Predigt zu Johannes 15,1-8: Bindfaden

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Predigt zu Johannes 15,1-8: Bindfaden
Johannes 15,1-8: Bindfaden-Christen (J.Röhl; 26.4.2015)
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Predigt zu Johannes 15,1-8: Bindfaden-Christen
Liebe Schwestern! Liebe Brüder!
Eine Familie pflanzte im Garten einen kleinen Apfelbaum ein. Als im Frühjahr die ersten Blätter
sprießten, bekamen die zwei Kinder strikte Anweisung, nicht in der Nähe des Baumes Fußball zu
spielen. Die zwei Jungs hielten sich auch daran und hielten gebührend Abstand. Aber im Eifer des
Spiels passierte es dann doch: Ein kräftiger Schuss ging weit am Tor vorbei und traf den kleinen
Apfelbaum. Ein Ast war umgeknickt und hing nur noch lose herunter.
Die zwei Brüder waren natürlich sehr erschrocken. Sie versuchten es wieder gut zu machen, indem sie den geknickten Ast mit dünnem Bindfaden umwickelten und zurecht rückten. Von weitem
betrachtet sah der Apfelbaum so aus, als
wäre nichts passiert. Aber der Ast konnte
nicht mehr versorgt werden. Nach ein paar
Tagen merkte es die Mutter. Der Ast hing
ausgetrocknet herunter und die Blätter wurden welk. Sie stellte ihre zwei Söhne zur
Rede und diese gaben ihre Schuld auch zu.
Die Mutter ermahnte sie, in Zukunft vorsichtiger zu sein und meinte zu ihren Kindern:
„So, jetzt habt ihr was fürs Leben gelernt.
Einen abgebrochenen Zweig kann man nicht
so einfach wieder an einen Baum anbinden.
Damit der Zweig leben kann, braucht der die feste Verbindung mit dem Baumstamm.“
Genau diesen Zusammenhang macht Jesus seinen Jüngern in unserem heutigen Predigttext
deutlich. Um ein Jünger Jesu zu sein genügt es nicht, durch einen dünnen Bindfaden mit ihm verbunden zu sein. Es genügt keine äußerliche Verbindung durch Tradition oder Gewohnheit. Es genügt nicht, in die Gemeinde zu gehen, weil man dort eine nette Zeit mit anderen Leuten erleben
kann. Es muss eine tiefe, innere Verbindung zu Jesus da sein.
Jesus sagt (V.5): „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der
bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Eine Rebe, die nicht mit dem Weinstock
verbunden ist, kann keine Frucht bringen. Ein Ast, der nur äußerlich durch einen Bindfaden mit
dem Baum verbunden ist, wird keine Blätter und keine Früchte tragen. Gott fragt heute uns: „Wie
sieht deine Verbindung zu Jesus aus? Bist du tief in ihm verwurzelt, so dass er dir Lebenskraft
schenken kann und du Wachstum erleben kannst? Oder bist du eher ein Bindfaden-Christ, der nur
lose und oberflächlich mit Jesus verbunden ist?“
Was können wir tun, um die Verbindung zu Jesus zu verbessern und zu erhalten? Bei der Beschäftigung mit dem Text fand ich zunächst einmal interessant, wer hier was tut. Wer ist auf welche Weise beteiligt, damit am Ende Frucht heraus kommt?
Da ist zunächst Gott. Jesus bezeichnet ihn im Text als den Weingärtner. Eigentlich ist ja bei einem
Weinberg der Weinbauer derjenige, der am meisten Arbeit hat. Damit gute Weintrauben wachsen
können, muss der Weinbauer sehr viel an Zeit und Arbeit in den Weinberg investieren.
Zuerst braucht er ein Grundstück mit fruchtbarem Boden. Dann muss er gute Weinstöcke einpflanzen. Im alten Israel wurden die Weinberge von einer Mauer um das Grundstück geschützt –
auch diese muss errichtet werden. Gute Weintrauben wachsen dann nicht einfach von alleine heran, sondern die Weinstöcke müssen gepflegt und gehegt werden. Es muss genügend Wasser
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vorhanden sein. Die Triebe müssen zur richtigen Zeit zurück geschnitten werden. Die Reben sind
eine rankende Pflanze, deswegen muss ihr Wachstum durch ein Gerüst unterstützt werden. Es
gibt sicher noch viele andere Dinge, auf die ein Weinbauer achten muss.
Für Jesus ist Gott der Weingärtner. Er hat die meiste Arbeit mit dem Weinstock. Er schafft die
Grundlage, damit überhaupt Frucht heranwachsen kann. Er ist rund um das Jahr damit beschäftigt, seinen Weinberg zu schützen und zu pflegen.
Jesus selbst ist der Weinstock. Eine Rebe allein kann keine Frucht bringen. Sie braucht den Weinstock. Der Weinstock versorgt sie allem Lebensnotwendigem. Der Weinstock gibt den Reben Halt
und Lebenskraft.
Jesus bezeichnet sich dabei als den „wahren Weinstock“. Wenn es einen wahren Weinstock gibt,
dann muss es auch falsche Weinstöcke geben. Es gibt auch noch andere Dinge, die uns Leben
versprechen, die uns scheinbar Halt geben können. Aber das sind keine wahren Weinstöcke. Das
sind Dinge, die letztendlich nicht tragen.
In dem Bild das Jesus gebraucht, sind wir schließlich die Reben. An den Reben wächst die Frucht.
Allerdings werden die Reben auch zurückgeschnitten, oder wenn sie keine Frucht bringen auch
ganz vom Weinstock abgeschnitten.
Das ist die Lebensaufgabe der Reben, dass sie Frucht bringen. Dazu ist sie da. Eine Rebe kann
nicht die Aufgaben eines Weingärtners übernehmen. Sie ist auch nicht der Weinstock. Aber an ihr
wächst letztendlich die Frucht. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich so manches mal mein Leben
als Christ und auch als Pastor anschaue und mich frage: Wo bleibt denn die Frucht? Was lässt
Gott durch mich wachsen? Ich kann da oft wenig erkennen. Und das finde ich ganz schön frustrierend.
Ich kann mir vorstellen, dass es manchem von euch ähnlich geht. Wie ist das, wenn wir unsere
Kirche anschauen? Wir Methodisten strengen uns an, probieren alles mögliche, um Menschen in
unserer heutigen Zeit zu erreichen – aber was erleben wir? Als Kirche sind wir eine schrumpfende
Kirche. Seit Jahrzehnten. Wie ist das, wenn wir unsere Gemeinde anschauen? Auch da strengen
wir uns an und probieren immer wieder auf neue Weise, Menschen zu erreichen – aber was erleben wir? Auch als Gemeinde sind wir eine schrumpfende Gemeinde. Wir werden weniger, wir sehen zahlenmäßig keine Frucht. Das ist nicht nur frustrierend, das macht uns auch Angst.
Als Pastor denke ich da so manches mal: Was bringt das alles denn? Warum investieren wir so
viel Zeit, Geld und Kraft in die Gemeinde und am Ende kommt so wenig dabei heraus? Warum
treffen wir uns jeden Sonntag, singen schöne Lieder, beten miteinander, hören Predigten und
dann stellen wir immer wieder fest: Wir Christen verhalten uns auch nicht besser, als andere Menschen.
Mir persönlich geht es so, dass ich Gottes Wirken schon erlebt habe. Gott hat Voraussetzungen
geschaffen, damit Frucht wachsen kann. Ich bin sicher, dass Gott mich zum Pastor berufen hat. Er
hat mich vor fünf Jahren von meiner Krankheit geheilt, so dass ich weiter meinen Dienst tun kann.
Aber ich würde so gerne mehr Frucht sehen. Warum wächst so wenig, bei mir selbst und bei anderen?
Jesus sagt uns in Johannes 15: Frage nicht nach der Frucht! Schaue nicht auf das, was Gott in
deinem Leben wachsen oder nicht wachsen lässt! Schaue nur auf das eine: auf die Verbindung
zum Weinstock. Die entscheidende Aufgabe für die Rebe ist nicht, auf die Frucht zu schauen, sondern auf Jesus. Bleibe an Jesus! Gib nicht auf! Halte dich an ihm fest! Für uns kommt es darauf
an, treu und verlässlich an Jesus zu bleiben. Das ist die wahre Kunst des Glaubens: das Bleiben.
Wenn andere gehen und an anderen Stellen Glück und Erfüllung suchen: Bleibe an Jesus! Sei
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treu! Das ist im Grunde das einzige, das eine Rebe tun kann: am Weinstock bleiben – alles andere geschieht von selbst. Eine Rebe kann nicht aus eigener Kraft mehr Frucht bringen. Sie kann
nur das eine tun: Am Weinstock bleiben. Treu bleiben. Fest am Stamm bleiben.
Von Samuel Harfst gibt es ein Lied mit dem Titel „Wahre Helden“. Für ihn sind die wahren Helden
nicht diejenigen, die im Rampenlicht stehen und für ihre Siege gefeiert werden. Für ihn sind die
wahren Helden die einfachen Menschen, die im Alltag „täglich ihr gutes Werk tun“. Die Mutter, die
im Verborgenen für das Glück ihres Kindes kämpft. Samuel Harfst singt über sie: „Die Liebe bezwingt ihre Selbstsucht. Sie müht sich, wenn keiner sie sieht.“ Oder der Arzt, der nachts um das
Leben von anderen Menschen kämpft, der nicht aufgibt, auch wenn andere kapitulieren.
Die wahren Helden sind diejenigen, die treu sind – auch wenn keiner sie sieht. Die wahren Helden
sind diejenigen, die nicht aufgeben – auch wenn es aussichtslos scheint. So ist es auch im Glauben: Die wahren Helden sind nicht diejenigen, die im Rampenlicht stehen und für einen kurzen Augenblick die Massen begeistern. Nein, die wahren Helden sind diejenigen, die bleiben – auch
wenn es schwierig wird, auch wenn sie keine große Frucht sehen.
Jesus gibt uns zwei Hinweise, was es konkret für uns bedeuten kann, in ihm zu bleiben. Er sagt in
V.7: „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und
es wird euch widerfahren.“ Jesu Worte und Gebet. Das sind die Dinge, die uns helfen in Jesus zu
bleiben. Das sind die Kanäle durch die der Lebenssaft vom Weinstock in die Rebe fließt.
Was können wir als Reben also tun? Wir können keine Frucht aus uns selbst hervorbringen. Wir
brauchen uns auch gar nicht so sehr mit der Frucht beschäftigen. Wir sollten vor allem darauf achten, mit Jesus in Verbindung zu bleiben. Praktisch geschieht das dadurch, dass wir uns immer
wieder an seine Worte erinnern, dass wir uns immer wieder vergegenwärtigen, was er gesagt und
getan hat. Praktisch geschieht das dadurch, dass wir im Gebet mit ihm in Kontakt bleiben. Wir reden mit ihm, bringen ihm unsere Ängste, Sorgen und Schmerzen, aber auch unsere Freude und
Hoffnung. Dadurch bleiben wir in Verbindung mit Jesus. Seine Worte hören und mit ihm reden.
Das hilft uns beim Treu bleiben.
In jeder Gemeinde gibt es Bindfaden-Christen, die nur oberflächlich mit Jesus verbunden sind. Auf
den ersten Blick sieht es so aus, als ob alles okay wäre und die genauso mit dem Weinstock verbunden sind wie alle anderen. Aber irgendwann werden die Blätter welk, der Glaube wird ausgetrocknet, unbeweglich und stirbt schließlich ab. Bei solchen Christen wird keine Frucht wachsen.
Aber es gibt in jeder Gemeinde auch die wahren Helden – auch bei uns. Christen die über Jahrzehnte hinweg treu und verlässlich sind, die im Alltag ihren Glauben leben, die immer wieder neu
die tiefe Verbindung mit Jesus suchen. Sie bringen Frucht, auch wenn sie selbst die Frucht nicht
immer auf den ersten Blick sehen.
Auch in mir selbst entdecke ich beides: Viel zu oft bin ich ein Bindfaden-Christ. Das geht sogar als
Pastor! Nach außen hin scheint alles in Ordnung, aber im Innern ist die lebendige Beziehung zu
Jesus vertrocknet. Aber ich will mich damit nicht abfinden. Ich will treu sein. Ich will an Jesus bleiben. Auch wenn ich wenig Frucht sehe, will ich weiter auf ihn vertrauen. Wo sonst sollte ich Leben
finden? Wo sonst sollte ich wahren Frieden finden? Wo sonst findet mein Leben sein Ziel?
Darum sagt uns Jesus heute morgen: Gib nicht auf! Bleibe in mir, wie auch ich in dir bleibe!
Amen
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Bildquelle: flickr.com / Barbara Müller-Walter (CC BY-ND 2.0)