Herz und Lunge – von der Entwicklungsbiologie zur Therapie Heart

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Herz und Lunge – von der Entwicklungsbiologie zur Therapie Heart
Jahrbuch 2011/2012 | Barreto, Guillermo; Dobreva, Gergana; Engel, Felix B.; Savai, Rajkumar | Herz und Lunge
– von der Entw icklungsbiologie zur Therapie
Herz und Lunge – von der Entwicklungsbiologie zur Therapie
Heart and Lung – from Development to Therapy
Barreto, Guillermo; Dobreva, Gergana; Engel, Felix B.; Savai, Rajkumar
Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die koronare Herzerkrankung ist die häufigste Todesursache, angeborene Herzfehler sind die häufigsten
Geburtsfehler und Lungenkrebs ist der Krebs mit der höchsten Sterberate w eltw eit. Die derzeitigen Therapien
für Herz- und Lungenerkrankungen beschränken sich hauptsächlich auf die Symptome der Erkrankungen,
bekämpfen aber selten effektiv deren Ursache. Daher ist es w ichtig, neue diagnostische und therapeutische
Ansätze zu entw ickeln. Voraussetzung dafür ist vor allem ein besseres Verständnis der regulatorischen
Mechanismen, w elche die embryonale Entw icklung des Herzens und der Lunge steuern.
Summary
Heart and lung diseases represent a major disease burden and socioeconomic problem. Ischemic heart
disease is the leading single cause of mortality, congenital heart disease the most common type of birth defect
and lung cancer the leading cause of cancer mortality w orldw ide. Current therapeutic efforts to treat those
diseases are limited to the symptoms and rarely target the primary cause. Therefore it is important to develop
better tools for early diagnosis and novel therapeutic strategies, e.g. through a better understanding of the
regulatory mechanisms of heart and lung development.
Herzentwicklung und -regeneration
Transkriptionelle Netzwerke und epigenetische Veränderungen in kardialen Stammzellen
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A bb. 1: Ve re infa chte Da rste llung de r Forschungsschwe rpunk te
und de r Inte ra k tione n de r una bhä ngige n Arbe itsgruppe n a m
MP I für He rz- und Lunge nforschung.
© Ma x -P la nck -Institut für He rz- und Lunge nforschung/Ba rre to;
Dobre va ; Enge l; Sa va i
Die Arbeitsgruppe von Dr. Gergana Dobreva beschäftigt sich mit Stammzelllinien des Herzens. Stammzellen
sind durch die Eigenschaft charakterisiert, sich entw eder durch Zellteilung selbst zu erneuern oder in
spezialisierte Tochterzellen zu differenzieren. Diese Eigenschaft ist sow ohl in der Organentw icklung als auch
der Gew eberegeneration von entscheidender Bedeutung [1]. Die Entdeckung multipotenter Stammzellen im
Herzen hat die Hoffnung genährt, dass Stammzell-basierte Therapien für Herzerkrankungen entw ickelt w erden
können. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch ein besseres Verständnis der Mechanismen, w elche die
Differenzierung von Stammzellen in der Herzentw icklung kontrollieren. Das Protein Isl1 markiert die kardialen
Vorläuferzellen in der Herzentw icklung und ist essenziell für deren Stammzelleigenschaften. Darüber hinaus
spielt Isl1 eine entscheidende Rolle in der Regulation des transkriptionellen Programms, das für die
Differenzierung von kardialen Stammzellen in Herzmuskelzellen verantw ortlich ist. Dabei ist Isl1 unter anderem
mit epigenetischen Regulatoren assoziiert, die die Chromatinstruktur verändern und Zelltyp-spezifische
Genexpressionsmuster etablieren [2]. Isl1 w ird selbst durch verschiedene Modifikationen reguliert, um die
Vielzahl seiner Eigenschaften zu kontrollieren. Die W issenschaftler hoffen, generelle Regulationsstrukturen zu
identifizieren, die es ermöglichen, endogene oder exogene Stammzellen kontrolliert zu differenzieren und so
Herzerkrankungen zu heilen.
Wachstumsfaktor-vermittelte Regenerationsprozesse am Beispiel des Myokards
Die Arbeitsgruppe von Dr. Felix Engel w idmet sich der Entw icklung des Herzens. Die Erforschung von
natürlichen Regenerationsprozessen ist die Basis, um regenerative Therapien für Erkrankungen w ie die
Koronare Herzkrankheit entw ickeln zu können. Entscheidend für die Regeneration von Organen sind
Aktivitäten von Wachstumsfaktoren und ihren Rezeptoren. Das menschliche Herz bildet nach einem Infarkt
eine Narbe. Im Gegensatz zu Säugetieren besitzt das Herz von Kaltblütern die Fähigkeit zu regenerieren,
indem es die Zellteilung von Herzmuskelzellen induziert. Im Säugetierherzen können sich diese Zellen nur
w ährend der Embryonalentw icklung vermehren. Das Studium der Embryonalentw icklung hat dazu beigetragen,
Faktoren zu identifizieren, w elche
die
Vermehrung
von Herzmuskelzellen steuern bzw . angeborene
Herzerkrankungen w ie fehlgebildete Herzklappen besser zu verstehen [3,4]. Mittels Wachstumsfaktoren ist es
nun möglich, die Herzmuskelzellen von adulten Säugetieren zur Zellteilung anzuregen, die Narbenbildung nach
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nun möglich, die Herzmuskelzellen von adulten Säugetieren zur Zellteilung anzuregen, die Narbenbildung nach
einem experimentellen Herzinfarkt zu reduzieren und so eine Herzinsuffizienz zu verhindern [4]. Die Induktion
der Vermehrung von Herzmuskelzellen könnte eine realistische Option zur Regeneration des menschlichen
Herzmuskels darstellen. Das langfristige Ziel ist daher die Identifizierung w eiterer Wachstumsfaktoren, w elche
die
Myokardschädigung
beschränken
sow ie
die
Neubildung
von
Herzmuskelzellen
induzieren,
um
Herzerkrankungen besser behandeln zu können.
Lungenentwicklung und -krebs
Epigenetische Kontrolle der embryonalen Lungenentwicklung und des Lungenkrebs
Die Arbeitsgruppe von Dr. Guillermo Barreto erforscht die Entw icklung der Lunge. Gene, die für die
Differenzierung und die Morphogenese der embryonalen Lunge entscheidend sind, haben gemeinsam, dass
verschiedene Transkripte von einem Gen exprimiert w erden. Von jedem Gen w ird eine embryonale ProteinIsoform in undifferenzierten Zellen exprimiert sow ie mindestens eine zw eite Isoform in differenzierten Zellen
der erw achsenen Lunge. Die Expression der unterschiedlichen Isoformen w ird durch verschiedene Promotoren
im selben Gen ermöglicht. Welcher Promoter von der Transkriptionsmaschinerie benutzt w ird, ist epigenetisch
reguliert, d.h. durch Veränderungen der Chromatinstruktur z.B. mittels kovalenter Modifizierung von Histonen,
Einbau von Histonvarianten, DNS-Methylierung oder einer Veränderung der Nukleosom-Positionierung (5,6).
Interessanterw eise w ird in Krebsgeschw üren der Lunge die embryonale Isoform re-exprimiert. Dies legt nahe,
dass die Re-expression embryonaler Isoformen ein frühes Ereignis w ährend der Transformation einer
normalen Zelle in eine Krebszelle darstellt. Die Detektion solcher Isoformen könnte sich als diagnostischer
Nachw eis
für Lungenkrebs
epigenetischen
Regulatoren
erw eisen. Darüber hinaus
derselben,
bieten
vielversprechende
die
embryonalen
Ansatzpunkte
für
die
Isoformen, bzw . die
Entw icklung
neuer
therapeutischer Ansätze.
Tumor-Stromazellen: Ein neuartiger Ansatzpunkt für die Tumortherapie
Die Arbeitsgruppe von Dr. Rajkumar Savai befasst sich mit den molekularen Mechanismen bei Lungenkrebs.
Therapien für Lungenkrebs hatten bisher das Ziel, Tumorzellen abzutöten. Leider hat dieser Therapieansatz
nur zu geringen Verbesserungen für die Patienten geführt. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass
Krebszellen bereits in der frühen Tumorentw icklung aktiv Blutgefäße sow ie verschiedene Zelltypen w ie z.B.
Immunzellen und Fibroblasten rekrutieren, die das sogenannte Tumorstroma bilden. Die Krebszellen
manipulieren die rekrutierten Zellen, damit sie Wachstumsfaktoren und Zytokine produzieren, w elche die
Vermehrung der Krebszellen sow ie die Metastasierung anregen. Wenn es gelingt, dieses Tumorstroma zu
beeinflussen, kann man möglicherw eise die Tumorexpansion verhindern bzw . den Tumor von einer bösartigen
in eine gutartige Form überführen. Kürzlich w urden Medikamente zugelassen, w elche die Rekrutierung von
Blutgefäßen inhibieren und so das Wachstum von Krebsgeschw üren limitieren. Die Charakterisierung der
inflammatorischen Zellen in Tumoren hat gezeigt, dass sow ohl die angeborene als auch die erw orbene
Immunantw ort von Bedeutung ist: Zum Beispiel stimulieren dendritische Zellen eine zytotoxische TZellantw ort, indem sie Tumorantigene auf ihrer Zelloberfläche exprimieren und sie dementsprechend den TLymphozyten (CD4, CD8, NK-Zellen) präsentieren [7]. Diese Beispiele unterstreichen, w ie bedeutsam es ist,
die Interaktionen zw ischen Krebszellen und Tumorstroma in Mausmodellen und Lungentumorpatienten [7,8]
zu verstehen. Nur so können neuartige Therapien für diese aggressive Erkrankung entw ickelt w erden.
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Analysis of tumor vessel supply in Lewis Lung Carcinoma in mice by fluorescent microspheres distribution
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