Birgit Kelle zur Schoduvel-Absage

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Birgit Kelle zur Schoduvel-Absage
Absage des Karnevalsumzugs in Braunschweig: Unser Land, unsere Regeln
von Birgit Kelle
Was sagen wir als nächstes ab? Das Fußball-Pokalendspiel in Berlin? Einen Auftritt von
Dieter Nuhr? Den nächsten CSD in Köln? Braunschweig zeigt gerade, dass Terror wirkt.
Wegen Terrorgefahr mit islamistischem Hintergrund wurde am Sonntag in Braunschweig
der größte Karnevalsumzug in Norddeutschland kurzfristig abgesagt. Das nahezu Fatale ist:
Es muss nicht einmal mehr zu einem echten Terrorakt kommen, allein schon die Drohung
reicht.
Man kann der Polizei in Braunschweig keinen Vorwurf machen, es war angesichts der
Bedrohungslage geboten. Nicht auszudenken, was los wäre, hätte man den Karnevalszug
loslaufen lassen, und es wäre etwas passiert. Also richtig im Ergebnis, aber in der staatlichen
Grundeinstellung bleibt es falsch. Sagen wir jetzt alles ab, wenn das Drohpotential groß genug
ist? Als Terrorist würde ich mich gerade gut gelaunt zurücklehnen. Mission erfüllt. Eine Stadt
in Angst versetzt und alle knicken ein. Der Vorgang wird Schule machen. Einfacher geht es
nicht, eine Demokratie in die Knie zu zwingen. Es ist eine Kapitulation.
Paris sitzt uns noch in den Knochen
Die Vorfälle häufen sich, Bedrohungen, Attentatsversuche, erfolgreiche Anschläge. Mitten in
Europa. Paris sitzt uns noch in den Knochen, wir waren alle irgendwie Charlie aber auch froh,
dass es in Paris stattfand und nicht in Bonn. Erst vorgestern hat in Kopenhagen ein Attentäter
eine Veranstaltung über Kunst, Gotteslästerung und Meinungsfreiheit attackiert, an der der
Mohammed-Karikaturist Lars Vilks teilnahm, der vermutlich das Ziel sein sollte. Er starb
nicht, dafür zwei andere, es gibt mehrere Verletzte. Der Attentäter zog weiter und griff am
späten Abend noch eine Synagoge an, wo er einen Wachmann erschoss. Als am 19. Januar die
Pegida-Demonstration in Dresden wegen konkreter islamistischer Morddrohungen abgesagt
wurde, mag der ein oder andere noch klammheimliche oder auch offene Freude empfunden
haben, der diese Demonstration als Hetze empfand. Unabhängig wie man zu Pegida steht,
blieb am Ende der Fakt: Der Rechtsstaat sah sich nicht mehr in der Lage, eine rechtmäßig
angemeldete Demonstration seiner Bürger zu schützen. In Braunschweig wiederholt es sich
nun.
Dort ging es nicht um die Bedrohung vermeintlicher „Nazis in Nadelstreifen“, sondern um
Bedrohung gegen uns alle. Karnevalszüge, das sind ganz normale Leute, Bürger unseres
Landes, die ein Anrecht haben, ihr Brauchtum zu feiern. Niemand sollte sich also der Illusion
hingeben, durch wohlfeiles Verhalten wäre er geschützt oder vom Risiko ausgeklammert.
Es sind Kinder im Risiko, Familien, Leute wie du und ich. Und wir sind alle gemeint. Eine
Terrordrohung gegen einen Karnevalszug sagt klar und deutlich: Es ist völlig egal, wen es
erwischt. Es würde unschuldige Bürger treffen. Menschen aller Religionen, auch Muslime,
die teilnehmen. Auch das ist den Attentätern egal.
Bloß niemandem auf die Füße treten
Seit Monaten wird reflexhaft nach jeder einzelnen Terrorwarnung, Drohung und nach jedem
Attentat eiligst betont, das alles habe nichts mit dem Islam zu tun. Ich bin diese Floskel leid.
Wieder einmal ist etwas passiert, was nichts mit dem Islam zu tun hat. Endlose Debatten,
zur Frage, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht. Sinnlose Debatten, denn sie
dringen nicht zum Kern der Sache vor. Zu der Frage, was wir von jedem Einzelnen erwarten,
der in unser Land kommt, hier leben und arbeiten und seine Kinder großziehen will. Vor
lauter Angst, irgendwie fremdenfeindlich zu sein, haben wir aufgehört zu definieren, was wir
von jenen erwarten, die unsere Gastfreundschaft annehmen. Bloß niemandem auf die Füße
treten, bloß nichts falsch machen. In Köln kapitulierte der Karneval übrigens ganz ohne
konkrete Drohung. Aus Sorge vor möglichen verärgerten Muslimen und einer möglichen
Terrorgefahr beim größten Rosenmontagszug in Köln, sagte das karnevalistische Festkomitee
den geplanten „Charlie Hebdo“-Wagen ab. Es war ein Motiv, das einen Zeichner abbildet, der
seinen Bleistift in den platzenden Gewehrlauf eines Terroristen steckt – eine Verbeugung auch
vor den Opfern des blutigen Anschlags auf die „Charlie Hebdo“-Redaktion in Paris.
Vorauseilender Gehorsam in Perfektion. In den vergangenen Jahren war man mit Motiven
bezüglich der christlichen Kirche nie zimperlich, diese Religion durfte ganz jeck aufs Korn
genommen werden. Beim Islam ist man nun vorsichtig, selbst ohne ausgesprochene Drohung.
Möglicherweise hat das Festkomitee in Köln auch einfach gut zugehört, was der NRWLandesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, bereits im November 2014
zu Protokoll gab: „Da laufen tickende Zeitbomben durch die Gegend". Und dass die Polizei
nicht die personelle Ausstattung habe, um auch nur die gewaltbereiten Rückkehrer aus Syrien
und dem Irak zu überwachen.
Ob diese aktuelle Drohung in Braunschweig nun also etwas mit dem Islam zu tun hat? Das
sollte „der Islam“ mal für sich klären. Festzustellen, dass sich hier aber Attentäter auf den
Islam berufen und es für diese Leute sehr wohl und explizit etwas mit dem Islam zu tun hat,
ist keine Hetze, sondern Benennung der Fakten. Weltweit ist dies zu beobachten. Opfer sind
Christen, Atheisten und auch Muslime. Damit müssen wir uns auseinander setzen. Dieser
Islam gehört nicht zu Deutschland, genaugenommen will er auch nicht zu Deutschland
gehören, er will stattdessen, dass Deutschland zum Islam gehört.
Abgrenzung ist nötig
Jeder von uns kennt wunderbare, freundliche, fleißige muslimische Mitbürger, die mit diesem
Islam nichts gemein haben. Wie bekommen wir aber die Abgrenzung hin, so dass diejenigen,
die als unsere freundlichen Nachbarn hier leben, nicht in Sippenhaft geraten? Viele Muslime
sagen: Warum soll ich mich ständig distanzieren, es hat ja nichts mit mir zu tun. Stimmt, aber
diese Leute berufen sich auf die gleiche Religion. Es ist also Abgrenzung nötig. Würden
Christen in Deutschland eine Attentatsdrohung gegen eine Demonstration aussprechen im
Namen ihres Glaubens, es gäbe sofort eine Abgrenzung, man müsste sie gar nicht erst
einfordern. In Windeseile würden sich überall im Land Christen distanzieren, Mahnwachen
und Gottesdienste abhalten um klarzustellen: Nicht im Namen meiner Religion. Mir fehlt
dieses deutliche Zeichen von muslimischer Seite in Deutschland.
Und ja, wir dürfen etwas erwarten, verlangen, einfordern. Denn dies ist ein großartiges Land.
Deswegen kommen auch so viele Menschen aus aller Welt hierher. Dies Land ist gastfreundlich und großzügig, und es hat ein Grundgesetz, das für alle gilt. Und zwar bedingungslos.
Mir ist also völlig egal, ob jemandem unsere Verfassung gefällt, solange er sich an die
Gesetze hält und akzeptiert, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung unser Maßstab
ist. Das ist nicht verhandelbar.

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