O kleiner Tod, nun komme

Transcrição

O kleiner Tod, nun komme
27. November 2012, Staatsoper
O kleiner Tod, nun komme
Altherrentorte und viele Worte: Hans Neuenfels öffnet im Schiller-Theater Die
Pforten der Liebe
Von Heiko Schon / Fotos: Ruth Walz
Mit seinem Alter Ego, der
Paartherapeutin Prof. Evje van
Dampen, leitet Hape Kerkeling
aus dem Wort "Geschlecht"
folgendes ab: Allein schon die
Bezeichnung beweise doch
eindeutig, dass es zwischen
Mann und Frau und Frau und
Mann nicht funktionieren könne.
Es geht nämlich nicht gut. Nein,
es geht schlecht. Ach ja, die
liebe Liebe. Erst kommt sie,
Tadaa!, dann geht sie wieder.
Nichts kann sie halten. Keine
Kette. Und auch kein Strick. Vor
allem Mozart hat zu dem
Thema eine Menge beigetragen: Le nozze di Figaro, Don Giovanni und Cosi fan tutte sind
voll von verkorksten und gescheiterten Beziehungskisten. Sein frühes Lustdrama La finta
giardiniera macht da keine Ausnahme. Zunächst geht es um einen Grafen, der glaubt,
während einer Eifersuchtsattacke seine Geliebte niedergestochen zu haben. Diese taucht
aber unter falscher Identität als Gärtnerin wieder auf. Daraus leitet sich auch der deutsche
Titel des Werks ab: Die Gärtnerin aus Liebe.
Hans Neuenfels fand das zu niedlich, das Libretto zu
dämlich - und schrieb deshalb eine Neu-Fassung mit
der Überschrift Die Pforten der Liebe. Nun spukt in der
Oper ein weiteres Pärchen herum, die Contessa und
der Conte. Wer jetzt vermutet, dass diese beiden
Figuren die eigentliche Handlung nachvollziehbarer
machen, liegt daneben. Stattdessen liefern uns
Elisabeth Trissenaar und Markus Boysen einen
ganzen Sack voller Antworten auf das, was wir bisher
nicht zu fragen wagten, aber schon immer über Sex
(und, ja, natürlich auch die Liebe) wissen sollten.
Bereits an dieser Stelle wird eines klar: Dieser Abend
kann überhaupt nicht vom Fleck weg kommen, weil wir
über diese Dinge viel zu gut Bescheid wissen.
Darüber, dass es kein richtiges Beziehungsleben im
Falschen geben kann, dass das Älterwerden an sich
keine Probleme löst, und auch vom Vögeln, pardon,
versteht wohl jeder etwas im Saal. Bis zur Pause denkt
man noch: Ach, der Hans, der ist nun auch schon 71
und braucht halt etwas länger, bis er sich warmgelaufen hat. Aber wieder falsch gedacht.
Quark bleibt eben Quark. Und der wird breit, wenn man ihn tritt. Drei quälend lange
Stunden sind das Resultat; Reinhard von der Thannens Ausstattungen waren auch schon
mal origineller.
Am meisten kann einem aber
Annette Dasch Leid tun. Sie
läuft wie ein aufgescheuchtes
Huhn umher und kann beim
besten Willen ihre Rolle nicht
finden. Wie man an den
angeschliffenen Tönen und
berstenden Höhen hören kann,
ist die Sandrina auch stimmlich
keine Partie für ihren Sopran.
Hingegen bringt die Arminda im
Nanny Fine-Look ordentlich
Pep auf die Bretter: Bei
Alexandrina Pendatschanska,
die
sich
das
schmucke
Namenskürzel
Alex
Penda
zugelegt hat, stimmt einfach alles - Bühnenpräsenz, Timbre, Vibrato. Mit Ausnahme von
Joel Prietos liebenswürdig-lyrischem Contino Belfiore landet die übrige Besetzung im
Mittelfeld, vor allem gesanglich. Mag Christopher Moulds noch so erregt die Takte
schnippen: Diese Aufführung ist auch musikalisch kein Bringer. Seinem Dirigat mangelt es
an Akzentuierung, an Griffigkeit und Dynamik. So plätschert der Klang freudlos aus dem
Graben, besorgt die dumpfe Akustik des Schiller-Theaters den Rest, klappert die Mühle
Mozarts am rauschenden Bach. Klipp-klapp. Tja, und das war's jetzt also? Dies soll des
Regie-Dinos letzter Tanz gewesen sein? Bitte, werter Herr Neuenfels, lassen Sie es nicht
enden. Nicht so.
© www.klassik-in-berlin.de