Berufe – Berufung – Sprache - HS-OWL
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Berufe – Berufung – Sprache - HS-OWL
Angelika Wolf Berufe – Berufung – Sprache Der Anregung von Roswitha Kirsch-Stracke (2012) folgend, haben Y. Bouillon und A. Wolf das dort vorgeschlagene Experiment wiederholt und in der ersten Projektsitzung einer eindeutig dem Genderthemenfeld zuzuordnenden Studienaufgabe „Frauenbiographien in Natur und Garten in Ostwestfalen-Lippe“ geprüft, ob „eine (geschlechter-)gerechte Sprache selbstverständlich ist – oder aber zumindest, dass bei der Verwendung der männlichen Sprachform Frauen immer und so eindeutig mitgemeint sind, wie es der verbreitete Sprachgebrauch etwa bei Berufsbezeichnungen in der DDR nahelegte ...“ (Kirsch-Stracke 2012: 1641). An dieser ersten Projektsitzung nahmen 12 Studentinnen teil, die sich für das Thema interessierten und nach ihrem Praktikum übereinstimmend betonten, dass sie insbesondere die Rolle der Frau im Berufsalltag hinterfragen wollten. Inzwischen war ihnen weitgehend bewusst geworden, dass Frauen mit gleicher Qualifikation in Planungsbüros und bei privaten Arbeitgebern noch immer mit zwischen 10 % bis 20 % weniger Gehalt entlohnt werden. Eine Ausnahme berichtete eine der Studentinnen, die in Norwegen ihr Praktikum absolvierte und dort keine Unterschiede wahrnehmen konnte. Nachdem erste individuelle Lernziele fachlicher wie persönlicher Art formuliert waren, baten wir die Studentinnen gleichfalls an einer keinen Übung teilzunehmen, deren Sinn nicht weiter erläutert wurde. Sie sollten in fünf Minuten je ein Mitglied aus zweien der folgenden Berufsgruppen auf jeweils ein DIN A-4 Blatt zeichnen (vgl. dazu Kirsch-Stracke 2012: 166): - Gärtner Landschaftsarchitekten Lehrer Bäcker – Bauer Geisteswissenschaftler Viele der Teilnehmerinnen hatten selbst eine Lehre als Gärtnerin absolviert, Landschaftsarchitektur war und ist ihnen durch ihr Studium vertraut, Lehrer, Bäcker oder Bauer sind gleichfalls Berufsgruppen, die bekannt sind und Geisteswissenschaftler haben wir neu in die Liste aufgenommen, um zu prüfen, ob eine „abstraktere“ Berufsbezeichnung möglicherweise zu einem Überdenken der eigenen Situation beitragen würde. Zwar hatten wir ebenfalls wie Kirsch-Stracke (2012) erwartet, dass eine überwiegende Zahl an männlichen Personen gezeichnet würden, hatten aber auch „gehofft“, dass das Thema des Projektes „Frauenbiographien“ die Bewusstheit des Genderthemas stärker in den Fokus rücken würde. Gespannt erwarteten wir das Ergebnis. Es lagen insgesamt 32 Zeichnungen vor (drei Studentinnen hatten mehr als zwei Berufsgruppen gewählt), die zuallererst gemeinsam nach Berufsgruppen sortiert wurden. Nachdem alle Zeichnungen sortiert an der Wand hingen, stellten wir die Frage, was den Studentinnen auffiele. In einem ersten Schritt konnten wir Folgendes identifizieren: 12 Teilnehmerinnen des Studienprojektes „Frauenbiographien in OWL“, Sommersemester 2014 1 Gärtner 10 Gärtnerin 1 Lehrer 7 Lehrerin 5 Bäcker 3 Bäckerin 1 Geisteswissenschaftler 2 Geisteswissenschaftlerin 1 Nähere Hinweise dazu: Kirsch-Stracke, Roswitha 2012: Geschlechtergerechte Sprache – ein Experiment; „Der Gärtner“ und „der Landschaftsarchitekt“ in den Köpfen von Studierenden; in: May, Ruth, Zibell, Barbara 2012: Weiter_Denken 3, GenderKompetez in Architektur Landschaft Planung, Ideen Impulse Initiativen, Hannover (164-170). Siehe auch: Pusch, Luise F. 2008: Die Einer des Staatsoberhauptes und andere Glossen, Göttingen. Pusch, Luise F. 1984: Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt am Main. Landschaftsarchitekt 0 Landschaftsarchitektin 0 Träumerin (keinem Beruf zuzuordnen) 1 Tab. 1: Berufe – Berufung - Sprache Die Verhältnisse fielen eindeutig aus. Wir konnten 22 als männlich erkennbare Personen identifizieren. Dem standen 8 weibliche Personen gegenüber. Eine Person, die eindeutig weiblich war, konnte jedoch keiner Berufsgruppe zugeordnet, vielleicht noch am ehesten als Landschaftsarchitektin erkannt werden. Bild 1: Gärtner mit Gärtnerin (Zeichnungen der Studentinnen 2014) Bild 2: Lehrer und drei Lehrerinnen (nicht alle Zeichnungen der Studentinnen sind abgebildet 2014) Und obwohl auch hier die Studentinnen erst die Zeichnungen qualitativ betrachteten, fiel ihnen rasch der Zusammenhang männliche Welt, männlich konnotierte Sprache und Gedankenwelt auf - sicherlich durch das Projektthema vorgeprägt. Bild 3: Geisteswissenschaftler, vielleicht auch Landschaftsarchitekt, Bäckerin und Bäcker und die Träumerin (nicht alle Zeichnungen der Studentinnen sind abgebildet 2014) Die Zeichnungen mit Berufen Gärtnerin, Bäckerin, eine Lehrerin und Geisteswissenschaftlerin wurden von zwei Studentinnen angefertigt, alle anderen Teilnehmerinnen steuerten noch weitere vier Lehrerinnen bei, ein Beruf, der häufig von Frauen ausgeübt wird und als weiblich bekannt ist. Nachdem ihnen klar wurde, dass wir die Bewusstheit der Studentinnen über die Rolle der Frauen und ihre eigene Rolle problematisieren wollten, begannen erste „Umdeutungen“ der Merkmale der gezeichneten Personen. So wollten sie gern alle Personen, die längere Haare bekommen hatten oder nicht eindeutig als männlich zu identifizieren waren (wie der Gärtner mit der Kettensäge) nachträglich als Frauen angesprochen wissen, um „ein bisschen besser dazustehen“. Diese Umdeutungen waren für die Zukunft nicht relevant. Und es wurde den Studentinnen deutlich, dass auch sie mit einer männlich geprägten Sprache die Welt der Frauen im Naturschutz und der Gartenkunst begannen zu erkunden. Dieser Anlass über eine geschlechtergerechtere Sprache nachzudenken und für ihre weitere Arbeit nach Formulierungen zu suchen, die einen eindeutigeren Umgang mit der eigenen Sprache, dem eigenen Denken und Selbstverständnis herausfordert, führte zur Vereinbarung hier in Zukunft sensibler und aufmerksamer zu werden.