ran.de - Tobias Weis im Interview

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ran.de - Tobias Weis im Interview
Hoffenheims Tobias Weis im Interview:
"Damals waren wir die Überflieger"
Tobias Weis ist einer der Garanten für den Höhenflug von 1899 Hoffenheim. Doch der 25Jährige kennt auch die Schattenseiten des Bundesliga-Alltags. Im Interview mit ran.de spricht
der Ex-Stuttgarter über die Rolle von Luiz Gustavo bei Hoffenheim, Bayerns Doppelsechs
Bastian Schweinsteiger und Mark van Bommel, die Nationalmannschaft und seine beiden
ungewöhnlichen Spitznamen.
Hoffenheims Tobias Weis hat großen Respekt vor Bayerns Bastian Schweinsteiger
Frage: Herr Weis, selbst auf der 1899-Homepage werden Sie als "Kampfquirl"
bezeichnet. "Mini-Gattuso" ist ein anderes Synonym, das in der Presse oftmals für Sie
verwendet wird. Wie gefallen Ihnen diese Spitznamen?
Tobias Weis: Ganz ehrlich: Am Anfang fand ich es noch ganz witzig, aber mittlerweile kann
ich sie gar nicht mehr hören.
Frage: Umso erstaunter war ich, als ich den "Kampfquirl" auf der vereinseigenen
Homepage gelesen habe.
Weis: Das geht natürlich nicht. Da muss ich demnächst bei unserer Pressestelle mal dafür
sorgen, dass das gelöscht wird (lacht).
Frage: Die Spitznamen stammen aus dem Sommer vergangenen Jahres. Am 2.6.2009
haben Sie Ihr bisher einziges Länderspiel bestritten. Was stimmt Sie optimistisch, dass
es nicht bei diesem einen bleibt?
Weis: Was meine Karriere angeht, bin ich in jeglicher Hinsicht optimistisch. Aber man muss
das auch realistisch sehen. Ich war bei der Asienreise des DFB dabei und habe mir natürlich
Hoffnungen auf die WM 2010 gemacht. Dann kam die Verletzung. Über ein halbes Jahr habe
ich kein einziges Spiel absolvieren können. Das war ein bitterer Schlag für mich.
Frage: Hört sich danach an, als hätten Sie das Thema DFB-Elf abgeschrieben.
Weis: Ich habe die Nationalmannschaft im Hinterkopf, weil es mein Traum ist, dort wieder zu
spielen. Nun muss ich einfach über die gesamte Saison fit bleiben und mich durch starke
Leistungen wieder in den Vordergrund spielen.
Frage: Bisher ist Ihnen das gut gelungen. Sie standen in fast allen Ligaspielen in der
Startelf. Wie zufrieden sind Sie mit Ihren bisherigen Leistungen?
Weis: Zunächst einmal bin ich froh, dass ich gesund bin. In den letzten anderthalb Jahren hat
es mich immer mal wieder erwischt, ich habe drei Operationen hinter mir. Momentan bin ich
über jedes Spiel froh, aus dem ich heil heraus komme. Mit meiner Formkurve bin ich
zufrieden. Aber ich kann sicherlich noch 15 oder 20 Prozent zulegen.
Frage: In der Liga belegt Hoffenheim aktuell Platz fünf, nur drei Punkte hinter dem
Champions-League-Quali-Platz. Sind Sie überrascht, wie gut es momentan läuft?
Weis: Überrascht nicht. In den letzten Wochen haben wir uns in der Liga stabilisiert. Jeder
findet allmählich zu seiner Form und wir sind auf einem sehr guten Weg. Wichtig ist, dass es
nun so weitergeht.
Frage: Sie haben 18 Punkte geholt und stehen vor Bayern, Schalke, Wolfsburg und
Werder. Was sagt das aus?
Weis: Es fühlt sich immer sehr gut an, vor den großen Namen der Liga zu stehen. Aber die
Saison ist noch lang. Für uns steht am Sonntag mit Freiburg wieder eine schwere Partie auf
dem Programm. Deswegen gilt es Woche für Woche, die Leistung abzurufen und gefälligst
auf dem Boden zu bleiben statt von internationalen Plätzen zu träumen.
Frage: Gehen Sie davon aus, dass Sie am Saisonende auch noch vor diesen Teams
stehen?
Weis: Alles ist möglich, wir wünschen und das natürlich. Aber ich gehe davon aus, dass
Schalke und auch Stuttgart da unten noch rauskommen. Und die Bayern werden sich ohnehin
am Ende wieder vorne reinspielen.
Frage: Im 4-3-3 von Hoffenheim ist Ihre Position für gewöhnlich rechts in der
Mittelfeldkette. Gegen Dortmund und Köln haben Sie etwas zentraler gespielt. Welche
ist denn Ihre Lieblingsposition?
Weis: Rechts im Mittelfeld ist meine angestammte Position. Und dort fühle ich mich auch am
wohlsten. Je nach Gegner interpretiere ich sie eher offensiv oder auch defensiv. Aber ich habe
auch nichts dagegen, wenn mich der Trainer zentraler spielen lässt.
Frage: Gegen Gladbach saßen Sie 90 Minuten auf der Bank. Waren Sie verletzt?
Weis: Nein, da war ich nicht verletzt. In der Woche zuvor hatte ich nicht wirklich gut
trainiert. Der Trainer hat dann entschieden, in dem Spiel jemandem anders die Chance zu
geben.
Frage: Dieser "Jemand", der gegen Gladbach auf Ihrer Position gespielt hat, war
Sebastian Rudy. Haben Sie Angst, dass er Ihnen den Rang abläuft?
Weis: Angst habe ich grundsätzlich vor niemandem, auch nicht vor Sebastian (lacht). Da
kann kommen wer will, weil ich meine Stärken kenne. Sebastian ist ein sehr junger Spieler,
der nach Hoffenheim gekommen ist, um sich weiterzuentwickeln, so wie es bei mir damals
auch gewesen ist. Dass wir ihn in unserem Team haben, ist positiv für mich, denn wenn man
junge Konkurrenten um sich herum hat, dann kann man selbst auch mehr aus sich
herausholen.
Frage: Ebenfalls gesetzt im Hoffenheimer Mittelfeld ist Luiz Gustavo, der eine
überragende Saison spielt. Wer ist Ihrer Meinung nach der beste Sechser der Liga?
Weis: Mir gefällt die Spielweise von Mark van Bommel. Er ist zwar schon ein bisschen älter,
aber enorm wichtig für die Bayern. Genauso wie Bastian Schweinsteiger. Vor den beiden
ziehe ich den Hut. Mir imponiert vor allem, mit welcher Konstanz sie auch in der
Nationalmannschaft und Champions League ihre Leistung bringen. Aber Luiz Gustavo ist
nicht weit von den beiden entfernt.
Frage: Was genau macht ihn so stark?
Weis: Er hat in dieser Saison den größten Schritt von uns allen gemacht. Ich kann mich noch
gut daran erinnern, wie er im letzten Jahr mehrfach kurz davor stand, Gelb-Rot zu kassieren.
In diesem Jahr hat er sich im Zweikampfverhalten und im Stellungsspiel enorm gesteigert. Ich
spiele sehr gerne neben ihm.
Frage: Sie sprechen seine Unbeherrschtheit an, mit der er im letzten Jahr zu kämpfen
hatte. Hat er sich auch außerhalb des Platzes verändert?
Weis: Außerhalb des Platzes ist Luiz ein ganz anderer Charakter. Da hat er gewissermaßen
zwei Gesichter. In seiner Freizeit ist er ein ruhiger und zurückhaltender Mensch. Mittlerweile
spricht er ein sehr gutes Deutsch. Deshalb kann man mit ihm jetzt auch mal den einen oder
anderen Witz machen, den er dann auch tatsächlich versteht und bei dem er nicht nur aus
Gutmütigkeit lacht.
Frage: In der Hierarchie ist Luiz Gustavo im Vergleich zur letzten Saison weiter nach
oben geklettert, in der Zentrale ist er die lenkende Figur im 1899-Spiel. Hat er von
Carlos Eduardos Wechsel profitiert?
Weis: Das Augenmerk liegt nun eher auf ihm und er kann sehr gut damit umgehen. Aber ich
denke, dass nicht nur er, sondern die ganze Mannschaft vom Eduardo-Wechsel profitiert hat.
Die Last ist nun auf mehreren Schultern verteilt und nicht mehr auf einer zentralen Figur.
Daran ist jeder Einzelne von uns gewachsen.
Frage: Vor zwei Jahren um diese Zeit standen Sie als Aufsteiger auf Rang eins und
haben mit Ihrem Offensivfußball für Furore gesorgt. Danach gab es einen kleinen
Einbruch. Was sind die Gründe dafür, dass es jetzt wieder bergauf geht?
Weis: Wir sind mittlerweile fitter und stecken Belastungen im Spiel und Training besser weg
als noch im letzten Jahr. Wir haben aktuell nahezu keinen verletzen Spieler. Vergangene
Saison hat sich die Mannschaft aufgrund der zahlreichen Ausfälle fast von alleine aufgestellt.
Es fehlte der Konkurrenzkampf.
Frage: Welche Rolle spielen die Neuzugänge?
Weis: Eine große. Mit Peniel Mlapa, Tom Starke, Gylfi Sigurdsson und Sebastian Rudy sind
starke Spieler dazugekommen, die den Druck erhöhen. Und ich denke, dass innerhalb einer
Mannschaft ein gesunder Konkurrenzkampf herrschen muss, um Erfolg zu haben.
Frage: Und warum bricht Hoffenheim in der Rückrunde nicht wieder ein?
Weis: Zum einen gehört das Glück dazu, dass die Leistungsträger von Verletzungen
verschont bleiben. Zum anderen kennen wir uns bis auf die besagten Neuzugänge seit
mehreren Jahren und haben die Tiefs der vergangenen Saison und vorletzten Rückrunde
gemeinsam durchgemacht. Das hat uns zusammengeschweißt.
Frage: Stieg der Erfolg der Herbstmeisterschaft 2008 einigen Spielern zu Kopf?
Weis: Damals waren wir die Überflieger und
spielten nach dem Motto "Wir können jetzt
jeden schlagen". Vor dem Bayern-Spiel kurz
vor der Winterpause herrschte ein riesen
Medienhype und plötzlich waren 15
Kamerateams da. Danach kam der Absturz.
Erst dann haben wir realisiert, dass wir nicht
die unbesiegbaren Superstars sind. Daraus
haben wir gelernt, das wird uns nicht mehr
passieren.
Modebewusst: Tobias Weis
Frage: In den Medien war immer mal wieder von Kontakt zwischen Ihnen und dem FC
Bayern zu lesen? Ist das Thema nach Ihrer Vertragsverlängerung für Sie abgehakt?
Weis: Der FC Bayern ist für mich der beste Verein in Deutschland. Aber ich habe in
Hoffenheim unterschrieben, weil ich mich weiterentwickeln will. Diesen Schritt habe ich
bisher auch nicht bereut.
Frage: Sie haben bis 2012 unterschrieben. Die Chance, einmal für die Bayern zu spielen,
ist damit ja nicht aus der Welt.
Weis: Zunächst konzentriere ich mich voll und ganz auf Hoffenheim. Falls dann je wieder
eine Anfrage von einem großen Klub kommt, werde ich mich zu gegebener Zeit auch damit
beschäftigen.