Beratung beim Aufbau eines einheitlichen Steuersystems in
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Beratung beim Aufbau eines einheitlichen Steuersystems in
Schlussevaluierung 2006 Beratung beim Aufbau eines einheitlichen Steuersystems in Bosnien und Herzegowina Kurzbericht Erstellt durch: Prof. Dr. Herbert Edling Frau Ermina Gezo, Gutachter im Auftrag von ABI Arnold-Bergstraesser-Institut, Freiburg Dieses Gutachten wurde von unabhängigen externen Sachverständigen erstellt. Es gibt ausschließlich deren Meinung und Wertung wieder. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH Stabsstelle Evaluierung Dag-Hammarskjöld-Weg 1-5 65760 Eschborn Internet: http://www.gtz.de Eschborn, 22.05.07 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Tabellarische Übersicht 2 2. Beschreibung des Vorhabens 3 2.1 2.2 2.3 3. Titel, Projektziel, Indikatoren, Beitrag zu übergeordneten Zielen / angestrebte Wirkungen 3 Problemsituation (Sektor), Rahmenbedingungen des Landes (politische / wirtschaftliche / soziale / ökologische) 3 Konzept und Beratungsansatz des Vorhabens (Zielgruppen, Partner, Ebenen, Regionen, Modes of Delivery) 4 Ergebnisse der Evaluierung 4 3.1 Gesamtbewertung 4 3.2 Bewertung nach den 5 internationalen Kriterien (mit kurzer Herleitung) 5 3.3 Bewertung in Bezug auf MDG / Armut / Gender 6 3.4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen 6 1 1. Tabellarische Übersicht Bezeichnung des Vorhabens Beratung beim Aufbau eines einheitlichen Steuersystems in Bosnien und Herzegowina (BuH) Nummer des Vorhabens 2000.5125.0 und 2002.2250.5 Gesamtlaufzeit 07/2000 – 09/2005 Gesamtkosten 2.800.000 EUR Projekt/Programmziel Bosnien und Herzegowina verfügt in den prioritären Bereichen der direkten Besteuerung über ein rechtsstaatliches, marktwirtschaftlich orientiertes einheitliches Steuersystem Politische Träger Finanzministerium der Föderation Bosnien und Herzegowina Finanzministerium der Republika Srpska Finanzbehörde des Distrikts Brcko Durchführungsorganisationen Siehe politische Träger Andere beteiligte Organisationen und Geber Keine Zielgruppen Zielgruppe ist die gesamte Bevölkerung des Staatsgebietes der bosniakisch-kroatischen Föderation, der Republika Srpska sowie des Distrikts Brcko Evaluierendes Institut Arnold Bergstraesser Institut, Freiburg Evaluierungszeitraum Juli – Dezember 2006 Gesamtbewertung Auf einer Skala 4 von 1 (sehr gutes, deutlich über den Erwartungen liegendes Ergebnis) bis 6 (das Vorhaben ist nutzlos bzw. die Situation ist eher verschlechtert Einzelbewertung Relevanz: 4; Effektivität: 3; Impact: 4; Effizienz: 4; Nachhaltigkeit: 4 2 2. Beschreibung des Vorhabens 2.1 Titel, Projektziel, Indikatoren, Beitrag zu übergeordneten Zielen / angestrebte Wirkungen Ziel des Projekts „Beratung beim Aufbau eines einheitlichen Steuersystems in Bosnien und Herzegowina (BuH)“ war es, die Partnerorganisationen in BuH derart zu beraten, dass sie in den prioritären Bereichen der direkten Besteuerung über ein rechtsstaatliches, marktwirtschaftlich orientiertes einheitliches Steuersystem verfügen. Die Betonung lag dabei auf der Einheitlichkeit, im Sinne eines für beide Entitäten und dem Distrikt Brcko gleichen Steuersystems. Auf diese Weise sollte das Vorhaben den übergeordneten Zielen, der Entstehung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes, der Konsolidierung des Gesamtstaates sowie der Befriedung der gesamten Region, dienen. Die Indikatoren waren unter anderen: Die Finanzministerien der beiden Entitäten entwickeln verantwortlich neue steuergesetzliche Grundlagen und Durchführungsverordnungen für ein landesweit einheitliches Einkommensteuerrecht; mit Fragen der Einkommensbesteuerung befasste Finanzbeamte der beiden Entitäten sind geschult; inhaltlich gleiche Steuerberatungsgesetze sind in den beiden Entitäten sowie dem Distrikt Brcko in Kraft. Erwartet wurde zum einen, dass das Projekt die politische Kooperationsbereitschaft der Entitäten steigere und somit das gesamtstaatliche Bewusstsein fördere. Zum anderen sollte das marktwirtschaftlich orientierte Einkommensteuersystem die Investitionstätigkeit anregen und somit Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. Die Rechtstaatlichkeit, Einfachheit und Transparenz der Besteuerung sollte sich zudem positiv auf Zahlungsbereitschaft der Steuerpflichtigen und auf die Steuereinnahmen zur Finanzierung armutsorientierter Staatsausgaben auswirken. 2.2 Problemsituation (Sektor), Rahmenbedingungen des Landes (politische / wirtschaftliche / soziale / ökologische) Die politischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das Vorhaben waren außerordentlich kompliziert und in ihrer Art wohl einmalig. Als Ergebnis des Friedensabkommens von Dayton 1995 wurde der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina in zwei Entitäten sowie den multi-ethnischen „Distrikt Brcko“ aufgegliedert und im Bereich der öffentlichen Finanzen eine Kompetenzverteilung festgelegt, die den Gliedstaaten große Autonomie gibt. Das führte unter anderem dazu, dass in den verschiedenen Landesteilen 3 unterschiedliche Steuersysteme etabliert wurden. Die Steuergesetzgebung selbst war noch von planwirtschaftlichen Elementen geprägt und wurde damit in keiner Weise den Anforderungen eines marktwirtschaftlichen Ordnungssystems gerecht. 2.3 Konzept und Beratungsansatz des Vorhabens (Zielgruppen, Partner, Ebenen, Regionen, Modes of Delivery) Zielgruppe war die gesamte Bevölkerung des Staatsgebietes von BuH. Die Partnerorganisationen waren die Finanzministerien der bosniakisch-kroatischen Föderation sowie der Republika Srpska und die Finanzbehörde des Distrikts Brcko. Sie sollten – auf den Bereich des materiellen Steuerrechts konzentriert – bei der Reform der Einkommensteuer natürlicher und juristischer Personen, sowohl bei der Entwicklung neuer gesetzlicher Grundlagen als auch hinsichtlich der dazugehörigen Durchführungsverordnungen, beraten werden. Beratungsaktivitäten waren des Weiteren Information und Unterstützung der Steuerpflichtigen, Modellierung eines Steuerschätzmodells sowie Erarbeitung eines Steuerberatungsgesetzes vorgesehen. Die Durchführung des Vorhabens wurde mit einem internationalen Langzeitexperten geplant, der, unterstützt von drei lokalen Mitarbeitern, u. a. die Einsätze deutscher Kurzzeitexperten (KZE) koordinieren sollte. Da die Projektkonzeption auch die Ausbildung von Steuerbeamten vorsah, waren die KZE auch für die Erarbeitung der dazu notwendigen Lehr- und Lernmaterialien zuständig. Die Erstellung der Konzeption erfolgte nicht im Rahmen eines übergeordneten Public Financial Managements (PFM) seitens der Gebergemeinschaft oder des Partners, da das Konzept des PEFA-PFM (Public Expenditure and Financial Accountability PEFA), erst nach Beginn des Vorhabens entwickelt wurde. 3. Ergebnisse der Evaluierung 3.1 Gesamtbewertung In der Gesamtbewertung ergibt sich für das Vorhaben ein “ausreichend” (Note: 4). Bis auf einige kleinere Erfolge hat das Projekt bei weitem das hochgesteckte Ziel und die erwarteten indirekten Wirkungen nicht erreicht. Ursächlich hierfür waren das schwierige politische 4 Umfeld, die außerordentlich starke Geberkonkurrenz sowie die vom Projekt zu lange verfolgten Beratungsinhalte. 3.2 Bewertung nach den 5 internationalen Kriterien (mit kurzer Herleitung) Relevanz (Bewertung: 4): Unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten sind Steuerreformen grundsätzlich von großer Relevanz. Für das Partnerland, den OHR und die Mehrheit der internationalen Gebergemeinschaft war die Reform der Einkommensbesteuerung jedoch nicht prioritär, weshalb der Einführung der Mehrwertsteuer der Vorzug gegeben wurde. Eine zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen den Geberorganisationen bei Zielkonflikten oder zur abgestimmten Einflussnahme fand nicht statt. Vielmehr gab es eine massive Geberkonkurrenz. Effektivität (Bewertung 3): Das vorrangige Ziel, eine einheitliche Einkommensbesteuerung in BuH zu etablieren, wurde nicht erreicht. Stattdessen existierten nach Beendigung des Vorhabens drei unterschiedliche Einkommensteuer (EKSt)-Gesetze nebeneinander. Erreicht wurde jedoch, dass in beiden Entitäten und im Distrikt Brcko rechtsstaatliche, marktwirtschaftlich orientierte EKSt-Gesetze in Kraft sind bzw. im Entwurf vorliegen. Allerdings kann nur im Distrikt Brcko diese Wirkung dem Projekt zugeordnet werden. Der Distrikt hat wiederum nur geringe Bedeutung für die Entwicklung des Gesamtstaates BuH und damit für die weitere Entwicklung der direkten Besteuerung. „Impact“ (Bewertung 4): Bedingt durch den geringen Effektivitätsgrad lassen sich nur in eingeschränktem Maße indirekte Wirkungen aus der Nutzung der Beratungsleistungen ableiten. Dort wo dies auf der Grundlage verfügbarer Daten möglich war, sind die Auswirkungen sehr ambivalent, mitunter sogar negativ. Teilweise ist es für eine seriöse Wirkungsanalyse aber auch noch zu früh, da viele der erwarteten Wirkungen erst mittel- oder langfristig feststellbar sein dürften. Eine positive indirekte Wirkung auf mikroökonomischer Ebene ist die Vergrößerung der Problemlösungsfähigkeit der Mitarbeiter der Finanzministerien und Finanzbehörden. Dies lässt sich auf das vermittelte Know-how in Schulungsmaßnahmen und Seminaren über marktorientierte Besteuerungskonzepte und deren Anwendung zurückführen. Effizienz (Bewertung 4): Gemessen an den erreichten Wirkungen war der Input des Projekts zu hoch. Die feststellbaren Wirkungen hätten mit weit weniger Aufwand erreicht werden können. Die Verhältnismäßigkeit Kurzzeitberatungseinsätzen sowie zwischen deren der recht Beratungsdauer hohen zu Anzahl den von erreichten 5 Projektwirkungen ist damit suboptimal. Als problematisch ist auch der Unterhalt zweier „Außenstellen“ des Projekts in Banja Luka und im Distrikt Brcko zu sehen. Nachhaltigkeit (Bewertung 2; Gewichtung 1): Diejenigen Wirkungen, die durch das Projekt erreicht wurden, werden auch nach Ende der Unterstützung im Partnerland weiter bestehen. Nur der sehr unwahrscheinliche Fall eines Rückfalls in eine zentralistische Planwirtschaft würde diese „Errungenschaft“ gefährden. Die verhältnismäßig gute Einschätzung der Nachhaltigkeit liegt größtenteils in der Besonderheit des Beratungsbereiches; Steuerreformen solcher Art werden naturgemäß i.d.R. lange Zeit nicht in Frage gestellt. 3.3 Bewertung in Bezug auf MDG / Armut / Gender Die Konzeption des Vorhabens war nicht zielgruppendifferenziert. Es lag auch keine Armutsanalyse vor. Das Vorhaben hat die Beteiligung Armer an wirtschaftlichen und politischen Prozessen nicht gefördert oder den Zugang zu Ressourcen verbessert. Die Konzeption des Vorhabens war auch weder genderdifferenziert noch lag eine Genderanalyse vor. Ein diskriminierender Nutzen für beide Geschlechter ist jedoch nicht erkennbar. Ein Beitrag zur Erreichung der MDG ist nicht eindeutig nachzuweisen. 3.4 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Vorhaben im Bereich der Besteuerung sollten weiter im Rahmen entwicklungspolitischer Zusammenarbeit gefördert werden, jedoch sollte auf eine genauere Ex-Ante-Analyse der relevanten Beratungsbereiche im Partnerland geachtet werden. Des Weiteren müssen bei der Planung des Vorhabens fundierte Analysen der Rahmenbedingungen des Partnerlandes (Akteursanalysen einschließlich deren Interessen und Handlungsmöglichkeiten) unbedingt stärker Eingang finden. Dies gilt vor allen Dingen in Ländern mit multikulturellem Hintergrund und einer Post-Konflikt-Situation. Die Geberkoordination muss so ausgestaltet sein, dass sie zu einem abgestimmten Handeln in dem gemeinsamen Beratungsbereich im weitesten Sinne führt. Falls die Geberkoordination auf Projektebene nicht gelingt, sollte diese auf höherer Ebene – nunmehr auf der Grundlage der „Paris Deklaration“ – eingefordert und sichergestellt werden. Sollte dies nicht möglich sein und die negativen Einflüsse auf die Projektarbeit, den 6 Zielerreichungsgrad des Projekts und die erwarteten positiven Wirkungen einen kritischen Wert übersteigen, sollte der Abbruch des Vorhabens ernsthaft in Erwägung gezogen werden. In politisch sensiblen Beratungsbereichen sollte kritischer auf die Beratungsinhalte der Kurzzeitexperten geachtet werden. Bei der Auswahl der Experten ist nicht nur auf deren fachliche Eignung zu achten, sondern auch auf deren Fähigkeiten in anderen Kulturen tätig zu sein. In kritischen Situationen müssen sich die Projektverantwortlichen vor Ort und der Zentrale flexibel genug zeigen, um den veränderten Bedingungen im Projektumfeld, Rechnung zu tragen. Hierzu zählen auch personalpolitische Entscheidungen die sowohl Berater aber auch LZE betreffen. Bei Steuerprojekten in Transformationsländern muss die Ausbildungskomponente in adäquaten Umfang unbedingt zur Gesamtkonzeption gehören. Bei der Beratung neuer Gesetze bedarf es einer Fachsprache, die unter Einschluss lokaler Fachkräfte – nicht Dolmetscher – erst geschaffen werden muss. Deswegen ist die Einbindung eines ausgewiesenen lokalen oder regionalen Experten in dem zu beratenden Bereich, dringend zu empfehlen. Diese lokale Fachkraft sollte dann auch in der Lage sein, kurzfristige, qualifizierte Beratung der Partnerorganisationen im Alltagsgeschäft zu leisten. 7