ertragslage. Die EVU, die eine negative Auswirkung steigender Kapazitäten
erneuerbarer Energien befürchten, halten
entsprechend den Bedarf einer Strategieanpassung für erforderlich. Jedoch erachten
Unternehmen, die die Auswirkungen erneuerbarer Energien als positiv oder neutral beurteilen, Anpassungen der Strategie
ebenso für notwendig. So wollen 89 % der
Unternehmen ihre Strategie infolge gestiegener Kapazitäten erneuerbarer Energien
anpassen. Nur 11 % der EVU geben an, dass
keine oder kaum Anpassungen notwendig
seien (Abb. 3).
Abb. 2
Abb. 1
Anteil der Unternehmen nach Anteilseigner und Umsatz
Strategien der Energieversorgungsunternehmen
Mögliche Strategien der EVU, mit den veränderten Rahmenbedingungen umzugehen,
reichen von Kooperationen über Spezialisierungs- und Diversifizierungsstrategien bis
hin zu der Aufnahme neuer Geschäftsfelder.
Um in komplexen Bereichen Know-how optimal zu nutzen, Synergien zu erzielen oder
Risiken zu diversifizieren, kann eine Kooperation mit anderen Unternehmen sinnvoll
sein, da diese die Eigenständigkeit und,
insbesondere im Fall kommunaler Energieversorger, den regionalpolitischen Einfluss
wahren [5]. Die institutionelle Ausgestaltung einer Kooperation kann dabei von einer relativ informellen kurzfristigen Zusammenarbeit bis hin zu einem Joint Venture
reichen.
76 % der Unternehmen gaben an, im Geschäftsjahr 2014 mit anderen Unternehmen
kooperiert zu haben. Dabei ist festzustellen,
Einschätzungen der Ertragslage im Geschäftsjahr 2014 (links) und
Erwartung der Ertragslage für das Geschäftsjahr 2015 (rechts)
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
Abb. 3
dass Unternehmen, die teilweise oder vollständig in der Hand öffentlicher Anteilseigner sind, häufiger kooperieren als Unternehmen mit rein privaten Anteilseignern.
Die Befragung zeigt zudem, dass Kooperationen mit anderen Unternehmen vor allem
im Strom- und Gasbereich stattfinden. Insbesondere wird dabei im Bereich der Stromund Gasnetze (44 und 36 %) und damit dem
regulierten Teil der Wertschöpfungskette
kooperiert. Wenig kooperiert wird hingegen im gesamten Wärme/Kälte- und Wassersektor sowie bei der Speicherung von
Gas (Abb. 4). Horizontale Kooperationen
im Netzbereich, d. h. Kooperationen auf der
gleichen Wertschöpfungsstufe, könnten u. a.
mit der hohen regulatorischen Komplexität
begründet werden.
Durch eine Kooperation im Regulierungsmanagement können möglicherweise die
durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) definierten Standards zu Berichtspflichten und
deren Umsetzung effizienter erfüllt werden
[6]. Ebenso können bspw. Einsparpotenziale
Einschätzungen der Auswirkungen der steigenden Kapazität erneuerbarer Energien (links) und Notwendigkeit einer Strategieanpassung (rechts)
9
STRATEGIE & MANAGEMENT
Abb. 4
Kooperationen der EVU im Geschäftsjahr 2014
beim gemeinsamen Betrieb des IT-Systems
oder des 24/7 Bereitschaftsdienstes erzielt
werden [7]. Insgesamt können durch Kooperationen Kostensenkungs- und damit einhergehende Effizienzpotenziale schneller
und effizienter erschlossen werden [8].
Neben Kooperationen stellen die Erschließung neuer Wertschöpfungsstufen (Diversi-
Abb. 5
Neu erschlossene Wertschöpfungsstufen der EVU im Geschäftsjahr
2014
fikation) sowie der Rückzug aus Wertschöpfungsstufen (Spezialisierung) zwei weitere
mögliche Strategien für EVU dar. Knapp
30 % der EVU haben im Jahr 2014 neue
Wertschöpfungsstufen erschlossen und damit eine Diversifizierungsstrategie verfolgt.
Dabei lag bei dem Großteil der Unternehmen der Fokus auf der Diversifikation im
Strombereich, in dem insbesondere in den
Bereichen Erzeugung und Vertrieb neue Tätigkeiten aufgenommen wurden.
Weiterhin nahm ein Viertel der Unternehmen neue Tätigkeiten im Bereich Wärme/
Kälte auf (Abb. 5). Dagegen sind Spezialisierungsstrategien seltener und nur ein kleiner
Teil der Unternehmen hat sich im Jahr 2014
aus Wertschöpfungsstufen zurückgezogen,
wobei nicht erkennbar ist, dass dabei bestimmte Wertschöpfungsstufen besonders
betroffen waren.
Neben den traditionellen Wertschöpfungsstufen kann die Aufnahme neuer Geschäftsfelder eine wichtige Kundenbindungs- und
Wachstumsstrategie für EVU darstellen [9].
Bereits im Geschäftsjahr 2014 waren 55 %
der Unternehmen im Bereich der dezentralen Erzeugung tätig, über 40 % in den Bereichen Energiedienstleistungen und Netzbewirtschaftung. Vor allem in den Bereichen
virtuelle Kraftwerke, Breitband sowie Mobilitätskonzepten werden Aktivitäten in neuen Geschäftsfeldern zumeist in Form von
Kooperationen mit anderen EVU aufgenommen (Abb. 6).
Kooperationen sind das
Mittel der Wahl
Abb. 6
10
Aktivität der EVU in neuen Geschäftsfeldern
Die Befragung hat gezeigt, dass die Ertragslage im Geschäftsjahr 2014 als durchaus
positiv bewertet wurde. Trotz der positiven
Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Ertragslage stellen aktuell bestehende
gesetzliche Rahmenbedingungen sowie der
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
STRATEGIE & MANAGEMENT
steigende Anteil erneuerbarer Energien jedoch mehrheitlich eine Herausforderung
dar, welche oftmals die Notwendigkeit einer Strategieanpassung impliziert. Die EVU
gaben an, dass Kooperationen hierfür eine
wesentliche Strategie darstellen: drei Viertel
der Unternehmen haben im Geschäftsjahr
2014 mit anderen Unternehmen kooperiert.
Insbesondere im Bereich der Stromnetze
scheinen Kooperationen Potenziale zu bieten, Synergien zu heben und die Effizienz
zu steigern. Die Befragung zeigt zudem,
dass EVU Diversifizierungsstrategien gegenüber Spezialisierungsstrategien bevorzugen. Neben der Erschließung traditioneller Wertschöpfungsstufen hat die Befragung
verdeutlicht, dass die Aufnahme neuer Geschäftsfelder eine wichtige Strategieoption
der EVU darstellt. Dort sind EVU insbesondere in den Bereichen dezentrale Erzeugung
und Energiedienstleistungen tätig.
Anmerkungen
[6] LBD: Asses Management und Asset Services; http://
www.lbd.de/cms/5.0-effizienz/asset-management-
[1] Fürsch, M.; Malischek, R.; Lindenberger, D.: Der
und-asset-service.php, abgerufen am 13.7.2015.
Merit-Order-Effekt der erneuerbaren Energien – Ana-
[7] Apelt, J.: „Individuelle Kooperationen – mehr Effi-
lyse der kurzen und langen Frist. EWI Working Paper,
zienz“, THEMEN:Magazin 3/15; Leipzig 2015, S.12-13.
No. 12/14; Köln 2012.
[8] Sander, C.: „Kooperationen in der Energiewirtschaft
[2] Krawinkel, H.: „Wandel der Energiewirtschaft eröff-
Chancen für Stadt- und Gemeindewerke“, Perspek-
net neue Chancen“, THEMEN:Magazin 3/15; Leipzig
tivePraxis 3/2009, S 6 f.
2015, S.22.
[9] Siehe Krawinkel, Fn. [2].
[3] Die Befragung wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „Die Energiewende im Spannungsfeld
zwischen Regionalisierung und Zentralisierung (ENERGIO)“ durchgeführt.
[4] Im Folgenden wird für die Unternehmen, welche an
der Befragung teilgenommen haben, der Terminus „befragte Unternehmen“ verwendet.
[5] Carsten, S.: „Kooperationen in der Energiewirtschaft – Eine empirische Analyse kommunaler Energieversorgungsunternehmen“, Münstersche Schriften zur
Kooperation, Band 95, Hrsg.: Univ.-Prof. Dr. Theresia
Theurl; Münster 2011.
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11
28.10.15 13:11
STRATEGIE & MANAGEMENT
Organisatorische Innovationen: Anpassungsnotwendigkeit der EVU an den liberalisierten Markt
Cem Misirlioglu
Die Liberalisierung der deutschen Energiewirtschaft hat die Geschäftsmodelle vieler Versorger nachhaltig auf die Probe
gestellt, wenn nicht sogar erschüttert. Vorliegend werden Veränderungen, Weiter- und/oder Neuentwicklungen von Unternehmenseinheiten und Strukturen innerhalb von Energieversorgungsunternehmen (EVU) im Zeitraum von 1998 bis 2013
untersucht und damit organisatorische Innovationen im Anpassungsprozess an die neuen Marktbedingungen zu Zeiten der
Liberalisierung aufgezeigt. Die Daten für die Analyse wurden empirisch durch eine Befragung von Unternehmen erhoben
und stellen eine Bestandsaufnahme der bisher in den Betrieben umgesetzten Maßnahmen dar.
Der deutsche Energiemarkt befindet sich
seit der Liberalisierung und Deregulierung
in einem veränderten Marktumfeld, in
welchem sich die Energieversorger auf die
neue Situation durch geeignete Maßnahmen einstellen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder möglicherweise erst zu
werden. Hierbei stellt sich die Frage nach
dem Bedarf für Veränderungen innerhalb
der Unternehmen, um den neuen Marktanforderungen gerecht zu werden und
durch Restrukturierungsmaßnahmen sowie die Anpassung der Organisationsform
oder durch den Zukauf von Ressourcen die
Voraussetzungen für die effektive und effiziente Marktbearbeitung zu schaffen. Die
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen
hängt auch und maßgeblich von ihrer Anpassungsfähigkeit an Marktveränderungen ab. Hierbei wird Innovationen eine wesentliche Bedeutung beigemessen, um die
nachhaltige Fortführung von Unternehmen
sicherzustellen [1].
Was sind Innovationen?
Zentrale Eigenschaften von Innovationen
sind die Anpassung und Veränderung von
Produkten, Verfahren, Werbeaussagen, Vertragsformen, Vertriebswegen oder der Corporate Identity. Aufgrund des hohen Grades
an Diversifikation und Ausprägungsmöglichkeiten von Innovationen werden übergeordnete Innovationsbereiche definiert. Diese
setzen sich aus Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, Prozessinnovationen sowie aus organisatorischen Innovationen zusammen, die eine strukturelle Veränderung
(Weiter- und/oder Neuentwicklung von Bereichen und Strukturen) der Unternehmen
zur Folge haben [2] und den Analysegegenstand dieses Beitrags darstellen.
12
Strukturinnovationen oder organisatorische
Innovationen können dabei in ihrer Ausprägung von einer kleinen Veränderung der
Organisation durch die Integration weiterer
Einheiten und Funktionen/Positionen in ein
bestehendes Umfeld, bis hin zur kompletten Restrukturierung des Unternehmens,
welche eine Veränderung der Aufbau- und
Ablauforganisation nach sich zieht, reichen.
Neben internen Veränderungsbedürfnissen
können auch externe Maßnahmen ergriffen
werden. Kooperationen mit weiteren Unternehmen (Joint Venture) und/oder die Zusammenarbeit in größeren Verbünden sowie
Unternehmenszukäufe (Mergers & Acquisitions) können Veränderungen herbeiführen,
die eine Modifikation der Unternehmensstrukturen erfordern und demnach organisatorische Innovationen darstellen [3].
Bedeutung organisatorischer
Innovationen
Organisatorische Innovationen können die
Voraussetzung für technologische Innovationen bilden, also eine Quelle für neue Lösungen und Methoden darstellen, welche ihrerseits wiederum zu Wettbewerbsvorteilen
führen. Sie stellen damit einen wesentlichen
Faktor zur Wissensförderung und -bildung
in Organisationen dar [4].
Unternehmen in der Energiewirtschaft stehen vor verschiedenen Anforderungen, die
u. a. organisatorische Innovationen bedingen.
Auf der einen Seite sind die neuen Marktund Kundenanforderungen durch die Liberalisierung gegeben, welche durch die Analyse
und Definition von Maßnahmen in den entsprechenden, gegebenenfalls neuen Unternehmenseinheiten bewertet werden müssen.
Auf der anderen Seite stehen die politischen
und umweltbedingten Anforderungen an
neue Technologien, die die Energiewirtschaft
der Zukunft weiter beeinflussen werden. Die
Entwicklung und Investition in erneuerbare
Energien, Smart Metering- und Smart GridTechnologien sowie Energieeffizienztechnologien wirken sich auf die Unternehmen aus
und bedingen zugleich neue Anforderungen
an die Organisationsstruktur.
Analyse organisatorischer
Innovationen in der
Energiewirtschaft
Die Grundgesamtheit der zu analysierenden
Energieversorger setzt sich aus 1 096 Unternehmen [5] zusammen, die über einen
Fragebogen im Zeitraum vom 23.5.2013 bis
zum 8.6.2013 befragt wurden. Die Rücklaufquote vollständig ausgefüllter und damit auswertbarer Fragebögen lag bei 11,8 %
und stellt damit eine signifikante Größe dar.
Abb. 1 zeigt die Anzahl und den Zeitpunkt
der Restrukturierungen der befragten Unternehmen seit der Liberalisierung 1998
und spiegelt so den Bedarf über den Betrachtungszeitraum wider.
Der Verlauf zeigt mit Unterbrechung deutlich die Zunahme der Restrukturierungen
seit der Liberalisierung und Deregulierung
im Markt. Der steigende Konkurrenzdruck
aufgrund neuer Marktteilnehmer sowie
durch technische, wirtschaftliche und politische Änderungen zwang viele Unternehmen zu Organisationsänderungen [6]. Die
niedrige Anzahl an Restrukturierungen
zwischen 2004 und 2006 ist auf den Konsolidierungsprozess der Energiewirtschaft
sowie auf eine Fokussierung auf die Akquise und Betreuung von Industriekunden zurückzuführen: Die Energieversorger stellten
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
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STRATEGIE & MANAGEMENT
Abb. 1
Zeitpunkt relevanter Restrukturierungen der befragten Unternehmen
Quelle: Eigene Darstellung
in diesen Jahren die Optimierung ihrer Kostenstrukturen in den Vordergrund, da steigender Wettbewerb zu sinkenden Margen
durch aggressive Preispolitik neuer Marktteilnehmer führte. Die vollständige Liberalisierung des Gasmarktes 2006 unterstützte
diesen Effekt, so dass Anpassungen in den
Organisationsstrukturen deutlich seltener
umgesetzt wurden [7].
In dieser Phase traten viele neue Marktteilnehmer in den Wettbewerb in (größtenteils)
Ballungszentren ein und setzten die Grundversorgungsunternehmen durch Kampagnen und starke Akquiseaktivitäten über alle
Vertriebskanäle unter Druck. Als Beispiel
hierfür sind Yello, E wie Einfach oder Nuon
Deutschland GmbH (heute lekker Energie
GmbH) aufzuführen, die mit ihrer Metropolenstrategie zunächst in den Ballungszentren neue Kunden akquirierten und damit
besonderen Druck auf die örtlichen Unternehmen ausübten. Weitere Herausforderungen für Energieversorger waren die Einführung festgelegter Netznutzungsentgelte
durch die Strom- und Gasnetzentgeltverordnung sowie die Trennung des Netzbetriebs
vom Strom- und Gasvertrieb im Verlauf der
Anpassungen des deutschen Energierechts
im Jahre 2005 [8].
Die Vielzahl an Herausforderungen führte
zu grundlegenden Änderungen der Unternehmens- und Vertriebsstrategien sowie
zum Bedarf, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln [9], um Margenverluste durch sinkende Kundenzahlen sowie Preissenkungen
zu kompensieren oder Kostenstrukturen zu
optimieren. Ein verstärkt genutztes Mittel
zur Senkung der Kostenstrukturen fand sich
14
Abb. 2
Von der Restrukturierung betroffene Unternehmenseinheiten
Quelle: Eigene Darstellung
im Outsourcing von Geschäftsprozessen wieder, welches die Konzentration auf eigene
Kernkompetenzen gewährleisten und eigene
Ressourcen effizienter und effektiver nutzbar machen sollte [10].
Herausforderung Energiewende
Die im Jahr 2010 durch die Bundesregierung beschlossene „Energiewende“, welche das Auslaufen der Stromproduktion
aus Kernenergie in Deutschland vorsieht,
erzeugte weiteren Druck auf die EVU und
belastete bspw. die vier großen Versorger
(E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall) mit ca.
20 Mrd. €. Diese Entscheidung verstärkte somit den Kosten- und Margendruck im
Markt und bewirkte damit die Umsetzung
von Restrukturierungsmaßnahmen zur
Optimierung von Prozessen und Unternehmensstrukturen [11]. Eine Ausrichtung an
Kundengruppen (Industrie-, Gewerbe- und
Privatkunden) zur effizienteren Kundenbetreuung und Akquise war häufig eine priorisiert umgesetzte Maßnahme in diesem
Zeitraum und stellte damit eine grundlegende Änderung der Kundenbetrachtung aus
Energieversorgersicht dar.
entscheidenden Hebel für die Unternehmenssteuerung mit sich bringt. Vor der Liberalisierung war dieser Wert konstant und
konnte langfristig geplant sowie energiewirtschaftlich beschafft werden. Die Anzahl an
Kunden und die abgesetzte Menge sind wesentliche Kriterien für die Kostenstrukturen
der Unternehmen, da eine steigende Anzahl
an Kunden zu Skaleneffekten in den genutzten Systemen (bspw. SAP IS-U) und in der
Betreuung der Kunden führt, und eine höhere Auslastung der bestehenden Ressourcen
sinkende, spezifischen Kosten pro Kunde
oder Zählpunkt bedeutet.
Auch in der Beschaffung lassen sich Kosteneinsparungspotenziale durch steigende
Absatzmengen realisieren, da Portfolioeffekte erreicht werden können, die wiederum
zu sinkenden spezifischen Kosten je Kunde
und Zählpunkt führen. Demnach ist die Kundenorientierung ein zentraler Einflussfaktor
auf die Effizienz der Unternehmen. Abb. 2
zeigt die im Betrachtungszeitraum restrukturierten Unternehmenseinheiten und verdeutlicht die Tendenz im Markt in Richtung
Kundenorientierung.
Innovation Kundenorientierung
Innovationsbereiche Vertrieb,
Kunden- und Produktmanagement
Die Erfassung und Bearbeitung von Marktanforderungen entlang des Kundenlebenszyklus’ ist ein adäquates Mittel zur Gewährleistung schneller und effizienter Reaktionsgeschwindigkeiten. Hiernach rückt der
Kunde in den Mittelpunkt der energiewirtschaftlichen Planung und Akquise, da diese Variable (Kundenanzahl und die damit
einhergehende Energieabsatzmenge) den
Die am häufigsten restrukturierten bzw.
neugegründeten Unternehmenseinheiten
sind der Vertrieb (40,2 %), das Kunden(30,7 %) und das Produktmanagement
(27,6 %). Die drei Unternehmenseinheiten
bilden in der Wertschöpfungskette aufeinanderfolgende Prozessschritte ab. Während
im Produktmanagement alle Produkte und
Dienstleistungen entsprechend der Markt-
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STRATEGIE & MANAGEMENT
bearbeitungsstrategie nach Kundenanforderungen konzipiert und implementiert
werden, wird im Vertrieb über die verschiedenen Vertriebskanäle der Kunde mit diesen kanalspezifischen Produkten gewonnen
und an das Kundenmanagement zur Betreuung, Bindung und Entwicklung übergeben.
Demnach ist es nicht überraschend, dass
gerade diese drei Einheiten die meisten
Restrukturierungen in der Analyse ausmachen, da Prozessschritte ganzheitlich und
nachhaltig betrachtet werden müssen und
es nicht sinnvoll wäre, nur einen Bestandteil
der Wertschöpfung auf die neuen Marktanforderungen anzupassen. Die immer weiter
steigende Wettbewerbsintensität im Markt,
die auch regelmäßig durch den Monitoringbericht der Bundesnetzagentur analysiert
wird, bestätigt diese Feststellung und die
immer wichtiger werdende Kundenorientierung der Unternehmen sowie die wachsende Bedeutung der drei benannten Einheiten.
So hat sich die Bereitschaft des Kunden, den
Energieversorger zu wechseln, seit 2007
deutlich gesteigert. Gründe liegen in der Liberalisierung des Gasmarktes im Jahr 2006
sowie in der steigenden Wettbewerbsintensität durch neue Marktteilnehmer und damit
einhergehend einer intensiveren Kundenansprache über unterschiedliche aktive und
passive Vertriebskanäle sowie Imagekampagnen. Im Jahr 2011 haben bspw. 16,8 %
aller Privatkunden ihren Stromlieferanten
gewechselt und 43,4 % einen neuen Liefervertrag außerhalb der Grundversorgung
bei ihrem Altlieferanten abgeschlossen. Die
restlichen 39,8 % haben keinerlei Wechsel
vorgenommen.
Abb. 3
Diese Entwicklung bestätigt den Analysegegenstand und verdeutlicht die wesentliche
Stellung und Neuausprägung der in Abb. 2
benannten Unternehmenseinheiten. Gerade der Vertrieb ist hier als entscheidender
Faktor zu nennen, da hier die Bestrebungen
zur Neukundenakquise stattfinden und
vorher diese Einheit nicht in der heutigen
Form benötigt wurde. Alle anderen Einheiten waren zumeist schon vorher in den Unternehmen vorhanden und etabliert, allerdings musste sich aufgrund der steigenden
Wettbewerbsintensität deren Ausprägung
oftmals verändern.
Analyse der Organisationsformen und -strukturen
Die Entwicklung von Organisationsstrukturen und die damit einhergehende Implementierung von neuen Unternehmenseinheiten
sind abhängig von der entsprechenden Organisationsform der Unternehmen. Diese
beeinflusst maßgeblich die Weiterentwicklung von organisatorischen Innovationen
durch die Umstrukturierung von Aufbauund Ablauforganisationen. Das primäre Ziel
ist die Maximierung der Prozesseffizienz
durch Steuerung der Organisationseinheiten, denen die Hierarchiestruktur zugrunde
liegt [12]. Aus diesem Grund wurde über
den Fragebogen auch die Organisationsform der Energieunternehmen erhoben.
Abb. 3 zeigt die verschiedenen Organisationsformen und ihre Häufigkeit bei den
deutschen EVU.
Die häufigsten Organisationsstrukturen sind
ein- und mehrdimensionale, wobei eindimensionale als feld-, handlungs- oder zielorien-
Organisationsstrukturen der Energieunternehmen
Quelle: Eigene Darstellung
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
Abb. 4
tierte Strukturen auftreten. Matrixorganisationen sind die am häufigsten auftretende
Form von mehrdimensionalen Organisationsstrukturen [13]. Entscheidende Einflussfaktoren für die Ausprägung der jeweiligen
Organisationsformen ist die strategische
Ausrichtung der Unternehmen, die maßgeblich vom politisch-gesellschaftlichen Umfeld
(bspw. kommunaler Einfluss), der Größe des
Unternehmens sowie der Kundenstruktur
und deren Betreuungs- wie auch Produktspezifikationen beeinflusst wird [14].
Funktionsorientierte
Strukturen weit verbreitet
Die Analysen zeigen, dass funktionsorientierte Organisationsstrukturen mit 41 %
aller in der Befragung erfassten Unternehmen am häufigsten Anwendung finden.
Diese Organisationsform eignet sich vor
allem für kleinere Unternehmen mit einer
homogenen Kundenstruktur sowie wenigen
Produkten und Dienstleistungen [15], so
dass es sich hierbei häufig um kleinere und
mittlere Stadtwerke handelt. Mit 21 % tritt
die marktorientierte Organisationsstruktur
am zweithäufigsten auf. Hier werden Unternehmen hauptsächlich nach Kernmärkten
gegliedert [16], so dass es möglich ist, eine
differenzierte Preis- und Produktstrategie
sowie eine vertriebskanalspezifische Steuerung der Kundenansprache auf verschiedenen Märkten zu etablieren [17].
Neben der Veränderung von Organisationsstrukturen zeigen auch die Delegationen
Anpassungen im Markt, die eine Zentralisation oder Dezentralisation von Teilaufgaben
bedeuten. Abb. 4 stellt die Veränderungen
Zentralisation und Dezentralisation von Energieversorgern seit der
Liberalisierung
Quelle: Eigene Darstellung
15
STRATEGIE & MANAGEMENT
nach der Liberalisierung des Energiemarktes dar. Die Darstellung schließt dabei die
neuen Marktteilnehmer aus, da diese meist
mit bereits angepassten Organisationsstrukturen und Delegationsformen in den
Markt eingetreten sind und somit noch
nicht den Bedarf zur Veränderung entwickelt haben.
Tendenz zur Dezentralisierung
Mit 53,6 % ist eine überwiegende Tendenz
in Richtung Dezentralisierung über alle
Unternehmensgruppen gegeben, die eine
steigende, überregionale Ausrichtung der
Unternehmen verdeutlicht. Die Verlagerung
der Steuerung nach Wertschöpfungsstufen
(Erzeugung, Beschaffung, Handel, Vertrieb
und Netz) hat eine Dezentralisation zur
Folge, die den neuen Marktgegebenheiten
Rechnung tragen soll. Gerade kleinere und
mittlere Stadtwerke, welche überwiegend
regionale Kundengruppen versorgen, stehen einem immer stärker zunehmenden
Wettbewerb gegenüber und müssen sich
durch eine Neuausrichtung und dezentrale
Steuerung in neuen Märkten etablieren, um
Kundenverluste (Ertragsverlust) im eigenen
Markt zu kompensieren.
Des Weiteren soll auch eine hohe Reaktionsfähigkeit und Flexibilität, bspw. durch
Änderungen von politisch-regulatorischen
Marktbedingungen, gewährleistet werden,
um somit schnellere Entscheidungswege
realisieren zu können [18]. Weiterhin bestehen ebenfalls Bestrebungen für Akquisetätigkeiten, die eine Dezentralisierung
nach sich ziehen, eine effizientere und
effektivere Marktbearbeitung zu gewährleisten. Die Gründung von bundesweiten
Vertriebsbüros mit Akquiseaufträgen in
den jeweiligen Regionen ist im Markt nicht
unüblich. Auch die Gründung oder der Zukauf von Tochtergesellschaften mit klaren
Vertriebsaufgaben bedingen zum Teil eine
Dezentralisierung.
Organisatorische Innovationen
bleiben entscheidend
Der nach der Liberalisierung stetig zunehmende Wettbewerb des Energiemarktes
erfordert eine Anpassung und Neuausrichtung der im Markt tätigen Unternehmen.
Organisatorische Innovationen durch Re16
strukturierungen und Anpassungen der
Aufbau- und Ablauforganisation bieten die
Möglichkeit, sich auf diese Veränderungen
einzustellen. Wie gezeigt werden konnte,
führten regulatorische Veränderungen zwischen 2001 und 2003 zu einem Anstieg der
unternehmensinternen Restrukturierungsmaßnahmen. Hauptsächlich wurden aber
ab 2007 die meisten Restrukturierungen
verzeichnet. Diese erfolgten größtenteils
in den kundenorientierten Unternehmenseinheiten wie dem Vertrieb sowie dem
Produkt-, Kunden- und Innovationsmanagement. Die Erhebungen dieser Analyse
beziehen sich ausschließlich auf die Neugestaltung oder Neugründung der genannten
Einheiten.
Commission: Innovation Papers No 46, Karlsruhe, August 2006, abrufbar unter: www.liaison.uoc.gr/documents/sxetikh_bibliografia/Knowledge%20Economy/
Patterns%20of%20organisational%20change%20in%20
European%20Industry.pdf, zuletzt geprüft am 1.6.2015.
[5] Statistisches Bundesamt (DESTATIS): Genesis-Online Datenbank, abrufbar unter: www-genesis.destatis.
de/genesis/online/logon, zuletzt geprüft am 1.6.2015.
[6] Oehler, H.: Liberalisierung der Energiemärkte, In:
Zahoransky, R. (Hrsg.): Energietechnik: Systeme zur
Energieumwandlung. Kompaktwissen für Studium und
Beruf, 6. Aufl., Wiesbaden 2013, S. 446-466.
[7] Bontrup, H.-J.; Marquardt, R. M.: Kritisches Handbuch der deutschen Elektrizitätswirtschaft: Branchenentwicklung, Unternehmensstrategien, Arbeitsbeziehungen. Berlin 2010, S. 70.
[8] Feng, X.; Popescu, M. (Hrsg.): Infrastrukturprobleme bei Bevölkerungsrückgang. Berlin 2011, S. 185f.
Die Veränderungen im deutschen Energiemarkt werden aller Voraussicht nach noch
andauern, da auch in Zukunft damit zu rechnen ist, dass weitere Versorger in den Markt
eintreten, Energieversorger ihr Versorgungsgebiet sowie ihr Produktportfolio erweitern
und auch die regulatorischen Anpassungen
im Markt neue Anforderungen mit sich bringen werden. Die Kundenorientierung rückt
hierbei immer stärker in den Fokus der Aktivitäten einer Kundenlebenszyklusbetrachtung, um ein optimales Verhältnis zwischen
Kosten- und Margenstrukturen zu schaffen
und die Organisationsform darauf auszurichten. Organisatorische Innovationen werden also voraussichtlich weiterhin die entscheidenden Treiber in den Unternehmen
darstellen, mit denen sich diese im kompetitiven Energiemarkt nachhaltig behaupten
können, um entweder als einzelnes Unternehmen oder in einer Verbundkooperation
weiterzubestehen.
[9] Lohnert, K.: Beschleunigung der Transformation
vom Energieversorger zum Energiedienstleister. In: Doleski, O. (Hrsg.): Smart Meter Rollout – Praxisleitfaden
zur Ausbringung intelligenter Zähler. Wiesbaden 2013,
S. 75-103.
[10] Hecker, W.: Projektmanagement im Energiesektor,
In: Flegel, T. (Hrsg.): Projektmanagement im Energiebereich. Wiesbaden 2013, S. 87-97.
[11] Funke, P.; Neinhaus, H.: Kundenservice – Weniger
Kosten, mehr Loyalität. In: „et“, 62 Jg. (2012), Heft 1/2,
S. 24-26.
[12] Laske, S.; Meister-Scheytt, C.; Küpers, W.: Organisation und Führung. Münster 2006, S. 13ff.
[13] Frese, E.: Grundlagen der Organisation: Konzept
– Prinzipien – Strukturen. 7. Aufl., Wiesbaden 1998,
S. 327ff.
[14] Katharina Ganser: Schwerpunktthema: „Wie sieht
der Energievertrieb 2020 aus?“ In: process consulting:
aspect 2/11, S. 3-5, abrufbar unter: www.processconsulting.de/sally/data/mediapool/aspect_2011_02.
pdf2012, zuletzt geprüft am 1.6.2015.
[15] Mroß, M.: Organisationslehre für Sozialmanagement und Sozialverwaltung. Bremen 2012, S. 106.
Anmerkungen
[16] Frese, E.; Graumann, M.; Theuvsen, L.: Grundlagen der Organisation: Entscheidungsorientiertes Kon-
[1] Disselkamp, M.: Innovationsmanagement – Instru-
zept der Organisationsgestaltung. 10. Aufl., Wiesbaden
mente und Methoden zur Umsetzung im Unternehmen.
2012, S. 191f.
2. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 31.
[17] Osterloh, M.: BWL 3 – Organisationslehre. Univer-
[2] Günther, F.: Anreize und Hemmnisse von Unterneh-
sität Zürich 2007, S. 26f.
men bei der Gestaltung von Nachhaltigkeit. In: sofia-
[18] Rahmel, S.; Völl, W.; Rönz, M.: Unternehmenssteu-
Diskussionsbeiträge 11-9, Darmstadt 2011, S. 4ff.
erung in der Energiewirtschaft in Zeiten eines tiefer-
[3] Möhrle, M. G.; Specht, D.: Innovation. In: Wirt-
greifenden Wandels. In: Controller Magazin, 2012,
schaftslexikon Gabler, abrufbar unter: http://wirt-
S. 2-6.
schaftslexikon.gabler.de/Archiv/54588/innovation-v8.
html, zuletzt geprüft am 1.6.2015.
[4] Fraunhofer ISI: Patterns of Organisational Change
in Europen Industry (PORCH): Ways to strengthen the
empirical basis of research and policy. In: European
C. Misirlioglu, Doktorand, Fachgebiet Innovationsökonomie, Lehrstuhl Prof. Dr. rer.
pol. K. Blind, Technische Universität Berlin
[email protected]
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
Thüga MeteringService setzt beim Rollout
intelligenter Messsysteme auf Stufenmodell
Die lange erwarteten Grundlagen zur Einführung sind geschaffen – der Gesetzesentwurf liegt vor
Thüga MeteringService hat im intensiven internen Austausch das Stufenmodell iMSys entwickelt,
mit dem der Rollout intelligenter Messsysteme in drei Stufen umgesetzt werden kann.
Im Jahr 2015 wurden weitreichende
energiepolitische Beschlüsse für den
Rollout intelligenter Messsysteme gefasst: Bereits im Februar veröffentlichte
das Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie ein „7 Eckpunkte-Papier“ zum
Thema. Vor wenigen Wochen hat dann das
Bundeskabinett die Entwürfe für das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende,
für das Strommarktgesetz und die Kapazitätsreserveverordnung beschlossen.
Das TMS-Stufenmodell iMSys
Bereits Anfang 2015 hat TMS ein Stufenmodell für den Rollout der intelligenten
Messsysteme entwickelt, das das künftige
Vorgehen optimal strukturiert: TMS bietet
dabei zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts den Einbau erster Geräte an.
Durch die Installation dieser Testgeräte
lassen sich Erfahrungen mit der GatewayAdministration sammeln.
Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der
Energiewende wurde eine schon lange
erwartete gesetzliche Grundlage für
den Rollout intelligenter Messsysteme
(„Smart Meter“) veröffentlicht, welche umfassende Konsequenzen für die
Energieversorger hat. Deshalb ist es
jetzt wichtig, einen Partner an der Seite
zu haben, der für den Rollout optimal
gerüstet ist – einen Partner wie Thüga
Metering-Service (TMS) aus Naila.
In der anschließenden Übergangsphase
werden weitere Anwendungsfälle, wie
z.B. variable Tarife, Schnittstellen zu
Verbrauchsabrechnungssystemen sowie
die Marktkommunikation getestet, um
den Übergang von der alten zur neuen
„System-Welt“ zu überprüfen. Schließlich
erfolgt der Übergang in den Regelbetrieb.
Die TMS-Roadmap ist dabei so angelegt,
dass Energieversorger den gesetzlichen
Anforderungen des BMWi vollumfänglich
nachkommen können.
Kontakt und Infos:
Thüga MeteringService GmbH
Zum Kugelfang 2
95119 Naila
Tel.: + 49 (0) 9282 / 9193-0
Fax: + 49 (0) 9282 / 9193-220
[email protected]
www.meteringservice.de
Ebenfalls ein Vorteil: Das TMS-Stufenmodell ist ein modular aufgebautes
Konzept, das den notwendigen Freiraum
bietet, nur die Services zu nutzen, die
tatsächlich benötigt werden.
Fragen zum Thema beantwortet auf
Seiten der TMS gerne:
Herr Harald Kießling / Vertrieb
Telefon +49 (0)9282 / 9193-343
[email protected]
Bitte beachten Sie:
Zur E-World 2016 präsentiert
sich TMS auf dem bisherigen
Standplatz der Thüga AG in
Halle 2, Standnummer 2-528
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Neue Geschäftsmodelle für neue Energie
Thomas Weisshaupt
Die Energiewende und die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsmodellen stellen die Energiewirtschaft und ihre etablierten Industriepartner vor immense Herausforderungen. Für die Bundesregierung sind intelligente Messsysteme (Smart
Meter) ein wesentlicher Baustein hin zu höherer Systemeffizienz in einem umgebauten Strommarkt. Um in Deutschland
flächendeckend die Vorteile eines intelligenten Stromnetzes (Smart Grid) zu nutzen, ist die Akzeptanz der Bürger für das
intelligente Stromsystem wichtig. Diese Bürger- oder Kundennähe können die Akteure nur gewährleisten, wenn sie auf Basis
eines zukunftsgerichteten Marktdesigns komplett neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Die traditionellen Versorgungsunternehmen stehen im Spannungsfeld zwischen
regulierter Marktmacht und marktlicher
Regulierung: Dieses reicht von der Netzsteuerung über die Interoperabilität eingesetzter Technologien sowie Datensicherheit
und Datenschutz bis hin zur Akzeptanz des
Bürgers für regulierungsgetriebene Maßnahmen. Zum anderen wird deutlich, wie
neue Geschäftsmodelle in einem intelligenten Stromnetz aussehen können und welche
Chancen für Akteure bestehen, die jetzt zum
Wohle ihrer Kunden handeln.
Ausrüstung der größeren Verbrauchsstellen
und Einspeiser mit intelligenten Messsystemen wird diese Transparenz teilweise erzwungen [2].
Netzsteuerung als Grundvoraussetzung für das Smart Grid
Es gibt eine Reihe an technischen und regulatorischen Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um ein intelligentes Stromnetz
zu implementieren. Für den Vorrang erneuerbarer Energien vor anderen Quellen sind
größere Speicherkapazitäten sowie mehr
Flexibiliät auf lokaler Ebene und auf der
Nachfrageseite nötig: Idealerweise lässt sich
dies durch eine Kombination aus Warmwasser und Wärme in Form sog. Energiesenken
realisieren [3]. Ein Beispiel: Wenn viel Strom
im Netz ist, könnte der Boiler beim Verbraucher besonders viel Wasser aufwärmen und
vorrätig halten. Heutzutage arbeiten Boiler
komplett unabhängig von solchen Rahmenbedingungen, da es keinen Informationsaustausch über die Menge an Strom im Netz
zwischen Boiler und Energieerzeuger gibt.
Deshalb reicht die reine Datenerhebung allein nicht aus. Erst durch eine Steuerung von
Erzeugungsanlagen, größeren Verbrauchern
und Speichern, die nicht im Eigentum der
Netzbetreiber sind, wird der Aufschluss neuer Geschäftspotenziale ermöglicht.
Das Hauptziel der Energiewende ist, den
Anteil erneuerbarer Energien an Erzeugung
und Verbrauch zu steigern. Daher haben
diese immer Vorrang vor anderen Quellen
bei der Energieverteilung. Eine aktive Steuerung des Netzes sowie gegebenenfalls relevanter Energieverbraucher ist mit der damit einhergehenden Dezentralisierung der
Erzeugung eher früher als später erforderlich. Der Zeitpunkt der Einspeisung erneuerbarer Energien und der Energieverbrauch
müssen lokal abgestimmt werden. Es ist notwendig, dass sich die Netzsteuerung daran
orientiert, wie viel Energie im Netz ist.
Laut des Eckpunktepapiers der Bundesregierung sind alle Verbraucher mit einem
Stromverbrauch von mehr als 6 000 kWh
jährlich verpflichtet, sich mit intelligenten
Messsystemen auszurüsten, um Transparenz über die Netzsituation zu erhalten [1].
Bspw. hat die Sonnenfinsternis Anfang März
einmal mehr gezeigt, dass eine flexible Steuerung von Erzeugung und Verbrauch heute
noch nicht möglich, aber dringend nötig
ist. Durch die vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Energie (BMWi) mandatierte
18
Heute ist das Smart Grid in Deutschland
aufgrund fehlender verlässlicher Anlagenvernetzung noch eine Vision. Sie kann erst
Realität werden, wenn vertrauenswürdige
Informationen vorliegen, die zur Netzsteuerung genutzt werden können und in der Regulierung auch als Wert an sich anerkannt
werden.
Die Kontrolle durch die Netzbetreiber kann
theoretisch erzwungen werden, indem der
Gesetzgeber den Einsatz der entsprechenden Technologien vorschreibt. Dies hat
jedoch den Nachteil, dass wenig innova-
tions- sondern im Wesentlichen subventionsgetriebene Investitionsanreize gesetzt
werden. Ein anderer Weg wäre ein Marktdesign, das aus dem Markt heraus Anreize für die Bereitstellung der Anlagen zur
Steuerung schafft. Letzteres ist sicherlich
der Königsweg, dessen Pfade aber erst noch
Stück für Stück in das Dickicht bestehender
Regulierungen geschlagen werden müssen.
Integration aller
Technologien notwendig
Die Integration wesentlicher Technologien,
wie Speicher, Solaranlagen und Wärmepumpen, erfolgt auch netzunabhängig unter dem
Stichwort Energieautarkie. Diese auf Gebäudeebene eingerichteten energietechnischen
Komponenten können z. B. im Rahmen virtueller Kraftwerke oder Demand-Side-Aggregation intelligent zusammengeschaltet
werden, um gemeinsam mit dem Netz ein
dezentrales effizientes Gesamtsystem von
Ausgleichsmechanismen zu bilden. Mögliche Probleme sind dabei auf der einen Seite in der Interoperabilität der Anlagen und
Lösungen auf Gebäudeebene zu suchen und
auf der anderen Seite im (unzureichenden)
Vertrauen der Akteure auf einen fairen und
vertrauenswürdigen Marktzugang.
Die beschlossene Rücknahme direkter Subvention für erneuerbare Energien steigert
die Notwendigkeit, Echtzeitdaten über die
Erzeugung und den tatsächlichen Verbrauch
zu nutzen [4]. Mieterstrommodelle ließen
sich auf dieser Basis wesentlich effizienter
umsetzen [5].
Heute schätzen EVU die Einspeisemengen
teilweise und lesen den Verbrauch einmal
jährlich ab. Das auf analogen Prozessen basierende Abrechnungssystem in der Energiewirtschaft ist daher teuer und veraltet.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Abrechnungsprozesse und Datenaustauschformate dürfen keine Markteintrittsbarriere bilden, bzw. keine Innovationsbremse
bleiben. Das BMWi und die Bundesnetzagentur haben diesbezüglich erste Schritte
unternommen, um eine effiziente Nutzung
der intelligenten Messysteme als Basis für
Datenaustausch- und Abrechnungsprozesse
zwischen einzelnen Marktrollen zu ermöglichen [6]. Ausgangspunkt dieser Überlegungen sind die Vorgaben zu Sicherheit und
Datenschutz aus dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).
Sicherheit und Datenschutz
als Grundvoraussetzung
für das Smart Grid
Das Energienetz bleibt eine kritische Infrastruktur, die als natürliches Monopol über
Gesetze reguliert wird. Die Versorgungssicherheit und der Schutz der Bürger sind
dabei wesentliche Pfeiler der Gesetzgebung,
die auch Regelungen zu intelligenten Messsystemen und Smart Grids umfasst.
Auch durch die Politik muss den Bürgern
nachvollziehbar erläutert werden, warum per Gesetz intelligente Messsysteme
vorgeschrieben werden und sie Daten an
Netzbetreiber übermitteln sollen. Diese datenschutzbezogene Seite der öffentlichen
Diskussion schlägt immer wieder hohe Wellen. Verbraucherschützer warnen bspw. vor
angeblichen Gefahren und dem Missbrauch
der Technologie [7]. Wohl auch aus diesem
Grund lässt der Gesetzgeber dem betroffenen Bürger grundsätzlich die Wahl, ob ein
Marktakteur oder der regulierte Netzanbieter Betrieb und Administration des intelligenten Messsystems übernimmt.
Da es um den persönlichen Lebensbereich
des Verbrauchers geht, ist die Einhaltung
der Datenschutzvorschriften kritisch für
den Erfolg von neuen Geschäftsmodellen. Wählt der Bürger seinen Dienstleister
selbst, so hat das zwei Vorteile: Erstens ist
der Bürger nicht gezwungen, die Dienste des
Netzbetreibers in Anspruch zu nehmen und
zweitens kann der marktliche Dienstleister
weitere interessante Mehrwertdienste über
das Smart Metering Gateway anbieten. In
diesem Rahmen profitieren Nutzer wie auch
der Betreiber des Gateways von den vorhandenen Mechanismen und Technolgien zur
Absicherung von Datenschutz und Zugriffsmöglichkeiten.
Im Rahmen der erwünschten systemweiten
Nutzung von Systemen für das Gebäudeenergiemanagement ist es zudem eine
Grundvoraussetzung, dass das Steuerungssystem im Haus abgesichert ist und Unbefugte sich darauf keinen Zugriff verschaffen
können. Das Smart Meter Gateway wird
somit von einer Kommunikationslösung im
Rahmen eines intelligenten Messsystems zu
einem zentralen Service Gateway für Gebäude, das einen rund um die Uhr sehr zuverlässig abgesicherten Zugangspunkt zum Gebäudeenergiemanagement bietet [8]. Über
eine Schnittstelle zum Gebäudenetzwerk
(HAN) ist eine zuverlässige Anlagensteuerung vorgesehen.
Auch für den Netzbetreiber muss die neue
Welt der vernetzten Geräte vertrauenswürdig sein, so dass er sich auf die Daten verlassen kann, die aus dem Gebäude an ihn
gesendet werden. Ist diese Voraussetzung
erfüllt, kann er darauf basierend Entscheidungen zur Netzführung, Analysen zum
notwendigen Netzausbau und weiterhin
eine verlässliche Abrechnung erstellen.
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Die Bundesregierung schafft mit den aktuellen Bemühungen Raum für einen neuen
Markt: Energiemanagementdienstleister
werden in die Lage versetzt, Smart Metering
plus zusätzliche Applikationen anzubieten.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
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Anreize schaffen über
neue Dienstleistungen
Investitionssicherheit ist ebenso wichtig
für den sog. Prosumer, der vom Stromverbraucher zum Stromerzeuger und -manager
wird: Wenn er sich eine Batterie kauft, um
seinen Solarstrom zu speichern, sollte sichergestellt werden, dass er diese Batterie
als Netzressource zur Verfügung stellen
kann, er dafür bezahlt wird und der Netzbetreiber verpflichtet ist, diese Quelle zu nutzen. Allerdings gibt es bereits erste Angebote, die diese aktive Netzdienlichkeit nicht im
Geschäftsmodell berücksichtigen [9].
DIN EN
ISO 50001
manage
gie
m
er
Die Versorgungsunternehmen sind gehalten, diese Form der sog. Marktkommunikationsprozesse unter Einbeziehung einer digitalen Komponente stark zu vereinfachen.
LAN
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19
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
eröffnet sich mit dem sicheren Gateway die
Möglichkeit, Steuerung und Datenmanagement in die eigenen Hände zu nehmen und
trotzdem eine nachvollziehbare Dienstleistung für Netzbetreiber zu bieten.
Nicht nur Mindestanforderungen
des Gesetzes erfüllen
Abb. Einheitliche Mehrwertdienste-Plattform auf Basis intelligenter Messsysteme
Aus diesem Grund sind die Geschäftsmodelle von Versorgern nun auch im lukrativen
Bereich Messwesen überholt. Das Abrechnen von Kilowattstunden über standardisierte Lastprofile hat in einem intelligenten
Stromnetz keinen Platz mehr. Das Marktdesign der Zukunft basiert nicht mehr auf der
einseitigen Einspeisung von Energie in ein
Netz, in dem der Verbrauch von einer regulierten Marktrolle abgerechnet wird. Vielmehr werden sich die Preise zeitabhängig
an der Erzeugungssituation und der Flexibilität des Verbrauchers orientieren.
Neue Geschäftsmodelle für
flexiblen Stromverbrauch
Welche Hindernisse verhindern vor diesem Hintergrund, ein neues Marktdesign
zu schaffen? Ein Hauptgrund ist, dass die
Geldströme im Energiesektor – insbesondere für den Bürger – intransparent und komplex sind. Für viele ist die Stromrechnung
oder die Nebenkostenabrechnung ein Buch
mit sieben Siegeln, das am Ende eine Summe ausweist, die es zu bezahlen gilt. Auf
Basis von vertrauenswürdigen Daten, die
im Smart Meter Gateway signiert werden,
können die Marktakteure diese Geldströme
transparenter gestalten.
Aus dieser Transparenz ergeben sich neue
Geschäftsmöglichkeiten: Künftig wird der
Lieferant in der Lage sein, für den Verbraucher Anreize zu schaffen, seinen Energiekonsum entsprechend anzupassen. Die Abschaffung der Standardlastprofile gibt den
20
Lieferanten mehr Spielraum, den Kunden
an niedrigen Stromhandelspreisen partizipieren zu lassen, ohne selbst zu verlieren.
Sein Geschäftsmodell wird flexibler, da er zu
bestimmten Zeiten weniger Energie liefern
muss als zu anderen.
Allerdings werden seine Kunden ihr Verbrauchsverhalten vermutlich nach der Uhr
ausrichten. Deshalb sind die o. g. Managementsysteme und Speicher nötig, um den
flexiblen Verbrauch (gegebenenfalls in Verbindung mit eigener Erzeugung und Speicherung) zu automatisieren.
Ein weiteres Beispiel für ein Geschäftsmodell sind Aggregatoren, die in Form von
virtuellen Kraftwerken oder Lastverschiebungen die Flexibilität von vielen kleinen
Einheiten zusammenfassen und vermarkten. Wer eine Solaranlage betreibt, kann
künftig über einen solchen Dienstleister
seine Energie verkaufen. Für die Netzbetreiber wäre es allerdings zu kleinteilig,
mit jedem einzelnen Haushalt einen Vertrag abzuschließen. Deshalb bündelt der
Dienstleister die Energie hunderter kleiner
Erzeuger in einem virtuellen Kraftwerk.
Diese wird dann den EVU so zur Verfügung
gestellt, dass sie damit ihr Geschäft betreiben können.
Die Aggregatoren werden auch dafür sorgen, dass bspw. bestimmte Gebäude nicht
ins Netz einspeisen, wenn dort bereits viel
Energie vorhanden ist, sondern diese selbst
verbrauchen. Um all das zu gewährleisten,
In der Architektur des Smart Meter Gateways ist zwar bereits vorgesehen, dass solche Dienstleistungen später hinzukommen,
allerdings ist die Monetarisierung dieser
Mehrwertdienste nicht Teil des regulatorischen Rahmens. Die Regulierungen schaffen weder Anreize für diese Dienste, noch
definieren sie sie eindeutig, da die Angebote
nicht Teil eines natürlichen Monopols sind.
Hier gibt es ein Spannungsfeld zwischen
den Minimalanforderungen für den Einbau
von Smart Metern per Gesetz und den möglichen Entwicklungen von Mehrwertdiensten am Markt.
Wenn nur die Mindestanforderungen erfüllt werden, müssen Energieversorger
oder Dienstleister möglicherweise mehrere
weitere Systeme in den Haushalten implementieren – das kostet dem Bürger erneut
Zeit und Geld. Dies würde zu deutlich höheren Kosten führen, die nicht notwendig
sind, da all diese Funktionen in einem Gerät
beim Einbau des intelligenten Stromzählers
angelegt werden können (siehe Abb.). Kundenorientierte Energieversorger ebnen sich
mit dem Einbau eines serviceorientierteren
intelligenten Messsystems den Weg zum
Kunden und somit zu neuen Energiedienstleistungen. Solche Lösungen gibt es bereits
von verschiedenen Anbietern.
Notwendige Veränderungen in
der IT von Energieversorgern
Um mit den Veränderungen Schritt zu halten und konkurrenzfähig zu sein, müssen
die Energieversorger ihre IT-Systeme anpassen und Dienste aus Kostengründen gegebenenfalls komplett in die Cloud verlagern, um
flexibel und günstig kundenspezifische Applikationen bereitstellen und betreiben zu
können. Außerdem ist eine Automatisierung
der Abrechnung zeitabhängiger Tarife möglich, was derzeit noch eine große Herausforderung darstellt. Abrechnungssoftware, wie
es sie heute gibt, ist dafür nicht gemacht.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Mit der Migration auf intelligente Messysteme, die für bis zu 11 Mio. Anschlüsse bis
2021 verpflichtend wird, sollten EVU sukzessive die alten IT-Systeme durch neue,
agilere ersetzen. Dies bedeutet eine Vereinfachung, weil viele Dienste in der Cloud
eingekauft werden können. Hier bieten sich
IT-seitig große Effizienzreserven und Möglichkeiten Kosten einzusparen, die dann
auch nicht an den Verbraucher weitergegeben werden müssen.
Die neuen Geschäftsmodelle bringen viele
Vorteile für den Verbraucher mit sich. Einer
davon ist Autonomie und Wahlfreiheit, da er
entscheiden kann, ob er die Energie, die er
erzeugt, selbst verbraucht oder verkauft –
bis hin zu der Idee, dass er sie jemandem
spezifisch anbietet. Künftig wird für klassische Energieversorger die aus Effizienz- und
Kostengesichtspunkten betriebene Optimierung des Energieverbrauchs im Gebäude
viel interessanter sein als bspw. eine reine
Tarifoptimierung.
So wird lokales Energiemanagement auf Gebäude- oder Nachbarschaftsebene möglich.
Darüber hinaus kann der Kunde auch ökonomisch autarker werden, indem er so viel
produziert und speichert, wie er selbst benötigt. Wenn die notwendigen Geräte einmal
im Haus eingebaut sind, entstehen über die
Anschaffungskosten hinaus nur noch geringe Wartungs- und Instandhaltungskosten.
Die Energie an sich kostet nichts mehr.
Umbau des Stromnetzes ermöglicht neue Dienstleistungen
[3] DKE: Energiesenken. Abrufbar unter: https://teamwork.dke.de/specials/7/Wiki-Seiten/Energiesenken.
aspx, zuletzt geprüft am 5.5.15.
Smart Metering ist nur eine Applikation die
mittels intelligenter Messysteme implementiert wird. Das BMWi stößt bezüglich der
Smart Metering-Thematik jetzt das Ausrollen
des Gateways an. Die durch die aufzubauende, digitale Infrastruktur möglichen neuen
Geschäftsmodelle gehen aber weit darüber
hinaus. Der Umbau des Stromnetzes hin zu
einem Smart Grid ist damit zwar noch lange
nicht erreicht, aber eine Voraussetzung ist
mit dem Rollout sicherer Gateways, die auch
Mehrwertdienste ermöglichen, geschafft.
[4] BMWi: Erneuerbare Energien auf einen Blick. Abrufbar unter: www.bmwi.de/DE/Themen/Energie/Erneuerbare-Energien/erneuerbare-energien-auf-einenblick.html, zuletzt geprüft am 30.4.15.
[5] Rentzing, S.: Neue Energie vom Vermieter. In: Ökotest 05/15, S. 154 ff. Abrufbar unter: rentzing.com/app/
download/5800835394/Solarstrom+vom+Vermieter.pdf,
zuletzt geprüft am 5.5.15.
[6] Bundesnetzagentur: Smart Metering. Abrufbar unter:
www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/NetzentwicklungundSmartGrid/SmartGrid_SmartMarket/Smart_
Metering/Smart_Metering_node.html, zuletzt geprüft
Das Thema des Wandels des Smart Meterings hin zu Energiedienstleistungen wird
alle Stakeholder in den nächsten Jahren noch
intensiv beschäftigen. Sicher erscheint lediglich, dass der Einbau intelligenter Messsysteme nicht als Selbstzweck mandatiert wird.
Vielmehr wird nur Geld fließen, wenn Bürger
und Netzbetreiber einen klaren ökonomischen Vorteil zulasten der bisherigen oder
geplanten Geldströme erlangen.
Anmerkungen
am 30.4.15.
[7] Wilkens, A.: Smart Meter: Verbraucherschützer wettern gegen intelligente Stromzähler. In: Heise.de. Abrufbar
unter: www.heise.de/newsticker/meldung/Smart-MeterVerbraucherschuetzer-wettern-gegen-intelligente-Stromzaehler-2611244.html, zuletzt geprüft am 27.4.15.
[8] BSI: Smart Metering Systems. Abrufbar unter:
www.bsi.bund.de/DE/Themen/SmartMeter/smartmeter_node.html, zuletzt geprüft am 27.4.15.
[9] Huber, M.: In Deutschland wird es riesig! In: Sueddeutsche.de. Abrufbar unter: www.sueddeutsche.de/
wirtschaft/tesla-batterie-in-deutschland-wird-es-riesig-1.2460245, zuletzt abgerufen am 5.5.2015
[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
[10] Deutsche Energie-Agentur: dena-Netzstudie II. Inte-
(BMWi): Baustein für die Energiewende: Sieben Eck-
gration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromver-
punkte für das Verordnungspaket Intelligente Netze.
sorgung im Zeitraum 2015 – 2020 mit Ausblick 2025. Berlin
Abrufbar
www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/
2010. Abrufbar unter: www.dena.de/fileadmin/user_up-
PDF/E/eckpunkte-fuer-das-verordnungspaket-intelli-
load/Publikationen/Erneuerbare/Dokumente/Endbe-
gente-netze,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=
richt_dena-Netzstudie_II.PDF, zuletzt geprüft am 27.4.15.
unter:
de,rwb=true.pdf, zuletzt geprüft am 27.4.15.
Ein weiterer Vorteil, der indirekt dem Bürger
zugute kommt, sind reduzierte Netzausbaukosten. Derzeit speist der Verbraucher bspw.
über seine Solaranlage Strom ins Netz ein
und der Netzbetreiber rechnet mit bis zu
120 % der Nominalkapazität an Einspeisung,
da er meist keine vertrauenswürdigen Daten
über die tatsächliche Menge an eingespeister
Energie bzw. über den Netzzustand am Einspeisepunkt hat. Damit plant der Netzbetreiber den Ausbau und geht aus Gründen der
Versorgungssicherheit davon aus, dass alle
Haushalte, die Energie produzieren, die volle
Last ins Netz einspeisen. Wenn eine Steuerung der Anlagen möglich wäre, könnte man
die von den EVU vorgesehenen Netzausbaukosten laut einer Studie der Deutschen Energie-Agentur um ein Drittel reduzieren [10].
Hier sind Milliardeneinsparungen in Form
von Nicht-Ausgaben möglich.
[2] BMWi: Smart Meter wesentlicher Baustein für Energiewende und Energieeffizienz. Abrufbar unter: www.
bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=689540.
html, zuletzt geprüft am 30.4.15.
T. Weisshaupt, Global Account Manager,
Smart Energy Segment, Gemalto, München
[email protected]
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> ONLINE
> DIGITAL
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
21
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Fit für die nächste Phase der Energiewende:
Durch Speicher und Digitalisierung erfolgreiche
Geschäftsmodelle finden
Stephan Franz
Die Umstellung auf ein zunehmend dezentralisiertes Energiesystem hat grundlegende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle in der Stromwirtschaft. Erneuerbare Erzeugungsanlagen werden weiter ausgebaut, neue Speichertechnologien und die
digitale Verknüpfung und Steuerung ermöglichen eine zunehmende Integration von Erzeugung und Verbrauch. Es entsteht
ein neuer Typ erfolgreicher Energieversorger: Pool-Manager, die sowohl die Finanzierung als auch die dezentrale Erzeugung,
flexible Lasten und EE-Stromvermarktung miteinander verbinden.
Die Aufteilung zwischen „alter“ (konventioneller) und „neuer“ (erneuerbarer) Energiewirtschaft verschwimmt zunehmend.
Dezentrale erneuerbare Energiequellen hatten im Jahr 2014 einen Anteil von 25,8 % an
der Bruttostromerzeugung in Deutschland,
2015 wird dieser Anteil signifikant steigen.
Damit ist ein wichtiger Meilenstein der
Energiewende erreicht.
Die Einführung von Speichertechnologien
und die neuen digitalen Steuerungsmöglichkeiten läuten nun eine neue Phase der
Wende ein. Diese Umstellung hat grundlegende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle in der Stromwirtschaft. Denn mit den
neuen technologischen Lösungen entstehen auch neue Möglichkeiten, Geld mit der
Erzeugung, Verteilung und Vermarktung
von Strom zu verdienen. Nur wer sich in
den kommenden Jahren auf diese neuen
Marktbedingungen einstellt, wird weiter-
Abb. 1
22
hin zu den Gewinnern der Energiewende
zählen.
Ausgangpunkt:
Expertenbefragung
In der aktuellen Phase des Übergangs ist
die Debatte der Entwicklungen häufig durch
Ungewissheit und Modewörter geprägt. Vor
diesem Hintergrund stellt das Büro F, ein
Beratungs- und Marktforschungsunternehmen mit Sitz in Berlin, anlässlich der Konferenz „16. Forum Solarpraxis – Wege in die
neue Energiewelt“ im November 2015 eine
Studie vor, die die technologischen Entwicklungen analysiert, die relevanten Akteure
bestimmt und die erfolgsversprechenden
Geschäftsmodelle der kommenden fünf Jahre darstellt.
Ausgangspunkt der Studie ist eine Befragung,
an der 42 Akteure der Energiewirtschaft
Was sind die wichtigsten neuen technischen Lösungen der dezentralen Energieerzeugung?
teilgenommen haben. Von den Befragungsteilnehmern arbeiten 26 % in Forschungsinstitutionen, 19 % in der Herstellung von
Komponenten im Energiesektor, 15 % bei
Energieversorgern und 14 % bei staatlichen
Institutionen. Die restlichen 36 % setzen sich
aus Teilnehmern von Beratungsunternehmen, Verbänden und Sonstigen zusammen.
Die Experten wurden nach Trends in der
Energiewirtschaft, den wichtigsten neuen
technischen Lösungen und den interessantesten neuen Geschäftsmodellen befragt.
Die Antworten wurden systematisch ausgewertet und mit profunden Marktanalysen
gespiegelt und ergänzt.
Die Ergebnisse der Befragung untermauern, dass das Zusammenbringen von Erzeugung und Verbrauch die zentrale Baustelle der Energiewende ist. Wer sich darauf
einstellt, rüstet sich für den Energiemarkt
der Zukunft. Die technischen Lösungen
dafür stehen längst bereit. Aus Sicht der
Experten werden sich in den kommenden
fünf Jahren Speichertechnologien und die
digitale Verknüpfung und Steuerung als
neue technische Lösungen der dezentralen
Energieversorgung durchsetzen. Zugespitzt:
Speicher und Digitalisierung sind technologisch betrachtet der Missing Link zwischen
Erzeugung und Verbrauch in dezentralen
Energiesystemen (siehe Abb. 1).
Diese neuen technischen Lösungen sind
jedoch nur der Ausgangspunkt für die interessantesten neuen Geschäftsmodelle.
Diese sind nach Ansicht der Befragungsteilnehmer: 1.) die Vermarktung von Strom
(aus erneuerbaren Energiequellen), 2.)
Angebote zur Flexibilisierung der Nachfra-
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
ge (Lastmanagement) und 3.) Modelle zur
Finanzierung von Erzeugungsanlagen und
Speichern (Abb 2).
Neue Geschäftsmodelle
im Strommarkt
Die Ergebnisse zeigen eine erfolgversprechende Ausrichtung, mit der sich Stadtwerke, Energieversorgungsunternehmen
(EVU) oder Stromvermarkter in Zukunft
im Wettbewerb positionieren können. Die
neuen Geschäftsmodelle weisen zahlreiche Anknüpfungspunkte zu aktuellen Geschäftsmodellen von EVU auf, so bei der
Vermarktung von Strom und der Flexibilisierung des Verbrauchs, aber auch beim
Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten.
Es deutet jedoch alles darauf hin, dass der
Energieversorger der Zukunft Pool-Manager in einer zunehmend dezentralen und
digital verknüpften Energiewelt sein wird
(vgl. Abb. 3). Die Aufgabengebiete des PoolManagers bewegen sich zwischen Aggregation/Pooling und Vermarktung:
■ Aggregation: Der Pool-Manager aggregiert Erzeugungseinheiten verschiedener
Technologien in virtuellen Kraftwerken
(virtual power plants – VPP). Zunehmend
werden auch dezentrale Batteriespeicher in
die virtuellen Kraftwerke integriert werden,
mögen es Homespeicher oder Großspeicher
sein. Die Aggregation flexibler Lasten vor
allem in Gewerbe und Industrie hilft weiterhin, innerhalb der virtuellen Kraftwerke für
einen ausgeglichenen Bilanzkreis zu sorgen. Im Bereich der Finanzierung können in
Kooperation mit entsprechenden Unternehmen attraktive Angebote für Investoren und
Prosumer entstehen, so durch das Pooling
von Kapital über Crowd Funding, oder, in
der traditionellen Variante, über Genossenschaften.
■ Vermarktung: Der Pool-Manager verkauft den aggregierten Strom über Abnahmeverträge und über Börsen. Daneben kann
er die gebündelten Kapazitäten dezentraler
Einheiten an den Regelleistungsmärkten
vermarkten. Erste Versuche dazu gibt es
derzeit mit Batteriespeichern. Ein anderer
Weg ist der Verkauf von Komponenten für
Prosumer, z. B. in kompletten Paketen, die
Finanzierung, Reststrombezug und die Vermarktung überschüssiger Erzeugung/Kapazitäten. In letzter Zeit häufiger aufgelegt
Abb. 2
Welches sind interessante neue Geschäftsmodelle im Bereich der dezentralen Energieversorgung?
werden Direktstromprodukte, so z. B. Regionalstromprodukte, Mieterstrommodelle,
und in der digitalen Variante, die „Peer-toPeer“-Plattformen.
Neue Profile für
Energieversorger
sprechende Web 2.0-Variante ist die Anlagenfinanzierung über Crowd-Funding und
die Direktstromvermarktung über Peerto-Peer-Plattformen. In beiden Vermarktungsvarianten ist nach gegenwärtiger Gesetzeslage ein Bilanzkreisverantwortlicher
zwischengeschaltet.
Die Marktentwicklung bietet Chancen
für „Alles-Könner“ oder jene, die einzelne Nischen strategisch besetzen. So gibt
es schon heute Unternehmen, die ihre
Anlagen über regionale Energiegenossenschaften finanzieren und die erzeugte
Energie gleichzeitig in Mieterstrom- oder
Regionalprodukten vermarkten. Die ent-
Auf den neuen Märkten ist eine hohe Dynamik zu verzeichnen. Zu allen genannten neuen Geschäftsbereichen entwickeln
Unternehmen am deutschen Markt bereits
heute neue Geschäftsmodelle. Viele von ihnen haben sich in den vergangenen zehn
Jahren gegründet. So ist in der EEG-Direktvermarktung mit Clean Energy Sourcing,
Abb. 3
Neue Funktionen und Geschäftsmodelle für Energieversorger
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
23
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
E2M, Next Kraftwerke und Grundgrün ein
neuer Unternehmenstyp entstanden, der die
Aggregation von erneuerbaren Erzeugungsquellen und deren Vermarktung von Anfang
an als Kerngeschäft aufgebaut hat.
Diese Unternehmen erweitern ihr Angebot
zunehmend um die Einbindung flexibler
Lasten und das Angebot von Stromprodukten für größere und kleinere Abnehmer.
Auch die größeren Ökostromvermarkter
gehen neue Wege. So z. B. Lichtblick über
das Pooling von Prosumer-Anlagen und Naturstrom spätestens seit der Übernahme der
Grünstromwerke über Regional- und Direktstrommodelle.
Aus neuen technischen Lösungen erwachsen neue Chancen
Aus den technischen Lösungen zur Integration erneuerbarer Energien in die Energiemärkte ergeben sich neue Chancen. In der
aktuellen Marktstudie des Büro F wird diese Entwicklung systematisch analysiert und
24
dargestellt. Wer sich diesen Trends stellt und
sich für die neuen Marktbedingungen rechtzeitig fit macht, kann in der nächsten Phase
der Energiewende zu den Gewinnern zählen.
Eine weitere Gelegenheit, sich mit den neuen Marktbedingungen vertraut zu machen,
bietet das diesjährige Forum Solarpraxis
in Berlin, auf dem auch das Büro F präsent
sein wird. Auch dort wird eine Botschaft
unüberhörbar sein: Die Aufteilung zwischen „alter“ (konventioneller) und „neuer“ (erneuerbarer) Energiewirtschaft verschwimmt zunehmend.
S. Franz, Büro F – New Energy Markets, Berlin
[email protected]
16. Forum Solarpraxis – Wege in die Neue Energiewelt
Die Studie „Neue Geschäftsmodelle in dezentralen und digitalisierten Energiemärkten“ wird im November 2015 anlässlich der Konferenz „16. Forum Solarpraxis – Wege
in die Neue Energiewelt“ veröffentlicht. Das Forum Solarpraxis gehört zu den führenden Fachkonferenzen der neuen Energiewelt. Es vernetzt Photovoltaik- und Komponentenhersteller, Stadtwerke, Energieversorger und -händler, Dienstleister, Berater
und professionelle Prosumer. Im Mittelpunkt der interaktiven Konferenzformate und
Vorträge stehen neue Märkte, Geschäftsmodelle und politische Rahmenbedingungen.
Die diesjährige Konferenz findet am 26. und 27.11.2015 in Berlin statt. Es werden
über 700 Teilnehmer erwartet.
Mehr Informationen: www.neue-energiewelt.de
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Neue Generation virtueller Kraftwerke ebnet
Stadtwerken den Weg
Roberto Greening
Die Energiewende gleicht einer Revolution der Massen: Tausende von Klein- und Kleinstanlagen – ob Photovoltaik, Windenergie, Biogas oder BHKW – speisen Energie in das Mittel- und Niederspannungsnetz ein oder halten Speicherleistung
bereit. Umso bedeutender ist es für Stadtwerke, mit diesen rasant zunehmenden Erzeugungsanlagen zu arbeiten und sie mit
Speichern und industriellen Verbrauchsanlagen intelligent zu verknüpfen. Mit technologisch fortgeschrittenen integrierten
Virtual Power Plants (VPP) haben es Stadtwerke in der Hand, die Brücke zu vielen dezentralen Energieerzeugern und -verbrauchern zu bauen. Die Verknüpfung von Energiehandel, Energiespeicherkapazitäten und Demand-Response-Management
innerhalb eines Systems bietet ihnen den Einstieg in die Direktvermarktung.
Die Vision: Virtual Power Plants (VPP) der
neuen Generation nutzen die Flexibilität
der vielen dezentralen Anlagen und leisten
durch einen sekundenschnell angepassten
und darauf abgestimmten Verbrauch einen
Beitrag, die Netze zu stabilisieren. Durch die
Einbindung dieser Anlagen in ein integriertes System können Stadtwerke und Direktvermarkter ihren Energiehandel optimieren, um für sich selbst, ihre Industrie- und
Gewerbekunden sowie für partizipierende
Anlagenbetreiber neue Geschäftsfelder zu
eröffnen.
Noch stehen diese Modelle am Anfang ihrer Entwicklung. Traditionelle VPP, die ihre
einzelnen Anlagen wie ein klassischer Leitstand direkt kontrollieren, sind noch nicht
in der Lage, viele Anlagen in ein System zu
integrieren und intelligent zu steuern. Voraussetzung dafür sind Technologien, die
flexibel auf Systemanfragen eingehen und
aggregierte Profile schaffen. Dazu gehören
die Bündelung optimierter Lösungen für
den Energiehandel, stabile Netze, DemandResponse-Management sowie Energiespeicherleistungen.
Technologisch
fortgeschrittene VPP als
Ergänzung der Leitstände
Die Dezentralität der Erzeugungsanlagen
sowie Verbraucher, die zunehmend auch zu
Erzeugern werden und Energie in die Netze
einspeisen (bidirektionale Energieströme),
zwingen die Stadtwerke, ihre Anlagen in
moderne VPP zu integrieren. Im Gegensatz
zum traditionellen VPP vereint das virtuelle
Kraftwerk der neuen Generation die Fahrpläne aller Anlagen in einem ausgleichen-
Mit modernen Virtuellen Kraftwerken können die Stadtwerke eine Brücke zu Tausenden von Erzeugern und Verbrauchern schlagen und sich auf diese Weise ein einzigartiges Profil geben
Foto: emerge | Fotolia.com
den System. Es bilanziert Bedürfnisse und
betreibt ein Portfoliomanagement mit dem
Ziel, eine Optimierung der Energiepotenziale aller Anlagen zu erreichen.
Dazu ermittelt das VPP kontinuierlich die
idealen Produktionsmengen und stellt diesen Speicherkapazitäten Eigenbedarf und
Möglichkeiten des zusätzlichen Energieverbrauchs gegenüber. Es nutzt so die Kapazitäten, die Anlagenbetreiber und industrielle
Betriebe über den Eigenbedarf hinaus zur
Verfügung stellen können. Kurz gesagt: Das
VPP empfiehlt, wann wie viel Energie mit
welcher Anlage produziert, gespeichert oder
verbraucht werden soll und welche Form
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
der Vermarktung den individuell gesetzten
Zielen am besten entspricht.
Flexibilitäten sind Grundlage
virtueller Kraftwerke
Durch in ein System integrierte Anlagen
ergeben sich für Kraftwerksbetreiber viele Flexibilitätspotenziale (vgl. Abbildung).
Dafür legt das VPP für jedes einzelne Asset
Profile an. Für eine Ladestation für Elektrofahrzeuge muss bspw. ermittelt werden,
welche Energiemenge wann im Fahrzeug
sein muss: Gibt es Zeitfenster, in denen
Einsparungen beim Aufladen möglich sind?
Das VPP aggregiert diese Informationen
25
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
und gewährt dem System nach Möglichkeit, die Flexibilität der Anlage zu nutzen.
Bei Stromüberschuss kann das Fahrzeug
schnell aufgeladen werden, bei entsprechend niedrigen Strommengen wird der
Ladebetrieb verschoben. Wenn die Anlage
die Flexibilität nicht zur Verfügung stellen
kann, lehnt das System das „Angebot“ des
VPP ab, der Ladebetrieb geht normal weiter
und das virtuelle Kraftwerk speichert oder
bezieht den Strom von woanders.
Die Vielfalt unterschiedlicher Flexibilitätsprofile in einem VPP ist der Schlüssel, um
Energiekapazitäten so zu regeln, wie es für
den Anlagenbetreiber am profitabelsten
ist. Gleichzeitig ermöglicht es vor allem
Stadtwerken, die Netzstabilität zu steuern.
Damit wird zudem die Basis für die künftigen Anforderungen des Smart Grids geschaffen.
Einstieg in die
Direktvermarktung
Voraussetzung für ein netzstabilisierendes
VPP sind Smart Meter. Nur mit ihnen lassen sich jederzeit die benötigten Informationen über die Kapazitäten im Niederspannungsnetz erhalten. Das so konfigurierte
VPP ermittelt die bestmögliche Strategie
für das Verteilnetz und gewährleistet optimale Lastverläufe. Es greift dabei über
webbasierte Schnittstellen auf verschiedene externe Daten wie Wetterprognosen
oder Statusanalysen des Verteilungsnetzes
zurück.
Bei der betriebswirtschaftlichen Optimierung ermittelt das VPP, wann welche Energiemengen erzeugt, verkauft oder gespeichert werden sollen, um höchstmögliche
Gewinne am Energiemarkt zu erzielen. VPP
ermöglichen Stadtwerken so den Einstieg in
die Direktvermarktung.
Ob mit Fokus auf der Netzstabilität oder
auf der betriebswirtschaftlichen Seite: Beide VPP-Konfigurationen können entweder
unabhängig voneinander oder gleichzeitig – mit Priorisierung auf einer der beiden Betrachtungsweisen – zum Einsatz
gebracht werden. Ein VPP gibt eine Handlungsempfehlung gemäß definierter Regeln
und Bedingungen. Das Ergebnis ist ein aktualisierter und aggregierter Sollfahrplan,
26
Abb. VPP können durch die Bereitstellung von Flexibilitäten eine Vielzahl von Herausforderungen moderner EVU bewältigen
Quelle: DONG/EnerNOC
der für jede einzelne Anlage aufgeschlüsselt wird.
Getaktete Stromkapazitäten
schaffen neue Erlöse
Der Spagat zwischen Grundversorgung und
Rendite stellt das Selbstverständnis der
Stadtwerke mitunter auf die Probe. Doch
mit modernen VPP können Stadtwerke mit
Flexibilitäten Rendite erzielen und das Netz
stabilisieren. Für viele Stadtwerke ist die
Masse der kleineren Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen, die in ihrer Akkumulation
maßgeblich für das Erreichen dieser Zeile
sind und ein weitaus größeres Flexibilitätspotenzial besitzen, mittlerweile wesentlicher als die Großkraftwerke.
Um mit einem VPP attraktive Kapazitäten
zu schaffen, reichen oft schon 20 BHKW.
Im Optimalfall sind die Anlagen getaktet,
das heißt, sie produzieren oder verbrauchen
Strom sporadisch und nicht durchgehend.
Das schafft erhöhte Flexibilitäten und Erlösmöglichkeiten.
Stadtwerke müssen
Anreize schaffen
Stadtwerke hatten seit Beginn der Liberalisierung des Energiemarkts nur wenige
Möglichkeiten, sich zu profilieren. Mit mo-
dernen VPP können sie jetzt die Brücke
zu Tausenden von Erzeugern und Verbrauchern schlagen, um bisher noch unerschlossene Ressourcen zu erschließen. Vor allem
Kommunen, die viele BHKW in Schulen,
Theatern, Krankenhäusern und weiteren
kommunalen Einrichtungen betreiben, können hier profitieren.
Durch die weiter zunehmende Diversifizierung und Dezentralisierung der Energieerzeugung werden intelligente VPP in
Zukunft eine bestimmende Rolle im Energiemarkt einnehmen und den Weg in eine
smarte Energiewelt ebnen. Die EEG-Novelle
stützt diese These, da sie fernsteuerbare Anlagen begünstigt. Die BSI TR-03109
schafft die sichere Kommunikation zu den
dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen.
Der Trend dürfte an Dynamik gewinnen,
wenn die Investitionen in den Netzausbau
weiter hinter den Erwartungen zurückbleiben. Denn VPP haben durch ihre regulierende Wirkung die Möglichkeit, auch weniger
stark ausgebaute Netze zuverlässig zu stabilisieren.
R. Greening, Product Manager Virtual Power Plant, Bosch Software Innovations GmbH,
Berlin
[email protected]
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
Energiewende – Der (etwas) andere Blick
Die Energiewende braucht frischen Wind.
Deutschlands Energiewirtschaft wandelt sich derzeit stark –
hin zu mehr Dezentralität, intelligenter Vernetzung und neuer
Kundenorientierung. Weil kein Stein auf dem anderen bleibt,
muss sich auch der Blickwinkel ändern. In der bislang von
Männern dominierten Branche ist dies die weibliche Perspektive auf den Transformationsprozess.
In diesem Buch leuchten Branchenexpertinnen aus dem Netzwerk women&energy den komplexen Aktionsraum der Energiewende aus und blicken in die Energiezukunft. Der (etwas)
andere Blick schweift von veränderten Rahmenbedingungen
über Unternehmensstrategien und Finanzierungsfragen bis
hin zum Personal und zur Unternehmenskultur – und eröffnet
neue Perspektiven. Das gewährt nicht nur neue Einblicke, sondern setzt Impulse zum Gelingen des Wandels.
Autorinnen:
Julia Angerer, Nadja Ballauf, Carina Dorothea Carl, Christine Catasta, Christine Cröniger,
Sabine U. Dietrich, Ulrike Döring, Nicole Elert, Susanne Fabry, Christiane Frank, Claudia
Gellert, Nicole Hagemann-Marré, Olesya Hatop, Heike Heim, Simone Hessel, Grit Hömke,
Marion Kapsa, Andrea Keen-Erpenstein, Heidrun Leinenbach, Stephanie Lemken, Ulrike
Mathis, Anna Katharina Meyer, Anja Michalek, Dajana Neumann, Christiane Nill-Theobald,
Petra Püchner, Alexandra Ressenig, Ellen Roemer, Barbara Schmidt, Sonja Schmutzer, Elke
Spaeth, Susanne Stark, Marie-Theres Thiell, Nadja Thomas, Erna-Maria Trixl, Andrea Vogt,
Felicitas von Kyaw, Elke Vorholt, Daniela Wallikewitz, Beatrix Widmer
Buch-Bestellung
Bitte liefern Sie
energieverlag
Exemplare
ENERGIEWENDE – DER (ETWAS) ANDERE BLICK
Sichtweisen von women&energy – Das energiegeladene Frauennetzwerk!
Nicole Elert (Hg.)
etv Energieverlag GmbH
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Tel.: 0 20 54/95 32-10
Fax: 0 20 54/95 32-60
Die Bestellung richten Sie
bitte an Frau Holz:
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ISBN 978-3-942370-43-1 • 16×23 cm • 624 Seiten • je 56,- € (+ Porto)
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BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Geschäftsmodelle öffentlicher Ladeinfrastruktur für
Elektrofahrzeuge
Michael Haag und Andrej Cacilo
Die Bedeutung öffentlicher AC-Ladeinfrastruktur wurde in den Jahren der Marktvorbereitung der Elektromobilität zunächst
erheblich überschätzt. Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) prognostizierte noch im Jahr 2012 einen Ladeinfrastrukturbedarf für Deutschland in Höhe von bis zu 150 000 öffentlichen AC-Ladepunkten. Aus volkswirtschaftlich-politischer Sicht wurde hierzu ein Henne-Ei-Problem beschrieben, das besagt, dass Infrastrukturaufbau und Markthochlauf von
Elektrofahrzeugen sich wechselseitig bedingen. Dabei wurde jedoch unterschätzt, dass ein erheblicher Teil der Kunden über
private Lademöglichkeiten verfügt und damit nur einen sehr geringen Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur hat. Eine
allgemeine Wirtschaftlichkeitsrechnung auf Basis einer Meta-Studie zeigt die Schieflage aus Kosten und Erlösen deutlich.
Daraus ergibt sich die Frage, wie zukunftsfähige Geschäftsmodelle aussehen können.
Zwar wurde von der NPE ermittelt [1], dass
die Existenz öffentlicher Ladeinfrastruktur
eine nennenswerte psychologische Bedeutung für potenzielle Kunden von Elektrofahrzeugen hat, der Bedarf an öffentlicher
Ladeinfrastruktur [2] und damit die Nachfrage haben die Erwartungen jedoch bei weitem nicht erfüllt [3]. Im Ergebnisbericht zu
den Modellregionen 2011 wurde bereits das
Fazit gezogen, dass die Kosten für Aufbau
und Wartung von Ladestationen im öffentlichen Bereich vor Projektstart unterschätzt
sowie die zu erzielenden Erlöse überschätzt
wurden [4].
Bis auf Ausnahme der wenigen europäischen Standorte mit elektrischem Carsharing, wie z. B. in Stuttgart oder Amsterdam,
Abb. 1
28
sind die meisten öffentlichen AC-Ladepunkte [5] deutlich unterausgelastet, so dass der
Ausbau in Deutschland in der Zwischenzeit
stockt bzw. in einigen Städten sogar ein selektiver Abbau diskutiert wird. Andererseits finden nach wie vor groß angelegte
öffentliche Ausschreibungen statt oder
wurden angekündigt, um ganze Städte wie
Berlin, München oder Hamburg flächendeckend mit öffentlicher Ladeinfrastruktur
auszustatten. Dabei wird stets auch ein
überwiegender Anteil an AC-Ladestationen
eingeplant. In der jetzigen Aktualisierung
des NPE-Fortschrittsberichts vom Dezember 2014 gehen die Experten von einem
Ladeinfrastrukturbedarf von 70 000 öffentlichen AC-Ladepunkten für das Jahr 2020
aus.
Total Cost of Ownership-Betrachtung pro Ladepunkt für das Jahr 2014
Wirtschaftlichkeitsberechnung
für Ladeinfrastruktur
In der Wirtschaftlichkeitsberechnung für
den Betrieb von Ladeinfrastruktur für
Elektrofahrzeuge werden den Anschaffungs- und Betriebskosten die Erlöse eines
durchschnittlich ausgelasteten Ladepunkts
gegenübergestellt. Hierfür wird eine Reihe
von Annahmen getroffen:
■ Die Anschaffungs- und Betriebskosten für Ladeinfrastruktur beruhen auf den
Werten aktueller Angaben der NPE [6] und
Fraunhofer ISI [7];
■ es wird eine durchschnittliche Anzahl
an Ladevorgängen an einem Ladepunkt einer Ladesäule angenommen. Als Referenzwert wird hierbei die durchschnittliche
Anzahl der Ladevorgänge in Amsterdam
gewählt (1,62 Ladevorgänge/Tag) [8];
■ der durchschnittliche Ladestrom pro
Ladevorgang wird mit 8,61 kWh angenommen [8];
■ es wird ein kWh-basierter Stromtarif
(netto 0,23 €/kWh) verwendet und eine virtuelle Marge von 0,1 €/kWh angenommen.
Abb. 1 zeigt die Gesamtkosten und Erlöse
für einen Ladepunkt im Jahr 2014. Die Abbildung verdeutlicht, dass der Betrieb einer
öffentlichen AC-Ladeinfrastruktur aus wirtschaftlicher Sicht derzeit nicht tragend ist.
Eine Untersuchung der Kosten zeigt weiter,
dass insbesondere die Abschreibungen einen
hohen Anteil an den Gesamtbetriebskosten
haben. Den Umsätzen in Höhe von 1 622 €
stehen Gesamtkosten in Höhe von 2 693 €
gegenüber, wodurch ein Finanzierungsdelta
in Höhe von 1 071 € im Jahr 2014 resultiert.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Banalerweise führt ein steilerer Fahrzeughochlauf zu einer steigenden Nachfrage nach
Ladestationsnutzung und Auslastung der
öffentlichen Ladeinfrastruktur und damit zu
einem deutlich verbesserten Ergebnis für die
Betreiber öffentlicher Ladeinfrastrukturen.
Wir verweisen dabei auf den aktuellen NPE
Zwischenbericht 2014 mit den dort durch
das Fraunhofer ISI bewerteten und durch die
NPE empfohlenen Maßnahmen zur staatlichen Förderung, wie z. B. Sonder-AfA etc.
Dennoch ergibt eine betriebswirtschaftliche
Betrachtung, dass öffentlich zugängliche Ladepunkte „voraussichtlich bis 2020 […] nicht
wirtschaftlich zu betreiben“ sein werden [6].
Trotz dieses Befunds wird das Thema Elektromobilität aufgrund der weltweit gesetzten Nachhaltigkeitsziele im urbanen Raum
und der Tatsache, dass die politischen Triebfedern der Elektromobilität neben der Reduktion von Treibhausgasen insbesondere
die Lösung städtischer Probleme wie Schadstoff- und Feinstaubbelastung sind [9], weiter forciert. Sollen diese städtischen Probleme jedoch gelöst werden, muss mittelfristig
ebenfalls eine Antwort für die sog. „Laternenparker“ gefunden werden. In deutschen
Großstädten über 500 000 Einwohner, verfügen 43,5 % der Fahrzeughalter nicht über
einen privaten Stellplatz [10]. In den Niederlanden liegt diese Quote bei 74 %, so dass
dort Lösungen für Laternenlader noch höher
auf der Prioritätsliste stehen [11].
Kombiniert man die Notwendigkeit eines
Markthochlaufs von Elektrofahrzeugen in
Städten mit dem Befund, dass aktuelle Geschäftsmodelle keine Wirtschaftlichkeit erzielen (können), führt dies zur Frage, wie die
Geschäftsmodelle verändert werden müssen.
In einer Reihe von Projekten werden daher
aktuell Geschäftsmodelle im Bereich der
Ladeinfrastruktur untersucht [12].
Nachfolgend wird zunächst eine Methodik zur Analyse von LadeinfrastrukturGeschäftsmodellen beschrieben und das in
Rotterdam umgesetzte Geschäftsmodell mit
dem in Stuttgart umgesetzten Geschäftsmodell verglichen. Rotterdam verfügt über
einen der am höchsten entwickelten städtischen EV-Märkte in Europa und ist, gemessen am Verhältnis von Ladestationen zu
Elektrofahrzeugen, eine der Städte mit der
höchsten Dichte an Ladestationen [13].
Abb. 2
Morphologischer Kasten für die technisch-operative Dimensionen von Ladeinfrastruktur-Geschäftsmodellen (blau = Stuttgart, orange = Rotterdam)
Geschäftsmodell-Morphologie
für eine öffentliche
Ladeinfrastruktur
Eine morphologische Analyse stellt ein Mittel
dar, um Geschäftsmodelle systematisch zu
beschreiben und zu analysieren. Das Prinzip des morphologischen Kastens besteht
darin, potenzielle Ansätze zur Lösung mit
verschiedenen Ausprägungen systemisch
zu klassifizieren und strukturiert darzustellen [14]. Eine spezifische Kombination
verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten
in einem morphologischen Kasten wird als
Profilzug bezeichnet. Die Gesamtanzahl an
potenziellen Lösungen kann mithilfe eines
morphologischen Kastens und der Kombination möglicher Ausprägungsmerkmale, unter
Nichtberücksichtigung von technisch oder
ökonomisch nicht attraktiven Ausprägungen,
reduziert werden. Im Folgenden wird auf die
Ausprägungen der Geschäftsmodelle für öffentliche Ladeinfrastruktur in Stuttgart und
Rotterdam eingegangen, welche in zwei morphologischen Kästen dargestellt werden.
Nachfolgend werden die in Abb. 2 dargestellten Merkmalsausprägungen für den
Betrieb öffentlicher Ladeinfrastruktur in
den Städten Rotterdam und Stuttgart erläutert. In Rotterdam befinden sich konduktive
Ladestationen vorwiegend am Straßenrand
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
und verfügen in der Regel über je zwei Ladepunkte mit einer maximalen Ladeleistung
von 11 kW. Zur Kommunikation zwischen
Ladesäule und Fahrzeugen wird Mode 3 verwendet. Die Zugänglichkeit für den Nutzer
ist aufgrund der Interoperabilität der Ladestationen auf Basis von Roaming-Verträgen
verschiedener Betreiber in Rotterdam und
den gesamten Niederlanden gegeben. Der
Stromzähler ist in der Ladesäule verbaut.
Abgerechnet wird die geladene Energiemenge in kWh. Dabei wird von der Stadt
ein Höchstpreis in Höhe von 23 ct/kWh
festgesetzt. Zur Authentifizierung und Abrechnung ist eine dedizierte Karte nötig. Der
Parkplatz ist nicht reservierbar. Bezüglich
der Zugänglichkeit für Lieferanten setzt Rotterdam auf ein Ein-Lieferanten-Modell [15].
In Stuttgart werden konduktive Ladestationen
am Straßenrand mit je zwei Ladepunkten und
einer maximalen Ladeleistung von 22 kW
eingesetzt. Zur Kommunikation zwischen Ladesäule und Fahrzeug wird Mode 3 verwendet. Ein Stromzähler ist in jede Ladestation
integriert. Abgerechnet wird bei Nutzung der
Stuttgarter Ladeinfrastruktur nach Zeit (h)
und nicht nach geladener Energiemenge. Dies
liegt u. a. am deutschen Eichrecht, das für eine
Abrechnung nach kWh ein durchgängig geeichtes Messsystem entlang der Kette „Kunde
– Ladestation – IT-Backend – Frontend – Kun29
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
naus gemeinsam mit Kooperationspartnern
nachhaltig tragfähige Geschäftsmodelle für
Betrieb und Service sowie für den weiteren
Hochlauf von Ladeinfrastruktur zu entwickeln, zu erproben und zu etablieren. Dagegen hat der reine Umsatz an elektrischer
Energie eine nachrangige Bedeutung.
Optimierungsoptionen
der Geschäftsmodelle
Die Ergebnisse der eingangs vorgestellten
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung verdeutlichen,
dass im Bereich öffentlicher Ladung bedeutende Modifizierungen des Geschäftsmodells
unumgänglich sind, damit der Betreiber wirtschaftlich arbeiten kann. Drei Punkte sind
für die Optimierung des Geschäftsmodells
von besonderer Bedeutung:
Abb. 3
Morphologischer Kasten für Marktrollen in Ladeinfrastruktur-Geschäftsmodellen (blau = Stuttgart, orange = Rotterdam)
1.
2.
de“ vorschreibt, wodurch ein wirtschaftlicher
Betrieb zusätzlich schwierig zu erreichen ist.
Zur Authentifizierung und Abrechnung ist
eine spezielle RFID-Karte nötig. Die Zugänglichkeit für den Nutzer ist aufgrund der Interoperabilität der Ladestationen auf Basis
von Roaming-Verträgen der EnBW mit verschiedenen Betreibern (Ladenetz, HUBJECT,
Electricité de France, BMW, VW, verschiedene Stadtwerke etc.) grundsätzlich gegeben. Leider ist die Roaming-Vernetzung in
Deutschland noch nicht so einheitlich und
universell wie in den Niederlanden, so dass
derzeit verschiedene Roaming-Plattformen
parallel existieren. Obwohl die Parkplätze
nur von Elektrofahrzeug-Kunden genutzt
werden dürfen, ist es nicht möglich, dauerhafte Reservierungen vorzunehmen.
Bezüglich der Zugänglichkeit für Lieferanten beruht das Stuttgarter Geschäftsmodell
auf einem Einlieferantenmodell zur Stromversorgung der Ladestationen. Gegenüber
dem Endkunden ist dies aufgrund der zeitbasierten Abrechnung entkoppelt. Hier gilt
entweder der Tarif der EnBW-Elektronautenladekarte (postpaid/prepaid) oder der
Roamingtarif des jeweiligen EMP, mit dem
der Kunde in Vertragsbeziehung steht.
Der morphologische Kasten in Abb. 3 zeigt
die Marktrollen innerhalb der Geschäftsmo30
delle in Rotterdam und Stuttgart. Die Zuteilung der Rollen ist in Rotterdam sehr differenziert. Der Infrastrukturinhaber ist die
Stadt selbst. Authentifizierungs-, Zählungs-,
Bezahlungs- und Lade-Services werden von
einem Dienstleistungsunternehmen durchgeführt, welches auch den technischen Betrieb übernimmt. Parkplatzbetreiber ist die
Stadt Rotterdam, häufig sind die Parkräume jedoch nicht bewirtschaftet. Der Anreiz
der Stadt Rotterdam ist die Förderung der
Marktdurchdringung der Elektromobilität.
Der Anreiz des Betreibers ist die langfristige
Wirtschaftlichkeit des Ladeservices.
Die Zuteilung der Marktrollen ist in Stuttgart
sehr zentralisiert. Der Infrastrukturinhaber
ist der Energieversorger Energie BadenWürttemberg AG (EnBW). Auch weitere
Funktionen wie Authentifizierung, Zählung,
Abrechnung und Ladedienstleistungen sowie
der technische Service werden von der EnBW
übernommen. Parkplatzbetreiber ist in der
Regel die Stadt Stuttgart; häufig sind die
Parkräume jedoch nicht bewirtschaftet. Der
Anreiz der Stadt Stuttgart als Projektpartner
ist insbesondere die Implementierung des
E-Carsharing-Konzepts als Instrument, um
den innerstädtischen Verkehr umweltfreundlicher und flexibler zu machen und dabei
die Mobilitätsbedürfnisse der Bürger und
Besucher zu erfüllen. Ziel der EnBW ist es,
über die bisherigen Forschungsprojekte hi-
3.
4.
Maßnahmen zur Kostenreduktion für
Errichtung und Betrieb;
Verbesserung von Kundennutzen und
Kundenfreundlichkeit durch Reservierbarkeit;
Ko- und Querfinanzierung;
Beschleunigung des Fahrzeughochlaufs.
Kostenreduktion bei
Errichtung und Betrieb
Mit dem weiteren Ladeinfrastrukturaufbau
wird die Hardware im Zeitablauf günstiger.
Hierbei kommen verschiedene Skalen- und
Lerneffekte sowie Prozessverbesserungen
bei der Herstellung zum Tragen. Bei einer
Verdopplung der kumulierten Produktionsmenge war bei anderen Technologien eine
Kostenreduktion von ca. 20 % möglich [16].
Weitere Komplexitäts- und Kostenreduktionen sind durch Verzicht auf Schukosteckdosen oder auf Ladeklappen erbringbar.
Während des Betriebs kann einer Optimierung der Prozessabläufe für Entstörung und
Wartung (z. B. ergänzt durch remotefähige
Fehlerstromschutzschalter) zu Kostensenkungen führen. Darüber hinaus arbeiten
projektübergreifende Arbeitskreise schon
seit Jahren erfolglos an einer Anpassung
der nicht e-mobilitätstauglichen technischen Anschlussbedingungen des Ladeinfrastrukturaufbaus und einer Lockerungen
im Eichrecht. Die Weichen zu weiteren Kostenreduktionen können nur gestellt werden,
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
wenn man davon weg kommt, dass eine
neue öffentliche Ladestation wie der Neubau
eines Einfamilienhaus zu betrachten ist und
dort Hausanschlusskasten (HAK) und Haushaltszähler verbaut werden müssen.
Erhöhter Kundennutzen
durch Reservierbarkeit
Eine signifikante Verbesserung des Kundennutzens und der Kundenfreundlichkeit könnte durch die Möglichkeit erreicht
werden, die Ladestationen dauerhaft zu
buchen. Das betrifft im Speziellen die Option zur Reservierung eines Nacht-Ladeparkplatzes. Die garantierte Möglichkeit
zum Laden ist aus Sicht der Kunden eine
Bedingung für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs. Dies zeigen die Mobilitätsstatistiken und Befragungen von Kunden:
Über Nacht parken 99 % aller Fahrzeuge.
Normalerweise bleiben sie die ganze Nacht
auf dem Parkplatz [17]. Wie bereits erläutert, müssen in großen deutschen Städten
mehr als 43,5 % der Fahrzeugbesitzer auf
der Straße parken. Für diese Kundengrup-
pe liegt derzeit keine gute Ladeinfrastrukturlösung vor.
Renault hat ermittelt, dass eine schlechte
Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur die
Hauptbarriere für einen Elektrofahrzeugkauf darstellt. Entsprechend sind drei Viertel der Elektrofahrzeugkunden von Renault
in Städten unter 50 000 Einwohnern und zu
93 % in Einfamilienhäusern beheimatet. Diese Kunden verfügen über private Ladepunkte. Sebastián Albertus von Renault schlussfolgert daher, dass es nicht um die Anzahl
öffentlicher Ladepunkte geht, sondern um
die gesicherte Möglichkeit, nachts laden zu
können [18].
Auch wenn der Mehrwertdienst „Reservierung eines Nachtladeplatzes“ aus Kundensicht interessant ist, so stehen einem
derartigen Angebot erhebliche Barrieren
entgehen. Organisatorisch spricht dagegen,
dass Parkplatzeigentümer (in der Regel
Kommunen) und Ladeinfrastrukturbetreiber (in der Regel Privatunternehmen) im
Rahmen eines gemeinsamen Geschäftsmo-
dells kooperieren müssten und hierfür die
gesamte Parkplatzbewirtschaftung und -regelung neu zu strukturieren wäre. Zudem
wäre eine Umsetzung auf Basis des geltenden Rechts derzeit nicht möglich [19].
Ko- und Querfinanzierung
Zur Querfinanzierung der Ladeinfrastruktur
gibt es mehrere Ansätze. Der VDA schlägt
eine Verknüpfung mit der Parkraumbewirtschaftung vor, d. h. eine leichte Anhebung
der Parkgebühren für alle Fahrzeuge. Als
alternative Finanzierungsoption wurde eine
Ko-Finanzierung durch Netzentgelte vorgeschlagen [20]. In Italien und Irland wurde
dieses Marktmodell bereits implementiert.
Zwar würden die Mehrkosten für private Haushalte pro kWh nur ca. 0,08 ct bzw.
2,7 € pro Jahr betragen und damit unter der
Wahrnehmungsschwelle bleiben. Allerdings
würde dieses Marktmodell den Verteilnetzbetreiber in die Rolle des Ladeinfrastrukturbetreibers bringen. Es kann bezweifelt
werden, ob dies zu den Kompetenzen eines
Netzbetreibers passt.
Cornelia Kawann (Hg.)
ENERGIE IM WANDEL –
Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft
Energie wird erzeugt, transportiert und gespeichert. Sie wird gehandelt, genutzt,
verschwendet, verbraucht, gespart und vernichtet. Wir kommunizieren und produzieren mit ihr. Energie ist ein politisches Thema.
Aber auch eine gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Aufgabe, die nach
einem ganzheitlichen Umgang verlangt. Noch immer ist die Energiewirtschaft eine
Männerdomäne.
Sie erfordert mit ihrer wachsenden Komplexität jedoch
zunehmend die Diversität verschiedener Kompetenzen und
Sichtweisen. Diese Diversität gewinnt derzeit an Fahrt und
belebt die Branche: Immer mehr Frauen steigen neu in die
Energiewirtschaft ein oder belegen dort sogar Spitzenpositionen. Es ist Zeit, der Vielfalt und Ganzheitlichkeit zuliebe
einmal die Power-Frauen zu Wort kommen zu lassen:
Denn es gibt sie, sogar zahlreich.
Bestellanschrift:
Bitte liefern Sie
Exemplare
Energie im Wandel –
Frauen gestalten die Schweizer Energiezukunft
je 29,- € (+ Porto) У ISBN 978-3-942370-41-7
Energie im Wandel – eine Aufgabe der Gesamtgesellschaft.
Wir alle sind gefordert.
ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN JAHRESSPECIAL ONLINE 2015
ISBN 978-3-942370-41-7 • 288 Seiten • Preis: 29,- €
energieverlag
etv Energieverlag
GmbH
Postfach 18 53 54
D - 45203 Essen,
Tel.: 0 20 54/95 32-10 • Fax: 0 20 54/95 32-60
Die Bestellung richten Sie bitte an Frau Holz:
[email protected]
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BEWIRTSCHAFTUNG DER ENERGIEWENDE
Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit besteht darin, einen E-Mobilitäts-Cent pro Liter Treibstoff zu erheben. Pro Jahr werden in
Deutschland 67 Mrd. l Treibstoff verbraucht
[21], so dass in 3 Jahren mit 1 ct rd. 2 Mrd. €
in einen zentralen Fonds fließen könnten.
Bezogen auf den von der NPE prognostizierten Bedarf von 70 000 Ladepunkten im
Jahr 2020 wäre sogar nur ein Zuschlag auf
die „Mineralölsteuer“ in Höhe von unter
0,2 ct €/l ausreichend, um die prognostizierte AC-Ladeinfrastruktur zu finanzieren.
Wirtschaftlichkeit ist
nicht absehbar
Deutlich wird, dass AC-Ladeinfrastrukturgeschäftsmodelle in ihrer heutigen Ausprägung auch langfristig nicht wirtschaftlich
sind. Es sind grundlegende Modifikationen
der Geschäftsmodelle bzw. ihrer Finanzierung notwendig, um einen wirtschaftlichen
Betrieb für die Anbieter zu ermöglichen.
Dies ist die Voraussetzung dazu, dass die
notwendige Infrastruktur für Elektrofahrzeugkunden in urbanen Räumen dauerhaft
bereitgestellt wird.
Anmerkungen
[2] infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft
http://www.slam-projekt.de/index.php; LivingLab BWe
GmbH; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
mobil: Aufbau Ladeinfrastruktur Stuttgart und Region
(DIW): Mobilität in Deutschland (MiD) 2002. Bonn/Ber-
(ALIS). Abrufbar unter: http://www.livinglab-bwe.de/
lin 2002; Continental AG: Continental-Mobilitätsstudie
projekt/alis
2011. Hannover 2011. Ca. 71 % der Fahrzeughalter
[13] International Energy Agency: EV City Casebook.
in Deutschland und ca. 56,5 % der Fahrzeughalter in
Paris 2012.
Großstädten sind Stellplatz- und Garagenparker, die in
[14] Zwicky, F.; Wilson, A. (Hrsg.): New Methods of
der Regel gute Bedingungen für einen Aufbau privater
Thought and Procedure – Contributions to the Sympo-
Ladeinfrastruktur aufweisen. Es kann angenommen
sium on Methodologies. o. O. 1967.
werden, dass der Anteil dieser Gruppe unter privaten
[15] Oranje, A.: Rotterdam Electric. Rotterdam 2014.
Elektrofahrzeugkäufern deutlich höher ist.
[16] Coenenberg, A. G.; Fischer, T. M.; Günther, T.: Kos-
[3] Boesche, K. V.; Fest, C.; Franz, O.; Gaul, A. J.: Ber-
tenrechnung und Kostenanalyse. Stuttgart 2012.
liner Handbuch zur Elektromobilität. München 2013.
[17] Follmer, R.; Gruschwitz, D.; Jesske, B.; Quandt, S.;
[4] NOW: Ergebnisbericht der Modellregionen Elektro-
Lenz, B.; Nobis, C.; Köhler, K.; Mehlin, M.: Mobilität in
mobilität 2009-2011. Berlin 2011.
Deutschland (MiD) 2008 – Ergebnisbericht. infas Ins-
[5] Unter öffentlicher AC-Ladeinfrastruktur versteht
titut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH, Deut-
man in der Regel Wechselstrom-Ladepunkte, die öffent-
sches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR),
lich zugänglich sind und auf Stellplätzen in öffentli-
Bonn/Berlin 2010.
chem Eigentum installiert wurden.
[18] Albertus: S.: EEO Workshop. Renault, abrufbar
[6] NPE: Fortschrittsbericht 2014 – Bilanz der Markt-
unter: www.polisnetwork.eu/uploads/Modules/Public-
vorbereitung. Berlin, Dezember 2014.
Documents/em-workshop_renault_policy-support.pdf
[7] Plötz, P.; Gnann, T.; Kühn, A.; Wietschel, M.: Markt-
[19] In Deutschland ist das Reservieren von Parkraum
hochlaufszenarien für Elektrofahrzeuge – Langfas-
laut StVO §12 Absatz 5 grundsätzlich verboten: „An ei-
sung. Karlsruhe, Fraunhofer ISI, September 2013.
ner Parklücke hat Vorrang, wer sie zuerst unmittelbar
[8] van den Hoed, R.; Helmus, J. R.; de Vries, R.; Bardok,
erreicht.“
D.: Data analysis on the public charge infrastructure in
[20] Hartwig, M.: Öffentliche Ladestationen als Teil des
the city of Amsterdam. Vortrag gehalten auf der EVS27.
Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Ver-
Barcelona 2013.
sorgung. ZNER 2013.
[9] Urban Foresight: EV City Casebook. Newcastle 2014.
[21] DIW: Verkehr in Zahlen 2013/2014.
[10] NPE (siehe Fn. [6]) und Plötz et al. (siehe Fn. [7]).
[1] Nationale Plattform Elektromobilität (NPE): Lade-
[11] FASTNED B.V.: Fastned Administratie Stichting
infrastruktur bedarfsgerecht aufbauen. AG 3 – Ladein-
(FAST). Juli 2014.
frastruktur und Netzintegration. Arbeitspapier. Berlin/
[12] Institut für Kraftfahrzeuge (ika): SLAM – Schnel-
München, Juni 2012.
ladenetz für Achsen und Metropolen. Abrufbar unter:
M. Haag, A. Cacilo, Fraunhofer Institute for
Industrial Engineering IAO, Stuttgart
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