Prinzip von Cavalieri

Transcrição

Prinzip von Cavalieri
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
Inhalte




Prinzip und Satz von Cavalieri
Grundlagen des Volumenbegriffs (einschließlich Satz von Dehn)
Volumen der Pyramide und des Pyramidenstumpfs
Kugelvolumen und Kugeloberfläche
Prinzip von Cavalieri
Bonaventura Cavalieri (1598 – 1647; Astronom und Mathematiker)
war ein Schüler von Galileo Galilei (1564 – 1642).
Prinzip von Cavalieri
Zwei Körper sind volumengleich, wenn sie folgende Bedingungen
erfüllen:
1. Die Grundflächen sind inhaltsgleich und liegen in derselben
Ebene.
2. Die Deckflächen sind inhaltsgleich und liegen in einer Ebene.
3. Jede Parallelebene zur Grundebene schneidet aus beiden Körpern inhaltsgleiche Flächen aus.
Der Satz von Cavalieri:
Zwei Körper gleicher Höhe sind volumengleich, wenn sie in jeweils gleicher Höhe flächengleiche Querschnitte haben.
Zum Beweis dieses Satzes ist die Integralrechnung notwendig, er kann also nicht durchgeführt werden.
h
h
0
0
 z0;h A 1( z)  A 2 ( z)  V1   A 1( z)dz   A 2 ( z)dz  V2
Der Satz kann aber mit Hilfe eines Stapels aus Bierdeckeln plausibel gemacht werden. Man schichtet die Bierdeckel zu einem Quader auf, den man anschließend verformen kann. Der Stapel aus
Bierdeckeln veranschaulicht die Zerlegung eines Körpers in (unendlich) dünne Scheiben. Alle so erzeugten Körper sind volumengleich, da die einzelnen Bierdeckel (Scheiben) jeweils kongruent
sind.
Grundlagen des Volumenbegriffs
Die theoretischen Grundlagen des Volumenbegriffs sind weitgehend analog zum Flächeninhaltsbegriff. Dem Vieleck in der Ebene entspricht als Körper der Vielflach (Polyeder),
z.B. Quader, Prisma und Pyramide. Von elementargeometrischen Zerlegungen spricht
man wie bei einer Fläche auch im Raum, wobei sich die Begriffe Zerlegungs- und Ergänzungsgleichheit analog zur ebenen Geometrie definieren lassen.
So wie sich jedes Vieleck in ein zerlegungsgleiches Quadrat umformen lässt, so kann jeder Quader in einen zerlegungsgleichen Würfel umgeformt werden.
Zum Beispiel kann ein gerades Prisma in einen zerlegungsgleichen Quader und damit,
durch die Transitivität der Zerlegungsgleichheit, in einen zerlegungsgleichen Würfel umgewandelt werden.
www.juergen-roth.de
Seite 1 von 7
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
Satz:
Zerlegungsgleiche und ergänzungsgleiche Polyeder haben den gleichen Rauminhalt.
Aber die Umkehrung gilt im Raum nicht! Dies besagt der
Satz von Dehn (1901):
Zwei rauminhaltsgleiche Polyeder sind im Allgemeinen weder zerlegungs- noch ergänzungsgleich.
Beispiel: Zu einem Tetraeder gibt es keinen Würfel, zu dem es zerlegungsgleich oder ergänzungsgleich ist.
Es ist also nicht jeder Polyeder in einen zerlegungsgleichen Würfel verwandelbar. Jeder
Polyeder ist zwar in Dreieckspyramiden zerlegbar, was der Zerlegbarkeit von Vielecken in
Dreiecke entspricht, zu einer Dreieckspyramide gibt es aber nicht immer einen zerlegungsgleichen Würfel!
Volumen der Pyramide
Eine Konsequenz aus obigen Ausführungen ist, dass die so einfach aussehende Volumenformel für Pyramiden, V  31 Gh , nicht elementar hergeleitet werden kann, sondern wie
bei Körpern mit gewölbten Begrenzungsflächen (Zylinder, Kegel und Kugel) infinitesimale
Methoden zu ihrer Gewinnung angewandt werden müssen.
Exkurs: Hinweise auf die Volumenformel, die keine
allgemeine Begründung enthalten!
1. Betrachtung am Spezialfall:
Für einfache Berechnungen an Pyramiden reicht die Betrachtung
der regelmäßigen geraden Pyramide. Deren Volumen kann als
Spezialfall so bestimmt werden:
Ein Würfel mit Kantenlänge a kann in sechs solcher Pyramiden unterteilt werden, wobei
die Würfelseiten die Grundflächen bilden und der Mittelpunkt des Würfels die Spitze einer
jeden Pyramide darstellt. Somit sind Grundflächeninhalt G  a 2 , Höhe h  21 a und das
Volumen VPyramide  61 VWürfel der Pyramide bekannt. Es folgt:
VPyramide  61 VWürfel  61 a3  31  21 a  a2  31  a2  21 a  31  G  h .
2. Experimentelle Veranschaulichung:
Diese Methode ist experimenteller Natur und kann an die erste anschließen. Sie bietet
außerdem die Möglichkeit für die Einbindung der Schüler zur Versuchsdurchführung.
Man benötigt ein Modell aus Plexiglas, bei dem in einen Quader eine vierseitige Pyramide eingelassen ist, und das mit Wasser gefüllt werden kann und einen geeignet großen
Messbecher. Die Grundfläche G und die Höhe h von beiden sind identisch. Die Spitze der
Pyramide ist der Mittelpunkt der Deckfläche des Quaders.
Das Volumen des Quaders ist VQuader  G  h .
Das Volumen der Pyramide ist VPyramide  k  VQuader  k  G  h .
Zunächst soll anhand des Modells der Faktor k geschätzt werden, wobei Werte zwischen
k  41 und k  21 zu erwarten sind.
Anschließend wird die Pyramide mit Wasser gefüllt und in den Quader umgegossen. Wie
viele Wasserfüllungen der Pyramide passen in den Quader?
Ergebnis: VPyramide  31  VQuader  31 G  h
www.juergen-roth.de
Seite 2 von 7
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
Nachweis der Gültigkeit der Volumenformel mit dem Satz von Cavalieri:
Die Tatsache, dass für alle Pyramiden die gleiche Volumenformel VPyramide  31 G  h gilt,
lässt sich mit dem Satz von Cavalieri in folgenden Schritten nachweisen:
1. Nachweis: Alle dreiseitigen Pyramiden mit gleicher Grundfläche G und gleicher Höhe h besitzen dasselbe Volumen.
2. Nachweis der Pyramidenformel für besondere dreiseitige Pyramiden.
3. Nachweis der Gültigkeit der Formel bei beliebiger Eckenzahl der Grundfläche.
1. Nachweis: Alle dreiseitigen Pyramiden mit gleicher Grundfläche G und gleicher
Höhe h besitzen dasselbe Volumen:
Exkurs: Zentrische Streckung im Raum
Eine dreiseitige Pyramide ABCS der Höhe h wird von einer
Ebene geschnitten, die parallel zur Grundfläche der Pyramide ist. Die Schnittfläche bildet das Dreieck A1B1C1 . Die
Schnittebene hat den Abstand x von der Spitze. Betrachtet
man nun die einzelnen Seitenflächen, so kann man eine
zentrische Streckung anwenden, da Grund- und Schnittebene parallel sind, und daher auch die jeweiligen Seiten
von Grund- und Schnittdreieck. Streckungszentrum ist die
Spitze S.
So lässt sich zeigen:
A 1B1 B1C1 A 1C1 x


 : k (Streckungsfaktor)
h
AB
BC
AC
Analog folgt auch für die Höhen hG und hG1 der Dreiecke ABC und A1B1C1 :
hG1
k
hG
Damit folgt für die Flächeninhalte der Dreiecke ABC und A1B1C1 :
A A1B1C1
A ABC

1
2
gG1hG1
1
2
gG h G

1
2
 A 1B1  hG1
1
2
 AB  hG

1
2


 k  AB  k  hG 
1
2
 AB  hG

1
2
 AB  hG
1
2
 AB  hG
 k2  k2
Anmerkung: Es ist auch möglich das Schnittdreieck in die Grundfläche zu projizieren. Streckungszentrum
ist dann der Höhenfußpunkt H. („Normale“ zentrische Streckung in der Ebene!)
Es werden zwei Pyramiden
mit inhaltsgleicher Grundfläche und gleicher Höhe betrachtet. Nach Cavalieri sind
sie volumengleich, wenn jede Parallelebene zur Grundfläche aus beiden Körpern
inhaltsgleiche Flächen ausschneidet. Wir betrachten
zwei Dreiecke ABC und
DEF die als Schnittfiguren einer zur gemeinsamen „Grundebene“ parallelen Ebene mit den Pyramiden entstehen.
Der Abstand der Pyramidenspitzen S1 und S2 zu dieser Ebene ist jeweils h .
www.juergen-roth.de
Seite 3 von 7
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
S1 und S2 können als Zentren räumlicher zentrischer Streckungen aufgefasst werden, die
ABC auf ABC bzw. DEF auf DEF abbilden.
Bildfläche  h 
    k2
Für beide Streckungen gilt:
Urfläche  h 
Daraus folgt für die Inhalte der Flächen G1, G2 , G1 und G2 :
2
G1 G2 nach Vor.
G1  k 2  G1

k 2  G2  G2
Damit ist die 3. Bedingung des Prinzips von Cavalieri erfüllt.
Es folgt:
Alle (dreiseitigen) Pyramiden mit inhaltsgleichen Grundflächen und gleichen Höhen sind
volumengleich. (*)
2. Nachweis der Pyramidenformel für besondere dreiseitige Pyramiden:
Man zerlegt ein dreiseitiges Prisma mit dem Grundflächeninhalt A G und der Höhe h wie im
Bild dargestellt in drei Pyramiden PI, PII und PIII.
Vergleich der Pyramiden PI, PII und PIII:

GI  A PQR
Grund - und Dec fläche des Prismas

A PQR  GII
hI  PP  hPr isma  RR  hII
(*)
 VI  VII

GII  A RQR
Hälften eines
Rechtecks

A RQQ  GIII
hII  SP  hIII
(Gleiche Grundflächenebene und gleiche Spitze!)
(*)
 VII  VIII
 VI  VII  VIII : VPyramide
 VPr isma  3  VPyramide
 VPyramide  31 VPr isma  31 A Gh
3. Nachweis der Gültigkeit der Formel bei beliebiger Eckenzahl
der Grundfläche:
Jede n-seitige Pyramide lässt sich in n-2 dreiseitige Pyramiden gleicher Höhen zerlegen. Daher folgt:
VPyramide  31 A1  h  31 A 2  h    31 A n2  h  31 A1  A 2    A n2   h  31 G  h
Nachweis der Gültigkeit der Volumenformel mit Stufenkörpern:
Man verwendet dazu umbeschrieG1
bene und einbeschriebene Treppenn=5
körper aus Prismen.
Die Grundflächen der Treppenkörper
sind ähnlich zur Grundfläche der
Pyramide. Für ihren Flächeninhalt
h
n
ergibt sich mit dem Strahlensatz für
k = 1, 2, ..., n:
2
A k  knh 
k2
   2
AG  h 
n
www.juergen-roth.de
A G = An
G
1
A n-1
Seite 4 von 7
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
Umbeschriebener Treppenkörper:
n
n
h  n  k2
h  n  k2
h A h n

Vu   VPr ismak    A k      2 A G      2 A G    G3  k 2
n  k 1  n
n  k 1  n
n
n
k 1
k 1 
k 1
Einbeschriebener Treppenkörper (Eine, die unterste Stufe fehlt gerade!):
n1
A  h n1
Ve   VPr ismak  G3  k 2
n
k 1
k 1
 A h

 1
Es ist Ve  VPyramide  Vu und lim Vu  Ve   lim  G3  n2   A G  h  lim    0 .
n
n n
n
 
 n

Daraus folgt, dass sich das Volumen der Pyramide berechnen lässt durch:
 A h n

 A  h n  n  1  2n  1 
VPyramide  lim Vu  lim  G 3  k 2   lim  G 3 

n 
n
n


6
 n

k 1
 n


 
AG  h
1 
1  A  h
 lim 1 1     2    G  2  31 A G  h
n 
6
n 
6
  n 
Volumen des Pyramidenstumpfs
Es wird nur die Herleitung der Formel gebracht, aber keine Unterrichtseinheit.
VPyramidenstumpf  VPyramidegroß  VPyramideklein
 31 G1 h  x   31 G2 x
 31  G1h  G1x  G2 x 
 31  G1h  G1  G2   x  (*)
Aufgrund der räumlichen, zentrischen Streckung
(siehe oben) gilt außerdem:
G2
x2

G1 h  x 2
G2
G1

x
hx
h  G 2  x  G 2  x  G1
h  G2  x 
x
h  G2



G1  G 2
G
G   G
h  G2 

G2
1
G1  G2
G1 
2
Einsetzen in (*) liefert:
VPyramidenstumpf  31  G1h  G1  G2   x 
1

 G2



h

h  G1G2  G 2
 31  G1h  G1  G 2  
G1  G 2


 G
 31  G1h  h 

www.juergen-roth.de
1
3
1

G1G2  G2



G1G2  G2
G1  G2



 G1G2  G2  h
Seite 5 von 7
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
Das Kugelvolumen
Prinzip von Cavalieri:
Stehen zwei Körper auf derselben Ebene E und erzeugt jede zu E parallele Ebene bei
beiden Körpern gleich große Schnittflächen, dann haben beide Körper dasselbe Volumen.
Körpervergleich:
r
r
r
r
h
r
r

h
h
r
45°
h
Es muss noch gezeigt werden, dass die Schnittflächen in der Höhe h in beiden Körpern
gleich groß sind.




ASchnittfläche  r 2    h2    r 2  h2  
ASchnittfläche   2    r 2  h2  
Nach dem Prinzip von Cavalieri gilt also:
1
2
2
2
 G  r   G  r   r 2  r   r 3
3
3
3
3
4
 VKugel  r 3
3
VHalbkugel  VZylinder  VKegel  G  r 
www.juergen-roth.de
Seite 6 von 7
Prof. Dr. Jürgen Roth
Didaktik der Geometrie
Die Kugeloberfläche
Die Kugeloberfläche wird in n kleine Flächenstücke Ai zerlegt. Verbindet man alle
Eckpunkte mit der Kugelmitte, so entstehen Pyramiden mit der Höhe r. Die Summe
der Grundflächen Gi der Pyramiden bildet gerade die Kugeloberfläche, und die Summe ihrer Rauminhalte das Kugelvolumen. Es gilt also:
V1  V2  V3 

1
1
1
G1r  G2r  G3r 
3
3
3
G1  G2  G3 
4 3
r 
3
1
4
 Gn r  r 3
3
3
 Vn 

3
r
 Gn  4r 2
OKugel
 OKugel  4r 2
www.juergen-roth.de
Seite 7 von 7