Lösungshilfe

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Lösungshilfe
Abschlussprüfung 2010
an den Realschulen in Bayern
KUNSTERZIEHUNG
AUFGABEN A
LÖSUNGSHILFE
Vorbemerkung:
Die Erstellung eines Erwartungshorizontes und die Benotung erfolgen durch den
jeweiligen Lehrer in pädagogischer und fachlicher Verantwortung.
Die vorliegende Lösungshilfe kann dazu herangezogen werden.
Selbstverständlich sind auch andere richtige Lösungen zu akzeptieren, die die
Lösungshilfe nicht vorsieht.
Der stichpunktartige Aufbau berücksichtigt nicht die durch die Fragestellung implizierte
Antwortform (z. B. ausführliche Beschreibung bei „Erläutern Sie…“).
Auch ungewöhnliche Schülerlösungen im Bereich II, die die eigene Meinung kundtun,
sollen positiv bewertet werden, solange sie begründet sind.
A I.
Kunstgeschichte
Malerei der Renaissance – des Expressionismus
Die Wende vom Mittelalter zur Renaissance brachte politische, kulturelle und weltanschauliche Veränderungen. Diese führten auch zu einem Wandel in der Auffassung von Kunst
und der Stellung des Künstlers.
1. Nennen Sie drei Aspekte, die die neue Rolle des Künstlers in der Renaissance aufzeigen.
z. B.:
Genius und Schöpfer einer neuen Welt,
Universalgenie:
Künstler, Wissenschaftler, Techniker
humanistisch gebildeter Mensch
selbstbewusstes Individuum
der Künstler als herausragende Persönlichkeit
Kunstwerk als eigenständige schöpferische Leistung
Signatur
2. Die Renaissancemaler wollten in ihren Bildern, unter anderem mit Hilfe der Bildkomposition, Harmonie erzeugen.
Erläutern Sie, welche kompositorischen Elemente hierbei zum Einsatz kamen.
klarer, symmetrischer Bildaufbau
Betonung der Mittelachse
geometrische Grundformen als beliebtes Kompositionsschema: Kreis, Dreieck und Oval
goldener Schnitt als ideales Proportionsschema:
Der kleinere Abschnitt einer unterteilten Strecke verhält sich zum größeren wie der größere
Abschnitt zur ganzen Strecke.
3. Darüber hinaus entdeckten einige Künstler der Renaissance neue Möglichkeiten der
Raumdarstellung. Beschreiben Sie diese.
Zentralperspektive:
Parallel in den Raum führende Linien treffen sich im Fluchtpunkt,
der auf der Horizontlinie liegt = Blickhöhe des Betrachters.
Farbperspektive:
warme Farben im vorderen Bildteil,
kalte Farben im Hintergrund
Luftperspektive:
Verblauung
abnehmende Detailschärfe mit zunehmender Entfernung,
verschwimmende Konturen:
sfumato
4. Die Expressionisten gingen in der Raumdarstellung neue Wege. Zeigen Sie diese auf.
Verzicht auf traditionelle Wiedergaben des Raumes:
flächige Darstellungen
Vernachlässigung von Licht und Schatten
oder der realen, räumlichen Proportionen
Verzahnung der Bildelemente
verzerrte Räumlichkeit
Umkehrung der Farbperspektive
Anwendung der Bedeutungsperspektive
A II. Kunstbetrachtung:
Bildvergleich Lovis Corinth (Impressionismus) – Pablo Picasso (Klassische Moderne) –
Markus Lüpertz (Zeitgenössischer Künstler)
Selbstporträt und Selbstinszenierung spielen in der Bildenden Kunst seit der Renaissance
eine wichtige Rolle.
Ihnen liegen folgende Reproduktionen vor:
Lovis Corinth (1858-1925): „Selbstporträt im Atelier“, 1914, Öl auf Holz, 73 x 58 cm
Pablo Picasso (1881-1973): „Der Maler (Selbstbildnis)“, 1965, Öl auf Leinwand, 65 x 54 cm
1. Beschreiben Sie den Inhalt des Bildes von Lovis Corinth.
Der Betrachter blickt in das Atelier des Malers Lovis Corinth, der in einem weißen Malkittel,
der ockerfarbene, grünliche und schwarze Pinselspuren aufweist, vor seiner Staffelei steht.
Unter dem leicht geöffneten Kittel sieht man ein weißes Hemd und einen schwarzen Anzug.
Sein Haar ist nach vorne gekämmt, seine dichten Augenbrauen und der Schnauzbart sind
dunkelbraun. Auf Stirn und Wange des Malers fällt Licht von einer nicht im Bild erkennbaren
Lichtquelle; Hals und Schultern sind ebenfalls beleuchtet. Der Maler dreht den Kopf dem Betrachter zu und richtet seinen ernsten, konzentrierten Blick auf ihn.
Den linken Arm erhoben, den Pinsel in der Hand haltend, setzt Corinth gerade zum Malen
auf der Leinwand an. Auf dem gerade entstehenden Bild ist noch kaum etwas zu erkennen.
Der rechte Arm ist leicht angewinkelt, die nicht sichtbare rechte Hand hält die Palette, auf der
bunte Farbkleckse zu sehen sind.
Corinth und seine Staffelei, nahe an die Atelierwand gerückt, nehmen einen Großteil des Bildraumes ein.
Der Hintergrund zeigt auf der linken Hälfte die bläulich graue Atelierwand, an der Bilder und
Rahmen verschiedener Formate lehnen, auf der rechten eine braune Holztür, neben der ein
Widderkopf hängt.
2. Untersuchen Sie die Bilder von Lovis Corinth und Pablo Picasso genau hinsichtlich:
a) Farbe und Malweise
b) Form
c) Räumlichkeit
Stellen Sie Ihre Ergebnisse in Form einer Tabelle dar.
zu Farbe und Malweise
Lovis Corinth
eingeschränkte Palette:
Dominieren von Grau- und Brauntönen
farbige Lichtreflexe im Gesicht
starker Hell-Dunkel-Kontrast
z. B. zwischen dem Weiß des
Hemds und dem Schwarz des Anzugs
Kalt-Warm-Kontrast:
z. B. zwischen den Ocker-Brauntönen
der Türe und dem Blau-Grau der
Bilderrahmen
schwacher Komplementärkontrast:
z. B. Grün und Rot auf der Palette
Qualitätskontrast:
z. B. Rot in reinem Zustand auf der
Palette, in abgemischtem Zustand im
Gesicht
z. T. schwarze, breite Kontur
zügige Malweise:
deutlich erkennbarer Pinselstrich:
z. B. Malkittel Corinths
z. T. mit breitem Borstenpinsel
ausgeführt
wechselnde Richtungen
z. T. pastoser, grober Farbauftrag, der
eine raue, schartige Oberfläche vermuten
lässt
Pablo Picasso
eingeschränkte Palette:
Dominieren von Grautönen
kühle Farbtöne durch die Aufhellung der
Farben mit Weiß:
Hellblau, zartes Gelb und Hellgrün
starker Hell-Dunkel-Kontrast:
die hellgrauen, abgemischten Farben
kontrastieren stark mit den schwarzen
Konturen der Palette und den dunklen
Augen
Ausdrucksfarbe:
z. B. Grün des Bartes und der Lippen
stimmen nicht mit der Realität überein
sehr grobe, flüchtige Malweise:
mit breitem Borstenpinsel ausgeführt
z. T. Pinselspuren in wechselnden Richtungen:
z. B. Oberkörper Picassos, aber auch
flächiger Farbauftrag:
z. B. Weiß und Gelb in der rechten
Gesichtshälfte
zur Form
Lovis Corinth
realistische Formgebung, aber
Vernachlässigen der Details:
z. B. bei der linken Hand sind die Finger kaum erkennbar
gewisse Plastizität durch die Modellierung nach Licht und Schatten: helle Stirn
und Schulter
unterbrochene, schwarze Kontur zur
Begrenzung der Form:
z. B. bei den Ärmeln des Malkittels
im Hintergrund: skizzenhafter, z. T.
keine klare Trennung zwischen Wand
und Bildern
Pablo Picasso
Deformation des Oberkörpers und der
malenden Hand
Vereinfachung:
z. B. Bart und Haare
Verzicht auf richtige Proportionen:
überlanger Arm und verkleinerter
Oberkörper
Andeutung von Plastizität durch Licht
und Schatten:
helle linke Gesichtshälfte
z. T. flächiger Farbauftrag
Betonung des Wesentlichen:
vergrößerte Darstellung von Augen,
malender Hand und Palette
zur Räumlichkeit
Lovis Corinth
Pablo Picasso
geringe Raumtiefe:
aufgrund der farblichen Gleichbehandlung von
von Vorder- und Hintergrund
gewisse Raumtiefe durch:
Verkürzungen
Staffelung
Überschneidungen
z. B. Maler und Leinwände im
Hintergrund
Licht-Schatten-Kontraste
keine beabsichtigte räumliche Darstellung, verschiedene Blickwinkel,
z. B. auf die Nase
keinerlei Raumtiefe:
aufgrund der Gleichsetzung von Figur
und Hintergrund
aufgrund der z. T. ineinander greifenden
Farbflächen
Andeutungen von Licht und Schatten
3. Zusätzlich liegt Ihnen die Reproduktion eines Fotos vor, das den „Malerfürsten“ Markus
Lüpertz (*1941) in seinem Atelier zeigt.
Markus Lüpertz setzt sich hier auf andere Art und Weise in Szene als Lovis Corinth.
Begründen Sie diese Aussage.
Corinth setzt sich als selbstbewusster, leidenschaftlicher Maler in Szene
durch seine Kleidung:
Malerkittel über schwarzem Anzug und gestärktem Kragen
durch seine Pose/Aussehen:
im Malprozess befindlich:
gespannte Körperhaltung
entschlossener, konzentrierter Blick
in die Stirn gekämmte Haare
gerötete Wangen
durch die Umgebung:
Widderschädel im Hintergrund, schräg oberhalb des Kopfes des Malers: Symbol für Durchsetzungskraft und Vitalität
Zahlreiche an die Wand gelehnte Bilder sprechen für Corinths Schaffenskraft.
Lüpertz geht es dagegen weniger um den Malprozess, sondern mehr um die Inszenierung
seiner Person als Künstler.
Er stellt sich als Wissender, als ein Eingeweihter dar:
durch seine Kleidung:
Malkittel, dessen Farbe an den Mantel eines Magiers erinnert
Goldkette um den Hals als Insignie für Größe und Reichtum
durch seine Pose:
sitzt in Ruhe
Hinweis auf seine Rolle als Maler nur durch Kleidung, bemalte Hände und Palette
nachdenklicher, provokanter, fordernder Blick
durch seine Umgebung:
im Hintergrund: schwarze Linien, die an geheime Schriftzeichen erinnern
Rabe sitzt auf der Palette, die er in Händen hält:
vielschichtige Symbolik des Raben drückt die Verbundenheit mit einer irrealen Welt aus:
Rabe als Symbol für geheimes Wissen (Hexen, Zauberer)
Rabe als Vogel der Propheten