Luftdetektion mit mobilen Gassensoren [ PDF 1,06 MB ]

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Luftdetektion mit mobilen Gassensoren [ PDF 1,06 MB ]
F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R P h y si k a l is c he M esste c hni k I pm
Rollende Spürnasen
Messfahrzeuge dokumentieren
flächendeckend die Luftqualität
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I nte g rierte S ensors y steme
Rollende Spürnasen
Messfahrzeuge dokumentieren
flächendeckend die Luftqualität
Die heutigen Maßnahmen, den Mensch vor Feinstaub, Ozon oder schädlichen Gasen zu schützen, sind vergleichsweise grobschlächtig: Messstationen an einigen wenigen Orten ermitteln Schadstoffkonzentrationen, die
dann für Gebiete im Umkreis mehrerer Kilometer gelten. Auf dieser Basis geben die Behörden Warnungen
heraus, lenken den Verkehr um oder erteilen im Extremfall Fahrverbote. Wissenschaftler von Fraunhofer IPM
arbeiten gemeinsam mit Kollegen anderer Fraunhofer-Institute an einem mobilen, satellitenbasierten System,
das Emissionen flächendeckend misst. Es liefert aktuelle Informationen zu Feinstaubkonzentrationen, Ozonwerten und anderen Luftschadstoffen – von jedem beliebigen Ort.
Gesetzliche Regelungen zur Emissionsüberwachung bestimmen, wie oft gemessen wird und
wie die Messwerte interpretiert werden: So wird der Ozonwert in einer mittelgroßen Stadt nicht
selten an nur zwei oder drei Messstationen gemessen. Im Fall des Ozons werden die Messwerte dann über acht Stunden gemittelt. Dies ist in etwa so präzise, als würde der Thermostat der
Heizung die Wohnraumtemperatur einmal täglich in der Nähe des Backofens aufnehmen, um
daraus die erforderliche Heizleistung für die kommenden 24 Stunden abzuleiten. Die Ozonwerte schwanken deutlich im Tagesverlauf; hier kann die Mittlung der Messwerte über einen großen Zeitraum das Ergebnis stark verfälschen. Ozonwerte können zudem abhängig vom Messort
variieren: Teilweise geht das Gas Verbindungen mit anderen in der Luft vorhandenen Stoffen
wie zum Beispiel Stickstoffmonoxid ein, sodass die lokale Ozonkonzentration vermeintlich sinkt;
nur einige Straßen weiter kann sie aber deutlich höher liegen.
Mit aktuellen, ortsgenauen Messungen wären Verkehrsleitzentralen in der Lage, einzelne Straßen gezielt zu sperren, sobald bestimmte Grenzwerte überschritten sind. Und sie könnten später kontrollieren, wie effektiv die Maßnahme war. Auch Umweltsünder sind anhand von ortsgenauen Messwerten schneller dingfest gemacht. Dazu allerdings bedarf es zertifizierter
Messprotokolle und einer gerichtsfesten Ortung der Messpunkte, die nur mit einem satellitenbasierten System möglich ist. Die Ortung der Fahrzeuge geschieht über das geplante europäische Satellitennavigationssystem Galileo – und zählt damit zu den ersten konkreten Anwendungen für das im Aufbau befindliche zivile Navigationssystem. Anders als GPS stellt Galileo
Die Konzentration von Luft-
bestimmten Diensten eine »Integrity«-Funktion zur Verfügung, die die Korrektheit der über-
schadstoffen kann lokal sehr
tragenen Daten garantiert. Auch um langfristige Auswirkungen von Emissionen zu bewerten,
unterschiedlich sein. Daten
sind präzisere Messdaten nötig. Ziel des Projekts ist ein dynamisches Umweltkataster, das Wirk-
aus stationären Messsystemen
mechanismen von Schadstoffkonzentrationen über lange Zeiträume dokumentiert. Solche Er-
ergeben mitunter ein stark
kenntnisse können in Zukunft schon im Vorfeld in die Verkehrsplanung einbezogen werden.
verfälschtes Bild der tatsächlichen Schadstoffbelastung.
Rollende Messstationen
Mobile Messstationen sollen
daher in Zukunft die Luftqua-
Die Wissenschaftler von Fraunhofer IPM montieren spezielle Messsysteme auf das Dach von
lität flächendeckend erfassen.
PKWs. Die so ausgestatteten Fahrzeuge nehmen während der Fahrt permanent Messwerte auf.
(Bildquelle: Shutterstock)
Für die Ortungssignale haben Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS
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1
1 Gekoppelt mit den
einen speziellen Empfänger gebaut. Die Ortsdaten werden in einer Basisplattform für Galileo-
Ortsdaten ergeben die flä-
Anwendungen mit den Messdaten kombiniert und ausgewertet. Das Fraunhofer-Institut für
chendeckenden Messdaten
Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK baut diese Plattform in einem sogenannten
langfristig ein dynamisches
Galileo-Lab speziell für das Emissionsmonitoring auf. Die ausgewerteten Daten werden nach
Umweltkataster. Dieses soll
Abschluss der Messungen drahtlos in eine zentrale Datenbank oder wahlweise auf ein mobiles
als Grundlage für eine bes-
Endgerät hochgeladen und auf verschiedene Arten grafisch visualisiert. Über das Internet sind
sere Verkehrsplanung im
sie für Verkehrsplaner oder die Öffentlichkeit jederzeit abrufbar.
Hinblick auf Schadstoffkonzentrationen dienen.
»Plug & measure«: Sensoren nach Bedarf ankoppeln
(Bildquelle: Fraunhofer IPK,
Google maps)
Die rollende Messstation bündelt unterschiedliche Sensoren und Messsysteme in einer zirka
100×150 cm2 großen Box. Im Unterschied zu stationären Messcontainern, in denen teure
Messtechnik verwendet wird, setzen die Entwickler für die Messfahrzeuge auf preisgünstige
Sensoren und Systeme. Nur so lässt sich eine ganze Flotte von Messfahrzeugen – darunter gegebenenfalls auch Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs – ausstatten, sodass flächendeckende Kartierungen entstehen. Ziel der Arbeiten ist eine modulare Plattform, an die je nach Bedarf
unterschiedliche Sensoren angekoppelt werden können. Neben Temperatur und Feuchte werden Kohlenstoffoxide oder Stickstoffverbindungen gemessen, die im Verbrennungsmotor entstehen. Zudem ermittelt das Messgerät Ozon und Feinstaubkonzentrationen herunter bis zu 10
Mikrometern Partikelgröße (PM10). Neben kommerziellen Sensoren, die für das System genutzt
werden, hat Fraunhofer IPM eigens für den rollenden Einsatz ein optisches Filterphotometer
entwickelt, das erstmals die Gase Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2), Ammoniak (NH3)
und Methan (CH4) simultan misst. Als Lichtquelle dient ein thermischer Strahler, der im Gegensatz zu den üblicherweise verwendeten Laseroptiken deutlich kostengünstiger ist. Die Strahlungsquelle muss eine hohe spektrale Breite besitzen, damit alle benötigten Absorptionsbanden
der entsprechenden Gase überdeckt werden. Für
einen besonders empfindlichen Nachweis setzen
die Wissenschaftler auf Absorptionsspektroskopie
2 Sensoren für unterschied-
im Mittleren Infrarot (MIR) mit Wellenlängen von
liche Schadstoffe lassen sich
3 bis 11 µm. Der IR-Messstrahl wird über eine
an das System ankoppeln.
Spiegeloptik in eine kompakte »White-Zelle«
Von Interesse sind vor allem
geleitet; dort legt er 1,7 Meter Wegstrecke durch
Gase, die im Verbrennungs-
die ins System angesaugte Luftprobe zurück. Ein
motor entstehen, sowie
Filterrad mit vier optischen Filtern moduliert und
Ozon und Feinstaub. Sämt-
filtert die Strahlung. Die transmittierenden Berei-
liche Daten sind über Inter-
che des Rads bestehen aus passenden Filtern für
net oder mobile Endgeräte
die einzelnen Gase. Damit deckt der Filter im Ver-
abrufbar.
gleich zu herkömmlichen Filterphotometern eine
(Bildquelle: Fraunhofer IPK)
besonders große Bandbreite von 3 bis 11 µm ab.
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I nte g rierte S ensors y steme
Verkehrsleitzentrale
Galileo Satelliten
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3 Die rollenden Messsysteme gehören zu den ersten
Position
gemessene
Daten
mobiles Messsystem
Anwendungen des geplanten europäischen SatellitenNavigationssystems Galileo.
Neben speziellen Messfahrzeugen lassen sich auch
Fahrzeuge des öffentlichen
Emission
Nahverkehrs als rollende
Spürnasen nutzen.
(Bildquelle: Fraunhofer IPM)
Emission
Im pyroelektrischen Detektor lässt sich anhand der Lichtabsorption mittels geeigneter Signalaufbereitung und -verarbeitung die Konzentration der einzelnen Gase ermitteln. Mit einem zusätzlichen Filter, bei dem keine Gasabsorption auftritt, wird eine Referenzabsorption gemessen.
Messdaten jederzeit abrufbar
Kontakt:
Fraunhofer-Institut
Die berechneten Gaskonzentrationen werden über eine drahtlose Verbindung an den Galileo-
für Physikalische
Server weitergegeben, mit den Ortsdaten verknüpft und in einer Datenbank abgelegt. So sind
Messtechnik IPM
sie für Mitarbeiter der Verkehrsleitzentralen über das Internet jederzeit abrufbar. Auch mobile
Heidenhofstraße 8
Endgeräte können auf die Daten zugreifen – eine Applikation für das iPhone steht bereits zur
79110 Freiburg
Verfügung. Bis die ersten mobilen Fahrzeuge in deutschen Städten unterwegs sind, wird es
www.ipm.fraunhofer.de
noch ein wenig dauern: Die Inbetriebnahme der ersten Galileo-Satelliten ist für das Jahr 2013
Prof. Dr. Jürgen Wöllenstein
sche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt DLR Pseudosatelliten aufgebaut, an denen künftige
Gruppenleiter
Galileo-Anwendungen erprobt werden.
Integrierte Sensorsysteme
4
Telefon +49 761 8857-134
Das mobile System zum Emissionsmonitoring wurde unter der Leitung von Jürgen Wöllenstein
juergen.woellenstein@
aufgebaut. Sven Rademacher, André Eberhardt, Andreas Kürzinger und Timo Laske entwickel-
ipm.fraunhofer.de
ten den Gesamtaufbau inklusive Filterrad und Elektronik.
© Fraunhofer IPM 2011
geplant. Bis dahin testen die Wissenschaftler ihr System in Berchtesgaden. Dort hat die Deut-

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