Praktikumsbericht
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Praktikumsbericht
Praktikumsbericht Praktikant: Studienfach: Politikwissenschaft, 5. Semester (Nebenfach: Rechtswissenschaft, 3. Semester) Praktikumsfirma: Friedrich-Ebert-Stiftung, Prishtina Mujo Ulqinaku 4/10 (Pejton) 10 000 Prishtina Kosovo Praktikumstermin: 02.08.2010 – 01.10.2010 Schon bei der Einführungsveranstaltung vor dem ersten Semester für mein Hauptfach Politikwissenschaften wurde uns gesagt, wie wichtig gerade in diesem Studiengang Praktika und vor allem auch Auslandspraktika sind. Als ich jedoch die Suche nach einem passenden Auslandpraktikum begonnen habe, ist mir aufgefallen, wie schwer es ist ein Praktikum zu finden, bei dem es keine Voraussetzung ist, schon einmal Auslandserfahrung gemacht zu haben. Bei fast allen Organisationen ist Auslandserfahrung nämlich Voraussetzung. Ich habe den Praktikumsratgeber auf der Homepage des Geschwister-Scholl-Instituts gelesen. Hier habe ich erfahren, dass auch die deutschen politischen Stiftungen im Ausland Praktika anbieten und habe beschlossen, mich für ein Praktikum bei einer der Auslandsvertretungen der Friedrich-Ebert-Stiftung zu bewerben. Daraufhin habe ich mir überlegt, welches Land mich interessieren würde. Für den Kosovo habe ich mich entschieden, weil ich es mir als Politikstudentin besonders interessant vorgestellt habe, in einem Land zu arbeiten, in dem es vor erst wenigen Jahren noch einen Krieg gab, das eine internationale Intervention hinter sich hat und das noch im Aufbau ist und eben noch keine gefestigten Staatsstrukturen hat. Ich wollte wissen, wie die politischen Strukturen in einem solchen Land funktionieren und ob ich im Studium erworbenes Wissen tatsächlich in einem solchen Land anwenden konnte. Zudem fand ich es interessant, die Arbeit einer deutschen Stiftung im Ausland und somit einen potentiellen Arbeitsplatz für Politikwissenschaftler kennen zu lernen. Ich habe mich hieraufhin direkt bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Prishtina beworben. Ich hatte die Bewerbung nur wenige Monate vor Praktikumsbeginn abgeschickt. Da inzwischen die Bewerberzahl für den Kosovo, wie ich mitbekommen habe, jedoch größer wird, sollte man sich wahrscheinlich inzwischen mindestens ein halbes Jahr vor gewünschtem Praktikumsbeginn bewerben. Zur Vorbereitung auf das Praktikum habe ich einige Literatur zum Kosovo gelesen, vor allem jedoch zum Kosovo-Krieg, da ich dachte, diese Geschichte würde das Land sicher bis heute beeinflussen, was auch tatsächlich so ist. Albanisch oder Serbisch habe ich vor meinem Aufenthalt in Prishtina nicht gesprochen, ist auch für die Arbeit in der Friedrich-EbertStiftung in Prishtina nicht nötig, da alle Mitarbeiter Englisch oder sogar Deutsch können und auch die Arbeit auf Deutsch oder Englisch zu erledigen war. Kann man jedoch gut albanisch, gibt es sicher andere Aufgabengebiete, die man noch bei der Stiftung erledigen kann, wie zum Beispiel Hilfe bei der Organisation von Veranstaltungen, was mir leider mangels Sprachkenntnissen nicht möglich war. Ich habe erst im Kosovo selbst angefangen Albanisch zu lernen. Eine Verwandte einer Mitarbeiterin der Stiftung unterrichtet an der amerikanischen Schule in Prishtina und hatte auch schon der Praktikantin vor mir Albanischunterricht gegeben. So konnte auch ich zweimal die Woche für eine Stunde Albanisch lernen. Gerade für das Leben im Kosovo sind Grundkenntnisse im Albanischen wichtig, da nicht alle Kosovaren Englisch sprechen und man so oft auf Albanisch nach dem Weg fragen etc muss. Die meisten und vor allem gerade die älteren Kosovo-Albaner sprechen auch serbisch, tun dies jedoch ungern und man wird eventuell nicht so freundlich behandelt, wenn man versucht, sich auf Serbisch mit Albanern zu unterhalten. Da die große Bevölkerungsmehrheit jedoch aus Albanern besteht und nur eine Minderheit aus Serben, denke ich, es ist hilfreicher, Albanisch zu lernen, als Serbisch. Die Suche nach einer Unterkunft war kein Problem, da die vorherige Praktikantin bereits eine Wohnung direkt neben der Stiftung gefunden hatte, in die ich zunächst mit einziehen und die ich dann später übernehmen konnte. Auch die Praktikanten nach mir haben bis jetzt die Wohnung übernommen. Konferenzraum und Praktikantenarbeitsplatz in der FES Meine Aufgaben im Praktikum waren sehr unterschiedlich. Da leider im August sehr selten Veranstaltungen der Friedrich-Ebert-Stiftung im Kosovo durchgeführt wurden, konnte ich hier nur im September bei einigen Veranstaltungen dabei sein. Die Organisation der Veranstaltungen ist sehr kurzfristig. Zudem ist es im Kosovo auch für die Organisation von Veranstaltungen, wie zum Beispiel bei der Suche nach bestimmten Experten für eine Veranstaltungen, nötig, Beziehungen zu haben, da im Kosovo sehr viel über mündliche Kommunikation läuft und sozusagen „jeder jeden kennt“. Somit ist Hilfe bei der Veranstaltungsvorbereitung für Praktikanten eher schwierig. Meine Aufgabe bestand bei Veranstaltungen nach diesen darin, sogenannte Veranstaltungsberichte zu verfassen, die an die deutsche Zentrale der Stiftung gehen. Ansonsten bestand meine Aufgabe eher in Recherchetätigkeiten und im Verfassen von „Factsheets“ für deutsche Politiker, die in den Kosovo kommen, zu bestimmten Themen im Kosovo. Mit diesen Factsheets sollten sich die Politiker später über ihr Spezialgebiet und wie dieses im Kosovo abläuft informieren können. Gerade bei der Recherche für diese Factsheets habe ich sehr viel über den Kosovo und seine Gesellschaft gelernt. Ich habe einen Einblick in die Arbeit einer politischen Stiftung bekommen und konnte im Studium erlernte Inhalte an der Realität überprüfen. Auch die Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung waren immer hilfsbereit. Man konnte sich mit Fragen jederzeit an jemanden wenden und hatte immer das Gefühl gut betreut zu sein. Generell war das Arbeitsklima hervorragend und man wurde auch als Praktikant in Mitarbeitergespräche und Evaluationsgespräche voll mit eingebunden. Generell ist die Arbeitsweise im Kosovo jedoch anders als in Deutschland. Es wird sehr viel mündlich und teilweise auch außerhalb des Büros in Cafes oder Bars geregelt. Hier wird dann über künftige Veranstaltungen, Kooperationen oder ähnliches diskutiert. Generell geht es im Kosovo etwas unstrukturierter zu als man das von Deutschland gewohnt ist. Zudem besteht zwischen vielen Menschen eine Verbindung oder Verwandtschaft, so dass immer noch viele Dinge innerhalb der Familie geregelt werden und auch Geschäfte eher mit Familienmitgliedern gemacht werden. Blick vom Büro der FES über Prishtina Es ist sehr leicht mit Kosovaren ins Gespräch zu kommen. Die Kosovaren sind Ausländer gewohnt und trotz einzelnen Bewegungen, die die internationale Verwaltung des Kosovo kritisch betrachten, wird man als Ausländer immer sofort überall freundlich aufgenommen. Viele Menschen wollen wissen, wo man arbeitet und woher man kommt. Vor Beginn des Praktikums hatte ich mit Gedanken gemacht aufgrund der überwiegend muslimischen Bevölkerung und zum Beispiel bei der Klamottenauswahl für mein Praktikum besonders darauf geachtet, Kleidung mitzunehmen, die die Schultern bedeckt. Dies hat sich im Nachhinein als völlig unnötig herausgestellt. Die kosovarische Bevölkerung ist sehr liberal was andere Ansichten etc. angeht und auch die Religion spielt keine wirkliche Rolle. Bei der Eröffnung einer großen Kirche in Prishtina zum Beispiel waren ungefähr gleich viele Katholiken wie Muslime anwesend. Diese Liberalität hat mich, gerade wegen der vielen negativen Pressemeldungen in Deutschland sehr überrascht. Generell ist es schwierig vorher etwas über das Leben und die Kultur im Kosovo zu erfahren, da das Thema aus den deutschen Medien fast vollständig verschwunden ist. Selbst als während meines Praktikums der kosovarische Präsident zurückgetreten ist, wurde darüber kaum in den deutschen Medien berichtet. Ich kann allerdings zur Vorbereitung auf das Alltagsleben im Kosovo das Buch „Hundert Wochen Kosovo. Alltag in einem unfertigen Land“ von Saskia Drude empfehlen. Ich habe das Buch erst nach meinem Aufenthalt im Kosovo entdeckt und habe mir beim Lesen des Öfteren gedacht „ja genau, das ist mir auch öfter aufgefallen“. Ansonsten kommt man im Kosovo auch genauso oft mit anderen Ausländern in Kontakt. Auch hier wird man sofort in die Gemeinschaft der „Internationals“ aufgenommen und kann Kontakte knüpfen. Was mir jedoch bei vielen dieser „Internationals“ aufgefallen ist, ist, dass viele von ihnen unter sich bleiben und es so zum Beispiel auch einige Bars gibt, in denen keine Einheimischen zu finden sind. Im Kosovo gibt es ein gut ausgebautes Bussystem, so dass man sehr gut auch andere Städte des Kosovo oder des ganzen westlichen Balkans besuchen kann. So konnte ich zum Beispiel auch nach vorheriger Absprache das deutsche KFOR-Lager in Prizren besichtigen. Auch gibt es im Kosovo trotz der beschränkten Möglichkeiten des Landes durchaus kulturelle Ereignisse, wie zum Beispiel einmal im Jahr ein Dokumentarfilmfestival in Prizren (obwohl es sonst im Kosovo nur ein einziges Kino gibt) oder auch einige Museen oder Kirchen zu besichtigen. Teilweise sind die serbischen Kulturgüter noch von Soldaten bewacht, mit einem (deutschen) Ausweis ist es jedoch kein Problem, diese trotzdem zu besichtigen. Bei den Museen variiert der Eintritt öfter mal, je nachdem, wer gerade an der Kasse sitzt. So bin ich in dasselbe Museum einmal für 2 Euro, einmal für 1 Euro und einmal umsonst hineingekommen. Obwohl die Lebenshaltungskosten im Kosovo für deutsche Verhältnisse sehr gering sind, sollte man aufpassen, als Ausländer nicht abgezockt zu werden. Für Ausländer kosten gerade zum Beispiel Taxifahrten oft mehr als für Einheimische. Man hat aber schnell raus, wie viel man für welche Strecke bezahlen sollte und sollte dann auch immer die Kosten vor der Taxifahrt ausmachen. Auch an andere Gegebenheiten, die man als Deutscher nicht kennt, muss man sich erst gewöhnen. So gibt es (je nach Gegend in der man wohnt) immer wieder Wasser- und Stromausfälle und auch das ganze gesellschaftliche Leben ist viel weniger organisiert als bei uns. Auch gibt es vor allem auf dem Land teilweise noch die Vorstellung, dass, wenn man in Deutschland arbeiten kann, es einem viel besser geht. So wird man manchmal von Kosovaren auch gefragt, ob man denn eine Arbeit für sie hätte in Deutschland oder jemanden zum Heiraten. In den großen Städten sind solche Situationen jedoch die Ausnahme. Generell hat mir der Aufenthalt in Prishtina und das Praktikum sehr viel Spaß gemacht und mich in meiner Überzeugung bestärkt, später einmal für eine internationale Organisation arbeiten zu wollen. Sowohl im Land selbst, als auch in der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde ich sofort freundlich aufgenommen und kann ein Praktikum bei der Stiftung oder einen Aufenthalt im Kosovo empfehlen. Newborn: Zeichen der Unabhängigkeit, aufgestellt nach der Unabhängigkeitserklärung 2008 Uni- und Stadtbibliothek in Prishtina Serbisch-orthodoxes Decani-Kloster in der Nähe von Peja