Für attraktiven Handel und lebendige Städte

Transcrição

Für attraktiven Handel und lebendige Städte
Für attraktiven Handel
und lebendige Städte
Eine gemeinsame Aufgabe von
Kommunen, Land und Wirtschaft
www.saarland.ihk.de
Inhalt
Vorwort3
Der Einzelhandel: Wirtschaftsfaktor und Aushängeschild
4
Auf die Balance kommt es an
4
Für vitale Städte5
Ansiedlungspolitik interkommunal abstimmen
8
Nahversorgung sichern und ausbauen
9
Leerständen und Trading-down mit Stadtmarketing begegnen
10
Wachstumschance Shoppingtourismus11
Städte sind für alle da - generationenfreundliches Einkaufen
12
Schnelle Wege zum Handel14
Impressum16
1
2
Vorwort
Dr. Richard Weber
Die IHK Saarland steht für Markt und
Wettbewerb. Sie orientiert sich dabei an
dem Leitsatz: So viel Markt wie möglich,
so viel Staat wie nötig. Wir begrüßen
deshalb auch im Handel den Wettbewerb der Standorte und Handelsformate.
Gleichzeitig setzen wir uns im Gesamtinteresse unseres Landes für funktionsfähige und vitale (Innen)Städte ein.
Dem Handel kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Er ist Leitsektor und
Frequenzbringer für Gastronomie, Hotellerie, Freizeit, Unterhaltung und Kultur.
Nur wenn er f loriert, können unsere
Städte aufleben und ihrer traditionellen
Rolle als Zentrum des gesellschaftlichen
Lebens auch künftig gerecht werden.
Dabei ist den unterschiedlichen Handelsformaten angemessen Rechnung zu
tragen. Ziel muss es sein, ein ausgewogenes Gleichgewicht und faires Miteinander zwischen dem innerstädtischen
Einzelhandel, Nahversorgern und der sogenannten Grünen Wiese herzustellen.
Hierzu müssen die vorhandenen politischen Steuerungsinstrumente konsequent eingesetzt und weiterentwickelt
werden. Mit dem vorliegenden Leitbild
wollen wir aufzeigen, was im Einzelnen
zu tun ist.
Volker Giersch
Dr. Richard Weber
Präsident
Volker Giersch
Hauptgeschäftsführer
3
Der Einzelhandel:
Wirtschaftsfaktor
und Aushängeschild
Der Einzelhandel ist ein bedeutender
Wirtschaftsfaktor für das Saarland. Er
setzt jährlich etwa 5,3 Milliarden Euro
um und zählt zu den größten Arbeitgebern im Land. Mit rund 38.000 Mitarbeitern stellt er jeden zwölften Arbeitsplatz
an der Saar. Darüber hinaus sichert er
mit seinem steten Innovations- und Investitionsdrang zahlreiche Arbeitsplätze
in anderen Wirtschaftszweigen, insbesondere in der Bauwirtschaft, im Ausbaugewerbe, in der Logistik, im IT-Bereich und i n der Werbew i r tscha f t.
Rund zwei Drittel der im Handel beschäftigten Mitarbeiter sind Frauen, denen der Handel exzellente Karriereperspektiven bietet. Vergütungsunterschiede
zwischen Männern und Frauen sind der
Branche fremd. Zudem bietet der Handel
gute Chancen, Privatleben und Beruf
miteinander zu vereinbaren.
Begehrt ist die Branche auch bei jungen
Menschen. Die Saar-Handelsgeschäfte
bilden derzeit gut 1.000 junge Leute in
mehr als 10 Berufen aus. Jeder vierte
Ausbildungsplatz im Zuständigkeitsbereich der IHK ist im Handel zu finden.
Ganz oben auf der Wunschliste der jungen Leute stehen die Berufsbilder Kaufmann/frau im Einzelhandel sowie Verkäufer/in. Da die Ausbildungswege auf
die Bedürfnisse des Handels abge-
4
stimmt sind, bietet er engagierten
jungen Menschen hervorragende Aufstiegschancen. Mehr als drei Viertel der
F ü h r u ngsk rä f t e i m H a ndel ha b en
ihre Karriere im Verkauf begonnen.
Eine herausgehobene Rolle mit überregionaler Bedeutung spielt die Landeshauptstadt Saarbrücken. Sie ist der mit
Abstand umsatzstärkste Standort im
Land (1,3 Milliarden Euro). Ein Viertel
aller im Handel Beschäftigten haben hier
ihren Arbeitsplatz. Als alleiniges Oberzentrum im Saarland profitiert Saarbrücken von Kunden aus dem ganzen Land.
Die Landeshauptstadt hat aber nicht nur
für Saarländer, sondern auch für unsere
Nachbarn in Lothringen und Luxemburg
einen besonderen Reiz. Insbesondere
Lothringer kommen nicht zuletzt wegen
des vergleichsweise preiswerten Angebots zum Einkaufen nach Saarbrücken.
Internationale Handelskonzerne wissen
das zu schätzen. Bevor sie sich in anderen
deutschen Großstädten engagieren, testen
sie ihre Handelsformate in Saarbrücken.
Neben der Landeshauptstadt profitieren
aber noch weitere Kommunen von ihrer
Grenznähe. Das gilt insbesondere für
Saarlouis, Merzig, Mettlach und Perl.
Städte wie Homburg, St. Wendel und
Neunkirchen locken zudem Kunden aus
Rheinland-Pfalz ins Saarland. Der im
saarländischen Einzelhandel erzielte
Umsatz übertrifft deshalb die hier im
Land vorhandene einzelhandelsrelevante
Kaufkraft (Zentralität 111,4). Das unterstreicht die Bedeutung des Einzelhandels für die saarländische Wirtschaft
und seine Rolle als Aushängeschild und
Visitenkarte für unser Land.
Auf die Balance
kommt es an
Während der Handel früher hauptsächlich in den Zentren der Städte stattfand,
konkurrieren heute gewachsene Innenstadtlagen mit stadtnahen Versorgern
und Grüne-Wiese-Projekten am Stadtrand. Dabei beschränkt sich das Angebotssortiment an der Peripherie keineswegs nur auf nicht-zentrenrelevante
Angebote. Im Saarland findet selbst der
größte Teil der Versorgungseinkäufe für
den täglichen Bedarf inzwischen außerhalb der Zentren statt. Zudem bieten
Fachmärkte hier ein vielfältiges und attraktives Angebot, das von den Kunden
auch deshalb gerne angenommen wird,
weil sie bequem erreichbar sind sowie
in der Regel ausreichenden und kostenlosen Parkraum bieten.
Der Erfolg der stadtnahen Versorger und
der Grünen Wiese reflektiert das veränderte Verbraucherverhalten und verdeutlicht den Strukturwandel im Handel, der
durch den immer weiter zunehmenden
Online-Handel noch beschleunigt wird.
Experten schätzen, dass der E-Commerce bis zum Jahr 2025 im Non-FoodBereich einen Marktanteil von einem
Viertel erreichen wird. In einigen Warensegmenten wie etwa der Unterhaltungselektronik dürfte der Anteil sogar noch
deutlich höher ausfallen. Damit kommen
auf den stationären Handel dramatische
Veränderungen zu, die nicht nur die
Händler in den Innenstädten, sondern
auch auf der Grünen Wiese treffen.
„Es war ein spannender Prozess, dem
Handel eine Stimme zu geben. Dabei
haben wir uns von dem Anspruch leiten lassen, unseren Kunden ein vielfältiges und in jeder Hinsicht attraktives
Angebot zu unterbreiten – in der Innenstadt, in den stadtnahen Bereichen
und auf der Grünen Wiese.“
Dr. Michael Karrenbauer,
Geschäftsführer der Möbel Martin
GmbH & Co KG, Saarbrücken
Innenstädte haben ihre eigenen Stärken.
Sie sind über Jahrzehnte - mitunter über
Jahrhunderte - gewachsen und bilden
den Mittelpunkt des wirtschaftlichen,
sozialen, kulturellen und politischen Lebens einer Stadt. In der Bevölkerung genießen sie bei Jung und Alt als Begegnu ng s-, Kom mu n i k at ion s- u nd
Flanierplattformen eine hohe Wertschätzung. Als Einkaufsstandort bieten sie
mehr als bloße Versorgung. Das Einkaufen in der Innenstadt bedeutet Erlebnis
– alleine, zu zweit oder mit der Familie.
Das Flanieren in der City und durch Einkaufszentren ist Freizeitbeschäftigung
und Erholung gleichermaßen.
Die moderne Stadt zeichnet sich durch
ein attraktives Miteinander der verschiedenen Handelsformate aus. Die Mischung macht´s. Die Kommunen sind
deshalb gut beraten, wenn sie dem Handel im Ganzen ein einladendes und ansprechendes Ambiente bieten. Die Bürger empfinden attraktive Städte mit
hoher Aufenthaltsqualität, interessanten
Geschäften und gemütlicher Gastronomie als ein Stück Heimat. Urbanität stiftet Identität und bedeutet Lebensqualität.
Attraktive Städte mit einem vielfältigen
Angebot sind darüber hinaus von zentraler Bedeutung für die Zukunftsperspektiven unseres Landes. In Zeiten des
demographischen Wandels sind sie ein
erheblicher Standortvorteil, mit dem sich
Fachkräfte von außerhalb ansprechen
und für das Saarland gewinnen lassen.
Für vitale Städte
In den vergangenen Jahren sind immer
mehr saarländische Innenstädte in einen
Teufelskreis aus weniger Kauf kraft,
Leerständen, Attraktivitätsverlust und
weiteren Kaufkraftverlusten geraten. Die
Folgen muss nicht nur der Handel tragen:
Das Erscheinungsbild ganzer Städte leidet darunter. Öder, dreckiger und leerer
– das sind die Konsequenzen, wenn der
Handel in der Stadt erlahmt.
Ein Grund für diese Entwicklung ist
die nicht oder kaum koordinierte Ansiedlung von Verbraucher- und Fachmärkten
sowie Einkaufszentren an nicht integrierten Standorten. Selbstverständlich brauchen wir auch ein bedarfsgerechtes Angebot an Einrichtungshäusern, Bau- und
Gartenmärkten im Umfeld unserer Städte. Es liegt in der Natur der Sache, dass
ihre Standorte aus vielerlei Gründen
außerhalb der Zentren liegen - etwa
5
um Innenstädte von Flächenbedarfen
zu entlasten. Problematisch ist allerdings,
dass in den Fachmärkten am Stadtrand
sowohl nicht-zentrenrelevante als auch
zentrenrelevante Sortimente angeboten
werden. Sollte hier keine sachgerechte
Abwägung in den Planungsprozessen erfolgen, ist das sensible Gleichgewicht zwischen Zentrum und Stadtrand gefährdet.
Derartigen Entwicklungen darf aus Sicht
der IHK nicht tatenlos zugesehen werden. Uns geht es nicht darum, innovative
Vertriebsformen zu verhindern oder den
Wettbewerb alternativer Absatzkanäle
zu unterdrücken. Mit Blick auf das übergeordnete Ziel „Vitalisierung unserer
Städte“ wollen wir vielmehr für einen
a ngeme s s enen Au s gleich i n dem
schwierigen Spannungsfeld zwischen
Zentrum und Stadtrand sowie zwischen
urbanem Leben und unternehmerischer
Freiheit werben.
Aus unserer Sicht sollten die saarländischen Städte und Gemeinden deshalb
auf der Grundlage eines schlüssigen Gesamtkonzepts eine aktive Einzelhandels-
politik betreiben. Dazu sollten sie Einzelhandelskonzepte für die ganze Stadt
entwickeln, fortschreiben und anwenden, in denen die zentralen Versorgungsbereiche räumlich abgegrenzt werden.
Bestehende und neue Bebauungspläne
sind dem Einzelhandelskonzept anzupassen. Dabei sind explizit auch neue
Formen des Online-Handels wie Online-Drive-Stationen und Abholstellen vor
Ort in Logistik-Centern einzubeziehen.
Ein wichtiges Instrument zur Abgrenzung der verschiedenen Handelsformate
sind qualifiziert erstellte und nachvollziehbare Sortimentslisten, die explizit
innenstadtrelevante Güter und Dienstleistungen auflisten. Sie helfen, die Entwicklung des gesamten Einzelhandels
effektiv zu steuern und Perspektiven für
Neuansiedlungen aufzuzeigen. Dies alles
sollte eingebettet sein in einen Landesentwicklungsplan, der dem heutigen
Verbraucherverhalten Rechnung trägt
und konsequent angewandt wird. Mindestens ebenso wichtig sind aus unserer
Sicht gleiche Wettbewerbsbedingungen
in der gesamten Großregion.
In Kürze
Aktive Einzelhandelspolitik für die gesamte Stadt
betreiben
Einzelhandelskonzept
entwickeln
Zentrenrelevante Sortimente
definieren
Das Einzelhandelskonzept
über die kommunale
Bauleitplanung umsetzen
Landesentwicklungsplan
fortschreiben und
konsequent anwenden
„Der Handel stellt sein Angebot ständig auf den Prüfstand. Investitionen
werden strategisch geplant. Ein solches Vorgehen erwarten wir auch von
der Kommunalpolitik. Wir Kaufleute
erhalten dadurch Planungssicherheit.
Die bestehenden Betriebe können sich
mit ihrem Angebotssortiment hieran
orientieren, mögliche Investoren wissen, was auf sie zukommt."
Dipl.- Kaufmann Michael Genth,
Geschäftsführender Gesellschafter der
Leder Spahn GmbH, Saarbrücken
6
Einzelhandelszentralität
Index (D=100), 2014
300
238.1
250
200
225.9
198.4
157.6
152.6
150
111.4
107.9
100
50
0
Homburg
Merzig
Neunkirchen
Saarbrücken
Saarland
Saarlouis
St. Wendel
Quelle: GfK-GeoMarketing GmbH 2014, eigene Darstellung
Die Einzelhandelszentralität ist ein Indikatior für den Kaufkraftzufluss beziehungsweise -abfluss einer Stadt und eignet
sich deshalb als Kennzahl für die Attraktivität eines Einzelhandelsstandorts. Die Sogwirkung im Hinblick auf den Einzelhandel wird dadurch gemessen, dass die Nachfrage der Einwohner am Wohnort - die sogenannte Einzelhandelskaufkraft - den Umsätzen im Einzelhandel (Einzelhandelsumsatz bzw. POS-Umsatz) gegenübergestellt wird. Ein Zentralitätswert von unter 100 bedeutet, dass Kaufkraft abfließt. Bei einer Zentralität über 100 werden dagegen Kaufkraftzuflüsse aus
dem Umfeld generiert.
EH-relevante Kaufkraft pro Einwohner in Euro
6.200
6.032
6.000
5.800
5.657
5.600
5.582
5.497
5.468
5.370
5.400
5.200
5.044
5.111
5.000
4.800
4.600
4.400
Deutschland
Homburg
Merzig
Neunkirchen
Saarbrücken
Saarland
Saarlouis
St. Wendel
Quelle: GfK-GeoMarketing GmbH 2014, eigene Darstellung
Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft ist der Anteil der Kaufkraft, der innerhalb einer Region für Ausgaben im Einzelhandel
zur Verfügung steht. Ausgaben für Mieten, Hypothekenzinsen, Versicherung, Kraftfahrzeuge, für Reisen oder
Dienstleistungen werden dafür heraus gerechnet. Die Daten beziehen sich auf den Wohnort der Konsumenten,
nicht auf den Einkaufsort.
7
Ansiedlungspolitik
interkommunal
abstimmen
„Bevor ein Investor in die Nachbarstadt
geht, nehmen wir ihn doch lieber selber
– gegebenenfalls zu jedem Preis“. Diese
leider noch in einigen Kommunen vorherrschende Grundhaltung hat ihre Ursache in einer fehlenden Gesamtstrategie der Region. Das heißt: Zwischen den
einzelnen Kommunen gibt es kaum Abstimmungen über geplante Neuansiedlungen im Einzelhandel. Dadurch können
konkurrierende Standorte gegeneinander ausgespielt werden. Abhilfe bieten
hier regionale Einzelhandelskonzepte
und Konsultationskreise.
Erste Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen, dass mit regionalen Einzelhandelskonzepten solchen Fehlentwicklungen erfolgreich gegengesteuert
werden kann. Im Gegensatz zu kommunalen Konzepten treffen sie keine standortbezogenen Aussagen, sondern legen
einheitliche Kriterien für unterschiedliche Ansiedlungsvorhaben fest, auf deren
Grundlage die Gemeinden sich interkommunal abstimmen. Sie sind damit
auch ein Beitrag zur regionalen Vertrauensbildung.
Konsultationskreis
Einzelhandel der
Landeshauptstadt
Saarbrücken
Im Saarland sollten Städte und Gemeinden unter Mitwirkung der IHK, des Einzelhandelsverbandes und der Landesbehörden ein verbindliches regionales
Einzelhandelskonzept entwickeln. Als
erster Schritt dahin wäre vor allem eine
A bstimmung einzel ner Kommunen
wichtig, die aufgrund ihrer räumlichen
Lage im Verdichtungsraum Saar einem
steten Ansiedlungsdruck ausgesetzt
sind.
In Kürze
Bei Ansiedlungsvorhaben
nicht gegeneinander aus spielen lassen
Über ein regionales Einzel handelskonzept Saarland
die Ansiedlungspolitik
gemeindeübergreifend harmonisieren
In einer ersten Phase
Teilkonzepte für den
Verdichtungsraum Saar
entwickeln
Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurde gleichzeitig
ein „Konsultationskreis Einzelhandel“ ins Leben gerufen, der
die Stadtverwaltung und städtische Gremien in Fragen der
Nahversorgung berät. Neben
Vertretern der Stadtratsfraktionen und der Verwaltung gehört diesem Gremium auch ein
Vertreter der IHK an.
Der Saarbrücker Stadtrat hat im
Jahr 2008 „Leitlinien zur Nahversorgung“ beschlossen, die
seitdem als Entscheidungsgrundlage bei Ansiedlungs- und
Erweiterungsvorhaben im Le- Inzwischen hat der „Konsultabensmitteleinzelhandel dienen. tionskreis Einzelhandel“ zahl-
8
reiche Einzelhandelsprojekte
unterschiedlicher Größenordnungen geprüft und beurteilt.
Dabei hat er wichtige Hinweise für einen frühzeitigen Dialog
mit den Investoren geliefert.
Rund die Hälfte aller vorgebrachten Planungsvorhaben
wurde grundsätzlich positiv
beurteilt.
„Mit diesem Papier gibt die IHK einen
Impuls für die Weiterentwicklung des
Handels im Saarland. Dabei wird es
besonders darauf ankommen, die unterschiedlichen Handelsformate in die
richtige Balance zu bringen. Wir
wünschten uns, dass den Herausforderungen des Hauses in einem Landesentwicklungsplan Rechnung getragen
wird“
Carl Jakob, Geschäftsführer der
Ludwig Pieper GmbH & Co KG,
Saarlouis und IHK-Vizepräsident
Nahversorgung
sichern und
ausbauen
Die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs trägt ganz wesentlich zur
Lebensqualität bei. Jeder Bürger sollte
deshalb die Möglichkeit haben, sich verbrauchernah mit Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs vers o rg e n z u kö n ne n . D ie s e s S t üc k
Lebensqualität gerät vor allem in ländlichen Räumen mit sinkenden Einwohnerzahlen zunehmend in Gefahr.
Wünschenswert wäre es, wenn jede
Kommune im Rahmen ihres Einzelhandelskonzepts auch Leitlinien zur Nahversorgung festlegen würde. Dabei sollten
sie unter Umständen mit angrenzenden
Kommunen gemeinsame Wege gehen.
Zudem können alternative Möglichkeiten
der Nahversorgung gefragt sein. Vom
bürgerschaftlichen Engagement getragene Nachbarschaftsläden sind dabei
ebenso ins Kalkül zu ziehen wie mobile
Supermärkte. Schließlich kann auch die
landwirtschaftliche Direktvermarktung –
ergänzt mit Handelsware – zur Verbesserung der örtlichen Versorgung beitragen.
In Kürze
Leitlinien zur Nahversor gung entwickeln, unter
Umständen auch gemeindeübergreifend
Alternative Versorgungs konzepte aufgreifen
9
„Das erste BID im Saarland hat den
Stadtteil Saarbrücken-Burbach als Nahversorger – auch für vier angrenzende
Stadtteile – in den vergangenen fünf
Jahren gestärkt und ein angeschlagenes Image wieder ins rechte Licht gerückt. Der Ortskern wurde insgesamt
attraktiver für Einwohner und Besucher, die Hauseigentümer profitieren
von dieser neu gewonnen Attraktivität.“
Frank Lorenz,
Inhaber FRESSNAPF,
Neunkirchen
Leerständen und
Trading-down mit
Stadtmarketing
begegnen
Keine Stadt gleicht der anderen. Städte
unterscheiden sich und stellen sich mit
ihrem eigenen Profil dem Wettbewerb
um Kunden. Stadtmarketing-Initiativen
greifen diese Differenzierungen auf und
entwickeln aus den vorhandenen Stärken
Alleinstellungsmerkmale. Indem sie so
zur Imagebildung beitragen, machen sie
die Stadt für neue Zielgruppen interessant und stärken die Verbundenheit der
Bevölkerung mit ihrer Stadt.
Stadtmarketing geht aber auch ganz
praktische Probleme an: Verbesserung
des Branchenmixes, Beseitigung von
Leerständen, gestalterische Aufwertung
des öffentlichen und privaten Raums,
Sauberkeit, Sicherheit und Service, gemeinsame Werbung, Vereinheitlichung
der Öffnungszeiten – das sind die alltäglichen Handlungsfelder, für die sich
Stadtmarketinginitiativen und Gewerbevereine engagieren. Die IHK Saarland
10
unterstützt solche Initiativen mit Rat und
Tat und wirbt für eine engere Zusammenarbeit zwischen Gewerbevereinen
und Stadtmarketinginitiativen.
Das Saarland hat 2007 auf Anregung der
IHK ein Gesetz zur Schaffung von Bündnissen für Investition und Dienstleistung
erlassen. Nach dem Vorbild der in Nordamerika etablierten BIDs (Business
Improvement Districts) können sich
I m mobi l ieneigentümer gemei nsa m
mit Gewerbetreibenden zusammenschließen, um auf Grundlage eines
A rbeitsprogrammes und eines verpflichtenden finanziellen Beitrags die
Instandhaltung und Attraktivierung
ihres Quartiers voranzutreiben. Das Problem des Trittbrettfahrens kann so ausgesch lossen werden. M it dem BI D
Burbach hat sich eine Initiative gegründet, die erfolgreich den Verfall des Stadtteils stoppen konnte. Weitere BIDs sind
in Vorbereitung. Die IHK setzt sich dafür
ein, dass das saarländische BID-Gesetz
nach 2015 verlängert wird.
In Kürze
Initiierung, Wiederbele bung und Fortführung von
Stadtmarketingprozessen
in allen Städten und Gemeinden
Kräfte bündeln: Gewerbe vereine und Stadtmarketing initiativen sollten Gemein samkeiten ausloten und
gemeinsame Initiativen
ergreifen
BIDs als vielversprechendes Instrument von Public
Private Partnerships (PPP)
zur Attraktivitätssteigerung, Stärkung und
Revitalisierung von Innenstädten und Stadtteilzentren stärker nutzen
BID-Gesetz verlängern
Wachstumschance
Shoppingtourismus
Einkaufen findet heutzutage nicht mehr
nur in der Nähe des eigenen Wohnortes
statt. Es ist für viele Menschen zur Freizeitbeschäftigung geworden, die gerne
mit Reisen verbunden wird. Für den
Handel verspricht dieser Trend neue Impulse. Experten schätzen, dass der Shoppingtourismus in den kommenden Jahren deutlich stärker wachsen wird als
der herkömmliche Einzelhandelsumsatz.
Das Saarland hat gute Voraussetzungen,
um von dieser Entwicklung profitieren
zu können. Kulturelle Sehenswürdigkeit en u nd Vera n s t a lt u ngen w ie da s
Max-Ophüls-Festival, hervorragende
Wander- und Radwege sowie die hohe
Anzahl an Sterneköchen locken schon
heute zahlreiche Besucher ins Land. Mit
dem neuen Saarland-Marketing bestehen zudem gute Chancen, den Bekanntheitsgrad unseres Landes noch
weiter zu steigern.
Um die Potenziale des Shoppingtourismus stärker nutzen zu können, bedarf
es einer engen Zusammenarbeit der
relevanten Akteure. Stadtmarketinginitiativen und Gewerbevereine kennen die
Gegebenheiten vor Ort am besten. Sie
sollten touristische Angebotspakete
schnüren, die in Verbindung mit Shopping einen echten Mehrwert über den
reinen Städtebesuch hinaus generieren.
Immer öfter besuchen ausländische Gäste das Saarland. Das stellt hohe Anforderungen an die Sprachkompetenz des
Handels. Angesichts der hohen Frequenz
französischer Kunden ist Englisch allein
aber nicht ausreichend. Jedes einzelne
Unternehmen ist deshalb angehalten,
die Französischkompetenz seiner Mitarbeiter zu stärken, unter anderem auch im
Rahmen der Berufsausbildung. Dies
kann auch in Form von Kooperationen
mit anderen Unternehmen geschehen.
Wünschenswert wäre es zudem, wenn
das Land derartige Sprachprogramme im
Rahmen seiner Frankreichstrategie unterstützen würde.
In Kürze
Potenziale des Shopping tourismus durch Kooperation
der relevanten Akteure
besser ausschöpfen
Touristische Angebots pakete schnüren
Zweisprachigkeit des
Landes vorantreiben
„Shoppingtourismus ist ein weiterer
Baustein, um die Wertigkeit des Einzelhandels hervorzuheben und die Frequenz im ganzen Land zu erhöhen mit
dem Ziel unsere Stärken zu unseren
Kunden zu bringen. Wie ginge das besser als mit der Verbindung des Handels
zur Gastronomie und dem Tourismus.
Das sind Stärken, die aus einem kleinen Land ein großes Erleben machen
können!“
Hans E. Agostini, Inhaber der Firma
Hans E. Agostini e.K. und Präsident
des Landesverbandes Einzelhandel
und Dienstleistung Saarland e.V.
11
„Der demografische Wandel fordert
auch vom Handel ein Umdenken.
Er trägt dem Rechnung durch generationenfreundliche Ladengestaltung,
angepasste Sortimente und kundenorientierte Parkmöglichkeiten."
Stephan Köhler
MEC METRO-ECE Centermanagement
GmbH & Co. KG, Saarbasar Saarbrücken
Städte sind für
alle da generationenfreundliches
Einkaufen
Ob für Eltern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer oder ältere Mitbürger –
Einkaufen sollte für jeden bequem und
barrierefrei möglich sein. Diese Erfordernisse sind künftig noch stärker zu berücksichtigen – bei der Ladengestaltung,
aber auch im öffentlichen Raum vor der
Ladentür. Eine zukunftsfähige Innenstadt muss multifunktional sein. Sie bietet Kleinkindern Spielecken, Jugendlichen Ch i l l-out-Zonen u nd Ä lt eren
Ruheräume. In Zeiten des demografischen Wandels kann es sich keine Stadt
mehr leisten, auch nur eine Generation
„zu vernachlässigen“.
12
Städtebauliche Anpassungen im öffentlichen Raum sollten im Einklang mit einer
angemessenen und zukunftsgerichteten
Entwicklung der verschiedenen Handelsformate stehen. Dabei sind dem Einzelhandel weiterhin passende Entwicklungsperspektiven zu bieten. Qualität statt
Quantität heißt hier die Devise. Top-Lagen
sind zu stärken, für Nebenlagen neue Verwendungen zu suchen. Und wo nötig,
müssen Rückbaukonzepte konzipiert und
umgesetzt werden.
In Kürze
Generationenfreundliche
Gestaltung von Laden flächen und öffentlichen
Räumen
Qualität geht vor Quantität
bei der Entwicklung von
Handelsflächen in der
Stadtplanung
Top-Lagen ausbauen und
neue Nutzungen für Neben lagen suchen
Rückbaukonzepte entwi ckeln und neue Gestal tungsspielräume schaffen
Ausgezeichnet
Generationenfreundlich
Gütezeichen
„Generationenfreundliches
Einkaufen“
Das Qualitätskennzeichen
„Generationenfreundliches
Einkaufen“, das gemeinsam vom Handelsverband
Deutschland (HDE), DIHK,
der Initiative „Wirtschaftsfaktor Alter“ und weiteren
Partnern entwickelt wurde,
bietet Einzelhändlern konkrete Ansatzpunkte, sich
durch Generationenfreundlichkeit von Mitbewerbern
abzuheben. Interessierte
Einzelhändler können sich
prüfen und auszeichnen
lassen. So soll Generationenfreundlichkeit mittelfristig
zu einem Markenzeichen
de s de ut s che n E i n z e lhandels werden.
Wie wird
zertifiziert?
Das Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“ wird anhand festgelegter und nachvollziehbarer
Beurteilungskriterien vergeben. Die Bewertung der ein-
zelnen Kriterien erfolgt anhand einer festgelegten
Wertigkeit und einem vorgegeb enen B eu r t ei lu ng s schlüssel, der nicht verändert werden kann und so die
Einheitlichkeit der Prüfung
sicherstellt. Der vollständige
Kriterienkatalog und weitere
Informationen stehen zum
Download auf der Internetseite des Qualitätszeichens
www.generationenfreundliches-einkaufen.de zur Verfügung. Dort ist auch ein
Schnelltest hinterlegt, der
Einzelhändlern einen ersten
Eindruck gibt, ob sie bereits
generationenfreundlich sind.
13
Schnelle Wege
zum Handel
Der Kunde kommt heute mit dem eigenen PKW zum Einkaufen. Im Saarland,
das über die höchste PKW-Dichte aller
Bundesländer verfügt, benutzen zwei
Drittel aller Stadtkunden ihr Auto für den
Einkauf. Im ländlichen Raum ist die Quote noch höher. Die hohe Mobilität kommt
vor allem der Grünen Wiese entgegen.
Sie bietet in der Regel kostenloses Parken und ist zudem gut erreichbar. Die
Innenstadt, die dies auf Grund der topografischen Situation nicht bieten kann,
muss diesen Nachteil durch Parkleitsysteme, ein ausreichendes und preiswertes
Angebot an Parkplätzen sowie durch
Park-and-ride-Offerten ausgleichen.
Für Dauerparker, darunter auch die Beschäftigten des Einzelhandels, sollten
Parkflächen außerhalb der City bereit
„Gute Erreichbarkeit spielt für den
Handel eine zentrale Rolle. Deshalb
appellieren wir an die Kommunen,
kostengünstige und innenstadtnahe
Parkplätze in ansprechender Qualität
und ausreichender Menge zur
Verfügung zu stellen."
Jörg Hohlwein (links), Geschäftsführer
der HoWaTech Vertriebs GmbH,
Völklingen
14
stehen. Innerstädtische Arbeitgeber sind
aufgerufen, ihre Mitarbeiter bei der Suche nach A lternativen zum I nnenstadt-Parken zu unterstützen. Erfahrungen in anderen Bundesländern zeigen,
dass der ÖPNV immer dann gut angenommen wird, wenn lokale Arbeitgeber
sich über eine Vereinbarung mit dem
regionalen Verkehrsverbund an der Finanzierung von Job-Tickets beteiligen.
In Kürze
Motorisierten Individual verkehr nicht verteufeln,
sondern durch intelligente
Verkehrsführung steuern
Preiswerte Parkmöglich keiten in der Stadt anbieten
Alternativen zum Innen stadt-Parken für Beschäf tigte schaffen
ÖPNV verbessern
und über Jobticket für
Mitarbeiter des Handels
attraktiv machen
15
Impressum
Herausgeber
Industrie- und Handelskammer des Saarlandes
Verfasser
Arbeitskreis Leitbild des IHK-Handelsausschusses
Franz-Josef-Röder-Straße 9,
66119 Saarbrücken
Telefon (0681) 95 20-0
www.saarland.ihk.de
Fotos: Natalie Platz, Wolfgang Klauke, Erwin Wodicka/bilderbox.com,
pressmaker/Fotolia.com
Layout & Produktion: ACN Werbeagentur, Saarbrücken
Druck: repa druck gmbh, Saarbrücken
November 2014
16
saarland.innovation&standort e. V., Franz-Josef-Röder-Straße 9,
66119 Saarbrücken, Email: [email protected]
Wir waren schon
deutsch, französisch
und unabhängig.
Und sind es
immer noch!
willkommen.saarland